Selected Works XIV

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Ausgewählte Werke · Selected Works XIV

Nicolaas Teeuwisse 1


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2014

Ausgewählte Werke · Selected Works XIV

Nicolaas Teeuwisse OHG · Erdener Str. 5a ·  14193 Berlin-Grunewald Telephone: +49 30 893 80 29 19, +49 30 890 48 791 · Mobile: +49 171 483 04 86 Email: nicolaas@teeuwisse.de · www.teeuwisse.de


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Von Cambiaso bis Boccioni Der vorliegende Katalog enthält eine recht persönliche Auslese von Handzeichnungen, druckgraphischen Arbeiten sowie einigen Ölgemälden, die anlässlich der TEFAF (The European Fine Art Fair) vom 14. bis 23. März 2014 in Maastricht gezeigt werden. Beabsichtigt ist ein abwechslungsreicher und unterhaltsamer Exkurs durch mehrere Jahrhunderte europäischer Kunstgeschichte, bei denen Meister und Kleinmeister der abendländischen Kunst zu Wort kommen. Manchmal sind es die Werke jener heute oft vergessenen Klein­ meister, die den Betrachter durch Eigensinn, erfrischenden Nonkonformismus und schöpferische Originalität überraschen, da sie den akademischen Zwängen oder dem vorherrschenden Geschmacksdiktat ihrer Epoche weniger verpflichtet waren. Dies gilt zum Beispiel für Luca Cambiasos Holzschnitt der Psyche, der chronologisch ganz am Anfang dieser Auswahl steht. Die Holzschnitte dieses bedeutenden Genueser Meisters des Cinquecento sind von einer fast mythischen Seltenheit und wur­ den bis in jüngster Zeit von der kunsthistorischen Forschung kaum gewürdigt. Während Cambiaso als Zeichner ungemein produktiv und einflussreich gewesen ist, so sind von seinen eigenhändigen Holzschnitten nur einzelne Abzüge bewahrt geblieben. Sie erstaunen den heutigen Betrachter durch ihre fast zeitlose Modernität, ihre kühne Reduktion der Form und ihre ungeheure Expressivität. Doch letztlich sagt jeder der in diesem Katalog vertretenen Künstler auf seine ganz persönliche, unverwechselbare Weise Wesentliches und Wissenswertes über die Epoche aus, in der er gelebt und gearbeitet hat. Zu der zeichnerischen Bravura Cam­ biasos steht die detaillierte, hochkonzentrierte und technisch

vollendete Grabstichelmethodik von Niederländischen Meistern wie Cornelis Cort, Pieter Furnius und Egbert van Panderen in einem kontrapunktischen und aufschlussreichen Bezug. Die barocke Eleganz von Zimbals Madonna reimt sich mit der Linienschönheit einer Gewandstudie von Friedrich Overbeck. Eine atmosphärische, geheimnisvoll leuchtende Flussland­ schaft Jan Griffiers zeigt eine ähnlich tiefe Naturverbundenheit, wie das fast zweihundert Jahre später entstandene, feinsinnig behandelte Landschaftsaquarell von Thomas Ender, dessen leise aufklingende Vergänglichkeitsthematik den Geist der deutschen Frühromantik atmet. Auf diese Weise entsteht ein buntes, kaleidoskopisches Gesamt­ bild europäischer Kunst aus fünf Jahrhunderten, das seinen chronologischen Abschluss in den grandiosen Arbeiten des italienischen Futuristen Umberto Boccioni findet. Mit zeichnerischem Purismus und spannungs­voller Dynamik überbrückt Boccioni virtuos die zeitliche Distanz zu Luca Cambiaso und unterstreicht die Universalität aller großen Kunst. Mein Dank gilt folgenden Personen, die mir mit wichtigen Anregungen behilflich gewesen sind: Marina Aarts, Helmut Börsch-Supan, Huigen Leeflang, Ger Luijten, Marijn Schapelhouman, Nicolas Schwed. Stefanie Löhr und Robert Ober­ dorfer sei für hilfreiche Korrekturen gedankt. Eveline Deneer und Nadine Keul haben mich tatkräftig und sachkundig bei den Recherchen für diesen Katalog unterstützt. Die englische Übersetzung wurde – wie immer unnachahmlich elegant – von Robert Bryce besorgt. Nicolaas Teeuwisse

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From Cambiaso to Boccioni This catalogue comprises a very personal selection of drawings, prints and a number of oil paintings on display at The European Fine Art Fair (TEFAF) in Maastricht from 14 to 23 March 2014. It takes readers on a wide-ranging and pleasurable journey through several centuries of European art history to visit works by great and minor masters of Western art. These are sometimes the creations of those now often forgotten minor masters who refused to bow to the academic constraints or prevalent tastes of their times and whose stubbornness, re­freshing non-conformism and imaginative originality come as a surprise to the modern-day viewer. This is true, for instance, of Luca Cambiaso’s woodcut of Psyche, which forms the chro­ no­logical starting point of the selection. The woodcuts of this out­standing Genoese master of the Cinquecento are of an almost mythical rarity, having been largely ignored by art researchers and historians until fairly recently. While Cambiaso was extremely productive and influential as a draughtsman, only a few impressions of his woodcuts have survived. Their almost timeless modernity, bold reduction of form and incredible expressiveness astound the present-day observer. Ultimately, however, all the artists in this catalogue – in very personal and distinctive ways – make profound and informed statements about the times in which they lived and worked. Cambiaso’s stylish draughtsmanship forms an instructive counterpoint to the detailed, concentrated and accomplished

burin technique of Dutch masters such as Cornelis Cort, Pieter Furnius and Egbert van Panderen. The Baroque elegance of Zimbal’s Madonna forms a perfect match with the linear beauty of a garment study by Friedrich Overbeck. An atmospheric, mysteriously luminous river landscape by Jan Griffier reveals a close affinity with nature, as does the sensitive and subtly treated landscape watercolour produced some two hundred years later by Thomas Ender, whose discreet allusion to the theme of transience emanates the spirit of the early German Romantic period. The outcome is a colourful kaleidoscope of European graphic art which ends with the magnificent prints of the Italian Futurist, Umberto Boccioni. His purist draughtsmanship and arresting dynamism take us back in time to Luca Cambiaso, thus underlining the universality of all great art. I should like to thank Marina Aarts, Helmut Börsch-Supan, Huigen Leeflang, Ger Luijten, Marijn Schapelhouman and Nicolas Schwed for the valuable suggestions they made and Stefanie Löhr and Robert Oberdorfer for their helpful corrections. Eveline Deneer and Nadine Keul gave me active and informed assistance in researching this catalogue. The English translation – peerlessly elegant as ever – was supplied by Robert Bryce. Nicolaas Teeuwisse

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16. – 17. Jahrhundert

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1. cornelis bos (1506 oder 1510 Herzogenbosch – 1556 Groningen)

cornelis bos

Die Vernunft und die Gerechtigkeit. Kupferstich. 26,5 x 21,2 cm. 1537. Hollstein 71, Schéle 67.

Prudence and Justice. Engraving. 26.5 x 21.2 cm. 1537. Hollstein 71, Schéle 67.

Wesentliche Zeitspannen in der Biographie des niederländischen Kupferstechers Cornelis Bos sind bisher ungeklärt, obwohl der Künstler in den 1540er Jahren als einer der Hauptmeister des Ornamentstichs, des sogenannten Floris-Stiles galt. Bos erhielt 1540 das Bürgerrecht der Stadt Antwerpen und wurde noch im gleichen Jahr als Mitglied der dortigen Lukasgilde aufge­nom­ men. Seine Fortüne fand jedoch ein dramatisches Ende, als er 1544 auf Grund seiner Zugehörigkeit zu der Antwerpener Libertijnen-Sekte aus der Stadt verbannt und seine Besitzungen konfisziert wurden.

Although the Dutch engraver, Cornelis Bos, was regarded as one of the leading masters of ornamental engraving known as the Floris style in the 1540s, important gaps remain in his biography that have yet to be filled. In 1540, Bos received the freedom of the City of Antwerp and was admitted to membership of the Guild of St. Luke the same year. His fortunes took a dramatic turn for the worse in 1544, however, when he was banned from the city for belonging to Antwerp’s Libertine Sect and had his possessions confiscated.

Bos soll sich in Rom künstlerisch gebildet und dort mit Künst­ lern wie Marco da Ravenna und Enea Vico verkehrt haben, dennoch gilt der römische Aufenthalt heute als ungesichert. Vielmehr wird in jüngster Zeit eine Ausbildung in den Niederlanden und ein Aufenthalt in Paris oder Fontaine­bleau in den 1530er Jahren als wahrscheinlich angenommen. Um 1537/38 war Bos als Kupferstecher und Holzschneider für Jan Cornelisz. Vermeyen und Pieter Coecke van Aelst tätig. Nach seiner Flucht aus Antwerpen wanderte Bos in die nördlichen Niederlande aus und hielt sich vermutlich zuerst in Haarlem auf. Um 1550 dürfte er sich dann in Groningen niedergelassen haben. Der Kupferstich geht auf ein Triptychon zurück, das Maarten van Heemskerck für das Rathaus in Haarlem ausgeführt hat und das sich nur fragmentarisch erhalten hat. Es handelt sich um die erste Auftragsarbeit des Künstlers nach seiner Rückkehr von der Italienreise (1532–1535). Das Modell für die Allegorie der Vernunft und der Gerechtigkeit war eine Grisaillemalerei, die sich ursprünglich an einem der Außenflügel des Triptychons befand und heute im Kunsthistorischen Museum in Wien aufbewahrt wird. Bos hat mehrere Kupferstiche nach Heemskerck geschaffen und auch dies dürfte als Indiz für den zeitweiligen Aufenthalt des Künstlers in Haarlem zu deuten sein. Seine Interpretation des Sujets ist in einer schlichten, kraft­vollen, fast spröde wirkenden Graviertechnik ausgeführt. Dennoch verleihen die wuchtigen Parallel- und Kreuzschraf­ furen der Allegorie eine zwingende expressive Kraft und Dyna­ mik, die auch an die druckgraphischen Schöpfungen der Schule von Fontainebleau erinnert. Prachtvoller, toniger Druck mit feinem Rändchen. Vereinzelte Klebereste verso, sonst vorzügliches, unbehandeltes Exemplar. Aus der Sammlung J. H. Jurriaanse, Rotterdam (Lugt 1403 b).

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(1506 or 1510 Herzogenbosch – 1556 Groningen)

Bos is thought to have trained as an artist in Rome and associated with some artists there, including Marco da Ravenna and Enea Vico. However, his sojourn in Rome now appears fraught with uncertainty, it being considered more likely that he trained in the Netherlands and spent time in Paris or Fontainebleau in the 1530s. Around 1537/38 Bos was active as an engraver and wood-engraver for Jan Cornelisz. Vermeyen and Pieter Coecke van Aelst. After his flight from Antwerp Bos emigrated to the northern Netherlands, where his first stop was presumably Haarlem. He probably settled in Groningen for good around 1550. This engraving has its origins in a triptych produced by Maarten van Heemskerck for the town hall in Haarlem; only fragments of the triptych have survived. This was the artist’s first commission after returning from his journey to Italy (1532–1535). The Allegory of Prudence and Justice was modelled on a grisaille painting which originally formed part of one the outer wings of the triptych now in the Kunsthistorisches Museum in Vienna. Bos made several engravings after Heems­ kerck, which again may be seen as evidence of the artist’s temporary stay in Haarlem. Bos’s interpretation of the subject has been executed in a simple, forceful engraving technique that appears almost devoid of any sophistication. Nevertheless, the strong parallel and cross-hatchings lend the allegory an irresistibly expressive power and dynamism reminiscent of the prints emanating from the Fontainebleau School. A superb tonal impression with thread margins. Occasional remains of old paper hinges on the verso, otherwise in excellent, unrestored condition. From the J. H. Jurriaanse Collection, Rotterdam (Lugt 1403 b).


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2. luca cambiaso

(1527 Moneglia – 1585 Madrid)

Psyche steigt in den Olymp mit der Vase der Proserpina. Holzschnitt. 26,7 x 19 cm. Wasserzeichen Kniender Heiliger im Kreis (ähnlich Briquet 7627, Neapel 1536).

eine kleine Gruppe von teils unbezeichneten Holzschnitten, die sowohl als reine Schwarzdrucke wie auch als mit Bister lavierte Exemplare vorkommen.

Luca Cambiaso zählt zu den eigenwilligsten, einflussreichsten und produktivsten Künstlerpersönlichkeiten des italienischen Cinquecento und gilt fraglos als bedeutendster Meister der Genueser Schule in jenem Jahrhundert. Schier unerschöpflich ist die Zahl der Zeichnungen, die von ihm und von seinen Werkstattgehilfen als Vorstudien und Vorlagen für andere Künstler angefertigt wurde. Soprani erwähnt in seinen Vite de’ Pittori, Scoltori ed Architetti Genovesi ... (1674) lobend die erstaunlichen zeichnerischen Fähigkeiten des Künstlers und sein ungeheures Arbeitspensum.

Auch in der neueren Forschung ist der Frage der druckgraphischen Tätigkeit Cambiasos kaum Raum gewidmet worden. So wird in der monumentalen, 1958 erschienenen Monographie von Bertina Suida Manning und William Suida, Luca Cambiaso. La vita e le opere nur beläufig auf diese Problematik eingegangen. Die Autoren verzeichnen insgesamt neun eigenhändige Holzschnitte des Künstlers.

Ist das malerische und zeichnerische Werk Cambiasos seit Wil­ helm Suida eingehend erforscht worden, so ist über die extrem seltene druckgraphische Produktion nahezu nichts bekannt. François Brulliot war einer der ersten Autoren, der in seinem 1832 erschienenen Dictionnaire des Monogrammes auf das druckgraphische Œuvre aufmerksam machte und eine Gruppe von Holzschnitten von und nach Cambiaso auflistete, die das Mono­ gramm GG. N.F respektive P.S.F. vorweisen (Brulliot, Bd. I, 1364). Nagler erweiterte diesen Bestand 1860 um einige Blätter, die alle das Monogramm LC tragen und von ihm als eigen­ händige Arbeiten Cambiasos betrachtet wurden. Er schrieb: „Die Blätter dieser Art scheint Cambiaso selbst ver­breitet zu haben. Sie ahmen entweder einfache Feder­zeichnungen, oder Umrisse in schwarzer Kreide nach ... Die Umrisse sind sehr kräftig und mit malerischem Gefühle geführt.“ (Die Monogram­ misten II, 312, S. 115–116). Schließlich verzeichnete Nagler

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Der vorliegende Holzschnitt fehlt im Verzeichnis von Suida Manning/Suida und ist von erlesener Seltenheit. Ein weiteres Exemplar befindet sich im British Museum in London. Betrachtet man unser Blatt, so ist man erstaunt über Cambiasos Fähig­ keit, mit nur wenigen Linien Plastizität und Räumlichkeit zu suggerieren. Seine Formsprache wirkt überraschend modern. Im Vergleich zu den beiden Holzschnitten in Florenz (siehe Abb. Seite 13) herrscht eine noch strengere Ökonomie der Mittel vor. Die Darstellung ist in einer elementaren, rein linearen Technik behandelt. Ein klares, markantes Liniengerüst definiert die Umrisse der Figuren, der Künstler hat nahezu vollständig auf den Einsatz von Parallelschraffuren verzichtet. Auf diese Weise wird ein hohes Maß an Abstraktion erzielt. Dennoch ist die Szene visuell prägnant und von ungeheurer Dynamik erfüllt. Prachtvoller, kräftiger Druck mit Rand. Minimale Altersspuren, sonst vorzüglich erhalten. Mit Recht hat das Blatt den Status eines nahezu unauffindbaren Rarissimums der italienischen Druckgraphik des 16. Jahrhunderts.


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2. luca cambiaso (1527 Moneglia – 1585 Madrid) Psyche Ascends to Olympus with Prosperina’s Vase. Woodcut. 26.7 x 19.0 cm. Watermark: Kneeling saint in a circle (similar to Briquet 7627, Naples 1536). Luca Cambiaso ranks among the most unconventional, influen­ tial and prolific artistic personalities of the Italian Cinquecento and is considered beyond all doubt to be the outstanding master of the Genoese school in that century. The artist and his workshop executed an apparently inexhaustible number of drawings and preliminary studies for other artists. In his Vite de’ Pittori, Scoltori ed Architetti Genovesi ... (1674) Soprani commends the artist’s astounding drawing skills as well as his incredible work­load. While Cambiaso’s paintings and drawings have been researched in depth thanks to the work of Wilhelm Suida, vir­tually nothing is known about the artist’s extremely rare prints. François Brulliot was one of the first authors to draw attention to Cam­ biaso’s printed oeuvre in his Dictionnaire des Monogrammes (1832), recording a group of woodcuts by and after Cambiaso bearing the monograms GG., N.F and P.S.F. respectively (Brulliot, vol. I, 1364). Nagler added to a few more prints to this list in 1860, all of them bearing the monogram LC and considered to be autograph works by the artist. He wrote: “Cambiaso himself appears to have circulated prints of this kind. They imitate either simple pen and ink drawings or out­lines in black chalk ... The outlines are executed with con­ siderable vigour and a painterly touch” (Die Monogrammisten, vol. II, 312, pp. 115–116). Finally, Nagler listed a small group

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of woodcuts, some of them uninscribed, which appear both as pure woodcuts printed in black and white or as impressions reworked in brown wash. In the more recent literature the question of Cambiaso’s activity as a printmaker was hardly given any space at first either. For example, in the monumental monograph Luca Cambiaso. La vita e le opere, published in 1958 by Bertina Suida Manning and William Suida, the issue is only marginally discussed. The authors list nine woodcuts by Cambiaso altogether. The present woodcut is not included in the list published by Suida Manning / Suida and is of exquisite rarity. A further impression is at the British Museum in London. Looking at our sheet, one cannot but be amazed by Cambiaso’s ability to create a sense of depth and three-dimensionality with just a few lines. His style appears astonishingly modern. Compared to the two woodcuts in Florence (see fig.) there is a much more stringent economy of means. The depiction is rendered in an elementary, purely linear technique. A clear, striking linear framework defines the outlines of the figures and their indivi­ dual shapes; the artist has dispensed almost completely with any parallel hatching. He thus achieves a high degree of abstrac­ tion. Nevertheless, the scene appears visually concise and full of tremendous dynamism. A superb, strong impression with margins. Minor ageing, otherwise in excellent condition. This almost untraceable work is justifiably considered a precious specimen of 16th century Italian printmaking.


L. Cambiaso. The Holy Family. Woodcut. Florence, Uffizi, Gabinetto delle Stampe.

L. Cambiaso. The Birth of Venus. Woodcut. Florence, Uffizi, Gabinetto delle Stampe.

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3. cornelis cort

(1533 Hoorn – 1578 Rom)

Die zwölf Werke des Herkules. 10 Kupferstiche. Je ca. 22,4 x 28,6 cm. 1565. The New Hollstein 172– 181 III (von IV). Wasserzeichen Gotisches P. Die im Jahre 1565 von dem Antwerpener Verleger Hieronymus Cock edierte Folge ist ein graphisches Meisterwerk des niederländischen Kupferstechers Cornelis Cort, das unmittelbar vor seiner im gleichen Jahr erfolgten Abreise nach Italien entstanden sein dürfte. Die Kupferstiche geben einen Gemäldezyklus wie­ der, den Frans Floris um 1555 für die Residenz des Antwerpener Kaufmanns Nicolaas Jonghelinck ausgeführt und von dem sich lediglich ein Gemälde erhalten hat. Als Vorlagen für Cort dien­ ten Zeichnungen, die vermutlich von dem Floris-Schüler Simon Jansz. Kies angefertigt wurden. Aufgrund der räum­lichen Beschrän­kungen des Gemachs, in dem die Gemälde untergebracht waren, komprimierte Floris die zwölf Werke auf zehn gemalte Kompositionen, wobei er auf zwei Gemälden jeweils zwei thematisch verwandte Episoden kombinierte. Cor­nelis Cort folgte dieser Anordnung, erweiterte die Kompositionen Frans Floris’ aber um einen landschaftlichen Hintergrund. Der gemalte Zyklus ist ein Musterbeispiel für die künstlerischen Bestrebungen des Antwerpener Manierismus und zeigt anschaulich – obwohl nur durch die kongenia­len Reproduk­ tionsstiche Corts tradiert – wie stark Floris italie­nischen Vorbildern des 16. Jahrhunderts verpflichtet war. Die Figurenauffassung ist maßgeblich von Jacopo Caraglios Kupferstichen

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nach Zeichnungen Rosso Fiorentinos beeinflusst, während beispielsweise die Komposition des Kampfes von Herkules und Antaeus auf eine Zeichnung Raphaels zurückgeht, die durch einen Kupferstich Agostino Venezianos überliefert war (siehe Hieronymus Cock. De renaissance in prent, hrsg. von J. van Grieken, G. Luijten, J. van der Stock, Brüssel-Leuven-Paris 2013, Nr. 38, S. 166 ff.). Floris’ Herkules-Zyklus ist einzig­artig in seiner überbordenden schöpferischen Gestaltungskraft und nur wenigen Künstlern dürfte eine solch dramatische und originelle Interpretation des antiken Stoffes gelungen sein. Auf ähnliche Weise bestechen Cort’s Kupferstiche durch ihre konzentrierte, wuchtige Technik und ihre kompositorische Kohärenz. Die etwas derbe, trockene Linienführung vermittelt den Blättern eine große expressive Kraft, welche die Dynamik und die rohe Gewalttätigkeit der einzelnen Episoden dramatisch zum Tragen bringt. Corts disziplinierte Grabsticheltechnik mit ihren dichten Schraffurmustern verleiht Mensch und Tier eine fast skulpturale Plastizität und eine ungeheure physische Präsenz, während die markante Hell-Dunkelwirkung das Pathos der einzelnen Szenen effektvoll intensiviert. Ausgezeichnete, tonige und harmonische Drucke mit breitem Rand, vor dem Namen des Cornelis Cort und der Löschung der Adresse von Cock. Etwas fleckig und angestaubt, geringfügige Randschäden, verso vereinzelte Klebereste, der Gesamteindruck jedoch sehr gut.


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3. cornelis cort (1533 Hoorn – 1578 Rome) The Twelve Labours of Hercules. 10 engravings, each measuring c. 22.4 x 28.6 cm. 1565. The New Holl­stein 172–181 III (of IV). Watermark: Gothic P. This suite edited by the Antwerp publisher Hieronymus Cock in 1565 is a masterpiece of printmaking by the Dutch engraver, Cornelis Cort, which in all probability arose prior to his departure for Italy the same year. The engravings reproduce the cycle of paintings made around 1555 by Frans Floris for the resi­dence of the Antwerp merchant Nicolaas Jonghelinck; only one of these paintings has survived. The drawings Cort used as models were probably done by Simon Jansz. Kies, one of Floris’ pupils. The limited amount of space available in the room where the paintings were displayed obliged Floris to compress the twelve works into ten painted compositions, two thematically related episodes being combined on two of the paintings. Cornelis Cort also adopted this procedure but extended Frans Floris’ com­po­ sitions to include a landscape backdrop. The painted cycle is an outstanding example of the artistic aspirations of Antwerp Mannerism and provides a vivid illustration – although only handed down by dint of Cort’s in­genious reproductive engrav­ings – of how strongly Floris was indebted to 16th century Italian models. The figure style is strongly influenced by Jacopo Caraglio’s engravings after

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draw­ings by Rosso Fiorentino, whereas the composition of Hercules Wrestling with Antaeus, for example, harks back to a drawing by Raphael that had been handed down thanks to an engraving made by Agostino Veneziano (see Hieronymus Cock. De renaissance in prent, edited by J. van Grieken, G. Luijten, J. van der Stock, Brüssel-Leuven-Paris 2013, no. 38, p. 166 ff.). Floris’ Hercules cycle is unique in its exuberant creative power; few artists are likely to have suc­ceeded in producing such a dramatic and original interpretation of the ancient material. Cort’s engravings also stand out for their concentrated, powerful technique and compositional coherence. The somewhat dry, unpolished linework gives the prints great expressive power which dramatically brings out the dynamism and the raw vio­ lence of the individual episodes. Cort’s disciplined burin technique with its dense hatching patterns gives both man and beast an almost sculptural plasticity and a tremendous physical pre­ sence, while the striking chiaroscuro effectively intensifies the pathos of the individual scenes. Superb, tonal and harmonious impressions with wide margins, before the name of Cornelis Cort and the eradication of Cock’s address. Slight staining and surface soiling, minor defects in the margins, occasional remains of old paper hinges on the verso, otherwise in very good condition.


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4. p ieter jalhea furnius

pieter jalhea furnius

Die sieben Tugenden und Untugenden. 7 Kupferstiche. Je ca. 25,7 x 19,4 cm. Hollstein 24–30. Wasser­zeichen Ochsenkopf.

The Seven Vices and the Seven Virtues. Seven engravings, each measuring circa 25.7 x 19.4 cm. Hollstein 24–30. Watermark: ox’s head.

Pieter Furnius war Schüler des Lambert Lombard in Lüttich. Zwischen 1563 und 1571 arbeitete er als Kupferstecher in dem berühmten Antwerpener Verlagshaus von Christopher Plantin und war auch für den Verleger Hieronymus Cock tätig. Während der Blütezeit des Antwerpener Manierismus fertigte er eine Reihe von Kupferstichen nach Vorlagen von Pieter Bruegel, Michel Coxie, Johannes Stradanus und anderen namhaften Meistern seiner Zeit an und stach außerdem mehrere Blätter nach eigener Erfindung, wie dieser eindrucksvolle und sehr seltene Zyklus der Sieben Tugenden und Untugenden belegt.

Pieter Furnius studied under Lambert Lombard in Liège. From 1563 to 1571 he worked as an engraver for the well-known Antwerp publishers, Christopher Plantin and Hieronymus Cock. During the heyday of Mannerism in Antwerp Furnius produced a series of engravings modelled on works by Pieter Bruegel, Michel Coxie, Johannes Stradanus and other prominent masters of his time as well as several prints derived from his own imagination, of which this impressive and very rare cycle of The Seven Vices and the Seven Virtues is an illustration.

(genannt Dufour, um 1545–1626, Lüttich)

Die Folge ist ein absolutes Meisterwerk des flämischen Manier­ ismus und besticht durch ihre äußerst komplexe und sinnträchtige Ikonographie, bei der sich eine tiefe Religiösität mit humanistischer Gelehrsamkeit verbindet. Furnius gelingen höchst aussagekräftige und originelle Bilderfindungen. Als Bei­ spiel sei die Castitas genannt, welche den Bogen des Amors mit einer machtvollen Geste zerbricht, während sie den auf dem Boden daniederliegenden Knaben mit ihren Füßen im Zaum hält. Kennzeichnend für Furnius’ Stil ist eine derbe, etwas schwerfällige, aber gleichzeitig auch sehr ausdrucksstarke Graviertechnik, in der sich motivische Anleihen an die Kunst der italienischen Renaissance mit einem nordischen Detailreichtum verbinden. So erscheint die Castitas in ihrer statuarischen Monumentalität einem michelangelesken Figurenkanon verpflichtet. Mit flämischem Sinn für das genrehafte Detail hat der Künstler in diesem Zyklus die unzähligen, sinnfälligen Attribute, die reich variierte Kleidung der allegorischen Gestal­ ten und Details des Terrains und der Landschaft suggestiv charakterisiert. Trotz der disziplinierten Graviertechnik atmen die Blätter Pathos und erzählerische Dramatik. Prachtvolle, harmonische und gegensatzreiche Drucke mit breitem, gleichmäßigem Rand. Das Papier geringfügig gebräunt und fleckig, minimale Randmängel, sonst vorzügliches, unbehandeltes Exemplar.

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(called Dufour, circa 1545–1626, Liège)

The series is an absolute masterpiece of Flemish Mannerism and is distinguished by its extremely complex and evocative iconography in which a deep sense of religiousness is combined with humanistic erudition. Furnius succeeds in creating highly expressive and original imagery. A good example is provided by Chastity, who crushes Amor’s bow with a powerful gesture while using her feet to keep the boy under control on the ground. A characteristic feature of Furnius’ style is his forceful, occasionally cumbersome yet highly expressive engraving technique in which thematic borrowings from Italian Renaissance art blend with a northern wealth of detail. Thus Chastity in her statuesque monumentality appears indebted to a Michelangelesque figurative canon. Showing a Flemish sense of genre-like detail, the artist has evocatively characterised in this cycle the innumerable meaningful attributes, the richly varied clothing of the allegorical figures and details of the terrain and the land­scape. Despite the disciplined manner of the engraving technique the prints radiate pathos and narrative drama. Very fine, harmonious and contrasting impressions with wide, even margins. Minor paper discolouration and foxing, minor defects, otherwise in very good condition.


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5. fra bonaventura bisi

fra bonaventura bisi

Die Heilige Familie. Radierung nach Parmigianino. 31,6 x 23,2 cm. 1634. Nagler, Die Monogrammisten II, 1956; De Vesme 1 III.

The Holy Family. Etching after Parmigianino. 31.6 x 23.2 cm. 1634. Nagler, Die Monogrammisten II, 1956; De Vesme 1 III.

Der Franziskanermönch Fra Bonaventura Bisi war Schüler des Lucio Massari und wurde vor allem als Miniaturmaler bekannt. Er muß eine gebildete und angesehene Persönlichkeit gewesen sein, denn in höherem Alter beriet er den Herzog Alfons IV. von Modena bei den Erwerbungen für seine Kunstsammlung. Bisi war auch als Graphiker tätig, wie das vorliegende, eminent seltene Blatt beweist. Nagler verzeichnet lediglich diese eine Radierung, deren Komposition seiner Ansicht nach auf eine Vorlage Parmigianinos zurückgeht. De Vesme erweiterte das Œuvre um ein weiteres Blatt, dessen Zuschreibung an Bisi allerdings fraglich ist. Im Unterschied zu Nagler hielt dieser Autor jedoch nicht Parmigianino, sondern Giorgio Vasari für den Urheber der Komposition. Bemerkenswert ist der betont retrospektive Charakter der Stilsprache Bisis. Die Eleganz und die Flüssigkeit der Zeichnung sowie die Behandlung der weichen, üppigen Faltenwürfe atmen den Geist des italienischen Cinquecento auf vollendete Weise.

Fra Bonaventura Bisi, a Franciscan monk and pupil of Lucio Massari, was known primarily as a miniaturist. He must have been an educated and respected figure for, at an advanced age, he advised Duke Alphonse IV of Modena on acquisitions for his art collection. Bisi was also active as a printmaker, as the present extremely rare print shows. Nagler recorded just this one etching, which he considered to be modelled after Parmigianino. De Vesme added a further impression to Bisi’s oeuvre, but it is doubtful whether this can in fact be attributed to him. In contrast to Nagler, however, De Vesme considered Giorgio Vasari and not Parmigianino to be the author of the compo­ sition. Bisi’s artistic idiom is remarkable for its deliberately retrospective character. The elegance and fluency of the drawing and the rendering of the soft, opulent folds convey in perfect manner the spirit of the Cinquecento.

(genannt il Padre Pitturino, 1612–1659 Bologna)

Prachtvoller, leuchtender und gegensatzreicher Druck mit Ränd­ chen um die Einfassungslinie, unten mit dem vollständigen Schriftrand, der eine Widmung an Cassiano del Pozzo enthält. Geringfügige Erhaltungsmängel, eine unauffällige Quetschfalte vom Druck, der Gesamteindruck jedoch sehr schön.

(called il Padre Pitturino, 1612–1659 Bologna)

A superb, rich and contrasting impression with thread margins around the borderline; the full text margin contains a dedication to Cassiano del Pozzo at the bottom. Minor defects and an unobtrusive printer’s crease notwithstanding, otherwise in perfect condition.

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6. andries both

andries both

Die betrunkenen Bauern am Tisch. Radierung. 17,4 x 22,5 cm. Hollstein 10 II.

The Drunken Peasants at the Table. Etching. 17.4 x 22.5 cm. Hollstein 10 II.

Eine Gesellschaft zerlumpter Bauern hat sich um einen Tisch im Freien zum Prassen versammelt. Es geht heiter zu und es wird mit Lust getrunken und geraucht. Der sitzende Mann rechts vorne hält eine angenagte Bratenkeule in der Hand, ein Tischgenosse hat zu opulent geschwelgt und übergibt sich. Einige der Männer gehen barfuß, tragen aber exotische Feder­ mützen. Sie ähneln eher Taugenichtsen als ehrsamen Bauern, die der mühsamen Feldarbeit nachgehen. Die Szene ist launig und in einem flotten, etwas nonchalanten zeichnerischen Duktus dargestellt.

A group of ragged peasants has gathered around a table in the open air for a feast. They are having a jolly time and drinking and smoking with gusto. The man sat on the right is holding a gnawed leg of roast meat in his hand, while a table companion on the left has overindulged himself and is vomiting. Some of the men are barefoot, while others sport exotic feather caps. They look more like good-for-nothings than respectable peasants who diligently work their fields. The good-humoured scene is depicted in a deft, nonchalant drawing style.

(1611/12 Utrecht – 1642 Venedig)

Der Autor dieser deftigen Schilderung, der Maler und Radierer Andries Both, kam um 1612/13 als Sohn des Utrechter Glas­ malers Dirck Both zur Welt. Nachdem er zuerst von seinem Vater ausgebildet wurde, ging er 1624 bei Abraham Bloemaert in die Lehre. Bevor er um 1633 mit seinem Bruder Jan nach Italien aufbrach, war er schon ein gestandener Künstler, wie das malerische und zeichnerische Werk aus dieser Periode belegt. Both spezialisierte sich auf das Bauerngenre und malte später in Rom Szenen aus dem italienischen Volksleben in der Art der Bamboccianti. Sein druckgraphisches Œuvre ver­ zeichnet nur wenige Blätter und ist selten. Boths Radierungen stammen noch aus der Zeit vor seiner Italienreise; in stilistischer Hinsicht stehen sie den Radierungen des Utrechter Meisters Joost Cornelis Droochsloot (1586–1666) sehr nahe. Andries Both sollte nicht in die Niederlande zurückkehren. Nachdem er gemeinsam mit seinem Bruder einige Jahre als Maler in Rom gelebt und gearbeitet hatte, ist er, wie Sandrart berichtet, wohl 1642 in Venedig ertrunken (siehe E. de Jongh, G. Luijten, Spiegel van Alledag. Nederlandse genreprenten 1550– 1700, Amsterdam 1997, Nr. 48, S. 241 ff.). Ausgezeichneter, toniger Druck mit feinem Rändchen. Verso vereinzelte dünne Papierstellen, sonst vorzüglich erhalten.

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(1611/12 Utrecht – 1642 Venice)

The author of this down-to-earth portrayal, the painter and etcher Andries Both, was born the son of Dirck Both, a glass painter in Utrecht, about 1611/12. Having first been taught by his father, he was apprenticed to Abraham Bloemaert in 1624. Before departing for Italy with his brother around 1633 he was already an established artist, as is evidenced by the paintings and drawings he produced in this period. Both brothers specialised in the peasant genre and, when in Rome, painted scenes from everyday Italian life in the manner of the Bamboccianti. Andries’ printed oeuvre comprising just a few prints is rare. His etchings date to the period before he left for Rome; in stylistic terms they are very close to those of the Utrecht master Joost Cornelis Droochsloot (1586–1666). Andries Both never returned to the Netherlands. Having lived and worked with his brother as a painter in Rome for a few years, he is reported by Sandrart to have drowned in Venice in the early 1640s (see E. de Jongh, G. Luijten, Spiegel van Alledag. Nederlandse genreprenten 1550–1700, Amsterdam 1997, no. 48, p. 241 ff.). A very fine, tonal impression with thread margins. Occasional thin paper spots verso, otherwise in perfect condition.


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7. simon dubois

simon dubois

Studienblatt mit Figuren. Pinselzeichnung in Braun, weiß gehöht, auf braun grundiertem Papier. 29,1 x 20,8 cm.

Study sheet with figures. Brush drawing in brown, white heightening, on brown-ground paper. 29.1 x 20.8 cm.

Der Maler Simon Dubois lebte von 1638 bis 1646 in Rotterdam, wo er in jungem Alter bei Adriaen Lucasz. Fonteyn in die Lehre ging. In der Folgezeit lernte er bei Claes Pietersz. Berchem in Haarlem und war ab 1652/53 Schüler von Pieter Wouwerman. Er siedelte 1681 mit seinem Bruder Eduard, der ebenfalls als Maler tätig war, nach London über und erhielt 1697 das eng­ lische Bürgerrecht. Dubois verweilte acht Jahre in Italien und dieser Aufenthalt hat sichtlich einen prägenden Einfluss auf seine Kunst ausgeübt. 1657 verweilte Simon gemeinsam mit seinem Bruder in Venedig, besuchte außerdem Genua und ist 1667 in Rom nachweisbar. In England, wo der Künstler vom Vice Chancellor John Somers gefördert wurde, malte Dubois anfangs kleine Schlachtenbilder, Landschaften und Tierstücke und tat sich auch als Porträtist hervor. Er war offenbar auch ein begabter Kopist von kleinformatigen Gemälden italienischer Meister, die er als Originale verkauft haben soll. Ab 1698 arbeitete Dubois mit Willem van de Velde d. Jüngeren zusammen. Es sind eine Reihe von figürlichen Studienblättern überliefert, die alle in einer identischen Technik ausgeführt sind und möglicherweise aus dem selben Skizzenbuch stammen. Sie werden sowohl Simon wie auch seinem älteren Bruder Eduard zugeschrieben und eine klare Trennungslinie erweist sich offentsichtlich als sehr schwierig. Ein Blatt im Metropo­ litan Museum in New York zeigt eine vergleichbare Komposi­ tionsweise und trägt die Inschrift: Dubois. Weitere stilistisch eng verwandte Zeichnungen befinden sich in London (British Museum) and Oxford (Christ Church).

The painter Simon Dubois lived from 1638 to 1646 in Rotterdam, where he was apprenticed at a young age to Adriaen Lucasz. Fonteyn. He then studied under Claes Pietersz. Ber­ chem in Haarlem, becoming a pupil of Pieter Wouwerman in 1652/53. In 1681 he moved with his brother, who was also a painter, to London, being granted British citizenship in 1697. Dubois spent eight years in Italy, a stay that was to have a lasting and visible influence on his art. In 1657 Simon was joined by his brother in Venice; he also visited Genoa and is known to have been in Rome in 1667. In England, where he enjoyed the patronage of the Lord Chancellor John Somers, Dubois began by painting small battle scenes, landscapes and game scenes. He excelled as a portrait painter and was apparently also a talented copier of small paintings by Italian masters, which he is alleged to have sold as originals. From 1698 Dubois collaborated with Willem van de Velde the Younger. A series of figurative study sheets has survived, all of which are executed in an identical technique and may have come from the same sketchbook. They have been attributed to both Simon Dubois and his elder brother Eduard, it obviously being very difficult to draw a clear dividing line between the two. A drawing in the Metropolitan Museum in New York exhibits a comparable method of composition and bears the inscription: Dubois. Other drawings closely related in style are in London (British Museum) and Oxford (Christ Church).

(1632 Antwerpen – 1708 London)

Unser Blatt ist in einem treffsicheren und routinierten Duktus ausgeführt und besticht durch eine effektvolle mise-en-page. Es handelt sich zweifelsohne um Motive, die der Künstler Gemäl­ den von italienischen Meistern des 17. Jahrhunderts ent­nommen hat, jedoch ist es nicht gelungen, die Vorbilder dieser Zitate zu identifizieren. Dubois hat die einzelnen Gestalten und Figurengruppen – darunter Orientalen und Männer in anti­ker Tracht – scheinbar wahllos und ohne inhaltlichen Zusammenhang kom­biniert, dennoch geht von dem Studienblatt eine beachtliche visuelle und atmosphärische Wirkung aus.

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(1632 Antwerp – 1708 London)

The present sheet has been executed with great skill and accuracy and is remarkable for the effective mise-en-page. The motifs have undoubtedly been taken from paintings by 17th century Italian masters, although it has proved impossible to identify the original works on which these citations are based. Dubois has combined individual figures and groups of people – including Orientals and men in ancient costume – in an apparently random manner and without any internal correlation. None­theless, the study sheet has a considerable visual and atmospheric impact.


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8. johann franciscus ermels (1641 Reilkirch, Mosel – 1693 Nürnberg) Eine felsige, baumbestandene Landschaft mit einem Flüsslein; Eine südliche Landschaft mit einem Obelisken und antiken Ruinen. 2 Kreidezeichnungen. Je ca. 23,5 x 36 cm. Der Maler, Zeichner und Radierer Johann Franz Ermels war ein Schüler des Kölner Historienmalers Johann Hulsmann. Ermels begab sich anschließend in die Niederlande und lernte bei Jan Both, unter dessen Einfluss er sich der Landschafts­ malerei zuwandte. 1660 ließ er sich in Nürnberg nieder und erlangte dort 1661 die Meisterwürde. Zeitweilig arbeitete er mit dem ebenfalls in Nürnberg tätigen Willem van Bemmel zusammen, für dessen Landschaften er häufig die Staffage ausführte. Ermels Architekturdarstellungen und die architektonische Staffage in seinen Landschaften zeigen außerdem Anregungen durch das Schaffen des Malers Johann Oswald

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Harms, der einige Jahre in Nürnberg lebte. Ermels schuf ein kleines druckgraphisches Œuvre, darunter eine Folge von neun Radierungen mit antiken römischen Denkmälern und Ruinen (Hollstein 6–14). Eine Italienreise ist jedoch nicht belegt und es ist anzunehmen, dass Ermels sich wohl auf Vor­lagen anderer Künstler bezog. Die beiden Landschaften sind in einer konzentrierten und sub­tilen Zeichentechnik ausgeführt und überzeugen durch ihre harmonische, bildmäßige Kompositionsweise. Mit großer Deli­ katesse hat der Künstler das üppige Laub der Bäume und die Beschaffenheit des Terrains wiedergegeben. Die sanften, tonalen Abstufungen der Kreide erzeugen ein mildes Chiar­o­ scuro und verleihen den Landschaften eine ganz eigene Poesie. Die atmosphärische Behandlung erinnert an den Zeichenstil von Ermels’ Zeitgenossen Jonas Umbach (1624–1693).


johann franciscus ermels (1641 Reilkirch, Mosel – 1693 Nuremberg)

A Rocky, Wooded Landscape with a Rivulet; A Southern Landscape with an Obelisk and Ancient Ruins. Two black chalk drawings, each measuring approx. 23.5 x 36.0 cm. The painter, draughtsman and etcher, Johann Franz Ermels, was a pupil of the history painter, Johann Hulsmann, in Cologne. Ermels subsequently left for the Netherlands and was apprenticed to Jan Both, under whose influence he turned to landscape painting. In 1660 he settled in Nuremberg, where he was awarded the title of master craftsman in 1661. For a time Ermels worked together with Willem van Bemmel, who was also active in the city, frequently supplying the staffage figures for his landscapes. Ermels’ depictions of architecture and the architectural accessories in his landscapes reveal the inspiration he derived from the works of the painter, Johann

Oswald Harms, who also lived in Nuremberg for a few years. Ermels’ small printed oeuvre includes a series of nine etchings with ancient Roman monuments and ruins (Hollstein 6–14). There is no evidence that he travelled to Italy, however, and he probably based his work on the models of other artists. Both the present landscapes have been executed in a concentrated and subtle drawing technique, and the harmonious, pictorial quality of their composition is impressive. The artist demonstrates great finesse in rendering the lush foliage of the trees and the texture of the terrain. The soft, tonal gradations of the chalk generate a mild chiaroscuro effect and give the landscapes a sense of poetry. The atmospheric treatment is remi­ niscent of the drawing style of Ermels’ contemporary, Jonas Umbach (1624–1693).

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9. jan griffier i.

jan griffier i.

Eine phantastische Gebirgslandschaft. Öl auf Holz. 12,8 x 16,5 cm.

A Fantastic Mountain Landscape. Oil on wood. 12.8 x 16.5 cm.

Der Landschaftsmaler Jan Griffier der Ältere war ein Schüler des Roelant Roghman in Amsterdam. Er wanderte um 1667 nach England aus. Griffier lebte unweit der englischen Hauptstadt, vorzugsweise auf einem Weinkahn auf der Themse und malte in seiner Frühzeit Ansichten von London und Umgebung. Neben diesen topographischen Ansichten malte er auch italienische Ruinenlandschaften aus der Phantasie. Am bekanntesten wurde der Künstler jedoch durch seine meist kleinformatigen Rhein- und Mosellandschaften in der Art Herman Saft­levens, den er vermutlich während eines Aufenthaltes in Rotterdam kennengelernt hat.

The landscape painter Jan Griffier the Elder was a pupil of Roelant Roghman in Amsterdam. Around 1667 he emigrated to England where he lived not far from London, preferably on a wine boat on the Thames, from which he could paint views of the capital and its surroundings. In addition to these topographical scenes he painted imaginary landscapes of ruins in Italy. However, the artist became best known for his mostly small-format Rhine and Mosel landscapes in the style of Herman Saftleven, whose acquaintance he may have made during a stay in Rotterdam.

(1645 Amsterdam – 1718 London)

Diese von einem hohen Standpunkt aus betrachteten Veduten zeigen Einblicke in von hohen Gebirgs­ketten eingeschlossene Flusstäler, die mit zahlreichen minutiös gemalten Bauten, Schiffen und winzigen Figuren staffiert sind. Die vorliegende, delikat gemalte und vollkommen erhaltene Landschaftsdarstellung ist ein exquisites Beispiel seiner Kunst. Die markanten, steil auf­ ragenden Gebirgszüge sind mit kristallklarer Präzision geschildert, die subtile Anwendung der atmosphärischen Perspektive verleiht der Landschaft eine nahezu grenzenlose Raument­ faltung und taucht die Natur in ein warmes, goldenes Nach­ mit­tags­licht. Auf kleinstem Format gelingt dem Künstler ein Höchst­­maß an poetischer Kraft. Die unendliche Weite der Natur­kulisse erinnert an die Weltlandschaften in der flämischen Malerei des 16. Jahrhunderts. Zwei stilistisch sehr ähnliche Veduten aus der ehemaligen Sammlung J. Goudstikker, Amster­ dam, sind im Archiv des Rijksinstituut voor Kunsthistorische Dokumentatie in Den Haag verzeichnet.

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(1645 Amsterdam – 1718 London)

These vedute, rendered from a high vantage point, look down into river valleys surrounded by high mountain ranges and dotted with numerous meticulously drawn buildings, boats and tiny figures. The present delicately painted and perfectly preserved landscape depiction is an exquisite example of his art. The striking, towering mountain ranges are depicted with crystal-clear precision, while the subtle use of atmospheric per­ spective makes the landscape appear almost boundless, bathing nature in a warm, golden, afternoon light. The artist succeeds in conveying remarkable poetic power in a very small for­­mat. The infinite expanse of the natural setting is reminiscent of the world landscapes in 16th century Flemish painting. Two sty­listically very similar vedute from the former J. Goud­ stikker Collection in Amsterdam are recorded in the archives of the Rijksinstituut voor Kunsthistorische Dokumentatie in The Hague.


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10. dirk van hoogstraten (um 1596 Antwerpen – 1640 Dordrecht)

dirk van hoogstraten

Ecce Homo. Radierung und Kupferstich. 13,8 x 16,2 cm. Wurzbach 1, Nagler, Die Monogrammisten II, 1436, 2; Hollstein 3. Wasserzeichen Bekröntes Lilienwappen.

Ecce Homo. Etching and engraving. 13.8 x 16.2 cm. Wurzbach 1, Nagler, Die Monogrammisten II, 1436, 2; Hollstein 3. Watermark: Fleur-de-lis on crowned shield.

Der Maler und Radierer Dirk van Hoogstraten wurde um 1596 in Antwerpen geboren, übersiedelte jedoch in jugendlichem Alter mit seinen Eltern nach Den Haag, wo er zum Goldschmied ausgebildet wurde, Zeichenunterricht erhielt und in die Kupferstichtechnik eingewiesen wurde. In der Folgezeit sind Studienreisen nach Deutschland und Italien belegt. In den 1620er Jahren ließ sich van Hoogstraten als selbstständiger Künstler in Dordrecht nieder, im November 1624 wird er als Mitglied der dortigen Malerzunft erwähnt. Am Ende des Jahrzehnts kehrte van Hoogstraten nach den Haag zurück, wo er bis kurz vor seinem Tode lebte und arbeitete. Er war der Vater des Rembrandt-Schülers und Kunstschriftstellers Samuel van Hoogstraten.

The painter and etcher, Dirk van Hoogstraten, was born around 1596 in Antwerp. When still a young man, however, he moved with his parents to The Hague, where he was trained as a gold­smith, given drawing lessons and taught how to engrave. He is known to have subsequently undertaken study trips to Germany and Italy. In the 1620s van Hoogstraten set himself up as an independent artist in Dordrecht, where he is mentioned in November 1624 as being a member of the local painters’ guild. At the end of the decade van Hoogstraten returned to The Hague, where he lived and worked until shortly before his death. He was the father of the Rembrandt pupil, poet and art theorist, Samuel van Hoogstraten.

Das druckgraphische Werk des Dirk van Hoogstraten ist von großer Seltenheit und umfasst vierzehn Blatt vorwiegend reli­ giöser Thematik. Die Schaustellung Christi zeigt fünf Gestalten in Halbfigur. Links deutet Pontius Pilatus mit Turban und in orientalischem Ornat auf den dornengekrönten Jesus, dessen gefesselte Hände einen gebrochenen Stab halten. Er ist von drei Schergen in exotischer Kostümierung begleitet. Die Radierung ist in einer feinteiligen Radiertechnik behandelt, welche die Einzelheiten der Kleidung akkurat wiedergibt und der individuellen Charakterisierung der Physiognomien einen hohen Stellenwert einräumt. Hoogstratens technische Behandlung wirkt altmeisterlich und erinnert in ihrem verfeinerten zeichnerischen Duktus an das druckgraphische Werk seines großen Vorgängers Lucas van Leyden. Von der vorliegenden Radierung sind lediglich zwei Exemplare nachweisbar. Ein Abzug befindet sich im Rijksprentenkabinet in Amsterdam, ein weiteres Exemplar ohne Schriftrand wurde 1930 bei C. G. Boerner in Leipzig versteigert (siehe Auktionskatalog CLXV, Kupferstiche des XV. bis XVIII. Jahrhunderts, Leipzig, 6. – 9. Mai 1930, Nr. 722). Bei unserem Exemplar handelt es sich um eine von Hollstein nicht beschriebene Variante mit der Inschrift „Ecce Homo“ statt der zweizeiligen lateinischen Inschrift. Ganz ausgezeichneter, harmonischer und nuancierter Druck mit feinem Rändchen. Die Hilfslinien für die Schrift noch deutlich sichtbar. Geringfügig fleckig, minimale Bereibungen im Rand, eine unauffällige Federretusche, sonst sehr gut erhalten. Mit einer nicht identifizierten Sammlermarke.

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(circa 1596 Antwerp – 1640 Dordrecht)

Dirk van Hoogstraten’s printed oeuvre is of great rarity, comprising just fourteen prints mostly on religious topics. His Christ Shown to the People shows five half-length figures. On the left Pontius Pilate, wearing a turban and oriental dress, points to Jesus with his crown of thorns who is holding a broken staff in his tied hands. Pilate is accompanied by three henchmen in exotic garb. The etching has been executed using an intricate technique that accurately reproduces the details of the clothing and sets great store by the characterisation of the physio­ gnomies. Hoogstraten’s refined technical treatment is in a way retrospective and reminds of the printed work of his great predecessor, Lucas van Leyden. Only two impressions of the present etching are known to exist. One is in the Rijksprentenkabinet in Amsterdam and the other without the lower text margin was auctioned by C. G. Boerner in Leipzig in 1930 (see Auction Catalogue CLXV, Kupferstiche des XV. bis XVIII. Jahrhunderts, Leipzig, 6–9 May 1930, No. 722). Our print is a variation not recorded by Hollstein with the inscription “Ecce Homo” instead of the two-line Latin inscription. A very fine, harmonious and nuanced impression with thread margins. The auxiliary lines for the inscription are still clearly visible. Minor staining, minor abrasions in the margins, an unobtrusive retouching in pen and ink, otherwise in excellent condition. With an unidentified collector’s mark.


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Actual size

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11. salomon koninck

salomon koninck

Brustbildnis eines bärtigen Greises, im Profil nach rechts. Radierung. 13,2 x 8,4 cm. 1638. Hollstein 1.

Half-length Portrait of a Bearded Old Man, in Profile to the Right. Etching. 13.2 x 8.4 cm. 1638. Hollstein 1.

Der Maler Salomon Koninck war der Sohn eines aus Antwerpen stammenden Goldschmiedes. Im Alter von zwölf Jahren wurde er von seinem Vater zu David Colijns in die Lehre gegeben, um bei ihm den ersten Zeichenunterricht zu erhalten. In der Folgezeit lernte Koninck bei François Venant und Claes Cornelisz. Moeyaert weiter, die sich beide auf die Historienmalerei spezialisiert hatten. Bereits 1630 wurde er als Mitglied der Amsterdamer Lukasgilde aufgenommen.

The painter, Salomon Koninck, was the son of a goldsmith from Antwerp. At the age of twelve his father apprenticed him to David Colijns, from whom he received his first drawing lessons. Koninck subsequently continued his training under François Venant and Claes Cornelisz. Moeyaert, both of whom specialised in historical painting. He was admitted to the Guild of St. Luke in Amsterdam as early as 1630.

(1609–1656, Amsterdam)

Obwohl Koninck kein Schüler Rembrandts war, wurde seine Kunst wesentlich durch Rembrandts Stil der 1630er Jahre geprägt. Koninck tat sich mit Charakterköpfen und biblischen Darstellungen hervor, die in Nachahmung Rembrandts durch ein dramatisches Clair-obscur und eine Vorliebe für exotische Kostümierung gekennzeichnet sind. Auf diese Weise kam er dem Vorbild oftmals näher als Rembrandts Schüler jener Epoche. Der Künstler schuf ein kleines druckgraphisches Œuvre von sechs Radierungen, in denen der Ein­fluss von Rembrandt und Jan Lievens ebenfalls unübersehbar ist. Das vorliegende Bildnis eines bärtigen Greises fügt sich nahtlos in eine Reihe von tronies ein, die beide Meister in ihren frühen Jahren radierten. In künstlerischer Hinsicht bewegt Koninck sich bei diesem ausdrucksstarken Charakterkopf auf Augenhöhe mit Rembrandt und Lievens. Der markante, vom Leben gezeichnete Greisenkopf mit dem langen wallenden Bart und den krausen Haaren ist in einer differenzierten und technisch verfeinerten Radiertechnik ausgeführt. Nicht zuletzt verleiht auch die effektvolle mise-en-page vor einem neutralen Hintergrund dem Dargestellten trotz des bescheidenen Formats eine beachtliche Präsenz. Der alte Mann strahlt Lebensweisheit und Ergebenheit aus und trägt sein hohes Alter mit Würde. Die Radierung ist sehr selten. Hollstein verzeichnet nur einzelne Exemplare. Der vorliegende Abzug besitzt eine erlesene Provenienz und stammt aus der Sammlung des John Barnard (Lugt 1420, „La marque de John Barnard est de toutes les marques anglaises, la plus réverée ... Sa présence sur une feuille nous assure qu’un dessin plus caractéristique ou qu’une estampe en meilleure épreuve est pour ainsi dire introuvable“). Pracht­­ vol­ler, kontrastreicher Druck mit delikatem Plattenton und feinem Rändchen. Minimal fleckig, sonst vorzügliches, unbehandeltes Exemplar.

(1609–1656, Amsterdam)

Although not a pupil of Rembrandt, his art was greatly influenced by Rembrandt’s style of the 1630s. Koninck excelled in the depiction of character heads and biblical scenes, the characteristic features of which – in imitation of Rembrandt – are dramatic chiaroscuro effects and a penchant for exotic costumes. In these works Koninck often comes closer to the model he revered than Rembrandt’s own pupils at the time. The artist’s printed oeuvre is modest, comprising a mere six etchings which clearly reveal the influence of Rembrandt and Jan Lievens. The present portrait of a bearded old man fits seamlessly into a series of tronies that both masters etched in their early years. In artistic terms Koninck is certainly on a par with Rembrandt and Lievens here in his rendering of this expressive character head. He has used a differentiated and sophisticated technique to etch the old man’s gnarled face, wiry hair and long, flowing beard. Last but not least, the effective mise-en-page set against a neutral backdrop lends the portrait a considerable presence despite the small format. The old man radiates worldly wisdom and humility and he wears his age with dignity. The etching is extremely rare. Hollstein records just a few impressions. Ours is of exquisite provenance, forming part of the collection of John Barnard (Lugt 1420, “La marque de John Barnard est de toutes les marques anglaises, la plus réverée ... Sa présence sur une feuille nous assure qu’un dessin plus caractéristique ou qu'une estampe en meilleure épreuve est pour ainsi dire introuvable”). A superb, richly varied impression with delicate plate tone and margins. Minor staining, otherwise in excellent, unrestored condition.

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12. jacob matham

jacob matham

Die zwei Bauern. Kupferstich nach Hendrick Goltzius. 26 x 20 cm. Um 1590. Bartsch 301; Hollstein 328; The New Hollstein (Matham, attributed prints) 335 I (von II).

Two Peasants. Engraving after Hendrick Goltzius. 26.0 x 20.0 cm. Circa 1590. Bartsch 301; Hollstein 328; The New Hollstein (Matham, attributed prints) 335 I (of II).

Die Darstellung gibt eine Komposition des Hendrick Goltzius wieder und wurde mit großer Wahrscheinlichkeit von seinem Adoptivsohn und Schüler Jacob Matham gestochen. Matham war seit etwa 1587 als Kupferstecher für Goltzius tätig und arbeitete in seinen Anfangsjahren ausschließlich nach gezeichneten Vorlagen seines Lehrmeisters.

This print, which reproduces a composition by Hendrick Goltzius, was in all probability engraved by Jacob Matham, his adopted son and pupil. Matham had been active as an engraver for Goltzius since about 1587 and in his early years worked exclusively after drawn originals by his teacher.

(1571–1631, Haarlem)

Das vorliegende Blatt dürfte um 1590, unmittelbar vor Goltzius’ Abreise nach Italien entstanden sein. Der Kupferstich ist in einem für die Goltzius-Schule charakteristischen kraftvollen und souveränen Duktus ausgeführt, und es handelt sich zweifelsohne um die Arbeit eines versierten Kupferstechers. Die Dar­ stellung zeigt zwei Bauern in pittoresker Kostümierung bei der Feldarbeit. Der lateinische Vierzeiler des Haarlemer Huma­ni­ sten Franco Estius besagt, dass jeder sich um das Unkraut in seinem eigenen Garten kümmern sollte, statt seine Mitmenschen zu tadeln. Bei dem vorliegenden Abzug handelt es sich um einen Frühdruck in der seltenen Variante mit dem zusätzlichen niederländi­ schen Text im Blockdruck. Prachtvoller, kontrastreicher Druck mit Rand. Leichte Gebrauchsspuren, sonst vorzüglich erhalten.

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(1571–1631, Haarlem)

The present engraving probably dates to around 1590 immediately before Goltzius’ departure for Italy. Executed in a powerful and masterly style characteristic of the Goltzius school, it is indisputably the work of an experienced engraver. The scene shows two peasants in picturesque attire at work in the fields. The four-line Latin poem by the Haarlem humanist, Franco Estius, says that people should attend to the weeds in their own garden and not criticise others. The present proof is an early impression in the rare version with the additional Dutch text in block printing. A very fine, contrasting impression with margins. Slight traces of handling, otherwise in excellent condition.


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13. claude mellan (1598 Abbeville – 1688 Paris)

La Sourcière (Die Mausefalle). Kupferstich und Kaltnadel. 22,8 x 30,8 cm. Um 1654. Montaiglon 373; BNIFF (Préaud) 275 II. Wasserzeichen Traube, sowie Lilie mit Schriftzug. Auch für den modernen Betrachter wirkt die dargestellte Szene ungeheuer freizügig, und dies ist umso erstaunlicher, als der Autor dieses skurrilen Blattes, der Kupferstecher Claude Mellan, vor allem für seine religiösen Darstellungen und Bildnisse bekannt ist. Eine nackte junge Frau lagert auf einem Bett und betrachtet sich im Spiegel. Ein kleiner schwarzer Knabe öffnet ihre Beine, während ein Zweiter gebannt ihre Vulva betrachtet (die im vorliegenden Druckzustand von einem Feigenblatt verhüllt ist); ein dritter Bube überreicht der hübschen Frau Weintrauben. Auf einem nur umrisshaft skizzierten Piedestal links vorne steht eine Mausefalle. Der Kupferstich gehört unbestritten zu den bemerkenswertesten Schöpfungen Claude Mellans und enstammt seiner reifen Schaffenszeit. Das Blatt blieb dennoch unvollendet. Mellan legte die Komposition mit der Kaltnadel in großen Zügen fest, und führte anschließend einzelne Partien mit dem Grabstichel detaillierter aus. Mellans Ikonographie ist ebenso faszinierend wie rätselhaft. Im Hintergrund links sehen wir eine klagende Frau, deren Kind von Saturn oder der Personifizierung der Zeit geraubt wird. Rechts wird eine Frau von einem Satyr über­­ wäl­tigt, während eine alte Frau, die eine Maske hält und wahr-

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scheinlich den Betrug symbolisiert, den Betrachter anschaut. Die einzelnen Elemente der Komposition stehen in einem inhaltlichen Bezug zu der hübschen nackten Frau, jedoch ist der tiefere Sinn dieser Allegorie nicht eindeutig geklärt. Von Maxime Préaud stammt die folgende interessante Interpre­ta­ tion. Der schwarze Knabe wendet seinen Blick von der Frau ab und schaut in einen Spiegel. Es ist anzunehmen, dass dieses Kind Mellan selbst darstellt, dessen Name – auf Griechisch Melan – schwarz bedeutet. Als Kupferstecher ist er gleichsam gezwungen, die Welt im Spiegelbild zu betrachten. Auch eine weitere Deutung bietet sich an. Es ist überliefert, dass Mellan erst im Jahre 1654 – und daher im recht fortgeschrittenen Alter – heiratete. Die Mausefalle war im 17. Jahrhundert im Volksmund ein Synonym für die weibliche Scham und vielleicht sollte die Darstellung daher auch als eine Anspielung auf die Tatsache gedeutet werden, dass der Künstler erst spät den Reizen des weiblichen Geschlechtes erlag (siehe Ausstellungskatalog French Prints from the Age of the Musketeers, hrsg. von S. Welsh Reed, Museum of Fine Arts, Boston 1998, Nr. 111, S. 208–209). Prachtvoller, gratiger und gegensatzreicher Druck mit feinem Rändchen. Das Blatt ist von größter Seltenheit. Vom ersten Druckzustand – vor der Hinzufügung des Feigenblattes – ist lediglich ein Exemplar in der Bibliothèque nationale de France in Paris bekannt. Die Auflage muss gering gewesen sein, denn auch vom zweiten Druckzustand sind nur einzelne Exemplare nachweisbar. Minimale Altersspuren, sonst vorzüglich erhalten.


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13. claude mellan

(1601 Abbeville – 1688 Paris)

La Sourcière (The Mousetrap). Engraving and drypoint. 22.8 x 30.8 cm. Circa 1654. Montaiglon 373; BNIFF (Préaud) 275 II. Watermark: Bunch of grapes, Lily with letters. Even to modern eyes the scene depicted here appears decidedly risqué, which is all the more astonishing given that the author of this whimsical image, the engraver Claude Mellan, is known primarily for his religious depictions and portraits. A young woman lying naked on a bed observes herself in a mirror. A little black boy opens her legs while another boy stares entranced at her vulva (which in the present state is concealed by a fig leaf); a third boy offers the pretty woman some grapes. In the left foreground a mousetrap stands on a faintly sketched pedestal. The engraving dates to Claude Mellan’s mature period and, although never completed, undoubtedly ranks among his most remarkable creations. The artist used a dry point needle to delineate the main features of the composition and then worked with a burin to portray individual aspects in more detail. His iconography is as fascinating as it is enigmatic. In the background in the top left-hand corner a woman laments the abduction of her child by Saturn or the personification of time. On the right-hand side a woman is being overpowered by a satyr, while an old woman holding a mask, who probably symbolises deceit, turns her eyes to the beholder. The individual elements of the

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composition are all of significance with respect to the pretty naked woman, but the deeper meaning of this allegory has yet to be unequivocally clarified. Maxime Préaud has offered the fol­­lowing intriguing interpretation. The black boy averts his gaze from the woman and looks into the mirror. It can be assumed that the boy is Mellan himself, whose name – melan in Greek – means black. As an engraver he is forced to look at the world in a mirror image, as it were. Another explanation is also feasible. It is said that Mellan did not get married until 1654 when he was already in his fifties. In 17th century vernacular a mouse­ trap was a synonym for the female pudenda and so perhaps the scene should be interpreted as an allusion to the fact that the artist was rather late in succumbing to the charms of the female sex (see exhibition catalogue French Prints from the Age of the Musketeers, published by S. Welsh Reed, Museum of Fine Arts, Boston 1998, no. 111, pp. 208–209). A very fine impression, printing with considerable contrast and burr, with thread margins. The print is extremely rare. Only one impression of the first state – prior to the addition of the fig leaf – is known to exist. It is kept in the Bibliothèque nationale de France in Paris. The edition must have been very limited, because even from the second state there are no more than a handful of impressions. Minimal signs of ageing, otherwise in impeccable condition.


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14. pieter molijn

pieter molijn

Eine Winterlandschaft. Schwarze Kreide, grau laviert, Einfassungslinie in brauner Feder. 16,8 x 26,5 cm. Signiert und datiert: „P. Molyn 1656“. Wasserzeichen Posthorn. Beck 123.

A Winter Landscape. Black chalk, grey wash, framing line in pen and brown ink. 16.8 x 26.5 cm. Signed and dated: “P. Molyn 1656”. Watermark: Post horn. Beck 123.

Diese bemerkenswert frisch erhaltene Zeichnung enstammt dem Spätwerk Pieter Molijns. Namentlich aus den 1650er Jahren ist eine große Zahl von Zeichnungen überliefert, die vorwiegend in der gleichen Technik – schwarze Kreide mit Lavierungen in Grau – ausgeführt sind, und in der Regel eine mehr oder weniger identische Blattgröße besitzen. Die Blätter, häufig vom Künstler signiert und datiert, waren als autonome Kunstwerke gedacht und für den direkten Verkauf bestimmt. Molijn fertigte die Landschaften in seinem Atelier an und bezog sich auf Skizzen, die er nach der Natur gezeichnet hatte. Dennoch wirken diese bildmäßigen Kompositionen nicht arti­fiziell, sondern zeichen sich durch scharfe Beobachtungsgabe und ein lebhaftes Naturempfinden aus.

This remarkably well preserved drawing is one of Pieter Molijn’s late works. A large number of drawings dating to the 1650s have been handed down, most of which were executed in the same technique – black chalk with grey washes – and generally in a largely identical format. These drawings, often signed and dated by the artist, were autonomous works of art intended for direct sale. Molijn produced these landscapes in his studio using sketches drawn from nature. The pictorial compositions do not appear artificial, however, and are remarkable for the keen powers of observation and vibrant sense of nature they reveal.

(1595 London – 1661 Haarlem)

Bei dem vorliegenden Blatt handelt es sich um ein besonders schönes Beispiel für Molijns Zeichenkunst. Mit treffsicheren Strichen hat der Künstler die Szenerie einer holländischen Winterlandschaft skizziert. Rauchschwaden steigen aus dem Kamin eines malerischen Gehöftes empor. Die vom Wind zerzausten kahlen Äste suggerieren rauhe winterliche Kälte; ein Mann mit Schlitten, einzelne Schlittschuhläufer und ein Paar mit Kind, das mühsam, etwas gebeugt dem frostigen Wind trotzt, zeugen vom täglichen Kampf mit den Elementen. Die leichte und meisterhaft treffsicher applizierte Lavierung taucht die Landschaft in ein kühles Spätnachmittagslicht. Aus der Sammlung E. Calando (Lugt 837). Ausstellung: Paris, Musée du Louvre, 1970, Nr. 67.

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(1595 London – 1661 Haarlem)

The present drawing is a particularly fine example of Molijn’s skills as a draughtsman. The artist has sketched a Dutch winter landscape scene with great accuracy of line. A billow of smoke rises from the chimney of a picturesque farmstead. The bare, windswept branches suggest raw winter cold; a man with a sledge, occasional skaters and a couple with a child, bent slightly against the frosty wind, illustrate the daily struggle with the elements. The light wash, applied with perfect accuracy, bathes the landscape in a cool, late afternoon light. From the E. Calando Collection (Lugt 837). Exhibition: Paris, Musée du Louvre, 1970, no. 67.


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15. emanuel murant

emanuel murant

Ein Hof mit einer verfallenen Hütte. Schwarze Kreide, grau laviert. 26,9 x 20,1 cm. Wasserzeichen Schellenkappe (Churchill 341, um 1644).

Yard with a Dilapidated Hut. Black chalk, grey wash. 26.9 x 20.1 cm. Watermark: Foolscap (Churchill 341, circa 1644).

Der Landschaftsmaler Emanuel Murant soll laut Houbraken ein Schüler des Philips Wouwerman gewesen sein. Das zeichnerische Werk ist nicht sehr umfangreich und recht selten. Es sind lediglich zwei signierte Zeichnungen von seiner Hand bekannt. Einzelne weitere Blätter werden ihm auf Grund stilistischer Übereinstimmungen mit diesen autographen Arbeiten zugeschrieben. Alle überlieferten Zeichnungen sind in schwarzer Kreide ausgeführt und weisen eine sorgfältige Lavierung in Grau vor.

According to Houbraken, the landscape painter Emanuel Murant is thought to have studied under Philips Wouwerman. His drawn oeuvre is not very extensive and quite rare. Just two signed drawings in his own hand are known; a number of other works have been attributed to him on the grounds of stylistic analogies with these autograph works. All the extant drawings are done in black chalk and have a meticulously executed grey wash.

(1621 Amsterdam – ca. 1700 Leeuwarden)

Unsere Zeichnung, die früher auf Grund des Bleistiftmonogramms in der rechten unteren Ecke als eine Arbeit Adriaen van Ostades galt, zeigt einen verlassenen Hof. Wir sehen eine aus Brettern zusammengeflickte Hütte, die als Rumpelkammer oder Behausung eines Landstreichers dienen könnte, sowie ein recht chaotisches Konglomerat von Gebrauchsgegenständen, Arbeitsgeräten und Kleidungsstücken auf einer Wäscheleine. Ein toter Baumstamm und einzelne Planken und Stöcke bilden vertikale Akzente. Die Zeichnung ist in einem treffsicheren und klaren Duktus ausgeführt, die sorgfältige und fein abgestufte Lavierung erzeugt eine effektvolle Helldunkel-Wirkung und den Eindruck von mildem Sonnenlicht. Suggestiv hebt sich das pittoreske Sammelsurium vor dem neutralen Hintergund ab. Der Hof ist menschenleer. Deuten die zerstreut herumliegenden Werkzeuge und alltäglichen Gegenstände auf ein arbeitsreiches Leben, oder sind sie vielmehr Zeugnisse von Müßiggang und schädlicher Trägheit? Aus der Sammlung Friedrich Gauermann, Wien (Lugt 1003, recto); Verso mit den Sammlermarken von J. B. Petzoldt (L. 2024, 22025), F. Pokorny (L. 2036) und F. Gauermann (L. 1003). Siehe M. Schapelhouman, P. Schatborn, Tekeningen van Oude Meesters. De verzameling Jacobus A. Klaver, Zwolle 1993, Kat. Nr. 77, S. 166–167, 250.

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(1621 Amsterdam – circa 1700 Leeuwarden)

The present drawing, once regarded as the work of Adriaen van Ostade because of the pencilled monogram in the bottom right-hand corner, shows a deserted yard. In it stands a hut, cobbled together with boards, that serves as a junk store or living space for a tramp. Next to the hut is a chaotic heap of utensils, tools and baskets together with items of clothing hanging on a washing line. A dead tree trunk and the occasional planks and sticks supply vertical accents. The drawing is executed in a clear and incisive manner; the careful, finely graded wash produces a striking chiaroscuro effect and the impression of gentle sunlight. The picturesque jumble stands out distinctly against the neutral background. The yard is deserted. Are the scattered tools and everyday objects signs of hard work or evidence of a life of indolence and harmful sloth? From the collection of Friedrich Gauermann, Vienna (Lugt 1003, recto); verso with the collector’s marks of J. B. Petzoldt (L. 2024, 22025), F. Pokorny (L. 2036) and F. Gauermann (L. 1003). Cf. M. Schapelhouman, P. Schatborn, Tekeningen van Oude Meesters. De verzameling Jacobus A. Klaver, Zwolle 1993, Cat. no. 77, pp. 166–167, 250.


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16. egbert van panderen

egbert van panderen

Christus mit der Weltkugel und die Jung frau Maria. 2 Kupferstiche nach Pieter Feddes von Harlingen. Je ca 46 x 32,2 cm. Hollstein 16, 17. Wasserzeichen Gekrönter Doppeladler.

Christ with Globe and the Virgin Mary. Two engravings after Pieter Feddes von Harlingen. Each approx. 46.0 x 32.2 cm. Hollstein 16, 17. Watermark: Crowned double eagle.

Über das Leben des Kupferstechers und Zeichners Egbert van Panderen ist außer der Tatsache, dass er aus Haarlem stammte und wahrscheinlich in Antwerpen verstarb, nur wenig bekannt. Er stach hauptsächlich religiöse Darstellungen nach Antwerpener Künstlern wie Pieter de Jode, Otto van Veen, Rubens und Cornelis de Vos und war seit 1606 Mitglied der dortigen Lukas­ gilde. 1609 soll er wieder in die Niederlande zurückgekehrt sein.

Not much is known about the life of the engraver and draughts­ man, Egbert van Panderen, apart from the fact that he hailed from Haarlem and probably died in Antwerp. He mostly en­­ graved religious scenes after Antwerp artists such as Pieter de Jode, Otto van Veen, Rubens and Cornelis de Vos and was a member of the city’s Guild of St. Luke from 1606. He is thought to have returned to the Netherlands in 1609.

Die vorliegenden, als Pendants konzipierten Darstellungen Christi mit der Weltkugel und der Jung frau Maria gehen laut der Inschrift auf eine Invention des aus Friesland stammenden Malers und Radierers Pieter Feddes van Harlingen (1586 Har­ lingen – um 1634) zurück. Auch der Verleger stammte aus dieser Provinz. Es handelt sich um den Kupferstecher Johannes Eillarts (geb. um 1568–70, nachweisbar bis 1612), Spross einer adligen Familie und Freund von Feddes, der möglicherweise auch sein Schüler war. Es ist anzunehmen, dass van Panderen beide Blätter kurz nach seiner Rückkehr in die Niederlande schuf. Christus und Maria sind in Halbfigur wiedergegeben und frappieren durch ihre zwingende physische Präsenz.

The inscription on the present portrayals of Christ with the Globe and The Virgin Mary, which were designed as companion pieces, indicates that they were based on an invention of Pieter Feddes van Harlingen (1586 Harlingen – circa 1634), a painter and etcher from Friesland. The publisher of the present prints, the engraver Johannes Eillarts (born circa 1568–70, traceable up to 1612) came from the same province. He was a descendant of an aristocratic family and a friend of Feddes, who may have been his pupil. It can be assumed that both engravings were done shortly after van Panderen returned to the Netherlands. Christ and Mary, who are shown in half-length, radiate a remarkably strong physical presence.

Nicht weniger eindrucksvoll ist van Panderens souveräne Beherrschung des Mediums. Die üppigen Faltenwürfe, die Hände, Gesichter und Haarlocken der Dargestellten sind messerscharf definiert und von einer metallischen Klarheit, welche die Vorzüge der Grabsticheltechnik klar zum Tragen bringt. Ein überirdischer Schein umgibt die Antlitze Christi und Mariä; ein dichtes Geflecht enger Prallelschraffuren bil­det den neutralen Fond und lässt das Licht in seiner Insensität allmählich abflauen. Von großer graphischer Delikatesse ist die Aureole Christi, die van Panderens Graviertechnik in ein abstrakt geometrisches Muster verwandelt hat, das der Darstellung eine ganz eigene Faszination verleiht (Abb. Seite 6).

No less impressive is van Panderen’s consummate skill as an engraver. The sumptuous folds, the hands, faces and wavy hair are very sharply defined and of a metallic clarity that high­ lights the advantages of the burin technique. A celestial halo surrounds the faces of Christ and Mary; a dense network of parallel hatchings forms a neutral background enabling the intensity of the light to gradually diminish. Of great graphic finesse is Christ’s aureole, which van Panderen’s engraving tech­­­ nique has transformed into an abstract geometrical pattern, thus giving the depiction a fascination all of its own (see fig. p. 6).

(um 1580 Haarlem – 1637 Antwerpen?)

Brillante, kontrastreiche Frühdrucke mit dem vollen Rand, die Hilfslinien für die Schrift deutlich zeichnend. Bei der von Hollstein verzeichneten Adresse von Joannes Messager dürfte es sich um eine spätere Auflage handeln. Geringfügig gebräunt und stockfleckig, leichte Gebrauchsspuren, sonst vorzüglich erhalten.

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(circa 1580 Haarlem – 1637 Antwerp?)

Brilliant, contrasting early impressions with the full margins; the auxiliary lines for the inscription are quite distinct. The address of Joannes Messager recorded by Hollstein is probably characteristic for a later edition than the present one. Slightly discoloured and foxed, minor handling traces, otherwise in mint condition.


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18. Jahrhundert

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17. rámon bayeu y subias

rámon bayeu y subias

Die Attribute der Jung frau. Radierung. 29,1 x 9,8 cm. Páez 230.14.

The Attributes of the Virgin. Etching. 29.1 x 9.8 cm. Páez 230.14.

Ramon Bayeu war der Schüler seines bekannteren Bruders Francisco (1734–1785), dem er nach Madrid folgte. Von 1765 an entwarf er unter Anleitung Franciscos Kartons für die König­ liche Gobelinmanufaktur und stand ihm bei der Ausführung mehrerer Freskenzyklen als Mitarbeiter zur Seite. Ramon ist heute vor allem als Radierer bekannt und seine Tätigkeit fällt in eine Zeit, in der das Medium der Druckgraphik in Madrid eine Blütezeit erlebte.

Ramon Bayeu was taught by his more famous brother Francisco (1734–1785), whom he followed to Madrid. From 1765 he de­signed cartoons for the Royal Tapestry Manufactory under the watchful eye of his brother, whom he assisted in the exe­cu­tion of several cycles of frescoes. Ramon is mostly known today for his etchings, which he made at a moment when the medium of printmaking flourished in Madrid.

(1746 Saragossa – 1793 Aranjuez)

Die Komposition unseres Blattes geht auf eine Invention des Bruders zurück und gibt eine um 1780 entstanden Ölstudie wieder, die als Modell für ein Fresko im Oratorium des königlichen Palastes in Aranjuez diente. Das kleine modello wird heute im Museo del Prado in Madrid aufbewahrt. Die Darstellung der Attribute der Jung frau ist in einer leichten, beweglichen und graziösen Radiertechnik behandelt, die unverkennbar den Einfluss von Giambattista Tiepolo und seinen Söhnen Gian­ domenico und Lorenzo verraten, die seit 1762 in Madrid tätig waren. Mit rokokohafter Unbeschwertheit schweben ein Engel und zahlreiche Putti auf Wolken, einer von ihnen hält eine geöffnete Muschelschale mit einer Perle, dem Symbol der Jung­ fräulichkeit Mariens. Die Leichtigkeit der Radiertechnik erinnert ebenfalls an das druckgraphische Frühwerk Goyas, des Schwagers von Francisco Bayeu y Subias (siehe Ausstellungskatalog Renaissance to Goya. Prints and Drawings from Spain, bearb. von M. P. Mc Donald, The British Museum London 2012, S. 214). Ausgezeichneter Druck mit Rand. Geringfügig fleckig, leichte Altersspuren. Aus der Sammlung François Heugel (Lugt 3373).

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(1746 Saragossa – 1793 Aranjuez)

The composition of this very rare print is based on an invention by his brother and reproduces an oil study from around 1780 that served as a model for a fresco in the oratory of the royal palace in Aranjuez. The little modello is now in the Museo del Prado in Madrid. The depiction of the Attributes of the Virgin is rendered in a light, fluid and elegant etching technique that shows the unmistakable influence of Giambattista Tiepolo and his sons Giandomenico und Lorenzo, who had been active in Madrid since 1762. An angel and numerous putti float on clouds with a rococo-like insouciance; one of them holds an opened mussel shell with a pearl, the symbol of Mary’s vir­ ginity. The effortlessness of the etching technique is also reminiscent of early prints by Goya, Francisco Bayeu y Subias’s brother-in-law (see exhibition catalogue Renaissance to Goya. Prints and Drawings from Spain, edited by M. P. McDonald, The British Museum London 2012, p. 214). A very fine, delicate impression with margins. Minor staining and ageing. From the collection of François Heugel (Lugt 3373).


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18. jean-jacques de boissieu (1736–1810, Lyon)

Ein imaginäre Flußlandschaft mit antiken Bauten. Feder und Pinsel in Grau, Aquarell. 21 x 42,5 cm. Monogrammiert und datiert: „DB / 1792“. Jean-Jacques de Boissieu, Sprössling eines adligen auvergnatischen Geschlechtes, lebte und arbeitete den größten Teil seines Lebens in seiner Geburtsstadt Lyon. Im Jahre 1771 wurde der Künstler dort zum Trésorier de France ernannt, ein Amt, das ihm fortan finanzielle Unabhängigkeit sicherte. De Boissieu war eine eigenwillige Persönlichkeit, die sich konsequent und ziemlich zurückgezogen seiner Kunst widmete. Um 1764/65 begab er sich auf die Grand Tour nach Italien und kehrte mit einem großen Fundus an Landschaftsstudien zurück, der ihm im Verlauf seines weiteren Lebens als Inspirationsquelle dienen sollte. Die politischen Umwälzungen der französischen Revolution stellten eine dramatische Zäsur im Leben de Boissieus dar, denn sie brachten ihn um Amt und Vermögen. Seine künstlerische Laufbahn indes nahm keinen Schaden. Er war nunmehr fast ausschließlich als Zeichner und Radierer tätig und kümmerte sich selbst um den Vertrieb seiner Werke, die in einem kleinen, ausgewählten Kreis von Sammlern und Liebhabern zirkulierten. Unabhängig von den vorherrschenden Kunstströmungen seiner Zeit blieb de Boissieu seiner eigenen Stilsprache treu, die von einem ausgeprägten Naturempfinden und einer subtilen atmosphärischen Durchdringung der Landschaft gekennzeich­net ist. Das anmutige Aquarell entstammt dem Spätwerk de Boissieus und stellt in seiner thematischen Vielfalt und technischer Mei­sterschaft gleichsam einen Kulminationspunkt seiner Kunst dar. De Boissieu schuf vorwiegend lavierte Pinselzeichnungen in Grau und Braun und bildmäßig komponierte Aquarelle sind in seinem Œuvre recht selten. Anklänge an die Italienreise ver­binden sich auf glückliche Weise mit einer feinsinnigen malerischen Erfassung der heimischen Landschaft. Die weite Fluss­ landschaft ist voller Poesie und von zahlreichen anekdotischen Details belebt. Rechts vorne bemüht sich ein alter Mann mit Lupe, die Inschrift auf einem antiken Mauerfragment zu entziffern; auf einem von Efeu umrankten Grabdenkmal liest man: Dis Manibus Sacrum. Fast wie ein Fremdkörper ist die Sibyllentempel aus Tivoli am linken Bildrand in die Parklandschaft eingebettet. Auf einem Landesteg, etwas rechts von der Bildmitte, sitzt ein zeichnender Künstler, der die weite Landschaft in seinem Skizenbuch erfasst und von einigen Umstehenden bei der Arbeit beobachtet wird. Auf dem Fluss und auf der anderen Seite des Ufers gehen die Menschen ihrer täglichen Arbeit nach. Der rosafarbene Abendhimmel badet die sanfte Landschaft in ein weiches Licht und ruft eine elegische Stimmung hevor, die an Claude Lorrain und an holländische Meister des 18. Jahrhunderts, wie Isaac de Moucheron erinnert.

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jean-jacques de boissieu (1736 –1810, Lyon)

An Imaginary River Landscape with Ancient Buildings. Pen and point of brush and grey ink, watercolour. 21 x 42.5 cm. Monogrammed and dated: “DB / 1792.” Jean-Jacques de Boissieu, the scion of a noble family from the Auvergne, lived and worked for most of his life in his native city of Lyon. In 1771 he was appointed Trésorier de France, a position which henceforth guaranteed him financial indepen­ dence. De Boissieu was a wilful person whose wholehearted devotion to his art made him something of a recluse. In 1764/65 de Boissieu went on the Grand Tour to Italy, returning with a rich stock of landscape studies which would serve him as a source of inspiration for the rest of his days. The political up­­heavals of the French Revolution marked a dramatic turning point in de Boissieu’s life, though, for he lost both his position


and his wealth. His artistic career did not suffer, however. He was subsequently active almost exclusively as a draughtsman and etcher, attending himself to the sale of his works, which circulated in a small, select circle of collectors and enthusiasts. Eschewing the prevalent art trends of his time, de Boissieu remained faithful to his own artistic idiom, which is charac­ terised by a close affinity to nature and a subtle grasp of the mood of a landscape. This charming watercolour is from de Boissieu’s late work; in terms of its thematic variety and technical mastery it constitutes the pinnacle of his art, so to speak. De Boissieu’s oeuvre consists for the most part of washed, point-of-brush drawings in grey and brown; his pictorially composed watercolours are therefore quite rare. Echoes of his journey to Italy blend harmo­

niously with the subtle, painterly rendering of his native surroundings. The broad river landscape is imbued with poetry and enlivened by countless anecdotal details. In the right fore­ ground an old man holding a magnifying glass is trying to deci­ pher an inscription on an ancient wall fragment; inscribed on an ivy-covered gravestone are the words Dis Manibus Sacrum. The Temple of the Sybil from Tivoli, set in the park landscape in the bottom left-hand corner of the picture, looks somewhat out of place. Sitting on a landing stage just to the right of centre is an artist flanked by several individuals watching him at work as he draws the wide open landscape in his sketchbook. On the river and the opposite bank people are going about their everyday work. The pink evening sky bathes the gentle landscape in a soft light, conjuring up an elegiac mood reminiscent of Claude Lorrain and Dutch 18th century masters such as Isaac de Moucheron.

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19. manuel salvador carmona

manuel salvador carmona

(1734 Nava del Rey – 1820 Madrid)

(1734 Nava del Rey – 1820 Madrid)

Pedro de Salvador Carmona, y Maria Garcia su Muger (Die Eltern des Künstlers). Radierung. 22 x 28,5 cm. 1780. Heller-Andresen 14.

Pedro de Salvador Carmona, y Maria Garcia su Muger (The Artist’s Parents). Etching. 22 x 28.5 cm. 1780. Heller-Andresen 14.

Der Kupferstecher Manuel Salvador Carmona wurde zuerst von seinem Onkel, dem Bildhauer Luis S. C. ausgebildet. 1752 begab sich der Künstler zu Studienzwecken nach Paris, wo er bei Nicolas Gabriel Dupuis in die verschiedenen druckgraphischen Techniken eingewiesen wurde und bis 1763 verblieb. Carmona erwies sich offenbar als talentiert, denn 1761 wurde er zum Mit­glied der Académie royale und zum Graveur du Roi ernannt. Nach seiner Rückkehr nach Madrid wurde er Ehrenmitglied der Academia de S. Fernando. Ein weiteres Indiz für sein gesellschaftliches Ansehen ist die Tatsache, dass Salvador Car­mona in zweiter Ehe eine Tochter des Hofmalers Anton Raphael Mengs heiratete. Carmona gilt als einer der bedeutendsten spanischen Kupferstecher des 18. Jahrhunderts.

The engraver Manuel Salvador Carmona was first trained by his uncle, the sculptor Luis Salvador Carmona. In 1752, the artist went to study in Paris, where he was taught the various printmaking techniques by Nicolas Gabriel Dupuis and stayed until 1763. Carmona was clearly talented, since he was appointed a member of the Académie royale and Graveur du Roi in 1761. Having returned to Madrid, he became an honorary member of the Academia de S. Fernando. A further indication of his social standing is the fact that Salvador Carmona’s second marriage was to a daughter of the court painter Anton Raphael Mengs. Carmona ranks as one of the foremost Spanish engravers of the 18th century.

Die vorliegende, als Trompe-l’œil aufgefaßte Radierung wurde bereits von Heller-Andresen als sehr selten bezeichnet. Sie zeigt ein intimes Bildnis der Eltern des Künstlers, das durch seine bescheidene, jedoch psychologisch subtile Erfassung bemerkenswert ist. Das ältere Paar ist in Halbfigur dargestellt und vermittelt ein Bild ehelicher Harmonie und Treue. Seine Kleidung ist gepflegt, jedoch nicht übermäßig prunkvoll und läßt auf eine gediegene, bürgerliche Herkunft schließen. Mit liebevol­ ler Aufmerksamkeit hat der Künstler die Antlitze der Eltern charakterisiert und einzelne Details wie Runzeln, Falten und Haarwuchs in einer minuziösen Radiertechnik hervorgehoben, wodurch Mann und Frau eine beachtliche Präsenz ausstrahlen. Der Vater schaut den Betrachter mit klarem, selbstbewuss­ tem Blick an, während die Mutter demutsvoll das Haupt ver­ neigt und somit ihre dienende Stellung in der ehelichen Hierarchie zum Ausdruck bringt. Mit sichtlichem Vergnügen hat der Künstler das Doppelporträt als Trompe-l’œil maskiert. Der Kupferstich ist mit zwei Nägeln auf eine Unterlage befestigt und das Papier wellt sich bereits in den Ecken. Feine Kreuzschraffuren heben die Stofflichkeit des fragilen Materials hervor. Ausgezeichneter Druck mit feinem Rändchen. Minimale Alters­ spuren, sonst vorzüglich erhalten. Auf dem Untersatzkarton der Sammlung des Fürsten zu Liechtenstein.

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The present trompe-l'œil etching was described by HellerAndresen as very rare. It shows an intimate portrait of the artist’s parents, which is remarkable for its modest, yet psychologically subtle rendering. The old couple are presented in half-length and convey an impression of matrimonial harmony and loyalty. Their attire is neat without being over-splendid and would indicate a solid, middle-class background. The artist has portrayed the faces of his parents with loving attention; individual details, such as wrinkles, folds and hair growth, are emphasised with the help of a meticulous etching technique. The couple thus radiate a considerable presence. The father looks at the beholder with a clear, self-confident gaze, while the mother humbly bows her head, thus documenting her position as a servant in the marital hierarchy. The artist has clearly taken great pleasure in masking this double portrait as a trompel'œil. The engraving is fixed to a base with two nails and the paper is uneven in the corners. Fine cross-hatching emphasises the texture of the fragile material. An excellent impression with thread margins. Minor ageing, otherwise in perfect condition. On the mount of the Liechtenstein Princely Collections.


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20. g iovanni david

giovanni david

Die Allegorie der Malerei. Radierung auf festem, venezianischem Bütten. 30,1 x 22,6 cm. (1775). Grasso 160. Wasserzeichen Großes Gekröntes Wappen mit drei Sternen.

Allegory of Painting. Etching on firm Venetian laid paper. 30.1 x 22.6 cm. (1775). Grasso 160. Water­mark: Large crowned coat-of-arms with three stars.

Mit dem ihm eigenen Esprit und schöpferischer Phantasie hat Giovanni David diese Allegorie der Malerei auf suggestive Weise dargestellt. Pictura sitzt vor ihrer Staffelei in einem pittoresken, verwunschenen Lustgarten. Links von ihr deutet ein neckischer Putto auf die noch leere Leinwand; zu ihren Füßen sind zwei weitere Knäblein mit nützlichen Arbeiten beschäftigt. Der rechte Putto reinigt die Palette, während sein Geselle Pig­ mente reibt. Eine leichte Brise streift die Baumwipfel, antike Ruinen bilden eine malerische Kulisse. Alles ist in einem leichten, beschwingten, rokokohaften Duktus gehalten. Die Inschrift deutet auf die schöpferische Unruhe hin, welche die junge Malerin befallen hat, und erinnert an ihre Aufgabe, Werke für die Ewigkeit zu schaffen.

Giovanni David demonstrates characteristic verve and creative imagination in this eloquent Allegory of Painting. Pictura sits in front of her easel in an enchanted and picturesque pleasure garden. To her left a putto points mischievously at the still empty canvas; at her feet two other boys are making themselves useful. The putto on the right is cleaning the palette while his companion is rubbing pigments. A gentle breeze caresses the treetops; remains of ancient ruins form a scenic backdrop. Every­ thing is depicted in a light, lively Rococo-like style. The inscription gives an idea of the creative restlessness that has befallen the young painter, reminding her of her task of creating works for eternity.

(1743 Cabella Ligure – 1790 Genua)

Das anmutige und seltene Blatt stammt aus der venezianischen Schaffenszeit des Künstlers, die einen Höhepunkt in Giovanni Davids künstlerischer Entwicklung markiert. Im Gesamtpano­ rama der italienischen Kunst des Settecento nimmt das Œuvre Davids eine Sonderstellung ein, die auf die bemerkenswerte Originalität seiner Bildwelt zurückzuführen ist. Er war ein begna­deter Radierer und sein umfangreiches druckgraphisches Werk, das größtenteils zwischen 1775 und 1779 in Venedig ent­ standen ist, besticht durch technische Experimentierfreude und künstlerischen Erfindungsreichtum. David verdankte seinen Erfolg der Protektion eines einzigen Mannes, des Genueser Diplomaten und Mäzens Giacomo Durazzo, der ihn während seiner gesamten Laufbahn energisch förderte. Unser Blatt gehört einer Gruppe von Radierungen an, die David seinem Mentor widmete. Prachtvoller, gegensatzreicher und harmonischer Druck mit breitem Rand. Leichte Altersspuren, sonst gut erhalten.

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(1743 Cabella Ligure – 1790 Genoa)

This rare print of great charm stems from Giovanni David’s Venetian period, which marks a high point in his artistic career. That David’s oeuvre occupies a special position in the overall panorama of Italian art in the Settecento is attributable to the remarkable originality of his imagery. He was an exceptionally gifted etcher and his extensive printed work, most of which dates to the period he spent in Venice between 1775 and 1779, draws its appeal from the love of technical experimentation and artistic ingenuity it reveals. David owed his success to the protection of a single man, the Genoese diplomat and patron, Giacomo Durazzo, who gave him unstinting support throughout his career. This print belongs to a set of etchings David devoted to his mentor. A superb, contrasting and harmonious impression with wide margins. Minor signs of ageing, otherwise in excellent condition.


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21. christian wilhelm ernst dietrich (genannt Dietricy, 1712 Weimar – 1774 Dresden)

christian wilhelm ernst dietrich

Die Kreuzabnahme. Radierung. 27,5 x 18,1 cm. 1730. Linck 23 II (von III).

Descent from the Cross. Etching. 27.5 x 18.1 cm. 1730. Linck 23 II (of III).

Wir sehen Dietrich hier auf der Höhe seiner Kunst und das, obwohl er gerade einmal 18 Jahre alt war, als er diese fulminante Kreuzabnahme schuf . Das Blatt ist ein Musterbeispiel für die gelungene Adaptation einer überlieferten Bildtradition, denn die Komposition geht direkt auf Rembrandts Radierung Die Große Kreuzabnahme zurück, die Dietrichs Vorgänger knapp ein Jahrhundert zuvor, im Jahre 1633, geschaffen hat. Die Anord­nung des hoch aufragenden Kreuzes mit dem diagonalen Quer­balken und die Posen der einzelnen Protagonisten folgen dem berühmten Prototypen sehr genau, dennoch hat der junge Künstler auch einzelne Änderungen vorgenommen. So hat er links szenisch wirksam die Gestalt der trauernden, in sich versunkenen Gottesmutter hinzugefügt, über die sich Maria Magdalena mit einer tröstenden Geste beugt. Im Unterschied zur Urfassung hat Dietrich auf die alttestamentliche Archi­ tekturkulisse im Hintergrund verzichtet, stattdessen findet das schaurige Geschehen vor einem gespenstisch-düsteren Fond statt, in dem die Umrisse einzelner Figuren schattenhaft erkennbar sind.

Here we see Dietrich at the pinnacle of his art, even though the artist was just eighteen years of age when he produced this brilliant Descent from the Cross. The work is a perfect example of the successful adaptation of a pictorial tradition, the composition being directly attributable to Rembrandt’s large etching The Descent from the Cross, which Dietrich’s predecessor produced just under a century earlier in 1633. While the arrangement of the towering cross with its diagonal crossbeam and the attitudes of the individual protagonists adhere very closely to the famous prototype, the young artist has nonetheless made a number of changes. For dramatic effect he has added on the left the grieving, distraught Mother of God, over whom Mary Magdalene bends with a consoling gesture. In contrast to the original version Dietrich has dispensed with the Old Testament architectural scenery in the background; instead the gruesome events are played out against an eerie, gloomy background in which the outlines of the individual figures are vaguely discernible.

Rembrandts Radierung gehört dem Frühwerk der 1630er Jahre an und ist dementsprechend detailliert und präzise im zeichnerischen Duktus und von einer Vorliebe für das anek­ dotische Detail gekennzeichnet. Im Vergleich zu Rembrandt wirkt Dietrichs Fassung wesentlich dramatischer und von einem noch größeren Pathos erfüllt. Sein Radierstil ist unerhört frei, temperamentvoll, ja ungestüm und atmet einen fast experimentellen Charakter. Dietrich erprobte hier die Erfassung malerischer Werte statt linearer Disziplin und genre­haf­ ter Detailtreue. Grelles Licht beleuchtet das Geschehen, die schroffen Helldunkel-Kontraste sind von fesselnder, zwingender Wirkung. Nur auf wenigen Blättern gelangte Dietrich zu einem vergleichbaren Maß an künstlerischer Freiheit und sou­veräner Beherrschung des Mediums. Die Radierung ist laut Linck von größter Seltenheit. Nach weni­gen Abzügen wurde die Platte abgeschliffen. Pracht­ voller, kontrastreicher und toniger Druck mit feinem Rändchen. Minimale Altersspuren, sonst vollkommen erhalten.

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(called Dietricy, 1712 Weimar – 1774 Dresden)

Rembrandt’s etching is an early work of the 1630s. The drawing style is correspondingly precise and detailed and reveals the artist’s characteristic fondness for anecdotal minutiae. In contrast to Rembrandt, Dietrich’s version is far more dramatic and full of even greater pathos. His etching style is remarkably untrammelled, spirited, impetuous even, and almost experimental in character. In this work Dietrich attempted to instil painterly values rather than focussing on linear discipline and genre-like accuracy of detail. Blazing light illuminates the scene, and the stark chiaroscuro contrasts have a compelling, captivating effect. Only in a few other works did Dietrich demonstrate a comparable degree of artistic freedom and mastery of the medium. According to Linck the etching is extremely rare. The plate was abraded after a few impressions. A superb, con­trasting and rich impression with thread margins. Minor ageing, otherwise in impeccable condition.


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22. christian wilhelm ernst dietrich

christian wilhelm ernst dietrich

Die Gesellschaft im Freien (In Lancret’s Geschmack). Radierung. 13,5 x 18 cm. Linck 52 II.

A Merry Company in a Lush Garden (in the manner of Lancret). Etching. 13.5 x 18 cm. Linck 52 II.

Christian Dietrich erhielt seine erste künstlerische Ausbildung bei seinem Vater, dem Weimarer Hofmaler und Graphiker Johann Georg. Er ging anschließend an die Dresdener Aka­ demie, wo er bei dem Landschaftsmaler Alexander Thiele lernte. Letzterer empfahl seinen Schüler dem sächsischen Kur­ fürsten August II. dem Starken, dessen Hofmaler Dietrich 1731 wurde. Zwei Jahre später unternahm der Künstler, der sich seit den 1730er Jahren Dietricy nannte, eine einjährige Studien­ reise nach Italien. Im Jahre 1748 wurde Dietrich zum Inspektor der Dresdener Gemäldegalerie ernannt und dieser Moment markiert gleichzeitig eine sehr produktive Periode in seinem künstlerischen Schaffen. Eine weitere ehrenvolle Berufung er­folgte 1763, als Dietrich eine Professur an der Dresdener Akademie erhielt. Dietrichs malerisches und druckgraphisches Œuvre ist ein Musterbeispiel für den unbekümmerten Eklektizismus seiner Epoche. Er eignete sich die Stilsprachen der unterschiedlichen Schulen des 17. und 18. Jahrhunderts an und assimilierte in seinem Schaffen Einflüsse der holländischen Italianisanten, sowie Anregungen durch Rembrandt, Rubens, Watteau, Tizian, Ricci und Rosa. Dietrichs druckgraphisches Werk, das an die zweihundert Blätter zählt, dokumentiert die Vielfalt seiner Inspirationsquellen und zeugt gleichzeitig von seinen großen zeichnerischen Fähigkeiten. Die anmutige Gesellschaft im Freien ist in ihrer virtosen Leichtig­keit und ihrer Betonung atmosphärischer Valeurs ein klassisches Beispiel einer Malerradierung.

Christian Dietrich received his initial artistic tuition from his father, Johann Georg, a painter and printmaker at the court in Weimar. He subsequently enrolled at the Dresden Academy, where he studied under the landscape painter Alexander Thiele. The latter recommended his pupil to the Elector of Saxony, Augustus II the Strong, to whom Dietrich became court painter in 1731. Two years later the artist, who had called himself Dietricy since the 1730s, undertook a one-year study trip to Italy. In 1748, Dietrich was appointed Inspector of the Dresden Art Gallery, a development which coincided with a very productive period in his artistic work. A further honourable appoint­ ment followed in 1763, when Dietrich was offered a professorship at the Dresden Academy. Dietrich’s paintings and prints are a perfect example of the cavalier eclecticism of his time. He absorbed the artistic idioms of the various 17th and 18th century schools, assimilating in his works influences of the Dutch Italianates as well as ideas taken from Rembrandt, Rubens, Watteau, Titian, Ricci and Rosa. Dietrich’s printed oeuvre of some two hundred prints demonstrates the diversity of his sources of inspiration and testifies to his qualities as a draughtsman. The supreme lightness of touch and emphasis on atmospheric shades in the delightful Merry Company make it a classical example of a painter’s etching.

Die Darstellung geht unmit­­telbar auf die fêtes galantes von Watteau, Pater und Lancret zurück. Mit raschem, leichtem Strich hat Dietrich die pittoreske Parklandschaft und die in ihr versammelten Akteure anschaulich und zugleich stark ver­ kürzend skizziert. Einzelne Attribute wie eine herumliegende Laute, eine malerisch überwachsene Gartenvase und verwitterte Baumstämme erhöhen den poetischen Stimmungsgehalt. Transparent und leicht behandelte Partien wechseln sich mit duftigen, tiefdunklen Schattenlagen ab, wo der intensive Gebrauch der Kaltnadel markante Helldunkelakzente setzt. Warmes Sonnenlicht streicht über die üppige Natur und hebt die in ihr Erquickung suchenden Männer und Frauen hervor. Die Szene ist von Leichtigkeit und einem Geist des dolce far niente belebt. Prachtvoller, samtigschwarzer und gegensatzreicher Druck mit delikatem Plattenton und teils gratiger Facette. Bereits 1846 bezeichnete Linck die Radierung als „außerordentlich selten“. Vollkommen erhaltenes, unbehandeltes Exemplar.

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The depiction springs directly from the fêtes galantes of Watteau, Pater and Lancret. In rapid, fluent strokes Dietrich has sketched the picturesque park landscape and the figures gathered in it in a vivid and very reductive manner. Individual attributes, such as a lute lying on the ground, a picturesque overgrown garden vase and weathered tree trunks, enhance the poetic mood. Transparent and lightly treated parts alternate with fragrant, very dark shaded areas in which intensive use of the dry point produces a striking chiaroscuro effect. Warm, glisten­ ing sunlight caresses the lushness of nature, highlight­ing the features of the men and women seeking refreshment therein. Everything is imbued with verve and a spirit of dolce far niente. A superb, velvety and contrasting impression, printed with delicate plate tone and considerable burr. Already in 1846, Linck described the etching as “extremely rare”. In unrestored, mint condition.


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23. pierre lelu

pierre lelu

Die Begegnung von Abraham und Melchisedek, Genesis 14. Feder in Schwarz, braun laviert, weiß gehöht, auf braun grundiertem Papier. 53,7 x 76 cm. Signiert: „P. Lelu“, eigenhändig beschriftet in lateinischer Sprache: „ab hostium caede ... Gen: ca. 14.“.

The Meeting between Abraham and Melchizedek, Genesis 14. Pen and black ink, brown wash, white heightening, on brown-grounded paper. 53.7 x 76.0 cm. Signed: “P. Lelu”, inscribed in Latin in the artist’s own hand: “ab hostium caede ... Gen: ca. 14.” .

Die monumentale Darstellung besticht durch die aufwendige, detaillierte Kompositionsweise und die Bravour, mit der Lelu die zahlreichen Protagonisten sinnfällig interagieren lässt und sie auf harmonische Weise in die Landschaft einfügt. Gezeigt ist die im Buch Genesis, Kapitel 14 geschilderte Begegnung zwischen Abraham und dem alttestamentlichen König und Hohepriester Melchisedek, bei der Letzterer Brot und Wein opfert und Abraham segnet. Abraham entrichtet Melchisedek daraufhin den Zehnten. Die Gabe von Brot und Wein fungiert als Anspielung auf das christliche Sakrament der Eucharistie, während die Segnung und die Steuerabgabe die Unterordnung des alten Bundes gegenüber dem neuen darstellen. Der Maler, Zeichner und Radierer Pierre Lelu war ein Schüler von François Boucher und Gabriel François Doyen. Er ging 1762 nach Italien, wo er vor allem nach alten Meistern kopierte, und kehrte um 1767 nach Paris zurück. Zwei weitere Italienaufenthalte in den Jahren 1775 und 1789 sind belegt. Eine weitere Reise führte Lelu im Jahre 1775 nach Spanien und Portugal. 1778 wurde der Künstler Mitglied der Akademie in Marseille, die Aufnahme in die Académie royale in Paris blieb ihm jedoch zeitlebens ver­ wehrt. Es haben sich nur wenige Gemälde seiner Hand erhalten, das zeichnerische und vor allem druckgraphische Werk ist dagegen recht umfangreich.

This monumental scene is distinguished by the painstaking, detailed manner of its composition and the skill with which Lelu enables the numerous protagonists to engage in meaningful interaction, integrating them harmoniously into the landscape. It portrays the meeting described in chapter 14 of the Book of Genesis between Abraham and the Old Testament king and high priest Melchizedek, in which the latter sacrifices bread and wine and blesses Abraham. Abraham thereupon pays Melchizedek the tithe. The giving of bread and wine serves as an allusion to the Christian sacrament of the Eucharist, where­as the blessing and the paying of the tithe reflect the sub­ordination of the Old Covenant to the New Covenant. The painter, draughtsman and etcher, Pierre Lelu, was a pupil of François Boucher and Gabriel François Doyen. In 1762 he went to Italy, where he mostly copied Old Masters, returning to Paris around 1767. He is known to have undertaken two further journeys to Italy in 1775 and 1789. Lelu also travelled to Spain and Portugal in 1775. The artist became a member of the Academy in Marseilles in 1778, but was never admitted to the Académie royale in Paris. While only a few of his paintings have survived, his drawings and his prints, in particular, are quite substantial.

(1741–1810, Paris)

Stilistisch fügt sich unser Blatt nahtlos in eine Gruppe von Zeichnungen ein, die Lelu anlässlich des Pariser Salons von 1793 ausstellte (vgl. beispielsweise Das Opfer von Polyxenes, abgebildet im Katalog La tentation du dessin. Une collection particulière, hrsg. von D. Radrizzani, Musée Jenisch Vevey 2012, Nr. 107, S. 224–225). Es war das einzige Mal, dass Lelu als Nichtakade­ miker am Salon teilnehmen konnte, bedingt durch die Tatsache, dass das Monopol der académiciens in diesem Jahr beendet wurde. Die großformatigen, sorgfältig komponierten Blätter sind in einer identischen Technik behandelt, bei der Lelu braun grundiertes Papier verwendete. Flüssige und breit applizierte Lavierungen in Braun sowie markante Weißhöhungen verleihen den Zeichnungen eine prägnante graphische Wirkung, die der des Clairobscur-Holzschnitts ähnelt. Im Vergleich zu dem revolutionären Stil der David-Schule wirkt Lelu’s etwas schwerfällige Formensprache jedoch recht antiquiert und nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Sein Klassizismus ist noch stark geprägt von der Ästhetik des 18. Jahrhunderts und dem Zeitgeschmack der Periode Louis XV., und dies mag der Grund dafür sein, dass Lelu trotz unbestrittener Begabung der große künstlerische Durchbruch nie gelang.

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(1741–1810, Paris)

In stylistic terms the present work fits neatly into a group of drawings Lelu exhibited at the Paris Salon of 1793 (see, for example, The Sacrifice of Polyxena, illustrated in the catalogue La tentation du dessin. Une collection particulière, published by D. Radrizzani, Musée Jenisch Vevey 2012, no. 107, pp. 224– 225). This was the only occasion on which Lelu was able to participate in the Salon as a non-academic, as the mono­poly of the académiciens ended that year. The large-format, carefully composed drawings are executed in an identical tech­nique, for which Lelu used brown-grounded paper. Fluent, broadly applied brown washes and striking white heightenings produce a con­cise graphic effect similar to that of a chiaroscuro woodcut. Compared to the revolutionary style of the David school, Lelu’s somewhat cumbersome formal idiom makes his work appear antiquated and not quite up with the times. His classicism is still strongly influenced by the aesthetics of the 18th century and the taste characteristic of the period of Louis XV, which may explain why Lelu failed to achieve a major artistic breakthrough despite his unquestionable talent.


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24. giovanni battista mengardi

giovanni battista mengardi

(1738 Padua – 1796 Venedig)

(1738 Padua – 1796 Venice)

Das Opfer des Abraham. Radierung. 11 x 15,9 cm. De Vesme 1.

Abraham Sacrificing Isaac. Etching. 11 x 15.9 cm. De Vesme 1.

Der aus Padua stammende Maler und Graphiker Giovanni Battista Mengardi war ein Schüler Giovanni Battista Tiepolos. Er tat sich als Maler religiöser Kompositionen in seiner Geburts­ stadt und in Venedig hervor und war auch an der dekorativen Ausschmückung von profanen Bauten, wie beispielsweise dem Palazzo Manfrin in Venedig beteiligt. Das druckgraphische Werk ist von größter Seltenheit und umfasst lediglich zwei Radierungen. Unser Abrahamsopfer ist in einer sehr flüssigen und reich differenzierten Radiertechnik behandelt, die samtig weiche, tonale Übergänge erzeugt. In ihrem barocken Schwung und Pathos wirkt Mengardis Stilsprache altertümlicher als die seines Lehrers Tiepolo, und erinnert an die Meister des römischen Seicento, während auch stilistische Anleihen an das druckgraphische Schaffen Giovanni Benedetto Castiglio­nes unübersehbar sind. Mengardi ist ein anmutiger, retrospekti­ ver Kleinmeister und es erscheint fast sinnfällig, dass sein Tod 1796 ein Jahr vor dem Sturz der Serenissima erfolgte.

Giovanni Battista Mengardi, a painter and printmaker from Padua, studied under Giovanni Battista Tiepolo. He distinguished himself as a painter of religious compositions in both his native city and Venice and was involved in the decoration of secular buildings such as the Palazzo Manfrin in Venice. His printed oeuvre is of the utmost rarity, comprising just two etchings. The present work Abraham Sacrificing Isaac has been executed in a very fluid and subtly differentiated technique that produces velvety soft, tonal transitions. Mengardi’s sty­ listic idiom with its baroque verve and pathos seems more archaic that that of his teacher Tiepolo and reminiscent of the Seicento masters in Rome. Equally conspicuous are the stylistic borrowings from the printed oeuvre of Giovanni Benedetto Castiglione. Mengardi is a charming, retrospective Little Master whose death in 1796, a year before the demise of the Serenissima, appears almost fitting.

Prachtvoller, nuancierter Druck mit feinem Rändchen. Leichte Altersspuren, sonst sehr gut erhalten.

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A superb impression of great clarity, with thread margins. Minor ageing, otherwise in very good condition.


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25. franz xaver karl palko

franz xaver karl palko

(1724 Breslau – 1767 Prag)

(1724 Breslau – 1767 Prague)

Die Erschaffung Adams; Gottvater warnt Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis zu essen. 2 Radierungen. Je ca. 23,8 x 17 cm. Nagler 3, 4.

The Creation of Adam; God the Father warns Adam and Eve Not to Eat of the Tree of Knowledge. Two etchings. Each circa 23.8 x 17.0 cm. Nagler 3, 4.

Der Bildnis- und Historienmaler Franz Palko war ein Sohn des Breslauer Malers Anton Palko. Er studierte unter Bibiena an der Wiener Akademie und in Venedig, wo er insbesondere durch das Schaffen Giuseppe Maria Crespis angeregt wurde. Palko entfaltete in der Folgezeit eine erfolgreiche Karriere als Maler und war unter anderem in Pressburg, Kremsier, Brünn und Dresden tätig, wo er 1752 von König Friedrich August II. zum sächsisch-polnischen Hofmaler ernannt wurde. Wie viele andere auswärtige Künstlern, die in jenen Jahren in Dresden ihr Glück suchten, dürften die Wirren des Siebenjährigen Krieges (1756– 1763) Palko aus der sächsischen Residenzstadt vertrieben haben. Er lebte und arbeitete in der Folgezeit in München – wo er 1764 zum Kurfürstlichen Bayerischen Hofmaler berufen wurde – und anschließend in Prag.

The portrait and history painter, Franz Palko, son of Anton Palko, a painter from Breslau, studied under Bibiena at the Vienna Academy and in Venice, where he was inspired by the work of Giuseppe Maria Crespi. Palko went on to pursue a successful career as a painter, undertaking commissions inter alia in Bratislava, Kromeriz, Brno and Dresden, where King Friedrich August II appointed him painter to the Saxon-Polish court in 1752. Like many other foreign artists seeking their fortune in Dresden at the time Palko is likely to have been driven out of the Saxon royal seat by the turmoil of the Seven Years War (1756–63). He subsequently lived and worked in Munich, where he was appointed painter to the electoral court of Bavaria in 1764, as well as in Prague.

Palko war ein begabter Radierer, auch wenn sein druckgraphisches Œuvre lediglich vier „geistreich radierte Blätter“ (Nagler) vorweist, die allesamt von erlesener Seltenheit sind. Die beiden vorliegenden Darstellungen aus dem Buch Genesis, die zweifellos als Pendants konzipiert sind, ragen durch ihren schwungvollen, beweglichen zeichnerischen Duktus und ihre markante Helldunkel-Wirkung hervor. Palkos Radiertechnik ist vibrierend und von einer großen Dynamik erfüllt, die der Dramatik der einzelnen Schöpfungsszenen angemessen ist. Der Künstler verfügt über ein variantenreiches Repertoire unterschiedlichster Schraffurmuster, Strichelchen, Pünktchen und weiterer graphischer Akzente, die er höchst effizient und visuell ein­ präg­sam einsetzt. Die feinsinnig beobachteten erzählerischen Details verraten die Handschrift eines höchst originellen und phan­tasievollen Künstlers. Szenisch packend ist die Schöpfung Adams dargestellt (Abb. Seite 46). Mit einer weit ausladenden, grandiosen Geste schwebt der Gottvater aus himmlischen Sphären hinunter und haucht dem ersten Menschen mit Wucht das Leben ein; offenbar ungerührt vom übernatürlichen Ereignis döst im Hin­ter­grund ein Hase vor sich hin. In der zweiten Szene deutet ein zorniger Gottvater auf den Baum der Erkennt­ nis. Adam weist mit demutsvoller, entschuldigender Geste auf die Schlange, der sanfte Blick der auffallend hübschen, wohlgestalten Eva macht klar, weshalb Adam ihrer Verführungskunst erlag. Zwischen ihnen steht ein Pfau als Symbol der Eitelkeit. Nach der Überlieferung soll er im Paradies lieblich gesungen, aber seine Stimme verloren haben, sobald er mit dem ersten Menschenpaar aus dem Paradies verbannt wurde. Prachtvolle, kontrastreiche Drucke mit feinem Rändchen. Geringfügige Altersspuren, sonst vorzüglich erhalten.

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Palko was a talented etcher, although his printmaking oeuvre consists merely of four “intelligently etched sheets” (Nagler), all of which are of exquisite rarity. These two depictions from the Book of Genesis, which were evidently designed as companion pieces, are distinguished by their fluent, vigorous linework and striking chiaroscuro effects. Palko’s etching technique is full of vibrant energy that is appropriate to the drama of the creation scenes. The artist can draw on a rich repertoire of very varied hatching patterns, small pen strokes, stipples and other graphic highlights, which he uses in a very efficient and visually effective manner. The astutely observed narrative details reveal the signature of a highly original and imaginative artist. The creation of Adam is depicted with dramatic verve (see. fig. p. 46). God the Father floats down from the heavens with a mag­nificent expansive gesture and forcefully breathes life into the first man; apparently unmoved by this supernatural event a hare dozes peacefully in the background. In the second scene God the Father angrily points to the tree of know­ledge. Adam, in turn, points with a humble, apologetic gesture to the snake, while the gentle gaze of the arrestingly beautiful and shapely Eva makes it clear why Adam succumbed to her seductive charms. Between them stands a peacock as a visible symbol of vanity. Tradition has it that the bird sang sweetly in paradise but lost its voice the moment it was banned thence along with the first human couple. Superb, contrasting impressions with thread margins. Minor ageing, otherwise in excellent condition.


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26. charles franÇois de silvestre (1667 Paris – 1738 Versailles)

Ein türkischer Mann im Kaftan; ein türkischer Wasser­ träger. 2 Rötelzeichnungen. Je ca. 17 x 10,5 cm. Der Maler, Zeichner und Kupferstecher Charles François de Silvestre entstammte einer angesehenen, weitverzweigten französischen Künstlerfamilie. Seiner Herkunft gemäß war er schon in jugendlichem Alter künstlerisch erfolgreich. Mit vier­ zehn Jahren wurde ihm das Amt eines Zeichners der Pagen des Großen Königlichen Marstalls in Versailles zuteil. 1691 erhielt er ein Atelier im Louvre, 1695 das Amt eines Zeichenmeisters der Kinder des Königs, 1717 das eines Zeichners Ludwigs XV. Silvestre war also ein sehr fähiger und flotter Zeichner, wie die beiden schneidigen und reizvollen Darstellungen von Orien­ talen beweisen. Die sogenannten Turqueries waren während des 18. Jahrhunderts in Frankreich sehr en vogue, boten sie Künst­ lern doch Anlass zur Darstellung exotischer Personagen und hübscher folkloristischer Details.

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Silvestre selbst schuf eine 29 Blatt zählende Kupferstichfolge türkischer Kostüme unter dem Titel Différents / habillements de Turcs ..., die er dem Duc de Bourgogne widmete. Unsere beiden Zeichnungen dürften als Vorlage für diese Serie gedient haben. Silvestres Zeichenstil ist präzise und pointiert. Durch die unterschiedliche Strichdichte der roten Kreide werden subtile Helldunkel-Effekte erzielt. Die sorgfältigen Schraffurmuster sind ein weiteres Indiz für die Verwendung der Zeichnungen als Stichvorlagen. Ungeachtet dieser Funktion besitzen die Blätter jedoch großen künstlerischen Reiz. Die Darstel­ lungen bestechen durch Leichtigkeit und Eleganz. Der Osmane im Kaftan tänzelt mit der Grazie einer Primadonna; ebenso nuanciert ist die Darstellung des Wasserträgers, der seine Last geschickt, scheinbar mühelos, austariert. Der rechte Wasserbehälter überschneidet die gezeichnete Einfassungslinie, wodurch die Szene raumübergreifend wirkt.


charles franÇois de silvestre (1667 Paris – 1738 Versailles)

A Turkish Man in a Caftan; a Turkish Water Carrier. Two red chalk drawings each measuring circa 17 x 10.5 cm. The painter, draughtsman and engraver, Charles François de Silvestre, hailed from a respected French artist family with many branches. Appropriately enough, given his family background, he was artistically successful early on in life, taking up the office of draughtsman to the pages of the Great Royal Stables in Versailles at the age of fourteen. In 1691 he was given a studio in the Louvre; in 1695 he was appointed to the office of drawing master to the children of the king and in 1717 to that of a draughtsman of Louis XV. Silvestre was clearly a very deft and capable draughtsman, as is illustrated by these two dashing and charming depictions of Orientals. Turqueries, as they were called, were very much en vogue in 18th century France, since they gave artists an opportunity to depict exotic personages and fancy folklore details.

Silvestre himself produced a series comprising 29 engravings of Turkish costumes entitled Différents / habillements de Turcs ..., which the artist dedicated to the Duke of Burgundy. Both of our drawings are likely to have served as models for this series. Silvestre’s drawing style is precise and succinct. The different thickness of the red chalk strokes produces subtle chiaroscuro effects. The careful hatching patterns are a further indication of the use of these drawings as models for engravings. Irrespective of this function, however, the works possess a great artistic charm. The appeal of the depictions lies in their lightness of stroke and delicate elegance. The Ottoman in the caftan dances with the grace of a prima donna; no less subtle is the depiction of the water carrier who skilfully carries the two heavy containers, apparently effortlessly keeping them in balance; the right-hand bucket intersects the drawn framing line, thus appearing to extend the boundaries of the scene.

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27. giovanni battista tiepolo (1696 Venedig – 1770 Madrid)

Der Philosoph. Radierung aus der Folge Scherzi. 23,2 x 17 cm. Um 1756/57. De Vesme 32; Rizzi (1970) 22 I (von II); Rizzi (1971) 23 I (von II); Succi 80 I (von IV). Über das Erscheinungsdatum der Scherzi herrscht Uneinigkeit. Lange Zeit wurde angenommen, dass 14 Radierungen des Zyklus erst nach dem Tode Giambattistas von seinem Sohn Giandomenico veröffentlicht wurden (1775). Die darauffolgende zweite Ausgabe verzeichnete nunmehr 23 Scherzi mit unterschiedlicher Numerierung sowie zwei Radierungen mit reli­ giösen Darstellungen. Diese beiden letzten Blätter waren hinzugefügt worden, um das gesamte druckgraphische Schaffen des Vaters in einem Band zu vereinigen. In der jüngeren Forschung hat Dario Succi diese These widerlegt. Aus zeitgenössischen Quellen geht hervor, dass 20 Blatt der Folge spä­ testens um 1748/1749 beim Künstler selbst erhältlich waren. Weitere vier Blatt des Zyklus wurden nachweislich 1758 an den Pariser Sammler und Graphikhändler Pierre-Jean Mariette geliefert. Demzufolge wird heute allgemein angenommen, dass die Scherzi zwischen circa 1743 und 1757 von Giambattista geschaffen wurden (siehe Dario Succi, Giambattista Tiepolo. Il segno e l’enigma, Venedig 1986, S. 58 ff.). Die Ikonographie der Scherzi zeichnet sich durch ihre unbändige künstlerische Gestaltungskraft und ihre grandios phantasievolle Vorstellungswelt aus. Auf musterhafte Weise spiegeln ihre Bilderfindungen den verfeinerten Zeitgeist Venedigs im 18. Jahrhundert wider und stellen gleichsam seine Apotheose dar. Dies erklärt, weshalb Giambattistas Inventionen auch für den heutigen Betrachter nichts von ihrer fesselnden Wirkung eingebüßt haben. Bei den Scherzi handelt es sich um vir­tuose und spirituelle Variationen auf bukolische und exotische

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Themen, wobei auch Anklänge an die Welt der commedia dell’arte unübersehbar sind. Diese Szenen sollen weder als Alle­gorien betrachtet werden, noch liegt ihnen eine tiefe innere Bedeutung zugrunde. Sie wurden lediglich geschaffen, um das Auge zu erfreuen und einen verfeinerten visuellen Genuss zu bieten. Der Philosoph ist eine der letzten Radierungen, die Giambat­ tista um 1756/57 geschaffen hat. Das Blatt gehört der Gruppe von vier Radierungen an, die 1758 an Mariette geliefert wurden, und liegt in dem außerordentlich seltenen ersten Druckzustand vor. Nur einzelne Exemplare dieses Etats sind überliefert, der sich dadurch auszeichnet, dass zwei Köpfe von Jünglingen zwischen dem Oberkörper des Philosophen und seinem Buch ersichtlich sind. Die Radierung zeigt Spuren von Fehl­ätzung und im zweiten Druckzustand überarbeitete Giam­battista die Platte und löschte die beiden Köpfe. Trotz dieser technischen Unzulänglichkeiten offenbart die enigmatische Darstellung die ganze Magie seiner Kunst. Die Pose des alten Mannes erinnert an die überlieferte Melancholia-Thematik. Tiepolo zeigt den ehrwürdigen Greis mit den Attributen seines Wissens, dem Zirkel, dem Buch und der Sphäre. Eine Schlange windet sich um eine Fackel, die das Licht der Weisheit symbolisiert. Der nervöse zeichnerische Duktus aus unzähligen feinen Strichelchen und eng gesetzten Schraffuren schafft ein unruhig flimmerndes graphisches Muster, wodurch eine äußerst sug­ gestive, vibrierende Lichtwirkung erzeugt wird. Nicht zuletzt ist es auch der Reiz des Infinito, der dieses Blatt zu einem Höhepunkt seines Spätwerks macht. Prachtvoller, toniger und ausdrucksstarker Frühdruck mit Rand, mit zahlreichen Wischspuren, vor der Überarbeitung der Platte und vor der Nummer. Minimal stockfleckig, leichte Altersspuren, sonst vorzügliches, unbehandeltes Exemplar.


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27. giovanni battista tiepolo (1696 Venice – 1770 Madrid)

The Philosopher. Etching from the Scherzi suite. 23.2 x 17 cm. Circa 1756/57. De Vesme 32; Rizzi (1970) 22 I (of II); Rizzi (1971) 23 I (of II); Succi 80 I (of IV). When the Scherzi were published is a matter of contention. For a long time it was assumed that fourteen etchings from the cycle produced by Giambattista were published after his death by his son Giandomenico (1775). The second edition listed twenty-three Scherzi with a different numbering plus two etchings on religious themes. These latter had been added in order to incorporate the whole of Giambattista’s printed oeuvre in a single volume. More recent research carried out by Dario Succi has refuted this assumption. It emerges from contempo­ rary sources that twenty prints from the series were available from the artist himself in 1748/49 at the latest. There is evidence that a further four prints from the cycle were delivered to the collector and print dealer, Pierre-Jean Mariette, in Paris in 1758. Hence it is now generally assumed that Giambattista created the Scherzi between circa 1743 and 1757 (cf. Dario Succi, Giam­ battista Tiepolo. Il segno e l'enigma, Venice 1986, p. 58 f.). In iconographical terms the Scherzi are distinguished by their unbridled creative verve and the immensity of their figurative imagination. The imagery perfectly reflects the sophistication of eighteenth-century Venice while portraying its apotheosis, so to speak. This explains why Giambattista’s inventions have lost none of their fascination for present-day viewers. The Scherzi are brilliant and ingenious variations on bucolic and exotic themes in which reminiscences of the world of the commedia

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dell'arte are readily apparent. These scenes should not be seen as allegories, nor do they harbour any deeper meaning. They were created for the sole purpose of pleasing the eye and affording an exquisite visual delight. The Philosopher is one of the last etchings that Giambattista produced around 1756/57. It belongs to a group of four delivered to Mariette in 1758 and is available here in the extremely rare first state. Only a few impressions of this state have survived, the characteristic feature of which are the heads of two youths visible between the philosopher’s torso and his book. The etching reveals traces of foul biting; in the second state Giambattista reworked the plate and removed the two heads. These technical inadequacies notwithstanding, the enigmatic depiction none­ theless reveals all the magic of his art. The pose of the venerable old man is reminiscent of the traditional theme of melancholy. Tiepolo depicts him with the attributes of his knowledge – compasses, book and globe. A snake winds itself around a torch symbolising the light of wisdom. The agitated drawing style comprising innumerable fine little strokes and dense hatchings produces a flickering, restless graphic pattern, thus creating highly evocative, scintillating light effects. Last but not least, the charm of the infinito also makes this impression one of his late masterpieces. A superb, tonal and highly expressive early impression with numerous wiping marks, before the reworking of the plate and before the number, with margins. Minor foxing, slight ageing, otherwise in excellent, unrestored condition.


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28. johann heinrich wilhelm tischbein (der „Goethe-Tischbein“, 1751 Haina – 1829 Eutin)

Die sieben Haupthelden der Ilias. Radierung. 25,8 x 46 cm. Um 1796. Andresen 25, Griffiths/Carey, German Printmaking in the Age of Goethe, London 1994, S. 135, Nr. 85. Die eindrucksvolle Darstellung homerischer Helden kann mit Recht als ein Denkmal des deutschen Klassizismus der Goethe­ zeit bezeichnet werden. In einer konzentrierten und kraftvollen Radiertechnik hat Tischbein die wichtigsten Protagonisten der Ilias sehr eindringlich und lebensnah charakterisiert. Dar­ gestellt sind von links nach rechts: Menelaos, Paris, Diomedes, Odysseus, Nestor, Achilles und Agamemnon. Tischbein bezog sich bei seiner Darstellung auf Prototypen der antiken Skulptur, denen er jedoch eine eigene Prägung verlieh. In Bezug auf ihre expressive Kraft hat der Künstler die antiken Modelle sub-

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l­ imiert und sie mit einer größeren Individualität ausgestattet. Gleichzeitig bekunden die lebendig und markant geschilderten Charakterköpfe Tischbeins Interesse für physiognomische Studien. Durch die dicht gedrängte Reihung der en profil wiedergegebenen Köpfe entfaltet die Porträtgalerie eine ungeheure Präsenz, lediglich Menelaos und Agamemnon, an den äußeren Enden des Reigens, sind in Dreiviertelansicht gezeigt, wodurch die Komposition aufgelockert wird und lebendiger wirkt. Die Darstellung diente als Illustration zu dem Werk Homer nach Antiken gezeichnet, das Tischbein in Neapel angefangen hatte, und das 1801 im Verlag von Dieterich in Göttingen erschien. Prachtvoller, gegensatzreicher Druck mit breitem Rand. Geringfügig stockfleckig, sonst vorzüglich erhalten.


johann heinrich wilhelm tischbein (the “Goethe-Tischbein”, 1751 Haina – 1829 Eutin)

The Heads of the Seven Main Heroes of the Iliad. Etching. 25.8 x 46 cm. Circa 1796. Andresen 25, Griffiths/ Carey, German Printmaking in the Age of Goethe, London 1994, p. 135, no. 85. This impressive depiction of Homeric heroes can rightly be described as a monument of German Classicism in the age of Goethe. Tischbein uses a concentrated and forceful etching technique to create a very powerful and realistic characterisation of the main protagonists in the Iliad. Pictured from left to right are Menelaus, Paris, Diomedes, Ulysses, Nestor, Achilles and Agamemnon. In his portrayal Tischbein drew on prototypes of ancient sculpture while providing them with a character of their own. The artist has sublimated the expressive power of the ancient models and given them greater individuality.

At the same time the vivid and strikingly portrayed character heads reveal Tischbein’s interest in physiognomic studies. The tight sequence of heads in profile gives the portrait gallery a tremendous presence. Only Menelaus and Agamemnon, at either end of the row, are shown in three-quarter view, thus loosening up the composition and making it livelier. The depiction served as an illustration for the work Homer nach Antiken gezeichnet, which Tischbein had begun in Naples and was published by Dieterich in Göttingen in 1801. A superb, con­trasting impression with large margins. Minor foxing, otherwise in excellent condition.

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29. gottfried traunfellner

gottfried traunfellner

(1778–1811, Wien)

(1778–1811, Vienna)

Il Goloso (Das Leckermaul). Schabkunstblatt nach Martin Ferdinand Quadal. 37,5 x 27,5 cm. 1798. Nagler (Jakob Traunfellner) 7.

Il Goloso (The Gourmet). Mezzotint after Martin Ferdinand Quadal. 37.5 x 27.5 cm. 1798. Nagler (Jakob Traunfellner) 7.

Nur wenig ist über das kurze Leben des Wiener Schabstechers Gottfried Traunfellner bekannt. Er war ein Sohn des angesehe­ nen Landschaftszeichners und akademischen Zeichenmeisters Jacob Traunfellner (1743–1800, Wien). Gottfried studierte an der Wiener Akademie und erwarb Auszeichnungen in den Disziplinen Zeichen- und Schabkunst. Von 1795 an schuf er ein kleines, aber künstlerisch beachtliches Œuvre von Schabkunst­ blättern nach Werken alter Meister, wie Rembrandt und Francesco Solimena, sowie nach Vorlagen zeitgenössischer Künstler, wie Heinrich Füger. Sein frühzeitiger Tod verhinderte offenbar einen größeren Bekanntheitsgrad, was dazu führte, dass Nagler mehrere Blätter seiner Hand in der Kurzbiographie des Vaters Jacob Traunfellner erwähnte.

Precious little is known about the short life of the Viennese mezzotintist, Gottfried Traunfellner. He was the son of the respected landscape painter and academic drawing master, Jacob Traunfellner (1743–1800, Vienna). Gottfried studied at the Vienna Academy and received awards in the disciplines of drawing and mezzotint. From 1795 he created a small but artistically noteworthy oeuvre of mezzotints after works by Old Masters such as Rembrandt and Francesco Solimena as well as after models by contemporary artists like Heinrich Füger. His premature death clearly prevented him from achieving greater fame. Nagler, for instance, mentioned some of his works in the short biography of his father Jacob Traunfellner.

Il Goloso gibt eine Komposition des damals berühmten, aus Niemtschitz in Mähren stammenden Genre- und Tiermalers Martin Ferdinand Quadal (1736–1808) wieder. Quadal wurde während seines Studiums in Paris von keinem Geringeren als dem Prinzen von Lothringen und François Boucher protegiert und war in der Folgezeit in ganz Europa tätig. Seine rasant verlaufende künstlerische Laufbahn führte ihn unter anderem nach London, Dublin, Rom und Neapel, Wien, Hamburg und schließlich St. Petersburg, wo er ab 1804 der Akademie angehörte und wenige Jahre später verstarb. Traunfellners Reproduktionsstich verzaubert durch seine technische Brillanz und seine subtile Lichtführung. Ein junger Mann rupft beim Schein einer Kerze eine Henne. Seine Kleidung weist ihn als einen Küchengehilfen aus. Treffsicher und psychologisch eindringlich hat der Künstler den Ausdruck des etwas grobschlächtigen, grinsenden Gesichtes eingefangen, der leicht geöffnete Mund suggeriert Vorfreude auf die bevorstehende Leckerei und animalische Gefräßigkeit. Die souveräne technische Behandlung erzeugt ein Höchstmaß an Stofflichkeit und eine ungemein suggestive Helldunkel-Wirkung. Prachtvoller, nuancierter und gegensatzreicher Druck mit Rand. Minimale Altersspuren, sonst vorzüglich erhalten. Aus der Sammlung F. Baumgartner, Wien (Lugt 223). Von großer Seltenheit.

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Il Goloso is a reproduction of a composition by the genre and animal painter, Martin Ferdinand Quadal (1736–1808), who hailed from Niemtschitz in Moravia and was famous at the time. As a student in Paris, Quadal was patronised by none other than the Prince of Lorraine and François Boucher and was sub­sequently active throughout Europe. His meteoric career took him inter alia to London, Dublin, Rome, Naples, Vienna, Hamburg and St. Petersburg, where he was a member of the Academy from 1804 and died a few years later. The appeal of Traunfellner’s reproductive engraving stems from its technical brilliance and subtle use of light. A young man is plucking a hen by the light of a candle. His clothing reveals him to be a kitchen help. The artist shows great precision and psycholo­ gical depth in capturing the expression on the young man’s somewhat uncouth, grinning face; the slightly open mouth suggests anticipation of the delicacy soon to be devoured and an animal-like voraciousness. The masterly technical rendering generates a maximum of materiality and a highly evocative chiaroscuro effect. A superb, nuanced and contrasting impression with margins. Minor ageing, otherwise in perfect condition. From the collection of F. Baumgartner, Vienna (Lugt 223). Of great rarity.


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30. dominique vivant-denon

dominique vivant-denon

(1747 Givry – 1825 Paris)

(1747 Givry – 1825 Paris)

Bildnis des Abbé Zani, wie er einen Kupferstich von Maso Finiguerra entdeckt. Radierung und Roulette mit Weiß­ höhung auf blauem Papier. 18,6 x 13,7 cm. Bartsch 19, Le Blanc 83 (avant la lettre), The Illustrated Bartsch, vol. 121 (Supplement) .191, IFF 341, Catalogue Domi­ nique Vivant-Denon, Paris 1999, Nr. 66 I (von II).

Portrait of Abbé Zani, discovering an engraving by Maso Finiguerra. Etching and roulette, heightened with white, on blue paper. 18.6 x 13.7 cm. Bartsch 19, Le Blanc 83 (avant la lettre), The Illustrated Bartsch, vol. 121 (Supplement) .191, IFF 341, Catalogue Domi­ nique Vivant-Denon, Paris 1999, No. 66 I (of II).

Wie die Inschrift des Blattes im endgültigen Zustand erläutert, zeigt das vorliegende Bildnis des Abbé Zani, den Geistlichen in jenem Moment, in dem er im Pariser Kupferstichkabinett einen Druck des Maso Finiguerra entdeckt. Der Entdeckung Zanis wurde damals große Bedeutung beigemessen, und sie lässt sich zurückführen auf den Bericht Vasaris, dass der Floren­ tinische Goldschmied, Zeichner und Niellokünstler Maso Finiguerra (1426–1464) das Kupferdruckverfahren erfunden habe. Vasari zufolge erzeugte er die ersten Abzüge durch das Abwalzen seiner Niello-Entwürfe auf Papier, bevor er die silberne Platte mit der schwarzen Niello-Masse auffüllte (G. Vasari, Le Vite, zweite Ausgabe, Florenz 1568, Band 1, dritter Teil, S, 294–295).

As explained in the inscription on the print in its final state, the portrait shows Abbé Zani at the moment he discovers an early engraving by Maso Finiguerra in the Cabinet des estampes in Paris. The considerable significance attached to Zani’s discovery is attributable to remarks made by Vasari in his biography of Marcantonio Raimondi to the effect that the Florentine gold­ smith, draughtsman and niello artist, Maso Finiguerra (1426– 1464), was the inventor of copperplate engraving. According to Vasari, he produced the first impressions by rolling his niello designs on paper before filling them with a black niello compound (G. Vasari, Le Vite, second edition, Florence 1568, vol. 1, part three, pp. 294–295).

1759 identifizierte der italienische Gelehrte und Connaisseur, Abate Gori ein Niello mit einer „Krönung Mariens“ (heute im Pallazzo del Bargello, jedoch ursprünglich für das Baptisterium San Giovanni in Florenz bestimmt) als ein Werk von Maso Finiguerra (A. Gori, Thesaurus veterum dip­tychorum consularium et ecclesias ticorum..., Florenz 1759, Band 3, S. 315). Etwa vier­ zig Jahre später, im November 1797, entdeckte der Abbé Zani schließlich im Cabinet des estampes der Bibliothèque nationale einen Abzug auf Papier jenen Niellos, das Gori Maso Fini­ guerra zugewiesen hatte. Zanis Entdeckung wurde damals als Beweis für die Richtigkeit der Äußerung Vasaris gedeutet, dass Finiguerra tatsächlich der Erfinder der Kupferstichtechnik gewesen sei, eine Theorie, die sich aus heutiger Sicht als unrichtig erwiesen hat. Im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts wurden Niellos zu einem ebenso seltenen wie gesuchten Samm­lerobjekt, was gleichzeitig zur Entstehung einer Reihe von raffiniert gemachten Fälschungen führte. Prachtvoller, gegensatzreicher und scharfer Druck mit schmalem Rändchen an drei Seiten, unten knapp innerhalb der Plattenkante geschnitten. Die Weißhöhung etwas vergilbt, minimale Altersspuren, sonst vorzüglich erhalten. Aus der Sammlung François Heugel (Lugt 3373).

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In 1759, Abbé Gori discovered a niello with a Coronation of Mary (currently in the Palazzo del Bargello, although it was originally intended for the San Giovanni Baptistery in Florence) which he deemed to be the work of Maso Finiguerra (A. Gori, Thesaurus veterum diptychorum consularium et ecclesias ticorum..., Florence 1759, vol. 3, p. 315). Some forty years later, in November 1797, Abbé Zani finally discovered in the Cabinet des estampes of the Bibliothèque nationale an impression on paper of the niello which Abbé Gori had attributed to Maso Finiguerra. Zani’s discovery has since been interpreted as a vindication of Vasari’s early assumption that Finiguerra was indeed the inventor of copperplate engraving, a theory which nowadays is no longer sustained. Be that as it may, Vivant-Denon’s etching is undoubtedly a testimony to the tremendous significance these assumptions had at the time. A very fine impression with thread margins on three sides, trimmed just within the platemark below. From the collection of François Heugel (Lugt 3373).


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31. johann ignaz zimbal (1722 Wagstadt – 1795 Wien)

Die Verlobung der hl. Katharina mit dem Christuskind. Radierung. 17 x 11,8 cm. Circa 1745–50. Nicht bei Heller-Andresen und Nagler; Wilhelm Soldan, „Die Radierungen von Johann Ignatz Zimbal“, in: Galerie Bassenge Berlin, Auktionskatalog 56, 1990, Teil II, S. 53, 4; L. Slavícek, „Johann Cimbal as etcher“, in: Ex Fumo Lucem. Baroque Studies in Honour of Klára Garas, Budapest 1999, S. 106, 2. Der Maler und Radierer Johann Ignaz Zimbal gehört zu einer Gruppe österreichischer Künstler des Spätbarocks, deren Bio­ graphien in den vergangenen Jahrzehnten dank intensiver For-­ schung allmählich schärfere Konturen angenommen haben und deren Schaffen somit eine neue Wertschätzung erfahren hat. Die bekanntesten Künstler dieser Epoche, wie Paul Troger, Franz Anton Maulbertsch und Michelangelo Unterberger waren die Ersten, die eine eingehende kunsthistorische Wür­digung erfuh­ ren. Andere Meister ihrer Generation hingegen, unter ihnen Zimbal, harren noch der umfassenden Erkundung ihres Œuvres. Zimbal, Sohn eines Zimmermanns, begann seine künstlerische Ausbildung an der Wiener Akademie im Jahre 1742 und studierte an dieser Lehranstalt bis 1745, als das Institut seine Lehr­ tätigkeit für mehrere Jahre einstellen musste. In der Folgezeit blieb Zimbal der Akademie verbunden und beteiligte sich Anfang der 1750er Jahre an mehreren akademischen MalerWettbewerben. Symptomatisch für viele Künstler seiner Generation ist die Tatsache, dass über Zimbals zeichnerisches und druckgraphisches Werk bisher weitaus weniger bekannt ist, als über seine Malerei. Wie Slavícek ausführt, schuf die Existenz einer eigenständigen Zeichnungs- und Kupferstich­akade­mie in Wien, zu der Künstler wie Troger und Maulbertsch enge Beziehungen unterhielten, in den 1750er Jahren die wesent­lichen Voraussetzungen für ein künstlerisches Klima, in dem akademische Maler sich an die Druckgraphik her­antasten konnten. Künstler wie Franz Karl Palko, Franz Sigrist und Zimbal ent­ deckten die Radierung als bevorzugtes künstlerisches Medium,

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da sie weniger technische Erfahrung erfordert als der Kupferstich und eine freiere, malerische Ausdrucksweise erlaubt. Als Schöpfungen nicht-professioneller Kupferstecher, die sich mehr für die expressiven Möglichkeiten des Mediums als für handwerkliche Vollendung interessierten, verzaubern die Blätter dieser Meister durch ihre Spontaneität und Frische. Entsprechend kurz ist der Weg von der ursprünglichen künstlerischen Idee bis zu ihrer endgültigen Umsetzung. Das druckgraphische Œuvre jener Künstler ist dementsprechend sehr klein. Oft handelt es sich um private Exkurse auf dem Gebiet der Graphik, um Fingerübungen, die dem persönlichen Vergnügen des Künstlers dienten. Genauso verhält es sich mit dem erlesenen druckgraphischen Schaffen Zimbals, von dem wir heute lediglich fünf Radierungen kennen, die alle von extremer Seltenheit sind. Wilhelm Soldan gebührt das Verdienst, im Jahre 1990 das bis dahin bekannte Œuvre von drei Blatt um zwei weitere Radierungen erweitert zu haben. Unser Blatt ist in einer virtuos freien und spontanen Radiertechnik behandelt, die dem lebendigen Duktus einer Federskizze nahekommt. Mit unzähligen raschen Kratzern der Radiernadel hat der Künstler dem Fond eine subtile atmosphärische Differenzierung verliehen. Die thronende Madonna dominiert den Bildausschnitt majestätisch, während die Heilige Katharina demütig vor dem anmutigen Jesusknaben kniet, der ihr mit einer zärtlichen Geste den Verlobungsring reicht. Die Darstellung atmet größte Spiritualität und überzeugt durch ihre höchst originelle Ikonographie und eine anscheinend mühelose Beherrschung des Mediums. Von der vorliegenden Radierung waren bisher lediglich zwei Exemplare bekannt: Ein Abzug in der Graphischen Sammlung Albertina, Wien, sowie das Exemplar der Sammlung Wilhelm Soldan, Berlin (siehe Slavícek, op. cit., S. 106, Anm. 28). Prachtvoller, gegensatzreicher Druck mit gleichmäßigem Rand um die gratige Plattenkante. Leichte Altersspuren, sonst vorzüglich erhalten. Aus der Sammlung E. H. (nicht bei Lugt).


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31. johann ignaz zimbal

(1722 Wagstadt – 1795 Vienna)

The Mystic Marriage of Saint Catherine and the Christ Child. Etching. 17.0 x 11.8 cm. Circa 1745–50. Not in Heller-Andresen or Nagler; Wilhelm Soldan, “Die Radierungen von Johann Ignatz Zimbal” in: Galerie Bassenge, Berlin, Auction Catalogue 56, 1990, Part II, p. 53, 4; L. Slavícek, “Johann Cimbal as Etcher”, in Ex Fumo Lucem. Baroque Studies in Honour of Klára Garas, Budapest, 1999, pp. 106, 2. The painter and etcher Johann Ignaz Zimbal belonged to a group of Austrian artists of the Late Baroque whose biographies have, thanks to intensive research, gradually assumed clearer contours in recent decades and whose work has con­ sequently undergone reassessment. The best known artists of this period, such as Paul Troger, Franz Anton Maulbertsch and Michelangelo Unterberger, were among the first to be assigned their rightful place in the history of art, while other masters of their generation, including Zimbal, still await a comprehensive appreciation of their oeuvre. Zimbal, the son of a carpenter, began his artistic training at the Vienna Academy in 1742 and studied there until 1745, when it was forced to cease its teaching activities for several years. In the subsequent period Zimbal continued his association with the Academy and, in the early 1750s, took part in several academic painting competitions it organized. It is symptomatic of many artists of his generation that far less is known about Zimbal’s drawn and printed oeuvre than about his painting. As Slavícek points out, in the Vienna of the 1750s the existence of an independent Drawing and Engraving Academy (Zeichnungsund Kupferstichakademie), with which artists like Troger and Maulbertsch maintained close relations, created the necessary artistic climate in which academic painters could venture into the realm of printmaking. Artists such as Franz Karl Palko, Franz Sigrist and Johann Zimbal found that etching was their

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preferred artistic medium, as it requires less technical experience than engraving and permits a freer, more painterly mode of expression. As the creations of non-professional en­gravers, who were more interested in the expressive potential of the medium than in perfect craftsmanship, the works of these masters owe their appeal to their spontaneity and freshness. As the time lapse between the original artistic idea and its final realization is correspondingly short and the output of those artists is often very limited. They often amount to private excursions into the field of printmaking, finger exercises undertaken for the artist’s personal pleasure. This is precisely the case with Zimbal’s exquisite printed work, of which only five etchings are known to have survived to the present day, all of them extremely rare. Two of these five were only discovered in 1990 – the credit for the find belongs to Wilhelm Soldan. Our print is treated in a virtuoso performance of free and spon­ taneous etching that resembles the speedy informality of a pen-and-ink sketch. Innumerable rapid scratches of the needle give the background a distinctive, atmospheric character. The majestically enthroned Madonna dominates the scene, while Saint Catherine kneels humbly before the gentle baby Jesus, who slips the engagement ring on her finger with a gesture of affection. The scene radiates great spirituality and is all the more compelling for the highly original iconography and the artist’s apparently effortless mastery of the medium. Apart from the present impression only two other impressions of the present etching are known to exist: one is kept in the Albertina in Vienna and the other in the collection of Wilhelm Soldan, Berlin (cf. Slavícek, op. cit., p. 106, note 28). A superb, contrasting impression with even margins around the inky platemark. Minor ageing, otherwise in impeccable condition. From the E. H. Collection (not in Lugt)


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19. und 20. Jahrhundert

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32. leopold brunner der ältere

leopold brunner the elder

(1788 Wien – 1866 Vorderbrühl)

(1788 Vienna – 1866 Vorderbrühl)

Stilleben mit Pfingstrosen und einem toten Distelfink (Carduelis carduelis). Aquarell und Deckfarben. 25 x 36 cm. Um 1830–40.

Still Life with Peonies and a Dead Goldfinch (Carduelis carduelis). Watercolour and gouache. 25 x 36 cm. Circa 1830–40.

Leopold Brunner der Ältere studierte an der Wiener Akademie bei dem Blumen- und Früchtemaler Johann Baptist Drechsler und spezialisierte sich auch selbst erfolgreich auf dieses Genre. Er brachte es bald zu großem Renommee und fertigte 1815 im Auftrag des österreichischen Kronprinzen Ferdinand Aquarelle mit naturhistorischen Darstellungen an. 1835 wurde Brunner zum Hofmaler ernannt. In der Folgezeit schuf er für Kaiser Ferdinand ein sehr umfangreiches zeichnerisches Œuvre, vor­ wiegend Aquarelle naturwissenschaftlichen Inhalts. Brunner widmete sich gleichzeitig auch freien künstlerischen Arbeiten, hielt sich zu diesem Zweck 1830 in Russland und in Warschau auf und belieferte einen vornehmen Kundenkreis mit seinen beliebten Blumenstücken.

Leopold Brunner the Elder studied at the Vienna Academy under Johann Baptist Drechsler, a painter of flowers and fruits, a genre in which he himself was later to specialise with success. He achieved a considerable reputation in this field and in 1815 was commissioned by the Austrian Crown Prince Ferdinand to produce watercolours with subjects referring to natural his­­tory. In 1835, Brunner was appointed court painter. He sub­ sequently produced a very extensive drawn oeuvre for Emperor Ferdinand, mostly watercolours of scientific content. At the same time Brunner devoted himself to free artistic works and to this end stayed in 1830 in Russia and Warsaw, where he pro­ vided a distinguished circle of customers with his popular flower paintings.

Unser Stilleben ist in einer andächtigen und versierten Aquarelltechnik ausgeführt und besticht durch seine effektvolle und dekorative mise-en-page. Die üppigen Blüten sind saftig und stofflich überzeugend dargestellt und arabeskenhaft über das Blatt verteilt. Mit delikaten Weißhöhungen, die mit einem spitzen Pinsel aufgetragen sind, hat Brunner das Gefieder des erstarrten bunten Singvogels sehr wirklichkeitstreu charakte­ri­ siert. Der Vanitas-Gedanke tritt jedoch in den Hintergrund, stattdessen ist der Künstler vorrangig um eine betont dekorativästhetische Wirkung bemüht.

The present still life, executed in a reverent and versatile water­ colour technique, is distinguished by its effective and decorative mise-en-page. The opulent blooms, whose lushness and texture are convincingly depicted, are distributed like arabesques across the sheet. Brunner uses delicate white heightening applied with a pointed brush to faithfully render the feathers of the rigid colourful songbird. The Vanitas notion recedes into the background, however. Instead the artist is at pains to achieve a deliberately decorative and aesthetic effect.

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33. moritz michael daffinger

moritz michael daffinger

(1790–1849, Wien)

(1790–1849, Vienna)

Wilhelm Tell, seinen Schild hochhebend. Schwarze Feder und Aquarell. 24 x 15,5 cm. Um 1810.

William Tell Holding his Shield Aloft. Pen and black ink and watercolour. 24 x 15.5 cm. Circa 1810

Moritz Michael Daffinger wurde in jungem Alter als Porzellan­ maler ausgebildet und besuchte ab 1802 die Wiener Akademie, wo er bei dem Historien- und Porträtmaler Hubert Maurer lernte. Nach seiner Studienzeit begann er eine äußerst fruchtbare und erfolgreiche Tätigkeit als Porzellan- und Miniaturmaler, für seine populären Elfenbeinbildnisse wurden für die damalige Zeit ansehnliche Honorare bezahlt.

As a young man Moritz Michael Daffinger trained as a porcelain painter, enrolling in 1802 at the Academy in Vienna, where he studied under Hubert Maurer, a painter of portraits and historical scenes. Having completed his studies, he began a prolific and highly successful career as a porcelain painter and miniaturist, whose popular ivory portraits fetched substantial prices.

Daffinger war ein versierter und begabter Zeichner. Seine Skiz­ zenbücher aus der Zeit um 1808, in denen er Szenen aus Schil­ ler’schen und Shakespeare’schen Dramen mit romantischer Vorstellungskraft schildert, zeugen von seiner großen illustratorischen Begabung. So auch dieses frühe, wohl um 1810 entstandene Blatt, das in seiner treffsicheren, virtuosen Linienführung und heroischen Figurenauffassung an den Zeichenstil von Zeitgenossen wie Peter von Cornelius erinnert. Die kraftvolle Pose des jugendlichen Wilhelm Tell strahlt wilde Entschlos­ senheit und Unverzagtheit aus. Mit weit geöffneten Augen, die lockigen Haare von einem Windstoß aufgewühlt, schaut er einen imaginären Gegner an. Die Kolorierung mit zarten, fein abgestuften Aquarellfarben zeugt von piktoralem Feinsinn, ein filigranes Ornament in hauchdünner Goldhöhung schmückt die rechte Schulter des Schiller’schen Helden.

Daffinger was a talented and versatile draughtsman. His sketch­ books from the period around 1808, in which he used his roman­ tic powers of imagination to depict scenes from dramas by Schiller and Shakespeare, testify to his considerable illustrative talents. The same is true of this work from about 1810 in which the expert, accurate linework and the handling of the heroic figure are reminiscent of the drawing style of contem­ poraries such as Peter von Cornelius. The truculent posture of the young William Tell radiates fierce determination and dauntlessness. His eyes wide open and his wavy hair stirred by a gust of wind, he is staring at an imaginary opponent. The colouring with delicate, finely differentiated watercolours reveal a pictorial sensitivity; a filigree ornament with a gossamer gold embellishment decorates the right shoulder of Schiller’s hero.

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34. louis philibert debucourt

louis philibert debucourt

(1755–1832, Paris)

(1755–1832, Paris)

L’Hiver (Der Winter). Farbige Aquatintaradierung. 33,3 x 51,5 cm. Eigenhändig signiert und datiert in Blei­stift: „P. L. Debucourt 1807“. Fenaille 204 I (von III).

L’Hiver (Winter). Coloured aquatint etching. 33.3 x 51.5 cm. Signed and dated in pencil in the artist’s own hand: “P. L. Debucourt 1807”. Fenaille 204 I (of III).

Louis Philippe Debucourt gehört gemeinsam mit Jean-François Janinet (1752–1814) zu den bedeutendsten Farbstechern des 18. Jahrhunderts in Frankreich. Ab 1785 experimentierte er intensiv mit neuen druckgraphischen Techniken und erkannte die Bedeutung der Farbe als ein bis dahin eher vernachlässigtes künstlerisches Ausdrucksmittel für dieses Medium. Im Unterschied zu Janinet arbeitete Debucourt in seiner Glanzzeit ausschließlich nach Vorlagen eigener Erfindung. Seine besten und innovativsten Werke entstanden in der Periode des ancien régime, als der Künstler eine Reihe von Sittenbildern und Genre­ darstellungen des galanten Lebens der Pariser Gesellschaft schuf, die durch ihre technische Meisterschaft und Treffsicherheit der Beobachtung verblüffen.

Together with Jean-François Janinet (1752–1814) Louis Philippe Debucourt was one of the principal colour engravers in 18th century France. From 1785 he experimented extensively with new printmaking techniques, recognizing the importance of colour as a means of artistic expression in printmaking, an aspect which had previously been largely ignored. In contrast to Janinet, Debucourt in his heyday only made prints after his own designs. His best and most innovative works date to the period of the ancien régime, when he produced a series of genre pictures of the fashionable life of Paris society that are remarkable for their technical mastery and sharp observation.

Nach 1800 wandte sich der Künstler wohl aus ökonomischen Gründen von der mühevollen Technik des Farbdrucks von mehreren Platten ab und bevorzugte einfachere Druckverfahren, bei denen die Farben mittels einer à la poupée eingefärbten Platte aufgetragen wurden. Debucourt bediente sich auch jetzt verstärkt Vorlagen befreundeter Künstler wie Boilly, Prud’hon und Carle Vernet. Die Werke der Schaffenszeit nach 1800 wer­den in der älteren Literatur gemeinhin etwas abschätzig beurteilt, und es ist unverkennbar, dass viele von Debucourts Blättern aus dieser Periode nicht mehr an die Brillanz der frühen Farbstiche anknüpfen konnten. Dennoch zeigt der vor­ liegende seltene Probedruck einen versierten Zeichner mit feinem Beobachtungssinn und einem ausgeprägten Talent für die Wiedergabe von Licht und Atmosphäre. Die stimmungsvolle winterliche Landschaft ist panoramisch breit angelegt und man fühlt nahezu die klirrende sibirische Kälte. Die Äste der Bäume sind vor Kälte erstarrt und bilden dekorative graphische Muster vor dem grauen Winterhimmel. Mit beacht­ lichem Können hat Debucourt den krossen Schnee und das schlammige Terrain fast haptisch wahrnehmbar charakterisiert. Eine hübsche junge Frau mit einem kleinen Mädchen auf dem Arm eilt mit raschen Schritten durch den Schneematsch und verliert dabei ein elegantes Schühchen, das keineswegs für win­ terliche Verhältnisse gedacht ist. Ihr Ehemann, ein dandyhaft gekleideter Kavalier mit Zylinder, Spazierstock und eleganten englischen Stiefeln, steht teilnahmslos dar und blickt angestrengt durch sein Fernrohr auf das Aushängeschild einer nahegelegenen Herberge, die Schutz vor der frostigen Kälte und Erquickung bieten wird. Prachtvoller, nuancierter Probedruck, vor der Schrift. Leichte Altersspuren, geringfügig fleckig, sonst sehr gut erhalten.

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After 1800 Debucourt decided, probably for economic reasons, to dispense with the laborious technique of colour printing from several plates. He opted instead for simpler methods in which the colours were applied by means of a plate inked à la poupée. Thereafter the artist increasingly used designs by befriended artists such as Boilly, Prud’hon and Carle Vernet. The works he created after 1800 are generally treated somewhat disparagingly in the older literature and, indeed, there can be no denying that many of Debucourt’s prints from this period lack the brilliance of his early multi-plate colour prints. Nonetheless, the present rare trial proof shows an experienced draughtsman at work with a keen sense of observation and a pronounced talent for the reproduction of light and atmosphere. The evocative winter landscape has panoramic breadth and the bitter Siberian cold is all but tangible. The branches on the trees are frozen stiff and form decorative patterns against the grey winter sky. Debucourt shows considerable skill in his depiction of the crisp snow and the muddy ground, the texture of which can almost be felt. A pretty young woman with a little girl on her arm takes quick little steps through the slush and, as she does so, loses one of her elegant little shoes that are hardly appropriate for such harsh winter weather... Her husband, a gentleman dressed like a dandy with a top hat, walking stick and stylish English boots, shows no apparent interest in her, staring hard through his telescope at the sign of a nearby inn that offers the prospect of refreshment and protection from the freezing cold. A superb trial proof of great clarity, before letters. Minor signs of ageing, slightly foxed, otherwise in excellent condition.


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35. christoffer wilhelm eckersberg

christoffer wilhelm eckersberg

(1783 Blåkrog – 1853 Kopenhagen)

(1783 Blåkrog – 1853 Copenhagen)

Aktstudie einer knienden männlichen Figur. Bleistift auf Velin. 23,1 x 16,9 cm. Unten rechts datiert „Jan: 1827“.

Study of a Kneeling Male Nude. Pencil on wove paper. 23.1 x 16.9 cm. Dated “Jan: 1827” at the bottom right.

Christoffer Eckersberg trat, nachdem er 1809 die Goldmedaille der Kopenhagener Akademie gewonnen hatte, eine große Aus­ landsreise an, die ihn 1810 schließlich nach Paris führte. Sein Studium bei Jacques-Louis David prägte seine künstlerische Laufbahn maßgeblich. Im Atelier von David lernte Eckersberg, was für seine künstlerische Entwicklung notwendig war, nämlich das Betreiben eines konsequenten Naturstudiums, bei dem das Zeichnen nach dem lebendigen Modell von großer Bedeutung war. Eckersberg kehrte auch später immer wieder zum Aktzeichnen zurück, sei es nach 1817 in seiner Eigenschaft als Professor für die Modellklasse an der Kopenhagener Akademie, oder in seinen eigenen Werken, unter denen die Gemälde mit weiblichen Modellen zu den herausragendsten seines Schaffens zählen.

Having won the gold medal at the Copenhagen Academy in 1809, Christoffer Eckersberg departed for a lengthy tour abroad, which ultimately took him to Paris in 1810. The instruction he received there from Jacques-Louis David had a major influence on his artistic career. In David’s studio Eckersberg discovered what he needed to develop as an artist, i.e. a consistent study of nature in which great importance was attached to drawing after the living model. Eckersberg later returned to nude studies time and again both as a professor for the model class at the Copenhagen Academy, a position to which he was appointed in 1817, and in his own works, among which paintings with female models are considered among the most outstanding in his entire oeuvre.

Die vorliegende andächtig und konzentriert gezeichnete Studie dürfte während des akademischen Unterrichts entstanden sein. Trotz der Anspruchlosigkeit des Sujets strahlt das Blatt eine gewisse Grandeur aus und zeugt von souveränem zeich­ nerischen Können. Die Weichheit und Schmelz des Striches erinnern an Aktstudien seines französischen Altersgenossen Prud’hon. Provenienz: Mit der Inventarnummer „78“ Eckersberg Nachlassversteigerung (Nr. III, 3. Januar 1855) in der rechten unteren Ecke.

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The present study, drawn with great reverence and concentration, was probably the outcome of lessons at the Academy. The unpretentiousness of the subject matter notwithstanding, the work has a certain grandeur and illustrates the artist’s consummate skill as a draughtsman. The softness and lustre of the pencil strokes recall the nude studies of his French contemporary, Prud’hon. Provenance: With the inventory number “78” Eckersberg estate auction (no. III, 3 January 1855) in the bottom right-hand corner.


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36. thomas ender

thomas ender

Blick auf die Burgruine Rauheneck bei Wien. Aquarell. 15 x 22 cm. Signiert: „ThoEnder“. Um 1825–30.

View of the Castle Ruins at Rauheneck near Vienna. Watercolour. 15 x 22 cm. Signed: “ThoEnder”. Circa 1825–30.

Der Landschaftsmaler und Radierer Thomas Ender wurde an der Wiener Akademie ausgebildet. 1810 prämiert, orientierte er sich in seiner Landschaftsauffassung an die großen Vorgänger Claude Lorrain und Jacob van Ruisdael, betrieb jedoch gleichzeitig ein intensives Naturstudium, das er auf Wanderungen durch die österreichischen Alpen zielstrebig pflegte. Als Künstler war Ender eine umtriebige Persönlichkeit. Durch Erzherzog Johann und den Fürsten Metternich protegiert, beteiligte er sich im Frühjahr 1817 an einer österreichischen Expedition nach Brasilien. 1819 ging er mit Metternich nach Rom und ver­weilte vier Jahre in Italien. In der Folgezeit führten ihn weitere Reisen nach Frankreich, Südrussland und in den Orient.

Thomas Ender, an etcher and landscape painter, was trained at the Vienna Academy, where he received an award for his landscape drawings in 1810. His approach to landscape was modelled on that of such illustrious predecessors as Claude Lorrain and Jacob van Ruisdael, but he also engaged in extensive studies of nature, which he doggedly pursued during his walking tours through the Austrian Alps. An enterprising and industrious artist, Ender enjoyed the protection of Archduke Johann and Prince Metternich. Having taken part in an Austrian expedition to Brazil in the spring of 1817, he travelled with Metternich to Rome in 1819 and spent four years in Italy. Other journeys later took him to France, Southern Russia and the Orient.

Enders Landschaftskunst ist von schlichter Wirklichkeitstreue, technischer Virtuosität und einer sensiblen Erfassung von Lichtwirkungen gekennzeichnet. Die vorliegende delikate und bildmässig komponierte Landschaft entstammt der Frühzeit des Künstlers. Kennzeichnend für diese Schaffensphase ist das verfeinerte, helle und reich modulierte Kolorit. Der romantische Stimmungsgehalt verbindet sich auf glückliche Weise mit einer subtilen Wiedergabe der parkähnlichen Landschaft und des milden Sonnenlichtes. Im Vordergrund hat der Künstler sinnfällig einen Gottesacker mit Gräbern und einzelnen Grabkreuzen dargestellt und greift damit diskret, geradezu beiläufig die Vergänglichkeitsthematik auf. Im Blick des Betrachters erscheint etwas aus der Bildmitte gerückt ein Grabdenkmal mit der Statue einer an eine Urne lehnenden Frau in Rückenansicht. Die Wiese und das schon herbstlich verfärbte Laub sind in lichter, zarter Tonigkeit wiedergegeben; winzige blaue Farbtupfer von einzelnen Feldblumen geben dem Kolorit eine frische Note. Trotz der feinteiligen, detaillierten Malweise konzentriert sich der Künstler vorrangig auf die Wiedergabe des gedämpften Herbstlichtes. Am Horizont thront über pittoresken Felsen die Silhouette der Burgruine Rauheneck und auch hier scheint die topografische Genauigkeit der malerische Erfassung von Licht und Atmosphäre untergeordnet. Auf diese Weise erhält das duftige, kleinformatige Blatt den Rang eines souveränen Kunstwerkes.

Ender’s landscapes are distinguished by their faithfulness to reality, technical prowess and sensitivity in capturing light effects. This exquisite, pictorially composed landscape dates to the artist’s early period, a characteristic feature of which is the light, refined and richly modulated colouring. The romantic mood of the setting is wonderfully enhanced by the delicate rendering of the park-like landscape and the mild, radiant sunlight. The graveyard with graves and a few crosses in the foreground enable the artist to introduce the theme of transience in a discreet, almost incidental manner. Slightly off-centre from the beholder’s vantage point stands a monument comprising the statue of a woman seen from behind leaning against a pedestal with an urn. The grass and the fallen leaves of autumn are depicted in light, gentle tones; tiny spots of blue highlighting the occasional wild flowers bring a touch of freshness to the colouring. While the artist is meticulous in the depiction of intricate details, he concentrates for the most part on reproducing the subdued autumnal light. The picturesque rocks on the horizon are topped by the silhouette of the castle ruins at Rauheneck. Here again, topographical precision appears secondary to capturing the light and atmosphere in paint. This small yet light and airy watercolour thus has all the attributes of a sovereign work of art.

(1793–1875, Wien)

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(1793–1875, Vienna)


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37. johann jacob frey

johann jacob frey

Studie eines Baumstammes. Aquarell. 27,8 x 20,7 cm. Monogrammiert, bezeichnet und datiert: „J. J. F. Albano 1843“.

Study of a Tree Trunk. Watercolour. 27.8 x 20.7 cm. Monogrammed, inscribed and dated: "J. J. F. Albano 1843".

Eindrucksvoll und suggestiv hebt sich der verwitterte Baumstumpf vor dem weißen Fond ab. In einer flüssigen und bemerkenswert treffsicheren Aquarelltechnik hat der Künstler die koloristischen Valeurs der Baumrinde subtil und abwechslungsreich wiedergegeben. Das Terrain ist mit wenigen Pinselstrichen summarisch angedeutet. Das schöne und wunderbar farbfrisch erhaltene Studienblatt stammt wahrscheinlich aus einem Skizzenbuch; links unten ist eine Nummer 2 in Bleistift erkennbar.

The weathered tree trunk stands out starkly from the white background. Using a fluent and astonishingly accurate watercolour technique, the artist succeeds in conveying the colour­ istic values of the bark with great subtlety and variation. The terrain is summarily indicated with a few strokes of the brush. The number 2 in pencil is discernible in the bottom left-hand corner, signifying that this fine and perfectly preserved study sheet was probably taken from a sketchbook.

Der Autor, der Schweizer Landschaftsmaler Johann Jakob Frey, begab sich nach dem Kunststudium in Basel nach Paris, wo er sich anfangs seinen Lebensunterhalt durch das Kopieren niederländischer Meister des 17. Jahrhunderts verdiente. Dank der Unterstützung einer Münchener Mäzenin gelang Frey 1835 die Reise nach Rom. Nach Intermezzi in Neapel, Sizilien, Spanien und Ägypten, ließ sich der Künstler im Sommer 1843 endgültig in Rom nieder. Frey heirate eine Römerin, war Gründungsmitglied des dortigen Deutschen Künstlervereins und entwickelte eine fruchtbare Tätigkeit als Landschaftsmaler. Sein Atelier war ein beliebter Treffpunkt der in Rom leben­ den ausländischen Künstlerschaft und wurde auch von hochrangigen, aristokratischen Gästen besucht, unter ihnen König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. In dessen Auftrag malte Frey eine Folge von italienischen Landschaften für das Marmorpalais in Potsdam.

The author, Johann Jakob Frey, a landscape painter from Switzerland, studied art in Basle and then went to Paris, where he initially earned a living by copying 17th century Dutch masters. The support of a patron from Munich enabled Frey to travel to Rome in 1835. Following interludes in Naples, Sicily, Spain and Egypt the artist finally settled in Rome in the summer of 1843. There he married a Roman woman, became a founding member of the local Deutscher Künstlerverein and developed into a productive landscape painter. His studio was a popular meeting place for the foreign artists living in Rome and was visited by high-ranking aristocratic guests, including King Friedrich Wilhelm IV of Prussia, who commissioned a series of Italian landscapes from Frey for the Marble Palace in Potsdam.

(1813 Basel – 1865 Frascati)

(1813 Basel – 1865 Frascati)

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38. josef theodor hansen

josef theodor hansen

(1848 Randers – 1912 Kopenhagen)

(1848 Randers – 1912 Copenhagen)

Ansicht eines antiken Peristyls in Pompeji. Öl auf Leinwand, auf Malpappe aufgezogen. 46,3 x 37,8 cm. Verso bez. „Heiberg“ sowie auf einem Klebeetikett „Heiberg Classensgade 13 [...]“. Um 1885.

View of an Ancient Peristyle in Pompeii. Oil on canvas, mounted on cardboard. 46.3 x 37.8 cm. “Heiberg” inscribed on the verso and “Heiberg Classensgade 13 [...]” on an adhesive label.

Die Ausgrabungsstätten in Pompeji entwickelten sich ab Mitte des 18. Jahrhunderts zu einem veritablen Pilgerort für Künstler und Architekten gleichermaßen. Die Künstler der Grand Tour verweilten häufig längere Zeit in der im Jahre 79 n. Chr. infolge eines Ausbruchs des Vesuvs verschütteten Stadt. Auch der dänische Maler Josef Theodor Hansen unternahm zwischen 1882 und 1883 eine längere Reise durch Italien und Griechenland. Der Aufenthalt in Pompeji wird durch verschiedene Öl­­skizzen und später detailliert ausgeführte Gemälde bestätigt. Die sehr wirklichkeitsgetreue Erfassung des antiken Peristyls, welche die Oberflächen der verwitterten Säulen und des Mauerwerks fast photographisch genau wiedergibt, und die starke Betonung der Perspektive sind stilistische Merkmale, die für die Autorschaft Hansens sprechen.

From the middle of the 18th century Pompeii and its archaeological excavation sites became a place of pilgrimage for artists and architects alike. Artists on the Grand Tour frequently spent lengthy periods in the city, which was buried under ashes after Mount Vesuvius erupted in 79 A.D. Josef Theodor Hansen, a painter from Denmark, travelled extensively through Italy and Greece in 1882/83. Various oil sketches and paintings, exe­cuted in detail at a later date, confirm that Pompeii formed part of his itinerary. The highly realistic rendering of an ancient peristyle, in which the surfaces of the weathered columns and masonry are reproduced with almost photographic precision, and the strong emphasis on perspective are stylistic charac­ teristics which point to Josef Theodor Hansen as the author of the present work.

Der Maler und Illustrator Josef Theodor Hansen stammt aus einer Schneiderfamilie im dänischen Ost-Jütland. Er wurde zuerst von einem Onkel zum Malermeister ausgebildet. Nach seiner Lehre ging er nach Kopenhagen, wo er als Dekorationsmaler in einer Terrakottamanufaktur tätig war und gleichzeitig an der Königlichen Akademie studierte. Nach Abschluss seines Studiums unternahm Hansen zahlreiche Reisen durch ganz Europa, die ihn neben Griechenland und Italien auch nach Spanien und Frankreich führten. 1881/82 studierte Hansen, wie viele dänische Künstler seiner Epoche, in der ange­ sehenen privaten Akademie des französischen Malers Léon Bonnat in Paris. In der Folgezeit erntete Hansen mit seinen technisch virtuosen Archtitekturgemälden ein beachtliches Renommee auf den Ausstellungen der Kopenhagener Akademie in Charlottenborg. Als der Künstler 1912 verstarb, wurde er unter großer öffentlicher Anteilnahme in der Kopenhagener Garnisonskirche beigesetzt.

Hansen, a painter and illustrator, came from a family of tailors who lived in East Jutland. Initially trained as a master painter by his uncle, he subsequently underwent an apprenticeship before moving to Copenhagen, where he combined work as a decoration painter in a terracotta manufactory with studies at the Royal Danish Academy. After completing the latter, Hansen went on numerous trips throughout Europe, during which he visited Greece, Italy, Spain and France. Like many other Danish artists of his time, Hansen decided to study at the pre­ sti­gious private academy run by the French painter, Léon Bonnat, in Paris, which he attended in 1881/82. His technically brilliant architectural paintings subsequently earned him considerable renown at the Copenhagen Academy exhibitions in Charlottenborg. When Hansen died in 1912, people flocked to attend the funeral ceremony at the Garrison Church in Copenhagen where he was buried.

Die vorliegende Ölstudie dürfte laut des rückseitig vorhandenen Etiketts aus dem Besitz des Philologen und Mathematik­ histori­kers Johan Ludvig Heiberg (1854–1928) stammen, der ein bedeutender Sammler dänischer Malerei war.

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The label on the verso would indicate that the present oil study belonged to Johan Ludvig Heiberg (1854–1928), a philologist and mathematical historian who was also a prominent collector of Danish paintings.


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39. ferdinand joseph bernard marinus (1808 Antwerpen – 1890 Namur)

ferdinand joseph bernard marinus

Italienisches Skizzenbuch. 9 Federzeichnungen über Bleistift, 16 Bleistiftzeichnungen, teilweise laviert, sowie einzelne umrisshaft angelegte Skizzen. 11,7 x 15,6 cm (Blattgr.). Signiert und datiert auf dem Deckblatt: „FJBMarinus Roma 1829“.

Italian Sketchbook. Nine pen-and-ink drawings over graphite, 16 pencil drawings, partly with wash, and a few outline sketches. 11.7 x 15.6 cm (sheet size). Signed and dated on the cover sheet: “FJBMarinus Roma 1829”.

Das Skizzenbuch ist ein aufschlussreiches und künstlerisch ansprechendes Zeugnis der Italienreise des belgischen Genreund Landschaftsmalers Ferdinand Marinus, der sich zwischen 1829 und 1830 in Rom aufhielt. Die akkurat ausgeführten Zeichnungen dokumentieren, dass der junge Künstler ausgedehnte Erkundungsreisen in der römischen Campagna unternahm und keine der damals beliebten Reiseziele ausließ. Die annotierten Skizzen und Zeichnungen erwähnen u.a. die Ortschaften Ariccia, Civitella, Olevano, Rocca di Papa und Monte Cavo. Offenbar wurde Marinus auf seinen Wanderungen von Künstlerkollegen begleitet. Eine Federskizze, die am 14. Mai 1829 in Monte Cavo entstand, erwähnt die Namen gleichaltriger deutscher Kunstbrüder, wie Friedrich Preller d. Ä. (1804–1878), Bernhard Neher (1806–1888) und Peter Wilhelm App (1803–1855), die sich zur selben Zeit in Rom aufhielten. Die Stadt war in den 1820er Jahren ein stark frequentiertes Reiseziel ausländischer Künstler. Corot hielt sich von 1825 bis 1828 hier auf, Carl Blechen im Jahr 1829.

The sketchbook is an instructive and artistically pleasing testi­ mony to the Italian journey undertaken by the Belgian genre and landscape painter, Ferdinand Marinus, who stayed in Rome from 1829 to 1830. The meticulously executed drawings show that the young artist went on extended exploratory trips to the Roman Campagna and left out none of the destinations popular at the time. The annotated sketches and drawings mention, among other places, Ariccia, Civitella, Olevano, Rocca di Papa and Monte Cavo. Marinus was obviously accompanied on his journeys by fellow-artists. A pen-and-ink sketch, made on 14 May 1829 in Monte Cavo, mentions the names of German artists of about the same age, such as Friedrich Preller the Elder (1804–1878), Bernhard Neher (1806–1888) and Peter Wil­ helm App (1803–1855), who were in Rome at the same time. The city was much frequented by foreign artists in the 1820s. Jean-Baptiste-Camille Corot was here from 1825 to 1828 and Carl Blechen in 1829.

Viele der Zeichnungen in unserem Skizzenbuch bestechen durch ihre konzentrierte, bildmäßige Ausführung. In einer verfeinerten Bleistifttechnik hat der Künstler ein Gebirgsmassiv bei Olevano wiedergegeben, die subtile Lavierung vermittelt einen überzeugenden Eindruck der Mittagshitze und hüllt die Berggipfel am Horizont in einen Dunstschleier. Künstlerisch ebenso treffsicher charakterisiert ist eine Panorama-Ansicht der Stadt Rom mit Blick auf die Aurelianische Mauer und die Pyramide des Caius Cestius. Die dunkel aufragenden Sabiner Berge bilden einen majestätischen und eindrucksvollen räumlichen Hintergrund. Eine Aussicht aus dem Fenster mit Blick auf das Quirinal, welche die Inschrift Via Porta Pinciana No. 8 trägt, legt nahe, dass Ferdinand Marinus – wie viele seiner ausländischen Künstlerkollegen – in dieser Straße wohnhaft war, die in dem belebten Künstlerviertel um die Piazza di Spagna gelegen war. Nach der Rückkehr in seine Heimat gründete Marinus 1835 die Akademie von Namur und leitete diese Kunstanstalt bis 1883.

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(1808 Antwerp – 1890 Namur)

Many of the drawings in our sketchbook derive their appeal from the concentrated, pictorial manner of their execution. The artist has rendered a massif near Olevano using a sophisticated pencil technique; the subtle wash convincingly conveys the midday heat and surrounds the mountain peaks with a veil of haze. Presented with equal artistic finesse is a panoramic view of the city of Rome that includes the Aurelian Wall and the Pyramid of Caius Cestius. The steep dark Sabine Hills form a majestic and impressive backdrop. A view from the window with a view of the Quirinal, which bears the inscription Via Porta Pinciana No. 8, indicates that Ferdinand Marinus – like many of his fellow artists from abroad – lived in this street in the lively artists’ quarter around the Piazza di Spagna. After returning home Marinus founded the Namur Academy in 1835, which he ran until 1883.


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40. friedrich overbeck

friedrich overbeck

Männliche Figur im Mantel, nach links gewandt. Bleistiftzeichnung auf elfenbeinfarbenem Velin. 29,7 x 22,6 cm. Um 1811.

Male Figure Wrapped in a Cloak, Facing Left. Pencil on ivory-coloured wove paper. 29.7 x 22.6 cm. Circa 1811.

Die bewundernswert konzentriert und subtil gezeichnete Studie eines Mannes in einem langen Mantel strahlt eine Andächtigkeit und eine statuarische Monumentalität aus, welche die Zeichnung über den Status einer bloßen Gewandstudie erhebt. Overbeck betrachtete das Zeichnen von Gewand- und Akt­ studien als einen fundamentalen Bestandteil der künstlerischen Ausbildung und betrieb diese Tätigkeit mit großer Ernsthaftig­ keit. Nach ihrer Ankunft in Rom hatten sich die Lukasbrüder in das säkularisierte Kloster San Isidoro zurückgezogen, wo sie von September 1810 bis September 1812 in selbstgewählter Abgeschiedenheit eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft bildeten. In dieser Zeit sind Overbecks zahlreiche Gewandstudien entstanden, die von jener vom Lukasbund gepflegten Praxis des Modellzeichnens Zeugnis ablegen: Besonders in der Anfangszeit standen sich die jungen Künstler wechselseitig Modell oder zeichneten römische Jünglinge, da sie akademische Berufs­ modelle ablehnten. Overbeck verzichtet in diesen Studien auf jede Form von Effekthascherei oder Bravour bei der Stoffwieder­ gabe und bekennt sich zu einem radikalen zeichnerischen Purismus, der von einer strengen Linearität gekennzeichnet ist. Mit einem spitzen Bleistift sind auf unserem Blattt die Umrisse des schweren Mantels treffsicher angedeutet; die feinen Unterschiede in der Strichdichte verleihen der Studie eine große Lebendigkeit und bewahren sie vor allzu angestrengter Erstarrung. Mit ähnlichem Feinsinn hat Overbeck die Stofflichkeit und die Faltenwürfe des schweren Stoffes durch ein feines linea­ res Gerüst von Kreuz- und Parallelschraffuren hervorgehoben. Auch hier ist die Strichdichte unendlich variiert, die Schraffurtechnik verrät das Vorbild altdeutscher Meister, insbesondere Dürers, den Overbeck während seiner Wiener Akademiezeit eingehend studiert hatte.

This admirably focussed and subtly drawn study of a young man in a long cloak radiates a reverence and statuesque monumentality that raises the drawing well above the level of a mere drapery study. Overbeck considered the drawing of garments and nudes to be a fundamental element of artistic training and undertook such activities with great earnestness. After their arrival in Rome the Brotherhood of St. Luke retreated to the secularised monastery of San Isidoro, where they formed a living and working community in voluntary seclusion from September 1810 to September 1812. Numerous drapery studies executed by Overbeck during this period have been handed down. They testify to the practice of model drawings pursued by the Brotherhood of St. Luke. In the early days, in particular, the young artists would take turns in posing as models for garment figures or else drew Roman youths, since they rejected the use of academic professional models. In these studies Overbeck dispenses with any form of showiness or stylishness in his rendering of the material, professing to draughtsmanship of a radically purist nature that is characterised by a strict linearity. On our sheet the artist has used a sharp pencil to accurately indicate the outlines of the heavy cloak; the subtle differences in the strength of the lines give the study a great sense of vitality and preserve it from excessive rigidity. Overbeck demonstrates equal finesse in his use of a fine linear network of cross and parallel hatchings to bring out the materiality and folds of the heavy material. Here again there is infinite variety in the thickness of the lines; the hatching technique betrays the example set by the old German Masters, especially Dürer, whose work Overbeck had studied in great detail during his time at the Vienna Academy.

(1789 Lübeck – 1869 Rom)

Wilhelm Schadow lobte Jahrzehnte später aus zeitlicher Distanz die „Innigkeit und Feinheit“ der Modellstudien Overbecks und hob die künstlerische Integrität hervor, die ihnen zugrunde liegt. Selbstkritisch äußerte sich Overbeck in einer Tagebuch­ aufzeichnung vom 11. Dezember 1811: „Beim Modellzeichnen ... ernte ich übermäßiges Lob ein; – sei auf deiner Hut, Fritz ! daß du dadurch nicht gegen dich selbst verblendet wirst, und zeichne stets mit der größesten Aufmerksamkeit und Anstrengung nach der Natur als die dich lehren soll in allen Stücken. Such’ von jedem Ding recht den Charakter aufzufassen, und gieb ihn dann treu und liebevoll wieder“ (zitiert nach Von Caspar David Freidrich bis Adolph Menzel. Aquarelle und Zeichnungen der Romantik, hrsg. von G. Riemann, K. A. Schröder, München 1990, S. 121).

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(1789 Lübeck – 1869 Rome)

Decades later, Wilhelm Schadow praised the “intimacy and fineness” of Overbeck’s model studies, stressing their intrinsic artistic integrity. In self-critical manner Overbeck confided to his diary on 11 December 1811: “When drawing models ... I earn undue praise; – be on your guard, Fritz! Make sure that such praise does not blind you to your true abilities. Always draw with the utmost attention and effort after nature, as she teaches you in every respect. Try to capture the essence of every thing and then render it in a faithful and loving manner.” (quoted from Von Caspar David Friedrich bis Adolph Menzel. Aquarelle und Zeichnungen der Romantik, published by G. Riemann, K. A. Schröder, Munich 1990, p. 121).


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41. pelagio palagi

pelagio palagi

Die Erziehung des Bacchus. Schwarze Kreide mit Goldhöhung auf beigefarbenem Papier. 17,4 x 23 cm. Um 1830.

The Education of Bacchus. Black chalk with gold embellishment on beige-coloured paper. 17.4 x 23.0 cm. Circa 1830.

Der Maler, Bildhauer, Zeichner und Dekorationsmaler Pelagio Palagi wurde an der Accademie Clementina in Bologna ausgebildet. Sein Frühwerk zeigt Anregungen durch den Klassizismus des Andrea Appiani und Luigi Sabatelli. 1806 setzte Palagi sein Studium an der Accademia di San Luca in Rom fort, wo er vom Schaffen Vincenzo Camuccinis und Antonio Canovas wesentlich beeinflusst wurde. Von 1815 bis 1832 lebte und arbeitete der Künstler in Mailand, damals ein wichtiges und fortschrittliches künstlerisches Zentrum und die Wiege der italienischen Romantik. Wie seinem Schüler Francesco Hayez gelang es auch Palagi, in seinem Schaffen die klassische Tradition mit der neuen romantischen Richtung erfolgreich zu verbinden. Den Höhepunkt seiner künstlerischen Laufbahn erlebte Palagi in der Folgezeit in der königlichen Residenzstadt Turin. Mehrere erhaltene öffentliche Denkmäler zeugen von seiner dor­tigen Tätigkeit. Kein Geringerer als Stendhal schätzte den Künst­ ler sehr und erwähnte ihn mehr­mals in seinem Hauptwerk Die Kartause von Parma.

The painter, sculptor, draughtsman and decoration painter, Pelagio Palagi, trained at the Accademia Clementina in Bologna. His early work reveals influences of the classicism of Andrea Appiani and Luigi Sabatelli. In 1806 Palagi continued his studies at the Accademia di San Luca in Rome, where he was greatly inspired by the work of Vincenzo Camuccini and Antonio Canova. From 1815 to 1832 the artist lived and worked in Milan, then an important and progressive artistic centre and the cradle of Italian Romanticism. Like his pupil, Francesco Hayez, Palagi successfully combined in his work both the classical tradition and the new Romantic trend. Palagi subsequently reached the pinnacle of his artistic career in the royal residence of Turin. Many surviving public monuments testify to his acti­ vities there. No less a figure than Stendhal held the artist in great esteem, mentioning him more than once in his major work The Charterhouse of Parma.

(1775 Bologna – 1860 Turin)

Das Sujet unserer Zeichnung ist nicht eindeutig geklärt. Ein thematisch und kompositorisch verwandtes Blatt wurde 1996 in Mailand versteigert (Finarte, Dipinti del XIX secolo, 18. Dezember 1996, Nr. 143). Ein vorn auf dem Boden liegender Pfeil­ köcher weist den neckischen Knaben auf jener Fassung als Amor aus. Auf unserer Zeichnung fehlt dieses Attribut und es ist daher anzunehmen, dass Palagi den jungen Bacchus dargestellt hat, den Sohn von Jupiter und Semele, der nach dem Tode seiner Mutter von Nymphen großgezogen wurde. Mythologische Themen dieser Art mit ihrer unterschwelligen erotischen Komponente waren ganz nach dem Geschmack Palagis. Er war ein sehr begabter Zeichner und die ausführliche Würdigung in Nagler’s Künstler-Lexikon zeigt, welches Renommee Palagi zu Lebzeiten genoss. Georg Kaspar Nagler lobte „seine große Geschicklichkeit“ in der „Darstellung des Nackten“ und unser Blatt legt ein beredtes Zeugnis von Palagis zeich­ nerischen Fähigkeiten ab. Die drei Nymphen sind in einem flüssigen und anscheinend mühelosen zeichnerischen Duktus behan­delt, der ein gediegenes Studium der menschlichen Figur verrät. Die fein differenzierte Anwendung der Kreide verleiht ihren Körpern Anmut und sinnlichen Schmelz, und es scheint dem Wonneknaben Bacchus sichtlich gut zu gehen in der Gesell­ schaft dieser sanften, lieblichen Wesen. Ein weiches Licht model­liert die Rundungen der weiblichen Körper, mit breiten, treffsicheren Strichen hat der Künstler die Vegetation und das Terrain summarisch, jedoch mit Sinn für atmosphärische Wirkung angedeutet.

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(1775 Bologna – 1860 Turin)

The subject of our drawing has not been unequivocally clarified. A drawing on a related theme and with a similar composition was auctioned in Milan in 1996 (Finarte, Dipinti del XIX secolo, 18 December 1996, No. 143). A quiver lying on the ground re­veals the playful boy in this version to be Amor. That attri­bute is missing in our drawing, however, and it can be assumed that Palagi has depicted the young Bacchus, son of Jupiter and Semele, who was brought up by nymphs after the death of his mother. Mythological subjects of this kind with an element of subliminal eroticism were very much to Palagi’s taste. He was a highly gifted draughtsman and the extensive tribute in Nagler’s KünstlerLexikon underlines the standing Palagi enjoyed in his lifetime. Georg Kaspar Nagler praised “his great dexterity” in the “depiction of the young nude”, and our sheet testifies admirably to Palagi’s skills as a draughtsman. The three nymphs are rendered in a fluent and apparently effortless drawing style that betrays a detailed study of the human body. The finely differentiated use of the chalk gives their bodies grace and a sensuous lustre, and the chubby Bacchus appears visibly at ease in the company of these charming, gentle creatures. A soft light models the curves of the female bodies; using broad, confident strokes the artist has outlined the vegetation and terrain in summary fashion yet with a feeling for atmospheric effect.


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42. pierre paul prud’hon

pierre paul prud’hon

(1758 Cluny – 1823 Paris)

(1758 Cluny – 1823 Paris)

Une lecture (Die Lektüre). Lithographie auf elfenbeinfarbenem Velin. 14,7 x 18,4 cm. (1822). Béraldi 2.

Une Lecture (Reading). Lithograph on ivory-coloured wove paper. 14.7 x 18.4 cm. (1822). Béraldi 2.

Die um 1822 entstandene, eigenhändige Lithographie zeigt die Eleganz und Anmut von Prud’hons Stil. Dargestellt ist eine junge Frau, die in einem prunkvollen Sessel sitzt und ein offenes Buch auf ihrem Schoß hält. Ihr Kopf ist nach rechts gewandt und neigt sich neckisch einer weißen Taube zu. Die lithographische Kreide schafft weiche Übergänge und einen Schmelz der Oberflächenbehandlung, die einer Zeichnung sehr ähnlich ist.

This lithograph made by Prud’hon around 1822 illustrates the great charm and elegance of the artist’s style. A young woman is sat in a magnificent chair with a book open on her lap. Her head, which is turned to the right, is inclined playfully towards a white dove. The lithographic chalk creates soft transitions and a surface lustre very similar to that of a drawing.

Bei dem vorliegenden Abzug handelt es sich um einen seltenen Probeabzug, vor aller Schrift, der auf der Rückseite einer Litho­ graphie von Nicolas Henri Jacob (1782–1871, Paris) gedruckt wurde. Es handelt sich um das Schauspielerbildnis „Cartigny dans le role de Bernadille ...“ (I.F.F. 25), das etwa zeitgleich entstand und von dem Pariser Verleger C. Motte herausgegeben wurde. Prud’hons Lithographie wurde posthum, etliche Jahre später in der Gazette des Beaux-Arts veröfentlicht und mit einer gedruckten Inschrift versehen. Ausgezeichneter, gegensatzreicher Druck mit breitem Rand. Leichte Altersspuren, verso im oberen Rand mit Montierungsresten, sonst gut erhalten.

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The present impression is a very rare trial proof before letters, printed on the verso of a lithograph by Nicolas Henri Jacob (1782–1871, Paris) with the portrait of an actor entitled “Cartigny dans le role de Bernadille ...” (I.F.F. 25), which arose at about the same time and was issued by C. Motte, a Paris publisher. Prud’hon’s lithograph was published several years after his death in the Gazette des Beaux-Arts and given a printed inscription. A superb, contrasting impression with broad margins. Minor ageing, traces of the previous mounting in the upper margin on the verso, otherwise in very good condition.


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43. carl heinrich rahl (1779 Hoffenheim – 1843 Wien)

Der Blinde Belisar vor den Toren Roms; Hiob trauernd mit seinen Freunden. 2 Radierungen. 52,5 x 70 cm bzw. 53,8 x 73 cm. 1806–1808. Nagler 20, 23 II. Die beiden als Pendants konzipierten Radierungen geben Kom­ positionen des Historienmalers Eberhard Wächters wieder, der von 1785 bis 1793 in Paris bei Jean François Pierre Peyron und Jean-Baptiste Regnault studiert hatte und durch sie in den David-Kreis eingeführt wurde. Nach Aufenthalten in Stuttgart und Rom, ließ Wächter sich 1798 für mehrere Jahre in Wien nieder und wurde hier zu einer Leitfigur für künftige Naza­rener Künstler wie Friedrich Overbeck und Franz Pforr, die in seiner Kunst erneuernde Tendenzen entdeckten. Wächters Malerei war von formaler Strenge und einem linea­ren Puris­mus gekennzeichnet, der in seiner Zeit von vielen jungen Künstlern als richtungsweisend und revolutionär betrachtet wurde. Die beiden radierten Nachbildungen von Carl Heinrich Rahl gehören zu den Hauptblättern seines druckgraphischen Œuvres. Rahl hatte sich als Zeichner und Graphiker auto­ didaktisch gebildet und war 1799 nach Wien gekommen, um

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hier seine künstlerisch Fähigkeiten zu vertiefen. In den Anfangs­ jahren sicherte er sich mit Gelegenheitsarbeiten seinen Lebens­ unterhalt, der Kontakt mit Wächter hatte jedoch einen befruchtenden Einfluss auf seine Kunst. Rahl machte sich bald einen Namen als Reproduktionsstecher und seine ersten Arbeiten nach Wächter wurden bereits von Nagler als seine gelungensten künstlerischen Leistungen hervorgehoben. Kennzeichnend sind eine erzählerische Konzentration und eine kühne Reduktion der Form, die auf genrehaftes, anekdoti­ sches Beiwerk verzichtet; die Gestalten strahlen eine statuarische Monumentalität und Ruhe aus, die auch auf den heutigen Betrachter ausserordentlich suggestiv und modern wirkt. Rahl hat den künstlerischen Purismus Wächters kongenial in das druckgraphische Medium übersetzt und bedient sich dazu einer feinteiligen, differenzierten Radiertechnik, die niemals kleinlich, dafür sehr plastisch und souverän wirkt. Ausgezeichnete, scharfe und nuancierte Drucke mit feinem Rändchen um die Plattenkante. Minimale Altersspuren, sonst vorzüglich erhalten.


carl heinrich rahl (1779 Hoffenheim – 1843 Vienna)

Blind Belisarius outside the Gates of Rome; Job Grieving with his Friends. Two etchings. 52.5 x 70.0 cm. and 53.8 x 73.0 cm respectively. 1806–1808. Nagler 20, 23 II. These two etchings, designed as companion pieces, reproduce compositions by the history painter Eberhard Wächter, who studied from 1785 to 1793 in Paris under Jean François Pierre Peyron and Jean-Baptiste Regnault and was introduced by them into David’s circle. Following stays in Stuttgart and Rome, Wächter settled in 1798 in Vienna. He spent a number of years there, during which he became a leading figure for future Naza­ rene artists such as Friedrich Overbeck und Franz Pforr, who detected elements of a renewal in his art. Wächter’s paintings had a formal austerity and linear purism that were regarded by many young artists as forward-looking and revolutionary. The two reproductive etchings by Carl Heinrich Rahl are among the outstanding works in his printed oeuvre. Rahl, who had taught himself to draw and make prints, went to Vienna in 1799 to hone his artistic skills. In the early years he earned a living by doing odd jobs; his contact with

Wächter exerted a positive influence on his art. Rahl soon made a name for himself as a reproductive engraver and his first works after Wächter were deemed by Nagler to be his most successful artistic achievements. Typical features of his engravings are their narrative concentra­ tion and a boldly reduced form, which dispenses with any genrelike, anecdotal embellishments; the figures convey a statuesque monumentality and tranquillity that appear astonishingly modern and evocative to contemporary observers. Rahl has ingeniously transferred Wächter’s artistic purism to the print medium. He uses an intricate, differentiated etching technique that never appears trivial, but always three-dimensional and masterly. Very fine, sharp and nuanced impressions with thread margins around the platemark. Minor ageing, otherwise in excellent condition.

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44. gustav reinhold

gustav reinhold

Ein Mönch betrachtet einen Zug von Rittern zu Pferde, die zum Kreuzzug aufbrechen. Aquarell. 19 x 13 cm. Signiert und datiert: „Gustav Reinhold 1835“.

A Monk Watching a Procession of Knights on Horseback Setting Out for the Crusade. Watercolour. 19 x 13 cm. Signed and dated: “Gustav Reinhold 1835”.

Der aus Gera in Thüringen stammende Maler Gustav Reinhold bildete mit seinen älteren und bekannteren Brüdern Fried­ rich Philipp (1779–1840) und Heinrich (1788–1825) ein künstlerisches Dreigespann. Zunächst als Handwerker ausgebildet, zog er 1820 nach Wien, wo er sich unter der Ägide seines Bruders Friedrich der Malerei zuwandte und von 1824 bis 1827 die dortige Akademie besuchte. Wie sein Bruder, der in Wien dem Kreis um Overbeck, Sutter, Wintergerst und Ferdinand Olivier angehört und sich den künstlerischen Idealen der Nazarener verschrieben hatte, war auch Gustavs Malerei tief vom Geist der Romantik geprägt. Er ließ sich 1835 dauerhaft in Berch­ tesgaden nieder, wohl fasziniert von dem sublimen Naturpano­ rama dieser Gegend, und bereiste gemeinsam mit seinem Kollegen Friedrich Gauermann zwischen 1836 und 1843 das Salzkammergut, Tirol und Oberitalien. Es verwundert daher nicht, dass der jüngste Reinholdbruder vor allem auf dem Gebiet der Landschafsmalerei tätig gewesen ist.

Gustav Reinhold, a painter who hailed from Gera in Thuringia, formed an artistic trio together with his older and better known brothers, Friedrich Philipp (1779–1840) and Heinrich (1788– 1825). Having initially trained as a craftsman, he moved in 1820 to Vienna, where under the auspices of his brother Friedrich he devoted himself to painting and attended the Academy from 1824 to 1827. Like his brother, who belonged to the group around Overbeck, Sutter, Wintergerst and Ferdinand Olivier and subscribed to the artistic ideals of the Nazarenes, Gustav’s painting was deeply imbued with the spirit of Romanticism. In 1835 he settled permanently in Berchtesgaden. Fascinated by the sublime natural panorama of the region, he undertook journeys with his fellow-painter Friedrich Gauermann through the Salzkammergut, Tyrol and Northern Italy between 1836 and 1843. It comes as no surprise, therefore, that the youngest of the Reinhold brothers should have worked primarily as a landscape artist.

Hier sehen wir den Künstler jedoch als Autor einer intimen, religiös gefärbten Genreschilderung. Die miniaturistisch fein gearbeitete Szene vermittelt ein anschauliches Bild von der romantischen Geisteshaltung Gustavs und ist darüberhinaus auch ein beredtes Zeugnis für die verklärende Sehnsucht der deutschen Romantik nach der Epoche des Mittelalters, die als ein goldenes Zeitalter aufrichtiger Religiösität gedeutet wurde. Ein alter bärtiger Mönch in schwarzer Kutte betrachtet vom Fenster seines Studiergemachs aus einen Zug von Kreuzrittern, die zu einem am Horizont gelegenen Hafen aufbrechen; zwei Segelschiffe liegen zur Ausfahrt bereit. Die Strenge des kargen, gotischen Klosterraums bildet einen szenisch effektvollen Kontrast mit der südlichen, sonnendurchfluteten Landschaft. Detailreich hat der Künstler die Risse im Mauerwerk und am Boden sowie die gotischen Dekorationselemente charakterisiert, und einzelne Attribute wie einen Hocker, den Arbeitstisch und die darauf liegenden Folianten suggestiv geschildert. Das warme Karminrot des Tischtuches und die sonoren Schwarztöne der Kutte und des Hockers gehen eine subtile Farbharmo­ nie mit den fein abgestuften Grau- und Brauntönen des Mauer­ werks ein. Während das Klostergemach Stille und Devotion ausstrahlt, stellt die dem Betrachter abgewandte Gestalt des Mönches die Verbindung zur Außenwelt her, wo junge Kämpfer unerschrocken zur Verteidigung des Christentums ausreiten.

In the present instance, however, he is the author of an intimate genre scene with religious overtones. Its painstaking miniaturist treatment conveys a vivid impression of Gustav’s Romantic attitude and provides an eloquent testimony of German Roman­ ticism’s idealized longing for the Middle Ages, a period regarded as a golden era of religious sincerity. From the window of his study room an old, bearded monk in a black habit watches a procession of crusaders on horseback setting out for a port on the horizon where two sailing ships are ready to depart. The austerity of the sparse Gothic monastic cell provides an effective scenic contrast with the sunny southern landscape. The artist has rendered the cracks in the masonry and floor as well as the Gothic ornamental elements with meticulous attention to detail, depicting individual attributes such as the stool, the desk and the folios lying on it in an evocative manner. The warm crimson of the tablecloth and the sonorous black hues of the habit and stool combine to form a subtle colour harmony with the finely graduated grey and brown tones of the masonry. While the monastic cell radiates silence and devotion, the figure of the monk, whose gaze is turned away from the beholder, provides a link with the outside world in which young warriors are fearlessly riding off to defend Christianity.

(1798 Gera – 1849 Königssee b. Berchtesgaden)

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(1798 Gera – 1849 Königssee near Berchtesgaden)


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45. ludwig schnell

ludwig schnell

Ein Segelschiff bei untergehender Sonne. Kupferstich auf chamoisfarbenem Velin. 30,6 x 24,6 cm. 1818. Unbeschrieben.

A Sailing Ship at Sunset. Engraving on buff wove paper. 30.6 x 24.6 cm. 1818. Unrecorded.

Ein Segelschiff segelt auf dem reglosen Meer der untergehenden Sonne entgegen. Malerische Gebirgsketten säumen die einsame Bucht. Schnell’s zutiefst romantisch geprägte Schil­ derung einer heroischen Natur und das Leitmotiv einer metaphysischen Sehnsucht nach der Ferne sind ohne das Beispiel Caspar David Friedrichs nicht denkbar. Wasser, Landschaft und Himmel sind in einer delikaten, filigranen und minutiösen Kupferstichtechnik behandelt, die eine bezaubernde atmosphärische Wirkung erzeugt.

A sailing ship sails on a motionless sea towards the setting sun. Scenic mountain ranges line the lonely bay. Schnell’s highly romantic depiction of heroic nature and his leitmotif of a metaphysical longing for faraway places would be inconceivable without the example set by Caspar David Friedrich. The water, scenery and sky are rendered in a delicate, exquisite, meticulous engraving technique which produces a delightful atmospheric effect.

(um 1790 Darmstadt – 1834 Karlsruhe)

Der Autor des Blattes, der hessische Maler und Kupferstecher Ludwig Schnell, war Schüler und Schwiegersohn des Karls­ ruher Hofkupferstechers Christian Haldenwang. Er stach vor­wiegend Veduten und entwarf Gelegenheitsgraphik. Bei diesem sehr suggestiven Blatt handelt es sich um einen Probedruck vor der Schrift. Der Kupferstich ist in der beschreibenden Literatur nicht verzeichnet und von großer Seltenheit. Ausgezeichneter, nuancierter Druck mit dem vollen Rand. Geringfügig faltig, stockfleckig, minimale Erhaltungsmängel, der Gesamteindruck jedoch sehr schön.

(circa 1790 Darmstadt – 1834 Karlsruhe)

The author of the work, Ludwig Schnell, a painter and engraver from Hesse, was the pupil and son-in-law of Christian Haldenwang, engraver to the court at Karlsruhe. He engraved mostly vedute and designed printed ephemera. This highly evocative piece is a trial proof before all letters. The engraving is unrecorded in the descriptive literature and of the utmost rarity. A very fine, delicate and nuanced impression with the full mar­ gins. Minor foxing, some unobtrusive creases, otherwise in very good condition.

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46. emanuel steiner

emanuel steiner

Eine südliche Landschaft mit einer Hirschjagd. Feder in Schwarzbraun. 31,5 x 41,8 cm. Um 1805–10.

A Southern Landscape with a Stag Hunt. Pen and blackish-brown ink. 31.5 x 41.8 cm. Circa 1805–10.

Die eindrucksvolle und in einer vollendeten Federtechnik aus­ geführte Landschaftsdarstellung ist ein charakteristisches Werk des Winterthurer Malers und Radierers Emanuel Steiner. Dieser war ein Schüler von Johann Rudolf Schellenberg, der in den letzten drei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts in Basel und Winterthur eine äußerst produktive Tätigkeit als Radierer und Illustrator entfaltet hatte. Zwischen 1796 und 1798 bil­ dete sich Steiner in Dresden bei Anton Graff, der ebenfalls aus Winter­thur stammte, und Adrian Zingg künstlerisch weiter und verblieb anschließend von 1801 bis 1803 in Rom. In diesem Zeitraum schuf Steiner zahlreiche gezeichnete Naturstudien, die ihm nach seiner Rückkehr in die Schweiz als Vorlagen für bildmäßig komponierte Landschaftszeichnungen dienten. Diese sorgfältig und minutiös ausgeführten Blätter sind zwischen 1805 und 1810 entstanden, in einer Schaffensphase, in der Steiner gleichzeitig die Kunst des Radierens erlernte.

This imposing landscape, rendered in a masterful pen technique, is a characteristic work from the oeuvre of Emanuel Steiner, a painter and etcher from Winterthur. Steiner was a student of Johann Rudolf Schellenberg, a prolific etcher and illustrator in Basel and Winterthur during the latter part of the eighteenth century. From 1796 to 1798 Steiner continued his artistic train­ ing under Anton Graff in Dresden and subsequently spent two years in Rome from 1801 to 1803. During this period Steiner drew numerous nature studies which he used as models for pic­torial landscape drawings after his return to Switzerland. These works, executed with meticulous care and attention to detail, date to between 1805 and 1810, a creative phase in which Steiner also mastered the art of etching.

(1778–1831, Winterthur)

Unsere pastorale Landschaft zeigt ein dichtes Liniengeflecht von großer graphischer Delikatesse. Steiner ist ein Meister in der Kunst des Schraffierens und verfügt über ein schier unbegrenztes Repertoire graphischer Abbreviaturen. Kompakte, dunkle Parallelschraffuren wechseln sich mit helleren, transparent behandelten Partien ab, wodurch eine überzeugende und anmutige atmosphärische Wirkung erzielt wird. Mit dieser äußerst feinteiligen und differenzierten Zeichentechnik beabsichtigt der Künstler bewusst den Eindruck einer gezeichneten „Radierung“. In stilistischer Hinsicht erinnern Steiners Zeichnungen an die frühen Radierungen Johann Christian Reinharts, und es ist daher kein Zufall, daß seine Blätter in der Vergangenheit häufig jenem Künstler zugeschrieben wurden. Die pittoreske waldige Landschaft, die von einem einzelnen Jäger mit seinen Hunden und einem flüchtenden Hirsch belebt wird, strahlt eine an Reinhart erinnernde Naturlyrik aus. Die Baumstämme und Felsen, das Terrain und die üppige, südliche Vegetation sind mit liebevoller Aufmerksamkeit geschildert und auch eine humorvolle Note fehlt nicht. Der dunkle, massige Felsbrocken im Vordergrund zeigt links und rechts Kopf und Hinterbeine eines Jagdhundes, der sich auf diese Weise in einen überlangen Dachshund verwandelt. Eine stilistisch sehr ähnliche Zeichnung befindet sich in der Sammlung Dräger/Stubbe in Lübeck (siehe Zum Sehen geboren / Handzeichnungen der Goethezeit und des 19. Jahrhunderts, hrsg. von B. Heise, Leipzig 2007, S. 332–333).

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(1778–1831, Winterthur)

This pastoral scene shows a dense mesh of lines applied with great graphic finesse. Steiner is a master in the art of hatching with an unlimited repertoire of graphical abbreviations. Dense, dark parallel hatching alternates with lighter, transparent areas, thus creating a convincing and charmingly atmospheric effect. The artist deliberately employs this extremely intricate and subtle drawing technique to conjure up the impression of a “drawn etching”. Stylistically, Steiner’s drawings are very close to the early prints of Johann Christian Reinhart and so it comes as no surprise that, in the past, Steiner’s sheets were often attributed to Reinhart. The picturesque wooded landscape, invigorated by a solitary hunter with his dogs and a fleeing stag, emanates a natural lyricism that is reminiscent of Reinhart. The tree trunks and rocks, the terrain and the lush, southern vegetation are depicted with loving attention to detail and contain a humorous element. The dark, massive boulder in the foreground has the head of a hunting dog at one end and its back legs at the other, thus making it appear to be a stretched dachshund. A stylistically very similar drawing is to be found in the Dräger/ Stubbe Collection in Lübeck (see Zum Sehen geboren / Hand­ zeichnungen der Goethezeit und des 19. Jahrhunderts, published by B. Heise, Leipzig 2007, pp. 332–333).


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47. wilhelm trübner (1851 Heidelberg – 1917 Karlsruhe)

Eine Waldwiese auf der Herreninsel bei verdecktem Himmel. Öl auf Leinwand. 44 x 55 cm. Signiert und datiert: „W. Trübner 1874“. Wilhelm Trübner zählte mit Wilhelm Leibl, Carl Schuch und Johannes Sperl in den 1870er Jahren zu den bedeutendsten Vertretern einer konsequenten und unorthodoxen Freilicht­ malerei, die im offenen Widerstreit mit dem akademischen Kunstbetrieb jener Zeit stand. Nach seinem Studium an der Karlsruher Akademie, wo Trübner insbesondere von seinem Lehrmeister, dem aus Wien stammenden Maler Hans Canon, geprägt wurde, ging er 1869 nach München und schrieb sich an der dortigen Akademie ein. Als entscheidend für seine künstlerische Weiterentwicklung erwies sich die Auseinandersetzung mit dem malerischen Schaffen Wilhelm Leibls und Gustave Courbets, dessen Werk er noch im gleichen Jahr auf der Kunstausstellung im Münchener Glaspalast kennenlernte. In der Folgezeit wurde Trübner zum Verfechter eines entschiedenen Naturalismus, einer Orientierung, die durch den Kontakt mit gleichgesinnten jungen Künstlerkollegen wie Albert Lang und Carl Schuch bestärkt wurde. Im Sommer 1871 lernte Trübner schließlich in Bernried Wilhelm Leibl kennen und schloss sich dessen Kreis an. Ihr Verhältnis blieb jedoch trotz gegenseitiger Anerkennung durch respektvolle Distanz gekennzeichnet.

Nach einer längeren Italienreise im Jahre 1872 in Begleitung seines Freundes Schuch und einer Reise nach Holland im Früh­ jahr 1873, verbrachte Trübner im Sommer des gleichen Jahres den ersten Aufenthalt auf der Herreninsel am bayerischen Chiemsee und arbeitete dort zielgerichtet nach der Natur. Die vorliegende Ölskizze steht in engem stilistischem Zusammenhang mit dem 1874 entstandenen Gemälde Klostergebäude auf der Herreninsel (Nationalgalerie, Berlin). Beide Werke dokumentieren Trübners Hinwendung zu einem schlichten, phrasen­ losen Pleinairismus und die Abkehr von jeder Art genrehafter Gefälligkeit. Es handelt sich um eine bodenständige, reine Malerei, die in seiner Zeit überaus provozierend gewirkt haben muss. Mit breiten, wuchtigen Pinselstrichen hat Trübner das herbstliche Laub abwechslungsreich, duftig und fast plastisch herausgearbeitet. Im Mittelgrund, kaum wahrnehmbar, stehen zwei Rehe am Ufer eines kleinen Sees. Bleischwer lastet der graue Wolkenhimmel auf der stillen und menschenverlassenen Natur und hüllt die Landschaft in ein kühles Licht. Die fein abgestuften Grün- und Brauntöne verleihen diesem anspruchslosen Waldwinkel eine bemerkenswerte Grandeur und zeugen von der Naturverbundenheit und der feinsinnigen künstlerischen Erfassungsgabe des jungen Malers. Lovis Corith urteilte später über Trübners Werke jener Zeit: „Er verzichtete auf alles, was dem Publikum, auch seinen Kollegen gefallen konnte. Seine Bilder zeichneten sich durch Tonschönheit und rein male­ri­sche Wirkung aus, auch ein ungeheurer Ernst sprach aus seinen Werken, was vorläufig den Beobachter zwang, sich ablehnend zu verhalten“.

W. Trübner. Klostergebäude auf der Herreninsel im Chiemsee. Öl auf Leinwand. 76 x 91 cm. 1874. Nationalgalerie Berlin

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47. wilhelm trübner (1851 Heidelberg – 1917 Karlsruhe)

A Forest Glade on Herreninsel Island under an Overcast Sky. Oil on canvas. 44 x 55 cm. Signed and dated: “W. Trübner 1874”. In the 1870s, Wilhelm Trübner – together with Wilhelm Leibl, Carl Schuch and Johannes Sperl – was considered one of the foremost representatives of an uncompromising and unorthodox style of plein-air painting that was openly at odds with the academic approach to art at the time. After studying at the Karlsruhe Academy, where he was greatly influenced by his teacher Hans Canon, a painter from Vienna, Trübner went to Munich in 1869 and enrolled in the Academy there. His artistic development was advanced considerably by his exposure to the paintings of Wilhelm Leibl and Gustave Courbet, whose works he saw at the art exhibition in the Glass Palace in Munich the same year. Trübner subsequently became an advocate of emphatic Naturalism, his convictions being strengthened by his contacts with like-minded artists such as Albert Lang and Carl Schuch. Having finally met Wilhelm Leibl in Bernried in the summer of 1871, Trübner decided to join his circle. While their relationship was rooted in mutual recognition, the two artists nonetheless maintained a respectful distance from each other. Following a lengthy journey with his friend Schuch through Italy in 1872 and a trip to Holland in the spring of 1873, Trübner stayed for the first time in the summer of that year on Herren-

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insel Island in Lake Chiemsee in Bavaria, where he worked resolutely after nature. The present oil sketch is stylistically akin to the painting Monastery Building on Herreninsel Island (Natio­ nalgalerie, Berlin), which he completed in 1874. Both works testify to Trübner’s simple, unaffected plein-airism and his repu­ diation of any concession to genre-like details. His pure, downto-earth style of painting must have proved highly provocative in his time. Trübner renders the autumn foliage in a varied, airy and almost sculptural manner with broad, vigorous strokes of the brush. Barely discernible in the middle ground are two deer standing at the bank of a small pond. The grey sky weighs heavily on the quiet, deserted setting and steeps the landscape in a cool light. The subtle gradations of green and brown, which lend an element of grandeur to this otherwise unremarkable stretch of forest, testify to Wilhelm Trübner’s love of nature and his capa­city, while still a young painter, to portray landscape with great sensitivity. In retrospect Lovis Corinth had the following to say about Trübner’s work at that time: “He dispensed with everything that might have found favour with the public and his fellow artists. His pictures are distinguished by the beauty of their hues and their sheer painterly effect; his works conveyed an immense seriousness which temporarily obliged the beholder to adopt a negative attitude.”


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48. umberto boccioni (1882 Reggio di Calabria – 1916 bei Verona)

Scaricatori di carbone (Die Kohlenträger). Kaltnadel­ radierung auf chamoisfarbenem Velin. 15,1 x 19,5 cm (Plattenrand); 40,8 x 50,2 cm (Blattgröße). Signiert. (1907). Bellini 7, einziger Druckzustand, Variante B (von F). Der Maler und Bildhauer Umberto Boccioni hat ein relativ kleines, jedoch künstlerisch bemerkenswertes druckgraphisches Œuvre geschaffen, in dem trotz einer durchweg natura­listi­ schen Auffassungsweise auf einzelnen Blättern bereits Ansätze des Futurismus erkennbar sind. Es handelt sich ausnahmslos um Radierungen bzw. Kaltnadelradierungen, die zwischen 1907 und 1910 entstanden sind. In diesem Zeitraum studierte Boccioni kurze Zeit in Venedig und anschließend in Mailand, wo er Bekanntschaft mit den gleichgesinnten jungen Künstlern Carlo Carrà, Luigi Russolo und Filippo Tommasso Marinetti schloß. Gemeinsam mit ihnen und seinen früheren Studien­ kollegen Giacomo Balla und Gino Severini veröffentlichte der Künstler im Februar 1910 das erste futuristische Manifest. Etliche Arbeiten der venezianischen Periode zeichnen sich im Unterschied zu den frühsten, dunkel und tonal behandelten Radierungen durch eine eher lineare Gestaltung aus. Paolo Bellini, der Autor des ersten maßgeblichen druckgraphischen Werkverzeichnisses, unterscheidet in diesem Zusammenhang

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zwischen den Werkgruppen der „hellen“ („chiare“) und „dunklen“ („scure“) Radierungen. Bei den Kohlenträgern handelt es sich um die erste reine Kaltnadelarbeit Boccionis und Bellini ordnet das 1907 in Venedig entstandene Blatt der Werkgruppe der „hellen“ Radierungen zu. Der klare, lineare Duktus, der Verzicht auf Schraffuren und die suggestive Betonung der Umrisse verleihen der Darstellung eine zwingende Kraft. Die Szene verrät bereits Boccionis Interesse für ungestüme Bewegung und Aktion, und gibt so der Dynamik des modernen Industrie­ zeitalters eindrucksvoll Gestalt. Auf virtuose Weise ist die Handlung komprimiert und verdichtet. Schwungvoll tragen die Männer ihre schwere Last und balancieren dabei auf einem Balken; Rauchschwaden und der Dampf, der aus dem Schornstein eines Schiffes aufsteigt, geben der Szene zusätzliche Spannung und Dramatik. Die Radierung ist von außerordentlicher Seltenheit, da zu Lebzeiten des Künstlers nur wenige Abzüge gedruckt wurden. Bei vorliegendem Exemplar handelt es sich um einen Zustandsdruck der Variante B. Bellini konnte lediglich ein weiteres Exemplar dieses Zustandes nachweisen (Privat­ sammlung, Genf); der vorliegende Abzug war ihm nicht bekannt. Prachtvoller, außerordent­lich gratiger und kontrastreicher Druck mit markantem Plattenton, mit breitem Rand. Geringfügig angestaubt, leichte Gebrauchsspuren, der Gesamteindruck jedoch sehr schön.


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48. umberto boccioni (1882 Reggio di Calabria – 1916 near Verona)

Scaricatori di carbone (Coal Carriers). Drypoint on chamois-coloured wove paper. 15.1 x 19.5 cm (platemark); 40.8 x 50.2 cm (sheet size). Signed. (1907). Bellini 7, only one state, version B (of F). The painter and sculptor, Umberto Boccioni, produced a relatively modest yet artistically noteworthy printed oeuvre which, despite its consistently naturalist approach, betrays rudiments of Futurism in some of the prints. Without exception all the prints are etchings or dry point etchings, done between 1907 and 1910. During this time Boccioni studied briefly in Venice and then in Milan, where he made the acquaintance of the like-minded young artists, Carlo Carrà, Luigi Russolo and Filippo Tommaso Marinetti. Together with them and his earlier fellow students, Giacomo Balla and Gino Severini, the artist published the first Futurist manifesto in February 1910.

definitive catalogue of the artist’s prints, distinguishes in this context between groups of etchings that are “light” (“chiare”) or “dark” (“scure”). The Coal Carriers is Boccioni’s first purely dry point work, executed in Venice in 1907, which Bellini classifies among the “light” etchings. The clear linear style, the renunciation of any hatching and the suggestive emphasis of the outlines lend the scene a compelling force. The work reveals Boccioni’s interest in impetuous movement and action and gives spectacular expression to the dynamic energy of the modern industrial age. Balancing on a beam, the men shoulder their heavy load with great vigour; clouds of smoke and the steam belching from the funnel of a ship inject added elements of drama and tension. The present etching is extremely rare, only a few impressions being printed during the artist’s lifetime. This one is a proof impression of version B. Bellini records only one impression of this state, which is in a private collection in Geneva. The present sheet was unknown to him.

In contrast to the very early etchings with their dark, tonal quality, a number of Boccioni’s works from the Venetian period have a more linear design. Paolo Bellini, author of the first

A superb impression, printing with considerable contrast and tone, with wide margins. Minor soiling, slight traces of handling, otherwise in excellent condition.

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49. umberto boccioni

umberto boccioni

L’Atleta (Der Athlet). Kaltnadel auf chamoisfarbenem Velin. 14,9 x 23,2 cm (Plattenrand); 41 x 50,2 cm (Blattgröße). Signiert. (1907). Bellini 11 I B (von III).

L'Atleta (The Athlete). Drypoint on chamois-coloured wove paper. 14.9 x 23.2 cm (platemark); 41.0 x 50.2 cm (sheet size). Signed. (1907). Bellini 11 I B (of III).

Boccionis Darstellung eines jugendlichen Läufers entstand laut einer Eintragung in seinem Tagebuch im Sommer 1907 in Venedig. Der Künstler dürfte den jungen Mann auf dem Strand des Lido beobachtet haben. Am Horizont sind Segelschiffe erkennbar und im Mittelgrund hat der Künstler zwei entspannt dasitzende Männer in Badekleidung skizziert, deren Posen einen wirkungsvollen Kontrast zu der konzentrierten Haltung des Athleten darstellt. Trotz des sehr effektvoll angewandten Plattentons ist die Behandlung linear und es errreicht der zeichnerische Purismus Boccionis hier ein Höchstmaß an Ausdruckskraft und künstlerischer Synthese. Wiederum zeigt sich, wie sehr der Künstler von Bewegung und Bewegungs­ abläufen fasziniert war. Mit einer katzenartigen Geschmeidigkeit bereitet der junge Mann sich auf den Start vor; jede Faser des drahtigen, muskulösen Körpers ist angespannt.

An entry in Boccioni’s diary confirms that he produced this depiction of a young athlete in Venice in the summer of 1907. The artist probably observed the young man on the beach at the Lido. Sailing boats are discernible on the horizon and in the centre ground the artist has sketched two men in swimming trunks sitting in relaxed manner on the beach, their leisurely pose offering a stark contrast to the alert and concentrated posture of the athlete. The very effectively applied plate tone notwithstanding, the treatment is distinctly linear, Boccioni’s purist drawing style enabling him to achieve a very high degree of expressiveness and artistic synthesis. The work demonstrates once again just how fascinated the artist was by motion and sequences of movement. The young athlete exhibits a feline lissomness as he prepares for the start; every fibre of his wiry, muscular body is strained.

Da keine Vorzeichnungen zu dieser Arbeit bekannt sind und Boccioni in der Platte noch zahlreiche Korrekturen vornahm, ist es wahrscheinlich, dass der Künstler seine Bildidee direkt, ohne Vorstudien, mit der Kaltnadel umsetzte.

Since there are no known preliminary studies for this etching and Boccioni subsequently made several corrections to the plate, the artist probably dispensed with any preparatory studies and worked directly on the copperplate.

Prachtvoller, gratiger Abzug des ersten Druckzustandes, mit dem leicht gebo­genen Kratzer über dem linken Bein, jedoch noch vor den beiden sich kreuzenden Kratzern über dem Boot oben rechts; mit dem vollen Rand. Geringfügig angestaubt, im weißen Rand vereinzelte kleine Fleckchen, in der linken unteren Ecke leichter Wasserfleck, leichte Gebrauchsspuren, sonst sehr schönes, unbehandeltes Exemplar. Die Radierung ist in diesem Druckzustand von größter Seltenheit. Bellini verzeichnet lediglich zwei Exemplare der Variante B, der vorliegende Abzug war ihm nicht bekannt.

A superb, contrasting impression of the first state, with a slightly curved scratch above the left leg, but before the two crossed scratches above the boat at the top right; with the full margins. Slight surface soiling, occasional small spots in the white margin, a minor water stain in the bottom left-hand corner, slight traces of handling, otherwise in very fine, unrestored condition. In this state the etching is of extreme rarity. Bellini records just two impressions of version B; the present impression was unknown to him.

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50. umberto boccioni

umberto boccioni

Madre che cuce (Die Mutter beim Nähen). Radierung auf chamoisfarbenem Velin. 13,7 x 11,5 cm (Plattenrand); 50,2 x 40,9 cm (Blattgröße). Signiert. (1910). Bellini 28, einziger Zustand Variante A (von B).

Madre che cuce (The Artist’s Mother Sewing). Drypoint on chamois-coloured wove paper. 13.7 x 11.5 cm (plate­mark); 50.2 x 40.9 cm (sheet size). Signed. (1910). Bellini 28, only one state, version A (of B).

Boccioni hat seine Mutter Cecilia Forlani wiederholt porträtiert, ein Indiz für die besondere Zuneigung, die er ihr entgegenbrachte. Boccioni erreicht in diesen sehr persönlich gefärbten Darstellungen eine außerordentliches Maß an künstlerischer Konzentration und Ausdruckskraft, und das vorliegende Bildnis dürfte in seiner Schlichtheit und Intensität der Beobachtung zu den schönsten und anrührendsten Blättern gehören, die der Künstler geschaffen hat. Mit Vorliebe zeigte Boccioni die Mutter beim Lesen oder beim Verrichten alltäglicher Arbeiten. Die Beleuchtung ist stimmungsvoll und schafft eine Atmosphäre häuslicher Intimität. Unweigerlich fühlt man sich angesichts des markanten Clairobscurs an die Radierkunst Rembrandts erinnert.

Boccioni repeatedly took portraits of his mother Cecilia Forlani – an indication of the special affection he felt for her. The artist achieves an extraordinary degree of artistic concentration and expressiveness in these highly personal depictions. The simplicity and intensity of observation in the present por­ trait undoubtedly make it one of his finest and most touching works. Boccioni preferred to depict his mother reading or per­ forming daily chores. The lighting is evocative and conjures up an atmosphere of domestic intimacy. The striking chiaroscuro effects inevitably bring Rembrandt’s etchings to mind.

Die Radierung dürfte im Jahre 1910 entstanden sein; das Blatt gehört auf Grund der stark tonalen Wirkung und der dichten, eng geführten Schraffurmuster zu der Gruppe der sogenannten „dunklen“ Radierungen, und ist damit charakteristisch für die späten druckgraphischen Arbeiten Boccionis. Erstaunlich ist die künstlerische Bravour, mit der Boccioni das Medium der Radierung anwendet. Die Darstellung ist mit einem engen, kompakten Geflecht aus Lininen und Schraffuren überzogen, in dem sich die Druckerfarbe verdichtet und eine samtigschwarze Tonwirkung entfaltet. Hell leuchten die einzelnen blank gewisch­ten Partien auf und erzeugen somit markante visuelle Kontraste. Auch dieses Blatt ist von erlesener Sel­ten­ heit. Es handelt sich um die Variante A mit dem winzigen Strich auf dem Zeigefinger der Nähenden. Bellini verzeichnet insgesamt sechs vom Künstler gedruckte Abzüge; das vorliegende Exemplar war ihm nicht bekannt. Prachtvoller, sehr gratiger und gegensatzreicher Druck mit sehr ausgeprägter tonaler Wirkung, mit dem vollen Rand. Geringfügig angestaubt und im Passepartoutausschnitt leicht gebräunt, unauffällige Knickspuren im Rand, minimale Erhaltungsmängel, sonst sehr schönes, unbehandeltes Exemplar.

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The work probably arose in 1910; in view of its pronounced tonal effect and the dense, very tight hatching pattern it belongs to the group of so-called “dark” etchings and is thus typical of the prints in Boccioni’s late period. The artistic stylishness Boccioni brings to the medium of etching is quite astounding. The portrait is covered with a dense, compact network of lines and hatchings in which the printer’s ink condenses, creating a velvety black tonal effect. The brightly polished areas shine forth, producing stark visual contrasts. This print is also of exquisite rarity and is available here in version A, which shows a tiny mark on the seamstress’s index finger. Bellini records a total of six impressions pulled by the artist; the present impression was unknown to him. A superb, very richly inked and contrasting impression, printed with considerable tone, with the full margins. Minor soiling and discolouration, unobtrusive creases in the margins, otherwise in excellent condition.


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künstlerverzeichnis / index of artist names

Bayeu y Subias, Rámon Bisi, Fra Bonaventura Boccioni, Umberto Bos, Cornelis Boissieu, Jean-Jacques de Both, Andries Brunner, Leopold d.Ä. Cambiaso, Luca Carmona, Manuel Salvador Cort, Cornelis Daffinger, Moritz Michael David, Giovanni Debucourt, Louis Philibert Dietrich, Christian Wilhelm Ernst Dubois, Simon Eckersberg, Christoffer Wilhelm Ender, Thomas Ermels, Johann Franciscus Frey, Johann Jacob Furnius, Pieter Jalhea Griffier, Jan I. Hansen, Josef Theodor Hoogstraten, Dirk van Koninck, Salomon Lelu, Pierre Marinus, Ferdinand Joseph Bernard Matham, Jacob Mellan, Claude Mengardi, Giovanni Battista Molijn, Pieter Murant, Emanuel Overbeck, Friedrich Palagi, Pelagio Palko, Franz Xaver Karl Panderen, Egbert van Prud’hon, Pierre Paul Rahl, Carl Heinrich Reinhold, Gustav Schnell, Ludwig Silvestre, Charles François de Steiner, Emanuel Tiepolo, Giovanni Battista Tischbein, Johann Heinrich Wilhelm Traunfellner, Gottfried Trübner, Wilhelm Vivant-Denon, Dominique Zimbal, Johann Ignaz

48 21 118–124 8 50 22 84 10 52 14 86 54 88 56–58 24 90 92 26 95 18 28 96 30 33 60 98 34 36 62 40 42 100 102 64 44 104 106 108 111 66 112 68 72 74 114 76 78


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