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Anthropos Antigone
DIE LETZTE GENERATION DER LABDAKIDEN
von Katja Prussas
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Der Einsicht des blinden und sterbenden Ödipus in Ödipus auf Kolonoss, dass er für die wahren Zusammenhänge seiner Politik und seiner Familiengeschichte blind war und sich daraufhin schuldig machte mit seinem Tun, folgt die Uneinsichtigkeit und der verheerende Bruderkrieg (Sieben gegen Theben) seiner beiden Söhne Eteokles und Polyneikes um die Macht. Nach deren Tod zielt die Herrschaft Kreons einzig auf Wiederaufbau und Wachstum samt neuer Gesetzgebung (Antigone) und führt zu einem tiefen Riss in der Gesellschaft. Die Familienchronik der Labdakiden1 ist geprägt von drei politischen Transformationen. Und nun befragen Antigone und Ismene, Töchter des Ödipus, und Haimon, Sohn des Kreon, die Letzte Generation der Labdakiden in Alexander Eisenachs Fortschreibung des antiken Mythos, die Folgen der letzten Transformation für das neue Erdzeitalter (Anthropozän).
Antigone, Ismene und Haimon wagen in Anthropos Antigone den Aufstand, getrieben von der Sorge um ihre Mitwelt. Seit jeher waren es v. a. menschliche Handlungen, die das Ökosystem aus den Fugen gerissen haben und nun nimmt der neue Herrscher Kreon den Meeresboden, diesen bisher noch weitgehend unerforschten Raum, ins Visier. Dadurch verweigert Kreon nicht nur eine einzelne Grabesstätte, die des Polyneikes, sondern er zerstört bewusst das Grab aller Menschen durch seine Tiefenbohrungen. Eine letzte Grenze ist somit überschritten.
Antigone und Ismene berufen sich in ihrem Aktivismus gegen Kreons Ressourcenabbau auf uralte Gesetze, um das Unrecht abzuwenden. Sie gründen eine Widerstandsgruppe, wenden sich gegen Kreons Gesetzgebung und destabilisieren gleichzeitig seine Herrschaft. Sabotageakte zwingen Kreon zu Gegenmaßnahmen … Was bleibt ist ein tiefer Riss, wie bereits zu Sophokles Zeiten: Welchen Gesetzen sollen wir folgen? Denn in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels können wir doch die Rechte der Natur, unsere Mitwelt, nicht weiter ignorieren. Muss nicht eine neue Agenda im Zeitalter der digitalen Transformation formuliert werden? Wird sich das Anthropozän künftig gegen uns Erdenbewohner:innen wenden? Und mahnen nicht auch bereits seit Jahrzehnten Wissenschaftler:innen zur Umkehr? Sind wir denn eigentlich blind?