3 minute read
Ein Geleitwort von Matthias Schulz und Daniel Barenboim
200 JAHRE STAATSOPERN CHOR
200 JAHRE IN DER MITTE DER STAATSOPER
Advertisement
GELEITWORT
Runde 200 Jahre wird der Staatsopernchor in diesem Jahr alt, die Geschichte der Staatsoper ist zugleich auch seine Geschichte. Nachdem wir im vergangenen Jahr 2020 den 450. Geburtstag der Staatskapelle Berlin haben feiern können, blicken wir nun auf ein besonderes Jubiläum des zweiten, ebenso wichtigen Kollektivs unseres Hauses, dessen Mitglieder jeden Tag ihr Bestes geben für die Musik und das Theater. Von hohem künstlerischem Engagement und Qualitätsbewusstsein getragene Aufführungen der großen Werke des Repertoires, ob nun auf der Opernbühne oder auf dem Konzertpodium, wären ohne die Mitwirkung des Staatsopernchors nicht denkbar. Über die gesamte Zeit seines Bestehens hat er mit seinem Einsatz und seiner Kompetenz mit dafür gesorgt, die Staatsoper Unter den Linden als eine international wertgeschätzte Kulturinstitution zu etablieren. Deshalb möchten wir sehr herzlich zu diesem runden Geburtstag gratulieren, der uns und unserem Publikum noch einmal vergegenwärtigen soll, welch ein exzellentes Ensemble unser Staatsopernchor mit seinen aktuell 84 Sänger:innen unter der Leitung von Chordirektor Martin Wright ist! Vor 200 Jahren war es ein zwar nicht selbstverständlicher, aber durchaus folgerichtiger Schritt, einen professionellen Chor am Opernhaus Unter den Linden ins Leben zu rufen. Die musikbegeisterten Berliner Schüler und Laien, die bislang den Chor gebildet und singend wie spielend auf der Bühne gestanden hatten, konnten mit den wachsenden Aufgaben und musikalischen Ansprüchen auf Dauer nicht Schritt halten. Die Uraufführungen zweier Opernwerke zweier herausragender Komponisten und Dirigenten ihrer Zeit, Gaspare Spontini und Carl Maria von Weber, stehen nicht von ungefähr am Beginn der Geschichte des damaligen Königlichen Opernchors und heutigen Staatsopernchors – mit ihnen wurden neue Standards gesetzt, hinter die man nicht mehr zurückfallen konnte. Spä-
testens mit den Chorpartien in den großen Opern Meyerbeers, Wagners und Verdis, die im 19. Jahrhundert an der Berliner Hofoper zunehmend gespielt und schließlich fest im Repertoire verankert wurden, bestand dann die Notwendigkeit, einen leistungsfähigen – und personell entsprechend gut ausgestatteten – Opernchor fest am Haus engagiert zu haben. Im 20. Jahrhundert, mit der durchbrechenden Moderne und einem erweiterten Spielbetrieb, stellten sich nochmals Herausforderungen, denen zu begegnen war, wollte man auch die »Neue Musik« mit ihren zunächst weniger eingängigen Klängen und veränderten Formen des Ausdrucks angemessen bewältigen. Auch führte die in den vergangenen Jahrzehnten in die Wege geleitete spürbare Ausweitung der Bandbreite an Werken dazu, dass sich der Chor in für ihn bislang noch unbekannte stilistische Bereiche zu wagen hatte und sich dort ebenso beweisen musste wie auf vertrautem Terrain. Die Neugier und das Können der Sänger:innen, verbunden mit einer über viele Jahrzehnte intensiv betriebenen und verantwortungsvoll erbrachten künstlerischen Arbeit der Chordirektoren und ihrer Mitarbeiterstäbe ermöglichten es, dass der Staatsopernchor im Grunde jeglicher Aufgabe gewachsen ist, die an ihn gestellt wird: Opern des Barockzeitalters gehören ebenso zu seinem Portfolio wie Werke des klassisch-romantischen Repertoires von Mozart bis Strauss, aber auch Stücke der Klassischen Moderne und des zeitgenössischen Musiktheaters. Kompositionen aus mehr als 400 Jahren Operngeschichte sind einstudiert und gesungen worden, darunter auch eine Reihe von Uraufführungen, in verschiedensten Sprachen, Besetzungen und ästhetischen Handschriften, desgleichen zeigte er sich auch als kompetenter künstlerischer Partner bei chorsinfonischen Projekten. Immer war der Staatsopernchor voll und ganz in der Mitte der Staatsoper, als Teil eines großen Ganzen und doch mit einer sehr eigenen, deutlich wahrnehmbaren Präsenz.
Zwei Jahrhunderte sind eine Zeitspanne, die nur schwer zu fassen ist, zumal wenn sich so dermaßen viele fundamentale Umbrüche ereignet haben wie in Berlin zwischen 1821 und 2021. Kriege und Revolutionen haben die Stadt und ihre Einwohnerschaft wiederholt tiefgreifend erschüttert, wiederholt mussten Neuanfänge gewagt und durchgestaltet werden. Kontinuitäten haben sich trotz allem erhalten und fortschreiben können, im stetigen historischen Wandel. Davon erzählt nicht zuletzt auch die Geschichte des Staatsopernchors, der in dieser Publikation nachgespürt und die entsprechend beleuchtet wird, nicht im Sinne von Vollständigkeit, aber doch möglichst umfassend und repräsentativ. Wir möchten allen danken, die an der Konzeption und Verwirklichung dieser Festschrift zu »200 Jahre Staatsopernchor« mitgewirkt haben, ebenso dem Verein der Freunde und Förderer der Staatsoper Unter den Linden, die unsere Aktivitäten zum Chorjubiläum so großzügig unterstützen – und vor allem möchten wir dem Chor selbst mit allen seinen Sänger:innen sowie seiner Direktion für seine so schöne und wertvolle Arbeit unseren Dank bekunden. Musikalisch wie szenisch gab und gibt er der Staatsoper Stimme und Gesicht, für viele Abende im Jahr, zur Freude unseres Publikums – und das in der Vergangenheit, in der Gegenwart und gewiss auch in der Zukunft. Herzlichen Glückwunsch zum 200. Geburtstag!
Berlin, im Dezember 2021
Matthias Schulz, Intendant der Staatsoper Unter den Linden Daniel Barenboim, Generalmusikdirektor
JUBILÄUM