Selected Works XV

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Nicolaas Teeuwisse

Ausgewählte Werke · Selected Works XV



2015

Ausgewählte Werke · Selected Works XV

Nicolaas Teeuwisse OHG · Erdener Str. 5a ·  14193 Berlin-Grunewald Telephone: +49 30 893 80 29 19, +49 30 890 48 791 · Mobile: +49 171 483 04 86 Email: nicolaas@teeuwisse.de · www.teeuwisse.de



Vorwort Der vorliegende Katalog enthält eine Auslese der etwa zweihun­ dert Werke, die anlässlich der European Fine Art Fair (tefaf) vom 12. bis 22. März 2015 in Maastricht gezeigt werden. Dieser Exkurs durch das europäische Kunstschaffen führt streckenweise über gleichsam überwucherte Nebenpfade der Kunst­ geschichte, jedoch sind es oft gerade jene Schöpfungen heute wenig bekannter oder in Vergessenheit geratener Künstler, die unserem Wissen über vergangene Stilepochen neue, erfrischende Impulse vermitteln. Die flämische und niederländische Genregraphik des 16. Jahrhunderts ist mit einigen besonders aussagekräftigen und charak­ teristischen Blättern vertreten. Diese bescheidenen, fragilen, oft seltenen Zeugnisse auf Papier, die für den alltäglichen Gebrauch gedacht waren, vermitteln ein faszinierendes Zeitbild und besitzen daher eine beträchtliche kulturhistorische Relevanz. Das Motto „Tot lering ende vermaak“ (Zur Belehrung und Unterhaltung), das ihnen zugrunde lag, hat auch für den heutigen Betrachter nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt. Es handelt sich um eine mehr oder weniger universale, für jeden verständliche Bildsprache, die auf anschauliche, humo­ ristische oder satirische Weise die conditio humana in all ihren launischen, komischen oder betrüblichen Facetten beleuchtet. Auf den ersten Blick mag es erscheinen, als ob diese bunte, skurrile Bildwelt vor allem der Unterhaltung des Betrachters dienen sollte, dennoch verraten häufig dargestellte Themen, wie Lüsternheit, menschliche Torheit, Heimtücke, Gier, Geiz und rohe Gewalttätigkeit eine kritische Geisteshaltung, die für zahlreiche humanistisch geprägte Künstler und Autoren des 16. Jahrhunderts bezeichnend und häufig eng mit den Bestrebungen der Reformation verbunden ist. So schildert ein anonymer flämischer Kupferstich die schädlichen Auswirkungen einer unbekümmerten, vergnügungssüchtigen Lebens­ führung und, aktuell wie eh und je, die bösen Folgen „antiauto­ ritärer“ Erziehung! Die Drastik der Darstellung macht die moralisierenden, gleichnishaften Kommentare in lateinischer und flämischer Versform eigentlich überflüssig. Letztere dienten wohl dem gebildeteren Publikum. Der Antwerpener Verleger Adriaen Huybrechts beschäftigt sich mit einem weiteren Topos und stellt in einer Wirtshausszene die Verlockungen von Wein und Eros zur Schau. Umgarnt von Animierdamen werden arglose Provinzler in einer Taverne zweifelhaften Rufes routiniert ihres Geldbeutels erleichtert, ein Schicksal, das in heutiger Zeit jeden sexhungrigen Geschäftsreisenden in den Rotlichtvierteln von Hamburg, Bangkok oder Rio ebenso ereilen könnte.

Nicht weniger raubeinig ist eine turbulente und bunte Gasthof­ szene in der Art Pieter Brueghels, die der Antwerpener Kupferstecher Pieter Serwouters im Jahre 1608 geschaffen hat. Mit sichtlichem Vergnügen, geradezu detailversessen, hat der Künst­ ler soziales Schmarotzertum, Trunksucht und Völlerei karikiert. Da hilft es nur wenig, das am Horizont – ganz im Geiste Brueghels – sinnfällig ein Kirchturm aufragt und ein Bettlerpaar diesem bäuerlichen Pandämonium den Rücken kehrt, die Mehrheit der hier versammelten, törichten Menschheit bleibt dem Wahnsinn verfallen. Weitere, in diesem Katalog enthaltene Blätter von Pieter de Jode und Johannes Sadeler zeigen, auf welch hohem künstlerischen Niveau sich die flämische Genregraphik zwischen 1560 und 1600 bewegt hat. Eine kleine Werkgruppe von Ölskizzen und druckgraphischen Arbeiten dänischer Künstler des sogenannten „Goldenen Zeit­ alters“ bildet einen thematischen und visuellen Kontrapunkt. Carlos van Hasselt, dem ehemaligen Direktor der Pariser Fonda­ tion Custodia, gebührt das Verdienst, die Kunst dieser Epoche bereits seit den frühen 1970er Jahren systematisch gesammelt zu haben. Ein Blick in das strahlende, vor kurzem frisch renovierte Treppenhaus des Hôtel Turgot, Sitz des Instituts, macht klar, mit welchem Elan und Qualitätsgefühl sich der heutige Direktor Ger Luijten der Pflege und Erweiterung dieses Sammelgebiets gewidmet hat. Die dänische Kunst jener Ära ist wohltuend klar, phrasenlos und schlicht. Eine Ölskizze von Frederik Carl Julius Kraft (1823–1854), ein unehelicher Sohn des dänischen Königs Christian VIII., dokumentiert diese Eigenschaften auf vollendete Weise. In ihrer kühnen Reduk­tion der Form und subtilen Erfassung des warmen Abendlichtes strahlt die italienische Campagnalandschaft eine zeitlose Modernität aus. Nicht weniger bemerkenswert und trotz des kleinen Formats ein Kunstwerk ersten Ranges ist das radierte Bildnis eines alten Seemannes des Christen Købke (1810–1848), neben C. W. Eckersberg wohl die bedeutendste Künstlerpersönlichkeit der dänischen Malerei des Goldenen Zeitalters. Die sehr seltene Radierung besticht nicht nur durch ihre äußerst verfeinerte und differenzierte Radiertechnik, es ist vor allem die meisterhafte, erstaunlich eindringliche psychologische Charakterisierung des Dargestellten, die diesem bescheidenen Blatt eine universelle Gültigkeit verleiht. Mein Dank gilt Stefanie Löhr und Robert Oberdorfer für hilf­ reiche Redaktionsarbeiten. Eveline Deneer hat mich tatkräftig und sachkundig bei den Recherchen für diesen Katalog unterstützt. Die englische Übersetzung wurde – wie immer elegant und einfühlsam – von dem vortrefflichen Robert Bryce besorgt. Nicolaas Teeuwisse

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Preface This catalogue contains a selection from the two hundred or so works on display at The European Fine Art Fair (tefaf) in Maastricht from 12 to 22 March 2015. In some places our journey through the world of European art takes us down over­grown byways of art history, so to speak. Often enough, however, it is precisely works by artists now little known or whose names have fallen into oblivion which lend fresh impetus to our knowledge of stylistic periods from the past. Sixteenth century Dutch and Flemish genre printmaking is represented by some characteristic prints of special significance. These modest, fragile and often rare visual testimonies on paper, which were intended for everyday use, offer fascinating insights into a bygone age and are thus of great cultural and historical importance. Their underlying motto Tot lering ende vermaak (For instruction and entertainment) is as valid as ever. Expressed in more or less universal, readily understandable pictorial language, the works illuminate the human con­ dition with all its whimsical, comical and lamentable aspects in a graphic, humorous and satirical manner. At first glance it might seem that this bizarre and colourful imagery is designed first and foremost to bring a smile to the observer’s face. However, recurrent themes such as lasciviousness, human folly, malice, greed, miserliness and naked violence reveal a critical attitude that is characteristic of numerous 16th century humanist artists and authors and is often asso­ ciated with Reformation aspirations. An anonymous Flemish engraving, for example, illustrates the harmful effects of a care­free, pleasure-seeking lifestyle and of the detrimental con­sequences of “anti-authoritarian” education – an issue which has lost none of its topicality over the centuries. The drastic nature of the depiction renders irrelevant the moralising, allegorical comments in Latin and Flemish verse. These were probably intended for the better educated. Addressing a different topic, the Antwerp publisher Adriaen Huybrechts portrays the temptations of wine and women in a tavern of ill repute. Beguiled by women of dubious morality, a couple of unsuspecting provincials are expertly relieved of their purses without them even noticing – a fate which could easily befall any sex-hungry business traveller today in the redlight districts of Hamburg, Bangkok or Rio. No less caustic is a vivid, turbulent scene outside an inn etched in the manner of

Pieter Brueghel by Pieter Serwouters, an en­graver from Antwerp, in 1608. The artist has caricatured social parasitism, alco­­holism and gluttony with obvious pleasure and meti­culous attention to detail. It is of little significance that a church steeple rises up on the horizon (shades of Brueghel) and a couple of beggars symbolically turn their backs on this scene of rural pandemonium – the majority of the foolish revellers gathered here have succumbed to the frenzy. Other works in this catalogue by Pieter de Jode and Johannes Sadeler illustrate the high artistic quality of Flemish genre printmaking between 1560 and 1600. Forming a counterpoint in visual and thematic terms is a small group of oil sketches and prints by Danish artists of the Golden Age. Carlos van Hasselt, the former director of the Fondation Custodia in Paris, deserves credit for having systematically collected the art of this period since the early 1970s. A look inside the bright, freshly renovated hallway of the Hôtel Turgot, the seat of the institute, makes it clear how much energy and appreciation of quality the present director, Ger Luijten, has demonstrated in maintaining and extending this field of collecting. Danish art of this period is agreeably clear, crisp and concise. These qualities are perfectly reflected in an oil sketch by Frederik Carl Julius Kraft (1823–1854) who, interestingly enough, was an illegitimate son of King Christian VIII of Den­ mark. The Roman Campagna landscape, boldly reduced in form and with a subtle rendering of the warm evening light, radiates a timeless modernity. No less remarkable and, despite its small format, a first-rate work of art is the etched portrait of The Old Sailor by Christen Købke (1810–1848), who together with C. W. Eckersberg was the leading artistic figure in the Golden Age of Danish painting. This very rare etching is distinguished not only by its extremely sophisticated and differentiated technique, but also, and above all, by the masterly and astonishingly powerful psychological characterisation of the portrayed old man, which gives this modest print a universal validity. My thanks go to Stefanie Löhr and Robert Oberdorfer for their helpful editing. Eveline Deneer gave me active and informed support in the research for this catalogue. The English trans­ lation – elegant and sensitive as always – was supplied by Robert Bryce. Nicolaas Teeuwisse

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16. – 17. Jahrhundert

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1. giovanni battista d’angolo

giovanni battista d’angolo

(called Battista del Moro, circa 1515 Verona – circa 1573 Verona or Murano)

(genannt Battista del Moro, um 1515 Verona – um 1573 Verona oder Murano)

Umkreis. Eine Gruppe von Frauen in einem Interieur bei der Handarbeit. Radierung und Grabstichel. 13,4 x 17,9 cm. 1554. Nicht bei Bartsch und Passavant; Meyer, Allgemeines Künstler-Lexikon, II, S. 39, 57. Wasserzeichen: Gekreuzte Pfeile mit Stern (vgl. Briquet 6300–02, Verona, seit 1542).

Circle of. A Group of Women Sat Indoors Doing Needle­ work. Etching and burin. 13.4 x 17.9 cm. 1554. Not in Bartsch or Passavant; Meyer, Allgemeines Künstler-Lexikon, II, pp. 39, 57. Watermark: Crossed arrows with star (cf. Briquet 6300–02, Verona, after 1542).

Die anmutige Darstellung galt in der Vergangenheit als eine eigenhändige Arbeit Giovanni Battista d’Angolos. Die Zuschrei­bung geht auf eine Notiz Wesselys zurück und wurde im spä­ ten 19. Jahrhundert von Wilhelm Schmidt, dem Kurator der Königlichen Kupferstichsammlung in München, übernommen. Die Autorschaft d’Angolos gilt heute jedoch keineswegs als gesichert. Seine überlieferten Blätter zeigen eine sehr hetero­ gene, künstlerische Handschrift – eine Tatsache, die eine klare stilistische Eingrenzung des Œuvres beträchtlich erschwert.

In the past this delightful portrayal was deemed to be the work of Giovanni Battista d’Angolo. The attribution goes back to a note made by Wessely which was taken up in the late 19th century by Wilhelm Schmidt, the curator of the Royal Col­ lection of Copper Engravings and Drawings in Munich. How­ ever, d’Angolo’s authorship is now considered uncertain. Works of his that have come down to us are very heterogeneous, which makes it extremely difficult to pin down his oeuvre in stylistic terms.

Sicher ist, daß die Radierung von der Hand eines oberitalienischen Künstlers stammt. Die in einem lockeren, freien Duktus ausgeführte Genreszene zeigt Anklänge an die Kunst Parmi­ gia­ninos und entstand etwas über einem Jahrzehnt nach dessen Tod. Trotz einer gewissen Derbheit der Zeichnung, geht von dem seltenen, kleinformatigen Blatt eine nicht geringe Faszina­ tion aus. Eine junge Mutter unterrichtet ihre vier Töchter in Handarbeit. Die subtil beobachtete Szene findet in einer offenen Loggia statt, die den Blick auf eine Voralpenlandschaft freigibt. Die Frauen sind mit Nähen und Sticken beschäftigt und symbolisieren mit dieser Tätigkeit häusliche Harmonie und Tugendhaftigkeit. Ein kleiner Hund, Sinnbild der Treue, liegt zu Füßen des jüngsten Mädchens. Die eleganten Hochfrisuren der Frauen, der feine Schnitt ihrer Kleider und die einzelnen Ziergefäße, darunter eine parmigianesk anmutende Henkelvase, lassen eine noble Herkunft vermuten. Stilistisch erinnert das Blatt entfernt an das Werk Angelo Falcones (1507 Rovereto – 1567 Verona), der Zeit seines Lebens als Maler und Radierer vorwiegend in Verona tätig war. Seine emilianische Herkunft dürfte auch die Nähe zur Kunst Parmigianinos erklären.

There can be no doubt, however, that the present etching was done by an artist from Northern Italy. A genre scene rendered in a free and fluid manner, it has similarities with the art of Parmigianino and arose just over a decade after the latter’s death. Despite a certain lack of polish, this rare, small-scale work exerts a strong fascination. A young mother is teaching her four daughters needlework. The sensitively observed scene takes place in an open loggia which affords a view of a preAlpine landscape. The women engaged in sewing and embroidery symbolise domestic harmony and virtuousness. A little dog, the personification of loyalty, lies at the youngest girl’s feet. The women’s elegant upswept hairstyle and the fine cut of their dresses, together with the ornamental vessels including a handle vase strongly reminiscent of Parmigianino, suggest that they are of noble birth. Stylistically, the work is vaguely similar to that of Angelo Falcone (1507 Rovereto – 1567 Verona), who worked as a painter and etcher in Verona throughout his life. D’Angolo’s Emilian origins help to explain his affinity with Parmigianino’s art.

Prachtvoller, toniger und gratiger Druck mit Rand um die Plat­tenkante. Minimale Altersspuren, sonst vorzüglich erhalten.

A very fine, tonal impression with even margins. Minor ageing, otherwise in perfect condition.

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2. cornelis cort

cornelis cort

Bacchus und Venus auf einem Zweigespann. Kupferstich. 21,9 x 29,7 cm. 1556. Bierens de Haan 154; Riggs 224; The Illustrated Bartsch, Bd. 52 (Supplement), 154; The New Hollstein R 36.

Bacchus and Venus in a Chariot. Engraving. 21.9 x 29.7 cm. 1556. Bierens de Haan 154; Riggs 224; The Illustrated Bartsch, vol. 52 (Supplement), 154; The New Hollstein R 36.

Bei dem sehr seltenen Kupferstich handelt es sich um ein frühes, 1556 entstandenes Blatt aus dem Verlag des Antwerpener Verlegers Hieronymus Cock. Dieser hatte 1548 seine Tätigkeit auf­genommen und in den ersten Jahren seines Wirkens sollte die Produktion von Kupferstichen nach italienischen Meistern einen großen Aufschwung erleben. 1550 gelang es ihm, Giorgio Ghisi als Kupferstecher für den Verlag zu gewinnen, der daraufhin einige Jahre in Antwerpen tätig war. Ghisi schuf hier Kupferstichreproduktionen nach Meistern der italienischen Renaissance, wie Raphael und Bronzino, und seine souveräne, technisch hochentwickelte Kupferstichtechnik sollte einen prä­ genden Einfluß auf seinen flämischen Zeitgenossen ausüben. Auf diese Weise hat Cocks Verlag Aux Quatre Vents entscheidend zur Verbreitung der Formensprache der italienischen Renaissance in Flandern und in den nördlichen Niederlanden beigetragen.

This very rare engraving made in 1556 is an early work issued by the Antwerp publisher, Hieronymus Cock. Cock began publishing in 1548 and in the early years witnessed a boom in the production of engravings after Italian masters. In 1550 he persuaded Giorgio Ghisi to work as an engraver for his publishing house and so the artist was active for a number of years in Antwerp. Here Ghisi reproduced engravings after masters of the Italian Renaissance, such as Raphael and Bronzino, and his masterly, technically sophisticated engraving technique came to have a lasting influence on his Flemish contempo­ra­ ries. As a result Cock’s publishing house “Aux Quatre Vents” made a major contribution to the dissemination of the formal idiom of the Italian Renaissance in Flanders and the northern Netherlands.

(1533 Hoorn – 1578 Rom)

Die vorliegende heiter und schwungvoll belebte Darstellung stammt von der Hand eines anonymen Antwerpener Kupferstechers. Als Urheber der Komposition wurden in der Vergangenheit sowohl Giulio Romano als auch Frans Floris genannt, die Autorschaft ist jedoch nicht eindeutig geklärt. Lange Zeit galt der Kupferstich als ein Frühwerk des Cornelis Cort, der seit den späten 1550er Jahren für Cock tätig war. Das sehr frühe Entstehungsjahr macht seine Autorschaft jedoch eher unwahrscheinlich und Sellink verzeichnet das Blatt daher unter der Kategorie „Rejected Prints“. Nichtsdestotrotz handelt es sich um die Arbeit eines versierten Kupferstechers. Die durchartikulierte, feinmaschige Grabsticheltechnik und die gekonnte, plastische Wiedergabe der muskulösen Körper zeigen Einflüsse Giorgio Ghisis, dennoch war hier zweifellos ein anonymer flä­­mischer Künstler am Werk. Der betont profane Tenor der Darstellung und das antikisierende Sujet veranschaulichen, wie schnell auch die für Hieronymus Cock tätigen Antwer­pe­ ner Kupferstecher Geist und Stilsprache der italienischen Renaissance assimilierten. Prachtvoller, gegensatzreicher und harmonischer Druck mit feinem Rändchen. Leichte Altersspuren, sonst vollkommen erhalten.

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(1533 Hoorn – 1578 Rome)

The present bright and spirited depiction stems from the hand of an anonymous Antwerp engraver. In the past the design has been attributed to both Giulio Romano and Frans Floris, but the author has yet to be clearly identified. For a long time the engraving was regarded as an early work by Cornelis Cort, who had been an engraver for Cock since the late 1550s. The very early date of 1556 makes it unlikely that he was the author, however, and for that reason Sellink has put the work in the category of “rejected prints”. Be that as it may, the work is certainly that of an accomplished engraver. The tensely arti­cu­lated, intricate burin technique and the skilful, threedimensional rendering of the muscular bodies reveal the in­fluence of Giorgio Ghisi’s style, although there can be no doubt that an anonymous Flemish artist was at work here. The expressly profane nature of the depiction and the classical subject matter illustrate how quickly the Antwerp engravers – including those working for Hieronymus Cock – assimilated the spirit and formal language of the Italian Renaissance. A superb, contrasting and harmonious impression with thread margins. Minor ageing, otherwise in mint condition.


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3. flämisch

flemish school

Das sorglose Leben oder: Der liederliche Haushalt (Care­­free Living or: The Dissolute Household). Kupferstich. 20,5 x 28 cm. Hollstein (Baltens) 5; Hollstein (nach Hiero­ny­mus Bosch) 46; Hollstein (Anonym nach Jan Verbeeck) 1 II.

Carefree Living or: The Dissolute Household. Engraving. 20.5 x 28 cm. Hollstein (Baltens) 5; Hollstein (after Hieronymus Bosch) 46; Hollstein (anonymous after Jan Verbeeck) 1 II.

Der launig moralisierende Kupferstich wurde von dem berühm­ ten und einflussreichen Antwerpener Verleger Hieronymus Cock in seinem Verlag Aux Quatre Vents herausgegeben. Lange Zeit galt Hieronymus Bosch als der Urheber der satirischen, vielschichtigen Ikonographie, während Pieter Baltens im ersten Hollsteinband als ausführender Kupferstecher genannt wird. In der jüngeren Forschung gilt das enigmatische und faszinierende Blatt als die Arbeit eines anonymen flämischen Künstlers, wohl nach einer Invention Jan Verbeecks, eines aus Mecheln stammenden Malers und Zeichners, über dessen Leben und Werk wenig bekannt ist.

This witty moralising engraving was issued by the Aux Quatre Vents publishing house of the famous and influential Antwerp publisher, Hieronymus Cock. Hieronymus Bosch was long considered to be the author of this multifarious, satirical iconographic work, while Pieter Baltens was named as the engraver in the first Hollstein volume. In more recent research this enig­ matic and fascinating piece has come to be regarded as the work of an anonymous Flemish artist, probably after an invention by Jan Verbeeck, a painter and draughtsman from Mechelen, whose true identity and activities remain largely shrouded in mystery.

Mit sichtlicher Freude an der Sache und einem ausgeprägten Sinn für Ironie und anekdotisches Detail hat der Graveur das Innere einer Schusterwerkstatt dargestellt, in der es chaotisch zugeht. Die Legende rechts unten verrät, daß der Schuster es vorzieht, auf seinem Dudelsack zu spielen anstatt der täglichen Arbeit nachzugehen, die er lieber auf mor­gen verschiebt. Auch sein mißmutig und abgekämpft wirkendes Weib findet offenbar mehr Gefallen daran, sich dem sorglosen Zeitvertreib hinzugeben als beflissen am Spinnrad zu arbeiten. Das Ergebnis ihrer Bequemlichkeit ist dementsprechend. Dazwischen tollen die Kinder in einem wüsten Reigen herum, und im Hintergrund beobachtet man einen Schusterlehrling dabei, wie er einer Bettlerin sein Werkzeug an den Kopf wirft. Die Legende über ihrer armseligen, hageren Gestalt lautet: „Weil ich mich zu sehr auf den morgigen Tag verlassen habe, trag ich jetzt Kleidung mit Löchern“. Das Ganze ist in einer konzentrierten, minutiö­ sen Graviertechnik wiedergegeben, die den alltäglichen Details wie Kleidung, Einrichtungsgegenständen und Utensilien der Werkstatt größte Aufmerksamkeit widmet. Dem Sehvergnügen des Betrachters wird auch auf inhaltlicher Ebene durch die ausführlichen, beleh­renden und mahnenden Kommen­tare ent­sprochen. Def­tige, moralisierend-didaktische Darstellungen dieser Art dürften damals große Popularität genossen und sehr zum wirtschaftlichen Florieren des Cock’schen Verlages beigetragen haben.

The engraver has depicted the interior of a shoemaker’s workshop with obvious delight, a distinct sense of irony and a keen eye for anecdotal detail. The scene is one of utter chaos. The inscription at the bottom right says that the shoemaker is much more interested in playing a few notes on his bagpipes than in going about his day’s work, there being enough time to finish it tomorrow. His sullen-looking wife, who appears worn out, clearly derives more pleasure from idling away her time than from working assiduously at the spinning wheel. The result of their sloth is all too apparent. The children dance around like dervishes in the foreground, while to the rear an apprentice is about to throw a tool at a beggar woman in the doorway. The legend above her wretched, haggard figure says: “I left too much to the morrow and now my clothes are full of holes.” The scene is rendered in a concentrated, meticulous engraving technique in which the utmost attention is paid to everyday details such as clothing, items of furniture and workshop utensils. Complementing the visual pleasure of the behol­ der are the detailed moralising and admonishing commentaries. Crude depictions of this kind with their lecturing, didactic tone probably enjoyed great popularity at the time and made a major contribution to the prosperity of Cock’s publishing house.

um 1500

Der Kupferstich ist von größter Seltenheit und liegt hier im zweiten, von dem Antwerpener Verleger Johannes Galle edierten Druckzustand vor. Letzterer war es auch, der die Adresse mit dem Zusatz „H. Bos inven“ versah. Prachtvoller, schar­ fer und gegensatzreicher Druck mit feinem Rändchen um die Einfassungslinie. Minimale Altersspuren, sonst vollkommen erhalten. Aus der Sammlung Gaston de Ramaix (Lugt 4099).

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circa 1560

The engraving is extremely rare; this impression is from the second state published by Johannes Galle from Antwerp. It was he who added “H. Bos invent” to the address. A superb, crisp and contrasting impression with thread margins around the borderline. Minor ageing, otherwise in pristine condition. From the collection of Gaston de Ramaix (Lugt 4099).


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4. remigius hogenberg (um 1536 Mecheln – nach 1587 Canterbury oder London)

remigius hogenberg

Eine Landschaft mit einer Gesellschaft, die ein Boot besteigt. Radierung nach Hans Bol. 26,6 x 33 cm. The New Hollstein 8 I (von II).

A Landscape with a Group of People Boarding a Boat. Etching after Hans Bol. 26.6 x 33 cm. The New Hollstein 8 I (of II).

Der Kupferstecher und Kartograph Remigius Hogenberg wurde wahrscheinlich, gemeinsam mit seinem Bruder Frans, vom Stiefvater, dem Kupferstecher Hendrick Terbrugghen – genannt Pontanus – unterrichtet. Remigius’ druckgraphische Blätter sind von großer Seltenheit, oft Unikate. In seiner Anfangszeit radierte er religiöse Sujets und allegorische Genredarstellungen, wohl nach eigenen Entwürfen. Seit den 1560er Jahren arbeitete Hogenberg vorwiegend nach fremden Vorlagen. Vor allem die Blätter nach Hans Bol zeigen trotz einer gewissen Naivität der Zeichnung einen versierten Radierer. Um 1570 wanderte der Künstler, wohl aus Glaubensgründen, nach England aus.

The engraver and cartographer, Remigius Hogenberg, was probably taught together with his brother Frans by his stepfather, the engraver Hendrick Terbrugghen, known as Pon­ tanus. Remigius’ prints are of great rarity and often unique. In his early period he produced etchings on religious themes as well as allegorical genre scenes based in all likelihood on his own designs. From the 1560s Hogenberg worked mostly after designs by other artists. Those after Hans Bol in particular show that, while the drawing is somewhat naive, the etcher is nonetheless experienced. Around 1570 Hogenberg emigrated to England – more than likely for religious reasons.

Die atmosphärische, durch zahlreiche fein observierte und ansprechende Details bereicherte Landschaft ist in einem leichten, beweglichen Duktus ausgeführt, der starke Ähnlichkeit mit dem Stil Hieronymus Cocks aufweist. Das malerische, weite Pano­rama ist auf vergleichbare Weise aus mehreren parallelen Raumschichten aufgebaut und zeigt eine ähnliche Konzentra­ tion auf das erzählerische, genrehafte Detail. Es erscheint mehr als wahrscheinlich, daß Hogenberg Cocks Landschaftsfolge Variae Variarum Regionum aus dem Jahre 1558, die auf Vorlagen seines Bruders Matthijs Cock zurückgeht, gekannt hat. Der Irr­ garten im Mittelgrund kommt in nahezu identischer Form auf Cocks Darstellung des Labyrinths von Kreta (Hollstein 21) vor.

This atmospheric landscape, embellished by numerous finely observed, attractive details, has been executed in a light and agile manner remarkably similar to the style of Hieronymus Cock. Much like his work, this picturesque scene with its broad panorama is structured by means of several parallel spatial layers and reveals a similar focus on narrative, genre-like detail. Hogenberg was in all probability familiar with Cock’s landscape series Variae Variarum Regionum (1558), which is based on designs by his brother Matthijs Cock. The labyrinth in the middle ground occurs in almost identical form in Cock’s depiction of the Labyrinth of Crete (Hollstein 21).

Prachtvoller, toniger Frühdruck, vor dem Namen von Hans Bol und vor der Adresse von Petri. Leichte Altersspuren, sonst vor­­züg­lich erhalten. Im New Hollstein sind lediglich drei Exemplare des ersten Druckzustandes verzeichnet, die sich in musea­ len Sammlungen in Amsterdam, Brüssel und Wien befinden.

(circa 1536 Mechelen – after 1587 Canterbury or London)

A superb early impression with beautiful tone, before the name of Hans Bol and before the address of Petri. Minor ageing, otherwise in excellent condition. The New Hollstein records just three impressions of the first state, which are in museum collections in Amsterdam, Brussels and Vienna.

Hieronymus Cock. Landscape with the Labyrinth of Crete. Etching. Hollstein 21.

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5. adriaen huybrechts

adriaen huybrechts

Wirtshausszene. Kupferstich. 22 x 29,5 cm. AHuber­ tus ex. Wasserzeichen: Hand.

Tavern Scene. Engraving. 22 x 29.5 cm. Watermark: Hand.

Das Thema der arglosen Landleute, die zum Markt fahren und den zweifelhaften Verlockungen der Stadt zum Opfer fallen, war ein beliebtes Genresujet in der flämischen Kunst des 16. Jahrhunderts. Zwei Bauern prassen und knutschen mit Dirnen am Tisch eines Wirtshauses, währenddessen entleert eine Kom­ plizin der Liebesdienerinnen heimlich den Geldbeutel des einen Mannes und eine zweite entwendet die Marktware. Die Herberge ist wohl weniger solide, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag, und die humorvoll dargestellte Szene zeigt die weltfremden, naiven Bauern als Opfer von gerissenen Prostituierten. Ein Narr spottet ihrer Ahnungslosigkeit.

Guileless country folk who travel to market and succumb to the dubious temptations of town life were a popular genre subject in 16th century Flemish art. Here two peasants are living it up and dallying with whores at a table in a tavern. As they do so, an accomplice of the ladies of pleasure secretly empties the purse of the one man while another steals the goods they have brought to market. The tavern is thus less respectable than might appear at first sight and the humorous scene portrays the naive, inexperienced peasants as the victims of crafty prostitutes. A jester ridicules them for their ignorance.

(1545–1614, Antwerpen)

Der sehr seltene, anonyme Kupferstich erschien im Antwerpener Verlag des Graveurs und Verlegers Adriaen Huybrechts. Als Prototyp diente ein um 1540 entstandener Kupferstich des Cornelis Matsys (Hollstein 130), der jedoch seitenverkehrt und wesentlich kleiner als die vorliegende Interpretation ist (siehe Ausstellungskatalog Spiegel van Alledag. Nederlandse genreprenten 1550–1700. Bearb. von E. de Jongh, G. Luijten. Amsterdam 1997, S. 172–173). Der Autor unseres Blattes hat einzelne Details der Darstellung leicht abgewandelt – wie beispielsweise den Kupferstich an der Rückwand der Kaschemme – folgt im Gan­ zen dem Beispiel Matsys’ dennoch recht getreu. Die kraftvolle, etwas derb wirkende Kupferstichtechnik erinnert an den Stil des Antwerpener Reproduktionsstechers Frans Huys (1522–1562). Prachtvoller, gegensatzreicher und toniger Druck mit Rand. Geringfügig angestaubt, die rechte obere Ecke abgeschrägt, leichte Altersspuren, sonst sehr gut erhalten. Aus der Sammlung Gaston de Ramaix (Lugt 4099).

(1545–1614, Antwerp)

This very rare, anonymous engraving was issued by the Antwerp publishing house of the engraver and publisher, Adriaen Huybrechts. The prototype on which it is based is an engraving by Cornelis Matsys in reverse and smaller in size, dating to around 1540 (Hollstein 130, see exhibition catalogue Spiegel van Alledag. Nederlandse genreprenten 1550–1700. Edited by E. de Jongh, G. Luijten. Amsterdam 1997, pp. 172–173). The author of the present work has slightly adapted a few details, such as the engraving on the rear wall of the tavern, although he has generally remained faithful to Matsys’ original. The vigorous and seemingly unpolished engraving technique brings to mind the style of the Antwerp reproductive engraver, Frans Huys (1522–1562). A superb, contrasting, tonal impression with margins. Slight surface soiling, the top right-hand corner tapered, minor ageing, otherwise in excellent condition. From the collection of Gaston de Ramaix (Lugt 4099).

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6. pieter de jode i.

(1570–1637, Antwerpen)

Die Vier Temperamente (Sanguineus; Phlegmaticus; Cholericus; Melancholicus). Folge von 4 Kupferstichen nach Maarten de Vos. Je ca 19,4 x 22,1 cm. Hollstein (de Jode) 101–104; The New Hollstein (M. de Vos) 1478–81. Die seltene Folge ist in ihrer ikonographischen Fülle und techni­ schen Virtuosität ein Meisterwerk des flämischen Spätmanieris­ mus. Ihr Autor, Pieter de Jode I., war ein Sohn des Antwerpener Kupferstechers Gerard de Jode. Laut Carel van Mander lernte er bei Hendrick Goltzius in Haarlem, und seine schwungvolle, disziplinierte und technisch hochentwickelte Kupferstichtechnik ist sicherlich dem prägenden Beispiel seines Lehrmeisters zu verdanken. In den frühen 1590er Jahren war de Jode in Amsterdam tätig und hielt sich anschließend in Italien auf, wo der vor­­lie­gende Zyklus nach Inventionen Maarten de Vos’ entstanden ist. Laut der Adresse fertigte de Jode die Kupferstiche in Venedig an und Crispijn de Passe gab die Folge heraus. Nach seiner Rückkehr aus Italien wurde de Jode um 1599/1600 als „Meistersohn“ in die Antwerpener Lukasgilde aufgenommen.

sinnfälligen, wechselseitigen Beziehung zu den Vier Elementen. Die gleichnishafte Thematik bietet dem Kupferstecher einen willkommenen Anlaß, jede einzelne Episode mit einem reichen Aufgebot an erzählerischen, genrehaften Details auszu­statten. Prachtvoll ist die Darstellung des schönen, eleganten Paares, das einträchtig im Freien musiziert. Mit sichtbarem Vergnügen hat de Jode jedes Schleifchen und jeden Knopf ihrer reich schim­ mernden Kostümierung dargestellt; mit einer liebevollen, ver­ traulichen Geste läßt die hübsche Frau ihre linke Hand auf der Schulter des feschen Kavaliers ruhen. Die intime Szene atmet höfische Eleganz und lässige Lebensfreude. Im Kontrast dazu steht der grimmige Choleriker in der Gestalt eines wüsten Landsknechtes. Doch auch hier hat de Jode es sich nicht nehmen lassen, das Geschehen mit feinsinnig beobachteten anekdo­ tischen Details aufzuheitern, so daß das Ganze eine leichtere Note bekommt. Eine hübsche Marketenderin mit keckem Feder­hut begleitet den Wüstling. Sie hegt ein Bologneserhündchen an ihrem Busen und führt unterschiedlichstes Federvieh, Rettiche und Wurzelgemüse mit, das als Proviant für die Wanderreise dient.

Die Szenen besitzen eine erzählerische Prägnanz und Expres­ sivität, die über die Stilsprache der Vorlagen des Maerten de Vos hinausgeht. Offenbar erlaubte de Jode sich künstlerische Freiheiten im Umgang mit dessen Prototypen und versah jede Einzelszene mit einem ausgeprägten Eigenleben. Dargestellt sind die Vier Temperamente entsprechend der Lehre des Hippokrates von Kós. Jede Grundgestimmtheit steht in einer

Prachtvolle, gegensatzreiche und tonige Drucke mit feinem Rändchen. Die Angabe im Hollstein-Band IX (de Jode) ist irre­ führend. Der Zyklus zählt vier statt fünf Blatt. Die von Hollstein aufgeführte Nummer bei Wurzbach bezieht sich auf eine Folge der Fünf Sinne. Minimale Altersspuren, Blatt 4 mit einem leichten Farbfleck, sonst vorzüglich erhalten. Aus der Sammlung Gaston de Ramaix (Lugt 4099).

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6. pieter de jode i

(1570–1637, Antwerp)

The Four Temperaments (Sanguineus; Phlegmaticus; Cholericus; Melancholicus). Set of four engravings after Maarten de Vos. Each approx. 19.4 x 22.1 cm. Hollstein (de Jode) 101–104; The New Hollstein (M. de Vos) 1478–81. The iconographic abundance and the consummate engraving technique demonstrated in this rare suite make it a masterpiece of late Flemish Mannerism. The author, Pieter de Jode I, was the son of the Antwerp engraver, Gerard de Jode. According to Carel van Mander, he studied under Hendrick Goltzius in Haarlem and his spirited, disciplined and technically sophisti­ cated engraving technique undoubtedly owes a great deal to the formative example of his teacher. In the early 1590s, de Jode was active in Amsterdam and subsequently spent a number of years in Italy, where the present suite based on inventions by Maar­ ten de Vos arose. The address indicates that Pieter made the engravings in Venice, the suite being published by Crispijn de Passe. After returning from Italy, de Jode was accepted into the Antwerp Guild of St. Luke as a master’s son around 1599/1600. The individual scenes in the suite are of a narrative succinctness and expressiveness which go beyond the stylistic idiom of the designs by Maerten de Vos. De Jode evidently took artistic liberties with these prototypes, giving each scene its own dis­tinctive character. The Four Temperaments are portrayed in accordance with the teachings of Hippocrates of Kós. Every

basic temperament has a clear reciprocal relationship with the four elements. The allegorical subject matter provides the engraver with a welcome opportunity to furnish each episode with a wealth of narrative, genre-like details. The portrayal of the handsome, elegant couple harmoniously making music in the open air is quite splendid. De Jode has depicted each bow and button on their richly shimmering costumes with visible pleasure. The attractive woman rests her left hand on the shoulder of the dashing cavalier in a gesture of trust and ten­ derness. The intimate scene radiates an atmosphere of courtly elegance and relaxed joie de vivre. In stark contrast, the grimfaced Cholericus is portrayed in the form of a rabid lansquenet. Here again, however, de Jode has seized the opportunity to brighten up the scene with subtly observed anecdotal details, thereby injecting a lighter note. A pretty female sutler sporting a jaunty feathered hat accompanies the rake. She clutches a little Bolognese dog to her bosom and has various poultry birds, radishes and root vegetables on her person in preparation for the journey ahead. Superb, contrasting and tonal impressions with thread margins. The entry in Hollstein, volume IX (de Jode) is misleading. The suite consists of four, not five engravings. The Hollstein number given in Wurzbach refers to a series on the Five Senses. Minor ageing, the last sheet of the series with a slight speck of colour, otherwise in excellent condition. From the collection of Gaston de Ramaix (Lugt 4099).

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7. lambert lombard (1506–1566, Lüttich) Christus und die zwölf Apostel. Folge von 13 Kupfer­ stichen nach Lambert Lombard. Je ca 19,8 x 11,8 cm. Nagler, Die Monogrammisten IV, 1173. Die eminent seltene Apostelfolge nach Vorlagen des Lütticher Meisters Lambert Lombard ist in der beschreibenden Literatur nur summarisch erwähnt. Nagler weist in seinem Monogrammisten-Lexikon als Erster auf die Folge hin und deutet das Monogramm LL INV auf der Darstellung des hl. Matthäus richtigerweise als Lambert Lombard. Unser Zyklus findet Erwähnung im Nachlassinventar der Volcxken Diericx, der Witwe des Antwerpener Verlegers Hieronymus Cock, das im Jahre 1601 zwecks Verteilung der Erbschaft aufgestellt wurde. Das umfangreiche Verzeichnis, das etwa 1600 Druckplatten

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enthält, vermittelt ein hochinteressantes Bild vom Geschäftsgebaren des äußerst erfolgreichen und geschäftstüchtigen Antwerpener Verlegers und seiner nicht weniger umtriebigen Frau, und stellt dieses in ein neues Licht. Offenbar vertrieben Cock und, nach seinem Tod im Jahre 1570, seine Witwe nicht nur Kupferstiche aus eigenem Verlag, sondern verkauften auch Abzüge von Druckplatten, die sie von anderen Kupferstechern oder Verlegern erworben hatten. So verwaltete Cock beispielsweise die Kupferplatten einer Apostelfolge des Lambert Sua­ vius, nachdem dieser nach Frankfurt übergesiedelt war, und veräußerte Abzüge davon an den Antwerpener Kollegen Christoffel Plantin. Diericx wiederum verkaufte 1582 im Rahmen einer bedeutenden Transaktion, deren Wert sich auf mehr als 1000 Gulden belief, auch Abzüge der vorliegenden Folge an


den Verleger Bartholomeus de Mompere (siehe J. van Grieken, „Facetten van de uitbouw en de exploitatie van een uitgeversfonds“, in: Ausstellungskatalog Hieronymus Cock. De Renaissance in prent. Brüssel-Leuven-Paris 2013, S. 22–25). Die Blätter unserer Folge zeigen große stilistische Ähnlichkeit mit einer Folge von zehn Weiblichen antiken Statuen, die ebenfalls von Cock vertrieben wurde (siehe Ausstellungskatalog Hieronymus Cock, Nr. 15 a, S. 108–109). Sie zeigen einen ver­ gleichbaren robusten, etwas derben und statischen Gravierstil, der jedoch gleichzeitig sehr expressiv – und trotz des klei­nen Formats – ausgesprochen monumental wirkt. Auch die schema­tische Behandlung der Hintergründe mit den eng geführten Parallelschraffuren ist auffallend ähnlich. Die Dar-

stellungen gehen wohl auf Vorzeichnungen von Lambert Lombard selbst zurück, und es ist anzunehmen, daß der anonyme Kupferstecher aus seinem Schülerkreis stammte. Nach Überlieferung von Lampsonius betrieb Lombard in seinem Haus eine Privatakademie, wo angehende Künstler nach Vorlagen von ihm und von anderen Künstlern zeichnen und gravieren lernten. Prachtvolle, gratige Frühdrucke, vor den gestochenen Inschriften mit den Apostelnamen. Ein weiteres Exemplar der Folge befindet sich in Brüssel (Koninklijke Bibliotheek van Belgie, Prentenkabinet), jedoch sind die einzelnen Abzüge bereits mit der jeweiligen Inschrift versehen. Minimale Altersspuren verso, sonst in vollkommener, musealer Erhaltung.

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7. lambert lombard

(1506–1566, Liège)

Christ and the Twelve Apostles. Series of thirteen engravings after Lambert Lombard. Each approx. 19.8 x 11.8 cm. Nagler, Die Monogrammisten IV, 1173. Only summary mention is made in the descriptive literature of the extremely rare apostle series after originals by the Liège master, Lambert Lombard. Nagler was the first to draw attention to it in his encyclopaedic work The Monogrammists, correctly identifying the monogram LL INV on the depiction of St. Matthew as that of Lambert Lombard. Our cycle is men­ tioned in the inventory of the estate of Volcxken Diericx, the widow of the Antwerp publisher, Hieronymus Cock, which was

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compiled in 1601 to divide up the inheritance. The extensive register, which contains some 1,600 copper plates, provides a very interesting picture of the practices of this highly efficient and extremely successful Antwerp publisher and his no less industrious wife and puts his business activities in a new light. Quite clearly Hieronymus Cock and, after his death in 1570, his widow Volcxken Diericx sold not only engravings from their own publishing house, but also impressions from printing plates they had acquired from other engravers or publishers. Cock, for instance, held onto the copper plates of an apostle series by Lambert Suavius after the latter had moved to Frankfurt and sold impressions from them to his Antwerp colleague, Christoffel Plantin. As part of a major transaction in 1583, the value of


which exceeded 1,000 guilders, Diericx in turn sold impressions of the present series to the publisher, Bartholo­meus de Mompere (see J. van Grieken, “Facetten van de uitbouw en de exploitatie van een uitgeversfonds” in: Exhibition catalogue Hieronymus Cock. De Renaissance in prent. Brussels-Leuven-Paris 2013, pp. 22–25). The prints in our series show a considerable stylistic simila­ rity with a series of ten Antique Female Statues which were also sold by Cock (see Exhibition catalogue Hieronymus Cock, No. 15a, pp. 108–109). They reveal a comparably robust, somewhat crude and static engraving style which is nonetheless very expressive and appears quite monumental despite the small size of the prints. There is also a striking similarity in the

schematic treatment of the backgrounds with narrow parallel hatchings. In all likelihood the depictions are based on pre­ liminary drawings by Lambert Lombard himself and it can be assumed that the anonymous engraver was one of his pupils. According to Lampsonius, Lombard ran a private academy in his own house, where aspiring artists learned to draw and engrave after his own works and those of other artists. Superb, strong early impressions, before the engraved inscriptions with the names of the apostles. A further complete set is in Brussels (Koninklijke Bibliotheek van Belgie, Prentenkabinet). The indi­vidual impressions already have the respective inscription, how­­ever. Minor ageing, otherwise in pristine condition.

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8. frans menton (um 1550 – um 1615, Alkmaar)

frans menton

Die vier Elemente, nach Frans Floris. Vier Kupferstiche, auf zwei Bogen gedruckt. Je ca 15,7 x 23 cm. The New Hollstein (Floris) 111–114.

The Four Elements, after Frans Floris. Four engravings, printed on two sheets. Each approx. 15.7 x 23 cm. The New Hollstein (Floris) 111–114.

Über den Maler und Kupferstecher Frans Menton ist nur wenig bekannt. Laut Carel van Mander, der den Künstler persönlich gekannt hat, ging er in jugendlichem Alter in Antwerpen bei Frans Floris in die Lehre. Ab 1580 lebte und arbeitete Menton in seiner Geburtsstadt Alkmaar in den nördlichen Niederlanden. Er soll sich hier vor allem als Bildnismaler hervorgetan haben, jedoch sind keine Porträts seiner Hand überliefert.

Very little is known about the painter and engraver, Frans Menton. According to Carel van Mander, who knew the artist personally, he was apprenticed as a young man to Frans Floris in Antwerp. From 1580 Menton lived and worked in his native city of Alkmaar in the northern Netherlands, where he apparently earned himself a reputation as a portrait painter. None of his portraits have survived, however.

Die vorliegende seltene Folge nach Vorlagen des Frans Floris erschien im Verlag des Hieronymus Cock und trägt dessen Adresse sowie das Datum 1568. Es handelt sich um eine frühe, während der Antwerpener Studienzeit Mentons entstandene Arbeit. Die Blätter sind in einer derben, stark vereinfachenden Graviertech­nik ausgeführt, welche die urwüchsige Kraft und die Expres­sivität der Vorlagen Floris’ jedoch überzeugend wiedergeben. Floris selbst wurde offenbar bei der Arbeit an den Vorlagen von anderen Künstlern inspiriert. Van de Velde hat darauf hingewie­sen, daß die Darstellung des Wassers starke kompositorische Ähnlichkeiten mit einer etwa gleichformatigen Radierung Leon Davents nach einer Zeichnung Primaticcios aufweist (Eine Nymphe betrachtet einen entfliehenden Reiher, Zerner L. D. 37).

The present rare suite after originals by Frans Floris was published by Hieronymus Cock and bears his address and the date 1568. This is one of Menton’s early works made while he was an apprentice in Ant­werp. The sheets have been executed in an engraving technique which is crude and has a tendency to simplify but which nonetheless convincingly reproduces the elemental power and expressiveness of Floris’ originals. Floris himself was obviously inspired by the original works of other artists. Van de Velde has pointed out that the rendering of the water bears distinct compositional similarities to Leon Davent’s etching of roughly the same size after a drawing by Primaticcio (A Nymph Observes an Escaping Heron, Zerner L. D. 37).

(ca. 1550 – ca. 1615, Alkmaar)

Superb, contrasting impressions with broad margins. Minor staining and ageing, otherwise in very good condition.

Prachtvolle, gegensatzreiche Drucke mit breitem Rand. Gering­ fügig fleckig, leichte Altersspuren, sonst sehr gut erhalten.

Leon Davent. A Nymph Observes an Escaping Heron. Etching. Zerner L. D. 37.

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9. giulio cesare procaccini (1574 Bologna – 1625 Mailand)

giulio cesare procaccini

Die Heilige Familie. Radierung. 16,4 x 12,4 cm. B. XIX, 75, 2 (Andrea Camassei).

The Holy Family. Etching. 16.4 x 12.4 cm. B. XIX, 75, 2 (Andrea Camassei).

Das druckgraphische Werk Giulio Cesares ist von größter Sel­ tenheit und weitaus weniger bekannt als das Œuvre seines älteren Bruders Camillo. Laut Sue Welsh Reed können nur zwei der traditionell sechs Giulio Cesare zugeschriebenen Blätter als autograph betrachtet werden (siehe Italian Etchers of the Renaissance and Baroque. Boston, 1989. Nr. 58, S. 121–123). Die vorliegende Heilige Familie wurde von Adam von Bartsch irrtümlich dem in Rom tätigen Maler Andrea Camassei (1602– 1649) zu­ge­schrieben, es handelt sich jedoch um eine autographe, um 1613 bis 1615 entstandene Arbeit Giulio Ceare Procaccinis. Offenbar beschäftigte Procaccini sich nur nebenbei und für eine kurze Zeit mit dem Medium der Radierung, was die schlichte, rudimentäre Technik des vorliegenden Blattes erklärt. Der Künstler verwendete ein einfaches, transparentes System von rasch hingeworfenen Parallel- und Kreuzschraf­furen, die dem Blatt die Spontaneität einer Federzeichnung ver­leihen. Die Radierung wurde in einem einzelnen Ätzvorgang ausgeführt und zeigt gewisse technische Unzulänglichkeiten, die auf eine mangelnde Erfahrung mit dem Medium hindeuten. Vereinzelte Partien der Darstellung weisen Spuren von Fehl­ätzung auf, die betreffenden Stellen sind mit dem Pinsel überarbeitet worden. Inwiefern diese Korrekturen eigen­händig sind, läßt sich nicht eindeutig beantworten. Nichts­destotrotz ist das kleine, kostbare Blatt auf Grund seiner freien, flüssigen Linienführung und seiner atmosphärischen Durchdringung als Musterbeispiel einer Malerradierung zu betrachten. Die spontane Kompositionsweise und die Eleganz der Formensprache unterstreichen den emotionalen Gehalt der Darstellung und schaffen eine Atmosphäre entrückter Melancholie, die ohne das Beispiel Parmigianinos nicht denkbar ist.

The prints of Giulio Cesare are of greatest rarity and far less known than the work of his brother Camillo. According to Sue Welsh Reed, only two of the six prints hitherto attributed to Giulio Cesare are autograph works (see exhibit. cat. Italian Etchers of the Renaissance and Baroque, Boston 1989, no. 58, pp. 121–123). The present print was erroneously attributed to Andrea Camassei (1602–1649), a painter active in Rome, by Adam von Bartsch. However, it is an autograph work by Procaccini, done between 1613–15. Apparently the artist only made etchings on the side and for a short period; this would account for the very basic etching technique deployed in the present sheet. Procaccini has used a simple system of parallel and crosshatching, which lends the etching some of the spontaneity of a pen drawing. The plate was created in a single bite and certain technical defects point to the artist’s lack of experience in the medium. Individual areas of clothing and draperies show foul biting, later overworked with the brush. It is not fully clear whether or not this retouching was done by the artist himself. In any case, this small, precious sheet must be appreciated for its freedom and elegance of line and for its atmospheric qualities. The fluid and concentrated composition and the softness of the lines and individual form emphasize the emotional content and create a melancholy atmosphere that surely refers to the work of Parmigianino.

Die Radierung ist von großer Seltenheit und nur in wenigen Exemplaren überliefert. Prachtvoller, toniger Druck auf bräunlichem, warm patiniertem Papier, die Plattenkante stellen­ weise sichtbar. Minimale Gebrauchsspuren verso, vereinzelte Klebereste ebenda, sonst sehr schönes, unbehandeltes Exemplar. Aus der Sammlung Alcide Donnadieu (Lugt 97), laut einer alten Bezeichnung in Bleistift verso auch aus dem Cab(inet) Dreux (Lugt 694–5, 1302–3) et Guichardot.

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(1574 Bologna – 1625 Milan)

The present etching is extremely rare and only very few impressions are known. A superb impression printed with subtle plate tone, on brownish, warm-toned paper; the platemark partly visible. Minor handling marks and glue residues on the verso, otherwise in mint, unrestored condition. From the collection of Alcide Donnadieu (Lugt 97), according to an old pencil inscription on the verso, also from the Cab(inet) Dreux et Guichardot (Lugt 694–695 and 1302–1303).


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10. johannes sadeler i.

johannes sadeler i

Die Allegorie des Krieges mit der Plünderung eines Bauern­ hofes. Kupferstich nach Jost Amman. 24,6 x 26,3 cm. Nach 1584. Hollstein (J. Sadeler) 560; The New Holl­ stein (Amman) 215 I (von II).

Allegory of War with the Pillaging of a Farmstead. Engraving after Jost Amman. 24.6 x 26.3 cm. After 1584. Hollstein (J. Sadeler) 560; The New Hollstein (Amman) 215 I (of II).

Die Allegorie des Krieges geht auf eine Vorlage des schweizerischdeutschen Malers, Zeichners und Graphikers Jost Amman zurück. Sie illustriert ein Motto aus dem alttestamentlichen Buch Jesaja, Kapitel 56, das vor dem Einfluß falscher Ratgeber warnt: „O mein Volck / die dich weisen / verfüren dich / deine Wechter seind alle blind / stumme Hund / mögen nit bellen“.

The present “Allegory of War” is based on an original by the Swiss-German painter, draughtsman and printmaker, Jost Amman. It illustrates a motto from Chapter 56 of the Old Testament Book of Isaiah, which warns of the danger of false advice: “O my people / those who lead you / entice you / Your watchmen are all blind / dumb watchdogs / all unable to bark”.

In einer weiten Landschaft findet kriegerisches Treiben statt. Ein bewaffneter Reiter verfolgt einen davoneilenden Hirten, während ein anderer Soldat eines seiner Schafe tötet. Vorne ist ein Wagen mit Raubgut vollgeladen, der angekettete Wachhund liegt reglos danieder und leistet, wie der Vierzeiler im Textrand besagt, dem bedrängten Hirten keinen Beistand. Die Allegorie liegt hier im sehr seltenen ersten Druckzustand vor, bei dem die Darstellung gestochen, der Text im unteren Schriftrand jedoch von einem separaten Holzstock gedruckt ist. Im zweiten Druckzustand dagegen wurde die Darstellung in nur einem Druckvorgang gedruckt und der Text in Nach­ ahmung des Buchdrucks radiert. Offenbar war Sadeler die Kom­ bination von Kupferstich und Buchdruck zu aufwändig und er entschloss sich für ein einfacheres Verfahren. Gero Seelig sind lediglich zwei Abzüge des ersten Druckzustandes bekannt, die sich im Berliner Kupferstichkabinett und in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel befinden.

Armed conflict is going on in a wide-ranging landscape. An armed man on horseback pursues a fleeing shepherd while another soldier kills one of his sheep. In the foreground stands a wagon loaded with booty; a chained watchdog lies motionless next to it and gives no assistance to the shepherd in distress, as is stated in the four-line verses at the bottom. This is a very rare first state of the allegory in which the depiction was engraved but the text in the lower text margin was printed from a separate wood block. In the second state, however, the scene was printed in just one printing process and the text was etched in imitation of a letterpress. Sadeler obviously found the combi­ nation of engraving and letterpress printing too time-consuming and so opted for a simpler process. Gero Seelig knows of only two impressions from the first state, which are in the Berliner Kupferstichkabinett and the Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel.

(1550 Brüssel – um 1600 Venedig)

Ausgezeichneter, gleichmäßiger Druck, minimal innerhalb der Plattenkante beschnitten. Geringfügige Ausbesserungen, der Gesamteindruck jedoch sehr gut. Aus der Sammlung Pierre Mariette, 1680 (Lugt 1790).

(1550 Brussels – ca. 1600 Venice)

A very fine, even impression, minimally trimmed inside the platemark. Minor defects, otherwise in very good condition. From the collection of Pierre Mariette, 1680 (Lugt 1790).

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11. ercole bazicaluva (um 1600 Pisa – seit 1638 in Florenz tätig)

ercole bazicaluva

„La rivière navigable“ (Eine Flusslandschaft mit zwei Segelschiffen). Radierung. 22,7 x 28,8 cm. Nicht bei Bartsch; Meaume (Callot) 1381.

“La rivière navigable” (River Landscape with Two Sailing Ships). Etching. 22.7 x 28.8 cm. Not in Bartsch; Meaume (Callot) 1381.

Der Radierer Ercole Bazicaluva, auch Fiorentino genannt, war Schüler Giulio Parigis in Florenz und Kommilitone Jacques Callots, von dem er wesentlich beeinflusst wurde. Er schuf ein kleines Œuvre von Radierungen, die durch ihre etwas derbe, bodenständige Technik und eine stark dekorative Wirkung gekennzeichnet sind. Die vorliegende Flusslandschaft war Bartsch unbekannt. Die Radierung ist außerordentlich selten und gehört einer Folge von zwei Marinen an, die zuerst von Edouard Meaume katalogisiert wurde. Während das vorliegende erste Blatt von Bazicaluva signiert ist, handelt es sich bei dem Pendant um die Arbeit eines anonymen Künstlers. Die Landschaft ist flott und routiniert skizziert. Eine wuchtige Eiche vorne rechts fungiert als Repoussoir; die sparsame figür­ liche Staffage setzt belebende Akzente. Die beiden Lastkähne mit den gestrichenen Segeln gehen direkt auf Prototypen von Jacques Callot und Stefano della Bella zurück. Trotz dieser Abhängigkeit geht von der Darstellung ein anmutiger, dekorativer Reiz aus.

The etcher Ercole Bazicaluva, also called Fiorentino, was taught by Giulio Parigi in Florence and was a fellow student of Jacques Callot, by whom he was greatly influenced. He produced a small body of etchings, typical of which are an unpolished, down-to-earth technique and a pronounced decorative effect. The present riverside scene was unknown to Bartsch. The etch­ing is exceedingly rare and forms part of a set of two riverscapes first catalogued by Edouard Meaume. While this first print was signed by Bazicaluva, its companion piece was the work of an anonymous artist. The landscape has been sketched in brisk and expert fashion. A sturdy oak tree serves as a repoussoir in the right foreground; the sparse figurative staffage has an enlivening effect. The two barges with their sails struck are taken from prototypes by Jacques Callot and Stefano della Bella. This dependence notwithstanding, the riverside scene radiates a pleasant, decorative charm.

Prachtvoller, toniger Druck mit Rand. Leichte Altersspuren, verso an den Ecken alte Montierungsreste, sonst vorzüglich erhalten.

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(circa 1600 Pisa – after 1638 active in Florence)

A very fine, tonal impression with margins. Minor ageing, traces of previous mounting at the corners, otherwise in excellent condition.


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12. carlo biffi (1605 – um 1675, Mailand)

carlo biffi

Vier Charakterköpfe. Radierung mit Weißhöhung auf blauem Papier. 11,3 x 14,7 cm. Nicht bei Bartsch, Le Blanc 2.

Four Character Heads. Etching with white heightening on blue paper. 11.3 x 14.7 cm. Not in Bartsch, Le Blanc 2.

Der Bildhauer und Kupferstecher Carlo Biffi war der Sohn und Schüler des Dombildhauers Gianandrea Biffi d. Ä. Er bildete sich weiter an der Accademia Ambrosiana, wo sein Vater Skulptur unterrichtete, und ging in der Folgezeit der Überlieferung nach bei Camillo Procaccini in die Lehre. Laut Orlandi (1733) war Biffi ein talentierter Maler. Er gab diese Tätigkeit jedoch bald auf und arbeitete ab 1631 als Bildhauer für den Mailander Dom. Interessant ist Biffis Wirken als Kupferstecher. Bartsch verzeichnet lediglich ein Blatt, das Bildnis des Schauspielers Francesco Gabrielli aus dem Jahre 1633, das er lobend erwähnt („Elle est d’un dessin parfait, et gravée d’une pointe ferme et nourrie“).

The sculptor and engraver, Carlo Biffi, was the son and student of the cathedral sculptor, Gianandrea Biffi the Elder. He continued his training at the Accademia Ambrosiana, where his father taught sculpture, and is subsequently thought to have been apprenticed to Camillo Procaccini. According to Orlandi (1733), Biffi was a talented painter. However, he soon gave up painting and from 1631 worked as a sculptor at Milan Cathedral. Biffi’s activities as an engraver are interesting. Bartsch records just one engraving, the Portrait of the Actor Francesco Gabrielli (1633), which he commends with the words “Elle est d’un dessin parfait, et gravée d'une pointe ferme et nourrie”.

Die vorliegende Darstellung von vier Charakterköpfen wurde lediglich von Le Blanc erwähnt und ist von erlesener Seltenheit. Wir konnten lediglich ein weiteres Exemplar in der Samm­ lung Bertarelli in Mailand nachweisen (Raccolta Stampe Bertarelli, Cart. 263). Das kleine Blatt ist in einer ansprechenden, gewand­ten Radiertechnik ausgeführt und die delikaten Weißhöhungen verleihen dem pittoresken Sujet zusätz­lichen Charme. Die markanten Männerköpfe mit den langen, wallenden Haaren und expressiven Mienen sind Bindeglied einer langen Tradition, welche auf die grotesken Charakterköpfe Leonardos zurückgeht.

(1605 – circa 1675, Milan)

The present depiction of four character heads, mentioned only by Le Blanc, is exquisitely rare. We were able to verify just one other impression, which is in the Bertarelli Collection in Milan (Raccolta Stampe Bertarelli, Cart. 263). The small sheet has been executed in a skilful, engaging etching technique and the delicate white heightening lends the picturesque subject added charm. The distinctive male heads with their long, flow­ing hair and expressive features form part of a long tradition which stretches back to the character heads by Leonardo. A superb, contrasting impression with thread margins around the framing line. Minor staining, otherwise in perfect condition.

Ausgezeichneter, kontrastreicher Druck mit feinem Rändchen um die Einfassungslinie. Minimal fleckig, sonst vorzüglich erhalten.

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13. andrea camassei

andrea camassei

Die Hl. Familie mit dem Johannesknaben. Radierung. 17 x 22,4 cm. Bartsch 1.

The Virgin and Child with St. John as a Boy. Etching. 17 x 22.4 cm. Bartsch 1.

Der Maler Andrea Camassei hat lediglich eine Radierung geschaffen, die laut Adam von Bartsch „beaucoup de goût et de grace dans la compostion“ zeigt und bereits von jenem Autor als sehr selten bezeichnet wurde. Bei dem zweiten von Bartsch verzeichneten Blatt, einer weiteren Heiligen Familie, handelt es sich hingegen um eine Arbeit Giulio Cesare Procaccinis (siehe Katalognr. 9).

The painter, Andrea Camassei, produced just one etching which, according to Adam von Bartsch, radiates “beaucoup de goût et de grace dans la composition” and was described by the author as very rare. However, the second print recorded by Bartsch, depicting the Holy Family, is in fact a work by Giulio Cesare Procaccini (see catalogue number 9).

(1602 Bevagna – 1649 Rom)

Camassei lernte in Rom bei keinen Geringeren als Domeni­ chino und Andrea Sacchi und begann in den 1620er Jahren eine erfolgreiche Laufbahn als Maler und Freskant. Er genoss die besondere Protektion des Papstes Urban VIII. Barberini und erhielt von ihm das ehrenvolle Amt eines Kustoden der Sixti­ni­ schen Kapelle. Dementsprechend hatte Camasseis Name am Anfang seiner Karriere ein vergleichbares Prestige wie der sei­ner Kollegen Andrea Sacchi und Pietro da Cortona, und er gehörte mit ihnen zu den vom Urban VIII. favorisierten Malern. Später verließ ihn jedoch seine Fortüne. Die Eifersüchteleien seiner römischen Konkurrenten, Familienzwistigkeiten und sogar eine Verhaftung wegen einer Prügelei führten zu einer zunehmenden Isolierung des Künstlers, der 1649 verbittert und vereinsamt starb. So hatten die Widrigkeiten seines Lebenslaufes letztendlich zur Folge, daß Camassei in künstlerischer Hinsicht niemals das Niveau von Hauptmeistern des römischen Barocks wie Cortona und Sacchi erreichte. Die vorliegende Radierung ist in einer leichten, schwungvollen und spirituellen Technik behandelt. Gewisse technische Unzu­ länglichkeiten weisen auf einen Erstlingsversuch hin, den­noch besticht die Szene durch ihre betont malerische, atmosphärische Auffassung und ihre liebevolle Intimität. Sehr einfühlsam ist die Pose des Jesusknaben betrachtet, der sich Schutz suchend an die Mutter anschmiegt. Prachtvoller, toniger und differenzierter Abzug, bis auf die stellenweise gratige Plattenkante beschnitten. Alt montiert. Leichte Altersspuren, sonst vorzüglich erhalten.

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(1602 Bevagna – 1649 Rome)

Camassei studied in Rome under none other than Domenichino and Andrea Sacchi and began a successful career as a painter of pictures and frescoes in the 1620s. He enjoyed the special protection of Pope Urban VIII Barberini, being appointed by him to the honourable office of Custodian of the Sistine Chapel. Thus at the outset of his career Camassei enjoyed a prestige comparable to that of his fellow artists, Andrea Sacchi and Pietro da Cortona, together with whom he ranked among the painters favoured by Urban VIII. Later on, however, his fortunes took a turn for the worse. Petty jealousies among his rivals in Rome, inner-family disputes and even an arrest for brawling resulted in a life of increased isolation for the artist, who died embittered and impoverished in 1649. Ultimately, the adversities Camassei encountered meant that he never achieved the artistic heights attained by the main masters of Roman Baroque such as Cortona and Sacchi. The present etching has been executed in a light, energetic and spirited manner. Certain technical deficiencies indicate that it represents a first attempt. Nonetheless, the scene is remarkable for its distinctly painterly, atmospheric style and tender intimacy. The posture of the baby Jesus, who nestles up to his mother in search of protection, is rendered with great sensi­ti­vity. A superb, tonal and subtly differentiated impression, trimmed to the occasionally inky platemark. Slight ageing, otherwise in excellent condition.


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14. gerard edelinck (1640 Antwerpen – 1707 Paris)

Bildnis des Dominik Andreas I. Grafen von Kaunitz. Kupferstich und Radierung. 47,9 x 35,1 cm. 1698. Robert-Dumesnil 228. Der aus Flandern stammende Kupferstecher Gerard Edelinck ließ sich 1666 in Paris nieder und brachte es in dieser Stadt zu großer künstlerischer Anerkennung und Fortüne. Nach seiner Ausbildung in Antwerpen bei Gaspar Huybrechts und Cor­ nelis Galle d. Jüngeren, bildete er sich in Paris bei so renom­ mierten Meistern wie François de Poilly, Robert Nanteuil und Philippe de Champagne weiter. Förderlich für seine berufliche Zukunft war sicherlich auch die 1672 erfolgte Eheschließung mit einer Nichte Nanteuils. 1675 erhielt Edelinck durch königliche Order die französische Nationalität und zählte bald zu den Ersten seiner Zunft. Sein druckgraphisches Œuvre zählt über vierhundert Blatt und gehört zum Besten, was während des 17. Jahrhunderts in Frankreich auf dem Gebiet der Grabstichelkunst geschaffen wurde. Vor allem Edelincks Porträt­ stiche waren bei den Zeitgenossen sehr beliebt und zeichnen sich durch ihre verblüffende handwerkliche Virtuosität und ihre treffsichere psychologische Charakterisierung aus. So auch dieses eindrucksvolle Bildnis des Grafen Kaunitz, das 1697, recht spät in Edelincks Schaffen entstand. Der Dargestellte, Dominik Andreas I. Graf von Kaunitz (1655–1705) war ein angesehener österreichischer Staatsmann und Würden­ träger am kaiserlichen Hof, der im Laufe seiner glanzvollen politischen Karriere mit zahlreichen wichtigen diplomati­schen Mis­sionen betraut wurde. Von 1696 an war er Vizekanzler des Heiligen Römischen Reiches und in dieser Funktion maßgeblich um eine Politik des Ausgleichs mit Frankreich bemüht. Edelinck zeigt Kaunitz im besten Mannesalter. Eine Allongeperücke und die kostbare seidene Kleidung verleihen dem Dargestellten Würde und Statur und die Ordenskette des Golde­nen Vlieses ist ein weiteres unübersehbares Indiz seiner heraus­

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ragenden gesellschaftlichen Stellung. Mehr noch als durch die dargebotene virtuose Stoffbehandlung überzeugt Edelinck jedoch durch die eindringliche, schonungslose Charakteri­ sierung des Dargestellten. Kaunitz blickt den Betrachter mit einer Mischung aus Arroganz und Misstrauen an und erscheint als die vollkommene Inkarnation des skrupellosen Machtmenschen, der er zweifellos war. Seine physische Präsenz ist fast greifbar. Ungeheuer lebensnah wirkt der aufgedunsene, fleischige Kopf mit dem wollüstigen kleinen Mund, der auf einem massigen, von ausschweifender Lebensweise zeugenden Oberkörper ruht. Man fragt sich, ob der Geheimrat wirklich glücklich gewesen ist mit diesem Konterfei. Edelincks technisch vollendete Grabsticheltechnik charakterisiert das Inkarnat, die Perücke und die Kleidung des Porträtierten auf unübertreffliche Weise. Als eine besondere künstlerische Zugabe figuriert die illusionistische Umrahmung des in einem Oval gefassten Bildnisses. Während der Künstler für die Wiedergabe des Wappens und der dekorativen Schleifen den Grabstichel benutzt hat, ist die steinerne, profilierte Einfassung in einer leichten und erstaunlich nuancierten Radiertechnik ausgeführt. Die winzigen, nervösen Schraffurmuster kontrastieren wirkungsvoll mit dem wuchtigen Liniengeflecht des Grabstichels und heben die Beschaffenheit des Natursteins mit seinen feinen, marmorähnlichen Verfärbungen und winzigen Absplitterungen täuschend wirklichkeitsgetreu hervor. Prachtvoller, fein abgestufter und unübertrefflich harmonischer Frühdruck mit gleichmäßigem Rand; die Hilfslinien für die Schrift noch deutlich sichtbar. Das Blatt liegt in einem von Robert-Dumesnil nicht erfassten Druckzustand vor der Jahreszahl 1697 in der Inschrift vor. Geringfügige Altersspuren, verso etwas fleckig und mit vereinzelten Montierungsresten, sonst vorzügliches, unbehandeltes Exemplar.


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14. gerard edelinck (1640 Antwerp – 1707 Paris) Portrait of Dominik Andreas I, Count of Kaunitz. Engraving and etching. 47.9 x 35.1 cm. 1698. RobertDumesnil 228. In 1666, Gerard Edelinck, an engraver from Flanders, settled in Paris, where he achieved great artistic fame and fortune. Following his apprenticeship to Gaspar Huybrechts and Cornelis Galle the Younger in Antwerp he continued his training in Paris under such renowned masters as François de Poilly, Robert Nanteuil and Philippe de Champagne. His marriage to one of Nanteuil’s nieces in 1672 certainly proved propitious for his artistic career. Edelinck was given French nationality by order of the king in 1675 and soon became one of the foremost artists in his guild. The over four hundred prints of his oeuvre rank among the best reproductive engravings made in 17th century France. Edelinck’s portrait engravings, in par­ ticular, were very popular with his contemporaries, being distinguished by their astonishingly virtuoso craftsmanship and the succinctness of their psychological characterisation. Evidence of these qualities is provided by the imposing portrait of the Count of Kaunitz, created in 1697 at a late stage in Edelinck’s career. Dominik Andreas I, Count of Kaunitz (1655– 1705), was a well-respected Austrian statesman and dignitary at the imperial court, who was entrusted with numerous important diplomatic missions in the course of his illustrious political career. After 1696 he was Vice-chancellor of the Holy Roman Empire and in this capacity closely involved in efforts to achieve an accommodation with France. Edelinck shows Kaunitz in the prime of his manhood. A full-bottomed wig and precious silk clothing give the diplomat dignity and stature, while the

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chain of the Order of the Golden Fleece is a further unmistakable attribute of his prominent social status. Edelinck’s masterly treatment of the subject matter is surpassed, however, by his vivid, ruthless characterisation of the count. Kaunitz looks at the beholder with a mixture of arrogance and distrust, a perfect incarnation of the unscrupulous power-seeker he undoubtedly was. His physical presence is almost tangible. The rendering of his bloated, fleshy head with the voluptuous little mouth – resting on top of a massive upper torso that betrays an all too extravagant lifestyle – is unbelievably realistic. One cannot help wondering whether the privy councillor was really happy with his likeness. Edelinck’s consummate burin technique superbly characterises the count’s complexion, wig and clothing. The illusionistic frame of the oval portrait can be considered a special artistic bonus. While the artist has used a burin to reproduce the coat of arms and the decorative ribbons, the clearly defined stone surround has been executed in a deft and astonishingly nuanced etching technique. The tiny, agitated hatching patterns contrast effectively with the robust linework of the burin and bring out in a deceptively realistic manner the quality of the natural stone with its fine, marble-like colouring and tiny chippings. A very fine, nuanced and harmonious early impression with even margins; the auxiliary lines for the inscription are still readily discernible. The impression is available in a state not recorded by Robert-Dumesnil, before the year 1697 in the inscription. Minor ageing, slightly foxed on the verso and with occasional remains of the previous mounting, otherwise in excellent condition.


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15. frederik de moucheron (1633 Emden – 1686 Amsterdam)

frederik de moucheron (1633 Emden – 1686 Amsterdam)

Weite südliche Landschaft mit einem kleinen Wasserfall, vorne ein Wanderer im Gespräch mit einem zeichnenden Künstler; Südliche Landschaft mit einer Wassermühle, vorne zwei Jäger bei der Entenjagd. Graphit, Feder in Grau, Pinsel in Grau. Je 31,2 x 26,5 cm. Jeweils signiert: ”Moucheron fecit“.

Wide southern landscape with a small waterfall, in the foreground a traveller talking to an artist as he draws; Southern landscape with a water mill, in the foreground two hunters shooting duck. Graphite, pen and grey ink, brush drawing in grey. Each 31.2 x 26.5 cm. Both signed: “Moucheron fecit”.

Die überaus stattlichen, bildmäßig komponierten und voll signierten Blätter wurden zweifellos vom Künstler als Pen­dants konzipiert. Darauf deuten die identische Ausführung, das über­einstimmende Format und die sorgfältig arrangierten Bildachsen hin, welche eine subtile kompositorische Harmo­ nie erzeugen. Frederik de Moucheron war ein Schüler des Jan Asselijn und wurde in seiner Landschaftsauffassung stark von dessen italianisierendem Stil geprägt. Wahrscheinlich hat Moucheron Italien selbst aber niemals besucht. Zwischen 1655 und 1658 unternahm er jedoch eine Reise nach Frankreich, wo er in den Alpen, nördlich von Grenoble zahlreiche Landschaftsstudien anfertigte. 1659 ließ sich der Künstler in Amster­ dam nieder.

The large, pictorially composed and fully signed sheets were clearly designed by the artist as companion pieces. This is evi­­ denced by the identical rendering, the matching format and the carefully arranged pictorial axes which ensure an elegant compositional harmony. Frederik de Moucheron studied under Jan Asselijn and his approach to landscape was greatly influenced by Asselijn’s Italianate style. Moucheron probably never visited Italy himself. Between 1655 and 1658, however, he travelled to France, where he made numerous landscape studies in the Alps to the north of Grenoble. In 1659 the artist settled in Amsterdam.

Die beiden vorliegenden Zeichnungen dürften nach Moucherons Rückkehr in die Niederlande entstanden sein. Im Duktus unterscheiden sie sich wesentlich von den freier und malerischer behandelten Blättern der französischen Reise. Der sehr konzentrierte und sorgfältige Zeichenstil lässt auf eine Datierung um 1670 schließen und es ist anzunehmen, dass Blätter in dieser technischen Vollendung für den Verkauf gedacht waren. Die subtile und souveräne Federtechnik, die vor allem bei der Wiedergabe der Vegetation im Vordergrund zum Tragen kommt, gibt der Komposition Kohärenz und setzt markante Akzente. Mit großem Geschick und Treffsicherheit hat der Künstler Sträucher, Schilf und Baumstrünke wiedergegeben. Das Motiv der zwei sich kreuzenden Baumstämme am rech­ ten Bildrand des zweiten Blattes kehrt in ähnlicher Form auf einer Zeichnung der Spätzeit in Hamburg wieder (siehe A. Stef­fes. Niederländische Zeichnungen 1450–1850. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle. Köln-Weimar-Wien 2011, Bd. I, Nr. 694, S. 394–395). Die malerische, sanfte Hügellandschaft im Mittel­grund, die Gebirgszüge am Horizont und der leichte Wolkenhimmel sind mit dem Pinsel duftig und unübertreff­ lich atmosphärisch behandelt. Zeichnungen Moucherons aus dieser Schaffensphase und in dieser musealen Qualität sind recht selten.

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Both the present drawings probably date to the period after Moucheron’s return to the Netherlands. In stylistic terms they differ considerably from the studies made during his trip to France which are freer and of a more painterly character. The very careful and concentrated drawing style would indicate that they were made around 1670 and, given their tech­ nical perfection, it can be assumed they were intended for sale. The delicate and consummate penwork, which comes into its own in the rendering of the vegetation in the foreground, gives the composition coherence and brings out the highlights. The artist demonstrates considerable skill and accuracy in reproducing the shrubs, reeds and tree stumps. The motif of the two intersecting tree trunks in the bottom right-hand corner of the second sheet recurs in similar form in a drawing from the artist’s late period in Hamburg (see A. Steffes. Niederlän­ dische Zeichnungen 1450–1850. Kupferstichkabinett der Hambur­ ger Kunsthalle. Cologne-Weimar-Vienna 2011, Vol. I, No. 694, pp. 394–395). The gentle, picturesque hilly landscape in the middle ground, the mountain ranges on the horizon and the light cloudy sky are rendered with soft strokes of the brush which give the scene great atmosphere. Moucheron’s drawings from this period and of this artistic quality are rare.


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16. susanna maria von sandrart

(1658–1716, Nürnberg)

Bildnis der Dichterin Gabrielle Charlotte Patin. Radierung. 24,3 x 17,8 cm. 1682. Nagler 1; Drugulin Por­ trait-Katalog, S. 168, Nr. 15683; Heller-Andresen 3; Le Blanc 1; Mortzfeld [Ausst. Kat. Wolfenbüttel 1976] A 15990; Hollstein 65 II. Susanna Maria von Sandrart wurde 1658 in Nürnberg als drit­ tes Kind des Zeichners, Radierers und Buchhändlers Jacob von Sandrart (1630–1708) geboren. Jacob war ein Cousin Joachim von Sandrarts (1606–1688), dem bedeutendsten deutschen Künst­ler und Kunstschriftsteller im 17. Jahrhundert. Susanna wuchs buchstäblich im Epizentrum der Nürnberger Kunst­ szene auf: im Familienhaus der Sandrarts war zugleich auch die Nürnbergische Maler-Akademie untergebracht, die älteste Kunstakademie im damaligen deutschsprachigen Europa, die u. a. von Joachim von Sandrart mitbegründet wurde. Susanna war es als Frau jedoch nicht gestattet an der Akademie zu studieren und sie erlernte das Handwerk des Radierens daher direkt und ausschließlich in der Werkstatt ihres Vaters und Großonkels. Infolgedessen hatte Susanna weder die Möglichkeit den menschlichen Körper nach der Natur zu studieren, wie dies die übliche Praxis an den Akademien war, noch war es ihr erlaubt, Studienreisen ins Ausland zu unternehmen. Obgleich dieser Einschränkungen gelang es der jungen Künstlerin ein hohes Maß an künstlerischen Fähigkeiten zu ent­ wickeln. Sie schuf ein umfangreiches graphisches Œuvre, das vornehmlich in der Zeit ihres Witwenstands zwischen 1688– 1695 entstanden ist (siehe S. Leßmann, Susanna Maria von Sandrart (1658–1716). Arbeitsbedingungen einer Nürnberger Graphikerin im 17. Jahrhunderts, Hildesheim 1991). Bei der Dargestellten Gabrielle Charlotte Patin (1665 – nach 1685) handelt es sich um die älteste Tochter des französi­ schen Numismatikers und Arztes Charles Patin. Ebenfalls als Numismatikerin tätig, veröffentlichte Patin 1683 in Venedig De Phœnice in numismate imperatoris Caracallæ expressa epistola, eine Abhandlung über die phönizische Münzkunde. Gabrielle

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Charlotte lebte in Padua, wo sie ebenso wie ihre Mutter und ihre Schwester Charlotte Catherine Mitglied der Accademia Galileiana war, einer der wenigen wissenschaftlichen Genossenschaften des 17. Jahrhunderts, die Frauen zugänglich waren. Die Anregung zum vorliegenden Portrait kam von dem befreun­ deten Nürnberger Arzt, Botaniker und Schriftsteller Johann Georg Volkamer (1616–1693). Im Jahre 1679 hatte dieser Charles Patin gebeten, ihm ein Portrait der Tochter zu übersenden, das dieser anlässlich der bevorstehenden Promotion Gabrielles im Jahre 1680 durch einen Stich reproduzieren wollte. Obwohl die Feierlichkeiten nicht stattfanden, wurde das Portrait ausgeführt und zu den Patins nach Padua geschickt. Drei Jahre später erhielten die Patins ein zweites Portrait der Tochter. Aufgrund des Datums dürfte es sich um das vorliegende Blatt handeln, mit dessen Ausführung Volkamer die junge Susanna Maria von Sandrart beauftragt hatte (vgl. J. Pirson: „Die Bezie­ hung des Pariser Arztes Charles Patin zu Nürnberger Freunden und Gönner“, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 49 (1959), S. 274–338 und S. 304). Das Bildnis der Gabrielle ist von einer dekorativen kalligraphischen Zierleiste gerahmt und weist unten einen Sechszeiler von der Hand Johann Georg Vollkamers auf, welcher die wissen­ schaftlichen Meriten der anmutigen jungen Frau lobt. Es handelt sich um ein seltenes weibliches Gelehrtenbildnis des 17. Jahrhunderts. Ganz ausgezeichneter Druck mit sehr feinem Rändchen. Leichte Altersspuren, sonst sehr gut erhalten.


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16. susanna maria von sandrart

(1658–1716, Nuremberg)

Portrait of the Poet Gabrielle Charlotte Patin. Etching. 24.3 x 17.8 cm. 1682. Nagler 1; Drugulin Portrait Catalogue, p. 168, no. 15683; Heller-Andresen 3; Le Blanc 1; Mortzfeld [exhibition catalogue Wolfenbüttel 1976] A 15990; Hollstein 65 II. Susanna Maria von Sandrart, the third child of the draughtsman, etcher and bookseller, Jacob von Sandrart (1630–1708), was born in Nuremberg in 1658. Jacob was a cousin of Joachim von Sandrart (1606–1688), the most important 17th century German artist and art writer. Susanna grew up literally at the very epicentre of the Nuremberg art scene: the house occupied by the Sandrart family was also home to the Nuremberg Art Academy, the oldest institution of its kind in the Germanspeaking parts of Europe, one of whose founders was Joachim von Sandrart. Being a woman, however, Susanna was not allowed to study at the Academy and so learned the art of etching exclusively in the studio of her father and great-uncle. Consequently Susanna had no opportunity to study the human body after nature, which was standard practice at the academies, nor was she permitted to go on study trips abroad. These restrictions notwithstanding, the young artist developed considerable artistic skills. She produced an extensive printed oeuvre, most of which arose during her years as a widow from 1688 to 1695 (cf. S. Leßmann, Susanna Maria von Sandrart (1658–1716). Arbeitsbedingungen einer Nürnberger Graphikerin im 17. Jahrhundert, Hildesheim 1991). The person portrayed here is Gabrielle Charlotte Patin (1665 – after 1685), the eldest daughter of the French numismatist and physician, Charles Patin. Also active as a numismatist, Gabrielle Charlotte published a treatise on Phoenician numismatics

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entitled De Phœnice in numismate imperatoris Caracallæ expressa epistola in Venice in 1683. She lived in Padua, where along with her mother and her sister, Charlotte Catherine, she was a member of the Accademia Galileiana, one of the few 17th century academic societies that opened its doors to women. The present portrait came about on the initiative of Johann Georg Volkamer (1616–1693), a doctor, botanist and writer from Nurem­berg, with whom the family was on friendly terms. In 1679 Volkamer had asked Charles Patin to send him a portrait of his daughter, of which he wished to reproduce an engraving to mark the pending award of a doctorate to Gabrielle in 1680. The ceremony never took place, but the portrait was executed nonetheless and sent to the Patins in Padua. Three years later the Patins received a second portrait of Gabrielle. The date would indicate that it was the present work, with the execution of which Volkamer had entrusted the young Susanna Maria von Sandrart (cf. J. Pirson: “Die Beziehung des Pariser Arztes Charles Patin zu Nürnberger Freunden und Gönnern, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 49 (1959), pp. 274–338 and p. 304). The portrait of Gabrielle is framed by a calli­graphic ornamental border comprising a six-line poem written by Johann Georg Volkamer in which he praises the academic merits of the delightful young lady. This is a rare portrait of a 17th century female scholar. A very fine impression with thread margins. Minor ageing, otherwise in perfect condition.


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17. pieter serwouters (1586 Antwerpen – 1657 Amsterdam)

Die prassenden Bettler. Radierung. 27,7 x 35,8 cm. 1608. Hollstein 17, vor I (von IV). Der aus Antwerpen gebürtige Kupferstecher, Radierer und Zeichner Pieter Serwouters arbeitete in seinen frühen Jahren hauptsächlich nach Inventionen von David Vinckboons und Adriaen van de Venne. Ferner schuf er eine kleine Gruppe von sehr fein durchgeführten Porträtstichen nach eigener Erfindung, sowie zahlreiche Titelblätter. Von etwa 1622 an war Serwouters in Amsterdam tätig. Das vorliegende Hauptblatt des Künstlers stammt aus der Antwerpener Frühzeit, ihm liegt eine Vorzeichnung von David Vinckboons zugrunde, die heute im Ashmolean Museum in Oxford aufbewahrt wird. Die äußerst fein behandelte Radierung ist ein wahrhaftiges Juwel der flämischen Genregraphik und veranschaulicht, wie langlebig und befruchtend die von den großen Vorgängern Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel initiierten Bildtraditionen gewirkt haben. In ihrer ikonographischen Vielschich­ tigkeit reflektiert das satirisch-moralisierende Sujet Gedankengut zeitgenössischer humanistischer Emblembücher und es sei in diesem Zusammenhang auf G. Luijtens ausführliche Bild­ analyse verwiesen (siehe Ausstellungskatalog Spiegel van Alledag. Nederlandse genreprenten 1550–1700. Amsterdam 1997, Nr. 17, S. 111–114). Das Leitmotiv der Darstellung sind Bettler und Landstreicher, die sich vor einem übel beleumdeten Wirtshaus eingefunden haben und sich mit Leidenschaft Völlerei, Tanz und amourösen Tätigkeiten hingeben. Es handelt sich nicht um Menschen, die auf Grund eines Mißgeschickes oder mangelnder Fortüne zum Bettelstab verurteilt sind, sondern um Schma­ rotzer, die sich aus Faulheit oder Berechnung einer ehrsamen

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Arbeit entziehen. Die turbulente Szenerie besticht durch zahlreiche herrlich deftige Details und die minutiöse und delikate Radiertechnik Serwouters’ erweist sich als ein geeignetes Mit­ tel, um dem wüsten menschlichen Treiben Farbe und Atmosphäre zu verleihen. Gänzlich in der Tradition Pieter Breughels ist eine kleine Szene ganz hinten links dargestellt. Ein ehrliches Bettlerpaar kehrt der verdorbenen Gesellschaft den Rücken und läuft auf einem sandigen Pfad Richtung Horizont, wo ein Kirchturm aufragt, der im übertragenen Sinne den Weg zu Moralität und Erlösung symbolisiert. Serwouters’ Radierung muß sich großer und langlebiger Popularität erfreut haben, denn das Blatt erschien in mehreren Neu­ auflagen. Dies führte auch zu einer irr­tümlichen Beschreibung bei Hollstein. Der Haarlemer Ver­leger Claes Jansz. Visscher, der zu einem späteren Zeitpunkt in den Besitz der Kupferplatte gelangte, ließ diese mit dem Grabstichel vollständig überarbeiten, infolgedessen dieser Druckzustand für eine Kopie gehalten wurde. 1713 erschien bei Abraham Allard eine weitere Auflage. Bei unserem Exemplar handelt es um einen nicht beschriebenen, frühesten Druckzustand. Auf dem Querbalken des Aushängeschildes fehlt noch der gestochene Titel „Smetsende Bede­lars (Prassende Bettler)“ und auch die Adresse des Verlegers Cornelis Jansen ist nicht vorhanden. Das Blatt ist in diesem ersten Etat von größter Seltenheit und lediglich zwei weitere Exemplare sind bekannt, die sich im Städel Museum in Frankfurt und in der Fondation Custodia in Paris befinden. Prachtvoller, fein differenzierter und nuancierter Frühdruck mit schmalem Rändchen um die gratige Plattenkante. Minimale Altersspuren, sonst vollkommen erhalten.


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17. pieter serwouters (1586 Antwerp – 1657 Amsterdam)

The Beggars’ Inn. Etching. 27.7 x 35.8 cm. 1608. Hollstein 17, before I (of IV). In his early years the Antwerp-born engraver, etcher and draughtsman, Pieter Serwouters, worked mainly after inventions by David Vinckboons und Adriaen van de Venne. He also produced a small number of very finely executed portrait engravings after his own inventions as well as numerous title pages. From about 1622 Serwouters was active in Amsterdam. The present print, one of the artist’s main works, stems from his early days in Antwerp. It is based on a preliminary drawing by David Vinckboons which is now in the Ashmolean Museum in Oxford. The very finely executed etching – a veritable gem of Flemish genre printmaking – illustrates the enduring inspirational influence of the pictorial traditions initiated by Serwouters’ great predecessors, Hieronymus Bosch and Pieter Brueghel. The iconographical complexity of the subject matter and its satirical, moralising tone are characteristic of humanistic emblem books at this time. There is a detailed analysis of the picture by Ger Luijten in the exhibition catalogue Spiegel van Alledag. Nederlandse genreprenten 1550–1700. Amsterdam 1997, No. 17, pp. 111–114. It centres around the beggars and tramps who have gathered outside an inn of ill repute and are indulging in gluttony, dancing and amorous activities with great gusto. These are not people who have been reduced to penury by some mishap or stroke of misfortune. They are spongers who shirk honest work out of sheer idleness or self-interest.

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The turbulent scene is noteworthy for an array of delightful savoury details. Serwouters’ delicate and meticulous etching technique is an effective means of lending colour and atmo­ sphere to the dissolute activities. A little scene in the rear top left corner is very much in the tradition of Pieter Breughel. A couple of honest beggars have turned their backs on the depravity and are making their way along a sandy path towards the horizon where a church tower serves as a figurative symbol of the road to morality and salvation. Serwouters’ etching must have enjoyed tremendous popularity over a long period because the print was published in several new editions. This led to an erroneous description in Hollstein. The Haarlem publisher, Claes Jansz. Visscher, who came into possession of the copper plate at a later date, had it completely reworked with a burin, as a result of which this version was regarded to be a copy. A further edition was published by Abraham Allard in 1713. Our print is an unrecorded earliest state. The engraved title “Smetsende Bedelars (The Beggars’ Inn)” on the cross-beam of the inn sign is missing, as is the address of the publisher, Cornelis Jansen. The print is extremely rare in this first state. Only two other impressions are known. These are in the Städel Museum in Frankfurt and the Fondation Custodia in Paris. A superb, finely differentiated and nuanced early impression with narrow margins around the inky platemark. Minor ageing, otherwise in perfect condition.


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18. hans friedrich schorer (um 1585 – nach 1654, Augsburg)

hans friedrich schorer (circa 1585 – after 1654, Augsburg)

Herkules erschlägt die siebenköpfige Hydra. Federzeichnung in Braun, grau laviert. 19,3 x 12,9 cm.

Hercules Slays the Seven-headed Hydra. Pen and brown ink, grey wash. 19.3 x 12.9 cm.

Hans Friedrich Schorer entstammte einer Augsburger Künstler­ familie und wurde von seinem Vater Hans Schorer d. J. aus­ gebildet. Er war ein versierter, produktiver Zeichner und die ersten datierten Blätter sind ab 1607/08 nachweisbar. Im Jahre 1616 wurde er Meister in Augsburg und übernahm die Werkstatt seines Vaters. Es sind keine Gemälde von seiner Hand über­liefert und es scheint, als habe er sich vor allem als Autor von Musterblättern für Kunsthandwerker und von fein durchgeführten Zeichnungen nach Vorlagen anderer Künstler profiliert. Das umfangreiche zeichnerische Œuvre umfaßt religiöse und mythologische Themen, Landschaften und Genreszenen.

Hans Friedrich Schorer came from a family of artists in Augsburg and was trained by his father, Hans Schorer the Younger. A practised and productive draughtsman, his first dated works are from 1607/08. He became a master craftsman in Augsburg in 1616 and took over his father’s studio. No paintings in his hand have come down to us, Schorer appearing to have distinguished himself primarily as an author of pattern sheets for artist craftsmen and of finely rendered drawings after works by other artists. His extensive corpus of drawings encompasses religious and mythological themes, landscapes and genre scenes.

Für die vorliegende Darstellung diente ein Wahrzeichen der Stadt Augsburg als Modell, der berühmte Herkulesbrunnen, der zwischen 1597 und 1600 von Adriaen de Vries modelliert und anschließend von Wolfgang Neidhardt gegossen wurde. Der im Jahre 1602 aufgestellte Brunnen, dessen italianisierende Formensprache ein Novum nördlich der Alpen darstellte, trug erheblich zum Prestige der Stadt Augsburg bei, und auch Schorer profitierte offenbar vom Ruhm dieses Kunstwerkes. Die konzentriert und sorgfältig ausgeführte Zeichnung war wohl als Sammlerstück gedacht. Schorer folgt dem Modell sehr genau, und der für ihn so typische, akkurate und kleinteilige Zeichenstil gibt jedes Detail der muskulösen männlichen Ana­tomie und die komplexen Windungen der Drachenköpfe getreu wieder. Lediglich der felsige Bodenstreifen, auf dem sich der Zweikampf ereignet, stellt ein verfremdendes Element dar.

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The inspiration for the present depiction derives from a landmark in the city of Augsburg, the famous Hercules Fountain moulded by Adriaen de Vries between 1597 and 1600 and cast by Wolfgang Neidhardt. Erected in 1602 the fountain, whose Italianate style was a novelty north of the Alps, greatly enhanced the city’s prestige and Schorer evidently also profited from the fame of this work of art. The present drawing, executed with great care and concentration, was probably intended as a collector’s item. Schorer follows the model very closely. His characteristically precise, intricate drawing style faithfully reflects every detail of the muscular male anatomy and the complex coils of the hydra’s heads. The rocky strip of ground on which the duel takes place is an alienating element.


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19. jonas umbach

jonas umbach

Eine südliche Landschaft mit antiken Überresten. Schwarze und etwas braune Kreide auf bräunlichem Papier. 19,7 x 26,5 cm.

A Southern Landscape with Ancient Remains. Black and some brown chalk on brownish paper. 19.7 x 26.5 cm.

Der Maler, Zeichner und Radierer Jonas Umbach war der Sohn eines gleichnamigen Gürtlers und Fuggerschen Hausmeisters in Augsburg. Über seine Ausbildung ist nichts Genaueres bekannt, doch deuten erste, um 1645 entstandene Zeichnungen auf die Kenntnis niederländischer Kunst hin. Auch eine Italienreise ist nicht dokumentarisch belegt. Möglicherweise bezog Umbach seine Motive der Druckgraphik niederländischer Italianisanten. Falls Umbach Italien aus eigener Anschauung kennengelernt hat, muss die Reise zwischen 1645 und 1652 stattgefunden haben, denn 1653 erwarb der Künstler in Augsburg das Bürger­ recht. Umbach war Zeit seines Lebens vorwiegend in seiner Geburtsstadt tätig und brachte es dort rasch zu hohem Ansehen. Er wurde zum Bischöflichen Kammermaler ernannt und war Mitglied des großen Rates der Stadt. Er tat sich als Historienmaler hervor und war ein produktiver Zeichner und Radierer.

The painter, draughtsman and etcher, Jonas Umbach, was the son of a brass-worker of the same name who was caretaker to the Fuggers in Augsburg. No precise details of his training are known, but the first drawings he made around 1645 indicate that he was familiar with Dutch art. Nor is there any documen­ tary evidence of a visit to Italy. Umbach possibly derived his motifs from prints by Dutch Italianates. If Umbach did indeed go to Italy, it must have been between 1645 and 1652, because he was given citizenship of the city of Augsburg in 1653. Through­ out his life Umbach was mainly active in his native city, where he quickly achieved considerable fame. He was appointed pain­ ter to the Apostolic Chamber and was a member of the city’s Grand Council. He distinguished himself as a painter of histo­ rical scenes and was a prolific draughtsman and etcher.

(um 1624–1693, Augsburg)

Aus der heutigen Sicht sind es vor allem Umbachs Landschaftszeichnungen, die seinen Ruf begründet haben. Es sind keine realistischen Bestandsaufnahmen, sondern sorgfältig komponierte Ideallandschaften, die der Künstler in immer wechselnden Variationen schuf. Die erhabene Einsamkeit der Natur und die Vergänglichkeit irdischer Dinge sind Themen, die den Künstler besonders fasziniert zu haben scheinen. Die Komposition unserer Zeichnung wirkt auf den ersten Blick konstruiert, dennoch verrät das Blatt gleichzeitig ein spontanes, unbefange­ nes Naturempfinden und einen ausgeprägten Sinn für die Wie­ dergabe von Licht und Atmosphäre. Die gestalterische, kompositorische Struktur ist für fast alle Landschaftszeichnungen Umbachs identisch. Ein graphisch stark betonter Vordergrund – in unserem Fall ein kunstvolles Arrangement von überwucherten antiken Architekturfragmenten – wechselt im Mittelgrund mit einer heller behandelten, in die Tiefe führenden Partie ab; der Hintergrund ist nur flüchtig angedeutet. Das farbig getönte Papier, der subtile Gebrauch unterschiedlicher Kreidesorten und die feinen Wischungen verleihen dem Blatt Patina und Leuchtkraft. Zeichnungen dieser Art waren nicht als Vorstudien für Gemälde gedacht, sondern galten als autonome Kunst­werke, die bei Sammlern sehr gefragt waren. Aus den Sammlungen Karl Eduard von Liphart (Lugt 1687) und Reinhold von Liphart (Lugt 1758).

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(circa 1624–1693, Augsburg)

Seen through modern eyes, Umbach’s reputation rests primarily on his landscape drawings. These are not realistic reproductions but carefully composed ideal landscapes which the artist created in ever-changing variations. The sublime solitude of nature and the transience of earthly things appear to have exerted a particular fascination for him. At first glance the com­ position of our drawing appears artificial, yet the work betrays a spontaneous, untrammelled feeling for nature and a keen sense for the rendering of light and atmosphere. The artistic, compositional structure is identical in almost all Umbach’s landscape drawings. The foreground with a pronounced graphic emphasis – in our case an artificial arrangement of overgrown remnants of ancient architecture – opens in the middle ground into a lighter treated part which blends into the lightly sketched background. The tinted paper, the discriminating use of dif­ ferent types of chalk and the fine wipes give the sheet patina and brilliance. Drawings of this kind were not intended as preliminary studies for paintings. Considered to be works of art in their own right, they were much in demand among collectors. From the collections of Karl Eduard von Liphart (Lugt 1687) and Reinhold von Liphart (Lugt 1758).


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20. giovanni maria viani

giovanni maria viani

Sophonisba empfängt den Giftbecher. Rötelzeichnung. 24,5 x 17,4 cm.

Sophonisba Receives the Cup of Poison. Red chalk draw­ ing. 24.5 x 17.4 cm.

Der Bologneser Maler Giovanni Maria Viani war ein Schüler Flaminio Torris. Sein gemaltes Œuvre zeigt Einflüsse von Zeitgenossen wie Guido Reni und Simone Cantarini und weist wesentliche Stilmerkmale des italienischen Hochbarocks auf. Zahlreiche Altar- und Tafelbilder seiner Hand haben sich in Kirchen und Palazzi in Bologna erhalten. Zeichnungen Vianis sind jedoch eher selten und das vorliegende Blatt ist ein qua­ litätvolles Beispiel seiner Kunst. In einer schwungvollen und flüssigen Röteltechnik, welche den prägenden Einfluss seiner Bologneser Lehrmeister verrät, hat Viani den Tod der Sopho­ nisba dargestellt und damit ein in der bildenden Kunst des 17. Jahrhunderts beliebtes Thema aufgegriffen. Sophonisba war die Tochter des karthagischen Feldherrn Hasdrubal. Sie war mit Syphax, dem König von Numidien vermählt, der sich anschließend mit Karthago gegen Rom verbündete. Als Syphax 203 v. Chr. vom römischen Heer unter Masinissa geschlagen wurde, verliebte sich der Sieger in die Gefangene Sophonisba. Nach der Überlieferung des Titus Livius gab Masinissa ihr Gift, um sie vor der Schande einer Auslieferung an die Römer zu bewahren. Ruhig und gefasst trank Sophonisba daraufhin den Giftbecher und statuierte auf diese Weise ein Exempel stoischer Gelassenheit.

Giovanni Maria Viani, a painter from Bologna, was a pupil of Flaminio Torri. His painted oeuvre betrays influences of contemporaries such as Guido Reni and Simone Cantarini and displays major stylistic features of the Italian High Baroque. Churches and palazzi in Bologna are still adorned with numerous altarpieces and panel paintings in his hand. Drawings by Viani are comparatively rare, however, and the present sheet demonstrates the quality of his work. Using a spirited and fluent red chalk technique, which reveals the lasting influence of his Bolognese mentors, Viani depicts the death of Sophonisba, a popular theme in 17th century fine art. Sophonisba was the daughter of the Carthaginian military commander Hasdrubal. She was married to Syphax, the King of Numidia, who subsequently formed an alliance with Carthage against Rome. After Syphax had been defeated by the Roman army under Masinissa in 203 B.C. the victor fell in love with Sophonisba, who had been taken prisoner. According to Livy, Masinissa offered her poison so that she could escape the disgrace of being handed over to the Romans. Sophonisba drank from the cup of poison in a calm and collected manner, thus providing an example of stoic equanimity.

(1636–1700, Bologna)

Viani zeigt den moment suprême der Handlung mit einem ausgeprägten Sinn für dramatische Wirkung. Sophonisba, in ein wallendes antikes Gewand gekleidet, sitzt auf einem Thronsessel und hat den Blick resignierend nach oben gerichtet. Sie hält das Gefäß mit dem tödlichen Gift, das ihr soeben von einer Dienerin gereicht wurde, in der rechten Hand. Ein schwe­­ rer Vorhang fungiert als Begrenzung des Raumes, durch eine Bogenöffnung gewahrt man die skizzenhaft angedeutete Gestalt des Feldherrn Masinissa und eines Begleiters. Die Szene atmet den bühnenhaften Charakter einer opera seria. Vianis elegan­ter und schwungvoller Zeichenstil vermittelt der Szene ein barockes Pathos, welches der Ernsthaftigkeit von Livius’ Schilderung angemessen ist.

(1636–1700, Bologna)

In depicting the moment suprême Viani demonstrates a great sense of dramatic effect. Sophonisba, clad in a flowing ancient robe, sits on a throne and gazes heavenwards with an air of resignation. In her right hand she holds the cup of deadly poison she just been given by a servant. A heavy curtain serves to delineate the space, while through an opening in the arch the sketchy outlines of the military commander Masinissa and an escort are visible. The scene radiates the stage-like character of an opera seria with all its theatricality. Viani’s elegant and spirited drawing style gives the scene a Baroque pathos that matches the serious tone of Livy’s account.

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18. Jahrhundert

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21. johann georg bergmüller

johann georg bergmüller

(1688 Türkheim – 1762 Augsburg)

(1688 Türkheim – 1762 Augsburg)

Die Himmelfahrt der Maria Immaculata. Feder in Rotbraun, grau laviert, im Oval. 24,5 x 22,5 cm. Um 1721.

The Assumption of the Blessed Virgin Mary. Pen and reddish-brown ink, grey wash, in an oval frame. 24.5 x 22.5 cm. Circa 1721.

Der Maler Johann Georg Bergmüller wurde bei Andreas Wolf in München ausgebildet, bevor er sich 1713 in Augsburg als Meister niederließ. 1730 wurde er zum Direktor der dortigen Akademie ernannt und brachte es bis zu seinem Tode im Jahre 1762 als vielbeschäftigter und anerkannter Künstler zu großem Ansehen. Der Schwerpunkt von Bergmüllers künstlerischer Tätigkeit bildete die Wand-, Decken- und Fassadenmalerei. Daneben schuf er zahlreiche Altarbilder, von denen sich etliche bewahrt haben. Zu seinen frühesten und bedeutendsten Fresken zählen die vier Deckenbilder in der Marienkapelle im Augsburger Dom, die 1721 in Auftrag gegeben wurden.

The painter, Johann Georg Bergmüller, was apprenticed to Andreas Wolf in Munich before establishing himself as a master in Augsburg in 1713. In 1730, he was appointed director of the academy there and achieved considerable renown as a recognised and very busy artist up to his death in 1762. Bergmüller concentrated on wall, ceiling and facade painting. He also pro­ duced numerous altar pieces, quite a few of which have been preserved. Among his earliest and most important frescoes are the four ceiling paintings in the Lady Chapel in Augsburg Cathedral, which were commissioned in 1721.

Bei dem vorliegenden Blatt könnte es sich um einen Alter­nativ­ entwurf für die Himmelfahrt der Maria Immaculata im vierten Deckenfeld der Marienkapelle handeln, obwohl sich diese Hypothese nicht mit Sicherheit belegen läßt. Kennzeichnend für das in der Marienkapelle angewandte, vielschichtige ikonographische Programm ist die Verquickung von mario­lo­gi­schen Szenen mit mythologischen Elementen. Rechts im Vordergrund erkennt man eine sitzende Frau mit dem Caduceus, die man als die Göttin Iris (Die Morgenröte) deuten könnte. Unsere Zeichnung ist stilistisch einer Vorstudie für die Maria Immaculata ähnlich, welche die endgültige und unverändert zur Ausführung gelangte Komposition zeigt (Metropolitan Museum, New York). Beide Blätter sind in rotbrauner Feder gezeichnet und mit einer duftigen, treffsicheren Lavierung in Grau versehen. Mit souveränem Strich und scheinbar mühe­ los hat Bergmüller die anspruchsvolle und vielfigurige Kom­ position skizziert. Einzelne Details, wie die andächtige Pose des lesenden kleinen Mädchens und das lebhafte Agieren der neckischen Cherubinen sind einfühlsam beobachtet. Das Ganze atmet eine barocke Leichtigkeit und eine überlegene Beherrschung der künstlerischen Ausdrucksmittel, die den erfahrenen und begabten Zeichner verraten.

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The present sheet could be an alternative design for the Assumption of the Blessed Virgin Mary in the fourth ceiling panel of the Lady Chapel, although this hypothesis cannot be proven with any degree of certainty. A characteristic feature of the complex iconographical programme used in the Lady Chapel is the combination of Mariological scenes with mythological elements. Sitting in the right foreground is a woman with the caduceus, who could be the goddess Iris (the dawn). Our draw­ ing is stylistically similar to a preliminary study for the Blessed Virgin Mary, which shows the final composition executed without any further changes (Metropolitan Museum, New York). Both sheets are drawn in reddish-brown ink and have a meticulous soft grey wash. Bergmüller has sketched the demanding multi-figured composition with masterly strokes of the brush and apparently effortless ease. Individual details, such as the devout pose of the little girl reading and the boisterous activity of the mischievous cherubim, are observed with great sensiti­ vity. The whole radiates a Baroque lightness and consummate mastery of the artistic means of expression, which are the hallmark of a talented and experienced draughtsman.


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22. giovanni david

giovanni david

Das Bacchanal. Radierung. 29,9 x 21,2 cm. 1775. Grasso 116.

Bacchanal. Etching. 29.9 x 21.2 cm. 1775. Grasso 116.

Das mit Verve und barocker Wucht dargestellte Bacchanal stammt aus der venezianischen Schaffenszeit Giovanni Davids, die einen Höhepunkt in seinem künstlerischem Werdegang markiert. Die Radierung gehört einer Folge von sechs Blatt an, die der Künstler 1775 seinem Förderer, dem Genueser Diplomaten und Mäzen Giacomo Durazzo gewidmet hat. David hat das Motto „Nun vertreibt der Wein die Sorgen“ von Horaz eigenwillig und höchst suggestiv dargestellt. Die nächt­ liche Szene spielt sich in einem malerischen, verwunschenen Lustgarten ab. Unter einem Baldachin liegen eine nackte Bacchantin, Putten und Satyrn kraftlos danieder, vom übermäßigen Weingenuß betäubt. Hinter ihnen lodert ein Feuer, der üppige, wonnige Körper der Frau leuchtet warm aus der Dunkelheit hervor. Alle Protagonisten sind in einen tiefen, bleischweren Schlaf versunken, dennoch ist das Geschehen von einer fieberhaften inneren Unruhe belebt. Zahlreiche Attribute, wie eine Panflöte, ein Tamburin und ein Thyrsusstab liegen achtlos verstreut am Boden. Eine bekränzte Herme mit einer verschmitzt lächelnden Bacchusfigur überragt die bacchantische Szene. Im Hintergrund überwältigt ein lüsterner Satyr eine junge nackte Frau; der aufgewühlte Himmel mit dem blassen Vollmond steht in einem sinnfälligen Bezug zu seinem stürmischen Drängen.

This bacchanal, rendered with great verve and Baroque intensity, stems from Giovanni David’s Venetian period, which marked a high point in the artist’s career. The etching belongs to a set of six which David dedicated to his patron, the Genoese diplomat Giacomo Durazzo, in 1775. The artist has interpreted Horace’s motto “Wine drives dull care away” in an uncon­ ventional and highly suggestive manner. The night-time scene takes place in a picturesque, enchanted pleasure garden. Lying sprawled beneath a baldachin are a naked female bacchant, putti and satyrs, all of whom are intoxicated by their excessive consumption of wine. Behind them a fire is blazing and the woman’s curvaceous, voluptuous body shines out warmly from the darkness. All the protagonists are sunk in a deep, leaden sleep, and yet the scene is animated by a feverish inner restless­ ness. Numerous attributes, such as a pan flute, a tambourine and a Thyrsus staff, are strewn carelessly on the ground. A herm, topped by a mischievously smiling Bacchus figure crowned with a wreath, towers above the Bacchanalian scene. In the background a lecherous satyr overpowers a naked young woman; the turbulent sky with the pale full moon is a clear allusion to his passionate urge.

(1743 Cabella Ligure – 1790 Genua)

Die atmosphärisch aufgeladene Szenerie ist in einem bewegten, temperamentvollen Duktus wiedergegeben, der an die Meister des italienischen Seicento erinnert. Bezeichnenderweise schrieb Malaspina irrtümlich einen Probedruck vor der Schrift dieses Blattes Giovanni Benedetto Castiglione zu. Die tief geätzten Partien im Vordergrund erzeugen ein dramatisches, unruhig flimmerndes Clairobscur, das dem erotischen, rauschhaften Stimmungsgehalt der Darstellung vollends entspricht. Prachtvoller, gegensatzreicher Druck mit feinem Rändchen. Minimale Randläsuren, sonst sehr gut erhalten.

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(1743 Cabella Ligure – 1790 Genoa)

The atmospherically charged scene is rendered in a brisk, spirited manner reminiscent of the masters of the Italian Sei­ cento. Significantly, Malaspina erroneously attributed a proof before letters of this print to Giovanni Benedetto Castiglione. The deeply etched parts in the foreground produce a dramatic, restlessly flickering chiaroscuro effect which amply reflects the erotic and ecstatic content of the scene. A superb, contrasting impression with thread margins. Minor blemishes in the margins, otherwise in excellent condition.


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23. louis jean desprez (1743 Auxerre – 1804 Stockholm)

Eine reich verzierte Cartouche mit einem Medaillonbild­ nis des Königs Ludwig XV. und den Attributen der Künste und Wissenschaften. Radierung. 24,9 x 36,2 cm. Um 1770. Wollin 18. Bei diesem eminent seltenen und geistreich behandelten Blatt handelt es sich um eine frühe Schöpfung des Louis Jean Desprez. Dieser war ein hochtalentierter und origineller Graphiker und Zeichner, der bereits 1755, in jugendlichem Alter von zwölf Jahren, bei keinem Geringeren als CharlesNicolas Cochin die verschiedenen druckgraphischen Techniken erlernte. Ab etwa 1763 studierte Desprez an der Académie Royale d’Architecture bei Jacques-François Blondel, 1766 folgte eine Anstellung als Zeichenlehrer an der Pariser École Militaire. Desprez entschied sich jedoch gegen eine militä­

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rische Karriere und studierte ab 1768 bei dem Architekten Charles de Wailly, der auch sein Interesse für das Theater weckte und mit dem er Bühnendekorationen ausführte. Die vor­liegende Gelegenheitsarbeit stammt aus den Pariser Jahren des Künstlers und dürfte um 1770 entstanden sein. Obwohl es sich um eine Jugendarbeit handelt, ist doch bereits im Keim alles vorhanden, was die Originalität des späteren Desprez aus­macht: Eine souveräne Leichtigkeit des Striches, gepaart mit einer überbordenden, eigenwilligen schöpferischen Phantasie und einem sicheren Instinkt für pointierte Charakterisierung. Das Blatt ist in einer leichten, beschwingten und spirituellen Radiertechnik ausgeführt, wodurch die mit wulstigen Akanthusvoluten und Girlanden geschmückte Kartusche nicht monumental-statisch wirkt, sondern vor


ungestümem Leben zu pulsieren scheint. Zahlreiche, auf kunstvolle Weise in die üppige Ornamentik integrierte Attribute stehen in einem sinnfälligen Bezug zum Herrscherbildnis, das die Zierleiste krönt. Wissenschaftliche Instrumente, Folianten, Musikinstrumente sowie eine Palette mit Pinseln künden von der Blüte der Wissenschaften, Musik und bildenden Künsten unter der Herrschaft Ludwigs XV. Die Standarte und Trophäen symbolisieren errun­gene militärische Erfolge, während die vor goldenen Münzen über­quellenden Füllhörner auf Wohlstand und ökonomische Prosperität verweisen. Ganz Desprez ist die Art, wie er oben mit leichtem Strich den feinen Qualm skizziert, der aus antikisierenden Rauchgefäßen hochkringelt. Die Zierleiste war wohl als dekorative Umrahmung für das Programm eines Hoffestes gedacht. Eine alte

Inschrift auf dem Original-Untersatzkarton besagt, daß Desprez die Arbeit anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen Ludwig XVI. mit Marie Antoinette, Erzherzogin von Österreich, am 16. Mai 1770 in Versailles geschaffen hat. Wollin konnte lediglich einen weiteren Abzug der Radierung nachweisen, der sich ehemals in der Sammlung der Kaiserin Katharina d. Großen befand und heute in der Hermitage in St. Petersburg aufbewahrt wird. Bei der Katalogisierung dürfte Wollin ein Fehler unterlaufen sein. Unter der Nummer 19 sei­ nes Werkverzeichnisses verweist er auf ein ihm unbekanntes Medaillonbildnis des Ludwig XV., das jedoch identisch mit dem vorliegenden Blatt sein dürfte. Prachtvoller, gratiger Druck mit feinem Rändchen. Leichte Altersspuren, sonst vorzüglich erhalten.

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23. louis jean desprez (1743 Auxerre – 1804 Stockholm)

A richly adorned cartouche with a medallion portrait of King Louis XV and the attributes of the arts and sciences. Etching. 24.9 x 36.2 cm. Circa 1770. Wollin 18. This eminently rare and intelligently treated print is an early work by Louis Jean Desprez, a highly talented and original printmaker and draughtsman. As early as 1755, at the tender age of twelve, he was apprenticed to no less than CharlesNicolas Cochin, who taught him the different printmaking techniques. From about 1763 Desprez was a student of JacquesFrançois Blondel at the Académie Royale d'Architecture. In 1766 he was employed as a drawing teacher at the École Militaire in Paris. Desprez decided against a military career, however, and from 1768 studied under the architect, Charles de Wailly, who aroused his interest in the theatre and with whom he produced stage decorations. The present work stems from the artist’s years in Paris and probably dates to around 1770. While it is the work of a young man, it essentially contains everything that made up the ori­ginality of the later Desprez: a masterly lightness of stroke coupled with an exuberant, idiosyncratic creative imagination and a sure instinct for pithy characterisation. The print has been executed in a light, vibrant and spirited etching technique which ensures that the cartouche, decorated with bulging acanthus scrolls and garlands, does not appear monumental

and static but is positively bursting with vitality. Numerous attributes, artistically integrated into the lush ornaments, form a symbolic relationship with the portrait of the ruler which crowns the decorative border. Scientific instruments, folios, music instruments and a palette with brushes bear witness to the blossoming of sciences, music and the arts under Louis XV. The standards and trophies symbolise military successes, while the cornucopia, brimming over with golden coins, signal affluence and economic prosperity. Very typical of Desprez is the way in which he has lightly sketched in the fine plumes of smoke at the top which curl up out of antique-style smoke pots. The ornamental border was probably intended as a decorative frame for a court festival programme. An old inscription on the mount says that Desprez produced the work on the occasion of the marriage of Crown Prince Louis XVI to Marie Antoinette, Archduchess of Austria, on 16 May 1770 in Versailles. Wollin was able to verify only one other impression of the etching. Formerly kept in the collection of Catherine the Great it is now the Hermitage in St. Petersburg. Wollin probably made a mistake during the cataloguing. Number 19 in his catalogue of works refers to a medallion portrait of Louis XV, which is unknown to him but is in all likelihood identical with the present sheet. A superb, inky impression with thread margins. Minor ageing, otherwise in excellent condition.

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24. jacques de favanne

jacques de favanne

Morpheus. Radierung in Rotbraun gedruckt. 13,2 x 15,4 cm. Unbeschrieben.

Morpheus. Etching, printed in reddish-brown ink. 13.2 x 15.4 cm. Unrecorded.

In einer subtilen und fein differenzierten Radiertechnik hat der Kupferstecher Jacques de Favanne den schlafenden Morpheus, den griechischen Gott der Träume, dargestellt. Seine muskulöser Körper ruht auf duftigen Wölkchen. Kraftlos hängen seine imposanten Flügeln danieder und vermitteln anschaulich den Eindruck eines tiefen Schlafes. Die weichen tonalen Effekte, die durch die Anwendung der warmen, rotbraunen Druckfarbe erzielt werden, hüllen die Gestalt des schlummernden Gottes in ein delikates sfumato. Jacques de Favanne wurde zunächst als Kupferstecher ausgebildet, wandte sich jedoch später der Malerei zu und ging bei seinem Vater, dem angesehenen Maler Henri Antoine de Favanne (1668–1752, Paris) in die Lehre. 1753 war er als „chef des peintres pour la marine“ in Rochefort tätig. Portalis beschreibt neun Blatt von der Hand Favannes. Es han­ delt sich vorwiegend um Reproduktionsstiche nach Watteau, Lemoyne und Lancret.

The engraver, Jacques de Favanne, employs a finely differentiated etching technique to portray the sleeping Morpheus, the Greek god of dreams. His muscular body rests on hazy clouds. His imposing wings hang limply, giving the impression that their owner is in a deep sleep. The soft tonal effects achieved by the warm, reddish-brown printing ink envelop the figure of the slumbering god in a delicate sfumato. Jacques de Favanne first trained as an engraver but then turned to painting and was apprenticed to his father, the respected painter, Henri Antoine de Favanne (1668–1752, Paris). In 1753 he was active as “chef des peintres pour la marine” in Rochefort. Portalis describes nine works in Jacques’ hand, mostly reproductive engravings after Watteau, Lemoyne and Lancret.

(1716–1770, Paris)

Die vorliegende Radierung fehlt gänzlich in der beschrei­ben­ den Literatur. Die Komposition geht auf einen Entwurf des Vaters zurück. Möglicherweise handelt es sich um einen Erstlingsversuch des jungen Künstlers in der Radiertechnik. Ausgezeichneter, nuancierter Druck mit Rand. Leichte Altersspuren, sonst sehr gut erhalten.

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(1716–1770, Paris)

The present sensitive etching is completely missing in the descriptive literature. The composition has its origins in a design by Favanne’s father. It may have been the young artist’s first attempt at etching. A superb, nuanced impression with margins. Minor ageing, otherwise in perfect condition.


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25. bartolomeo gazalis

bartolomeo gazalis

Der hl. Paulus von Theben, von einem Dämon versucht. Radierung. 32,7 x 21 cm. Heller-Andresen 1.

St. Paul of Thebes, Tempted by a Demon. Etching. 32.7 x 21 cm. Heller-Andresen 1.

Der aus Genua stammende Zeichner und Radierer Bartolomeo Gazalis ist zwischen 1720 und 1730 in Mailand nachweisbar, wo er ver­mut­lich als Mitarbeiter Alessandro Magnacos tätig war. Nur wenig ist über Gazalis’ Biographie und Schaffen bekannt. Er schuf zwei Radierungen nach Vorlagen von Magnasco, die von größter Seltenheit sind.

Bartolomeo Gazalis, a draughtsman and etcher who hailed from Genoa, is known to have been in Milan between 1720 and 1730, where he presumably worked for Alessandro Magnaco. Very little is known of Gazalis’ biography and his artistic activities. He made two etchings based on designs by Magnasco, which are extremely rare.

Die vorliegende Darstellung des Einsiedlers Paulus von Theben, der in seiner Felsenhöhle von Dämonen versucht wird, zeigt jedoch einen versierten Radierer. Die suggestive Szene ist in einer freien und differenzierten Radiertechnik ausgeführt, die ganz im Sinne der Kunst Magnas­cos eine atmosphärische, betont malerische Gesamtwirkung erzeugt. Der hl. Paulus betrachtet in stiller Meditation ein Kruzifix in seiner rechten Hand, während oben zwei Dämonen wüten und vergeblich versuchen, ihn bei der Kontemplation zu stören. Sehr überzeugend ist der hagere, muskulöse Körper des bärtigen Greises wiedergegeben, der sich in der Einöde über sechs Jahrzehnte von jeglichem menschlichen Kontakt ferngehalten hatte. Die subtile Anwendung der Radiernadel schafft sanfte, weiche Übergänge und satte Helldunkelkontraste, und badet die Szene in einem flimmernden, warmen Licht. Gleichermaßen differenziert sind die Oberflächen der kargen Felsen, der Bäumstämme, Zweige und Gräser behandelt. Das Ganze ist von einem tiefen religiösen Pathos erfüllt.Wir konnten lediglich einen Abzug dieses Blattes in der Civica Raccolta Bertarelli in Mailand nachweisen.

The present portrayal of the hermit, Paul of Thebes, being tempted by demons in his rock cave illustrates the artist’s skill as an etcher. The suggestive scene has been rendered in an unrestrained and differentiated etching technique which is very much on a par with Magnasco’s art in the atmospheric, explicitly painterly effect it achieves. St. Paul gazes in quiet meditation at the crucifix in his right hand, while two demons rage above him attempting in vain to disrupt his contemplation. Rendered very convincingly is the gaunt, muscular body of the bearded old man who has spent the past sixty years in the wilderness devoid of all human contact. The delicate application of the etching needle produces soft, gentle transitions and rich lightand-dark contrasts, bathing the scene in a warm, shimmering light. The surfaces of the barren rocks, tree trunks, branches and grasses are treated with equal sophistication. The whole scene is replete with a deep, religious pathos. We were only able to verify one impression of this print in the Civica Raccolta Bertarelli in Milan.

(geboren in Genua, tätig um 1720–30 in Mailand)

Prachtvoller, gegensatzreicher Druck mit feinem Rändchen, im rechten Rand etwas unregelmäßig beschnitten. Leichte Altersspuren, sonst vorzüglich erhalten.

(born in Genoa, active circa 1720–30 in Milan)

A superb, contrasting impression with thread margins, a little irregularly trimmed in the right-hand margin. Minor ageing, otherwise in immaculate condition.

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26. johann daniel herz

johann daniel herz

Ein Gelehrter in seinem Studiergemach. Rötelzeichnung. 26 x 17,7 cm. Monogrammiert: „JH“.

A Scholar in his Study Chamber. Red chalk drawing. 26 x 17.7 cm. Monogrammed: “JH”.

Das schöne Gelehrtenbildnis zeigt einen Mann mittleren Alters, der an einem barocken Schreibtisch sitzt und dem Betrachter zugewandt ist. Die architektonische Ausstattung des Studiolos mit Säulen und Pilastern läßt auf eine noble Herkunft schließen, und auch die Allongeperücke und der üppige Brokatmorgenmantel verraten Wohlstand und das Bewußtsein des eigenen gesellschaftlichen Status. In einer Nische im Hintergrund entdeckt man Folianten, Apothekerflachen und Gläsern mit Prä­paraten. Bei dem Dargestellten dürfte es sich daher um einen Naturwissenschaftler oder Arzt handeln. Der Mann deutet mit der rechten Hand auf eine Statue der Eva, welche die Sym­ bole des Sündenfalls in ihren Händen hält und damit auf die Sterblichkeit des Menschen verweist.

This fine portrait of a scholar shows a middle-aged man sat at a Baroque desk facing the viewer. The architectural fittings of the studiolo with columns and pilasters point to a noble background, while the full-bottomed wig and the sumptuous brocade dressing gown betray prosperity and an awareness of the sitter’s social status. Folios, apothecary bottles and glasses with pre­ pa­­rations can be seen in a niche in the background. The person portrayed is thus in all probability a scientist or doctor. He points with his left hand to a statue of Eva, who holds the sym­ bols of the fall from grace in her hands and hence serves as a reference to human mortality.

(1693–1754, Augsburg)

Der Autor dieser feinsinnig beobachteten Szene, Johann Daniel Herz, war einer der bedeutendsten Augsburger Zeichner, Kup­­ferstecher und Graphikverleger des 18. Jahrhunderts. Eine vollständige Auflistung des umfangreichen druckgraphischen Œuvres dieses Künstlers fehlt bislang. Herz war ein sehr pro­duktiver Kupferstecher, der an namhaften Großprojekten wie Paul Deckers monumentaler Architectura civilis (1711–1716) und der Neuen Reitkunst Johann Elias Ridingers mitgearbeitet hat. Er war darüberhinaus ein versierter und talentierter Zeichner. Der konzentrierte Duktus unserer Zeichnung mit den präzise geführten Schraffuren könnte ein Indiz dafür sein, daß das Blatt als Vorzeichnung für das Titelkupfer eines wissenschaftlichen Traktates konzipiert war.

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(1693–1754, Augsburg)

The author of this sensitively rendered scene, Johann Daniel Herz, was one of the outstanding draughtsmen, engravers and print publishers in 18th century Augsburg. No complete list of his extensive corpus of prints is available to date. Herz was an extremely productive engraver who participated in famous large projects such as Paul Decker’s monumental Architectura civilis (1711–16) and the Neue Reitkunst by Johann Elias Ridinger. Moreover, he was an experienced and talented draughtsman. The concentrated style of our drawing and the precise hatchings are an indication that the sheet might have been designed as a preliminary drawing for the engraved frontispiece of a scientific treatise.


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27. pierre lelu

pierre lelu

Eine Parklandschaft mit Gartenskulpturen und einem Rundtempel. Federzeichnung in Grau, grau laviert. 47 x 62 cm.

Parkland with Garden Sculptures and a Round Temple. Pen and grey ink, grey wash. 47 x 62 cm.

Das eindrucksvolle, großformatige Blatt überrascht durch seinen spontanen, ungestümen zeichnerischen Duktus. Die duftige, üppige Parklandschaft ist mit großer Leichtigkeit hingeworfen, jedoch ist die Darstellung trotz der Ökonomie der Mittel von Licht und Atmosphäre durchdrungen, ein untrügliches Indiz dafür, daß hier ein sehr fähiger und versierter Künstler am Werke war.

The surprising feature of this large and imposing work is the spontaneous, impetuous style of the drawing. The airy, lux­uri­ ant parkland has been dashed off with great verve and yet the depiction radiates light and atmosphere despite the economy of means employed – a sure sign that a very skilled and capable artist was at work.

(1741–1810, Paris)

Der Maler, Zeichner und Radierer Pierre Lelu war ein Schüler von François Boucher und Gabriel François Doyen. Er ging 1762 nach Italien, wo er vor allem nach alten Meistern kopierte, und kehrte um 1767 nach Paris zurück. Zwei weitere Italienaufenthalte in den Jahren 1775 und 1789 sind belegt. Eine wei­tere Reise führte Lelu im Jahre 1775 nach Spanien und Portugal. 1778 wurde der Künstler Mitglied der Akademie in Marseille, die Aufnahme in die Académie royale in Paris blieb ihm jedoch zeitlebens verwehrt. Es haben sich nur wenige Gemälde seiner Hand erhalten, das zeichnerische und vor allem druckgra­ phische Werk ist dagegen recht umfangreich. Großformatige Land­schafts­zeichnungen dieser Art sind jedoch selten im zeichne­rischen Œuvre Lelus. Die südliche, malerisch erfasste Landschaft mit der gebirgigen Silhouette am Horizont ist sicher­lich von einem der Italienaufenthalte des Künstlers inspiriert. Möglicherweise schuf Lelu die Zeichnung nachträglich, als ricordo seiner italienischen Reisen.

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(1741–1810, Paris)

The painter, draughtsman and etcher, Pierre Lelu, was a pupil of François Boucher and Gabriel François Doyen. In 1762 he went to Italy, where he mostly produced copies after Old Masters, returning to Paris in 1767. He is known to have spent time in Italy on two other occasions in 1775 and 1789. In 1775 Lelu also travelled to Spain and Portugal. While he became a member of the Academy in Marseilles in 1778, he was never admitted to the Académie Royale in Paris. Only a few of his paintings have survived, but the corpus of his drawings and especially of his prints is quite extensive. Large landscape drawings of this kind are rare in Lelu’s drawn oeuvre, however. The southern, painterly-style landscape with the silhouette of mountains on the horizon was undoubtedly inspired by one of the artist’s sojourns in Italy. Lelu may well have made the drawing after his return as a ricordo of his Italian journeys.


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28. conrad martin metz

conrad martin metz

Ein antikes Hirtenpaar. Rötelzeichnung. 17,7 x 29,8 cm. Signiert und datiert: „C. Metz 1794“, auf ein Albumblatt montiert, dieses ebenfalls signiert und datiert in brauner Feder.

Shepherd Couple from Antiquity. Red chalk. 17.7 x 29.8 cm. Signed and dated: “C. Metz 1794”, mounted on an album page, which is also signed and dated in pen and brown ink.

Der aus Bonn stammende Conrad Martin Metz wurde ursprünglich in seiner Geburtsstadt als Maler ausgebildet, wandte sich jedoch auf Grund seiner Farbenblindheit nach einiger Zeit der Zeichen- und Gravierkunst zu. Zu diesem Zweck siedelte Metz nach London über, wo er von keinem Geringeren als Francesco Bartolozzi in die graphischen Techniken eingewiesen wurde. Metz hielt sich zwei Jahrzehnte in der englischen Hauptstadt auf und machte sich dort als versierter Reproduktionsstecher einen Namen. Ab 1801 lebte und arbeitete der Künstler in Rom und setzte hier seine Tätigkeit als Graveur mit Erfolg fort.

Conrad Martin Metz initially underwent training as a painter in his native city of Bonn but, being colour-blind, he turned his attention after a while to drawing and engraving. He consequently moved to London, where he was introduced to the art of printmaking by no less than Francesco Bartolozzi. Metz remained in the city for twenty years, earning him­self a reputation as an accomplished reproductive engraver. From 1801 the artist lived and worked in Rome, where he successfully continued his activities as a printmaker.

(1749 Bonn – 1827 Rom)

Metz schuf ein recht umfangreiches druck­graphisches Œuvre, das fast ausschließlich aus Reproduktions­stichen nach Meistern der italienischen Renaissance besteht. Zu seinen Hauptleistungen auf diesem Gebiet zählt eine getreue graphische Nachbildung von Michelangelos Jüngstem Gericht in der Sixtina, die aus fünfzehn groß-folio Blättern zusammengesetzt ist. Das vorliegende, während der Londoner Zeit entstandene Blatt ist in einem feinsinnigen und anmutigen Zeichenstil ausgeführt, der an den eleganten Klassizismus Bartolozzis erinnert. Die pastorale Szene, die auch als eine Allegorie der Lebensalter gedeutet werden kann, besticht durch den Schmelz der Röteltechnik, die feinste tonale Nuancen erzeugt. Mit innigem Blick schaut die hübsche Hirtin den Epheben an ihrer Seite an, des­sen feminine Anmut dem klassischen Schönheitsideal des aus­gehenden 18. Jahrhunderts vollends entspricht. Links vorne neckt ein kleiner Putto die Lämmchen der Herde, hinter ihm gewahrt man zwei ehrwürdige Greise, die antiken Philosophen ähneln. In ihrer gefühlvollen Intimität evoziert die idyllische Hirtenszene ein unbeschwertes, arkadisches Zeitalter.

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(1749 Bonn – 1827 Rome)

Metz created a substantial body of prints consisting almost exclusively of reproductive engravings after Italian Renaissance masters. Among his outstanding achievements in this field is a faithful reproductive print of Michelangelo’s Last Judgement in the Sistine Chapel which comprises fifteen large folio sheets. The present work, which dates to the artist’s London period, has been executed in a sensitive and graceful drawing style reminiscent of Bartolozzi’s elegant classicism. The pastoral scene, which can be interpreted as an allegory of the stages of life, is remarkable for the lustre achieved by the red chalk tech­ nique which produces the subtlest tonal nuances. The pretty shepherdess gazes fervently at the ephebe at her side, whose feminine gracefulness corresponds fully with the classical ideal of beauty in the late eighteenth century. In the left foreground a herd of little lambs is gently teased by a little putto. Behind him are sat two venerable old men who resemble ancient philosophers. The sensitive intimacy of this idyllic pastoral scene evokes a carefree Arcadian age.


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29. johann august nahl d. j. (1752 Zollikofen – 1825 Kassel)

johann august nahl the younger (1752 Zollikofen – 1825 Kassel)

Jupiter und Ganymed. Radierung. 25,2 x 18,2 cm. Heller-Andresen 1, Nagler 4. Wasserzeichen: Lilie im Doppelkreis.

Jupiter and Ganymede. Etching. 25.2 x 18.2 cm. HellerAndresen 1, Nagler 4. Watermark: Lily in a double circle.

Die Komposition der vorliegenden Radierung geht auf das skandalträchtige Fresko Jupiter und Ganymed Anton Raphael Mengs’ zurück, das der Künstler um 1758/59 schuf. Es führte zum tiefen Zerwürfnis zwischen Johann Joachim Winckelmann und dem Künstler. Mengs hatte das Bild im Stile der pompeji­ anischen Fresken gemalt und es bewusst als antikes Original ausgegeben. Auch Winckelman hielt es anfangs für ein authenti­ sches Werk und würdigte das Fresko voreilig in seiner Geschichte der Kunst des Altertums. Nach kurzer Zeit wurde die Malerei jedoch als eine Fälschung entlarvt, Winckelmann hat Mengs die dadurch verursachte Demütigung niemals verziehen.

The composition of this etching derives from the scandalous fresco Jupiter and Ganymede made by Anton Raphael Mengs around 1758/59. It led to a deep rift between the artist and Johann Joachim Winckelmann. Mengs had painted the picture in the style of the frescoes in Pompeii and pretended it was an antique original. Winckelmann believed in its authenticity and rashly praised the fresco in his History of the Art of Antiquity. The painting was quickly exposed as a forgery, however, and Winckelmann never forgave Mengs the humiliation he suffered as a result.

Der hessische Maler Wilhelm Böttner (1752 Ziegenhain – 1805 Kassel), der bei Johann Heinrich Tischbein in Kassel ausgebildet wurde, malte seine Fassung des Jupiter und Ganymed um 1780 in Rom und erregte mit seinem Werk große Aufmerksamkeit. Goethe erwähnte das Gemälde lobend. Böttner orientierte sich stark an den Prototypen Mengs, gelangte aber zu einer Bildfindung, bei der die psychologische Charakterisierung und die erotische Komponente noch stärker betont sind. Das Renommee dieses Gemäldes dürfte Anlass für den vorliegenden Reproduktionsstich Johann August Nahls gewesen sein, der ebenfalls bei Tischbein in Kassel studiert hatte und mit Böttner seit den gemeinsamen Pariser Lehrjahren befreundet war. Nahl tat sich in Rom und nach seiner Rückkehr nach Kassel im Jahre 1792 vor allem als Maler hervor und arbeitete anfangs in einem vom Rokoko geprägten klassizistischen Idiom, das um 1800 einer mehr puristischen, neoklassischen Auffassung wich. Es sind nur wenige Radierungen seiner Hand bekannt, die der Künstler offenbar zum privaten Gebrauch anfertigte und die auf Grund ihrer geringen Verbreitung sehr selten sind. Das verwendete italienische Papier ist ein Indiz dafür, daß die Radierung wohl in Rom entstanden ist, wo Nahl von 1774 bis 1781 verblieb. Wahrscheinlich schuf Nahl die Radierung kurz nach dem aufsehenerregenden Debüt seines Freundes Böttner. Das Blatt ist in einer verfeinerten, subtilen Radiertechnik aus­geführt, die der klassizistischen Eleganz des Vorbildes voll­ends entspricht. Die engmaschigen und feinteiligen Schraffurmuster erzeugen ein mildes Clair-obscur. Ganz ausgezeichneter, nuancierter Frühdruck der ungereinigten Platte, mit zahlreichen Nadelspuren entlang der Facette und gleichmäßigem Rand. Geringfügig stockfleckig, leichte Altersspuren, sonst vorzüglich erhalten.

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The Hessian painter, Wilhelm Böttner (1752 Ziegenhain – 1805 Kassel), who was taught by Johann Heinrich Tischbein in Kassel, painted his version of Jupiter and Ganymede around 1780 in Rome. It attracted considerable attention and was praised by Goethe. Böttner drew heavily on Mengs’ prototypes, but his imagery places greater emphasis on psychological characterisation and the erotic element. The reputation of this painting was presumably the reason for the present reproductive engraving by Johann August Nahl, who had also studied under Tisch­ bein in Kassel and been friends with Böttner since the years they spent together as apprentices in Paris. Nahl excelled above all as a painter both in Rome and after his return to Kassel in 1792, initially working in a rococo-style classical idiom that gave way around 1800 to a more purist, neo-classical approach. Only a few etchings in the artist’s hand are known, which he obviously made for private consumption and, given their modest circulation, are very rare. The Italian paper Nahl used is an indication that he probably made the etching in Rome, where he stayed from 1774 to 1781, in all likelihood shortly after the sensational debut of his friend Böttner. The print has been executed in a subtle and sophisticated etching technique which fully accords with the classical elegance of the original. The dense, intricate hatching patterns produce a soft chiaroscuro effect. A very fine, nuanced early impression from the uncleaned plate, with numerous needle scratches along the platemark and even margins. Slight foxing, minor ageing, otherwise in excellent condition.


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30. jean-baptiste marie pierre

(1713–1789, Paris)

Die chinesische Maskerade. Radierung. 31 x 43,1 cm. 1735. Le Blanc 25; Portalis-Béraldi III, S. 310; Baudicour I, 27. Die virtuos und lebhaft behandelte Radierung zeigt den Faschingsumzug der französischen pensionnaires in Rom im Jahre 1735. Vor der Kulisse der Mark-Aurel-Säule und der Piazza Colonna zieht ein prunkvoller, von zwei Pferden gezogener Faschingswagen vorbei, auf dem die in chinesischen Phantasiekostümen gehüllten Kunststudenten Platz genommen haben. Sie werden eskortiert von Kommilitonen zu Fuß, die mit Trommeln, Posaunen und Lanzen ausgestattet sind. Mit großem Esprit hat Pierre die lärmende, turbulente Szene beobachtet. Logischerweise gilt sein Hauptinteresse den exotischen Protagonisten des Geschehens, aber auch das staunende römische Publikum ist mit Sinn für erzählerische Pointe dargestellt. Mit leichtem Strich, scheinbar mühelos sind die Bauten der Piazza Colonna wahrheitsgetreu und dennoch atmosphärisch und suggestiv wiedergegeben. Heiter aufgebauschte Wölkchen beleben den Himmel. Jean-Baptiste Pierre, der es als Historienmaler und Radierer später in Paris zu großem Ansehen bringen sollte, wurde von Charles-Joseph Natoire ausgebildet und gewann 1734 den ange­ sehenen Prix de Rome. Von 1735 bis 1740 lebte und arbeitete Pierre als pensionnaire an der Académie de France in Rom. Die Masquerade Chinoise ist seine unbestrittene Meisterleistung als Radierer und unterstreicht die Sonderstellung, die der Künstler auf diesem Gebiet einnahm, denn die druckgraphischen Techniken fanden im Lehrprogramm der Académie relativ wenig Beachtung. Pierre widmete die Radierung dem französischen Botschafter in Rom, dem Herzog von Saint-Aignan. Der Auftritt der französischen Studenten hatte damals ihre Wirkung in der Öffentlichkeit nicht verfehlt und es ist anzunehmen, daß Pierres Schöpfung eine vergleichbare Resonanz erntete, dennoch sind von der Radierung nur wenige Exemplare überliefert. Nach seiner Rückkehr nach Paris sollte Pierre ein kleines druckgraphi­ sches Œuvre schaffen, aber keines jener Blätter kommt dieser so gewinnenden und evoka­tiven Interpretation des römi­schen Karnevals gleich. Prachtvoller, kontrastreicher und harmonischer Druck mit gleichmäßigem Rand. Minimale Altersspuren, sonst vorzüglich erhalten.

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30. jean-baptiste marie pierre (1713–1789, Paris) The Chinese Masquerade. Etching. 31 x 43.1 cm. 1735. Le Blanc 25; Portalis-Béraldi III, p. 310; Baudicour I, 27. This brilliant, briskly executed etching shows the carnival procession of the French pensionnaires in Rome in 1735. Two horses are pulling a magnificent carnival float filled with art students in Chinese fancy dress past the Marcus Aurelius Column in the Piazza Colonna. The students on board are accompanied by others on foot carrying drums, trombones and lances. Pierre has depicted the noisy, turbulent scene with considerable verve. Logically enough, his main interest is in the exotic protagonists, but he also demonstrates a feeling for narrative effect in his portrayal of the astonished Roman public. With a few deft strokes of his pen he succeeds almost effort­ lessly in realistically reproducing the buildings in the Piazza Colonna and yet evoking a sense of atmosphere. Billowing clouds enliven the sky.

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Jean-Baptiste Pierre, who later achieved considerable renown in Paris as a history painter and etcher, received his training at the hands of Charles-Joseph Natoire and won the presti­gious Prix de Rome in 1734. From 1735 to 1740 Pierre lived and worked as a pensionnaire at the Académie de France in Rome. The Masque­ rade Chinoise is his undisputed masterpiece as an etcher. It under­ lines the special position he held in this field, since relatively little account was taken of printing techniques in the teaching programme at the Académie. Pierre dedicated the etching to the French ambassador in Rome, the Duke of Saint-Aignan. The appearance of the French students achieved the desired affect amongst the public and it can be assumed that Pierre’s creation met with a comparable response. None­theless, only a few impressions of the etching have sur­vived. After his return to Paris, Pierre created a small printed œuvre, but none of these works was able to match this eye-catching, evocative interpretation of the carnival in Rome. A superb, rich and harmonious impression with an even margins. Minor ageing, otherwise in perfect condition.


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31. hubert robert

hubert robert

Landschaftscapriccio mit einem Wasserfall. Schwarze Kreide. 50 x 24 cm.

Landscape Capriccio with a Waterfall. Black chalk. 50 x 24 cm.

Hubert Robert wurde ursprünglich zum Geistlichen ausgebildet, entschloss sich jedoch für eine künstlerische Laufbahn und ging in Paris bei dem Bildhauer und Architekten Michelange Slodtz in die Lehre. Anstatt das übliche Programm der akademischen Ausbildung in seiner Heimatstadt zu absolvieren, ging Robert 1753 als Protegé des Comte de Stainville nach Rom, wo er bis 1765 verblieb. Hier lebte er als pensionnaire in der Aca­démie de France und nahm am Unterricht teil. Entscheidende Anregungen erhielt der Künstler in jenen Jahren durch die Ruinen- und Architekturmalerei des Giovanni Paolo Pannini, sowie durch die Begegnung mit Giovanni Battista Piranesi. Als folgenreich erwies sich auch der Umgang mit seinen Lands­ männern Jean-Honoré Fragonard und dem Abbé de Saint-Non, den Robert 1760 auf einer Reise nach Neapel begleitete.

Hubert Robert originally trained as a clergyman but, having opted for an artistic career, was taught in Paris by the sculptor and architect, Michelange Slodtz. Instead of undergoing the usual programme of academic training in his native city, Robert went to Rome in 1753 as a protegé of the Comte de Stainville. He remained there until 1765 living as a pensionnaire at the Académie de France and taking lessons. During that time the artist was greatly inspired by Giovanni Paolo Pannini, a painter of ruins and architecture, and by his encounter with Giovanni Battista Piranesi. No less significant was the company he kept with his fellow Frenchmen, Jean-Honoré Fragonard and the Abbé de Saint-Non, whom Robert accompanied on a journey to Naples in 1760.

(1733–1808, Paris)

Robert hat ein sehr umfangreiches zeichnerisches Œuvre hinterlassen. In Rom entstanden zahlreiche freie, nach der Natur gezeichnete Studien wie auch durchkomponierte Capriccios, die antike und genrehafte Motive kombinieren. Die in seinen Skizzen­büchern gesammelten Sujets gelangten später in Paris in unterschiedlichsten Variationen als Auftragswerke zur Aus­ führung. Das vorliegende Landschaftscapriccio besticht durch seine souveräne, treffsichere Ausführung und seine anspruchsvolle Kompositionsweise. Der Künstler hat bewusst ein Hochformat gewählt, wodurch die pittoresken Felsenformationen mit dem aufschäumenden Wasserfall eindrucksvoll zur Geltung kommen und eine bestechende räumliche Wirkung entsteht. Möglicherweise diente die Zeichnung als Vorstudie für eine dekorative Wandvertafelung. Gekonnt hat Robert die anmutige Frauengruppe ganz im Vordergrund rechts skizziert; links von ihnen sitzt ein Mann auf einem knorrigen, abgebrochenen Ast und badet seine Füße im kühlen Wasser. Die Terrasse links oben und der malerische Turm sind zweifelsohne durch Motive aus Tivoli inspiriert. Alles ist von Licht und Luft erfüllt, und mit sparsamen Mitteln gelingt Robert die vollkommene Evokation der italienischen Landschaft. Aus der Sammlung Henri Baron de Triqueti (1804–1874, Paris, Lugt 1304).

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(1733–1808, Paris)

The artist left a very extensive corpus of drawings. While in Rome he made numerous studies drawn from nature as well as carefully composed capriccios combining ancient and genre-like motifs. The subjects he collected in his sketchbooks were later realised in Paris in quite different variations as commissioned works. The present landscape capriccio is distinguished by the precise and consummate manner of its execution and its sophisticated composition. The artist has deliberately chosen an upright format, which accentuates the picturesque rock formations with the foaming waterfall and creates an intriguing three-dimensional effect. The drawing may have served as a preliminary study for decorative wainscoting. Robert has skilfully sketched a charming group of women in the right foreground; to their left a man is sat on a gnarled, broken-off branch bathing his feet in the chilly waters. The terrace at the top left and the picturesque tower are motifs that were undoubtedly inspired by Tivoli. The whole scene is imbued with light and air, and Robert achieves the perfect evocation of an Italian landscape with a great economy of means. From the collection of Henri Baron de Triqueti (1804–1874, Paris, Lugt 1304).



32. georg philipp rugendas d. ä. (1666–1742, Augsburg)

Die Große Reiterschlacht – Der Kampf um die Fahne. Feder in Grau über einer leichten Graphitvorzeichnung, braun laviert, mit einer leichten Quadrierung. 30,9 x 62,5 cm. Eigenhändig bezeichnet, signiert und datiert: „Georg: Philipp: Rugendas: Invent. pinx. et delin. Ao 1708“.

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Die kapitale, bildmäßig komponierte und mit größter Akkuratesse ausgeführte Zeichnung ist ein Hauptwerk des Künstlers. In panoramischer Breite ist eine wüst tobende Reiterschlacht zwischen dem kaiserlichen habsburgischen Heer und den Tür­ ken dargestellt. Im Vordergrund liegen verstreut Waffen und eine Menge toter Pferde und Soldaten, deren Körper sehr rea­ listisch und in jäher Verkürzung wiedergegeben sind.


Der Hauptkampf entwickelt sich um eine große Fahne in der Mitte der Komposition, die vom Fußvolk erbittert gegen die anstürmenden Reiter verteidigt wird. Rugendas hat die Bru­ talität des blutigen Kampfes von Mann gegen Mann äußerst wirklich­keitsgetreu, fast mit der objektiven Distanz eines Kriegs­­ bericht­erstatters geschildert. Riesige Pulverschwaden steigen über dem wüsten Gemetzel empor, einzelnen Bäume sind von

der Hitze des Kampfes stürmisch aufgewühlt. In der linken Bildhälfte eilen berittene slawischer Hilfstruppen, den soge­ nannten Panduren, mit gezogenen Säbeln dem in Bedrängnis geratenen Fußvolk zur Hilfe. Die weite Hügellandschaft im Hintergrund ist mit wenigen, treffsicheren Strichen und einer leichten Lavierung summarisch angedeutet. >

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Das meisterhafte und bis ins letzte Detail durchgeführte Blatt gibt eines der vier monumentalen Schlachtengemälde wieder, die Rugendas in den Jahren 1708 bis 1709 für Lothar Franz Grafen von Schönborn geschaffen hat. Die Gemälde sind die groß­formatigsten und aufwendigsten im gesamten malerischen Werk des Künstlers. Zwei Ölbilder dieses Zyklus haben sich erhalten, darunter unsere Komposition Die Große Reiterschlacht – Der Kampf um die Fahne (Held G 68), die heute im Schloß Weißenstein in Pommersfelden aufbewahrt wird (siehe Abb).

getreu wieder. Eine sehr ähnliche Fassung befindet sich in der Graphischen Sammlung Albertina in Wien (Inv. Nr. 3791). Das Wiener Blatt besitzt das gleiche Format, wirkt im Vergleich zu unserer Fassung jedoch etwas flüchtiger und weniger detailliert. Einzelne Elemente der Komposition, wie beispielsweise die Bäume, fehlen noch. Möglicherweise repräsentiert die Wiener Version, die den Stich seitenverkehrt wiedergibt, eine frühere Stufe in diesem aufwändigen künstlerischen Entwicklungsprozeß.

Unsere großformatige, bildmäßig umrandete und voll signierte und bezeichnete Zeichnung gehört einer umfangreichen Gruppe in Rugendas’ Werk an, die in ihrer sachlichen Realistik und in ihrem sorgfältigen, peniblen Zeichenstil wertvolle Auskunft über die Arbeitsmethodik des Künstlers erteilt. Unter der Reinzeichnung in grauer Feder liegt eine akkurate Vorzeichnung in Graphit oder weicher Kreide, die jedes Detail der Sol­ datenmassen, des Terrains und der Vegetation mit kristalliner Klarheit definiert. Die Lavierungen sind sehr treffsicher und visuell wirksam über das Blatt verteilt. Diese Reinzeichnungen dienten häufig als Arbeitsvorlagen, jedoch lassen sie sich nicht immer mit ausgeführten Werken in Verbindung brigen. Bezeichnend für den Stellenwert der vier Schlachtenbilder ist die Tatsache, daß Rugendas große gegenseitige Kupferstiche nach seinen Kompositionen anfertigen ließ, die von Johann Balthasar Probst (1686–1750) ausgeführt und vom Augsburger Ver­ leger Jeremias Wolff herausgegeben wurden. Rugendas selbst war an der Realisierung dieser Kupferstichfolge maßgeblich beteiligt, wie mehrere großformatige Vorzeichnungen für die Kupferstichreproduktionen belegen (siehe Ausstellungskata­log Rugendas. Eine Künstlerfamilie in Wandel und Tradition. Herausg. von B. R. Kommer. Augsburg 1998, S. 108–109, Nrn. 93–98). Auch unsere Zeichnung sollte in diesem Kontext betrachtet werden. Die leichte Graphitquadrierung auf unserem Blatt und das annähernd gleiche Format des Kupferstichs sind eindeu­ tige Indizien dafür, daß die Zeichnung als Vorlage für den Kupferstecher konzipiert war. Sie gibt die Komposition des gemalten Originals im gleichen Sinn und in jeder Einzelheit

Der Maler, Zeichner und Graphiker Georg Philipp Rugendas d. Ältere ist eine Ausnahmegestalt im Panorama der Augsburger Kunst seiner Epoche. Er wurde von seinem Vater früh in die Kupferstichtechnik eingewiesen und bildete sich dann auf mehreren Auslandsreisen künstlerisch weiter. Rugendas reiste 1689 nach Rom, verblieb zwei Jahre in Wien und anschließend längere Zeit in Venedig. Im Herbst 1693 kehrte er nach Rom zurück, wo er unter dem Namen „Schild“ als Mitglied der Bent­ vogels, einer Gemeinschaft vornehmlich niederländischer und flämischer Künstler aufgenommen wurde. 1695 kehrte er infolge des Todes seines Vaters nach Augsburg zurück, um hier für den Rest seines Lebens ansässig zu bleiben. Rugendas war ein freiheitlicher Geist. Als weitgereister, kosmopolitisch gearte­ ter Künstler wollte er sich nicht den Zwängen der Augsburger Handwerkerzunft unterordnen, sondern verstand sich selbst als „Kunstmahler“. Er begann in seiner Geburtsstadt eine glänzende Karriere als Schlachtenmaler, war als Kupferstecher gleichermaßen erfolgreich und gründete in der Folgezeit einen eigenen Verlag. 1710 wurde er zum Direktor der neugegrün­ deten Augsburger Kunstakademie berufen. Seit 1719 ist die Zusammenarbeit mit seinen beiden Söhnen Georg Philipp dem Jüngeren und Christian belegt, die beide vorwiegend als Kupferstecher tätig waren. Im Jahre 1727 schließlich wurde Georg Philipp d. Ältere zum Mitglied des Großen Rates der Stadt Augsburg auserwählt und bekleidete damit das höchste städtische Ehrenamt. Aus der Sammlung des Prinzen Nikolaus Esterházy (1765– 1833, Wien, Lugt 1965).

Georg Philipp Rugendas. Der Kampf um die Fahne. Öl auf Leinwand. 115 x 233 cm.

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32. georg philipp rugendas the elder

(1666–1742, Augsburg)

Great Cavalry Battle – Fight for the Flag. Pen and grey ink over a light preliminary drawing in graphite, brown wash, slight squaring. 30.9 x 62.5 cm. Inscribed, signed and dated in the artist’s own hand: “Georg: Philipp: Rugendas: Invent. pinx. et delin. Ao 1708”. This splendid drawing, composed like a painting and executed with the utmost precision, is one of the artist’s principal works. A raging cavalry battle between the Imperial Habsburg Army and the Turks is depicted in panoramic breadth. The foreground is dotted with weapons and strewn with a large number of dead horses and soldiers, whose bodies are rendered in a highly realistic and very foreshortened manner. The main battle is being waged around a large flag in the centre of the composition which is being ferociously defended by the infantry against the charging cavalry. Rugendas shows the brutality of bloody, man-to-man fighting with tremendous realism, maintaining the objective distance of a war reporter, as it were. Huge clouds of gunpowder smoke billow up over the dreadful slaughter on the field; here and there trees bend and sway from the fierce heat of the battle. In the left half of the picture a troop of Slav reinforcements, the Pandurs, are rushing with sables drawn to assist the pressed infantry. The sweeping hilly landscape in the back­ ground is cursorily indicated with a few deft strokes and a light wash. This masterly, meticulously detailed work reproduces one of four monumental battle paintings executed by Rugendas in 1708/09 for Lothar Franz Graf von Schönborn. They are the largest and most lavish in the artist’s entire painted oeuvre. Two oil paintings from this set have survived, including the present composition Great Cavalry Battle – Fight for the Flag (Held G 68), which are now at Schloß Weißenstein in Pommersfelden, Germany (see ill.). Our large, fully signed and inscribed drawing is one of an extensive group in Rugendas’ oeuvre; their sober realism and careful, painstakingly detailed drawing style are valuable for what they reveal about the artist’s way of working. Beneath the final drawing in pen and grey ink is a precise preliminary draw­ ing in graphite or white chalk which defines with crystalline clarity every last detail of the massed soldiers, the terrain and the vegetation. The highly accurate washes are distributed across the sheet in a visually effective manner. These final draw­ ings frequently served as working drawings, but they cannot always be related to works that have been executed. Indica­tive of the importance of the four battle scenes is the fact that Rugendas had large-sized engravings made after his own compositions. These were executed by Johann Balthasar Probst (1686–1750) and issued by the Augsburg publisher, Jeremias

Wolff. Rugendas himself played a major part in the production of this set of engravings, evidence of which is furnished by several large preliminary drawings for the reproductive engrav­ ings (see exhibition catalogue Rugendas. Eine Künstlerfamilie in Wandel und Tradition. Published by B. R. Kommer, Augsburg 1998, pp. 108–109, nos. 93–98). The present drawing should likewise be seen in this context. The light graphite squaring on our print and the virtually identical size of the engraving are clear signs that the drawing was designed as a model for the engraver. It faithfully reproduces the composition of the original painting in the same vein and in every detail. A very similar version is to be found in the Albertina Graphic Arts Collection in Vienna (Inv. no. 3791). The print in Vienna is the same size but appears slightly more cursory and less detailed than our version. Individual elements of the composition, such as the trees, are missing. The Vienna version, which is in reverse of the engraving, might represent an earlier stage in the timeconsuming artistic process. The painter, draughtsman and printmaker, Georg Philipp Rugendas the Elder, is exceptional among the Augsburg artists of his time. He was taught the art of engraving by his father at an early age and continued his artistic training during several journeys abroad. Rugendas travelled to Rome in 1689, stayed in Vienna for two years and subsequently spent a lengthy period in Venice. In the autumn of 1693 he returned to Rome, where he was accepted under the bent-name of “Schild” as a member of the Bentvueghels, a community of predominantly Dutch and Flemish artists. Following the death of his father he returned to Augsburg in 1695 and stayed there for the rest of his life. Rugendas was very liberal-minded. A much-travelled, cosmo­ po­litan artist, he had no desire to subject himself to the con­ straints of the Augsburg craftsmen’s guild, seeing himself rather as an artist. He made an outstanding career for himself in his native city as a painter of battle scenes, was equally successful as an engraver and went on to set up his own publishing house. In 1710 he was appointed director of the newly founded Augsburg Academy of Art. After 1710 he is known to have cooperated with his two sons, Georg Philipp the Younger and Christian, both of whom were mostly active as engravers. In 1727, finally, Georg Philipp Rugendas the Elder was chosen as a member of the Grand Council of Augsburg, the city’s highest honorary municipal office. From the collection of Prince Nikolaus Esterházy (1765–1833, Vienna, Lugt 1965).

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33. abel schlicht

abel schlicht

Zwei Architekturcapriccios nach G. P. Pannini. 2 Aquatintaradierungen, in Braun gedruckt. 48 x 62 cm. 1788. Nagler 13.

Two Architectural Capriccios after G. P. Pannini. Two aquatint etchings, printed in brown. 48 x 62 cm. 1788. Nagler 13.

Der Architekt, Theatermaler und Kupferstecher Abel Schlicht kam im frühen Alter von zehn Jahren bei Lorenzo Quaglio in die Lehre. Obgleich sein Name heute nur wenigen bekannt ist, war Schlicht doch in seiner Zeit eine angesehene Künstlerpersönlichkeit. Nach Abschluss seiner künstlerischen Ausbildung wurde er zum kurfürstlichen Hofbaumeister in Mannheim und zum Professor an der Düsseldorfer Akademie ernannt. Schlicht war jedoch vorwiegend in Mannheim tätig, wo er Dekorationen für das dortige Theater malte und sich auch als Kupferstecher einen Namen machte.

Abel Schlicht, an architect, theatrical painter and printmaker, was first taught by Lorenzo Quaglio at the tender age of ten. Although few people are familiar with his name today, Schlicht was an esteemed artistic figure in his time. After completing his artistic training he was appointed architect to the court of the Elector in Mannheim and professor at the Düsseldorf Academy. However, Schlicht worked for the most part in Mannheim, where he painted decorations for the local theatre and made a name for himself as an engraver.

(1754–1826, Mannheim)

Die Mehrzahl seiner Blätter, darunter auch die beiden vorliegenden Architekturcapriccios sind in der Aquatintatechnik aus­geführt. In unserem spezifischen Fall handelt es sich um Reproduktionsstiche nach zwei Gemälden Giovanni Paolo Pan­ ninis (1691–1765), die sich damals in der kurfürstlichen Kunst­ sammlung in Mannheim befanden. Die sehr seltenen Blät­ter bestechen durch ihre dekorative Wirkung. Dabei erweist sich die Aquatintatechnik als ein sehr geeignetes Medium um eine subtile Lichtführung und weiche, atmosphärische Effekte zu erzielen. Sehr schön und visuell überzeugend ist der Wolkenhimmel auf einem der bei­den Blätter wiedergegeben. Pannini hat eine virtuose Synthese aus klassischen Bildwerken und einer imaginären antiken Ruinenarchitektur geschaffen und der Kupferstecher Schlicht hat die gemalten Vorlagen mit sichtlichem Vergnügen in das Medium der Reproduktions­ graphik übersetzt. Auf einem der Blätter erkennt man rechts vorne die Statue des Herkules Farnese, dramatisch effektvoll ist die etwas gespenstisch wirkende Gestalt des Diogenes der Lampe, die man links im Hintergrund erkennt. Prachtvolle, gegensatzreiche Drucke mit dem Originaluntersatz. Minimale Erhaltungsmängel im Rand, sonst vorzüglich erhalten.

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(1754–1826, Mannheim)

The majority of his works, including these two architectural capriccios, were executed in aquatint. In our particular case they are repro­ductive prints after two paintings by Giovanni Paolo Pannini (1691–1765) which formed part of the Elector’s art collection at the time. The outstanding feature of these very rare prints is their decorative effect. Aquatint proved a very suitable medium to convey the subtle distribution of light and achieve soft, atmospheric effects. The cloudy sky on one of the two sheets is rendered in a very pleasing and visually com­ pelling manner. Pannini produced a brilliant synthesis of classical sculptures and imaginary ancient architectural ruins, while Schlicht derives visible pleasure from transferring the painted originals to the medium of reproductive printmaking. In the right foreground of one of the prints is the statue of the Far­nese Hercules, while the ghost-like figure of Diogenes with his lamp is portrayed with great dramatic effect in the background on the left. Very fine, contrasting impressions with the original mounting. Minor ageing in the margins, otherwise in perfect condition.


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34. martin johann schmidt (1718 Grafenwörth bei Krems – 1801 Stein)

Die Erziehung von Satyrkindern; Die Vermählung des Bacchus und der Abundantia. 2 Radierungen. Je ca. 13,3 x 8,7 cm. 1771. Garzarolli-Thurnlackh 20, 21; Feuchtmüller 21, 22. Das druckgraphische Werk Martin Johann Schmidts umfaßt dreißig Radierungen und vermittelt ein anschauliches Bild von der thematischen Variationsbreite dieses vielseitigen und schöpferischen Künstlers. Es enthält neben den Selbstbild­ nissen der Frühzeit Charakterköpfe und Darstellungen von Orientalen im Stile Rembrandts, graphische Nachbildungen nach eigenen Altarstücken, sowie mythologische Themen, die in den 1770er Jahren entstanden sind. Schmidt schuf seine Radierungen nicht nur aus rein künstlerischen Interesse am Gegenstand, sondern auch aus geschäftlichen Motiven, da sie seine Kompositionen einem größeren Publikum zugänglich machten. Er schöpfte bei diesem Vorhaben aus unterschiedlichsten Inspirationsquellen. Die beiden vorliegenden mythologischen Szenen sind in einem leichten, beschwingten und malerischen Duktus behandelt, ihre barock bewegte Stilsprache zeigt, daß der Künstler mit dem Schaffen italienischer Malerradierer vertraut gewesen sein muß. Die Vorstudie für die Vermählung des Bacchus und der Abundantia hat sich erhalten und befindet sich heute in der Residenzgalerie in Salzburg. Der Vergleich zwischen der rasch und summarisch gezeichneten Kompositionsskizze und der fertigen Radierung macht deutlich, daß Schmidt recht spontan und impulsiv arbeitete, und zahlreiche Einzelheiten der Darstellung erst während des Arbeitsvorgangs des Radierens formuliert wurden. Beide Radierungen waren offenbar als Pendants konzipiert und sind oft auf einem Bogen gedruckt. In diesem spezifischen Fall gehen die Radierungen nicht auf Gemälde des Künstlers zurück, sondern dienten im Gegenteil als Ausgangspunkt für spätere gemalte Fassungen. Die Vermäh­lung des Bachus und der Ariadne wurde 1776 in Öl ausgeführt (Feuchtmüller WV 537), während die gemalte Fassung der Erziehung von Satyrkindern erst 1787, mehr als ein Jahrzehnt später, entstand (Feuchtmüller WV 881). Ausgezeichnete, gegensatzreiche Drucke mit breitem Rand. Leichte Altersspuren, sonst sehr gut erhalten.

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martin johann schmidt (1718 Grafenwörth near Krems – 1801 Stein)

Educating Satyr Children; The Marriage of Bacchus and Abundantia. Two etchings. Each approx. 13.3 x 8.7 cm. 1771. Garzarolli-Thurnlackh 20, 21; Feucht­ müller 21, 22. Martin Johann Schmidt’s printed oeuvre, which comprises thirty etchings, provides a vivid illustration of the variety of themes addressed by this versatile and creative artist. In addition to selfportraits from his early period, together with character heads and depictions of Orientals in the style of Rembrandt, it contains reproductive prints after his own altar pieces as well as mythological themes dating to the 1770s. Schmidt made his etchings not just out of a purely artistic interest in the subject matter, but also for commercial reasons, since they made his compositions accessible to a larger audience. He derived the inspiration for this project from various sources. Both the present mythological scenes are treated in a light, brisk and painterly manner, their Baroque-style artistic language showing that the artist must have been familiar with the works of Italian painter-etchers. The preliminary study for the Mar­ riage of Bacchus and Abundantia has survived and is now in the Residenzgalerie in Salzburg. A comparison between the swiftly and cursorily delineated compositional sketch and the final etching makes it clear that Schmidt worked in a very spon­taneous and impulsive manner, numerous details only being formulated when he was engaged in the etching process. Both etchings were clearly designed as companion pieces and were often printed on one sheet. In this particular case the etchings do not go back to paintings already done by the artist, serving rather as the starting point for versions painted at a later date. The Marriage of Bacchus and Ariadne was done in oils in 1776 (Feuchtmüller WV 537), whereas the painted version of Educating Satyr Children only arose in 1787, almost a decade later (Feuchtmüller WV 881). Very fine, contrasting impressions with broad margins. Minor ageing, otherwise in excellent condition.

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35. christian georg schütz (1718 Flörsheim – 1791 Frankfurt a. M.)

christian georg schütz (1718 Flörsheim – 1791 Frankfurt a. M.)

Eine weite Rheinlandschaft, im Hintergrund die Ansicht von Heidelberg. Radierung auf graubraunem Bütten, mit einzelnen Weißhöhungen. 24,2 x 31,8 cm. Nagler 2, Le Blanc 2, Heller-Andresen 2.

A Broad Rhine Landscape with a View of Heidelberg in the Background. Etching on greyish-brown firm laid paper, with white heightening. 24.2 x 31.8 cm. Nagler 2, Le Blanc 2, Heller-Andresen 2.

Der im hessischen Flörsheim geborene Christian Georg Schütz war als Künstler im wesentlichen Autodidakt und brachte es im Laufe seiner langen Karriere als Landschaftsmaler in Frank­ furt zu größtem Ansehen. Schütz war ein äußerst erfolgreicher, produktiver und gewandter Maler, der oft an mehreren Gemälden gleichzeitig arbeitete. Sein Hauptthema war die malerische, heimatliche Landschaft an Rhein und Main, die er in immer wechselnden Variationen darstellte. Als Landschaftler wurde er wesentlich durch das Beispiel seines großen niederländischen Vorgängers Herman Saftleven geprägt, jedoch zeigen seine Werke eine poetisch-verklärende, idealisierende Naturauffassung, die ganz dem Zeitgefühl seiner Epoche entspricht.

Christian Georg Schütz, a native of Flörsheim in Hesse, was a largely self-taught artist who gained a considerable reputation in the course of his long career as a landscape painter in Frankfurt. He was a skilful, prolific and eminently successful painter who frequently worked simultaneously on several paintings. His central theme, which he portrayed in ever-changing variations, was the picturesque landscape along the rivers Rhine and Main where he grew up. As a landscapist Schütz was pro­foundly influenced by his great Dutch predecessor, Herman Saftleven, although his works reveal a poetically idealised view of nature which was fully in keeping with the spirit of the age.

Schütz hat lediglich zwei eigenhändige Radierungen geschaffen, ein Indiz dafür, wie intensiv der Künstler offenbar mit seiner malerischen Produktion beschäftigt war. Dennoch zeigt das vorliegende Blatt einen versierten und begabten Radierer, der mit leichtem Strich die weite, malerische Flußlandschaft um Heidelberg quasi als „Weltlandschaft“ erfaßt und künstlerisch überhöht hat. Sein Radierstil ist frei, souverän und überraschend abwechslungsreich und erzeugt subtile atmosphärische Übergänge und eine betörende räumliche Wirkung. Dazu trägt auch die warme Patina des delikat getönten Papiers bei; die zarten, eigenhändigen Weißhöhungen auf dem Terrain und den Staffagefiguren vorne rechts verleihen dem Blatt zusätzlichen Zauber. Eigenhändig überarbeitete Abzüge des Künstlers besitzen großen Seltenheitswert.

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Schütz made just two etchings – an indication of how deeply involved he was in the production of paintings. Nevertheless, the present print shows him to be a skilful and talented etcher, whose delicate linework reproduces and artistically heightens the wide-ranging, picturesque river landscape around the city of Heidelberg, turning it into a “universal landscape”, as it were. His consummate, unconstrained and surprisingly varied style of etching produces subtle atmospheric transitions and an intriguing three-dimensional effect. The artist is helped in this respect by the warm patina of the delicately tinted paper; the soft, manually applied white heightening on the terrain and the staffage figures in the right foreground lends the work added charm. Impressions reworked by the artist himself are of the utmost rarity.


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36. louis claude vassé

louis claude vassé

Ein Amor mit Bogen. Rötel. 24 x 21,5 cm.

Amor with Bow. Red chalk. 24 x 21.5 cm.

Der Bildhauer Louis Claude Vassé entstammte einer mehrere Generationen zurückreichenden Künstlerfamilie und war zunächst Schüler seines Vaters François Antoine V. (1681 Toulon – 1736 Paris), um anschließend bei keinem Geringeren als Edmé Bouchardon in die Lehre zu gehen. Seine Karriere verlief erfolg­ reich und nach traditionellem Muster. 1739 gewann Louis Claude den begehrten Grand Prix der Akademie und bildete sich dann, von 1740 bis 1745 als Pensionär an der Villa Medici in Rom weiter. Seit 1751 Vollmitglied der Pariser Akademie, war Vassé ab 1761 als Professor an deren Lehranstalt tätig. Skulpturen seiner Hand aus verschiedenen Schaffensphasen werden im Louvre in Paris aufbewahrt.

The sculptor, Louis Claude Vassé, came from a family of artists stretching back several generations. Trained initially by his father, François Antoine V (1681 Toulon – 1736 Paris), he was subsequently apprenticed to none other than Edmé Bouchardon. His career developed successfully along traditional lines. Louis Claude won the Academy’s coveted Grand Prix in 1739 and continued his training as a pensionnaire at the Villa Medici in Rome from 1740-45. A full member of the Paris Academy from 1751, Vassé was appointed a professor there in 1761. Sculp­ tures from different stages of his creative development are kept at the Louvre in Paris.

(1716–1772, Paris)

Nicht nur als Bildhauer, sondern auch als Zeichner blieb Vassé dem Stil Bouchardons Zeit seines Lebens eng verbunden. Die vorliegende Darstellung eines anmutigen, neckischen Puttos ist in einer hochkonzentrierten und verfeinerten Zeichentechnik ausgeführt, die in ihrer Klarheit und in ihrem vollendeten plastischen Formgefühl von großem visuellem Reiz ist. Man erkennt die Handschrift eines gediegen ausgebildeten und talentierten Bildhauers, jedoch ist Vassé als Zeichner seinem Lehrmeister Bouchardon in puncto zeichnerischer Raffinesse und Linienschönheit bisweilen überlegen.

(1716–1772, Paris)

Throughout his life Vassé remained closely connected with Bouchardon’s style both as a sculptor and a draughtsman. This particular depiction of a charmingly mischievous putto has been executed in a highly concentrated and refined drawing technique, whose clarity and perfect, sculptural sense of form give the work great visual appeal. It is easy to recognise the distinctive, personal style of a very soundly educated and highly talented sculptor. In terms of refined draughtsmanship and linear beauty Vassé’s art is occasionally superior to that of his teacher Bouchardon.

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37. francisco vieira de matos (1699–1783, Lissabon)

francisco vieira de matos (1699–1783, Lisbon)

Minerva schützt Koronis vor dem liebesentbrannten Neptun. Radierung. 29 x 21,8 cm. Nagler 4.

Neptune, Minerva and Coronis. Etching. 29 x 21.8 cm. Nagler 4.

Der Maler und Radierer Francisco Vieira de Matos, auch als Vieira Lusitano bekannt, brachte es in Portugal während seines Lebens zu großem Ansehen und wurde 1733 in Lissabon zum Hofmaler ernannt. Dennoch ist seine Biographie sehr farbig, abwechslungsreich und von Perioden materieller Not gekennzeichnet. Vieira verblieb von 1712 bis 1719 in Rom, wurde dort von Benedetto Luti und Francesco Trevisani ausgebildet und widmete sich gleichzeitig dem Studium der Antike und der Werke großer Vorgänger, wie Raphael und Carracci. Eine abenteuerliche Liebesaffäre mit der adligen Donna Inez Elena de Lima y Mello, die wider ihren Willen von den Eltern zum Klosterdasein gezwungen wurde, führte zu zahlreichen Verwicklungen und schließlich zu einer Entführung, bei der Vieira in persona seine zukünftige Frau aus dem Klaustrum befreite. Infolgedessen des Vermögens der Donna Inez beraubt, lebten die beiden Eheleute anfangs in ärmlichen Verhältnissen. Vieras Lage verbesserte sich jedoch Anfang der 1730er Jahre, als er auf Grund seines unbestrittenen Talentes mit wichtigen Aufträgen betraut wurde. Leider sind viele seiner Arbeiten dem Erdbeben von Lissabon 1755 zum Opfer gefallen.

The painter and etcher, Francisco Vieira de Matos, also known as Vieira Lusitano, was held in great esteem in Portugal in his lifetime, being appointed court painter in Lisbon in 1733. His biography was very colourful, being marked by great variety and including times of material need. Vieira spent the years from 1712 to 1719 in Rome, where he was trained by Benedetto Luti and Francesco Trevisani and devoted himself to studies of anti­ quity and the works of prominent predecessors such as Raphael and Carracci. A reckless love affair with the aristocratic Donna Inez Elena de Lima y Mello, who was forced by her parents to live in a convent against her will, led to numerous complications und ultimately to her abduction, Vieira himself liberating his future wife from the custody in which she had been held. Deprived of Donna Inez’ wealth as a result, the married couple initially lived in straitened circumstances. However, Viera’s situation improved in the early 1730s, his undisputed talent securing him important commissions. Regrettably, many of his works were destroyed during the Lisbon earthquake in 1755.

Vieiras Stilsprache war entscheidend vom römischen Spätbarock geprägt. Von 1721 bis 1728 lebte und arbeitete der Künstler erneut in Rom, 1727 wurde er zum Mitglied der dortigen Accade­mia di S. Luca ernannt. Obwohl hauptsächlich als Maler tätig, schuf Vieiro ein kleines radiertes Œuvre. Nagler verzeichnet insgesamt sieben Radierungen, die bereits damals als selten galten. Unsere Radierung, die Nagler als Vieiras Hauptblatt bezeichnet, schildert eine weniger bekannte Episode aus dem zweiten Buch von Ovids Metamorphosen. Der schönen Koronis, Tochter des lykischen Königs Koroneus, wird während eines Spaziergangs am Meer von dem liebesentbrannten Neptun nachgestellt. Minerva eilt dem jungen Mädchen zu Hilfe und verwandelt sie in einen Vogel, damit sie dem Zugriff des lüsternen Gottes entfliehen kann. Vieira schuf die Radierung im Jahre 1724, während seines zweiten römischen Aufenthalts und stützte sich auf eine Vorlage seines Lehrmeisters Benedetto Luti. Das Blatt ist in einem leichten, schwungvollen Duktus ausgeführt, der gänzlich der spätbarocken Stilsprache Lutis entspricht. Die fein differenzierte Radiertechnik, die sich eines reichen Repertoires unterschiedlichster Schraffurmuster bedient, erinnert an Bologneser Meister des Seicento, wie Guido Reni und Simone Cantarini. Ganz aus­­gezeichneter nuancierter Druck mit feinem Rändchen, links und rechts stellenweise auf die Plattenkante beschnitten. Leichte Altersspuren, sonst sehr gut erhalten.

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Vieira’s stylistic idiom was greatly influenced by late Roman Baroque. From 1721 to 1728 the artist again lived and worked in Rome and was admitted to the city’s Accademia di S. Luca in 1727. Although active mainly as a painter, Vieiro produced a modest corpus of etchings. Nagler records a total of seven, regarded even then as rare. The present etching, which Nagler describes as Vieira’s principal work in this field, portrays a lesser known episode from the second book of Ovid’s Metamor­ phoses. The beautiful Coronis, daughter of the Lycian king Coroneus, is pursued during a walk along the seashore by an impassioned Neptune. Minerva hastens to help the young girl, turning her into a bird so that she can escape the clutches of the lecherous god. Vieira made the etching in 1724 during his second stay in Rome, basing his work on an original by his teacher, Benedetto Luti. The etching has been executed in a light, spirited style which is fully in keeping with Luti’s late Baroque stylistic language. The subtly differentiated etching technique, which makes use of a rich repertoire of very diverse hatching patterns, is reminiscent of the Bolognese masters of the Seicento such as Guido Reni and Simone Cantarini. A very fine, nuanced impression with thread margins, partly trimmed to the platemark on the left and right. Minor ageing, otherwise in excellent condition.


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19. Jahrhundert

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38. c arl joseph aloys agricola (1779 Säckingen – 1852 Wien)

carl joseph aloys agricola (1779 Säckingen – 1852 Vienna)

Die Muse Erato und eine Nymphe. Aquarell, Deckfarben und Feder in Graubraun über Graphit. 19 x 24 cm. Signiert, datiert und bezeichnet: „Carl Agricola del. Karlsruhe d. 23 März 1811“.

The Muse Erato and a Nymph. Watercolour, gouache and pen and greyish-brown ink over graphite. 19 x 24 cm. Signed, dated and inscribed: “Carl Agricola del. Karlsruhe d. 23 März 1811”.

Der Maler und Kupferstecher Carl Agricola begann seine künstlerische Ausbildung in Karlsruhe und ging dann um 1798 nach Wien, wo er an der Akademie unter Heinrich Füger studierte. Er sollte den Rest seines Lebens in Wien sesshaft bleiben und gelangte hier als Porträtmaler und vor allem als Autor von aqua­rellierten Miniaturbildnissen zu größerer Bekanntheit.

Having begun his artistic training in Karlsruhe, the painter and engraver, Carl Agricola, left around 1798 for Vienna, where he studied at the Academy under Heinrich Füger. He spent the rest of his life in the city, earning himself a considerable repu­ tation as a portraitist and, above all, as a painter of miniature watercolour portraits.

Stilistisch blieb Agricola dem eleganten Klassizismus seines Lehrmeisters Füger treu. Das vorliegende Aquarell dokumentiert die erstaunlichen technischen Fähigkeiten des Künst­lers auf anschauliche Weise. Die beiden liebreizenden jungen Frauen sind in einer feinteiligen, detaillierten und koloristisch subtilen Aquarelltechnik wiedergegeben. Bei der bekränzten Frau rechts mit dem hübschen klassischen Profil handelt es sich zweifelsfrei um Erato, die Muse der Liebesdichtung. Das junge, nymphenhafte Mädchen links hört verzückt zu und schaut den Betrachter mit verklärtem Blick an, ihre beiden fein­gliedrigen Hände in einer Demutsgeste vor der Brust gefaltet. Virtuos hat der Künstler die vornehme Blässe des Inkarnats und die sanften Rötungen im Gesicht der beiden Frauen wieder­ gegeben.

In stylistic terms, Agricola remained faithful to the elegant clas­sicism of his teacher Füger. The present watercolour provides a vivid illustration of the artist’s astonishing technical skills. The two delightful young women are rendered in an intricate, detailed and subtly coloured watercolour technique. The woman on the right with the handsome classical profile and a wreath on her head is undoubtedly Erato, the muse of love poetry. The young, nymph-like girl on the left listens enraptured and gazes at the observer with a faraway look, her delicate hands held in front of her chest in a gesture of humility. The artist has brilliantly captured the aristocratic pallor of her complexion and the delicate touches of redness in the faces of the two women.

Trotz des hehren, antikisierenden Themas und der scheuen Zurückhaltung der jungen Nymphe ist die Szene von einer unterschwelligen Erotik erfüllt, die ganz dem damaligen Zeitgeschmack entspricht. Das durchsichtige Unterkleid verhüllt ihre körperlichen Reize keineswegs und gewährt einen frei­ mütigen Blick auf ihre noch mädchenhafte, delikate Brust.

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Despite the noble, classical-style subject matter and the shy restraint of the young nymph the scene is invested with a latent eroticism fully in keeping with the fashion of the time. Far from concealing her physical charms, the diaphanous slip she wears affords a candid look at her delicate, maidenly breast.


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39. l ouis-léopold boilly

louis-léopold boilly

Selbstbildnis in vier unterschiedlichen Ansichten. Lithographie. 21,9 x 21,8 cm. 1832. Inventaire du Fonds Français 44.

Self-portrait in Four Different Views. Lithograph. 21.9 x 21.8 cm. 1832. Inventaire du Fonds Français 44.

Der Porträt- und Genremaler, Zeichner und Graphiker LouisLéopold Boilly hat während seines langen und arbeitsreichen Lebens ein umfangreiches Œuvre geschaffen. Er war ein außer­ ordentlich fleißiger und gesuchter Porträtist und als Zeichner ein wacher und humorvoller Beobachter des Alltagslebens seiner Epoche. Mit Recht hat man Boilly aus diesem Grunde den „Kleinmeister der Revolution“ getauft.

Louis-Léopold Boilly, a portrait and genre painter, draughtsman and printmaker, lived a long, productive life and left an extensive oeuvre. He was an extremely hard-working and much sought-after portraitist and, as a draughtsman, a humorous and observant chronicler of his times. Boilly has therefore rightly been dubbed the “Little Master of the Revolution”.

(1761 La Bassée – 1845 Paris)

Das vorliegende Selbstbildnis ist 1832 entstanden und gehört damit dem Spätwerk an. Boilly dürfte auf dem Selbstbildnis höchstens fünfundvierzig bis fünfzig Jahre alt sein, und es ist auf Grund des Entstehungsdatums anzunehmen, daß der Künstler auf früher entstandene Porträtzeichnungen zurückgegriffen hat. Das markante Selbstporträt verrät einen un­ bestechlichen Wirklichkeitssinn und ist bar jeder Eitelkeit. Der Künstler wirkt introspektiv, leicht zerstreut und die kurzsichtigen Augen hinter den runden Brillengläsern betrachten die Welt mit melancholischem Blick. Boilly verschönert nichts und versucht nicht, seine Makel zu vertuschen. Das fül­lige Gesicht mit den leicht abstehenden Ohren, der markanten Habichtsnase und den strubbeligen Haaren ist erstaunlich lebensnah, fast selbstkritisch dargestellt, und besitzt dadurch eine faszinierende Präsenz. Prachtvoller, gegensatzreicher Druck mit breitem Rand. Leichte Altersspuren, sonst sehr gut erhalten.

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(1761 La Bassée – 1845 Paris)

The present work arose in 1832 and thus belongs to his late period. Boilly is probably between forty-five and fifty years of age at the most on this self-portrait and, given its date of origin, it can be assumed that the artist drew on earlier portrait drawings. A striking work, it reveals an unerring sense of reality and is devoid of all vanity. The artist appears introspective, a little absent-minded even, and his short-sighted eyes behind the round glasses look out on the world with a melancholy gaze. Boilly embellishes nothing and makes no attempt to cover up any blemishes. His full face with its slightly protruding ears, striking hooked nose and tousled hair is depicted in an astonishingly true-to-life, almost self-critical manner which gives it a fascinating quality. An excellent, contrasting impression with broad margins. Minor ageing, otherwise in excellent condition.


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40. ludwig buchhorn

ludwig buchhorn

Die Bettlerjugend. 4 Radierungen mit Aquatinta in Braun. Je ca. 25,2 x 19,6 cm. Nicht bei HellerAndresen; Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, Bd. V, S. 179.

Die Bettlerjugend (The Young Beggars). Four etchings with aquatint, printed in brown ink. Each measuring approx. 25.2 x 19.6 cm. Not in Heller-Andresen; Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, vol. V, p. 179.

Der Maler, Zeichner und Kupferstecher Ludwig Buchhorn war ein Schüler Daniel Bergers an der Berliner Akademie. Von 1797 bis 1803 war Buchhorn als Zeichner und Kupferstecher für die Chalcographische Gesellschaft in Dessau tätig. Nach seiner Rückkehr nach Berlin im Jahre 1806, wurde Buchhorn 1812 ordentliches Mitglied der Akademie und erhielt 1816 eine Beru­fung als Professor für Zeichnen und Kupferstich-Kunst an dieser Lehranstalt. In dieser Eigenschaft entwickelte er eine einflußreiche Lehrtätigkeit, zu seinen Schülern zählten Eduard Eichens, Eduard Mandel und Adolf Schrödter.

The painter, draughtsman and engraver, Ludwig Buchhorn, studied under Daniel Berger at the Berlin Academy. From 1797 to 1803 Buchhorn was active as a draughtsman and engraver for the Chalcographic Society in Dessau. In 1806 he returned to Berlin and in 1812 became a full member of the Academy, where he was appointed a professor of drawing and engraving in 1816. He exerted considerable influence as a teacher and numbered Eduard Eichens, Eduard Mandel und Adolf Schrödter among his students.

(1770 Halberstadt – 1856 Berlin)

Buchhorn tat sich vor allem als Porträtist hervor und zählt neben Johann Gottfried Schadow, zu dem er eine enge Verbindungen unter­hielt, zu den begabtesten Berliner Zeichnern seiner Epoche. Er war darüberhinaus ein versierter Reproduktionsstecher, der eine große Zahl von unterschiedlichen druckgraphischen Techniken virtuos beherrschte. Zu den Arbeiten nach eigenen Entwürfen zählt die insgesamt zwölf Blatt zählende Folge Die Bettlerjugend, deren Datierung wohl um 1813–15 anzusetzen ist. Die Folge ist komplett von größter Seltenheit, jedoch vermitteln die vier hier vorliegenden Blätter in künst­ lerischer Hinsicht ein repräsentatives Bild des Zyklus. Die in Lumpen gekleideten Kinder sind in ganzer Figur vor einem landschaftlichen Hintergrund oder mit Attributen vor einem neutralen Fond dargestellt. Buchhorn betont das pittoreske Element ihres erbarmungswürdigen Daseins und drängt damit die gesellschaftskritische Komponente in den Hintergrund. Die souveräne Anwendung der Aquatintatechnik, die markante Helldunkelkontraste und subtile tonale Abstufungen erzeugt, erinnert an die Caprichos von Goya, die der Künstler zweifellos gekannt hat.

(1770 Halberstadt – 1856 Berlin)

Buchhorn excelled above all as a portraitist and together with Johann Gottfried Schadow, with whom he maintained close ties, he ranked among the most talented Berlin draughtsmen of his day. He was also a skilled reproductive engraver and a veritable virtuoso in a large number of printmaking techniques. Among the works after his own designs is the series of twelve aquatints entitled Die Bettlerjugend (The Young Beggars), which probably dates to 1813-15. The complete series is of the utmost rarity, but in artistic terms these four sheets are representative of the entire cycle. The youngsters dressed in rags are portrayed in full figure against a landscape backdrop or with certain attri­ butes against a neutral background. Buchhorn emphasises the picturesque element of their pitiful existence, thus glossing over the socially critical aspect. The masterful application of the aquatint technique, which produces striking chiaroscuro contrasts and delicate tonal gradations, is reminiscent of Goya’s Caprichos, with which the artist was undoubtedly familiar. Superb contrasting impressions with margins. Minor ageing and defects in the margins, one sheet with minor abrasions mostly in the margins, but in excellent condition overall.

Prachtvolle, gegensatzreiche Drucke mit Rand. Leichte Altersspuren und Randmängel, ein Blatt mit geringfügigen Bereibungen, vorwiegend im Randbereich, der Gesamteindruck jedoch sehr gut.

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41. christoffer wilhelm eckersberg (1783 Blåkrog – 1853 Kopenhagen)

christoffer wilhelm eckersberg (1783 Blåkrog – 1853 Copenhagen)

Daekket af et Orlogsskib. Radierung. 23 x 30,3 cm. 1834. Heller-Andresen 3, Hannover 8.

Daekket af et Orlogsskib. Etching. 23 x 30.3 cm. 1834. Heller-Andresen 3, Hannover 8.

Christoffer Wilhelm Eckersberg, der wohl bedeutendste Vertreter der dänischen Malerei des Goldenen Zeitalters, hat neben seiner malerischen Tätigkeit ein kleines druckgraphisches Œuvre geschaffen. Von Anfang der 1820er Jahre an entwickelte sich die Marinemalerei zu einem wichtigen Zweig in seinem Schaffen. Eckersbergs Faszination für Wolken- und Meeres­ land­­schaften und seine intensive Beschäftigung mit den Geset­ zen der Linearperspektive finden sich in seinen Marinebildern wieder.

Christoffer Wilhelm Eckersberg, the most prominent represen­ tative of the Golden Age of Danish painting, produced a small printed oeuvre in addition to his paintings. From the early 1820s marine painting was an important element of his artistic work. Eckersberg’s fascination with skyscapes and seascapes and his intensive studies of the laws of linear perspective are reflected in his marine pictures.

Die Komposition gibt ein Gemälde Eckersbergs aus dem Jahre 1833 in leicht abgewandelter Form wieder (Korvetten „Najaden“s styrbords batteri og daek, Statens Museum, Kopenhagen). Von einem leicht erhöhten Standpunkt aus gesehen, zeigt die vorliegende Radierung das Kanonendeck eines Kriegsschiffes, das in starker Verkürzung wiedergegeben ist. Das Segelschiff liegt vor Anker und vorne haben sich die Matrosen zu einer Ruhepause versammelt. Klares Sonnenlicht läßt das Vorderdeck hell aufleuchten. Die unbemannte Winde zum Bedienen der Takelage, ganz vorne im Bild, symbolisiert die Reglosigkeit des mäch­tigen Schiffes. Dadurch wirkt die Szene sonderbar entrückt, fast mystisch. Die suggestive Darstellung ist in einer feinteiligen, detaillierten Radiertechnik wiedergegeben und besticht durch ihre subtile Erfassung von Texturen, Licht und Atmosphäre. Ausgezeichneter, klarer Probedruck mit breitem Rand, vor der Schrift.

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This particular composition is a slightly modified reproduction of a painting Eckersberg did in 1833 (Korvetten “Najaden”s styrbords batteri og daek, Statens Museum, Copenhagen). Seen from a slightly raised vantage point, the etching shows the gundeck of a warship from a very foreshortened perspective. The sailing ship lies at anchor and the sailors have gathered near the bow for a rest. The foredeck is illuminated by clear, bright sunlight. The unmanned winch used to operate the rigging gear, which dominates the foreground, indicates that the powerful ship is lying motionless. The scene consequently has a strangely distant, almost mystical atmosphere. This highly evocative depiction, which has been executed in an intricate, detailed etching style, is remarkable for its subtle rendering of textures, light and atmosphere. A very fine, crisp trial proof with wide margins, before letters.


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42. philipp hermann eichens (1813 Berlin – 1889 Paris)

philipp hermann eichens (1813 Berlin – 1889 Paris)

Eine belebte Straße in Paris, in der Nähe des Place de l’Odeon. Aquarell. 28,4 x 20,2 cm. Signiert und datiert: „P. H. Eichens Paris 1838“.

A Busy Street in Paris near the Place de l'Odéon. Watercolour. 28.4 x 20.2 cm. Signed and dated: “P. H. Eichens Paris 1838”.

Nach Studienjahren an der Städtischen Gewerbeschule und an der Berliner Akademie unter Wilhelm Hensel siedelte Philipp Eichens im Jahre 1835 von Berlin nach Paris über. Lediglich bei zwei weiteren Gelegenheiten, von 1838 bis 1839 und von 1845 bis 1849 kehrte Eichens nach Berlin zurück, ließ sich danach jedoch endgültig in Paris nieder, um sich dort vor allem als Gra­phiker hervorzutun. Laut der Eintragung im Katalog des Pariser Salons des Jahres 1838, wo Eichens mit der Zeichnung Jeune princesse du moyen-age, touchant de l’orgue vertreten war, wohnte der Künstler in der ehemaligen rue des Francs-Bourgeois Saint Michel, der heutigen rue Monsieur-le-Prince, welche die rue Vaugirard mit dem Carrefour de l’Odéon im 6. Arrondisement verbindet.

Having studied at the Municipal Trade School and the Aca­ demy under Wilhelm Hensel, Philipp Eichens moved from Berlin to Paris in 1835. He returned to Berlin in 1838/39 and again from 1845 to 1849 but then settled in Paris for good to pursue a career as a printmaker. According to the entry in the catalogue of the Paris Salon of 1838, at which Eichens was represented by the drawing Jeune princesse du moyen-age, touchant de l'orgue, the artist lived in the former rue des FrancsBourgeois Saint Michel, now rue Monsieur-le-Prince, which connects rue Vaugirard with Carrefour de l'Odéon in the 6th arrondisement.

Die auf unserem Blatt gezeigte rue Racine kreuzt die rue Monsieur-le-Prince in einem senkrechten Winkel; Eichens hat also sein tägliches Lebensumfeld dargestellt. Infolge späterer urbanistischer Veränderungen ist es heute jedoch leider nicht mehr möglich, die genaue Stelle zu identifizieren, von der er seine Ansicht malte. Zudem erlaubte Eichens sich auch gewisse künstlerische Freiheiten. Die farbigen Plakate auf der rechten Brandmauer, die für die vollständige, von dem Pariser Verleger Maurice Schlesinger herausgegebene Edition der damals immens populären Walzer des Johann Strauß senior, sowie für ein deutsch-französisches Wörterbuch werben, sind launige Einfälle des Künstlers, die der Darstellung zusätzliches Lokalkolorit verleihen. Die Festdekorationen an der linken Häuserwand stehen möglicherweise in Verbindung mit der am 24. August 1838 erfolgten Geburt des Prinzen Louis Philippe Albert d’Orléans, des erstgeborenen Sohnes von Ferdinand Philippe d’Orléans, duc de Chartres. Am 29. August dieses Jahres wurde in Paris ein Volksfest mit Feuerwerk und offiziellen Feierlichkeiten proklamiert und es war üblich, daß die Stadtverwaltung die Bürger aufforderte, ihre Hausgiebel mit der tricolore zu schmücken. Man kann sich leicht vorstellen, wie sich Eichens, ange­regt durch das farbige, lebhafte Treiben in seinem Viertel, entschloss, die Ereignisse auf dem vorliegenden kleinen Blatt zu verewigen. Er schuf eine geistreiche und trefflich observierte Schilderung des Pariser Alltagslebens, ein visuelles Andenken, das möglicherweise unmittelbar vor seiner Abreise nach Berlin entstand, wo er im Oktober 1838 eintraf.

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The rue Racine depicted here crosses rue Monsieur-le-Prince at right angles, so in effect Eichens is depicting his immediate everyday environment. Due to subsequent urban development, however, it is unfortunately no longer possible to pinpoint the exact spot at which Eichens painted this scene. Moreover, the artist took certain artistic liberties. The colour posters on the right-hand firewall advertising the issuing by the Parisian pub­ lisher, Maurice Schlesinger, of the complete edition of waltzes by Johann Strauss the Elder, which were immensely popular at the time, as well as a French-German dictionary are fanciful ideas on the part of the artist designed to instil added local colour. The festive decorations on the row of houses on the left may have to do with the birth on 24 August 1838 of Prince Louis Philippe Albert d’Orléans, the first-born son of Ferdinand Philippe d’Orléans, duc de Chartres. A public festival in Paris with fireworks and official celebrations was announced on 29 August of that year and it was customary for the municipal authorities to call on residents to decorate the fronts of their houses with the tricolour. It is not hard to imagine that Eichens, inspired by the lively, colourful goings-on in his neighbourhood, decided to perpetuate the events on the present watercolour. He has produced a witty and splendidly observed portrayal of everyday Parisian life, a visual souvenir which may have arisen immediately prior to his departure for Berlin, where he arrived in October 1838.


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43. carl christian constantin hansen (1804 Rom – 1880 Fredericksberg)

carl christian constantin hansen (1804 Rome – 1880 Fredericksberg)

Ein Gebirgsbach in den Tiroler Alpen. Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen. 27 x 25 cm. 1834.

Brook in the Tyrolean Alps. Oil on paper, mounted on canvas. 27 x 25 cm. 1834.

In Wien getauft, erhielt Hansen den Namen Constantin in Erinnerung an seine Patin Constance, die Witwe von Wolfgang Amadeus Mozart. Zuerst an der Kopenhagener Akademie als Architekt ausgebildet, wandte er sich 1825 der Malerei zu und ging bei Christoffer Wilhelm Eckersberg in die Lehre, der einen prägenden Einfluss auf ihn ausüben sollte. Angeregt von Eckersberg entwickelte Hansen eine realistische Naturauf­ fassung, die von einem verfeinerten Kolorit und einer gewissen­ haften Wiedergabe von Licht und Atmosphäre gekennzeichnet ist. Zwischen 1835 und 1844 lebte und arbeitete der Künstler in Italien, verkehrte im dänischen Künstlerkreis um B. Thorvaldsen, blieb jedoch auch hier seiner lebensnahen und objek­ tivistischen Kunstauffassung treu. Als sein Hauptwerk gelten die Fresken, die er zwischen 1844 und 1853 gemeinsam mit seinem Freund Georg Hilker (1807–1875) für die Kopenhagener Universität ausführte.

Baptised in Vienna, Hansen was named Constantin in memory of his godmother Constance, the widow of Wolfgang Amadeus Mozart. Having first trained as an architect at the Copenhagen Academy, he turned to painting in 1825 and was apprenticed to Christoffer Wilhelm Eckersberg, who was to have a lasting influence on him. Inspired by Eckersberg, Hansen developed a realistic approach to nature, which was charac­terised by refined colouring and a faithful rendering of light and atmo­sphere. Between 1835 and 1844 the artist lived and worked in Italy where, though moving among the Danish artists grouped around Bertel Thorvaldsen, he adhered to his true-to-life, objectivist view of art. The frescoes Hansen made for Copenhagen University between 1844 and 1853 together with his friend Georg Hilker (1807–1875) are considered his most important work.

Hansen gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der dänischen Malerei des goldenen Zeitalters. Zwischen 1824 und 1878 beteiligte er sich an den Ausstellungen der Kopenhagener Akademie in Charlottenburg; ab 1873 bekleidete er das Amt des Vizedirektors dieser Lehranstalt. Die vorliegende, feinsinnige Naturstudie entstand im Jahre 1834 in Tirol, auf der Durchreise nach Italien. Die Freilicht­studie zeigt in ihrer Frische und schlichten Naturverbundenheit alle Vorzüge von Hansens Malerei. Das kühle, frische Weiss des sprudelnden Bächleins bildet einen subtilen Kontrast mit dem herbstlich gefärbten Laub und dem verdeckten Himmel. Provenienz: Aus dem Nachlasskatalog des Künstlers, Kopenha­ gen 1880, Nr. 17; Saamlung des Konsuls Schierbeck, Helsingor. Literatur: E. Hannover. Maleren Constantin Hansen – En Studie I Dansk Kunsthistorie. Kopenhagen 1901, Nr. 93.

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He ranks as one of the foremost represen­tatives of the Golden Age of Danish painting. Between 1824 and 1878 Hansen participated in the exhibitions of the Copenhagen Academy in Charlottenburg, being appointed its deputy director in 1873. This sensitive nature study arose in 1834 in Tyrol when he was on his way to Italy. Painted en plein air, its freshness and genuine affinity with nature illustrate all the virtues of Hansen’s art. The cool, fresh white of the rushing stream forms a delightful contrast with the autumn colours of the foliage and the overcast sky. Provenance: From the estate cata­logue of the artist, Copenhagen 1880, no. 17; collection of Con­sul Schierbeck, Helsingor. Literature: E. Hannover. Maleren Constantin Hansen – En Studie I Dansk Kunsthistorie. Copen­hagen 1901, no. 93


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44. paul huet (1803–1869, Paris)

Eine herbstliche Landschaft bei verhangenem Himmel. Öl auf Leinwand. 19 x 41 cm. Mit dem roten Ateliersiegel. Paul Huet lernte ab 1820 an der Pariser École des Beaux-Arts bei Antoine-Jean Gros und Pierre Narcisse Guérin und gilt als einer der Begründer der romantischen Landschaftsmalerei in Frank­ reich. Von zentraler Bedeutung für seinen künstlerischen Wer­de­ gang war der freundschaftliche Umgang mit Eugène Dela­croix und Richard Parkes Bonington, die ihm wesentliche künst­ lerische Impulse vermittelten. Als ebenso entscheidend erwies sich der durch Bonington angeregte Kontakt mit der englischer Malerei seiner Epoche, insbesondere mit dem Schaffen Constables, das Huet 1824, anlässlich dessen Beteiligung am Pariser Salon kennenlernte. Michelet bezeichnete Huet mit Recht als „rénovateur du paysage français“. Huet widmete sich seit den 1820er Jahren intensiv der Pleinairmalerei und zu seinen ersten Versuchen auf diesem Gebiet zählen die großartigen Freilichtstudien, die er in jener Zeit im Park von Saint-Cloud malte. Als Landschaftler pur sang

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pflegte der Künstler Zeit seines Lebens eine sehr intensive Reisetätigkeit, die ihn u. a. in die Normandie, in die Auvergne, nach Südfrankreich, Spanien, Italien, Holland und Belgien führte. Bezeichnenderweise war es vor allem die heimatliche Natur, die Huet wesentlich inspiriert hat. Die Betonung des Stimmungselementes in seinen Landschaften und die künstlerische Erfassung des Lichtes in allen seinen unterschiedlichen Valeurs machen ihn zu einem Vorläufer der fast um ein Jahrzehnt jüngeren Generation der Schule von Barbizon und zu einem der Hauptvertreter der sogenannten Paysage intime. Die vorliegende, direkt vor der Natur entstandene und rasch notierte Ölskizze dokumentiert Huets Talent, um mit großer Ökonomie der Mittel ein Höchstmaß an Naturnähe und Spontaneität zu erzielen. Es ist kennzeichnend für den Künstler, daß er auf nähere topographische Andeutungen verzichtet hat, so daß sich nicht feststellen läßt, wo die Studie entstanden ist. Vielmehr schafft Huet ein universales, zeitloses Abbild der Natur. Die dunstige, dämmrige Atmosphäre und das verhaltene Kolorit verleihen der menschenleeren, weiten Landschaft eine ganz eigene Poesie.


paul huet (1803–1869, Paris)

An Autumn Landscape with Overcast Sky. Oil on canvas. 19 x 41 cm. With the red studio stamp. Paul Huet, who was admitted to the Parisian École des Beaux Arts in 1820 and studied under Antoine-Jean Gros and Pierre Narcisse Guérin, is considered one of the founders of Romantic landscape painting in France. Of key significance for his artistic career were his friendships with Eugène Delacroix and Richard Parkes Bonington, who were important sources of inspiration. It was Bonington who introduced Huet to the English painting of the day, particularly through his 1824 visit to the first exhibition of the works of John Constable at the Salon in Paris. Michelet rightly described Huet as the “rénovateur du paysage français”. From the 1820s onwards Huet devoted himself intensely to open-air painting. His first ventures in this field include the magnificent plein air studies which he painted in the park of Saint-Cloud at that time. As a landscape artist pur sang, Huet was an inveterate traveller, visiting such places as Normandy, the Auvergne, the south of France, Spain, Italy, Holland and

Belgium. Significantly, he drew his main inspiration from the native countryside. The stressing of the element of mood in his landscapes and the artistic treatment of light in all its different textures make him a precursor of the Barbizon school – representing a generation almost a decade younger – and one of the main exponents of the paysage intime. This oil sketch, rapidly executed from nature, illustrates Huet’s ability to achieve the greatest possible naturalness and spon­ taneity with a remarkable economy of means. It is typical of the artist that he should have dispensed with any detailed topographical indications, thus making it impossible to establish where the study was made. On the contrary, Huet has created a universal, timeless evocation of nature. The dim, hazy atmo­ sphere and the restrained colouring give the wide, deserted landscape a magic all its own.

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45. c hristen købke (1810–1848, Kopenhagen)

christen købke

Der alte Seemann. Radierung. 19 x 15,5 cm. 1836. Heller-Andresen 3; J. Styhr. Dansk Grafik. Kopen­ hagen 1949, S. 34–37 mit Abbildung.

The Old Sailor. Etching. 19 x 15.5 cm. 1836. HellerAndresen 3; J. Styhr. Dansk Grafik. Copenhagen 1949, pp. 34–37 with illustration.

Der früh verstorbene Christen Købke gehört zu den heraus­ ragenden Künstlerpersönlichkeiten der dänischen Malerei des Goldenen Zeitalters. Als Schüler von Eckersberg entwickelte er eine eigenständige, fortschrittliche Landschaftsauffassung, die von einer hohen kompositorischen Originalität und einer bemerkenswert subtilen Wiedergabe von Licht und Atmosphäre gekennzeichnet ist. Auch als Bildnismaler zählt Købke zu den markantesten Begabungen seiner Epoche. Die Anfang der 1830er Jahre entstandenen, häufig kleinformatigen Bildnisse von Personen aus dem engeren Familienkreis, Künstlerkollegen und Freunden frappieren durch ihren häufig schonungslosen Wirklichkeitssinn und ihre eindringliche psychologische Charakterisierung. Købke schuf ab 1831 ein kleines und seltenes druckgraphisches Œuvre, das vorwiegend eigene Gemälde wiedergibt.

Although he died young, Christen Købke was one of the outstanding artists in the Golden Age of Danish painting. A pupil of Eckersberg, he developed his own progressive interpretation of landscape, the hallmarks of which are a great originality of composition and a remarkably delicate rendering of light and atmosphere. As a portrait painter, too, Købke was regarded as one of the outstandingly talented artists of his time. The frequently small-size portraits he made in the early 1830s of members of his immediate family, fellow artists and friends are astonishing for their often ruthless realism and incisive psycho­ logical characterisation. From 1831 onwards Købke produced a modest and rare printed oeuvre consisting largely of reproductions of his own paintings.

Der meisterhaften Bildnisradierung eines alten Seemannes liegt ein Gemälde des Künstlers aus dem Jahre 1832 zu Grunde. Trotz der Beschränkungen des Schwarzweiß-Mediums besitzt das kleinformatige Porträt eine ungeheure Präsenz. In einer wundervoll differenzierten Radiertechnik hat der Künstler jede Falte und Furche des vom Wind und der salzigen Meeresluft gegerbten Gesichts minuziös dargestellt. Der alte Mann schaut sein Gegenüber mit bohrendem, mißtrauischem Blick an, sein Gesichtausdruck zeugt von den Entbehrungen und der Müh­sal seines Arbeitslebens. Prachtvoller, harmonischer und gegensatzreicher Druck, bis auf die Plattenkante beschnitten, rechts mit feinem Rändchen. Leichte Randmängel, der Gesamteindruck jedoch sehr schön.

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(1810–1848, Copenhagen)

The masterfully etched portrait of an old sailor is modelled on a painting the artist made in 1832. Despite the limitations of the black-and-white medium, this small portrait exerts a tremendous impact. Employing a wonderfully subtle and differentiated etching technique, the artist has meticulously detailed every fold and furrow on the man’s face, which has been tanned by the wind and the salty sea air. He stares at the beholder with a probing, suspicious gaze, his facial expression a testimony to the hardship and privations of his working life. A superb, harmonious and contrasting impression, trimmed to the platemark, with a thread margin on the right. Minor defects in the margins, otherwise in very fine condition.


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46. f rederik carl julius kraft (1823–1854, Kopenhagen)

frederik carl julius kraft (1823–1854, Copenhagen)

Eine Campagnalandschaft bei Abendlicht. Öl auf Malpappe. 33,5 x 42,6 cm. Um 1851/53. Signiert: „F. Kraft“.

Campagna Landscape in the Evening Light. Oil on cardboard. 33.5 x 42.6 cm. Circa 1851/53. Signed: “F. Kraft”.

Der Landschaftsmaler Frederik Carl Julius Kraft war als unehelicher Sohn aus der Liaison von Christian VIII., König von Dänemark und Norwegen, und Sophie Frederikke Tronier hervorgegangen. Er studierte in jugendlichem Alter ab 1838 an der Kopenhagener Akademie und stellte ab 1843 als selbständiger Künstler aus. 1848 wurde sein Landschaftsbild Faergelun­ den ved Jaegerspris für die Königliche Gemäldesammlung an­ gekauft (heute im Statens Museum for Kunst, Kopenhagen), das in seiner Monumentalität und in seiner realistischen Natur­ auffassung dem Schaffen P. C. Skovgaards sehr nahe kommt. 1851/53 lebte und arbeitete Kraft dank eines akademischen Stipendiums in Italien, wo er vorwiegend Landschaften malte. Kurz nach seiner Rückkehr nach Kopenhagen verstarb der hochtalentierte Künstler mit nur einunddreissig Jahren.

The landscape painter, Frederik Kraft, was the illegitimate son of Christian VIII, King of Denmark and Norway and Sophie Frederikke Tronier. He began studying at a very young age at the Copenhagen Academy in 1838 and first exhibited as a free­ lance artist in 1843. In 1848 his landscape painting Faergelun­den ved Jaegerspris was purchased for the Royal Collection of Paintings (now in Statens Museum for Kunst, Copenhagen). In its monumental scale and realistic interpretation of nature it comes very close to the work of P. C. Skovgaard. An academic stipend enabled Kraft to live and work from 1851 to 1853 in Italy, where he mostly painted landscapes. Shortly after returning to Copenhagen the artist died at the early age of thirty-one.

Die vorliegende Landschaftsimpression besticht durch ihre robuste und stark verkürzende Malweise. Mit wenigen treff­ sicheren und flüssigen Pinselstrichen hat Kraft den Charakter und die Atmosphäre der südlichen Landschaft souverän und überzeugend eingefangen. Die weite, menschenleere Landschaft badet im milden Licht des frühen Abends, die mit raschem Strich angedeuteten Heuschuber setzen prägnante visuelle Akzente. Subtil hat der Künstler die feinen Abstufungen des abendlichen Himmels erfaßt. In ihrer Schlichtheit und Phrasen­ losigkeit strahlt die Studie eine zeitlose Modernität aus.

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The present landscape impression is distinguished by a vigorous and very reductive style of painting. A few accurate and flowing strokes of the brush are sufficient to capture the character and atmosphere of the southern landscape in a consummate and convincing manner. The wide, deserted landscape is bathed in the mild, early evening light; the rapidly executed haystacks provide a striking visual focus. The artist has meticulously rendered the fine gradations in the evening sky. The simplicity and succinctness of the study give it a timeless modernity.


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47. eugène louis lami (1800–1890 Paris)

Der Jungbrunnen. Aquarell. 25,5 x 47 cm. Mono­gram­­ miert: „E. L.“ Mit großem Esprit und feiner Ironie hat Eugène Lami, der mit Constantin Guys und Paul Gavarni zu den pointiertesten Chronisten seiner Epoche gezählt wird, das Treiben der hier versammelten Menschheit wiedergegeben. Die Thematik des Jungbrunnens war von alters her ein beliebtes Motiv in der abendländischen Kunst und erhielt vor allem in der deutschen Kunst des 16. Jahrhunderts durch Künstler wie Lucas Cranach und Hans Sebald Beham ihre mustergültige Prägung. Lami hat die Handlung dagegen in seine Zeit, in die Epoche des Bür­ gerkönigs Louis Philippe versetzt. Es ist keineswegs vermessen, die burleske Allegorie als ein Hauptblatt des Künstlers zu bezeichnen. Eine bunte, farbige Gesellschaft von Personen unterschiedlichster Art – elegante Damen, hohe Offiziere, Hofbeamte und Dandys – hat sich am Rande des Brunnens versammelt, in der eitlen Hoffnung, ihre verlorene Jugend und Schönheit wiederzuerlangen. Das Thema bietet Lami die Gelegenheit, alle satirischen Register zu ziehen und er macht ausgiebig Gebrauch davon. Die schrille Szenerie pulsiert geradezu vor unzähligen skurrilen und grandios beo­ bachteten Details. Vorne sehen wir eine spindeldürre, verwelkte, nur mit Strümpfen bekleidete Frau, die schamhaft ihre Nacktheit verdeckt, während die in eine prachtvollen Robe gehüllte Dame neben ihr noch unschlüssig ist und vor dem kühlen Was­ ser zurückweicht. Hinter ihr eine weitere, in Rücken­ansicht dargestellte Frau mit einem opulenten Federhut, die im Begriff ist, sich zu entkleiden und dabei ihr mächtiges Gesäß entblößt. Ganz vorne wagt sich eine korpulente Matrone mit zaghaften Trippelschrittchen in den eiskalten Jungbrunnen. Die männ­ lichen, teils ordensgeschmückten Würdenträger im Hintergrund sind außerordentlich individuell wiedergegeben. Ihre Physiognomien sind porträthaft erfaßt – dargestellt an prominenter Stelle ist beispielsweise der Marschall Soult, der Kriegsminister Louis Philippes –, und die Lebhaftigkeit ihrer Charakterisierung erinnert an die Karikaturen Daumiers. In der Bildmitte

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werfen sich zwei Greise unverzagt ins heilsame Wasser, während am anderen Ufer Höflinge unbeschwert herumtänzeln, noch in Unkenntnis der Fruchtlosigkeit ihrer Bemühungen. Eugène Lami war ein Schüler von Horace Vernet und Baron Antoine-Jean Gros. Nach einem Debüt als Historienmaler wandte er sich bald der Aquarellmalerei zu und brachte es dank seiner humorvoll beobachteten Sittenschilderungen aus dem Pariser Gesellschafts- und Hofleben zu großer Bekanntheit. Zu der Aquarellmalerei war er über Richard Parkes Bonington gelangt, dem er 1817 in dem Pariser Atelier des Historien­ malers Baron Antoine-Jean Gros begegnet war. Lamis Arbeiten wurden von den Zeitgenossen nicht nur wegen ihrer souveränen technischen Ausführung, sondern vor allem wegen ihres humoristisch-satirischen Inhaltes geschätzt. Mit einem treff­ sicheren Gespür für das aussagekräftige, anekdotische Detail schilderte er das Treiben der mondänen Pariser Gesellschaft und der eleganten Halbwelt in Theatern und Vergnügungsloka­ len, im Salon oder beim Ausritt in den Bois de Boulogne. Seine Schilderungen besitzen daher eine nicht geringe kulturhisto­ rische Bedeutung und vermitteln ein sehr persönliches und lebhaftes Bild vom Alltagsleben zur Zeit der Restauration, der Ära Louis Philippes und der dekadent-verschwenderischen Epoche des Zweiten Kaiserreiches. Provenienz: Auftragsarbeit von Anatole Demidoff (1813–1870) für L’Histoire de mon temps; Vente San Donato, Paris Hotel Drouot, 2. Juli 1875, Nr. 36; Sammlung Odon de Montesquiou – Fezensac, Chateau de Courtanvaux: Nachlaß Comtesse Odon de Montesquiou – Fezensac. Paris, Galerie Georges Petit, 9. – 10. Dezember 1929, Nr 5 mit Abb. (17.500 ff); Sammlung Raoul de Montesquiou; Vente anonyme, Paris, Hotel Drouot, (Madame Roger Langaz), 27. November 1942, Nr. 20, Abb. S. 7. Ausstellung: 7ème exposition, Société des aquarellistes francais, Paris 1885, Nr. 4. Bibliographie: P. A. Lemoine. L’oeuvre d’Eugène Lami (1800–1890) – Essai d’un catalogue raisonné. Paris 1914, S. 417. Die Autorschaft Lamis wurde von Caroline Imbert bestätigt.


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47. eugène louis lami (1800–1890, Paris)

The Fountain of Youth. Watercolour. 25.5 x 47 cm. Monogrammed: “E. L.”. Eugène Lami, who together with Constantin Guys and Paul Gavarni is regarded as one of the most acerbic chroniclers of his epoch, has portrayed the activities of the people gathered here in a very witty and ironical manner. The fountain of youth, traditionally a popular theme in Western art, found consummate expression above all in the works of 16th century German artists such as Lucas Cranach and Hans Sebald Beham. Lami has transferred the relevant activities to his own era, that of the “citizen king” Louis Philippe. It would be by no means pre­sumptuous to describe this burlesque allegory as one of the artist’s principal works. A colourful group of very diverse individuals – elegant ladies, high-ranking officers, court officials and dandies – have assembled at the edge of the fountain in the vain hope of recovering their lost youth and beauty. This satirical theme offers Lami an opportunity to pull out all the stops – and he does so with great relish.

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The garish scene posi­tively throbs with innumerable bizarre and astutely observed details. In the foreground stands a spindly woman of withered beauty clad in nothing but her stockings and coyly concealing her nakedness, whilst next to her an irreso­ lute lady in a magnificent dress shrinks from entering the chilly water. Behind her, seen from the rear, is another woman wearing an opulent feather hat who, in the process of disrobing, reveals her ample posterior. In the centre foreground, a corpulent matron ventures tentatively into the ice-cold fountain of youth. The male dignitaries in the background, some of whom wear medals, are rendered with meticulous attention to detail. Their facial features have portrait-like qualities – Marshall Soult, Louis Philippe’s Minister of War, is clearly recognisable in a prominent position, for instance – and the vividness of their characterisation is reminiscent of Daumier’s caricatures. In the middle of the picture two old men plunge undaunted into the healing waters, while on the opposite bank courtiers dance around light-heartedly, still blissfully unaware of the futility of their efforts.


Eugène Lami, the author of this work, studied under Horace Vernet and Baron Antoine-Jean Gros. Initially a painter of historical scenes, he soon turned to watercolour painting, gain­ing a great reputation for his humorous depiction of the customs of court and social life in Paris. His preference for watercolours was the result of his encounter with Richard Parkes Bonington in 1817 at the Paris studio of the history painter, Baron Antoine-Jean Gros. Contemporaries valued Lami’s works not just for their technical mastery, but also for their humorous and satirical themes. Endowed with an unerring instinct for expressive anecdotal detail, he portrayed the activities of fashionable Paris society and the elegant demi-monde in salons, theatres and places of entertainment and during outings on horseback in the Bois de Boulogne. His depictions are, therefore, of considerable significance for cultural history and convey a very personal, vibrant picture of everyday life at the time of the Restoration, the era of Louis Philippe and the decadent and extravagant epoch of the Second French Empire.

Provenance: Work commissioned by Anatole Demidoff (1813– 1870) for L'Histoire de mon temps; Vente San Donato, Paris Hotel Drouot, 2 July 1875, no. 36; Collection Odon de Montesquiou – Fezensac, Chateau de Courtanvaux: estate of Comtesse Odon de Montesquiou - Fezensac. Paris, Galerie Georges Petit, 9/10 December 1929, no. 5 with illustration (17,500 ff); Collection of Raoul de Montesquiou; Vente anonyme, Paris, Hotel Drouot, (Madame Roger Langaz), 27 November 1942, no. 20, illustration p. 7. Exhibition: 7ème exposition, Société des aquarellistes français, Paris 1885, no. 4. Bibliography: P. A. Lemoine. L’oeuvre d'Eugène Lami (1800–1890) – Essai d'un catalogue raisonné. Paris 1914, p. 417. Caroline Imbert has verified that Lami is the author.

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48. jan willem pieneman (1779 Abcoude – 1853 Amsterdam)

jan willem pieneman (1779 Abcoude – 1853 Amsterdam)

Allegorie auf den Tod des Wilhelm Georg Friedrich, Prinz von Oranien-Nassau. Aquarell. 49 x 38 cm.

Allegory of the Death of William George Frederick, Prince of Orange-Nassau. Watercolour. 49 x 38 cm.

In einer lieblichen Parklandschaft trauern Putti vor dem Ehren­ denkmal eines Feldherrn. Vorne kniet ein verschleierter Putto vor einem Porträtmedaillon des Verstorbenen, auf dem Boden verstreut liegen die Attribute seines Soldatentums. Es handelt sich um das imaginäre Denkmal des jung verstorbenen Wil­ helm Georg Friedrich, Prinz von Oranien-Nassau (1774–1799). Er war der zweite Sohn des Erbstatthalters Wilhelm V. der Niederlande und der Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine von Preußen. Wilhelm Georg trat in jugendlichem Alter eine militärische Karriere im Dienste der niederländischen Republik an und tat sich durch seinen couragierten Einsatz gegen die französischen Invasoren hervor. 1796 begab er sich als General­ major in österreichische Dienste. Die Fahne mit dem habsburgischen Doppeladler ist ein Verweis auf seine Verdienste für die österreichische Sache. Im Februar 1797 zog der junge Prinz mit der Armee des Erzherzogs Karl nach Italien, wo er bereits am 6. Januar 1799 in Padua unerwartet verstarb. Wilhelm Georg war unverheiratet und hatte keine Nachkommen.

This charming parkland scene shows putti grieving at a monument in honour of a military commander. In the foreground a veiled putto kneels in front of a portrait medallion of the deceased, while the attributes of his military activities lie strewn on the ground. It is an imaginary monument to William George Frederick, Prince of Orange-Nassau (1774–1799), who died young. He was the second son of William V, Prince of Orange and Stadtholder of the Dutch Republic, and Princess Friede­ rike Sophie Wilhelmine of Prussia. William George began his military career in the service of the Dutch Republic at an early age and distinguished himself by his bold resistance to the French invaders. In 1796 he entered Austrian military service as a major general. The flag with the Habsburg double eagle denotes his contribution to the Austrian cause. In February 1797 the young prince made his way with the army of Archduke Charles to Italy, where he died unexpectedly on 6 January 1799 in Padua. William George was unmarried and had no offspring. His premature death caused great dismay in the Austrian army and in the Netherlands, where he was revered as a success­ful military leader.

Die allegorische Darstellung verkörpert den Geist des Zeitalters der Empfindsamkeit auf vollendete Weise. Die duftige, poetische Parklandschaft ist in sanften Farben gehalten, eine üppige Trauerweide wölbt sich über dem Denkmal mit der antiken Urne. Links vorne dient eine beschattete Lärche mit ihrer markanten Silhouette als Repoussoir; ein gebrochener Ast auf dem Boden symbolisiert den zerrissenen Lebensfaden des jungen Heerführers. Durch das Laub der Bäume erblickt der Betrachter eine Reiterschlacht, eine Szene, die auf die mili­tärischen Erfolge des toten Prinzen verweist. Trotz des commemorativen Charakters atmet die Darstellung eine rokoko­ hafte Leichtigkeit, die an niederländische Meister des 18. Jahr­ hunderts wie Jacob de Wit und Cornelis Troost erinnert. Der Autor des Blattes, der Historien- und Genremaler Jan Willem Pieneman war eine prägende Persönlichkeit im niederländischen Kunstleben des beginnenden 19. Jahrhunderts. Er war im Wesentlichen Autodidakt und anfänglich als Zeichenleh­rer tätig. Seinen künstlerischen Durchbruch verdankte Pieneman einer Reihe von monumentalen Historienbildern, die den napoleonischen Befreiungskriegen gewidmet waren. Pieneman war von 1820 bis 1853 Direktor der Akademie in Amsterdam und hat durch seine langjährige Lehrtätigkeit einen bedeutenden Einfluß auf die nachfolgende Künstlergeneration ausgeübt. Bei vorliegendem Aquarell handelt es sich um eine Jugendarbeit Pienemans. Die Komposition ist auch durch eine 1799 ent­ standene Radierung von Jacobus Wijsman (1768–1827) über­ liefert, die in mehreren unterschiedlichen Druckzuständen im Rijksprentenkabinet in Amsterdam aufbewahrt wird.

The allegorical depiction perfectly embodies the spirit of the age of sentimentality. The ethereal, poetic parkland is rendered in soft colours; a luxuriant weeping willow arches over the monument topped by an antique urn. In the left foreground a shaded larch tree with a striking silhouette serves as a repoussoir; a snapped-off branch on the ground symbolises that the young army commander’s thread of life has been severed. Through the leaves of the trees the viewer catches sight of a cavalry battle, a reference to the dead prince’s military successes. The commemorative character of the depiction not­ withstanding, it radiates a Rococo-like lightness reminiscent of 18th century Dutch masters such as Jacob de Wit and Cornelis Troost. The author of this work, Jan Willem Pieneman, a painter of historical and genre scenes, was an influential figure in Dutch artistic life at the beginning of the 19th century. Largely self-taught, he originally worked as a drawing teacher. Pieneman owed his breakthrough to a series of monumen­tal historical paintings devoted to the Napoleonic Wars of Liberation. From 1820-1853 he was director of the Academy in Amsterdam, where his teaching activities over several decades enabled him to exercise a major influence on the following generations of artists. The present watercolour dates to his early period. The composition has also been handed down in the form of an etching made in 1799 by Jacobus Wijsman (1768– 1827), several different states of which are kept at the Rijksprentenkabinet in Amsterdam.

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49. valentin ruths (1825–1905, Hamburg)

Eine Waldschlucht. Öl auf Malpappe, auf Holz auf­ gezogen. 37 x 53 cm. Signiert: „V. Ruths“; verso auf einem Aufkleber mit Feder in Schwarz betitelt und signiert: „Waldschlucht. Valentin Ruths“. Um 1874/77. Kein Geringerer als Alfred Lichtwark, der von 1886 bis 1914 der Hamburger Kunsthalle vorstand und sich während dieser Zeit als einer der streitbarsten Vorkämpfer der Moderne in Deutschland hervortat, hat Valentin Ruths als „den bedeutend­ sten hamburgischen Landschaftsmaler“ seiner Epoche bezeich­ net (Rudolf Leppien. Kunst ins Leben. Alfred Lichtwarks Wirken für die Kunsthalle und Hamburg von 1886 bis 1914. Hamburg 1987, S. 68). Die vorliegende Naturstudie dokumentiert die beacht­ liche Begabung Ruths in dieser Domäne auf anschauliche Weise. In ihrer bemerkenswerten Frische und Unmittelbarkeit der Naturbeobachtung handelt es sich um ein wahrhaftiges Musterbeispiel einer paysage intime, einer Bildgattung, die in Frankreich etwa zeitgleich von den Künstlern der Schule von Barbizon praktiziert wurde. In Norddeutschland zählt Ruths zu den Pionieren einer neuen, naturalistischen Landschaftsauffassung, die sich durch ihre anspruchslose, schlichte Sujetwahl entscheidend von der Bildwelt der romantischen Schule unterschied. Die naturgetreue, akkurate Wiedergabe von so flüchtigen Phänomenen wie Licht und Atmosphäre wird in seiner Malerei zum beherrschenden Gestaltungsprinzip erhoben. Ruths hatte sich – ganz Hanseat – nach einer Kaufmannslehre zuerst als Lithograph betätigt. 1846 schrieb er sich an der Münchener Akademie ein, musste

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das Studium jedoch 1848 infolge der Revolutionswirren ab­ brechen. 1850 bildete sich Ruths in Düsseldorf bei dem bedeutenden Landschaftsmaler Johann Wilhelm Schirmer weiter und erhielt dort entscheidende Anregungen. Nach einem zweijährigen Studienaufenthalt in Rom (1855/57), ließ Ruths sich 1857 endgültig als freischaffender Künstler in Hamburg nieder. Zu seinem bevorzugten Thema zählte die heimatliche Elb­ land­schaft, aber auch Landschaftsmotive aus Italien und der Schweiz spielten in seinem malerischen Schaffen eine nicht unwichtige Rolle. Der koloristische Feinsinn und die hand­ werk­liche Virtuosität von Ruths Naturstudien fanden bereits bei seinen Zeitgenossen großen Anklang. Im Unterschied zu seinen französischen Kollegen der Schule von Barbizon, die einen breiten, pastosen Farbauftrag bevorzugten, ist die Fak­ tur Ruths auf unserem Bild glätter und die Lasuren besitzen einen emailhaften Glanz. Der Künstler verzichtet gänzlich auf genrehaftes Beiwerk und figürliche Staffage. Die Darstellung lebt lediglich von dem chromatischen Reiz der frischen, delikat abgestuften Grün, Grau- und Brauntöne und der meisterhaften Erfassung des kühlen, silbrigen Lichtes. Eine frappierende Wirklichkeitstreue vereinigt sich mit souveräner Malkultur, das Ergebnis ist ein Abbild der Natur von zeitloser Schönheit. Ausstellung: Ruths-Ausstellung. Hamburg, Kunstverein in der Kunsthalle, 1896, Kat. Nr. 67 oder 74. Literatur: F. von Boetticher. Malerwerke des 19. Jahrhunderts. Dresden 1901 (nachdruck Leipzig 1944), Bd. Bd. II, S. 501, Nr. 99 oder S. 502, Nr. 113.


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49. valentin ruths (1825–1905, Hamburg)

Woodland Gorge. Oil on cardboard, mounted on wood. 37 x 53 cm. Signed “V. Ruths”; entitled and signed “Waldschlucht. Valentin Ruths” in pen and black ink on a label on the verso. Ca. 1874/77. None other than Alfred Lichtwark, who headed the Hambur­ ger Kunsthalle from 1886 to 1914, during which time he was one of the most fervent advocates of Modernism in Germany, described Valentin Ruths as “the foremost Hamburg landscape painter” of his time (Rudolf Leppien. Kunst ins Leben. Alfred Lichtwarks Wirken für die Kunsthalle und Hamburg von 1886 bis 1914. Hamburg 1987, p. 68). The present study after nature provides a vivid illustration of Ruths’ formidable talent in this field. The remarkable freshness and immediacy of this observation of nature make it a perfect example of a paysage intime, a pictorial genre practised in France at about the same time by artists from the Barbizon School. In north Germany Ruths ranks among the pioneers of a new, naturalistic approach to land­scape which is clearly distinguished from the pictorial world of the Romantic School by its choice of modest, unpretentious subjects. The accurate, lifelike rendering of such fleeting phenomena as light and atmosphere becomes the overriding design principle in his painting. Fully in keeping with his Hanseatic background, Ruths first completed a business apprenticeship and then worked as a lithographer. In 1846 he enrolled at the Munich Academy but the revolutionary upheavals there in 1848

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forced him to interrupt his studies. In 1850 Ruths continued his training under the eminent landscape painter, Johann Wilhelm Schirmer, in Düsseldorf where he received considerable inspiration. After spending two years studying in Rome (1855–57), Ruths finally set up as a freelance artist in Hamburg in 1857. One of his preferred subjects was the landscape of the River Elbe in his native surroundings, although landscape motifs from Italy and Switzerland also played a significant role in his painting. The sensitivity to colours and the technical virtuosity of his nature studies brought him great acclaim from his contemporaries. In contrast to his fellow artists at the Barbizon School in France, who preferred a thick application of colours, Ruths’ treatment in our picture is smoother and the glaze has an enamel-like lustre. The artist dispenses completely with any genre accessories and staffage figures. The picture derives its appeal solely from the chromatic charm of the fresh, subtly gradated green, grey and brown tones and the virtuoso ren­ dering of the cool, silvery light. The astonishing truthfulness to life and the consummate quality of the painting evoke an image of nature that is of timeless beauty. Exhibition: Ruths-Ausstellung. Hamburg, Kunstverein in der Kunsthalle, 1896, Cat. no. 67 or 74. Literature: F. von Boet­ticher. Malerwerke des 19. Jahrhunderts. Dresden 1901 (reprint Leipzig 1944), vol. II, p. 501, no. 99 or p. 502, no. 113.


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50. joseph selleny

joseph selleny

Studienblatt mit Mispelfrüchten. Aquarell und Deck­ farben. 26 x 34,4 cm. Signiert: „Josef Selleny“.

Study Sheet with Medlar Fruits. Watercolour and gouache. 26 x 34.4 cm. Signed: “Josef Selleny”.

Der Maler, Aquarellist und Graphiker Joseph Selleny studierte bei Thomas Ender und Franz Steinfeld an der Wiener Akademie. 1854/55 lebte und arbeitete der Künstler mit einem Stipendium der Wiener Akademie in Rom und Neapel. Auf Grund seines Talentes wurde Selleny von Erzherzog Ferdinand Maximilian, dem Bruder des Kaisers, gefördert. Dieser Verbindung verdankte er eine Weltumseglung am Bord der österreichischen Fregatte „Novara“, die von April 1857 bis August 1859 dauerte. Etwa zweitausend ethnographisch und naturhistorisch inte­ ressante Aquarelle und Studien entstanden während dieser Reise, von denen ein erheblicher Teil heute in der Graphischen Sammlung Albertina und in der Österreichischen Galerie Bel­ vedere in Wien aufbewahrt wird. Sellenys weiterer Lebenslauf verlief tragisch. Er war in den 1860er Jahren als freischaffender Künstler und Gartenarchitekt mit Erfolg in Wien tätig, erkrankte jedoch an einem Nervenleiden, an dessen Folgen er im Alter von einundfünfzig Jahren in der Nervenheilanstalt Inzersdorf bei Wien verstarb.

The painter, watercolourist and printmaker, Joseph Selleny, studied under Thomas Ender and Franz Steinfeld at the Vienna Academy. Study journeys took him through Tyrol and Lombardy to Venice. Endowed with a scholarship from the Vienna Academy, the artist lived and worked in Rome and Naples in 1854/55. Selleny’s talent earned him the patronage of Archduke Ferdinand Maximilian, the Emperor’s brother. Thanks to this connection he was able to circumnavigate the globe on board the Austrian frigate “Novara”, a journey which lasted from April 1857 to August 1859. During this time he produced around two thousand watercolours and studies of ethnographical and natural historical interest, a considerable number of which are now in the Albertina and the Österreichische Galerie Belvedere in Vienna. Selleny’s subsequent career took a tragic turn. In the 1860s he was a successful freelance artist and garden architect in Vienna, but he suffered from a nervous disorder, of which he died at the psychiatric hospital in Inzersdorf near Vienna at the age of fifty-one.

Die vorliegende, souverän hingeworfene Studie von reifen Mis­pelfrüchten zeigt die ganze Begabung dieses heute wenig bekannten Künstlers. Botanische Studien spielten eine wich­ tige Rolle in der Kunst des Wiener Biedermeiers. Sebastian Wegmayr, Franz Xaver Petter oder auch Ferdinand Georg Wald­ müller praktizierten das Blumen- und Früchtestilleben und brachten diese Bildgattung zu einem hohen Maß an Perfektion. Unser Aquarell, das wohl aus einem Skizzenbuch stammt, zeigt bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit den Studien von Mispelfrüchten, die Franz Horny 1817, im ersten Jahr seines Italienaufenthaltes geschaffen hat. Es erscheint jedoch eher unwahrscheinlich, daß Selleny diese von Hornys Zeit­genossen sehr gerühmten Arbeiten persönlich gekannt hat. Vielmehr verbindet beide Künstler ein ähnliches künstlerisches Naturell und ein vergleichbarer Sinn für das Wesentliche. Die überreifen, prallen Mispelfrüchte sind stillebenartig und visuell sehr reiz­voll vor einem neutralen Fond angeordnet. Das weiche, von links oben einfallende Sonnenlicht und die subtil applizierten Glanz­ lichter betonen die unterschiedliche Plastizität der Früchte, die aus verschiedenen Winkeln gesehen sind, und geben jede farb­liche Nuance ihrer Schale erstaun­lich naturgetreu wieder. Durch seine stupende künstlerische Erfassungsgabe macht Selleny die Früchte fast greifbar, verleiht der Darstellung jedoch gleichzeitig eine fast metaphysische Note, die sicherlich dem melancholischen Naturell des Künstlers entsprochen haben mag. Zeigt uns sein Vorgänger Horny taufrische Mispeln, so künden Sellenys verwelkte Kelchblätter und das dunkle Innere der Früchte bereits von Fäulnis und Vergänglichkeit.

The present brilliantly executed study of ripe medlar fruits illustrates the immense talent of this now little-known artist. Bota­nical studies played a key role in the art of the Viennese Bieder­meier. Artists like Sebastian Wegmayr, Franz Xaver Petter and Ferdinand Georg Waldmüller practised the art of flower and fruit still life painting, a genre in which they achieved a very high degree of perfection. Our watercolour, which pro­bably comes from a sketchbook, reveals remarkable similarities with the studies of medlar fruits produced by Franz Horny in 1817 during the first year of his stay in Italy. However, it appears somewhat unlikely that Selleny would have been personally acquainted with Horny’s works, which were held in very high esteem by his contemporaries. The two artists are linked rather by a similar artistic temperament and a comparable eye for essentials. The bulging, over-ripe medlar fruits are arranged against a neutral background in a visually very attractive manner like a still life. The gentle sunlight streaming in from the left and the delicately applied highlights bring out the varying vividness of the fruits, which are seen from different angles, and reproduce every colour nuance of their skin in an astonishingly lifelike manner. Selleny’s stupendous artistic ability makes the fruits seem almost tangible. At the same time he introduces an almost metaphysical note, which certainly had something to do with his melancholic nature. While his predecessor, Horny, shows us fresh medlars, the wilted sepals and the dark inside of Selleny’s fruits are signs of decay and mortality.

(1824 Wien – 1875 Inzersdorf)

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(1824 Vienna – 1875 Inzersdorf)


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künstlerverzeichnis / index of artist names Agricola, Carl Joseph Aloys D’Angolo, Giovanni Battista Bazicaluva, Ercole Bergmüller, Johann Georg Biffi, Carlo Boilly, Louis-Léopold Buchhorn, Ludwig Camassei, Andrea Cort, Cornelis David, Giovanni Desprez, Louis Jean Eckersberg, Christoffer Wilhelm Edelinck, Gerard Eichens, Philipp Hermann Favanne, Jacques de Flämisch, um 1560 Gazalis, Bartolomeo Hansen, Carl Christian Constantin Herz, Johann Daniel Hogenberg, Remigius Huet, Paul Huybrechts, Adriaen Jode, Pieter de I. Købke, Christen Kraft, Frederik Carl Julius Lami, Eugène Louis Lelu, Pierre Lombard, Lambert Menton, Frans Metz, Conrad Martin Moucheron, Frederik de Nahl, Johann August d. J. Pienemann, Jan Willem Pierre, Jean-Baptiste Marie Procaccini, Gulio Cesare Robert, Hubert Rugendas, Georg Philipp d. Ä. Ruths, Valentin Sadeler, Johannes Sandrart, Susanna Maria von Schlicht, Abel Schmidt, Martin Johann Schorer, Hans Friedrich Schütz, Christian Georg Selleny, Joseph Serwouters, Pieter Umbach, Jonas Vassé, Louis Claude Viani, Giovanni Maria Vieira de Matos, Francisco

104 8 32 60 34 106 108 36 10 62 64 110 38 112 68 12 70 114 72 14 116 16 18 118 120 122 74 22 26 78 42 80 126 82 28 86 88 128 30 44 92 94 52 96 132 48 54 98 56 100


Tefaf Maastricht March 13–22, 2015 Please visit our exhibition From Bosch to Morandi – European Works on Paper

Tefaf on Paper, stand no. 721 Opening hours: Daily 11am – 7pm Sunday, March 22, 11am – 6pm


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