DOWNPOUR fanzine #1

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AUTISTIC YOUTH LISTENER EVERYONE EVERYWHERE THE GENERATORS BIKE TUFF GRIM FANDANGO NO WEATHER TALKS VS. HELL & BACK no 1 / september 2014


Hamburg. 11 Grad. Kein Regen. Mixtape ANTARCTIGO VESPUCCI OHIOS THE BENNIES JIMMY CLIFF DOWN AND OUTS GAMEDAY REGULARS PENNYWISE FIDLAR THE HOLY MESS BAD RELIGION DOWNTOWN STRUTS BEACH SLANG SAM ALONE & THE GRAVEDIGGERS I AM THE AVALANCHE CROW BAIT OLD FLINGS GRIM FANDANGO THE GUNDOWN Kannst du dir auf downpourfanzine.de anhรถren!

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ey na, “ich würde gern mal wieder ein Fanzine lesen, dessen Inhalt mich wirklich interessiert. In dem Platten, die ich mag, nicht mit -Ach ja, Bart, Holzfällerromantik, dies das- abgefrühstückt werden. In dem keine Bands zu Promozwecken interviewt werden. In dem nicht die x-te reformierte Schnarchnasenband vors Mikrofon gezerrt wird. Sondern in dem mal wieder Bands auftauchen, die mir nichts sagen, mich musikalisch dann aber total umhauen...” So in der Art war die Idee, die wir letzten Herbst hatten, als wir Downpour gestartet haben. Der erste Schritt in die Richtung ist mit dieser Ausgabe jetzt getan, vielleicht hast du ja ähnlich viel Spaß beim Lesen wie wir beim Schreiben. Vielleicht ist das hier nicht die 100%ige Umsetzung unserer Idee, aber wir sitzen ja auch schon an der nächsten Ausgabe....

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Autistic Youth Dass eine Punk-Band mehr als zehn Jahre in der gleichen Besetzung zusammen bleibt, nämlich Alex Tyron / Gitarre, Backing Vocals, Adam Becker – Vocals, Gitarre, Nick Vicario – Bass, Backing Vocals, Steve Sheldon – Drum, ist definitiv eine Ausnahme. Dass in dieser Zeit auch noch Tonträger aufgenommen und unter die Leute gebracht werden, die in keiner Plattensammlung fehlen dürfen, WENN man auch in Zukunft noch den Titel Punkrock-Afficionado tragen will, grenzt an ein Wunder. Adam, Steve, Alex und Nick sind seit 2003 als AUTISTIC YOUTH unterwegs und haben in der Zeit drei LPs (landmine beach, idle minds und nonage) und einige EPs (u.a. empty eyes, every tower fall und graves) sowie einige Split 7“s veröffentlicht, die ALLE Herzen höher schlagen lassen, die sowohl den melancholischen WIPERS Sound wie auch klassischen West-Coast Punk-Rock der alten Schule in sich tragen. Alles weitere jetzt im Interview anlässlich des Auftritts im Hafenklang. Übrigens sträflich unterbesucht und auch untertanzt – Im Rest von Europa ging da deutlich mehr … geht Hamburg jetzt vielleicht endgültig an Latte/Galao und creative directors, an MacBooks und Agentur-Pitches, an Bärten, V-Neck-Shirts und EUR 5000.- Lofts kaputt? Übrigens

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die andere Bands nie bekommen und so wurden wir gezwungen, unsere Band weiter voranzubringen. Wir wurden gebeten eine Platte zu machen, dann konnten wir touren, noch ’ne Platte danach … Wenn wir nicht so viel Unterstützung erfahren hätten, vor allem was das Touren in Europa angeht, wären wir als Band ganz bestimmt nicht mehr zusammen. Hier in Europa zu touren, gibt uns jedes Mal genug Ansporn und Antrieb, um ein oder zwei Jahre weiterzumachen, bis wir wieder hier sind. Wir haben immer jede Menge Spaß hier.

war die gesamte Band so freundlich, uns mit ihrer Anwesenheit beim Interview zu beglücken. Das nachträglich Unterscheiden der vier war allerdings nicht möglich, so dass wir einfach alle Antworten der gesamten Band zu geschrieben haben – Beschwerden deswegen bitte direkt an info@jvm.de

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i und vielen Dank schon mal fürs Interview. Gleich zu Anfang mal die Frage, wieso ihr heute Abend für Spende statt für einen festen Eintrittspreis spielt. (Pause) Das war uns bis jetzt gar nicht bewusst. (Pause) Wir machen das, weil wir uns verpflichtet fühlen und uns kümmern wollen … (Gelächter) Nee, ich glaub’, das hängt mit Tischtennis zusammen. Montags ist immer Tischtennis hier und deshalb soll niemand durch ’n Eintrittspreis vom Kommen abgehalten werden. Ist ja auch ’ne klasse Idee, die Leute mit Tischtennis aus ihren Buden zu locken.

Die nächste Frage schließt an die erste an und obwohl ihr das teilweise schon beantwortet habt, will ich trotzdem fragen: Wie schafft man es, eine Band über zehn Jahre am Laufen zu halten? Es waren ja nicht zehn Jahre am Stück, nonstop. Nach jeder Tour gab es immer ca. sechs Monate Pause oder so. Nicht bewusst, aber wir haben alle andere Bands, andere Verpflichtungen, und im Verlauf dieser zehn Jahre gab es auch andere Pausen, z. B. sind wir alle irgendwann mal studieren gegangen, mehr oder weniger ernsthaft. Wir machen uns nicht selber fertig, stressen uns nicht kaputt. Außerdem haben wir es alle fertig gebracht, die Veränderungen und Entwicklungen im Sound der Band zu akzeptieren. Wir sind recht schmerzlos zusammengewachsen. Weil wir als Band akzeptieren, dass wir anders sein wollen und können, klappt das Schreiben von Songs sehr gut.

Stimmt, montags ist auch einfach schwierig, was Konzerte angeht. Vielleicht ist montags und Tischtennis auch so ’ne Hamburg-Sache … Wenn ich meine Hausaufgaben richtig erledigt habe, dann seid ihr schon seit mehr als zehn Jahren als Band dabei. Das ist korrekt. Wenn ich so dreist sein darf – warum? Warum zehn Jahre in der gleichen Band sein? Andere halten nicht mal ein Jahr durch … Die Band ist einfach nie gestorben, es gab nie einen Grund, sie zu töten und wir sind schon so lange befreundet und haben uns nie etwas so Schlimmes angetan, als dass wir die Band hätten beerdigen müssen. Außerdem wurde es von Jahr zu Jahr besser. Uns wurden Möglichkeiten eröffnet,

In einem älteren Interview habt ihr mal aufgezählt, in wie vielen anderen Bands ihr noch seid, so vier bis sechs pro Nase. Ist das immer noch so? Joa, jeder hat noch ein paar andere Bands.

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Man kann nicht ernsthaft eine Band betreiben und gleichzeitig ’n Job haben, in dem man 60 Stunde die Woche arbeitet bei lediglich zwei Wochen Urlaub im Jahr, das geht einfach nicht. In der Vergangenheit war das ein Grund für längere Pausen, wenn jemand einen Job hatte, bei dem er nicht kurzfristig frei bekam. Das ist eines der Dinge, die wir als Band in unser Leben einbauen müssen. Wir können keine Jobs haben, bei denen man nicht kurzfristig frei nehmen kann. Zwei von uns [Adam und Nick] arbeiten im selben Pizza-Laden, aber die haben extra einen Koch, der einspringt, wenn wir nicht da sind.

Wie macht ihr das? Eine Band am Laufen zu halten, überfordert viele schon, aber vier oder mehr? Habt ihr überhaupt noch Zeit für irgendwas anderes? (Pause) Wir gehen vor allem davon aus, extrem selten Zuhause zu sein. Es darf dir einfach nichts ausmachen, dass du das hier machst, dass du so gut wie nie Zuhause bist und so. Klar, irgendwie musst du dir die Zeit für die Bands organisieren und in je mehr Bands du bist, desto schwieriger wird das. Aber wenn es mal passt wie ein Puzzle, dann ist das eine sehr befriedigende Sache, es läuft halt. Aber es gehört schon ne Menge Einsatz und Mühe dazu. Und je älter man wird, desto schwieriger wird es. Wir machen vieles nicht mehr einfach aus Spaß …

Aber ihr fehlt dann ja immer zur selben Zeit … Ja, aber es ist ja auch nur’n Pizzaladen. Ich meine, warum arbeitet man denn sonst in einem Pizzaladen? Außerdem hab ich mein eigenes Studio, da kann ich meine Zeit selber einteilen. Und Steve unter-

Und wie sieht’s mit Arbeit aus? Wie kriegt man verschiedene Bands UND Arbeit auf die Reihe?

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richtet Schlagzeug in der School of Rock in Portland. Das sind alles Jobs, bei denen man nicht immer jeden Tag präsent sein muss.

hatten. Das war dann für alle okay. Es gab also nie wirkliche Probleme. Von Zeit zu Zeit meint jemand, sich künstlich aufregen zu müssen, aber das ist dann auch extrem schnell wieder vorbei. Meistens, weil diese Leute einfach überhaupt keine Ahnung davon haben, was sie da tun.

Cool. Was ist eigentlich mit eurem Bandnamen? Habt Ihr damit eigentlich schon mal Probleme gehabt? Ja, jedes Jahr mindestens einmal. Kennst Du die Geschichte das Namens eigentlich?

Wo wir gerade bei Portland sind – es gab und gibt ‘ne Menge einflussreicher Bands aus Portland. Habt ihr ‘ne Theorie wieso? Die klassische Antwort lautet: Weil es neun Monate im Jahr regnet und es viele Kellerräume zum Proben gibt. Wir machen in Portland also nichts, außer deprimiert sein und Musik schreiben. Einige machen dann traurige Musik, andere eher wütende wie POISON IDEA. Wir sind eigentlich ganz glückliche Menschen, aber die Musik fühlt sich wohl besser an, wenn sie traurig klingt.

Nee, das wäre die nächste Frage gewesen. Okay, es gab da‘n autistischen Jungen an unserer Schule, der Punkrock hörte und super cool war – Eric Anarchy, er macht immer noch Musik in Portland. Er hing mit uns in der Mittagspause ab und manchmal auch nachmittags. Er wollte mit uns’ne Band starten, was wir dann auch versuchten. Das muss jetzt so ca. zwölf Jahre her sein. Wir hatten ein paar Proben, aber irgendwie klappte das alles nicht so. Der Bandname stand aber schon – AUTISTIC YOUTH. Als wir uns Gedanken über einen neuen Namen machten, war es irgendwie schon zu spät. Der Name war zu Beginn ein Witz und wir dachten auch nicht, dass wir den bis heute haben würden. Und er hat auch nichts mit Youth Crew zu tun, sondern ist eher eine Referenz an 80er Hardcore-Bands mit „Youth“ im Namen, wie REAGAN YOUTH oder so.

Habt ihr ‘n Portland-Song, also einen direkt über die Stadt? Nicht wirklich. Das einzig wirklich Portland-typische ist wohl eher die Stimmung der Songs. Obwohl es auf der B-Seite unserer EP “graves” den Song “I don’t care” gibt, der handelt von der Stadt Portland. Cool. Apropos neue Aufnahmen. Ich wollte noch ein paar Fragen zur neuen Platte “nonage” los werden. Ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll, aber die Produktion ist irgendwie … größer. Es scheint alles mehr zu sein. Zum Beispiel der Backgroundgesang bei “ghosts in my past” geht eher in Richtung Choral und bei einem anderen ist ein Glockenspiel dabei … Wir haben die Platte mit Mathew Morgan aufgenommen und er hat einfach viel Spaß dabei und wir ja schließlich auch, denn wir konnten vieles einfach ausprobieren. Er hat viele elektronische Geräte, mit denen

Aber gab es schon ganz konkret Pro- bleme? Boykott-Aufrufe? Das größte hatten wir bei einer Show in Portland mit THIS BIKE IS A PIPE BOMB. Und wir bekamen eine E-Mail von jemandem, der schon lange auf seinen autistischen Bruder aufpasste und der diese Mail an verschiedene Organisationen und Selbsthilfegruppe zum Thema Autismus sendete und an einige Lokalzeitungen, aber der ganze Aufruhr endete ziemlich schnell, nachdem wir allen die Geschichte erzählt

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man viel rumexperimentieren kann. Wir haben zum Beispiel das Geräusch einer Waschmaschine für den Anfang der Platte genutzt, das in das Geräusch übergeht, wie ein Bier aufgemacht wird. Er spielt halt wirklich gerne herum und wir haben einfach mitgemacht. Und was das Glockenspiel angeht: Wir hören alle sehr unterschiedliche Musik und hören nicht nur ein Genre und somit hören wir auch seltsame oder ungewöhnliche Instrumente, die wir dann gerne mal einbauen möchten. Da Adam sein eigenes Studio hat, hatten wir auch zeitlich alle Möglichkeiten, um da sehr entspannt ranzugehen. Unsere Musik lässt auch viel Platz melodischer Art, den wir dann nutzen können. Und wir haben einfach auch sehr viel aufgenommen, das dann nicht auf der Platte gelandet ist. Sehr viel. 20 Prozent ist vielleicht angekommen, das ganze Andere nicht. Ich finde das richtig, im Studio rücksichtslos Sachen aufzunehmen und danach auszusortieren, was nicht zur Platte passt.

fallen sind, haben dem Song bzw. den Songs etwas Zusätzliches gegeben. Nicht bloß „Guckt mal alle, was wir können“, sondern … ….es muss taktvoll geschehen. Wenn man lediglich von Punkbands beeinflusst wird, hört sich das an wie Punkrock 1x1. Wir versuchen von anderen Bands oder Stilen, die nicht Punkrock sind oder wenig damit zu tun haben, etwas mitzunehmen. Manchmal wird’s definitiv etwas viel und wir müssen uns wieder etwas zurücknehmen. Aber es gibt da keine Restriktionen, was das Ausprobieren angeht. Wir haben keine Berührungsängste. Wir haben auf “nonage” auch etwas Synthesizer reingeschmugelt … aber es gibt auch so viele Bands, die Punkrock sind, sich aber völlig unterschiedlich anhören. Die REPLACEMENTS zum Beispiel haben als Punkband angefangen und dann haben sie alles mögliche gemacht und sind dabei immer noch Punk geblieben. No limits! Eine spezielle Frage noch zum Song “out of my head – da gibt es einen

Richtig, denn die Dinge, die mir aufge-

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Break bzw. eine Bridge, die mir irgendwie bekannt vorkam. Erst dachte ich an “get it on” von TURBONEGRO, aber dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: RAMONES “I just want to have something to do”! Absicht? Zufall? Wurmloch und Zeitsprung? Das ist so geil, dass dir das aufgefallen ist! Wir haben das ganz bewusst, ganz genau so eingebaut. Als wir den Song schreiben wussten wir, er braucht noch etwas, etwas Ramonesiges, etwas, das sich anhört wie “I just want to have something to do” - wir nehmen einfach den Song! Manchmal musst du den großen Jungs einfach Tribut zollen. Cool. Das war’s mit den echten Fragen. Bleiben noch die DOWNPOUR-Standardfragen. Lieblingsband? (Schweigen … Gemurmel: ...“so viele“ … nach einer kurzen Diskussion) BAD BRAINS – GERMS – NEGATIVE APPROACH – MINOR THREAT – THE DAMNED – RAMONES – MISFITS – THE REPLACEMENTS Und momentane Lieblingsband?

SKATEGANG, YOUTH AVOIDERS, BITE MARKS Was war der letzte Song, den ihr gehört habt VOR diesem Interview? Fuck christmas FEAR – LEONARD COHEN – answer to yourself SOFT PACK – coalminer’s daughter LORETTA LYNN Da ihr ja alle mehr oder weniger fanatische Plattensammler seid (Kopfnicken) – meist gesuchte Platte? Ich glaub’, ich hab’ gar nicht so was wie eine meist gesuchte Platte. Ich hab’ letztens die erste SUICIDE LP gesehen für USD 150.-, aber das war mir dann doch zu teuer. Sooo sehr will ich dann auch nicht. Aber falls mir die jemand kaufen möchte... AUTISTIC YOUTH Fans also aufgepasst! Und schließlich: Welche Platte in eurer Sammlung wäre man überrascht zu finden? ROD STEWART – JUSTIN TIMBERLAKE – JA RULE Das war’s jetzt aber endgültig. Vielen Dank...


GRIM FANDANGO Wir schicken pro Ausgabe den gleichen Fragebogen an zwei verschiedene Bands, Labels, Konzertveranstalter,. Den Start machen die Australier von GRIM FANDANGO.

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euch bisher noch nichts gehört haben: Wenn Grim Fandango das Kind von zwei anderen Bands wäre, welche Bands hätten in welcher Stellung Sex gehabt? Mmm, da mag ich gar keine unanständigen Details verraten, irgendwas ziemlich heftiges – Australier mögen‘s gern etwas härter. Erzähl doch mal eure Bandgeschichte in weniger als einer Minute. Die Zeit läuft ab... jetzt! Wir kommen aus Perth, West Australien und haben 2007 gestartet, haben einige EPs über Rabbit Records, ein kleines

lückwunsch zu eurer neuen Platte. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr erst mal mit ein wenig Eigenwerbung loslegen: Warum sollte man sich “Flicker Noise” unbedingt kaufen? Wir sind richtig stolz auf “Flicker Noise”, falls dir Songs mit einer Million Gitarrenriffs gefallen, hör mal rein! Gibt‘s auf der Platte einen Song, der deiner Meinung nach ganz besonders raussticht? Meine Lieblingssongs sind “Your First Real Fight” und “Downer”. Falls es echt noch Leute gibt, die von

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Label hier aus Perth veröffentlicht. Vor einiger Zeit sind wir bei Poison City Records aus Melbourne gelandet und haben dort mittlerweile eine 7” und 2 Alben, nämlich Birthmark Blues (2010) und Flicker Noise (2013) veröffentlicht. Dein erster Gedanke, als jemand Grim Fandango als möglichen Bandnamen vorschlug? Was solls, immerhin besser als The Handsome Alan Sheppard Four Falls wir durch die Alben auf deinem iPod skippen würde, was wäre das unerwartetes Album, auf das wir stoßen würden? Ganz ehrlich, mein iTunes ist das reine Chaos. Da gibt‘s viele unsortierte Songs von Bands, die ich aufgenommen habe. Ausserdem haben wir alle ja unsere Laster, meine sind 60er Folk Pop, 70er Gitarren-Pop, 80er Powerpop, 90er Poppunk und Metal.

Wo probt ihr? Wie sehr nervt das eure Nachbarn, Mitbewohner, Eltern,...? Wir haben uns vor einigen Jahren ein Studio eingerichtet, in dem wir proben und aufnehmen. Keine Beschwerden von irgendwelchen Anwohnern. Bis jetzt. Gibt’s in Perth noch einige Bands, die wir uns unbedingt mal anhören sollten? Momentan gibt’s einige richtig gute Punkbands bei uns. FLOWERMOUTH, MONUMENTS, CHILLING WINSTON, PAPER PLAINS, SUBURBAN & COKE. Reinhören! Irgendwelche Pläne, von denen du erzählen magst? Wir veröffentlichen dieses Jahr jeden Song über unsere Bandcamp Seite, dazu werden wir dieses Jahr viel touren und hoffentlich noch mehr touren.

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LISTENER Wenn es eine Band gibt, die mich in den letzten Monaten total umgehauen war, dann sind’s die drei Jungs von LISTENER. Die Freude darüber, dass die Band auf ihrer Tour auch in Hamburg Halt machen würde, war riesig. Schnell ein Interview mit dem Gitarristen Chris ausgemacht, der brachte noch seine beiden Bandkollegen mit in den kleinen Backstageraum im Hafenklang. Und los ging’s. Wer die Musik kennt, kann sich vielleicht denken, dass die drei Jungs aus Nevada sehr viel zu erzählen haben.

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Dan: Ich hör ja eigentlich überhaupt nicht auf zu erzählen. Chris: Unsere Songs kann man definitiv nicht bei einem Konzert mitsingen.

enn euer Bandname irgendwo genannt wird, fällt auch oft der Begriff “Talk Music”, stammt der Ausdruck von euch oder habt ihr den irgendwoher übernommen? Dan: Ja, „Talk Music“ entstand, als wir irgendwie versucht haben, unseren Stil zu beschreiben. Besonders in den Anfangstagen war‘s so einfacher, Touren zu organisieren und den Veranstaltern zu erklären, was wir für Musik machen.

Ihr habt es echt noch nie erlebt, dass jemand im Publikum die Songs mitsingt? Dan: Naja, es gibt immer wieder jemanden, der es versucht. Das klappt meist auch für ein paar Zeilen und irgendwann denken die sich dann „ach was soll’s“ Chris: Das ist schon immer ganz witzig zu beobachten. And you were a house on fire and I couldn’t mmmmMmmhmm.

Aufgrund des Begriffs würde ich davon ausgehen, dass die Texte bei euch einen ganz besonders hohen Stellen -wert haben. Oder sehe ich das falsch? Dan: Ja, das kann man schon so sagen, ist aber nicht unbedingt wahr, hehe. Kris: Es gibt halt einfach nur viel mehr Text als bei anderen Bands.

Euch sind die Songtexte sehr wichtig. Gibt es in Ländern, in denen Englisch eine Fremdsprache ist, andere Reaktionen bei euren Konzerten? Was unterscheidet sich da genau?

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Songs. Wenn Chris und Dan in den Staaten Witze machen, steigt das Publikum meist drauf ein, in Europa gibt’s manchmal überhaupt keine Reaktion, kein Gelächter, nichts.

Dan: Ich würde sagen, ja a) es ist unterschiedlich und b) es ist überhaupt nicht unterschiedlich. Ich denke, ich spreche da für uns alle, wenn ich sage, dass bei Musik insbesondere der emotionale Ausdruck wichtig ist. Was mich an Musik am meisten fasziniert, egal, ob es Songs schreiben, eine meiner Lieblingsbands live sehen oder selbst eine Show spielen, ist, ist, welche Gefühle man mit Songs transportieren kann. Da ist die Sprache ja letztlich egal. Aber das erste Mal, dass ich es mitbekommen habe, dass jemand einen Song von uns mitsingt, war hier in Deutschland. Ich war total beeindruckt und fühlte mich auch ein wenig schlecht, da ich wiederum niemals einen deutschen Song mitsingen könnte. Kris: Der Augenblick, in dem es am meisten auffällt, dass wir nicht in den Staaten spielen, ist die Pause zwischen den

Du hast ja schon die Fülle an Lyrics erwähnt. Kannst du die wirklich komplett alle auswendig? Dan: Ja, jeden einzelnen von denen. Die letzte Show, die wir gespielt haben, war vor ein paar Monaten in Neuseeland. Seitdem haben wir nicht einmal geprobt, aber wir kennen alle unsere Parts auswendig, hoffentlich. Es dauert bei den Songtexten auf jeden Fall etwas länger, bis ich alle im Kopf habe, aber mittlerweile haben wir die Songs so häufig gespielt, dass alles sitzen sollte.

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Touren hatten und ich mal wieder Zeit hatte, ein paar Gedanken aufzuschreiben. Sobald es aber ans Aufnehmen geht, bin ich immer komplett fertig. Die Songs sind also komplett fertig und du schreibst nichts mehr in allerletzte Minute? Gibt ja genügend Bands, die auch noch bzw. erst im Studio, Texte schreiben. Dan: Nee, nee, ich bin nicht so der LastMinute-Typ. War ich noch nie. LISTENER, wann kommt denn der „listening part“? Wir unterhalten uns ja hier die ganze Zeit über‘s Erzählen. ….Stille Chris: Scheinbar jetzt, haha. Gut, ich notiere also aufmerksames Zuhören! Chris: Jetzt erzähl ihm schon die Geschichte. Dan: LISTENER war eigentlich nur ich, damals in der Junior High School. Ich wollte einen Rap-Namen haben, CHUNKSTER THE LISTENER, sollte halt auch ein wenig nach den ganzen Gangsternamen klingen, die zu der Zeit jeder hatte. Jeder war „Something the something”, JERU THE DAMAGER und so. Den Namen nutze ich dann lange, lange Zeit, irgendwann hab ich dann Kris getroffen. Bevor wir uns letztlich nur noch LISTENER nannten, hießen wir kurzzeitig THE LISTENER PROJECT, aber alle reagierten mit einem „Bitte was? Wie heißt ihr?“, also wurd’s irgendwann zu LISTENER. Chris: Der Bandname ist schon etwas ironisch. Du siehst auf einem Flyer LISTENER – talk music stehen und denkst dir „Dann nennt euch doch TALKER“, aber nein, wir sind LISTENER. Auch früher als Dan noch Rap gemacht hat und alle Rapper immer von sich behaupten, die größten und besten zu sein, hat er sich hingestellt und sich

Sind ja nicht nur ein paar Zeilen und ein Refrain, der sich mehrmals wiederholt. Entstehen die Songtexte eigentlich über einen längeren Zeitraum oder gibt es Tage, wo du einen Text komplett schreibst? Dan: Es ist nicht so, dass ich permanent an Texten arbeite. Es gibt schon immer mal Zeiträume, ich denen ich kaum schreibe. Das letzte Jahr war z.B. echt hart, ich bin eigentlich nie zur Ruhe gekommen, um mich mal auf’s Schreiben zu konzentrieren. Ich hab mit elf, zwölf angefangen zu texten und es gab immer mal Zeiten, in denen dann viele Texte parallel entstanden sind und dann gibt’s auch mal Durststrecken so wie die letzten Monate - obwohl wir gerade mal eine kleine Pause zwischen den ganzen

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Dan: Ich will nicht, nope. Aber lasst uns alle doch noch heute abend eine Hip Hop Band gründen. Wer’s down? Wer will DJ sein? Hehe.

kleinlaut als the Listener vorgestellt, nicht als Damager oder Killer. Dan: Gern auch als The Hugger und The Courager Kris: The Courager klingt wie ein Metal Sideprojekt, haha. Aber Courager klingt immer noch positiv. Dan: Ja, einige könnten das so sehen, ja.

Hört ihr denn selbst noch HipHop? Was denn so? Chris: Nicht wirklich die Sachen, die momentan rauskommen. Für mich verhält sich das ähnlich wie Punkrock. Da passiert auch so wenig neues. Ab und zu check ich mal, ob jemand was überraschendes macht. Vorhin haben wir uns über DEATH GRIPS unterhalten, die sind so’n „rapish weird kinda thing“. Auch wenn der Vergleich natürlich hinkt, aber die sind für mich so ähnlich wie PISSED JEANS. Die haben sich mit ihrem Neo Hardcore auch auf die Kernbotschaft vom Punk konzentriert und was komplett Eigenes daraus gemacht. Großartig. Kris: Ich hör gar keinen Hip Hop. Ich hab mir einmal eine HipHop Platte gekauft, aber die Begeisterung hilet nur eine Woche an.

Früher habt ihr, bzw. du viele Rap-Platten gemacht. Ist das Thema endgültig abgeschlossen oder könnte die nächste LISTENER Platte durchaus wieder ein Rap-Album werden? Chris: Das nächste Album wird purer HipHop. Dan: Ich fänd’s großartig, wenn wir alle mal ein Rap-Album machen würden. Also mal Hand aufs Herz, wer hier im Raum wird jemals im Leben wieder einen RapSong aufnehmen? Chris: Nein Gregor: Nein Stefan: Eher nicht. Kris: Dan wahrscheinlich

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Dan: Oh, was war es? CYPRESS? Kris: WU TANG Dan: 36 chambers? Kris: Ja, ganz genau. Dan: Großartige Platte Kris: Ja, dachte ich damals auch, hab die Platte, wie gesagt, eine Woche lang ununterbrochen gehört und seitdem nicht mehr angemacht. Dan: OUTKAST sind wahrscheinlich die Band, die ich am meisten höre.

schon leicht, da wir wirklich viele Shows spielen und ein eingespieltes Team sind. Und die anderen 30% sind dann vielleicht etwas schwerfällig, wobei wir aber jeden Abend versuchen, unsere Songs ein wenig anders zu arrangieren und mal auch andere Songs spielen. Damit überraschen wir dann nicht nur das Publikum sondern halt auch uns gegenseitig. Dan: Das macht echt riesig Spaß. Kris: Es ist halt nicht sonderlich aufregend, die exakt gleichen Songs an 200 Abenden pro Jahr zu spielen. Dan: Ja, obwohl das für mich halt der Spaßfaktor auf Tour ist. Ich hab halt Bock, mich jeden Abend zu verausgaben und ein gutes Set abzuliefern. Dinge, die eine Tour stressig machen können, sind ja eher Sachen, wie, dass man zu wenig auf sich selbst und die anderen achtet, krank wird, zu wenig schläft, zu wenig Zeit für sich selbst hat. Wir sind definitiv keine Band, die nach dem Konzert bis 4 Uhr morgens feiern muss. Das haben wir schon zur Genüge gemacht. Dabei meine ich nicht, dass wir schon genügend gefeiert haben, sondern eher, dass wir halt gelernt haben, dass, wenn wir jeden Abend eine Show spielen wollen, mit der wir alle zufrieden sind, wir aus unserer Tour keine zweimonatige Bromance machen sollten.

Ich hab in den 90igern aufgehört, Rap zu hören. Irgendwann wurd’s mir zu langweilig. Kris: Ich glaub, ich fang gerade an, mich für HipHop zu interessieren. Dan: Check out MC HAMMERS., die sind großartig Chris: Oder PUBLIC ENEMA Dan: M&Ms Kris: JIM Z Dan: SNOOP DUCK Kris: BUNCH OF RHYMES Chris: SALT ‘N PREPARE– Kennt ihr die? Dan: So, das sind so ein paar Favoriten von uns. Kris: Habt ihr jetzt noch irgendwelche Fragen an uns? Ich hab auf jeden Fall jetzt schon Angst davor, das alles nachher abzutippen und rauszuhören, wer was gesagt hat. Ich hatte bislang nicht die Möglichkeit euch mal live zu sehen, aber zumindest ein paar Videos nach, habt ihr ja ein recht intensive Performance. Wie haltet ihr das Abend für Abend für Abend auf Tour durch? Irgendwelche speziellen… Chris: …Work Out Tipps??

Eine Frage, die mir persönlich unter den Nägeln brennt: Wieso ist es so unfassbar schwer, von euch LPs zu bekommen? Dan: Da musst du dich nur an diesen Herrn wenden (zeigt auf Gregor von SOUND OF SUBTERRANIA Records) Zumindest zu einem erschwinglichen Preis Kris: Das ist ein Teufelskreis. Vinyl zu pressen ist bekanntlich ja ziemlich teuer und sobald wir dann mal eine Platte auf Vinyl veröffentlichen, ist die glücklicherweise/unglücklicherweise innerhalb weniger Wochen ausverkauft. Und dann werden

Nee, eher, ob euch es leicht fällt, jeden Abend so abzugehen? Chris: Ich sag mal, zu 70% fällt uns das

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die Platten von irgendwelchen Leuten für 50 Dollar bei eBay verkauft. Total zum Kotzen. Dan: Manche Leuten kaufen die Platten nur, um damit dann bei eBay viel Geld zu machen. Was halt mega unfair gegenüber Leuten wie dir ist, die die Platten gern hätten, um sie wirklich zu hören. Chris: Wenn ich sowas sehe, will ich manchmal aus Trotz hohe Summen bieten, nur damit niemand für unsere Platten so viel Geld ausgibt.

men gerechnet. Also, Lieblingsband für immer und ewig? Dan: Hmmm Chris: Hmpf Kris: Mmmmh Vielleicht sollten wir die Reihenfolge der 5 Fragen überdenken. Chris: Ja, lass die mal ans Ende stellen. Ok, momentane Lieblingsband? Chris: Ich schwärme meinen ganzen Freunden momentan von einer Bands namens FLOP vor! Eine Garage Popband aus Seattle, die gab‘s Anfang der Neunziger. Großartig! FLOP! Dan: A.A. BONDY. Ein sehr guter Singer/ Songwriter.

Die “Wooden Heart” hab ich vor ein paar Tagen für 185 USD bei eBay gesehen. Chris: Das ist echt Wahnsinn. Dan: Wir haben gerade unsere letzten drei Platten über SOUND OF SUBTERRANIA veröffentlich. Die gibt’s dann als Box und auch einzeln mit besonderen laser cut Artwork. Gregor hat sie rausgebracht. Kris: Auf der einen Seite ist es natürlich großartig, dass wir so schnell unsere Platten verkaufen, andererseits ist es aber auch ein Problem.

Und jetzt die Frage, die die 5 Fragen vielleicht hätte einläuten sollen: Der letzte Song, den ihr bewusst vor dem Interview gehört habt? Kris: Wir können im Van unsere Telefone nicht an die Anlage anschließen, daher hören wir dort nur Radio. “Blame it on the rain” von MILLI VANILLI haben wir gehört, als wir hier angekommen sind und es geregnet hat, hehe. Chris: Den letzten Song, den ich bewusst gehört habe, war „You are my best friend” von QUEEN, während wir vorhin gegessen haben.

Klar, weil ihr ja danach keine Kontrolle mehr darüber habt, ob die Platten weiterverkauft werden. Kris: Genau, wären wir eine wohlhabende Band, würden wir auch mehr Platten pressen lassen, so dass sie auch immer bei uns erhältlich wären. Aber momentan könnten wir einfach keine 5.000 Platten pressen lassen. Am Ende stehen dann wohlmöglich 4.000 davon bei mir zu Hause rum und wenn ich schlafen will, starren sie mich an und erinnern mich daran, was ich eigentlich manchmal für ein Trottel bin.

Sammelt ihr selbst auch Platten? Kris: Unglücklicherweise, ja. Gibt’s eine Platte, die ihr noch unbedingt haben müsst? Kris: Ich will unbedingt noch die Erstpressung von WEEZERs Pinkerton von 1996 haben. Ich hab zwar schon die WEEZER Box, aber die Version brauche ich auch. Aber die USD 90.- , die die momentan kostet, hab ich gerade nicht. Daher sagte

Nagut. Zum Ende eines Interviews gibs immer 5 Fragen, die sich um Platten….. Chris: Ja, Ja, nein, NIEMALS und Ja! Ich hätte ja eher mit weiteren Bandna-

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ich gerade unglücklicherweise, man gibt einfach zu viel Geld aus. Dan: Ich such nach “Devil and god are raging inside me” von BRAND NEW. Ist mir aber immer zu teuer, wenn ich sie sehe. Ihr habt ja wahrscheinlich einiges an Platten zu Hause, welche Platte würde man davon wohl am wenigsten bei euch erwarten? Der Gitarrist der WEAKERTHANS meinte auf die Frage, dass man wohl keine OLD DIRTY BASTARD Platte bei ihm im Schrank vermuten würde. Chris: Mir hat letztens jemand gesagt, dass wir ihn total an die WEAKERTHANS erinnern würden. Kris: Im Ernst? Großartig! Müssen das unbedingt Platten sein? Ich hab Unmengen von abgedrehtem Zeug auf Tapes zu Hause. Chris: Ich besitze eine LP mit schottischen Dudelsacksongs. Hab ich mal geschenkt bekommen, die hebt sich etwas vom Rest meiner Sammlung ab. Und die Platte hörst du ernsthaft?

Kris: Ja, hab ich eine Zeitlang viel gehört, aber die Platte ist leider total verbogen und leiert daher furchtbar. Dan: Ich stand mal total auf deutsche Humppa Musik, hab mir dafür mal einen Radiosender bei itunes rausgesucht und den Kanal den ganzen Tag schön laut bei der Arbeit gehört. Total großartig. Ah, und ich habe eine Taylor Swift LP. Ok, jetzt aber, letzte Frage: Lieblingsband für immer und ewig? Dan: OUTKAST Chris: Darf ich dann bis zum Lebensende nur noch diese Band hören? Darüber hab ich mir noch keine Gedanken gemacht, also keine Ahnung. Chris: CONVERGE Dan: Alter, im Ernst? Chris: HÜSKER DÜ Kris: HÜSKER DON’T Dan: LED ZEPPELIN und NIRVANA Kris: Ich sage SOUNDGARDEN und bereue diese Entscheidung schon jetzt.


NO WEATHER TALKS

vs

HELL & BACK

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anz einfache Spielregeln: Zwei Leute bekommen je eine CD mit zwölf Songs drauf und müssen erraten, von welcher Band die einzelnen Songs sind und jeweils einen Kommentar zu den Songs abgeben. In der ersten Runde treten Jens von NO WEATHER TALKS und Daniel von HELL & BACK gegen einander an. Während Jens erstmal allen Bands unterstellt, mal auf dem FEST gespielt zu haben, gibt Daniel nach der Hälfte auf und übergibt an seinen Bandkollegen Vuki. Nächstes Mal gibt’s ein Mixtape mit Songs, die vor 1995 erschienen sind, Daniel. Das ganze Mixtape gibt’s übrigens auf downpourfanzine.de zum anhören. sind erstmal eher gemächlich unterwegs. Ein wahrscheinlich trinkfreudiger, mit Sicherheit aber bärtiger Endzwanziger singt über irgendwelche Städte, wo keiner seinen Namen kennt. Ich hätte eine ganz andere Art von Song erwartet nach dem Anfang. Sehr getragen, sehr laid back, nix mit „jetzt aber Knüppel aus dem Sack“. Ich habe beim besten Willen keine Ahnung, welche Band das sein könnte. Es klingt irgendwie, als ob Lucero eine Nachwuchsband auf No Idea wären. Daniel: Boah, ich sehe am Player das der Song die sechs Minuten Grenze sprengt! Das ist weit über meiner Aufmerksamkeitsspanne! Okay, jetzt geht’s nach 2 Minuten Intro auch laaaangsam los! Endlich! Ah, das klingt nach Midwestern Emo. Nett! Der Gesang erinnert mich an TENEMENT KIDS aus Holland. Die hatten mit

RESTORATIONS – Adventure Tortoise Jens: Also, los geht’s. Anlage an, Ton hoch, ich lausche. Ich verstehe, dass ich jetzt meinen Senf zu diesen Songs abgeben soll. Beziehungsweise, vielleicht sollte ich auch die ein- oder anderen Künstler erkennen. Bin gespannt, wie mir das gelingt. Während ich diese Zeilen tippe, dauert das Intro schonmal ‘ne ganze Weile und schafft hohe Erwartungen, dass gleich voll der Punk abgeht. Nun, bei 1:40 angekommen und der Song ist immer noch nicht los gegangen. Nöj, Ja. Oha, doch jetzt aber! Doch erstaunlich: Entgegen meinen Erwartungen fetzt es nicht voll los. Wir

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„as guiless as the doves“ eine der besten, wenn nicht die beste europäische „orgcore“ Scheibe vor ein paar Jahren veröffentlicht. Guter Song!

Jens: Meet me at the reservoir?“ Mmmh, weiss nicht, wo das sein soll. Wahrscheinlich in Florida irgendwo, denn das hier klingt schon wieder nach FEST und No Idea. Es klingt aber auch ein bisschen so, als ob es eher in Washinton DC angesiedelt wäre. Ein paar kommerziell sehr erfolgreiche Postcore Bands aus dem Nordosten der USA, so a la THURSDAY, haben sich auch mit reingekreuzt. Enthusiastisch ruft und schreit der junge Sänger seine Stimmbänder kratzig. Ich habe überhaupt keine Ahnung, welche Band das sein könnte.

GAMEDAY REGULARS – Split The City Jens: Ok, hat die Band schonmal auf’m FEST gespielt oder Platten bei einschlägigen Org-core Labels veröffentlicht? Als der Gesang eben losging, war ich mir sicher, das da Chuck Ragan singt, aber da ich den HWM/Chuck Backkatalog ziemlich verinnerlicht habe und ich der aktuell neuen, von mir noch nicht gehörten Chuck-Platte so einen schmissigen Punkrocker nicht zutraue, bin ich mir fast sicher: Es muss wohl eine andere (jüngere?) Band sein. Oh jetzt: „whooohooohoooo, irgendwas“. Das erfindet HOT WATER MUSIC zwar nicht neu, mit ein paar Pabst Blue Ribbon, das amerikanische Hansa Pils, in der Leber könnte es aber an deren Niveau anknüpfen. So richtig spannend wird der Song gegen Ende leider nicht mehr, merke ich gerade. Ich hab ihn aber ganz angehört! Daniel: Klingt wie Song 1 mit einem betrunkenen Sänger. Sind das RED CITY RADIO?

YOU BLEW IT! – Rock Springs Daniel: Den Song kenne ich nicht. Ich bin ja schon am überlegen, ob ich mir so eine App runterlade, welche die Songs erkennt, um dann mit fundiertem Wissen zu glänzen ala „ah das sind XY, die hatten ja damals das Demo bei Kalle im Keller aufgenommen“. Aber wir machen ja fair play und ich versuche das nun mal in meinen Worten zu beschreiben. Also das klingt nach einer jungen Band, die dem 90er Emo Sound huldigt. Schrammelgitarren und ein leicht schief klingender Sänger. Früher wären die mit dem Sound auf Deep Elm gelandet. Kann man machen! Jens: Hier sind wir in den derzeit emotechnisch hoch angesagten Mitt-90ern gelandet. Im Post-CAPTAIN-JAZZ Universum. Der Gesang klingt so, als ob ich eigentlich auf jeden Fall wissen müsste, wie diese Band heisst. Vielleicht sind sie

PUP – Reservoir Daniel: Leicht hysterischer Indierock, welcher mehr an HIVES als an BLACK FLAG erinnert, die kommen bestimmt aus Schweden oder England und haben ihr Studium für die Bandkarriere abgebrochen. Vermutlich werden die auch im Vice Magazine abgefeiert und gelten jetzt noch als Geheimtipp bevor sie nächstes Jahr bei Rock am Ring spielen. Morgens um 11 als erste Band....am Freitag.

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aus England. Oder vielleicht sind es diese MODERN BASEBALL? So stelle ich mir die auf jeden Fall vor. Es ist auf jeden Fall alles sehr authentisch in den 90ern geklaut. Eventuell ist es gar eine der originalen Bands von damals? BRAID vielleicht? Die spielen ja wieder. Angehört hab ich mir die aktuellen Sachen aber nicht. Bisher hab ich jeden Song voll durchgehört! Brav! THE MENZINGERS – I dont wanna be an asshole anymore Daniel: Ah, die Stimme kommt mir bekannt vor, das müssten die MENZINGERS sein! Mit denen sollte ich mich mal mehr beschäftigen. Die sollen ja ganz geil sein! Vuki: Ja, die MENZINGERS!!! Finde ich mega-geil. Definitiv der Hit des neuen Albums. Ich hab mich noch nicht ganz in „Rented World“ rein gehört, aber der Song ist der Wahnsinn. Waren mit den Jungs nach dem Pirate Satellite Festival letztes Jahr in Stuttgart noch saufen, haben uns am nächsten Tag dafür auf die Gästeliste geschrieben. Sehr nett von ihnen – super Typen! Jens: MENZINGERS! Endlich hab ich mal was erkannt, und das sofort während der ersten Töne. „I don’t wanna be an Asshole Anymore“ ist leider, leider der einzige richtig große Hit auf der neuen Platte, „Rented World“, die ich aktuell fast täglich höre. Leider gelingt es mir bisher nicht, sie mir ähnlich schön zu hören, wie „On The Impossible Past“, das war ein Meilenstein, eine der besten Platten der letzten Jahre. Schade, schade. OK ist es aber allemal, wir meckern auf hohem Niveau. Und dieser Song hier ist einfach perfekt! Da stimmt alles. Da kann man mal sehen, was ein kleines Oh-hoo-hoo im Refrain ausmacht.

PASCOW – Zwickau sehen und sterben Daniel: Deutscher Studentenpunk. Okay. Das ist so Musik für Leute die Chucks mit einem Cord Jacket kombinieren. Sind das PASCOW? Ich fand in der Richtung nur MUFF POTTER gut und die auch nur auszugsweise. Da höre ich lieber Empowerment. Da habe ich mehr Bezug zu den Texten. Ich muss jetzt an Vuki abgeben, der kennt sich besser aus mit aktuellen Bands. Hättet ihr mir mal besser ein best of´ 94 Tape zusammengestellt! Vuki: Ich bin bis auf wenige Ausnahmen nicht wirklich Fan von deutschsprachiger Musik. Daher kann ich das nicht so wirklich objektiv beurteilen. Greyli, einer der besten Typen aus dem Osten, kommt aus Zwickau. Er war früher ein paar mal in Stuttgart zu Besuch und hat dann versucht ein bisschen schwäbisch zu sprechen, was sich mit seinem harten sächsischen Dialekt immer lustig angehört hat. „Wöhs isch dööö lööööhhhs?“ Jens: Ich erkenne schon am reinkommen der disko-esken Drums, dass es sich hier um einen Song der aktuellen PASCOW Platte handelt. Die haben wir die letzte Zeit öfter mal auf Tour im Auto gehört. Letztens haben wir auch mit denen gespielt. Ich muss zugeben, dass ich das bisherige Schaffen dieser Band nur so am Rande verfolgt habe. Früher dachte ich immer, das wäre eine Ska-Punk Band. Ich war jedenfalls schwer beeindruckt vom Konzert. Ich finde das auch echt cool, dass die gerade so viel Aufmerksamkeit bekommen. PASCOWsind auf eine sympathische Art mainstreamig, sehr Dance-kompatibel aber auch mit der nötigen Kauzigkeit ausgestattet, die dafür sorgt, dass die Band genug

nobody likes you when you’re


Dreck zwischen den Zähnen hat. So wie MUFF POTTER vielleicht, die sind ja auch trotz Erfolg damals nie richtig im großen Indie-Pop Universum angekommen. Sie waren immer irgendwie zu verschroben.

aus Richmond / Virginia und sind ein Kumpels von Tim Barry oder so. So klingt sie zumindest. Wie heisst die Band? Jens: Der Sänger trinkt gerne mal einen über den Durst, bzw. er will sich so anhören. „Where do we go when the Whiskey is gone?“ Nöj ja, dass weiss ich leider auch nicht, was wir dann tun. Vielleicht sollte die Frage auch eher lauten: Where do we go when THE FEST is done?“. Auch hier wieder: Fragt mich nicht, welche Band das sein könnte, ich hab keinen Plan.

NO WEATHER TALKS – Privilege Of Procrastination Vuki: NO WEATHER TALKS aus Hamburg! Gleich an der Stimme erkannt. Wunderbare Band. Song ist von ihrer alten Scheibe wenn ich das richtig im Kopf habe? Definitiv eine der besten deutschen PunkRock Bands im Moment. Ich hoffe, dass wir irgendwann mal mit denen zusammen spielen. Philipp, ein Kumpel von mir, ist vor fast zwei Jahr nach Amerika ausgewandert und hat mir Teile von seinem GitarrenEquipment überlassen. Er hat in der VorVorgänger-Band mal Gitarre gespielt. Habe vor kurzem ganz alte Setlisten von ihren Auftritt in dem alten Kabelkoffer gefunden. Ach ja Philipp, ich hätte Bock, mal wieder mit dir saufen zu gehen … HELL & BACK – Golden Key Asylum Jens: Mal was eher flottes hier, auch wieder FEST-Band Alarm bestimmt. Jauchziger Gesang, ich hab echt keine Ahnung, wer das sein könnte, FLATLINERS vielleicht?

MODERN BASEBALL – The Weekend Vuki: Der Track erinnert mich ein bisschen an JOYCE MANOR. Ich muss sagen, dass ich leider nicht so viele neue Bands kenne … und ich bin froh, bisher schon zwei Songs erkannt zu haben. Musik finde ich gut. Ich sollte mir wieder mehr neues Zeug anhören. Skate Punk aus den 90ern oder auch Metal aus der Zeit wären kein Problem für mich. Aber der Track ist cool und gefällt mir. Jens: Sehr Indie. Mal nicht so betrunkener Sänger. Klingt wie WEAKERTHANS ohne, naja, den WEAKERTHANS-Zauber halt. Ich hab keine Ahnung und find den Song auch eher lahm. Jetzt skip ich doch mal weiter.

GET DEAD – The Process Vuki: Coole Stimme. Ein bisschen zu schrammelig für meinen Geschmack … aber cool. Gefällt mir. Kommen bestimmt

CHUCK RAGAN – Gave My Heart Out Vuki: Das ist CHUCK RAGAN, aber es ist nicht HOT WATER MUSIC, denn das würde ich kennen. Also wohl solo. Ich

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liebe seine Stimme. Würde ich fischen gehen, würde ich dabei wahrscheinlich die ganze Zeit den Track hören. Aber ich esse nicht mal Fisch. Oder wenn ich meinen Vollbart pflege und meine nicht wirklich üppig behaarte Brust streichle, könnte ich mal den Song anhören. Oder wenn ich Whiskey unter dem Vordach trinke und in die weite Steppe blicke. Das ist das schöne an dem Song, weil ich an alles gleichzeitig denken muss. Kopfkino. Jens: Aha! Diesmal haben wir den echten CHUCK RAGAN, das ist unverkennbar. Da ich den Song aber nicht kenne, muss er von der neuen Platte „Till Midnight“ sein. Ich hab da schon ganz sachte rein gehört. Ehrlich gesagt, mir haben sich die Fussnägel aufgerollt. Bisher fand ich alles vom Chuck super, aber jetzt hat er die Grenze zum Schnulzencountry zu weit überschritten. Schade auch, aber wer will’s ihm übel nehmen, vielleicht will er ja ins Radio oder so. Haut mich jedenfalls nicht mehr um. Die Platte werde ich mir wahrscheinlich nicht kaufen.

Zeit rattendicht. Vor allem bei GASLIGHT ANTHEM. Auch in dieser Band hier haben wir wieder einen eventuell betrunkenen Sänger. „Saturday night, blabla, Radio an, Autofahren, Baby, siehstdugutausheute blabla“. Das ganze über einen originalen GASLIGHT ANTHEM Beat. Es sind aber, glaube ich, nicht TGLA. Ich find den Song schon ganz gut, nicht, dass das jetzt einen falschen Eindruck macht. Er sägt aber nicht am Stuhl von unserem LieblingsKreationisten, da hilft es auch nix, dass der Sänger mich jetzt immer wieder zum Mitsingen auffordert. Vuki: GASLIGHT ANTHEM, sind sie das? Hört sich auf jeden Fall sehr danach an … Ich bin war nie ein großer Fan der Band um ehrlich zu sein. 59 Sound ist ein cooler Songs aber ausser dem Track hat es bisher nicht geklickt bei mir. Sind das GASLIGHT ANTHEM? EVERYONE EVERYWHERE – Turn & Go & Turn Vuki: Ist cool, gefällt mir. Sehr angenehm. Kenn ich aber nicht. Fazit: Ich kenne zu wenig neues Zeug! Ich sollte mal wieder meinen Horizont erweitern und mir vielleicht ein Spotify Abo holen. Oder weniger Jazz hören? Ach ja, man wird alt ... Jens: Wieder so ne 90er Emo Kopie. Ich hab keine Ahnung. Es hat die üblichen, derzeit angesagten Elemente, tut aber gar nix mit mir. Derzeit gibt es da eine ganze Parallelszene dazu, die wird in zwei Jahren auch wieder verschwunden sein und ich fürchte, die ganzen Bands werden alle völlig an mir vorbeirauschen. Die erste SPORT Platte, also, die Franzosen, hat mir gereicht, mehr brauchte ich da bisher irgendwie nicht.

ARLISS NANCY – Both Got Old Jens: Wo wir schon beim Thema Radio sind: Diese Band hier hat, wie wir im NO WEATHER TALKS-Umfeld gerne sagen, „das Radio an“. So wie GASLIGHT ANTHEM oder ALKALINE TRIO. Achtet da mal drauf - Wenn Ihr jedes Mal, wenn im Text ein Radio erwähnt wird, einen Schaps trinken müsst, seid ihr in kürzester

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EVERYONE EVERYWHERE Wurde ich vor nicht allzulanger Zeit noch für meinen Mid90s-Emo Fetisch müde belächelt, tauchen seit 2,3 Jahren überall neue Bands auf, die scheinbar gleichermaßen Platten von GET UP KIDS, MINERAL, BRAID und PIEBALD viel zu häufig gehört haben. EVERYONE EVERYWHERE sind eine von denen und waren vor geraumer Zeit in Hamburg, Grund genug den Jungs ein paar Fragen zu stellen.

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eigentlich, aber ich find’s ziemlich cool, dass wir uns alle schon so lange kennen.

rzähl doch mal, wie’s mit eurer Band losging. Wann habt ihr euch all kennen gelernt? Matt: Brendan, ich und der andere Brendan sind zusammen zur High School gegangen, da waren wir alle so 15-16, hatten damals sogar schon eine Band zusammen, die MODERA hieß. Als wir dann zusammen nach Philadelphia zogen, um aufs College zu gehen, haben wir dort Tommy getroffen. Dann haben wir vier EVERYONE EVERYWHERE gegründet. Ziemlich simple Story

Was ist dein persönlicher Anreiz in einer Band zu spielen? Wir alle mögen diesen kreativen Aspekt, in einer Band zu sein. Total großartig finde ich es auch, dass wir mittlerweile in der Lage sind zu touren und an Orten spielen, die ich wahrscheinlich niemals gesehen hätte, wäre ich nicht in dieser Band. Musik zu spielen ist ungeheuer dankbar, einfach.

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selbst wenn sich niemand für unsere Musik interessieren würde, würden wir wohl immer noch Songs schreiben, da uns das sehr viel Spaß macht.

unglaublich, mit deinen eigenen Songs auf Tour gehen zu können und sie jeden Abend anderen Leuten vorspielen zu dürfen. So gesehen haben wir echt Glück gehabt. Aber selbst wenn sich niemand für unsere Musik interessieren würde, würden wir wohl immer noch Songs schreiben, da uns das sehr viel Spaß macht. Als ihr die Band gegründet habt, hattet ihr da eine Vorstellung, wohin es mit der Band mal gehen soll? Habt ihr euch vorstellen können, mal durch Europa zu touren? Nein, wir hatten keinerlei Erwartungen. EVERYONE EVERYWHERE waren und sind einfach vier Freunde, die unfassbar viel Spaß daran haben, zusammen Musik zu machen. Die Tatsache, dass unsere Songs auch andere Leute interessieren, ist auf jeden Fall ein sehr netter Nebeneffekt, aber wie schon gesagt, wir würden so oder unglaublich, mit deinen eigenen Songs auf Tour gehen zu können und sie jeden Abend anderen Leuten vorspielen zu dürfen. So gesehen haben wir echt Glück gehabt. Aber

Als ihr die Band gegründet habt, hattet ihr da eine Vorstellung, wohin es mit der Band mal gehen soll? Habt ihr euch vorstellen können, mal durch Europa zu touren? Nein, wir hatten keinerlei Erwartungen. EVERYONE EVERYWHERE waren und sind einfach vier Freunde, die unfassbar viel Spaß daran haben, zusammen Musik zu machen. Die Tatsache, dass unsere Songs auch andere Leute interessieren, ist auf jeden Fall ein sehr netter Nebeneffekt, aber wie schon gesagt, wir würden so oder so zusammen Musik machen. Ich denke, dass niemand von uns sich vor vier Jahren hingestellt und gesagt hätte, dass wir mal quer durch Europa touren würden. Ist halt unglaublich, besonders dass wir, aufgrund von ein paar Songs, die wir in unserem Keller geschrieben haben, diese ganzen einmaligen Erfahrungen sammeln können

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und uns gefragt, ob wir Interesse hätten. Wir hielten es für eine coole Idee und haben zugesagt. Wir haben früher sehr sehr viel THE GET UP KIDS gehört, daher würde ich sagen, dass die unsere Favoriten sind. Wann wart ihr das erste Mal im Ausland? Wir sind eigentlich seit unserer Collegezeit ständig am rumreisen, nicht so typisch amerikanisch, was?

Was ging dir als erstes durch den Kopf, als jemand EVERYONE EVERYWHERE als Bandnamen vorschlug? Hm, wahrscheinlich sowas wie, endlich, klingt cool, weiter geht’s. Wann habt ihr das erste Mal bemerkt, dass Leute vor der Bühne stehen und eure Texte mitsingen? Wie fühlt sich das an? Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich das erste Mal war, aber nachdem unsere erste 7“ und unser erstes Album erschienen sind, haben wir schon feststellen können, dass langsam immer mehr Leute auf unseren Konzerten, die Songs kannten. Ist schon verdammt schmeichelhaft, wenn jemand deine Songs mitsingen kann. Euer letztes Album ist als Kassette bei Doghouse Records erschienen. Wie ist das denn zustande gekommen? Was ist eure Lieblingsband auf Doghouse Records? Recht unkompliziert, die Leute von Doghouse haben uns eine E-Mail geschickt

Nicht wirklich, nee. Wann war das erste Mal, dass du es bereut hast, nicht auf deine Eltern gehört zu haben? Wir hören immer auf unsere Eltern. Was steht für euch als nächstes an? Irgendwelche Pläne, wenn ihr eure Europatour beendet habt? Wir nehmen wahrscheinlich eine kleine Auszeit, spielen eine Recordreleaseparty bei uns zu Hause und werden dann weiter neue Songs schreiben.

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BIKE TUFF

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lückwünsch zu eurer aktuellen Platte, die vor ein paar Monaten rauskam. Hier kommt eure Chance, die Platte zu bewerben…warum sollten Leute jetzt unbedingt ein Exemplar von „Into Shore“ bestellen? „Into Shore“ ist sehr vielseitig. Wir haben versucht unsere Einflüsse aus Pop Punk, Emo und Post-Hardcore in unsere Songs einzubauen. Falls das für dich interessant klingt, checkt uns doch mal aus.

genommen, BIKE TUFF wäre ein Kind von zwei Bands, welche Bands hatten wie Sex, um euch zu zeugen? Wir sind eine Art Retortenbaby von SAMIAM und KID DYNAMITE. Kannst du eure Bandgeschichte in weniger als einer Minute zusammenfassen? Zeit läuft ab…jetzt! Es begann an einem Valentinstag, an dem wir alle Single waren. Wir waren alle befreundet und dachten, das Beste, was wir an so einem Tag mit uns anfangen könnten, wäre eine Band zu starten. Also fingen wir an ein paar Riffs bei HOT WATER MUSIC zu klauen, spielten unsere ersten Shows, veröffentlichten unsere erste EP „S.U.D.S“ Ende 2009. Danach ging’s weiter mit Shows spielen, unsere erste Touren,…. Nach einer kleinen Auszeit, haben wir uns daran gemacht unsere erste Platte zu schreiben, die wir dann vor ein paar Monaten veröffentlich haben. Seitdem sind wir ei-

Gibt’s für dich einen Songs, der ganz besonders hervorsticht? Ehrlich gesagt bekomm ich immer noch von dem Riff in „Oak St. Market“ eine Gänsehaut. Hab den Song, seitdem wir ihn geschrieben haben, sicherlich 1.000x gehört und find den Song nach wie vor verdammt catchy. Es gibt sicherlich 1,2 Leute, die von BIKE TUFF noch nie was gehört haben…An-

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fahren. Sind Fixies noch angesagt? Sowas haben wir zum Beispiel nicht. Wir sind definitiv keine Bike Snobs. Wenn wir durch deinen iPod skippen würden, was wäre wahrscheinlich das Album, das wir dort am wenigsten vermutet hätten? Also, jeder, der mich kennt, weiß wie sehr ich TOTO mag, daher wäre „Toto IV“ keine Überraschung. Vielleicht „Yourself or someone like you“ von MATCHBOX TWENTY, das ist ein großartiger Album. Wo probt ihr? Wie sehr nervt’s die Nachbarn, Eltern, ...? Wir proben seit Ewigkeiten im Keller von Steve und Gregs Eltern. Das war auch niemals stressig, aber als wir einmal ein Konzert für eine tourende Band im Keller organisiert haben und deshalb die Polizei bei den Eltern geklingelt, gabs ein wenig Ärger. Ich glaub, ich Hab noch nie jemand so laut schreien gehört wie deren Vater, nachdem die Polizei wieder weg war.

gentlich ständig unterwegs und spielen so viele Shows, wie es nur geht. Und an neuen Songs schreiben wir auch schon wieder. Was ging dir als erstes durch den Kopf, als jemand BIKE TUFF als möglichen Bandnamen vorschlug? Seit Beginn ist der Name natürlich ein Witz, den keiner von uns wirklich ernst nimmt. Eigentlich gibt’s den Namen schon länger als unsere Band, da wir früher mit unserer Ska-Band auch schon 1,2 Shows als BIKE TUFF gespielt haben. Da wir den Namen lustig fanden, haben wir ihn einfach behalten. Außerdem hat er einen LATTERMAN Bezug, was natürlich großartig ist.

Gibt’s ein Geheimnis über euch, das bislang komplett noch niemand weiß und du jetzt mitteilen möchtest? Wir kennen den Song „Sell Out“ von REEL BIG FISH auswendig. Eure größte Schwäche aus Band? 3rd wave ska. Gibts in eurer Stadt noch andere großartigen Bands, die man sich mal anhören sollte? In Kalamazoo wimmelt es nur so an großartigen Bands. Als Anfang sollte mal THE REPTILIAN, THE MUSHMEN und THE HEX BOMBS auschecken.

Was für Fahrräder habt ihr denn so? Ich fahre ein altes Rad von Schwinn aus den 80igern. Das hat zwar schon bessere Tage gesehen, aber es fährt halt noch. Ich weiß gar nicht, was die anderen Jungs für Räder

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THE GENERATORS

Seltsam und faszinierend zugleich, wie manche Bands nach wenigen Monaten schon wieder auseinandergehen, während andere Jahr an Jahr reihen und einfach nicht nachlassen. THE GENERATORS aus Los Angeles gibt es schon seit 1997 UNUNTERBROCHEN – das heißt Platten veröffentlichen (welcome to the end 1997, ninety-nine 1999, burning ambition 2000, tyranny 2001, state of the nation 2002, excess, betrayal and our dearly departed 2003, the winter of discontent 2006, the great divide 2007, between the devil and the deep blue sea 2009, last of the pariahs 2011, the deconstruction of dreams 2013 und life gives, life takes 2014) und natürlich touren, touren, touren. Dabei war Sänger Doug Dagger Kane vorher schon bei SCHLEPROCK aktiv (unbedingt anhören, wer die noch nicht kennt – 90’er melodischer Punk Rock – eine der wenigen Bands, die es geschafft haben auch auf einem Major eine super Platte zu veröffentlichen – Heroin war allerdings auch hier das Ende). Nach vielen, sehr vielen Line-up-Wechseln sind nun Doug Kane, Mike Snow, Mando Del Rio, Manny Murders und Teddy Schrader THE GENERATORS. Zum Auftritt im Hafenklang konnte ich mit Doug ein äußerst aufschlussreiches Interview führen. Es beweist mal wieder, dass in der Vergangenheit, in diesem Fall die Anfänge des Punk Rock in L.A., nicht alles besser, schöner und attraktiver war.

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gründen. Also, es gibt ‘ne ganze Menge Gründe warum und nicht bloß Eigeninteresse, ich liebe es und ich möchte weiter Platten rausbringen. Da draußen sind Leute, die sie hören wollen.

ielen Dank erst mal, dass es so kurzfristig mit dem Interview geklappt hat. Wenn ich es richtig gelesen habe, dann habt ihr gerade euer 17-jähriges Bestehen gefeiert. Wenn ich so dreist sein darf – warum? Es war einfach ein guter Anlass, all unsere Freunde einzuladen und zu feiern. Es ging gar nicht in erster Linie um die Band, sondern darum, dass man die vielen Leute, mit denen wir aufgewachsen sind, trifft. Die aus unserer alten Szene stammen, die alten Punk Rocker von früher, die seit 30 Jahren dabei sind – einfach alle mal an einen Ort bekommen, um ein bisschen Musik zu genießen und ein weiteres Jahr zu feiern, das die Band überstanden hat.

Und die nächste Frage knüpft gleich daran an – wie macht man das? 17 Jahre in einer Punk Rock Band sein? Und zu touren! Denn es ist eine Sache, 17 Jahre in einer Band zu sein, in der Heimatstadt ein Local Hero zu sein, aber es ist was ganz anderes, 17 Jahre durch die Gegend zu fahren, ohne Ende beschäftigt zu sein. Das ist allein schon schwierig, wenn die Band sehr wenig Geld macht. Geld kann also nicht der Grund sein. Genau. Und all diese Sachen zusammen führen dazu, dass Leute die Band verlassen. Es waren 17 laaange Jahre, es gab viele gute Momente und viiiiele schlechte. Hast Du selber irgendwelche Dinge, die Du bedauerst? Verpasste Chancen? Ich persönlich wollte mich und die Band nie anbieten, nie ein Arschkriecher sein. In L.A. gibt es viele Labels, früher waren es noch mehr. Ich kenn die Leute bei Epitaph, Hellcat usw., aber hingehen und sich anbiedern: „Hey Leute, hört euch das mal an!“ ? Vielleicht hätte ich das machen sollen, vielleicht hätten die den einen oder anderen Song gehört und gesagt: „Wow! Klasse Dougie. Das bringen wir raus.“ Hab’ ich aber nicht. Andere haben unsere Musik gehört und Platten rausgebracht. Es wäre nicht richtig zu sagen: „Ich bedauere nichts.“ Ich bedauere eine Millionen Dinge, aber die sind Vergangenheit und ich kann daran nichts mehr ändern. Ich kann mir nur Gedanken darüber machen, was ich heute und morgen tun kann.

O.K., und dann noch die andere Warum-Frage: Warum überhaupt 17 Jahre in einer Band? Gute Frage – ich hab’ irgendwo was von JOE STRUMMER gelesen, der so was Ähnliches sagte wie, wenn du zwei oder drei Platten rausgebracht hast, dann ist das genug. THE CLASH gab es ja auch nur sechs oder sieben Jahre. Eigentlich ja ‘76 - ‘86, aber wer zählt die cut the crap Jahre bitte schon dazu?! Ich liebe, was ich mache. Ich liebe es Musik zu machen, Texte zu schreiben. Für mich ist es eine persönliche Herausforderung. Du bist nur so gut wie die letzte Platte, die du gemacht hast. Also möchte ich jedes Mal besser sein als das letzte Mal. Und es ist eine Möglichkeit mich auszudrücken, wo ich herkomme, die Szene aus der ich komme. Wir könnten morgen ganz einfach aufhören und ich würde einfach arbeiten gehen, aber dann gäbe es noch eine Band weniger mit unserem Stil in der Szene. Ich will ja nicht selbstsüchtig klingen, aber das wäre echt scheiße. Vielleicht würden dann einige junge Leute keine Punk Band

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17 Jahre GENERATORS heißt auch eine Menge Songs. Yeah, ich glaub’ es sind inzwischen 120. Wie schreibst Du die Texte? Schreibst Du andauernd etwas auf oder … ...nee, es gibt Zeiten, da kann ich überhaupt nicht schreiben. Das ist frustrierend nicht kreativ zu sein. Und dann, für drei oder vier Tage, kommt eine Welle von Kreativität über mich. Dann schreibe ich was auf, schnapp’ mir die Gitarre, ruf’ die Jungs an … Eher so wie Ebbe und Flut … Und die Inhalte der Texte? Entstehen aus Einzelideen. Ich hab’ irgendwo etwas gelesen, eine Phrase aufgeschnappt, einen alten Song gehört, einen Film gesehen oder auch Dinge, die ich im Alltag erlebe oder Kindheitserinnerungen. Ich hab bisher niemandem erzählt, wovon “roll out the red carpet” handelt. Gestern

in Essen haben wir akustisch vor ca. 100 Leuten gespielt und da hab ich zum ersten Mal darüber geredet, wie ein älterer Freund von mir Heroin abhängig wurde. Und ich hab ihn immer nachts auf einer Autobahnbrücke gesehen, ich im Auto auf dem Weg nach Hause, er auf dem Weg in das Viertel mit den Gangs und so, um Heroin zu kaufen. Ich dachte damals dead man walking und schrieb den Song. Er starb kurz danach. Das Touren – was sind die guten Dinge und was ist definitiv besser zu Hause? Du musst schon aufpassen, dass das Touren nicht dein Leben zu Hause auffrisst. Ich liebe mein Leben zuhause. Ich bin verheiratet, hab eine Familie und arbeiten muss ich auch. Früher hieß touren auch vor allem Freunde treffen und feiern. Heute schlafe ich im Hotelzimmer – ausruhen. Ich mache mein Ding auf der Bühne, trink


mit ‘n paar Freunden etwas - in Maßen. Wie geht’s dir eigentlich mit dem Älter werden in der Punk Szene? Ich hab das Beste mitgemacht und das Schlimmste. Als die L.A. Szene anfing, hab ich viel gesehen. Und während das damals natürlich sehr aufregend wirkte, war es vor allem entsetzlich gewalttätig. Es war manchmal extrem beängstigend – nicht bloß die Punk Shows. Normalerweise waren wir nicht mal im Laden drin – wir blieben draußen. Manchmal haben wir uns die Bands angesehen, aber viele Punks trafen sich draußen, auf Parkplätzen, auf der Straße und so. Und oft hieß das dann Schlägereien mit der Polizei. Die Anfangszeiten der Punk Szene in L.A., BLACK FLAG und so …? Genau. Es war ganz typisch: Du sitzt mit deinen Freunden vor dem Laden, die Bullen fahren vorbei … Die Szene traf sich in Hollywood, alle aus den umliegenden Städten kamen nach Hollywood und das

war damals vielleicht ‘n Drecksloch. Und es gab halt ‘ne Menge Läden, in denen Punk Bands spielten. Und die LAPD (Los Angeles Police Departement) kam vorbei, damals vor allem Vietnam-Veteranen – sehr aggressiv. Dann gab’s Wortwechsel, Beleidigungen, Flaschen flogen und schon ging’s los. MIKE SNOW: Waren das nicht tolle Zeiten als wir klein waren? Ich hab die ganzen Veränderungen der Szene gesehen – weniger Polizei, weniger Gewalt eine besser aufgestellte Szene – BAD RELIGION und SOCIAL DISTORTION kamen zurück – weniger Gewalt, mehr Spaß … Interessant, denn in vielen Büchern und Filmen und so über die früher L.A. Punk Szene wird das Ganze doch sehr abgefeiert, nach dem Motto: Es war besser und echter, weil es so gefährlich war.


Overhyped. Das schreibt sich natürlich toll, aber als kleiner Stöpsel damals … Das wird es halt nie wieder geben, genauso wie es die 68er nie wieder geben wird. Das war uns in L.A. natürlich egal. Wir kümmerten uns nicht um die MISFITS oder andere Bands von außerhalb. Die kamen auf Tour nach L.A. Und wir dachten nur: „Fickt euch! Das ist L.A.!“ Das kommt nie wieder und es war nicht spaßig. Es war beängstigend. Jeden Abend konnte jemand getötet werden.

Es scheint auch so viele zu geben … Wie kommt man an all diese Bands ran? Im Plattenladen? Wohl kaum, eher alles online hören … Erinnerst du dich an den letzten Song, den du gehört hast vor diesem Interview? … die letzte Platte? Ich war müde und hatte JOHNNY CASH american recordings an. Das beruhigt mich … hört sich jetzt sehr plakativ an – JOHNNY CASH – aber was soll ich machen? Andererseits höre ich wieder viele 70er Sachen. Und viele Freunde fragen mich dann: Warum? Das ist doch `n Witz, oder? Ich bin mit CHEAP TRICK aufgewachsen … Melodienlastiger Rock’n Roll. Das waren meine Anfänge. Ich war ein SIMS SKATEBOARDS Teamfahrer und wir hörten KISS, CHEAP TRICK, den ganzen Kram. Ich mag das alles heute noch. Wenn man darüber nachdenkt, habe all die alten Punkbands auch diese Sachen gehört, als sie jung waren. Klar, die haben DAVID BOWIE gehört, TREX, alles mögliche. Die Typen von BLACK FLAG und den CIRCLE JERKS haben BEACH BOYS gehört, BLACK SABBATH.

Zu was ganz anderem – Plattensammler? Ja, ich hab lange an meiner VinylSammlung gearbeitet. Heutzutage sammele ich sehr zufällig. Alles, was ich so mag. Alte Rocksachen … Cool, denn die nächsten kurzen Fragen drehen sich alle um Platten und so. Lieblingsband? Welches Genre denn? Gute Frage – Punk Rock? Früher UK-Punk, der mich inspirierte, der mich infizierte mit dem Punk Virus: SEX PISTOLS; mein Cousin hatte nevermind the bullocks – 1979 lebensverändernd; ANGELIC UPSTARTS, CIRCLE JERKS, BLACK FLAG, T.S.O.L. Ich liebe suffer von BAD RELIGION. Klassische RAMONES und auch die späteren Sachen, denn die haben es geschafft später die besseren Möglichkeiten bei der Produktion zu nutzen, mit C.J. mono bizarro – super Platte.

Zwei noch – gibt’s noch ne Platte, die du suchst? … nicht wirklich … wenn ich heute ne Platte haben möchte, dann weil sie mir wieder einfällt oder so. Letztens hab ich ne POLICE Platte gekauft, weil ich einige Songs davon mal wieder hören wollte. Überraschenste Platte in deiner Sammlung? 70er Rock – TOM PETTY, NEIL YOUNG … Musik, dich mich dazu bringt Musik zu schreiben. Ich versuche halt meine Ohren und meinen Geist offen zu halten. Sei offen für Neues, für Anderes, das war es, worum es von Anfang an ging.

Neuere Bands? OFF WITH THEIR HEADS, TEENAGE BOTTLEROCKET … ich will jetzt nicht alt und abgestumpft klingen, aber es ist echt hart all diese neuen Bands zu hören und zu entdecken.

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Reviews Alzheimer?? - Anmerkung der Redaktion. Wirklich) oder nicht, weiß ich nicht, aber die grandiosen, virtuosen LISTENER musste mir erst Stefan nahebringen und empfehlen. Zunächst war ich skeptisch, ob der intensive Vortrag von Sänger Dan Smith auf die Dauer nicht zu viel sein würde. Aber wiederholter Genuss einzelner Songs und schließlich das Konzert im Hafenklang überzeugten mich völlig vom Gegenteil. Was für eine geile Band! Vor allem die extrem guten und oft sehr umfangreichen Texte sind es, die mich jedes Mal gefangen nehmen. Wie bei John K. Samson von den WEAKERTHANS aber auf ganz andere Art

LISTENER return to struggleville LP LISTENER wooden heart LP LISTENER time is a machine LP Es gab mal eine Zeit, und die ist noch gar nicht sooo lange vorbei, da konnte mir niemand, NIEMAND, mit irgend einer Band kommen, ohne dass ich nicht zumindest mal davon gehört hatte und wusste, in welche Richtung die Musik ging. Glaubt es oder nicht, es ist wahr bzw. war wahr. Heutzutage bin ich froh, wenn ich mitkriege, dass eine meiner Lieblingsbands 'ne neue Platte rausbringt oder auf Tour kommt. Ob's am Alter liegt („JA“, Anmerkung der Redaktion (Philip, diesen Kommentar hast du doch selbst eingefügt?!

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und Weise wird innerhalb kürzester Zeit aus ein paar Textzeilen eine Geschichte, ein Film, ein ganze Mikrokosmos, den man als Hörer betreten darf. Man nimmt intensivst teil am Leben der Personen und ihrer Schicksale, nicht nur getragen vom der schon erwähnten ausgeprägten Vortrag, sondern immer auch von der passenden musikalischen Unterstützung. Während auf return to struggleville die Vergangenheit als Hip-Hop-Combo DEEP SPACE 5 noch zu hören ist (Waschmaschine als Rhythmusgeber oder auch 'n Shotgun) geht es bei wooden heart deutlich mehr in Richtung Kammerorchester oder so (Streicher, Bläser, etc.), um schließlich auf time is a machine beim Indie-Sound angekommen zu sein mit vollwertiger Band. Zusammen ergibt sich in jedem einzelnen Song eine ganz individuelle Stimmung. So kann man z.B. bei death by shotgun die Hitze, den Schweiß, den billigen Whiskey und die Verzweiflung förmlich schmecken. Und als wenn das alles noch nicht Kaufempfehlung genug wäre, sind diese drei Juwelen gerade bei SOUND OF SUBTERRANIA auf Vinyl wiederveröffentlicht worden … und nicht irgendwie, sondern mit mehr Stil als Flutschfinger diese Saison in deutschen Freibädern verkauft werden: 180g Vinyl, Download inklusive, Texte auf fettem Pappkarton und die Cover sind alle völlig neugestaltet worden, wobei jedes einzeln per Laser angefertigt wurde (das dauert ca. 20 Minuten pro Cover!). So macht man das! Alle drei Platten sind so was von zu empfehlen und momentan (Juni 2014) noch bei S.O.S. zu bekommen – ranhalten, anhören und Schnurrbart wachsen lassen. Philip

FUCKED UP glass boys 2xLP FUCKED UP year of the dragon 12“ + 7“ Flexi Es gab mal eine Zeit, da hab' ich alles, ALLES von FUCKED UP gekauft, das ich kriegen konnte, hab' Flohmärkte, Plattenbörsen und vor allem Internetbörse abgegrast und lächerlich viel Geld ausgegeben. DANN kam das unsägliche David comes to life Album raus (und das noch deutlich unsäglichere David's town) und während der Rest der Welt FUCKED UP plötzlich abfeierte, frage ich mich immer noch, was da passiert ist. Aber genug der Vergangenheitsbewältigung, mit der Vorabveröffentlichung paper the house vom neuen Album konnte ich mich wieder mehr anfreunden. Gut, es war kein baiting the public, son the father oder royal swan, aber doch ein Schritt zurück in Richtung verzweifelter Punk-Rock und weg vom hippedi-dudeldiIndie-ARCADE-FIRE-oder-sonst-wasSound. Dann gibt’s noch 'ne Sonderversion mit extra Cover und extra Platte (alle Songs mit halftime Schlagzeug!), was auch an die guten, alten Zeiten erinnert, als es jeder Platte in unzähligen Versionen gab, teilweise von der Band heimlich veröffentlicht, teilweise von den Labels, teilweise von Leuten, die weder was mit der Band noch mit irgendeinem Label zu tun hatten. ACHTUNG! ACHTUNG! Für alle, die FUCKED UP Platten sammeln oder sammeln wollen, aber an der Unzahl von

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limitierten, raren und geheimen Versionen verzweifeln, HIER die ultimative Adresse: http://fuckedupdiscography.blogspot. co.uk/2014/03/introduction.html Giles hat alles, auch sich widersprechende Infos gesammelt und ÜBERSICHTLICH zusammengestellt und das geschafft, was selbst die band in mehr als zehn Jahren nicht mal ansatzweise geschafft hat: eine vollständige Diskographie erstellt. 'tschuldigung für die Unterbrechung – wo war ich? Ach ja, Vorabsong gut und jetzt die Platte … … … geht so. leider ist “paper the house” für mich der beste Song. Die anderen gehen fast alle wieder in Richtung „nett“ statt „verzweifelt“, „dur“ statt „moll“ und „schön“ statt „ganz schön heftig“. Wie gesagt, 'n Schritt in die richtige Richtung, aber noch weit entfernt vom Meisterwerk “chemistry of common life”. Dass die Nasen es noch können, zeigt Nummer sechs im laufenden Wir-spielenfür-jedes-chinesisches-Tierkreiszeicheneine-12“-ein-Vorhaben: year of the dragon! Natürlich werden wie auf allen Tierkreis 12“s Gitarren gegniedelt ohne Ende, sodass jeder Solo-Afficionado daran sein Freude haben wird, ABER der Anfang des Songs mit einem Einsatz zum Niederknien und Damians endlich mal wieder von Verzweiflung und Schmerz geprägten Gebrüll hat alles das, was ich mir gewünscht habe. Das ist so gut, dass ich nachmittags bei 26 Grad im Schatten auf dem Bahnsteig von Schwarzenbek eine dermaßen heftige Gänsehaut bekam, dass es mich körperlich schüttelte! IN SCHWARZENBEK!!! Also ganz große Sache, das. Und dazu gibt’s noch zwei alte kanadische PunkSongs UND eine weiße Flexi 7“ mit einer gekürzt abgemischten Version des Titelsongs – so was von uneingeschränkt empfohlen … Philip

MODERN LIFE IS WAR fever hunting LP Es gab mal eine Zeit, als die erste MLIW my love, my war LP gerade rausgekommen war, da hat jeder, aber wirklich JEDER, von mir diese Platte geschenkt bekommen. Geburtstage, Kreismeisterschaften und Paar des Abends auf dem Feuerwehrball in Büchsenschinken, jeder Anlass war mir recht, denn diese Platte war so gut, die musste mit Freunden und solchen, die es werden sollten, geteilt werden. Und während die nachfolgenden Alben witness und midnight in america gut waren, konnten sie bei mir nicht annähernd den Enthusiasmus hervorrufen, wie my love, my war. Vorspulen ins Jahr 2013, denn entgegen der 2008 veröffentlichten the end is here box gibt es MLIW noch – UND WIE! Fever hinting ist nicht nur in original Besetzung eingespielt, sondern auch qualitativ mit my love, my war auf einer Stufe. Lieblingssong media cunt. Philip AUTISTIC YOUTH nonage LP Es gab mal eine Zeit, da hatte ich die landmine beach LP von AUTISTIC YOUTH in meinem Plattenschrank und hab' sie nie, aber wirklich NIE gehört. Das passiert mir nicht wieder, denn als die zweite Scheibe idle minds rauskam, verließ sie kaum das Abspielgerät (Lieblingssong can't turn back) und nonage war dann von Anfang an, also VOR Veröffentlichungster-

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min, ganz oben auf meiner Liste. Kennt ihr das, wenn ihr auf eine Platte wartet und die Vorfreude sich langsam mit Unsicherheit und Befürchtungen füllt? Was ist, wenn die Scheibe nicht so gut wird wie erhofft? Was, wenn die Band „Weiterentwicklung“ mit Pop-Produktion und Schlagermelodien verwechselt? Kann die Platte überhaupt so gut sein, wie man erwartet? Nonage ist tatsächlich eine echte Weiterentwicklung, ein Entwicklungsschritt. Die Produktion ist größer, es werden Instrumente wie Glockenspiel verwendet und an einer Stelle (out of my head) werden die RAMONES zitiert (I just want to have something to do) … aber es funktioniert! Die größere, mächtigere Produktion tut den Songs gut und die teilweise verspielten Instrumente geben den Songs Individualität und Unverwechselbarkeit, sind nicht bloß Spielerei. Nonage ist eine sehr gute Platte, die von vorne bis hinten gut durchläuft – Lieblingssong stones (Dieser Basslauf!). Philip

und den vielen anderen Bands auch nach meiner Rückkehr noch schwer beeindruckt. Und das bei einem Typen, der in den meisten Fällen nicht mehr weiß, wo er gestern war. Die Band strotzt nur so vor Energie. Verspielte Gitarren, unangestrengter ScreamoGesang, großartige Texte, massenhaft Tempowechsel. Die Scheibe macht echt Laune. Eine schöne, ehrliche drei Leute Band ohne Schnickschnack aus Fargo, North Dakota. Und wenn ich den Facebook-Fotos trauen kann, wird da auch gerne Bier getrunken. Wer wissen möchte was ich da genau meine, sollte sich direkt „Vacation Bible School“ anhören. Mein persönlicher Hit auf der Platte. Timo ARLISS NANCY american wild runners LP Es gibt ja einige Wege derer man sich bedienen kann, wenn man auf der Suche nach etwas neuer Musik ist. Spotify und „andere-Leute-mochten-auch-Listen“ sind sicherlich ein gern gegangener Weg. Wer es oldschool mag, kann aber auch gerne mal den Gunner Records Bandkatalog durchhören. Wer dann wiederrum GASLIGHT ANTHEM mag oder mochte und sich nun ärgert, dass die zu lahm, zu glatt und zu langweilig sind wird sicherlich an ARLISS NANCY nicht wirklich vorbei kommen. Wer GASLIGHT ANTHEM immer noch mag, aber trotzdem keine Lust hat in überfüllten Hallen neben irgendwelchen bierseeligen Vorstadtidioten oder älteren Damen mit Operngläsern zu stehen, sollte auch diese Platte mal anhören.

TINY MOVING PARTS this couch is long & full with friendship LP Okay, ich geb zu, ich hab’s nicht so mit Recherche. Und auch nicht mit Timing, denn diese Platte gibt es schon seit über einem Jahr und auch wieder nicht. Denn egal wo ich gesucht habe, ich habe nichts wirklich Physisches gefunden. Und auch kein Label. Das hat sich wohl nach dieser Platte geändert, denn jetzt sind sie bei Royal Crown Records. Die 4,99 USD für die Platte auf Bandcamp waren dennoch eine der gelungensten Investitionen seit Langem. Ich habe die Band betrunken in einem Club in Florida gesehen und war trotz dem ganzen Bier

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Ich - mit meinem miesen Bartwuchs und meiner Fernsehjugend mit „Hör mal wer da hämmert“ - habe mich anfangs etwas schwer damit getan, dass plötzlich jede zweite Band aussieht wie volltätowierte Heimwerkershowmoderatoren. Dazu kommt, dass ich Flanellhemden auch nicht wirklich den heißen Scheiß verbunden habe. Aber die Mischung aus Bärten, Hemden, Reibeisenstimmen, Kneipenatmo und so weiter funktioniert. Auch bei mir. Wer auf American Wild Runners eine musikalische Überraschung erwartet wird enttäuscht. Aber eine grundehrliche und handwerklich solide Platte muss ja nicht immer die Welt neu erfinden. Es ist ein sehr melodisches und vollkommen stimmiges Folkpunk Album mit viel Gefühl, viel Klischee, viel Mid-Temp-Songs und einigen echten Raketen. Die Platte lädt zum Trinken, feiern, mitsingen ein und funktioniert erstaunlich gut bei jeder Form des Aus-dem-Fenster-guckens. Timo

die recht unreflektiert „die gute alte Zeit“ besingen (We were good Christian kids Went to church on Sunday mornings like mama did)? Wieso diese Überladung von Instrumenten (Orgel !!!)? Das Album hat keine Linie, keine eingängigen Songs, keine Massege – außer vielleicht „früher war alles besser“. Wer es denn nach ner Menge komischer Country/Folk/Punk/Rocksachen zum vorletzten Song „Bricks“ geschafft hat, braucht auch für das Finale in Form des langweiligen „ich-wäre-so-gerne-Springsteen“ Rockquatsches „Benediction“ eigentlich nicht wieder aufwachen. DAVE HAUSE würde mit seinem neuen Album wunderbar in den ZDF Fernsehgarten passen. Mitklatschen kann der Deutsche da ja und die Massege stimmt auch. Timo OFF WITH THEIR HEADS home LP Wer OWTH kennt, weiß was ihn erwartet. So auch im neuen Album Home. Mit „Start Walking“ gibt es einen ersten Song, der einem unmissverständlich klarmacht, was einen erwartet: Rauer, schneller, melodiöser Punkrock mit eingängigen Gitarren und ohne überflüssigen Schnickschnack. Nach mehreren Labels, massenhaft Splits, 7 EPs sind OWTH mit ihrem dritten Album jetzt auf Epitaph angekommen und spielen damit zu ganz weit vorne mit. Das von Bill Stevenson (DECENDENTS, ALL, ONLY CRIME) produzierte Album hat für mich den perfekten Sound. Es ist super produziert, klingt aber nicht glatt und steril. Obwohl das Album im Gegensatz zu den Vorgängern etwas an Tempo

DAVE HAUSE devour LP Okay, den Punkt/Stern gibt’s hier ausschließlich für die markante Stimme von DAVE HAUSE. Mehr habe ich leider nicht gefunden zum gut finden. Und das ist nicht so, dass ich das nicht gewollt hätte. Die LOVED ONES habe ich geliebt. Als es soweit war und jeder Punksänger sich ne Klampfe umgeschnallt hat und dann plötzlich Singer/ Songwriter war, hat DAVE HAUSE auch mitgemacht und das wirklich gut. Aber dann passierte dieses Album und ich frage mich: Wieso mit Band, du hast doch schon ne gute? Wieso diese kruden Texte,

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einbüßt, ist es nicht zuletzt durch diesen Sound energiegeladener denn je. Sänger und Gitarrist Ryan Young bleibt dem eigentlich typischen Sound einer No Idea Band auch auf Epitaph treu. Es gibt auf Home nicht nur ordentlich was zum mitgrölen, sondern auch ruhige Töne, wie z.B. im Song „Always Alone“. Das klingt dank der zigarettengeformten Stimme von Ryan Young ziemlich nach Hafenarbeitern am Lagerfeuer, aber das muss nicht schlecht sein. Und um die ganze Sache rund zu machen, solltet ihr unbedingt einen Blick ins Booklet werfen, denn die Jungs haben was zu sagen. Die Texte sind durchweg persönlich und intelligent. Wer RED CITY RADIO, HOT WATER MUSIC, usw. mag und die Band noch nicht kennt, sollte unbedingt mal reinhören. Timo

CREATIVE ADULT bulls in the yard CD Du kennst diesen Augenblicke, wenn ein Freund dich anruft und dich bittet unbedingt heute Abend mit auf ein Konzert zu kommen. Du kennst die Band nicht, aber denkst dir, wie schlimm kann’s schon werden? Sobald die Band mit dem ersten Song startet, bereuest du es ans Telefon gegangen zu sein, warum bist du nicht auf dem Sofa geblieben und hast House Of Cards weitergesehen? Wie sollst du das hier überstehen? Diese Band könnte CREATIVE ADULT sein. Stefan AMERICAN SHARKS dto CD Es ist 2014, ich bin vor ein paar Tagen 33 Jahre alt geworden und fühle mich immer nicht alt genug, um mir freiwillig eine Stoner oder Garagepunkplatte, geschweige denn eine unerträgliche Mischung aus beiden anzuhören. Furchtbar. Stefan

HELL & BACK heartattack CD/LP Großartige Platte, die mal erfrischend anders und zeitgleich so altbackend bekannt klingt. Beeinflusst von einer Schar 90er Helden, steht „Heartattack“ einigen Klassikerplatten in Puncto Qualität in nichts nach. Die melancholischen Nummern hätten auch auf Platten von LIFETIME, GAMEFACE , RHYTHM COLLISION oder frühen FAT Releases sein können und wirken so vertraut, als wäre die Platte schon früher neben Hello Bastards, Trashed und Leche Con Carne im Beifahrerfussraum von meinem Ford Escord dabei gewesen. Rundum gelungen, hoffentlich bald mal live im Norden. Stefan

BEACH SLANG who would ever want anything so broken? 7” 4x melacholischer Indie-Punk, irgendwo zwischen JAWBREAKER und den CHEAP GIRLS. Hoffentlich gibt’s bald Nachschub. Stefan

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Halstattoos sind das neue Arschgeweih ..oder: „Willkommen im Zeitalter der Beliebigkeit“.

sagte schon: „Schuster, bleib bei deinen Leisten“. Es gab eine Zeit, da separierten Tattoos die Männer von den Jungs. Die bunten Bilder erzählten wilde Geschichten von bösen Buben, Ganoven, Seemännern und Teufelskerlen. Von denen, die sich damit zierten, wusste man: mit dem Kollegen ist nicht gut Kirschen essen. [Ganz genau!!!] Leider nahm diese Ära spätestens zu dem Zeitpunkt ein jähes Ende, als Gisela S. aus Castrop-Rauxel sich einen Delphin auf den adipösen Knöchel stechen ließ, nachdem Thomas Gottschalk den Mythos des wieder verschwindenden Bio-Tattoos erfand. An diese Legende scheinen die ganzen, gerade dem Teenageralter entwachsenen, jungen Menschen immer noch zu glauben. Anders kann ich mir es nicht erklären, dass sie sich pünktlich zum Erhalt ihres Abizeugnisses zuerst Hände, Brust und Gurgel mit kunterbunten Bildchen zutackern lassen. Menschenskinder, das bleibt für immer, das trägt man für´s Leben. Denkt doch mal nach, seid nicht so beliebig. Seid ihr sicher, dass euch das nicht zu übersehende Glücksbärchen nächstes Jahr noch gefällt? Zu gerne würde ich Mäuschen spielen, wenn sie ihr erstes Bewerbungsgespräch bei einem erzkonservativen Human-Resources-Fuzzi haben, der den offensiv zur Schau getragenen Körperschmuck alles andere als fancy findet. Und zu gerne wäre ich in naher Zukunft die Besitzerin einer Praxis, die sich auf die Entfernung ebendieses spezialisiert hat. Endlich reich wie ein Scheich!

E

ins vorweg: Das soll keine weitere Strophe im Kanon des grassierenden Hipsterbashings werden. Die sind schon mit dem morgendlichen Blick in den Spiegel gestraft genug. Außerdem mag ich Tätowierungen wirklich sehr gerne. Und auch gegen Jutebeutel habe ich nichts einzuwenden, sind es doch praktische, umweltfreundliche Taschen, in denen man seinen Einkauf unbeschadet nach Hause transportieren kann. Was mir allerdings den Kragen platzen lässt, was mich Gift und Galle spucken lässt, ist die Kombination von beidem, am besten noch gepaart mit einer albernen Frisur und noch groteskeren Klamotten, deren Style in den 80ern schon verheerend war. Die hippen Baumwolltäschchen und bunten Kehlköpfe sind für mich mittlerweile zum Synonym für diese sich wie die Scheißhausfliegen vermehrenden Modeopfer geworden, die man plötzlich auf Konzerten von BlackMetal-Bands oder Punkrockshows wiederfindet, wobei vor einem Jahr Electropunk das Härteste war, was sie auf dem iPod hatten. Sie werden von denjenigen getragen, die BLACK FLAG für ein neues Fashionlabel halten und Punk als von findigen Trendscouts entdeckte Marke okkupieren und sich damit schmücken als wäre es die neueste Kreation eines wahnsinnig angesagten Untergrunddesigners. Warum? Es stand ja in der Vice. Gott bewahre, ich möchte hier jetzt nicht mit dem großen Szenepolizistenbesen kehren, und auch sonst gönne ich jedem Tierchen sein Plaisierchen. Aber meine Oma, die eine sehr kluge Frau war,

Zum Schluss noch mein guter Rat und sehnsüchtiger Wunsch: Hipster dieser Welt, haut doch einfach wieder ab. Dahin, wo ihr hergekommen seid. Bleibt in der Schanze oder im Prenzlauer Berg, bleibt da, wo ihr keinen Schaden mehr

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anrichten könnt, weil diese Viertel leider schon vor Jahren ihre Seele verkauft und verraten haben. Flaniert mit euren überteuerten Jutesäckchen und eurem Cupcake auf der Kehle über den Galaostrich oder feiert mit umgedrehten Kreuzen auf H&M-T-Shirts schwarze Messen an der Kastanienallee . Wenigstens so lange, bis ihr dem nächsten Trend hinterherhechelt. Danke schön. / Joni

ARSCH, DU SPIEßER. Vielleicht fing alles damit an, als eine Bausparkasse mit dem Slogan „wenn ich groß bin will ich auch Spießer werden“ einen wahnsinnigen Erfolg hatte. Vielleicht liegt es auch an dem medialen Überangebot, der Tatsache, dass man zum Rebellieren heute nicht mehr einfach die Haare färben muss, sondern eigentlich schon ein paar Mitschüler hinschlachten. Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es auch die Tatsache, dass das Gedisse (sagt man das noch?) nach der Schule nicht aufhört, weil wegen Internet und man sich dann gleich besonders gut benehmen will. Auch das weiß ich nicht. Ich bin kein Wissenschaftler. Ganz im Gegenteil. Ich halte mich eigentlich für einen beachtlichen Spießer. Allerdings einen mit schlechtem Gewissen, weil ich statt Wasted Youth einen Mercedes habe. Dennoch komm ich nicht klar. Und zwar egal wo.

Deutschland, nimm den Stock aus dem Arsch

Z

ugegeben, es ist einfach, sich über „die jungen Leute“ das Maul zu zerreißen – oder in meinem Fall zu zerschreiben. Und ja, die Geschichte ist offenbar so alt wie die Menschheit, oder zumindest so alt wie die Evolution uns länger als eine Generation leben lässt. Und vermutlich haben meine Eltern vor ca. 35 Jahren an ihrem Küchentisch mit Blümchenwachsdecke gesessen und ganz genau so über die Kids rumgemeckert wie ich es gleich tun werde.

Damit ihr mein wildes Gestammel besser nachvollziehen könnt, zieh ich hier direkt mal blank. Ich, Mitte 30, (fast) lückenloser Lebenslauf, ausgebildet als Versicherungskaufmann, IT-Job, Eigentumswohnung, feste Beziehung, wohne in Hamburg, Atheist, Zahnzusatzversicherung, Haustier: Katze. Meine Rebellion besteht nur noch darin mich ab und an mit Punkrock zu beschäftigen und mich auf Konzerten, Partys, Festivals zulaufen zu lassen, auf Demonstration gegen Gentrifizierung, Abschiebungen, Mietwahnsinn, etc. zu gehen, den Kollegen einen Streich zu spielen, im Kapuzenpulli bei Besprechungen mit Schlipsträgern aufzutauchen und regelmäßig bei rot über die Ampel zu gehen. Meine Hippieseite steht dennoch für Omas im Bus auf und auf der Toleranzskala bin ich ungefähr da, wo man sein muss, um einem „Menschen,“ der im Schweinske essen geht, nicht gleich die

Der Unterschied, der mein Gezeter von dem meiner Vorfahren unterscheidet, ist allerdings ein wichtiger: Ich bilde mir ein zu wissen, dass die meisten Generationen vor mir die Jugend mit Ausdrücken wie „Banausen“, „Langhaariger Bombenleger“ oder dem guten alten „so was wie dich hätten wir früher ins Lager gesteckt“ bedacht haben. Das geht ziemlich genau in die entgegengesetzte Richtung meiner ureigenen Beobachtungen. Ich möchte großen Teilen meiner Generation und auch den jüngeren Vertretern der menschlichen Spezies einfach nur ins Gesicht schreien NIMM DEN STOCK AUS DEM

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Nase zu brechen, einem der AfD wählt, aber sofort. Mein Konsumverhalten ist nicht schön, aber auch nicht zum Kotzen und ich kümmere mich gerne – und meistens viel zu wenig – um Mitmenschen, Tiere, Ernährung. Dieses Paket find ich ganz gut und bin so ziemlich mit mir im Reinen, auch wenn der eine oder andere das anders sehen mag. Wenn man bedenkt für welche Zielgruppe ich hier schreibe, bin ich der schlimmste Spießer unter der norddeutschen Sonne. Die Rolle kenn ich. Damit bin ich die letzten Jahre ganz gut ausgekommen. Und nun das: Es wird spießig um mich herum. Und zwar genau da, wo ich es nicht erwarten würde: bei jüngeren Leuten. Es gibt eine Reihe von Begebenheiten, deren Beschreibung hier den Rahmen sprengen würde, die in mir eine wirkliche Vorsicht gegenüber jungen Leuten ausgelöst hat. Das ist nicht die Vorsicht, die

es eigentlich sein sollte: Ich sitze angsterfüllt im Bus und gucke auf den Boden. Nein, es ist die Vorsicht was zu sagen, was falsch verstanden werden könnte. Es ist das Gefühl, dass man für einen Rülpser in der Öffentlichkeit isoliert wird. Das Gefühl, dass man raus ist, sobald auf einer Partyunterhaltung das Wort „ficken“ in einem Satz auftaucht. Und nicht zuletzt das Gefühl in einer geordneten Schlange zu stehen, um darauf zu warten, in die Konzerthalle gelassen zu werden. Ich sehe 20- jährige Mädchen mit Barbour-Jacken und Perlenohrringen. Mein Kollege erzählt mir fassungslos, dass die Gäste auf dem 16. Geburtstag seiner Tochter nach Gemüsesticks mit Joghurtdipp verlangten und stattdessen Bier, Cola und Chips verschmähten. Eine Gruppe frisierter Jugendlicher in vollem Hormonalter entschuldigt sich, weil sie sich versehentlich an der unübersichtlichen Kasse des Burgerladens (wenigstens das) vorgedrängelt haben. Ein


Endzwanziger schimpft einen aus, weil man in schmelzenden Schnee pinkelt. Wegen Geruch und so. Meine 25-jährige Kollegin wollte mit mir ernsthaft ein Gespräch über Musicals führen. Alle heiraten. Das ist nicht das Problem, sondern die Art und Weise WIE geheiratet wird. Ein achtjähriger sagt mir, ich soll aufhören immer „geil“ zu sagen, das nervt. Lebensziel: Lückenloser Lebenslauf, vier Fremdsprachen und Junior Consultant bei Ernst & Young.

eine Bankausbildung zu machen. Allerdings habe ich das Gefühl, die Toleranz, die Akzeptanz von anderen und die Hilfsbereitschaft für Schwächere (Neusprech: Faule) sinkt in gleichem Maße in dem die Lernkurve steigt. Ich möchte bitte lieber eine laute, unbequeme, politische Jugend, die sich betrinkt, aus fahrenden Autos springt und Leute beleidigt als meine Ruhe. Ich möchte nicht bei Facebook lesen müssen, wie schön es (mit 16) ist, die Freundin zu bekochen, mit der man schon drei Jahre zusammen ist. Ich will Kotzbilder sehen. Ich will lesen, was du auf LSD geschrieben hast. Ich will mich nicht (nur) freuen, dass du wieder eine Bestnote mit nach Hause gebracht hast und durch dein asketisches Leben den Marathon schneller laufen konntest als letztes Jahr. Das alles könnt ihr machen: Später. Wohin soll das führen? Die CDU hat beim letzten Mal 41 % gekriegt und es ist so niemals ein Ende in Sicht. Wasted Youth ist uncool. Es leben die High Potentials. Wer soll eigentlich später mal an der Kasse sitzen…? / Timo

Und auch die Optik ist kein Indiz mehr, um entspannte Leute von unentspannten zu trennen. Früher war das easy: Vans-Schuhe, Band-Shirt, Kette an der Hose – alles klar. Inzwischen blicke ich echt nicht mehr durch. Neulich habe ich mich mit einem Typen unterhalten, der ernsthaft cool aussah, aber meinte die Hartz IV-Jungs würden noch viel zu viel bekommen. Und andere Dinge in diese Richtung. Und selbst da, wo die Kids noch ordentlich besoffen sind: auf Festivals da interessiert sich gefühlt keine Sau für Musik. Wenn dir der Typ beim Pissen erzählt, dass er auch nach drei Tagen noch nicht auf dem Gelände war, dafür aber schon 12 mal gekotzt hat, ist das schon nicht normkonform. Aber erstens: auf Festivals geht es um Musik und zweitens: Such dir doch nicht für deinen Grenzbruch ein derartig darauf ausgelegtes Umfeld (Festival, Karneval) aus, sondern merke, dass es immer gehen könnte. Also zumindest an einem normalen Wochenende. Das wäre ja eigentlich alles nix Negatives. Alle bleiben gesund, vital, selbstoptimiert, perfekt, still, unauffällig. Die Rebellion fällt aus oder äußert sich höchstens darin, von der Hippiemutter wegzulaufen und

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Impressum Danke & High Fives Gunnar/Gunner Records, David/Fairtrademerch fürs Anzeigenschalten in einer ersten Ausgabe, Camille, Ondřej & Kevin für die Fotos, Converge für die Namensgebung und dir fürs Kaufen.

Wer? Joni, Duby, Philip, Timo und Stefan Wo? Stefan Jonas Behringstraße 32 22763 Hamburg mail@downpourfanzine.de

Photocredits: Autistic Youth - live in Paris Camille/Kampictures.blogspot.com Listener - live in Prag Ondřej/ facebook.com/ovyska The Generators - live in Hamburg Kevin / KW-konzertfotografie.de

Mixtapes & Shop: www.downpourfanzine.de Videos & Likes: www.facebook.com/downpourpunks

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