Das Neue Palais Das Neue Palais im Park von Sanssouci wurde 1763–1769 unter der Leitung der Architekten Johann Gottfried Büring und Carl von Gontard errichtet. Nach dem für Preußen glücklichen Ende des Siebenjährigen Krieges galt der monumentale Bau dem König als „Fanfaronnade“, als prahlerischer Fanfarenstoß, mit dem die ungebrochene Kraft seines Landes demonstriert werden sollte. Das am 2. Mai 1765 von Friedrich bei seiner Manufaktur bestellte „1. Potsdamsche Service“ zählte zur Erstausstattung des Neuen Palais. Ebenso wie zahlreiche Teile der Innenarchitektur dieses Schlosses erinnert es mit seinen Rocaillen und Treillagen (Spalierwerk) an Dekorformen der ersten Blütezeit des friderizianischen Rokoko, beispielsweise an das 1746/47 entstandene Deckenornament der Bibliothek im Schloss Sanssouci.
Plafond der Bibliothek in Schloss Sanssouci J. M. Merck und G. F. Ebenhech, 1746/47
Die frühen Service im Formmodell „Reliefzierat“ Die Vitrine enthält Teile aus vier Servicen im Formmodell „Reliefzierat“, dem ersten der KPM Berlin, das ab 1764 von Friedrich Elias Meyer entwickelt wurde. Der plastische Dekor „Reliefzierat“ zeigt Rocailleschwünge und blattumwundenes Spalier auf den Tellerrändern. Die farbige Blumen-Malerei ist locker getupft. Der Hauptfarbton des „1. Potsdamschen Service“ ist gold-orange, bestimmend sind die mit Goldmosaik gefüllten Zwickel, der Porzellanscherben ist sahnefarben. Zu einem großen königlichen Tafelservice gehörten stets auch figürliche Elemente. Vom „1. Potsdamschen“, dem frühesten der von Friedrich II. bei seiner Manufaktur in Auftrag gegebenen Service, sind zwei kunstvolle Seitenpostamente und mehrere Figuren erhalten.
Das Stadtschloss in Potsdam Friedrich II. bestimmte das 1662–1669 errichtete, später erweiterte und vielfach veränderte Potsdamer Stadtschloss zu seiner Winterresidenz und ließ es 1744–1751 durchgreifend umbauen. „Wenn große Tafel bey Hofe ist“, diente der durch Johann August Nahl d. Ä. 1743/44 umgestaltete und 1754 mit feuervergoldeten Bronzen von Johann Melchior Kambly als Wanddekoration versehene – und deshalb so genannte – Bronzesaal als Speisesaal. Die von den Zeitgenossen viel gerühmte Wirkung des Raumes mit seiner weiß lackierten Boiserie und dem goldglänzenden Bronzedekor mag der Anlass gewesen sein, das am 18. Januar 1770 vom König für das Potsdamer Stadtschloss bestellte Service von 20 Gedecken im Formmodell „Antikzierat“ mit gelben Reservenfeldern auszuführen, womit es dem edlen und lichten Farbklang des Bronzesaales in besonderer Weise entsprach.
Bronzesaal im Potsdamer Stadtschloss J. A. Nahl d. Ä., 1743/44 und J. M. Kambly, 1754
Das zweite große Formmodell „Antikzierat“ Das Modell „Antikzierat“ ist die zweite Form-Schöpfung der KPM Berlin. Es erscheint strenger als das Formmodell „Reliefzierat“: gerade Reliefgrate streben zur Mitte, die Kartuschen sind schmaler und klarer gerahmt. Neu ist ein umlaufender Stab an den Gefäßrändern, der von einem farbigen Band umwunden wird. Die Griffe auf den Terrinen und Wärmehauben werden von Figuren gebildet. Das Tafelservice für das Breslauer Stadtschloss ist das erste im neuen Modell. Es ist blau gehalten. Ihm folgen die purpurfarbene und zuletzt die gelbe Ausführung für das Stadtschloss in Potsdam. Alle drei Varianten zeigen jeweils einen reichen Golddekor und üppige Blumenmalerei in kräftigen Farben – diese Blumenmalerei bleibt fortan charakteristisch für die Königliche Porzellan-Manufaktur. Der Porzellanscherben ist nun strahlend weiß.
Das Japanische Haus Das Japanische Haus im Park von Sanssouci wurde 1754/55 nach Plänen von Johann Gottfried Büring errichtet, die wohl auf eine Skizze des Königs zurückgehen. 1763 erbaute man eine Teeküche und erst ab 1764 erfolgte die Nutzung des Gebäudes. Seine an eine Pagode erinnernde Architektur sowie die bildhauerische und malerische Ausstattung sind herausragende Zeugnisse der Chinamode des Rokoko. Im 18. Jahrhundert wurde in Europa zwischen den exotischen Kulturen des Fernen Ostens kaum unterschieden, so dass die Bezeichnung für den Pavillon im Park von Sanssouci zwischen „Japanischem“ und „Chinesischem“ Haus schwankte. Friedrich II. gab für das Japanische Haus am 14. Juli 1769 ein Tafelservice von 24 Gedecken im Formmodell „Neuglatt“ in Auftrag, das seinem Bestimmungsort gemäß mit chinoisen Motiven versehen wurde. Die Darstellung von exotischen Menschen prägt auch die Bauplastik und Ausmalung des Japanischen Hauses. Das „Japanische Service“ fand später auch im Schloss Sanssouci Verwendung. Geigenspielerin am Japanischen Haus J. G. Heymüller, 1755
Der Dekor und sein Bezug zum Bestimmungsort Die gemalten Motive wie auch die figürlichen Teile des „Japanischen Service“ nehmen direkten Bezug auf jenen fernöstlich anmutenden Gartenpavillon im Park von Sanssouci, für den es bestellt wurde. Auf Tellern, Terrinen, Schüsseln und Salznäpfen erscheinen jeweils wechselnde, farbig gemalte Chinesenszenen nach Vorlagen von Kupferstichen in François Bouchers „Suitte de Figures Chinoise“. Ebenso sind beim „Service mit Blumenkörben“ für Schloss Charlottenburg absichtsvolle Bezugnahmen auf den Baudekor erkennbar: die umgestoßenen Blumenkörbe der Porzellanmalerei sind ganz ähnlich in der dortigen „Goldenen Galerie“ zu finden.
Schloss Sanssouci Die 1745–1747 durch Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff errichtete Sommerresidenz Friedrichs II. gilt als das Hauptwerk des friderizianischen Rokoko. Das oberhalb künstlicher Weinbergterrassen gelegene Schloss Sanssouci wurde zum Lieblingsaufenthalt des Königs. Sein auffallend kleines Audienz- und Speisezimmer erlaubte nur intime Tafeln für wenige Personen. Wohl aus diesem Grund bestellte Friedrich am 18. Dezember 1768 für die Nutzung in Sanssouci ein kleines Tafelservice von lediglich sechs Gedecken im Formmodell „Ozier“, das 1770 auf zwölf Couverts ergänzt wurde. Dieses „Service mit purpur fliegenden Kindern“ zieren Puttengruppen nach Vorlagen von François Boucher. Sie finden in den Puttenpaaren mit literarisch-philosophischen Texten von Horaz und Guillaume Amfrye de Chaulieu an den Supraporten des Speisezimmers eine unmittelbare Entsprechung.
Supraporte im Speisezimmer von Schloss Sanssouci F. Chr. Glume, 1747
Französische Einflüsse und moderne Tendenzen Das Service „Paille Ozier“ ist bezeichnet nach dem im Relief ausgeformten korbähnlichen Rand und dem fahlen strohgelben Farbton. Nur der Fruchtkorb und Teile des Tee- und Kaffeeservices wurden hier bewahrt. Für die monochrome szenische Malerei mit „fliegenden Kindern“ nach französischen Vorlagen wurde ein dunkles Purpurviolett gewählt, das in auffällig starkem Kontrast zu dem zarten Pastellgelb und dem weißen Porzellangrund steht und einen edlen, neuartigen Farbklang bildet. Das „Service mit Purpurblumen und Goldmosaikkante“ hat eine sehr festliche Ausstrahlung. Seine Gestaltung ist streng, auf jegliches Reliefmuster wurde verzichtet. Auch wirkt der Farbklang Weiß, Purpur und Gold nicht mehr rokokohaft. Wie die Modellbezeichnung „Englisch glatt“ nahe legt, war man einem englischen Vorbild gefolgt, und zwar dem elegant strengen Stil der Steingut-Produktion von Josiah Wedgwood, der gerade in Mode gekommen war.
Schloss Charlottenburg, Neuer Flügel Bald nach seinem Regierungsantritt ließ Friedrich II. durch Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff am Charlottenburger Schloss einen neuen Flügel errichten. Der dortige Speisesaal, der Weiße Saal, wurde 1742 vollendet. Sein 1943 zerstörtes Deckengemälde von Antoine Pesne zeigte das Hochzeitsmahl von Peleus und Thetis. Das Motiv bot Gelegenheit zur Darstellung einer heiter bewegten Versammlung der antiken Götterwelt und paraphrasierte damit die Funktion des königlichen Speisesaales. Am 9. Januar 1783 bestellte der König für diesen Ort das „Service mit mythologischen Historien“ im Formmodell „Neuzierat“. Es zeigt Szenen aus den „Metamorphosen“ des Ovid, die im Weißen Saal gleichsam als vertiefende Ergänzungen des Deckenbildes erscheinen und der höfischen Gesellschaft Anlass zu geistreicher Konversation geben konnten.
Ehem. Deckengemälde im Weißen Saal von Schloss Charlottenburg A. Pesne, 1742
Friedrichs Anspruch an das Bildprogramm Die Malereien des „Service mit mythologischen Historien“ zeigen Szenen nach der 1767–1771 in Paris erschienenen illustrierten Ovid-Ausgabe, die nur für den belesenen Kenner verständlich sind. Friedrich II. wünschte das antike Thema ausdrücklich für dieses Service und er selbst benannte die darzustellenden Szenen. Die Porzellanmaler übertrugen die Vorlagen aber oft missverständlich, so wurden häufig Figuren fortgelassen, die für das Verständnis der Darstellung wichtig sind. Erst nach Kritik des Königs wurde dies korrigiert. Nur wenige mythologische Szenen sind leicht zu identifizieren, so auf den beiden großen Schüsseln links Merkur in den Lüften, wie er die Verschmelzung seines Sohnes Hermaphroditus mit der in Liebe entbrannten Quellnymphe Salmacis zum Zwitterwesen beobachtet, oder rechts die Geburt des Adonis aus einem Baum.
Das Neue Palais Seit dem Umbau des Berliner Schlosses um 1700 waren monumentale Trägerfiguren wichtige Elemente der Bauplastik vieler preußischer Schlösser. So wird die 1746 vollendete Gartenfassade von Schloss Sanssouci durch die tänzerisch bewegten Karyatiden und Atlanten Friedrich Christian Glumes geprägt und Johann Christian Hoppenhaupt d. J. schuf 1766–1768 für die Logenwand des Theaters im Neuen Palais Hermen von klassisch strenger Erscheinung. Künstlerisch verwandte Trägerfiguren fanden auch für Tafelaufsätze aus Porzellan Verwendung. Ein herausragendes Beispiel ist der Fruchtkorb mit vier Hermen vom „Service mit Rosenbukett und blau-goldener Kante“, dessen Modell ursprünglich für Friedrichs Lieblingsservice „Bleu Mourant“ entwickelt worden war, das der König im Juli 1784 für die Nutzung in Schloss Sanssouci und im Neuen Palais bestellt hatte.
Theater im Neuen Palais J. Chr. Hoppenhaupt d. J., 1766–1768
Zwei späte Service-Bestellungen Friedrichs Das Tafelservice „Bleu Mourant“ im Formmodell „Neuzierat“ trägt am Rand ein lichtes Blau. Diesen spezifischen Farbton im Porzellanbrand herstellen zu können, war das Ergebnis einer langen Reihe von Farbexperimenten, die der Chemiker Franz Karl Achard ausführte. Das „sterbende“ Blau begeisterte den König derart, dass er es auch zur farblichen Gestaltung der Innenarchitektur verschiedener Privaträume in seinen Schlössern übernahm. Das „Service mit Rosenbukett und gold-blauer Kante“ gehört zu den letzten Service-Bestellungen Friedrichs II. kurz vor seinem Tod 1786. Die den Fruchtkorb stützenden Hermen setzen – auch durch den feinsinnigen Wechsel von glänzendem und mattem Gold – das Architekturmotiv der Trägerfiguren kunstvoll in das neue Material Porzellan um.