INDUSTRIE, HANDEL .
l!ND GEWERBE
SELB, DIE STADT DE'S PORZELLANS
Bis zum Jahre 1856 bestimmten Lanqwil'tschaft und Haus-: weberei die wjrts~haftliche Lage der Einwohner der Stadt Selb; erst mit der Gründung der ersten Porzellanf~bri~ durch Loren7, Hutschenreuther zog auch die Industrie in Selb. ein: aus der Sta<H der Ackerbürger und Weber wurde eine Stad't des Porzellans. .Im Jahre 1840, wo Selb 3400 Einwohner mit 311 Häusern zählte, waren in Selb nicht weniger als 115 Hausweber tätig; die kleinen und dürftigen Weberhäu3er, von denen wir noch einige' am Verbindungswege zwischen - der Vielitzer und der Weißenbacher Straße, auch in der Lorenz-Hutschenreutherund in der Jahnstraße sehen, zeugen' noch heute davon. Die Not der Selber Weber erinnert uns an diejenige, die Gerhart Hauptmann in seinem' Schauspiel "Die W,eber" schildlirt, das die Lage d,er schlesischen Weber um 1845 behandelt. Diese waren nicht nur völlig von den Fabrikanten abhängig, die die Bewertung und Löhnung der Arbeit des einzelnen allein in der Hand hatten, soridern auch f<>rtgesetzt von der Konkurrenz des AuslalTdes bedroht. Alte Seiher erinnern sich noch, wie die damaligen Weber, bevor die Bahnstrecke Hof-Egel' gebaut worden war, ihre Erzeugnisse auf .dem. Schubkarren nach Hof brach.ten, UlJI-dort ihre Waren abzuliefern und neue "Zettel" (Werkstoffe) abzuholen. Erst nach der Errichtung der genannten Strecke \vurde eine Faktorei in Selb gegründet (im Hause Ludwigstrane 35), die die Waren der Weher. zum 'Transport nach Asch übernahm. Mit d,er Gründung der ersten Porzellanfabrik in Selb trat die Haus\veberei gegenüber der Arbeit i~1 der Porzellan fabrik zurück. Män darf aber n"icht an-_ rrehmen, daß sicb di,~ soziale 134
Lage der Arbeitnehmer .
dadurch
sofort wesentlich v.erbess.ert habe; denn wer, wie der Verfasser dieses Buches, Gel.egenheit hatte, (Ii~ "Porzelliner" von früh 6 .uhr bis mittags 12 Uhr und von 1 bis 6 Uhr abends, also mit nur einer .einstündigen Mittagspause (bei einem Heim- und Rückweg von 40 Minuten) 10 'bis 12 Stunden in den gesundheitsschäd,igenden Räumen der Fabrik bei der Arbeit zu sehen, kann ihr damaliges Los beurteilen. Erst mit der EinfÜhrung des Achtstundentages und der Schdffung. günstigerer Arbeitsbedingu'l1gen sowie mit der Durchführung. s.oziCiI-hygi.enisch.er Maßnalunen in späteren Jahrzehnten, wozu wir auch den Kampf gegen .die im Laufe der Zeit in Erscheinung tIlet.ende Porzelliner-Krankheit, di.e Staublunge (Silikose), zählen, trat ein gewisser Wandel 'ein. . Besser als den Webern erging es in Selb bis zum großen Brande und auch nach diesem den freien Berufen. Cloeter berichtet von dieser Zeit, dat die Hälfte der Familien wohlhabend war oder doch mindestens ihr Auskommen hatte. Zur Hebung der finanziellen Lage der Gesamt,einwohnerschaft trug die Gründung der ersten Porzellan-. fabrik natürlich ohne Zweif,el bei, was sich namentlich im Laufe der folgenden Jahrzehnt,e, wo eine .Porzellanfabrik nach der anderen entstand, zeigte. Lorenz Hutsc~enreuther, der zweite Sohn des Thüringers' Carolus Magnus Hutschenreuther, der schon im Jahre 1814 {He Porzellanfabrik Hohenberg erbaut hatte, hat mit der Gründung der Selber Fabrik im Jahre 1856 jedenfalls die Bedeutung Selbs als Stadt des Porzellans angebahnt. Zu der Errichtung einer Porzellanfabrik in Selb bestimmten ihn die wichtigen Rohmaterialien im nahegelegenen Böhmen, die großen Waldbestände in der Umgebung von Selb sowie die Tatsache, daß in Selb noch I{eine Industrie' ansässig war. Die Beschäftigungslosigkeit vieler Einwohner, der Stadt nach dem großen Brande yon Selb sich,erte dem Unternehmer bald die erforderliche Genehmigung. Man darf indes nicht glauben, daß di.e Errichtung der ersten Porzellanf'abrik
lelcht vonstatten ging; wir wissen, daß die ersten Brände in der I
neuerbauten
Fabrik, die z:mächst
ganz auf Holzfeuerung
ange135
-
wiesen war, da Steinkohlen bei. dem damaligen Mangel an V,er.:. kehrswegen nicht zu beschane~ waren, I. mißlangen, und daß Lorenz .
Hutschenreuther schon nahe daran war, sejn ganzes Vorhaben auf~ zugeben. Erst als es ih;lTIgelungen war, durch Verträge. mit dem
bayeris.chen Staat sich größ,ere Mengen trockenim Holzes zu sichern, . gingen die Brände von statten, so daß diese Fabrik der Ausgangspunkt für die- gewaltige Porzellanindustrie von Selb werden konnte. Die Firma .Lorenz Hutschenreuther in Selb hat sich' rasch entwickelt. Sie besitzt jetzt allein in i~ren Selber Fabriken 37 Brehn,
öfen und beschäftigte vor dem 2. Weltkriege über 2000 Arbeiter.
_
.
Im Jahre 1906 erwarb sie die Porz,ellanfabrik .der .Firma Jäger &W€rner in Selb, die sie ihrem Betrieb als Abteilung Bangliederte; iVl Jähre 1917 kaufte SIe die 1890 von Paul Müller errichtete
Por- ,
zellanfabrik im Kirchleingrunde.. Im Zuge der durc~ den 2.Welt- , krieg .bedingten Verlagerung verpachtete sie alsdann die- genannte MÜUersche' .Fabrik 'an 'di~ Staatliche Porzellan~Manufaktur I Berlin. Im Jahre 1927 hat die Lorenz Hutschenreuther AG. im \ Fusionswege die bereits seit über '100 J~hren bestehendePorzellatl~ fabrik Tirschenreuth (Oberpfalz) sowie die Spez~lfabrik für Hotel~ porzellan Gebr. Bauscher in Weid.en (Oberpfalz) erworben. Die -
Gesamtbc..Jegschaftder Porzellanfabrik Lorenz Hu'tschenreuther
betrug vor dem 2. Weltkriege etwa 350? Arbeiter und .Angestellte. Die Firma. Hutschenreuther genießt im In~ und Auslande besonders den Ruf solider Fu1'1dierungsowie denjenig,en gediegener. . Er~ugnisse. In Anerkennung der großen Bedeutung und der sozialen Auswirkung der ersten. Porzellanfabrik für. Selb haben bereits im Jahre 1885 der Magistrat und das Gemeindekollegium der Stadt Selb den Gründer mit der Ehrenbürgerurkunde ~.u~g,e zeichnet. Um das Jahr 1900 hat Lorenz Hutschenreuther- 'seiner Fabrik auch eine Kunstabteilung angegliedert, die Modelle und Entwürf,e erster Künstler zur Ausführung' bringt. Dem ersten Begründer-der POl'zell~nindustrie in Selb tiolgten im Jahre 1864 mehrere Selber Bürger, an. ihrer Spitze der R'ot186
,
gerbermeister Jakob Zeidler in Selb, mit dem Bau einer Porzellan-
fabrik in Selb-Plößberg. Die neuerbaute ~Fabrik, für- deren Er, r!chtung ähnliche Voraussetzungen galten wie für die Gründung
der, . Hutschenreuthersch~n Fabrik, arbeitete nach 'den gleichen' Fabrikationspl~rien wie diese.. Wesentlich zustatten kam ihr der Neubau der Bahnlinie Hof- Eger, w09urch sich die Transportverhältnisse für die dicht am Bahnhofe Selb-Plößberg liegende. neue Fabrik wesentlich günstiger gestalteten, als, sie bei d~r HlUtschenreutherfabrik im Selbbachtale waren. Bald darauf, sc~on im Jahre 1868.. ~rstand in Selb die Porzellanmalerei Joseph Rieber, die bis z~~ Jahre 1921 in Selb geführt wurde. Dem tatkräftigen Gründer sowie dessen unternehmendem u.nd weitblickendem Sohne Franz. Rieber gelang es, das rasch aufblühende Werk in zwei ansehnlicp.en, leistungsfähigen PorzeiJanfabriken in' Mitterteich und in" Thiersheim auszubauen. Die .Erzeugnisse dies,er Fabriken, die von Geschmack und Können
zeugen, finden im Inlande wie im Auslande starke Nachfrage. Auf, der Grundlage ,
einer im Jahr,e 1880 gegründeten
,
Por-
z!ellanm:aler~iin Erkersreut, die wie ~iieRiebersche in den Anfangszeiten ihr WeißporzellaJ;l aus den Fabriken Lorenz Hutschenreuther (
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und Zeidler & Co. be,zog, errichtete ~h i I i~ pRo sen t haI in SeI b eine eigene' Porzellanfabrik, die sich bald zu dem heutigen , gewaltigen Unternehmen e~twickelte. Der Firma gehören an: Me PorzellanfaB.J:'ik Philipp Rosenthai &Co, AG., Kronach, die Ph:RosenthaI im Jahre 1897 von ihrem Begründer Carl Maria Bauer erwarb, ferner die Porzellarifabrik F. 'Thomas sowie die unterdes käuflich erworbene Porzellanfabrik Jakob Zeidler & Co., Bahnhof SeIbPlößberg, so daß die Firma mit einem dazugehörigen schlesischen Werke vor dem Weltkriege insgesamt 56 Oefen mit 4000 Arbeitern hatte.. Die 'Fabrikation der Firma Rosenthäl AG. erstreckt sich auf all~ Formen von Gegenständen des täg!khen Gebrauches bis zum teuersten Luxus- und KunstpoJzellan. Die Firma besitzt in Selb eine große elektrotechnische Abteilung für Hoch- und Niederspannungsisola!J
137
toren,mehl'ere Kunstabteilungen sowie eine Abteilung für chemischtechnische und Laboratorillmsporzellane, Gebiete, auf d,enen die Firma durchwegs Weltruf genießt. .Es ist' ohne Zweifel das V,er. dienst des .Geh. Kommerzienrats Dr. ing. h. c. Philipp Rosenthai. durch den von ihm veranlaßten Zusammenschluß der bayerischen und der gesamten deutschen Porzellanindustrie diese zur Höhe der Weltproduktion emporgeführt zu haben.
-Das Jahr 1884 brachte die GrÜndung der Porzellanmal,erei Ch r i-s tp P h Krau t he i m inS e Ib ;' die M~lerei nahm dank dem hervorrageno.en Können un~ dem unermüdlichen Fleiße des Grün~ der:;bald einen sehr erfreulichen Aufschwung. Bereits im Jahre 1899 wurden -die beiden Inhaber Christoph Krautheim und Richard Adelberg dank der hervorragenden Qualität ihrer Porzellane zu kgl:. bayerischen Hoflieferanten ernannt., !Jnter den Söhnen Christoph Krautheims, die in der vornehmen Wahrung der Tradition ,der ehemaligen Ma~'ereiihre Aufgabe in der Qualitätsarbeit und nicht in der Quantitätsleistung erblicken 'und. von der geschmackvollen Dekoration zur Schöpfung künstlerischer Formen schritten" entwickelte sich die Porzellanfabrik mit 500 Arbeit,ern zu einem Unternehmen,.dessen Erzeugnisse im Inland wie im Aus~ lande den Ruf gedi~g'ener' Leistung auf d,em Gebiete 'der Por~ . zellanindustric g,enießen. -Durch eine Porzellanmalerei legte auch F'ra n z .Hein r i-eil
inS e I b im Jahre 1896de,n Grund zu der großen und ansehnlichen Porzellanfabrik Heinrich & Co., die sIch dank d,er be~ wundernswert,en Energie ihres Gründers bel'Cits vor dem 1. Weltkriege zu einem achtunggebietenden Unternehmen von Weltruf entwickelt haUe. Durch Uebernahn1e der früheren Porzellanfabrik Gräf& Krippner sowie durch Verbindung mitdert,echnischen Fabrik' Schwarzfärber & Co., Nürnberg (1945), wurd,e das Pr9duktioi1sgebiet d,er Firma Heinrich & Co. noch ,erbtblich erweitert. Durch diese letztgenannte Verbindung ist innerhalb der Firma Heinrich efn Spezialwerk für elektrische Sicherungen entstanden, das mit 138
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seinen zD.hlr.eichente.chnischen Neuerungen; Spezialmaschinen und Laboratorien bereits einen neuen Faktor der Porzellanqualitatsherstellung in Selb darst,ellt, dessen Bedeutüng ber-eits ein Sondervertrag der R,eichsbahn mit der Firma Heinrich 'als Alleinlieferantin kennzeichnet. Die Firma "Heinrich-Porzellan" zählt - heutzutage mit ihren 13 Oefen und etwa 900 Arbeitern iu den leistungsfähigsten Selbs; auch auf dem Gebiete sozial,er Bestrebungen hat sich di.e Firma von ihrem Gründer Franz Heinrich her stets ausgezeichnet (Wohnungsbau, Unterstützungen, Stiftungen und dergleichen). . In spät'erer Z'cit entstanden im SeIher Gebiete hoch zwei Porz,ellanfaqriken...die durch ihre günstige Verkehrslage Vorteile I versprachen; es waren dies die Porzellanfabrik von Julius und Wilhelm Hofmann aus Asch, die unmittelbar vor der HaltesteUe Erkersrieut der Bahnlinie Selb-Erkersreut-Selb-Plößberg .erbaut wurde und etwa 100 Arbeiter beschäftigte. Die Fabrik wurd,c während des Krieges von der Firma Rösenthal-Isolatoren-GmbH. übernommen. Aehnlich errichtete ein Konsortium dicht an der HaltesteUe Erkersreut eine kleinere Fabrik, genannt "Oberfränkische' Porzellanfabrik Erkersreut-Selb", -die nach eintgen. Jahren in den Besitz d,er Maschinenfabrik Zollfraak, Erkersl'eut, und schließlich. in den der Finna Rosenthai überging. Im Jahre 1944 verlegte, wie bereits oben gesagt, die S ta a t-
li c he Po r zell a n - Man u fa k tu r Be r I i n ihre Werkstätten nach S oeI b, nachdem ihre ausgedehnten Berliner Werkanlagen durch den Luftangriff auf Berlin in der Nacht vom 22. auf den 23. NovJ/Mnber1943weitgehend zerstört worden waren. Die Tätigkeit der Staatlichen Porzellan-Manuf:iktur Berlin in Selb erstreckte , sich zunächst auf die Fertigung von Porzellanen für d,en Gebrauch in Laboratorien/. sowi.e aul diejenige von Porzellanen für d,en-Gebrauch in der Industrie. Im Hinblick auf die stetgenden--Anforderungen und in Erfüllung der überlieferten Aufgabe 'wurde im Werk Selb bald auch die Herstellung von Geschirr- und Kunstporzellan 9*
I
139
insbesonder,e auf den Auslandsmä~'kten wieder Fuß fass.~n, um einen ihr,er Bedeutung entsprechenden Exportanteil zu erreichen. Großen Bemühung,en' aller führenden Stellen -.gelang es, trotz , der durch unzureichende Ernährung zwangsläufig niedrigeren Leistungen der Arbeitskräfte wieder eine, wenn auch langsame. so doch stetige Entwicklung anzubahnen. Während 1936 'der Anteil der Selber Porzellangeschirrfabriken an der bay,erischen Porzellarigescliirr-Erzeugung 12,3 Prozent mengenmäßig betrug'die bayerische -Erzeugung umfaßt. etwa zwei Drittel der gesamtdeutschen Erzeugung auf der Basis der Altreichsgrenze~ von 1937 -, stieg dieser Pro2;entsatz 1947 auf 14,8 Prozent. Die entsprechenden W,erte bei der , technischen I\eramik liegen 1936 bei 18,4 Prozent und 1947 bei 16,2 ProzentL Der Absatzanteil der Selber Porzellangeschirrfabriken liegt. im Vergleich zum bayerischen Absatz 1936 bei 19,5 Prozent wert-_ mäßig, 1947 bei 23,4 Prozent wertmäßig bzw. be~ den technfschen Porzellanbetrieben 1936 bei 14 Prozent und 1947 bei 16,9 Prozent wertmäßig. . Wie erfolgreich der Wiederaufbau' des Export-. geschäftes sich vollziehen konnte, ergibt' sich daraus,. daß der Export im 1. Halbjahr 1948 beim Porzellangeschirr fast um das .
Doppelte des Exportes im Gesamtjahr 1947 gesteigert werden konnte. Es kann daher angenommen werden, daß die Versorgung der Weit mit Selber Porzellan auf dem besten Wege ist, der Stadt Selb ihren alten Ruf als Stadt' des Porzellans in. vollem Maße
wiederiugewinnen.
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Hand in Harid mit der Porzellanindustrie entwickelte sich in Selb eine Reihe von ande:'en Industriezweigen, die zum groß,en Teil für die genannten Firmen . tätig sind. So. sind auf dem Gebiete der Maschineniodustl"ie die Firmen Gebr. Netzsch
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-sowie Heinrich Zeidler zu erwähnen, f'erner. die Schlosse~ien Fraas, Neupert & Co. sowie Fraas & Stalli ; auf dem Gebiete d/er Holzinclustrie die Sägewerke- G. & \V. «rautheim (1907), Ba~mgärtel e-: Co., Gg. Buchka, Volkma;~"'- (Sommermühle) sowie 142
Jäger & Kästner. Die letztere ist jetzt zur Holzbildhauerei, Drechslerei und lfunsttischlerei von Dr. Niedoba ausgebaut und hat sich bereits zu einem ans,ehnlichen Werke mit 70 durchwegs künstlerisch geschulten Arbeitskräften entwickelt. Auch die Bauindustrie ver~pürte die immer mehr aufblühende Porzellanindustrie, wie die, erfreuliche Entwicklung der Firmen VI/ilh. Netzsch, Georg Buchka, Georg Grethlein, Anton Hippmann, Adler & Drechsel u. a. bewi,es. Daß eine derartig bl~hende Ind-ustrie wie die Selber Porzellanindustrie alle Gebiete des / Geschäftslebens günstig beeinflußt, ist s-elbstverständlich. Es würde an /dieser Stelle , zu weit führ-en, die vielen blühenden Betriebe und Gewerbe unserer Stadt mit ihren W,chtigen Meistern und fleißigen Gehilfen und: Arbeitern zu nennen. . Einen der wesentlichsten Industriezweig.e unserer Stadt neben der Potzellanindustd~ bildet von jeher di~ Granitindustrie. Di'2 "Granitgewerkschaft im ehemaligen Richteramtsbezirk Selb", 'd-er die Mutung auf Granit im Ausmaße von 2316 ha zusteht~ gehört zu den alten Gewerks.chaften, die ihre Entstehung auf die "Markgräflich Brandenburgi:sche Bergordnung" vom 1. Dezember 1619 zurückführen, während erstmalige Beleihungen auf Granit im' '
,
Jahre 1715 erfolgten. ' Im Jahre 1762 wird zum 1. Male im Kirchenbuche von Selb , 'ein Vorfahr des jetzigen Inhabers der Granitwerke Netzsch in Selb, namens Balthasar Netzsch, anläßlich 'seiner Trauung als Bürger-, Mßurer- und Ste~nhauermeister genannt. Er war der Sohn d-es Nikol Netzsch, getauft am 7. April 1681 in Selb. Seit dieser Zeit hat sich das Maur,er- und Steinmetzgew~rbe in dieser Familie in ununterbrochener Reihe bis' ~um heutigen Inhaber vom Vat-er auf den Sohn vererbt. MitgHeder der Familie Netzsch begegnen uns vom Jahre 1799 ab immer wi~cler in der Geschichte Selbs als befähigte Bürg,ermei:ster der Stadt, so besonders beini Selber Brand (1856), bei der Neugestaltung der städt. Verwaltung im Jahre 1880 wie zur Zeit del: Einnahme Selbs durch die ameri., kanischen Truppen (1945), wo d.er stellv. Bürgermeister Karl 143
. Netzsch die Verantwortung für die völlig aussichtloseVerteidigung de.r Stadt ablehnte und sein Amt niederleg~e, als seine Warnung keinen Erfolg hatte. \ Inren eigentlichen Aufschwung nahm die Granitindustrie in Selb mich Eröffnung der Bahnlinie, HQf-Eger im Jahre 1865. , Der feinkörnige blaue Selber Granit wurde in der Folgezeit mit Vorliebe zu großen öffentlichen Bauten, Rathäusern u. dgY.,gleichzeitig aber auch zu großen öffentli~hen Denkmälem, B!unnen usw. verwendet, und zwar zunächst in gestockter Bearbeitung. In den 80er Jahren gliederten die Firmen Wi1helm Netzsch und WiIhelm Wölfel ihren' Steinmetzgeschäften Steinschleifereien mit Dampfbetrieb an, in denen dann auch die schwedischen :und norwegischen Granite und Syenite verarbeitet wurden.. Bald entwickelte sich daraus auch ein umfangreicher, Export' nach fast arien Ländern Europas wie auch nach Uebersee, Nord- ' und Südamerilm, ,
Ae,gypten
'
usw.
,
,
Leider brachte der erste Weltkrieg eine starke Hemmung. Im Jahre '1912 wurde der Betrieb der Firma Wilhelm Wölfel in Seil> inrolge, Verschmelzung mit der "Grasyma"; Wunsiedel, eillg.cst-cllt und nach Wunsiedel verlftgt. Erst einige, Jahre nach der Be,endigung des ersten Weltkrieges hob sich die Ausfuhr nach dem Auslande wieder und nahm, infoJge der iUlgemeinen Vorliehe fill' Granit ,z~ öffentlichen Bauten' ein~ großen Aufschwun~. 1\1'1 diesen Monumentalbauten, Denkmälern u. dgl. war insbcsoJl(~cre das Granitwe'rk ~iIhelm Netzsch beteiligt, daneben die Fit'mit Gebr. Pauker. Diese besitzt einen ertragreichen Stcinhl'll(;h in d.cl' Nähe der Häus~llohe, während die Firma Wilhclm N('\7.sch das erforderliche Material ihren Steinbrüchen "Am Gericht" hei Seih (seit. 1850), einem Steinbruche in Schwarzenhammcr hel SeIh sowie einem Syenitbruch ,bei' Marktredwitz entnimmt. J)j,c I)cnl(mäler p.er Firma Wilhelm Netzsch preisen in vielcn LI\l1dern die geschickte Hand ihrer MeIster. Auch viele HClI1crl(CIISwcrtcGebäude "der Stadt wurden durch, die Ft'ma Nct7.sch allsgefnhrt, \
ins~esondere 144
die' schöne katholische
Kirche im "OI1HlIlischoCn Stile.
während die firma Wölfel das Finanzamtsgebäude und andere
größere Bauten .ausführte. Ein leistungsfähiges Grabsteingeschäft in Granit, Syenit und ausländischen Gesteinsarten betreibt auch die Firma Karl Opel, ~~ Selb n~chst dem Friedhofe. .
Auch auf dem Gebiete der Pa pie r f a b r i kat ion ist Selb
durch die alt- u~d weitbekannte Firma Jäger (Inh.: 'Geipel) vertreten. Bereits im Jahre 1700 erhielt Johann deotg Jäger vom Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg, das Privilegium, auf pfründncrlehenbarem ,Grund der e~emaligen Allerlieiligenmeßstiftung im Selbbachtal, unterhalb der. Stadt Selb gelegen, eine Papiermühle zu erbauen. Die Fabrik ist heute. noch im Besitz der Familie Jäger-Geip,el; sie liefert . Papierwaren' von vorzüglicher' ,
Qualität, die schon von höchsten SteHen Anerkennung gefunden haJ)en. Die betreffende' Urkunde bringen wir im 11. TeH dieses Buches. .seit d~m Jahre '1874 besteht auch eiE..eBuchdruckerei in Selb, . die, von Karl Kirsch gegrüridet, jetzt im Besitze der, bewährten und angesehenen Firma F. &: A. Münch. ist und jahrzehntelang eine Tageszeitung, das "Selber Tagblatt", mit einer wertvollen und gern gelesenen Beilage "Der Erzähler aus dem Egertale" herausgab. Die Zeitung hat sich durch ihre klare, vaterländisch /
und konfessionell sachlich-korrekte Einstellung ein halbes JahrI~unde.rt hi~durch große Verdienste und Beliebtheit erworben. In der nationalsozialistischen Zeit wurde sie kurzerhand von der "Bayerischen Ostmark" abgelöst, \\'odarch unsere alte heimische Zeitung ganz und gar den - Cha!"d~ter der altbeliebten Heimatzeitung verlor (vergleiche das schöne mundartliche Gedicht Unna Bla(d)l' von Richard Gräf). Dem baldigen Wiedererscheinen der, s'eit Jahrzehnten bestehenden Selber Heimatzeitung mit ihrem wertvollen Beiblatt "Der Bote aus dem Egertal", einer nac~ der belletristischen wie wissenschaftlichen Seite hin glei;h ~ertvollen Zeitschrift, sieht die Einwohnerschaft Selbs mit großer Zuversfcht, entgegen. 'Buch~ru'ckereibesitzer Friedr. Münch begegnet uns auch in der Geschichte' des Gemeinwesens von Selb als lang-
145
jähriges, verdientes kollegiums. W,eiter,e Buchdruck,erei«*l druckerei und Buchbinderei (Verlag des Selber Anzeigers) bereits seit Qem Jahre 1846 _
alteingesessene Firma Christi war Christoph Weizei ; ihm f um die Stadt Selb sehr verd meindekollegiums, sowie dess Kleinindustrie und Han starken Hervortreten der Porz zurÜck: Schlosser, Schreiner, Selb reichliche Beschäftigun Kurzwarengeschäfte bieteQ r die alte Sitte der Selber, ihren in Hof, zu decken, g.erÜgt we Geschäfte zum gleichen Preis abgesehen davon, daß gerade fähigkeit der einheimischen F Die Bierbrauere-i, die frÜ Sinne eines alten, vomM,arkg Jahre 1426 verliehenen Stadt tage m,ll"mehr in den Händen Firmen Exportbierbrauerei R M. Baumann zu nennen sind. die wir im 11. Teil dieses. B wiesen. Nach dieser Urkund rechts von Selb mulzen, brau pflichtet, 'sein ,eigenes Gebr' schänk,en. Möge es u!1seren bald wieder möglich s'ein, in nach dieser Richtung 'hin d zu wahren! 146
. DIE VERSORGUNG
DER STADT SELB MIT WASSER,
E'LEKTRIZITÄT
UND GAS'
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Bis. zum Jahre 1896 war Selb iu der Wasserversorgung auf seine Brunnen angewiesea, von denen die bekanntesten der Brunnen ari1. dama\igen Kirchp.Iatz-e (jetzt im. Hof,e des Gutes Hutschenreuther in Blumental), der sogenannte Lippertsbrunnen bei Bäckermei'ster Lipper.t (gegenUber dem Amtsgericht), der sogenannte Hechtf~scherbrunnen (bei Bäckermeister Hechtfischer) und der tiefe Brun.nen auf, dem Pfla:sterberge waren. Zahlreiche kleinere Brunnen befanden sich in allen Teilen der Stadt, wovon neben dem Schob~rth-Töpfer-Brun!1en im jetzigen Finanzamtsgarten 'noch der ob seines guten W.assers bekannte ,Mauflerschlosserbrunnen'~; der s,ein Wasser vom alten Burggut bekommt, erhalten ist. Nicht nur im Interesse unseres Stadtbildes, sondern auch vom wirts.chaftlichen. Standpunkte aus ist es zU bedauern, daß die alten Brunnen nicht wie in uns,erer Nachbarstadt Wunsiedel erhalten blieben. Die. schönen und gutgepflegten Brunnen Wunsiedels, die alljährlich am Abend des 23. Juni, dem Vorabend von Johanni, .
mit großer Liebe. ges.chmückt und beleuchtet werden, bilden noch heute nicht -nur einen 5,chönen Schmuck, sondern auch ein wert.~ . volles Re.s,ervoir an
Trink-und Löschwas&e~ in ~tUl1dender Gefahr.
Selb hat leider mit all diesen alten Brunnen, die mit wenigcn Ausnahmen nicht verkehr.sstörend waren, aufgeräumt, als im ./ahl'C 1896 die Stadt mit einer Wasserleitung versorgt worden W1lr; mun woll~ die Rentabi!ität der neuen Wasserleitung heben. Die Ausführung der Wasserleitung wurde .dcl' Firma Kleophaas & Knapp Übertragen. Die Qu~len, 8 an der Zahl (5 als solc;he zusammerigefaßt), liegen bei dem 4 km nordwestlich von 148
Selb entfernten Dorfe Brunn und liefern Wass,er in sülcher Menge (540 .Minufenliter, d. i. pro Kopf und Tag 1'27 Liter), d'aß man damals die Stadt Selb auf absehbare Zeit mit Tr-i.nkwasser ver~ sorgt glaubte. Von dem bei Brunn angel'egten Hauptsammler wird das Wasser mit einem Gesa,mtgefäll von 6 m nach dem 2,6 km südliGh entfernten Hochdruckres,ervoir auf einem ,Höhenzuge des Karrenbühls bei Oberwelß,enbachgeleitet. .Dieser zweiteilige H:Jchbehä1t~r faßt ca. 400 cbm (4000 Hektoliter) nützlichen Inhalts und erhält vom Hauptsammler. her in d,er Sekunde 14 Liter . Ziufluß~ Der veguläre Wasserstand beträgt 3 m. Mit 5 Atmosphären Druck w~rd das Wasser in die 3 km nach Ost,en hin erÜfernt liegende Stadt getrieben. Das Wasser ist entsprechend seinem Ursprung in der Urgebirg'sformatioiJ.(Gneis und Gl'anH) als sehr reines, gesundes Trinkwasser, "vJllkommen gut", V::Il1der Untersuchungsanstalt für Nahrungs- und GencrQmitte1 in Erlangen befunden word,en. Die durchschnittliche Temperatur beträgt 8,50 Oelsius. Die Kosten zur 'Erwerbung eier Quellen beliefen sioch auf 48200 M. Die Kosten der Ausführung betrugen 303785 M. Hierzu leisLete der Staat 'einen Zus'chuß von 44800 M. .Di.c Erwartung, daß die Stadt dadur'ch auf lange Zeit hinrei'chend mit Was.s,er versorgt sei, hat sich nicht erfüllt. Während Selb im Jahre 189~ im ganzen 414 Wohngebäude und 5600' Einwohner mit einem Gesamtwa.ss,erbedarf von 6,5 Liter in' der Se-' Imnd'e hatte, war im Jahr~ 1912, die Zahl der Wohngebäude bereits auf 600, die Zahl der Einwohner auf 11300 mit 13,5 Lit,er Wass'erbedarf in .der Sekunde gestiegen. . .'
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Selb mußte daher im Jahre 1912 zum Bau einer zweiten Was.serversorgungsanlage &chreitei1. Nach vielen Versuchen und Prüfungen fand man schließlich im Lautertal, das sich von Rei'Chenbach bei SeIh über Lauterbach his zur Landesgrenze hinzieht, etwa 30 kleine Quellen und Sickerwasseraustritte, von denen sicb s.chließlich 12 Quellen als brauchbar erwiesen. Erst im Jahre 149
DIE ZUR STADT SELB GEHÖRIGEN
ORTE
R'EUT
Reut = gerod-eterPlatz, a~nAbhange des 605 m hohen H'cutberges, 2,4 km. nordöstlich von SeIb gelegen: Die Ortschaft wird durchflossen von dem R~ut- 'oder Kirchleinbächlein, das im Palll{erschen Hofe, Ludwigstraße 4G, sic~ mit den~ Eng,elmeßbach vereinigt und am Fuße d-es SChloßbergs in d,en Selbbacn mÜndeL Der Ort zählt 1!6 Einwohner.in 14 Häusern. Die Gründung WIIt in den Anfang des 18, Jahrhunderts, wo Andreas Pauker im Jahrc 1709 hier das erste' Haus erbaut~, In jüngster Zeit errichtete hier ein von Arheitern und Angestellten der Firma RosenthaI gegrllndeter Wohnungsverein' mehrere Doppelwohnhäus'er mit 38 Wohnungen. SOMMERMÜHLE "
. Den. Namen hat die 2,3 km ti.stlich von .Selb am Selbbdchc geleg,ene "Mühle (Get.reide- und Sägemühle) von il11'cI11E,'b,IIWI' Summa, im Volksmunde allmählich zu Sommer gewordcn, SIIIIIIIIII
erbaute diese Mühle im Jahre 1612 ohne Konz,essiDn,wcslwlb Hit:,
wie Cloeter ~agt, auch lange Zeit "Zankmühle genannt wurde, Nachdem sie' baulicher Verän.derungen halber fast ~UI17...h. gebrochen worden ~ar, wurd,e sie im Jahre 1630 wied,cl" allr~d}'\lIt. Im Laufe der Zeit baute der oben genannt,e &egl"Ondcr det' H'l1l1l Andreas Pauker, ein zweites Haus neuen der Mühle, 1772 1)/'111111 die Mühle nieder, wurde. jedoch bald wieder aufgebaut. ~klt dlo!wlII .Jahre ist mit kurzen Unterbrechungen die Mühle im B(:slt;-:,odOl' Familie Volkmann, die nach i879 lange ~it auch ein SlIgowCl'lt 1111 Wasserkraft betrieb. Die mit der Mühle verblmd,cllc (JlIstWII'lsdlllft des Johan-n Volkmann (t 1914), die. mal,erisch al11 WuldslIlIlI1 d,os 1111
sog,enBI11ÜenZinnhulz'es lag, galt früher als beliebter Ausflugsort. Mühle uzw, Scheune brannten in kurzen Zwischenräumen zweimal hinter,einander ab .(1924 und 1931), Jetz.t befindet sich die wiedei' aufgebaute, Mühl,e (Mahlmühle) mit Bäckerei im Besitze der Fl"1u Lisett,e Volkmann (geb, Reinei), während von d,em einen Sohne Vollunanns, Karl Volkmann, auf einem benachbarten Anwescn eine Gaslwirtschaft und seit 1911 unweit der Mühle VOll einem zweiten Sohne Volkman~s. Wilhelm, ein Sägewerk betrieben wird, o,er 01'1 zähll in 7 Hä'usern 56 E.inwohner, Z!ur SommermUhle gch-örl auch die auf dem Wege nach Längenau gelegene BicrwiJ'lschafl von A, Jakob.
LUDWIGSMüHLE LudwigsmOhle, 1,5 km südöstlich von Selb am' Selbbache ~el<:g'cn,Am 1. November 1708erteilte Markgraf Christian Ernst von Brnndcnburg dem Magistratsrate Nikol Ludwig in Selb die Erlauhnls, hier ,cine Mühle mit Gerberei zu errichten, weshalb diese in der Folg-e<luch mitunter Gerbersmühle genannt wurde: Nach dem g'roß,cnUrande von Selb im Jahre 1856 kaufte Fabrikbesitzer Loren;',llulschenl'cuther von Hohenberg diese Mühle und errichtete hloOl'mit Erlaubnis d,es Magistrats eine Porzellanfabrik mit MassemUhle, ein Unl,cmchmen, das sich, w~e be~eits oben gesagt, zu cll1<Jr(kl' hclwnnt'csten und größten Porzellanfabriken Bayerns ent-
wlcltolthilI.
-
.
D()I''Wcg' von Selb zur Ludwigsmübloe führt durch das tiefclng'eschnllhme Tal des Selbbaches, die sogenannte Pfaffenleite, ;',\I"
Uochlcn dlc Böhen des Ze~dlerb~rges,zur .Linken Höhen mit
d01l1 moderncn Bau des Luitpoldschulh~:Ises, der das ganze Tal h('herrscht. D,er von der Ludwigsmüh!e zur Nahrschen Mühle (SlInn\ll()I'()I'smHhle)führende Mühlgraben ist heute trockengelegt. Elnos deI' beliebtesten Plätzchen in der Pfaff.enleite, die allen alten.' 801h<1I'11 noch bekannte "Teufelskanzel" (dicht vor crem heutigen Ludwlg'sltCller), wo Meister Martjn lange Zeit hindurch einen 1\(lhloOlI 'J'runlt vorzüglich gepflegten Bieres unter schattigen Bäumen 165
\'Crabreichte, .ist leider verschwundcn, mit ih.r ein Stück Selber Homantik. Die Ortschaft LudWigsl11~hle\zählt in 9 Häusern .120Eiri- ,. . wohner; die Baugenossenschaft Ludwjgsmühle 'läßtsich .den Bau
von neuzeitlichen W.ohnungen sehr angelegen sein.
'-,
STOPFERSFURT .
Stopf~tsfurt, benannt nach einem alten ortsüblichen Haus-
nanien Stop"fer und Furt =. seichte UebergangssteHe in einem Fluß, liegt 2,1 km südös-tl~ch yon Selb I:!.interder obe,ngenannten Lud~ .
wigsmühle am. Selbbache, in den oberhalb des Ortes -das sogenannte Roßbächlein mündet. Der Name Stopfersfurt kommt bereits i.n einer Urkunde des Jahres 1513 vor, jedoch nicht als B~., zeichnung der heutig,en Ortschaft. Bekanntlich hausten im Jahre' 1632 (9. Juli) in Selb die Schweden und ermordeten dort acht Einwohner. baß siein d'er Nähe d,er jetzigen Häusellohe besonders wüte.ten, -.gilt ais ,erwiesen; wir erlqnern an die Sage vom St~inernen I
Kreuz (siehe 111.Teil dieses Buches). Von Selb aus zogen die Schweden ,se.ngend und brennend nach Südo.sten. Den Berichten zufolge machten sie auf diesem ihrem Plünderungswege Stopfers.
furt dem Erdboden gleich. AüffaJlend 'ist es, daß man bei dJern eTstmaligen Bau des jetzigen Forsthauses in der Häusellohe in den 1830er Jahren eine. in der Richtllqg gegen. das jetzige Stopfers~ fllrt führend'e alte Wasserlertung entdeckte, wa,s ebenfalls auf frühere. Ans~edlungen in der Geg-cild -von Stopfersfurt hinweist. [111Jahre' 1775 erst erbaÜte J. Adam WunderHch an der Stelle- des
alten Stopfersfurt wieder ~in Wohnhaus, dem alsbald in sehr zer- . streutel' Lage mehrere folgten, dllf. die nun der Name des alten Stopfersfurt überging. -Gegenwärtig zählt der Ort in 25 Hjäusern 215 Einwohner. In den ~Oer Jahren errichtete die Stadt S~lb an der nach der Häusellohe führenden Selbbachhrücke eine kleine Badeanstait, die aber von dem Hochwasser des Jahres 1893 weggeschwemmt wurde. Heutzutage liegtu~weit Stopfersfurt .1m sogenannten Langen Teiche eines der schonsten Waldbäder Oberfrankens. Von dem "B~nk'~rsbrun'1~n" in Stopfersfurt .holten sich 166
früher' viele Selber ihren "Brunnen", \veil sie diesen für heilkräftig hielten. Dieses Wasser, das heutzutage noch aus einer 'Röhre im Wiesengrunde des - Benkerschen Haus-es fließt, ist, wie wir fest.. stellten, sehr eisenhaltig, für Blutarme also sehr geeignet. Der Brunnen selbst wurde l'eidertm Lä11fe der Zeit zugeschüttet. Mehrere Soldatengräber im nahen VJalde (Abteilung Fuß wasch, Häusellohe 'Und Buchwald) erinnem an di'e Kämpfe, die in und um Selb anläßlich .der Einnahme der Stadt. durch die Amerikaner um den 20. April 1945 stattfanden. HÄUSELLOHE Häusellohe, einst einer der vielen Seen 'Unseres Fichtelgehirges, heute ein ausgedehntes Torfge~iet mit Försterwonn,ung und einigen recht saubeJ:1en Siedlungshäusern, Hegt 4 km von Selb entfernt. Der -Name wird in der Regel .von einem früher dort gelegenen Häuselteich (Teich mit ~inem Häuschen auf einer kleinen Insel) abgeleit~t,
VQp anderen
-
Hypergelehrten -- auf hasel = Füllen,
bzw. gar auf den keltischen Don!lcrgott Hesus zurückgeführt. Na"türlieh handelt es sich hier wieder um eine altgermanische Rossezuchtstätt'e; die "keltische Gottheit" ist ebenfalls der Phantasie ent~prungen. Die vielfach vorkomm~mde Schreibung. "Heisellohe" läßt _sich nicht vertreten. Zehn Minuten östlich von dem Forsthause steht jetzt direkt an der Straße __das sogenannte Steinerne Kreuz, w9 1632 ein Kampf zwischen den Schweden und den Kaiserlichen stattgefunden hat. Im Jahfie 1831 wurde in der Häu;:;el1oile mit staatlicher Erlaubnis der erste Torf gestochen. Der Preis war so niedrig, daß 1000 Stück Torf 40 Kreuzer kosteten. Ein Torfmcister hatte dort seine Wohnung. .I!1 den 1850er JahJ:1311wurde eine Torfpresse mit Dampfbetrieb errichtet, die jedoch bald wieder einging. Alsdann erbaute J. WunderÜch von Erk,ersreut hier ein Sägewerk,"""das er in den 60er- Jahren nach dem jetzigen Bahnhof Selb-Plößberg verlegtc-, -. 1886 wurde vom Staate eine Torfstreufabrik errichtet und die Torffläche nach Kubikinhalt an Jakob Krück in Bayreuth ver_
167
pachtet. Von diesem ging der Torfstich an die Stadt Selb über. Johann Rausch aus Längenau brachle durch seine tÜchtige und fachmännische Arbeit den Torfstich zu großer BlUte, was den Einwohnern der Stadt Selb, die im ersten Jahre nach dem Krie.ge 1939/45 unter großem Kohlenmangel litten, sehr zustatten k.am. Der Torf liegt hier durchschnittlich 5 bis 7 m tief und hat großen Herzwert. Die obere Schicht wurde früher von den benachbarten Badeorten mit groß-ern Nutzen zu Moorbädern verwendet. Seit zW'0i Jahren wir~ der Häuselloher Torfstich von einer der Stadt Si3lb unterstehenden Torfverwertungsgesells'Chaft mit modernen Maschinen in großlern Umfange betrie0cn" was sich für die Einwohnerschaft von' Selb und Umgebung gerade in den Jahren größtien - Mangels an Heizmaterial ebenfalls sehr vorteilhaft le(wies. In dem alten Forsthause (Blockhaus) befand sich frÜher eine
se.hr gemütliche und g~rn besuchte . Gaststätte, , die seit Waldwärter Schlegels Zeit in 'bester Blüte stand; ihr guter Ruf ist auf die jetzt von Oberforstwarf Herrmann betreute Gaststätte im nauen Forstgebäude übergegangen. Der ringsum dicht anschließende Wald bietet lauschige ErholungsplätzchJn. HäuselIohe kann von Seih' . aus über Stopfersfurt oder über die Hohe Furt oder auf schönen Waldwegen über die romantisch gelegenen großen Waldteiche (Langer Teich, Breiter Teich, Markgrafenteich usw.) erreicht werden. .Häusellohe ist 'g~:ometrischer Punkt. In der Nähe von HäuseUohe befinden sich große Granitsteinbrüche der Firma Gebrüder Pauker.. Selb; dicht am fPorsthause liegt ein gut gepflegtes Soldatengrab:NEUHOF Neuer Hof - Neuer Bauernhof, an der beim Selber Vorwerke von der Hohenberger Straße nach Osten hin abzweigenden eiebensteiner Straße, 2,2 km südöstlich von Seib gelegen, wurde im Jahre 1800,von Fors~eister Puchta in Seib zur Wohnung für Unterförster erbaut. In dea 50er Jahren wurde hier von Johann Käppel in Selb -der Hop{enbau betrieben:"'"Das alleinstehende Haus _
zählt 168
14 Inwohner.
"
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LINDEN
Linden - Ort bei dem früher in nächster Nähe stehenden großen Lindenbaume - liegt '2,5 km südöstlIch von Selb hinter Stopfersfurt. Aueran von Falkenau erbaute hier im Jahre 1760 ein Haus, dem 1798 ein zweites, von Johann' Sticht erbautes, folgte. Der Grund in der Linden gehörte his in die 60er Jahre dem Staate; in diesen Jahren wurde er dann auf dem Tauschwege" an :Fabrikbesitzer Lorenz Hutschenreuther abgetreten. Um diese Zeit reichte der Wald noch bis Linden, so daß die Wohnhäuser am Waldsaume von fichtenzweigen uberde~kt wurden. Heure <Zähltder Ort in 3 Häusern 16 Einw6hner.
HEULOH Heuloh, zwischen Stopfersful,t und Neuhof, 2 km südöstlich von Selb gelegen, wUrde 1710 von dem Büttner J. Wunderlich in Selb erbaut. Das Haus zäh~t 8 Inwolmer. . SELBER VO.RWERK Selper Vorwerk, 2,"1km südlich von SeIb gelegen. Die Gründung dieser Ortschaft geht auf s,enr"frühe Zeit zurück, wohd auf die Zeit der Forster (1340-1412). An dieser Stelle war ohne Zweifel ein Vorwerk der in Selb seßhaften Forster zum Schutze gegen feindliche Einfälle"von"Süden her angelegt. Es hieß das "Vorwerk in der Lausen" (benannt nach dem Waldbächlein "Die Lausen")," im Volksmunde" das. "Gut", weil dort lange Zeit ein großes Bauerngut' bewirtschaftet .wurde. Im Jahre 1887 brannte dieses Gut fast/vollständig nieder, wurde aber wieder aufgebaut. tJegenwärtig besteht der Ort 'aus 5 Häus,ern mit 27 Inwohnern. Der Hof "wird jetzt durch einen Pächter von der Stadt verwaltet. DÜRRLOH , Dürrloh, 1502 ;,bis in die Thurrenlohc"
= zur austrocknenden
Lohe (= Sumpfwiese). Zusammens,etzung von ahd. loch (lat 11
169
lucus = Hain, Wald) + ahd. thurrl, durri : dürr. Im Fichtelgebirge ist "Lohe" ein mit ni1edrige.r:Vegetation von Kraut und Strauch überwachsener Torfgrund, besonders in Waldungen~ Dürrloh liegt .i,7 km südlith von Seib. Die Ortschaft zählt in 6 Hä!u~ .sern 40 Einwohner. Das ,erste !laus. erbaute hier V..J. Oheim, Bader in Selb. . im Jahre 1716. Dürrloh liegt am Eingang' zu der schönen , Waldabteilung -"Die Lausen", an dem Wege, der am Wun$iedler Teich vorbei in J:'Ieizenden Waldpal'tien bis nach Leupoldshammer' führt. Der dicht den Lauf der Lausen entlang führende W,eg bis zur Mündung der Lausen in die Egel' bei Hendelhammer gehört zu den reizendsten Partien des Selber Waldes. (Vergleiche die "Sag;e vom untergegangenen Dorf in der Lausen".) . In der Nähe d,er Dürrion liegt ein großer, neuzeitlich ange-
legter Sportplatz, zu d,em man an Sonntagen ganze Scharen von Sportinteressenten ziehen~si.eht, ei!1 Bewei~.für die große Beliebt-' . heit des Sportes, insbesondere des Fu~ballsportes, in Selb. .
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PAPIERMÜHLE Papiermühle, 2,4 km s(1dwestlich von 'Selb am Selbbache gelegen, zählt in 4 Häusern 54f.Ei~wohner: Im Jahpe 1709 errichtete 'Johann Georg Jäger von Niederreut .bei ,Asch auf Grund einer landesherrJichen Belehnungsurkllnde des Markgrafen ChrJstian Ernst von Brandenburg im Selbbachgrunde diese. Papiermühle, die dann stets vom Vat,er-auf den Sohn überging. Die Erzeugniss~ dieser altbekannten Firma sind noch h.eute - wie einst.im Fürstentum Bayreuth - auf dem Gebiete der 'Papierfabrikation gesucht". Am 24. November 1821 brannte das Anwesenga!.1z nieder, nachdem es von einer Dienstmagd in Brand gesteckt worden war, wurde aber bald wieder aufgebaut. Wie wir aus den Selber Akten ersehen, wurden dabei die beiden Selber "Feuerlö~chmaschinen ganz ruiniert", so daß ihre Wiederinstandsetzung nur mit hohen Kosten möglich war (100 M., für die damalige Zeit ein' sehr erheblicher Betrag). Die betr. Verleihungsurkunde tsiehe 'im' II. Teil. dieses Buches! . .. i' 170
r
DER SELBER
BRAND VON 1856
SELB VOR UND NACH DEM BRANDE .
-
Wie die Geschichte beriChtet, war . Selb nie vorher v'Ün einem . . .
größeren Brandunglück heimgesucht worden; kl'einere Feuer wurden immer rasch. gelöscht. Man glaubte, dies der Wirkung von Feuerkugeln Z'Uschreibenzu müssen, die von Zigeunern an ver.., schiedenen Orten der Stadt gelegt worden seien (siehe 111.Teil, Sage). Wir erinnern nur an das an der Hohenberger Straße nebeJ1J . dem
früheren Marienstifte gelegene HäuschenHaus Nr. 23 (soge-
nannte Pechhütte), qas nian von alters her wegen der dort gelegten Feuerkugeln gegen Brandgefahr gesichert glaubte. Die Tatsache, .
daß bei dem'am 18.Mai'1900in der Hohen~ergerStraße wütenden
Brande d!ls Feuer wiederum VOll'dem genannten Häuschen Halt machte, bestärkte. die Abergläubigen. Für die übrige Sta.9t abe/' schienen denn doch im Jahre 1856 diese Feuerkugeln, v.on denen Cloeter tatsächlich elne unter einem Gewölbe des 1. Pfarrha:uses gefunden hatte, ihre Kraft verloren Z"llhaben; denn am 18. März 1856, mittags 3/41 Uhr, ertönte plötzlich der Ruf "Feuer" durch die enger. Straßen det Stadt SeIb. Wie Senior Cloeter als Augenzeuge berichtet, hatte im' HOlfe.des Apothekers Georg Netzsch . dessen. Magd no'ch glü.hende Asche auf den Düngerhaufen geschüttet, der zum Teil H()lzspäne und Stwh enthielt u,nd zu alledem. noch an einen mit Brettern verschalten Schuppen stieß. Der Sturm, ein heftiger o.stwi~d, der schon mehDepeTage geweht hatte;, fachte rasch den Düngerhaufen an; die umliegenden Scheunen, von Holz wurd~n schnell vom Feuer erfaßt, und als de'r Ruf ;,Feuer" durch die Straß,en ers~hoH, sehl'Ugen~ie Flammen seh<>nhoch empor 'llndkündeten das unabwendbare Unglück an, Die Flammen ergriffen im Nu. das benachbarte Haus diJs BäckeJ;'meistersMeuchner,. das bald über und über in Flammen stand. Da wenig Häusler 294:
T
l11assiv, viele aus Holz, Fachwerk und mit Schindeln gedeckt waren, die Scheun~n !und Schuppen sogar ausschließlich von Holz, war es nicht .zu verwundern, daß in kurrer Zeit die Hät,lserreihen oberhalb und unterhalb der Apotheke' i'n Flam~en aufgingen. Die brennenden Schindeln wurden vom Winde erfaßt und 'in die Höhe . ~eschleudert; sie zündeten überall, wo. sie niederfielen. So .kam e:SI, daß selbst die außerhalb der Stadt liegenden alten . . Universitäts!"' . güter und die am Stadtrand gelegenen kl,einen Häuser an der Weißenb'acher Straße Feuer fingen. Der Sturm schhig das Feper l!lit~ unter so auf den Boden nieder, daß bei .dem Hause des Schmiede-meisters Seidel (gegenwilrti,g Besitz' des Flaschnermeisters Tqoma) eine Feuerspritze, die sogenflnnte "Feuerkunst" des Schuhmacherhandwerlcs, von den Flammen 'crgriffen wurde und der Landgerichtsarzt Dr. Höflich nur mit MUhe iUnd Not, mit schweren Brandwunden im GesichtiCund an den Winden, dem Tode entging, die sogenannte rot'e sowie ()Jic-'crst 3 Jahre vorher (1853) angeschafftc Icistungsfilhigc hlaue Spritze bJi.cb.cnerhalten. Christoph Seidel (41 Jahre alt) und seinc Mugd sowie eine Nachbarsfrau., Witwe Sümmerer, geh. VoH, mit ihrem Sohne, die sich in das Sei<!elsche Haus geflüchtet Iwucn, vcrbrannten, weil die Flamme zur,offencn Türe hineinschlug und das Haus von unten entzünd'et'e. Seidel lag bis zu den ){nien vcrlmllmt im Backo.fen,wohin e.r sich . ge!lüchtct hatte, die undcrel1 dJ'ei 'fand man in eine Ecke gekauert und bis zur Unkenntlichl<eit vcrhrannt. Da der Stu~ Feuerwirbel auch auf die obcre Stadt schleudcrte, brannte diese in wenigcn Stunden an allen Endcn lichterloh. ... Um 4 'Uhr brannten das Hathaus (damals neben,der Kirche,'an der Stelle des jetzigen Mulzhauses), das ältere Schulhaus (neben dem 1. Pfarrhaus) so.wie pas 1. Pfarrhaus selbst; von diesem sprang alsdann das Feuer auf die Kirche über. Da diese. Kirche erst in den Jahren 1754/55 fast gänzlich umgebaut wo-rden.war, war ihr BauZ'Ustandderart, daß sie einem Schadenfeuer einige Zeit widerstchen konn1e. Mutig taten sich hi,erbei die Bewohner der Nachbarstad't Asch 295
,
.
Hauptstraße vor dem Brand \
unter dem evangelisChen Orts pfarrer ,Seidel und Pfarrer Alberti heryor 'Und schützten die Kirche bis Z'U~ letzten Augenblick mit e~ner Feuerspritze. Insbesond~re bQten die Ascher Turner, 'die mit zu den ersten zählten, die von auswärts auf dJem Brandplatre erschienen waren, alle.s auf, um die Kirche zu retten. Schon h~tten Rlc die beiden anliegendoo Gebäude niedergerissen, um das .Feuer
rcrnzuhalten, ;;11svon der Kirche aus der TiUrmvon den Flammen ergriffen wurde. Die 'Durmuhr hatte eben 6 Uhr geschlagen, als dic glühenden Dachbalken des Turmes krachend auf das daneben 11<~gendeHäuschen des Schlossermeisters 'P,ove.nz stürzten. Fast gleichzeitig ~\Ihlon
mit dem
Rathause
wurde
a.uc.h das alte
(gegenüber der Apotheke) von 'den Flammen ergriffen,
".'111massiver, hoher Bau hatte. bis dahin dem 'Elemente getrotzt. ""1 h dns Landgerichtsgebäude und_das Forstamt, die an der Stelle tlC'~1 l'I'I/.ll{cnAmtsgerichtsgebäudes
standen, brannten nieder; , sie. 11'1 111111 IIh~1Itr'otz ihrer besseren Bauar1l1dem bereits von allen' :111111111~!"\(Jringend~n Feuer nicht mehr zu widerstehen. Neben.
IAIIII
.
I
eiI)igen Scheunen, am Stadtrand an der Hohenberger Straße sowie einigen Häuschen an der Ho.ferStraße blieben nur wenige Gebäude erhalten. unter ihn~ die Qottesackerkirche und das sogenannt~ zweite Schulhaus an der Pfarrgasse (jetzt Karl;Marx-Straße), das im 'Jahre 1834gebaut wo-rden war. Obwohl rings um dieses HalUs der' Brand wütete, gelang es do.:::hder Besonnenheit und dem Mute des darin wohnenden' Lehrers Lorenz Zahn mit Unterstützung des Lehrers Kalb aus Längenau sowie einiger Bau.ern, das Haus' zu retten. Brennende Fensterkreuze sollen dabei mit Tint,e gelöscht worden sein, bis es s,chließlich gelang, aus einem nahen T,ekhe (Roh11eich)Wasser hera!lzuholen. Gerettet wurde auch die Scheune des 2. Pfarrhauses mit ihren Gewölben. Unter Angst und So-rge verbrachten die unglücklichen Menschen die. Nacht, die kalt und rauh war, auf den umliegenden , Wiesen, in benachbarten Scheunen , oder in den nächstgellegenen Dörfern. Das Geschrei und Jammern der Kind,er, das hungernde brüllende Vieh und die Erregung und U~gewißheit aller vom"
.
1I
Hauptstraße
nl\ch dem Brand
. 297
Brande Betroffenen .über ihre Bild.
Habe gaben ein trübes und trauriges
Anschaulich schildert die'Tochter:des'Obengenannten Schmiede-
meisters 'Seid~l: die noch bei allen alten Seibern iri denkbar bester Erinüerung stehende Frau. Katharina Wunderlich,. das ungeheure Elend, das in dieser Märznacht 1856 in Selb henschte. In einem: ihren Kindern hinterlassenen Tagebuch schreibt. sie: . "Der schreckUche J8. März 1856raubte uns alles, Hab und
Gut sowi~Ob?ach, doch.dieses verlorenwir nitht allein, sQlndem. alle unsere Mi~bürger.Aber der' größte Jammer war IUnsbesctIieden; denn. wir verloorenauoh den V~ter; entblößt von allem, und .dazu den Vater verlieren, das ist ein Unglück, das man. reitle.bens nicht vergiBt. Ich rief und suchte den ganzen Nachmittag meine Eltern, bis ich spät am Abend unsere Mutter fand. Meine erste, Fra!Ze war nach de,m Vater: niemand, b,atte.ihn e;esehen., wir suchten und hofften. 'Es wurde Nacht: .Das Wehklagen der vielen ohdachl,osen Menschen, das Bfüllen des Viehes, das Wüten <I,esFeuers und Sturmes, dieses alles verwirrte micb. Ich Jief nach Vielitz zu meinem Vetter, wo' ich hungrig rund halberfrol"en ankam. Hier fand ich meine Schwester und meinen Ideinen Bruder. Wir wachten pun die $anze Nacht.; bei dem geringsten Geräusch Hefen wir . an das Haft-ar 'l\md'dachten, es ! c wäre. der Vater -, aher umsonst.! Der andere Morgen brachte uns die Schreckensbots,ahaft. Der Vater war t'Ot,verbrannt, auch 'Unsere Dienstmagd und eine Nachbarsfrau mit ihrem Sohne, 'die sich jn unser HauS'geflUchtethatten, waren' ~chrecklichverbrannt."
Bis in die späte Nacht wütete tatsächlich der Br~nd fort, IUnd . ein purpurroter Himmel zeigte auf weiten Umkreis hi!1den Bewohnern an, welch trauriges. Sch,kksal die' Stadt Selb ereilt. hatte. und mit traurigem Blicke sahen am Morgen die Abgebranpten dde rauchenqen Ueberreste ihrer Habe.
Am nächsten .Morgen. waren es n~en Bewohnern det:-umlieg~nden Orte wiederum die Hewohner der Stadt ..Asch, die die .. \ 298' .
. Abgebrannten durch ihre Bruderliebe erfrelit~n. .Wagen .voH Brot und anderer Nahrungsmittel für die Menschen, Futter für das vop Kälte erstarrte und hungernde Vieh trafen ein. König Max 11.o.rdfo nete eine Samml.ung ~m ganzen Lande an. ObW1O.hl in derselben Nacht auch. ganz Nördhalben eingeäschert wurde, konnten doC;h durch das neu gebildete Selber Hilfscomite 75000 Glllden an Geld verteilt werde~, abge'sehen von den zahlreichen Lebensmitteln, die von allen Seiten d,en Brandgeschädigten zugingen. Das genannte Hilfscomite, das sich . ,,~ u'nter dem V,orsitz des Landriohters Kellein, des 1. Pfarrers und Seniors CI'Üetersowie des Bürgermeisters Martin Netzsch aus Mitgliedern des Magistrats, d~r GemeindebevoHmächtigten und der Armenpfltege gebildlet hatte, hat, 'wie he!Utzutage 'feststeht, tatsächlich' mit vo-roiIdficherGewissenhaftigk~it und mIt runermüdfichem Eifer. gearbeitet, uni dIe dlUrch den Brand verursachte Not schnellstens zUbeheben. Wenn tmtzdem Vorwürfe gegen die Mitglieder des Comites, das im stehengebliebenen Schulhause tagte, erhoben wurden, S'Üerldärt sich das nicht zuletzt aus der Not fUndArbeitslosigkeit, die nach dem Brande herrschten. Die Brandentschädigunzen warcn sehr gcring, da die vielen alten, mit Schindeldächern gedccktcn Iläuscr nicht hoch oder gar nicht versichert waren. Di,e InnenmObel hatten nur 17 Einwohner versichert. 'Wir danken es der Tätigkcit eines Selber Lehrers und ./ . ~
Augenzeugen des Brandes, namens Ritter, daß wir heute noch Bilder vom alten Selb, wie es vor dem Brande aussah, -sowie vom
Brande selbst besitzen.
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In Asche gelegt wurden im ganzen 221 Häuser und 408 Neben.
gebäude. Obdachlos geworden waren über 3000 Menschen in 624 Familien. Ein seltenes Beispiel rührender Opferbereitschaft der Selbcr Weberzunft, das uns Adolf Krauß im "E.r:zähler" NI'. 12 des Jahres 1926 berichtet, soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben: Untier den Bittgesuchen, die die hie~ge Weberzunft an viele ~
Bruder~ereinigungen sandte, befand sich augh eines an die Weber299
zunft in Waldmünchen.. Da diese aber ,gerade ebenfalls durch ein Brandung.lück sehr gelitten hatte und' dies der Selber Zunft mitteilt'e, beschloß die Selber Zunft, übwohl über 100 Webef/Selbs selbst In größte Not geraten waren, den abgebrannten Webern von Waldmünchen' 5 Gulden zU senden, die diesen Anfang April zugingen. ,
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Nach einig,er Zeit begann man mit der AbräUmung und dem Wiederaufbau der Stadt, der, da die Witterung günstig war, so rasch vor sich ging, daß bereits im Okt'o~er1Wl856/'i.m Haus'e des Kaufmanns Merz (im Bädershof) die sämtlichen Amtszimmer d,es Landgerichts eingerichtet werden konnten. Das alte Schl-oß wurde abgetragen, und 'an dessen Stelle i861/62 Rathaus mit Rentamt erbaut
Der Abbruch des Schlosses stieß, wie 'Uns ein altangesehener Selber Bürger, StadtratsmitgIied -Christian Weiß, erzählt, bei der Einwohnerschaft' von Selb auf großen Widerspruch. Von' dem stattlichen und mächtigen Gebäudle war nur der Dachstuhl abg,ebrannt, und es hätte nur-geringer Kosten bedurft, diesen Bau, das Wahrzeichen Selbs,' zu 'erhalten. Wir verweisen \auf das einzig1e. Bild von dem "ScMoss,e,das wI:r jüngst entdeck~n konnten. Das' Schloß "wurde abg1ebllOchenund dessen Material zum Aufbau anderer Gebäude, insbesondere des Rathauses und Amtsg,edchts, / verwendet Ein schweres Steingesims bild.ete den Abschluß des Mauerwerkes, auf dem der Dachstuhl ruhte. Beim Abbruch d~eses (j(~simses brach, wie' erzählt wird, beim Lockern des ersten " nl~hwerenSteines der Hebebaum, und ein Maurer ~log aus einer HOhe von 20 m auf die Straße, wo .er tot liegen blieb. Dteser Un11111' wurde von den Seibern als ein Zeichen gedeutet, daß' der "hhl'Uch diesles historischen Baues ein Frevel sei. '
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Die E~nwohnerschaft von Selb hatte den Eindruck, daß hllll\IIII'IIQHilfe s-parlich und ziemlich spät kanf, so' daß IIwllll'I'1IIlausbesitzer darauf. angewiese~waren, aus eigenen 1(,ln, d. h. aus eigener Kraft, zu balten. Seni-or Cloeter erzählt, 111111
die die Mitdaß
dabei die gegenseitige geldliche Hilfeleistung vorbildlich war: Verhältnismäßig lange währbe es auch, bis mit dem Wiederaufbau der Stadtkirche begonnen wurde. In der Zwischeri'zeÜ stiftete, s-o wird berichtet, d.ie Gattin ,des späteren Fabrikbesitzers Jakob Zeidler, Selb, Ludwigstraß,e, von dem v-on der Selber Feuerwehr in einem Topf gere~ten Gelde eine Gl-ocke, die auf einem G'erüste am Kirchplatze angebracht wurde, um, solange eine Kirchturmuhr fehi'be, ,die Zeit zu melden. Diese GI'Jcke wurd,e nach dem. Wiederaufbau der Kirche auf den Tur!11 der Friedhofkirche gebracht. An größeren Gewerben waren neben den Gerbereien Meuchner, Zei.d.lcr und lJudwig besünders die Papiermühle Jäger und die Granitwerke Maurermeister Netzsch und WölfeI vertreten, die ihre Werke in
Selber feinkörnigem Granit bald zu' regem Export brachten. . Das Krankenhaus wurde an der Hohenberger Straße errichtet und nach der Königin Maria von Bayern, die 400 Gulden dazu schenkt,e, "Marienstift" g,enannt. ,Da sich dieses Krankenhaus aber in den 90er Jahren als zu kI.einerwies, wurde ein Neubau an der Weißenbacher "Straße errichtet, der in den letzten Jahren wesentlich vergrö~ert_ und in seinen 'Einrichtungen verbessert wurde. Senior Ooeter berichtet in seiner Geschichte der Stadt SeIh" daß ~r nach dem Brande von Selb, der diesem verdienstvollen Manne gewiß ein gerüttelt Maß von Arbeit und Mühen gebracht hat, im Hause des Webermeisters W,olfgang Sommerer, das damals ars äußerstes "gegen Morgen auf de~ Höhe zunächst dem Selbbachtale" lag, Unt~rkommen fand. In be&onderer Dankbarkeit gedenkt Cloeter die&eshochherzigen Gastgebers, der eines Tages ihm lUllter eigenen größten Entbehrungen sein ganzes Haus zur Verfügung stellte. Wir erachten es für gebührend, an die&erStelle das 'Gedächtnis dieses edlen Selber Bürgers, dessen Haus. wir in dem jetzigen Besitztum des v.or einem Jahre verstorbenen Schreinermeisters. Albin pöhlmann" Birkengasse 7, ermittelt haben, im Sinne Senior CI,oetersweiterzuerhalten. Der zweite. obengenannte Augenze'Ugenbe~ichtvom 2. April 1856 ("Fränkischer Kurier", Nürnberg) erzählt folgendes: 301
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-Fränkischer Kurier, 2. Aprq 1856.. -, Die St~d{ Selb ze!,stört. "Fünf Tage lang hatte ein, h~ftiger, mlstrocknender OS,twi)1d geweht, da ertönte um 1 Uhr' mittags -der Feuerruf durch die Gassen der alten Stadt Selb. Die Magd des Apothekers hatte gegen die Wei'sung ihrer Herrschaft die Asche' von Lohballen auf den Düng,er geschütt'et und, 'Um ~ie den Augen ihrer Herrschaft zu entziehen, dem Vernehmen nach mit Stroh zf1gedeckt. Plötz~ lieh sah 'sie, Flammen aufschlagen. SOlleichtsinnig sie die Asche am gefä$rlichen Orte ausgeschüttet, so unbesonnen läuft sie nun davon. Das Feuer nicht im Entstehen , unterdrückt und voOmSturme angefacht, ergreift r:asch das näcb,ste Holzwerk; und bis man im' Hause: inne ward, was gesch;ehen; ist die Gefahr auch schon' über I ,
,
. das
"Hal!:Iptgewachsen, und, im näch~ten 'A\1genbIicke kann {l,ie ganze 'Stadt ihr Schicksal vorausi;ehen. Denn Selb, allein runter,
~
,
allen Ortschaften der "sechs Aemter" bisher von den Flammen verschQnt,hatte wenig massiv g,ebaute Häuser, die meisten von Fachwerk, fast aÜe mrt Schindeln g,edeck,t und dazwischen, die Menge von Städeln und Schupfen, bloß von Holzwerk aufgeführt. In furchtbarer Eile liefen die Flammen, vom wachsenden Sturme ,~p1eitsc~_t,zunächst stadtabwärts, s,o schnell, daß,' viele' nur das nackte Leben retten konnten, ganz~ Ga~sen mit Flammen sperrend 'und auf unglaubliche Fernen zündend. In diesem untern Theile der Stadt 'war es, wo Schmiedmeister Seidel ~itdrei Personen das ~ben verlor. Währe~d seine Nachbarn schon aus den Häusern flohen, eilte er mit seiner Magd und noch zwei Personen auf den Boden seines Haus<es,!Umnoch, etwas Getreide zu retten. Als sie die Tlieppe herabkamen, ~elche an der Hausthüre in den HaJus~ tennen mündet, schlug ihnen die Lohe schon entgegen, vom Winde q~er über die Gasse auf sein Haus getrieben. Wie furchtbar 'die Flamme gewesen sein muß, läßt der Umstand erkennen, daß Seidel bei aller sonstigen Entschlosse,nheit.dqch die ihm, gegenüber be~ findliehe Stubenthüre, die ihm einen Ausgang in seine Werkstätte u~d von da ms Fre~egeboten hätte, nicht-~ewinnen konnte, sondern mH:,seinen Vnglücksgefährten in die Tiefe des Hauses stürzte !Und 302 .
'
zwar in, die gewölbte, ausgangslos,e KÜche! Hier fand man ihn bis an die Knie in den Backofen gekr-ochlen,die anderen drei aber' neben ihm in einem Winkel, eines das andere umfasslend, bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Unser trefflicher Gerichtsarzt hat~~ seil1e zwei kl,einsten,' Kinder in :das zweite Pfarrhaus glebra9ht, das den, Flammen unerre:chbar schien. Ohne Säumen trat er den Rüekzug zu seinem Hause an; aber er fand dile ganze lange Straße sch.on mit Flammen angerollt. V,on ,entsetzlicher Angst um seine Gattiij erfaßt, die er noch im Hause wähnte, stÜrzte er sicli in das. Flammenmeer; am ~
.
Hause apgekommen, sah er dies'es,zwarverlassen, aber sich nun allah von der anderen Seite vom Feuer bedroht.
Nun galt es noch ,einen
Durchbruch durch eine Feuergasse. . Gott slei Dank, daß er dem teUl1enManne die Besonnenheit und Kraft erhielt, so daß er gera,qe noch im letzten Augenblick das ~..reie gewann, freilich an Qesicht und Händen lentsetzlich verbrannt. Während nun der eine F~uer~
strom den unt'ern Theil der Stadt in entsetzlicher Hast verzehrte,
'
selbst Hülzblöck,e aus dem Wass,er herausbrennend und die gegen ihn zum Kampfg~führtlen ~ritzen vernichtend,' fraß die Flamrne nach allen Seiten weiter um sich, erfaßte geg~n 4 Uhr das L:andf.{erichtsgebäude, das daneben stehende hochragende (ehemals markgräfliche) Schloß und' Hef den Markt hinau.f in der ,Richtung nach Asch. Ungeheuren Anstreng;ungen, bei denen sich die. Nachbarorlc Asch, R,ehau und Liebenstein auszeichneten. gelang es endlich, Ihier das Fewerzum Stiehen zu bringe-n und einige Häuser zu 1~'llcn. Nun aber wandte sich das Feuer glegen den Sturmwind, lInd bald sah der gegen Osten gellcgenehöhere The'il der Stadt. 11111
dcr gwß~en Kirche, .d'en Pfarrhäusern :und Schulgeb~uden so-
wli\ mit d'em Rathause sich von ,einer feurigen Umarmung bedr-oht.
von zwei Seiten wälzte sich der Feuerstrom, wachs-end mit 1411\1'111 Schritt, heran, furd.1.tbareRauchwolken aufwirbelnd, durch 11111 d It\ Sonne glutroth Leaohtete. Bald sanken Rathaus, Rektors11'1'1111
1\Idllllll',"" erst'es Pfarrhaus
in den StaltP, der' Thurmknopf
war'
111 hllll IIhf.{cschmolzen,das Dach des hohen Kirchthurmes rauchte, 11114
I
.
.
-
aber di,e schöne große I<irch-emit ZiiCgel.dachstand noch fest; da entzündete.' das brennende. Pfärrh:1Usdie Sakristei und tmg das Verderben auch in die gottgeweihten Räume. Auf ~ieseJi1Punkt~ fand das Feuer Stoff gem!g zu wüthen, aber auch Stillstand, weil ilichts mehr zu verzehflen war. Dageg.en rückte nun die Flamme in wahrhaft ges.chlossener Linie gerade gegen Osten aufwärts zum zweiten Pfarrhause, des .S~urmes spottend, der 'in der Richtung de.s Hauses der feurigen Front entg,egenstürzte. Die Lohe aber erfaßte dies Gebäude, und nun schien auch die noch übrige Gasse mit dem Gottoesackerkirchlleinund allen dort auf dem. Felde gerett,eten Gegenständen verloren zu sein. Da führte man endl.ich hier, wo das FiCuerfür den AugenbI.ick auf -ein Haus zusammengedrängt war, ,eine Feuerspritze herbei, und durch .6üttes G1HHJ.c gelang es, diCmweite.ren Vordringen Einhalt zu thun. Der Abend sank ..allmählich herein, blutroth sah die Sonne scheid,end auf e.ine Stadt, die nach mehr denn. lOOOjährigem ß,estand in Schutt lag, VDn Flammen 'Und Rauch. umspielt. Vie.rllhalbtausend Menschen irrten auf den F,eldern umher, viele aller
Habseligkeit entblößt, und schauten auf das brennendie . Grah so{) viel'eI' Hoffnungen 'Un~ d,eF Früchte ihres Fleißes. Und mitten aus dem grausig,en Bilde. 'erhob sich glühendr-i)th diCr Thurl11, ein fiCurig,er-Finger, d'er nach 'oben zdgte. AlJer Blick,e heften sich auf ihn. Lange steht er so, wie im P:urplur glühend; da glegen 6 Uhr ein furchtbarer Schlag. Das Dach ist in sich zusammengestürzt, -und die Glocken bedeckt-en z'erschmolzen den Boden.
Das Elend d!er Abgebrannten, di~ meist arm, nun gar des Obdachs 'und zum TheiI aUer Habe entblößt sind, zu beschreiben, ist u.nmögHch. Wenn_selbst unsere wohlhabend'eren Bürger j,etzt in steh'en gebLilebenenGewölben und Ställen kampieren, so Imnn man denk,en, wie das Loüs der ärme-ren und armen ist. Sind auch manche unserer Unglücksgefährten in den Nachbarorten IUntergebracht, so habe.n wir doch noch in dies:enTag,en andere auf freiem Feld,c , noch immer die kalten Nächte zubringen sehen." 305
Bei' d'er ßetr~chtu~.g d'erß~ignisse
des Selber Brandes vo~
.
1856 v'om heutigen Stand punkt aus. kommen wir zu recht inter~ es.s.anren Erkenntniss,en. Selb war im Jahre 1856 eine Stadt m.it 300 Häusern 'Und 3389 Emwohnern, die vürzügIich Landwirts.chaf't,
und Vie.hzucht, Handweberei und Steinhauerei betrieben. . Die öffentlichen wie die pri'vaten Häuser waren primitiv, .meist alUs '. . ~ Holz gebaut 'Und fast durchwegs mit Sohindeln gedeckt, so daß
man von.einer-"Holzstadt" reden kunnte. ,
.
Es ist auffallend, wi,e wenig sich die Einwohner vün Seih
damals der F,euerg,efährlichkeit ihrer Stadt bewußt waren. Imm~r wieder beg~gnen wir diesbezüglIchen ernsten Hinweisen und War~' nungen . der zuständigen Behörden. Diese Mahnungen fal,lden aber C
wenig Beach'tung. Insbesondere war .es der damalige Apotheker Netzs.ch, der .als Mitglied der Vaterlänclischeq Assecuranzgesellschaft fortgesetzt zu größerer V-or.sichterrpahnte und unablässig bestrebt war, die F,euersicherh,eit der Stadt zu heben. Der Bericht,
den er unterm
~
1. April 1853 wegen der geradezu unhaltbaren
Zustände a'uf dem Kammergute des Kgl. Landrichters von Loewel an den Magistrat von Selb -'richtete, spricht eine sehr beredte Sprache. Abhilfe der Uebelstände konnte er bei der Gleichgültig~ keit der betI1effenden Besitzer nur' s.elten'erreichen. Es i.st eine Tragik; daß gerade in seinem 'Hofe durch die Nathlässigkeit s,einer Magd der gr-oß.e Brand von. 1856 ausbrechen mußte. Für die Stadt Selb ~ar der' Brand, so bedauerlich er für uns.ere V,orfahren war, vom heutigen Standpunkt aus gesehen, d.och von großem' Nutzen. Ein Bericht des damaligen kgl. Landgerichtsarztes Dr. Höflich 'über di'e jeglicher Hygiene widersprechenden Ver~ hältnisse 1m alten Schlüss'e zu Selb mit seinen 116 Inwohnern .
(überfüllte
Räum'ei mangelhafte
~.ebengebäude,
Unordnung
im
Hof nach der Straße zu) sow:ie sein Urteil über das Haus Erkers~ reuter Straße ~r. 39, das' binnen drei Tagen wegen Lebens~ und Feuergefährlichkeit abgebrochen werden sollte, nach drei Monaten aber noch nicht abgebrochen war, zeufen ~on den baulichen Verhäl1nissen, cI1edamals in Selb herrschten. Auch der langwierige -' , 306
/'
Evang. S!adlkirche, erbaut" nach dem Brande \
307
Streit um den Wied~raufbau. des am 24. Oktober 1835 zum Teil abgebrannten Backofens an der Kirchenmauer gegenüber den) früheren Rathause (dem späteren Mulzhause), der Kampf um den Bau eines Flachsdörrofens (Verbot des Flachsdörrens in den Hausbacköfen wegen der d~mit verbundenen Feuersg,efahr), sC,hließlich auch 'der Stveit um die Errichtung einer BrÜcke an Stelle des unsicheren und 'baqfäIligen "Schloßstegs" in der/heutigen Burg-' straße beleuchten ein~rs,eits die damaligen Zustände, andererseitR die Unbekümmertheit der damalige~ Bewohner Selbs s.olchen Zu;. ständen gegenüber. Wie und wann' wäre unslere,S~dt einmal zu den gegenwärtig im allgemeinen erfveulichen örtlichen Verhältnissen gekommen, wenn der Brand v,on 1856. ni'cht eingetreten wäre? ,Ex cinere Phoebus' - wie Phönix aus dem Aschenstaub ging d.ie neue Stadt aus den damals recht dörfllch anmutenden , Verhältnissen hervor. Man vergleiche nur das Stadtbild Selbs von 1855 (S.eite 303 dileses Buohes} mit demjenigen von 1863 mit ~einer neuzeitlichen schönen evan&,clis.chenKirche, dem symmetrischen Rathaus'e, dem Amtsgerichte :und den massiven schönen Häusern! Nicht uninter,es'sant.ist die für d,enWiederaufbau der Stadt' aufgestellte Bauordnung. Aus ihr slei~n nur einige Punkte ~rwahnt. Gefordert werden Feuermauern zwis9hen den einzelnen Gebäuden,' steinerne TI\eppen für zweistöckige Häuser, scharfe Trennung der . beim Brande stehengebliebenen feuergefährlichen Häuser von d~n Ilcugebauten, ferner Aufbau der Ka!J1inebis mindestens 1112Schuh' hoch üöer den First der Häusler hinaus, massive Abortanlagen mit hygienischen Ableitung,en, Abnahme der fertiggestellten Häuser clurch eine Baukommission mit Hinzuziehung des Gerichtsarztes. St.reng v,erboten wurden Backöfen in Privathäusern mit Ausnahme, dm Iwnzessionierten Bäckereien. . '
Kleine, für jeden einheimischen Selber liebe Erinnerungen an "11'"('11> sind ,uns noch geblieben, sü da.s Kreuz der alten Kirche mit "",111Wetterhahn, das wir noch auf c]im Hause des MetzgerIIN\I~t;crsWilIi Reichel in der Bachstraße ,slehen. Der Gl'oßvater 11014
Reicheis, der um die Stadt Selb sehr verdiente
Bierbrauer und
Magistratsrat Wilhelm. Baumann, hatte als achtjäqriger Knabe diesen ~etterhahn aus dem Bauschutt der alten Kirch~. von Pfar.rer Senior Cloeter !erhalten. Die vielfach geäußerte Anskht, daß diese Wetterfahne mit dem ., Kreuze vom früberen Rathause herstamme,
ist irrig. Rathäuser pflegten auch früher nicht mit Turm- bzw. Kir.chenkI1euzen.geschmÜckt zu ,werden, abges,ehen davon, daß dieses Turm- bzw. Kirchenkreuz mit dem Hahne in gar keinem Größenv1erhältnissegestanden hätte zu ..dem relativ kleinen Turme
des früher,enRathaus,es.
.-
"
Im Hofe des Elektroing,enieurs Gustav Ludwig, Ludwigstraße 36, st.eM heut'e noch das 2. Exemplar der im Jahre" 18.73 gepflanzt1enSelber Fried.enseiche,die vor dem Amtsgedchtsgebäude. stand, aber einging, ein drittes Exemplar stand auf der Höhe des
Pflasterberges.
"
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Im qa.rten des Schreinermeisters Ludwig, Schloßbergstraße 7, sehen wir ferner noch das Gartenhäuschen der alten Kegelbahn, in dem nach dem Brande von 1856 viele Obdachlose Unterkunft fanden.
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'
AucQ die s'ogenannten Gütlhäuser (geilahaisa), d. h. Häuser der frilheren Universitätsgutsverwaltung Erlaqgen, und einIge kleine Weberhäuser an d.er Weißenbacher und Vielitzer Straße sind neben der bekannten "Pechhütte" an der Hohenberger Straße Nr. 23 noch Zeugen alter Zeit pie zu den Universitätsgütern gehörenden Höfe (Gü:tl.häuser)sind noch heute als solche bekannt; sie besitZen alle 110Ch ihre früheren älten Wasserbrunnen (Leitung)yon Vielitz her; es sind dies das Besitztum von 1.SeidoCl /
(Gebhardt) Karl, Bahnhofstraße 25, 2. Welzel Chri-stoph, Bahnhof. straße 21, 3. Krippner" Fritz \ und Gräf Ghristiane, Bahnhofstraße 11, 4. <;:JrafKlemens, Marienstraß,e 2, 5. G~bhardt Adolf. Marienstrafk 4, 6. Gebhardt Paulus, Madens.traße 6, 7. Drechsel Heinrich, .Madenstraße 8, 8. Heinrich Ernst, Marienstraße 9, 9. Krippner Christoph, Marienstraße 7, 10. Hollering Ludwig, Marienstraße 5, 11. Heinrich Jakob, Bahnhofstraße 1, und 12. Heinrich Babette, Bahnhofstrafie 1. 309
Interessantes vom alten Selb ~erichten-Ul:s auch aie zum Teil no"ch erhaltenen AktIen. Da begegnen wir dem Streite um den terrasseria~tigen Treppenaufbau v,or ~r alten Apotl1eke~die sogenannten "Apothek1e~sstafferl'n". Dieser Treppenaufbau war bei der ,se:hrregen Bautätigkei,t, die in Selb nach dem großen Brande ~insetzte, ,-ohne ausdrückliche Genehmigung der Gemeindebevollmächtigben ,erri.cbtet worden. Die Stadtvertreter stellten. aber 'am -, 30. März 1857 eine Einengung der Hauptstraße auf Kosten des Gemeindegrundstücks fest 'Und. forderten die Abtragung dieser Treppen. Dieser' eigenartigen Forderung gab, wie zu erwarten war, der auf Gh. Netzsch folgende, Apotheker Matthesius niaht statt und le:hnt:eals Nichtbeteiligter die Forderung ab. Der Str'eitendigte schließlich damit, daß der Besitzer der Apotheke dies,en VOrhal! wohl stehen lassen durfte, dafür aber. jährlich eine Entschädig.ungsgebühr von 1 Gulden an die Stadt zahl,en mußte. AehnJiches gal~ für die Haushesitzer, die wie der Apotheker vor ihren Häusern in der Hauptstraße sich einen kleinen Treppenvorbau ,gestattet ,hatten. Ein ähnlicher Streit tobte auch um das 'Sogenannte "K'äppelsgäßI" an der Schulstraß:e. Bei der starken Bautätigk~it nach 1856 hatte d.er Besitzer des Grundstücks, damals Schulstraße 102, s,einWohnhaus und d~e dazu gehörige Sch~une 50 aneinander gebaut, claß der dazwischen liegende frühere Eingang zum alten Kirchgäßchen ("Käppelsgäßl" genannt) verschwand. Auf eine Beanstandung di,eses Zustandes durch ;d~ Magistrat hin gestattete der Besitzer den Zugang zu dem Gäßchen durch seine ,Scheune, allerdings nur bei Tag, was begr~e'iflicherscheint Am 31. Oktober 1862 sah er sich indes wegen F1euergefährdung seiner Scheune (Passanten mit bl"Cnn~nden Zigarren 'u. ä.) genötigt, den DiUrchgang auch bei Tage zu sperren, was heim Magistrat schaden Widerspruch fand und zu wiederholten poIiz,eilichenMaßnahmen führte. Der daraus sidh ergebende Streit beschäftigte Magistrat, Landgericht, Regierung,. Ministerium IUndAppeIlatioonsgericht'nicht weniger als vier' Jahre und endete damit, daß schließlich, der status quo, der vor dem Brande bestehende Zustand des Pförtchen~ wiederhergestellt wurde (Bericht vom 26; JUQi1865). 310 .
Aehnliche Streitfälie, bei denen die Selber Besitzer vielfach ihren eigenen Willen zeigten, waren der Kampf-u~ den Ausba'u der früheren Scheunenstraße (jetzt-'Schillerstraße), derjenige um den Bau der steinernen Bogenbrücke in der Schloßstrfiße im Jahre 1872, wo von' den Anwohnern Küspert und GeblJ,ardtwegen Hausbeschädigungen Ersatzansprüche an die Stadt gestellt wurden, ferner der Streit um ähnliche"Ersatzansprüche, die anläßlkh der Selbbachkorrektion zwischen dem Käppelschen und 'Netzschschen ..Hau~e entstanden, nicht zuletzt der Streit um die Verlegung der Fleischbänke und des Brunnens yom Stadtplatze in die SchJ.oßstraße ~zw. auf den Kirchplatz (jetzt Marti,n,-Luther-Platz). Die Fleisehbänke in der Schloßstraße wurden beim Wiederaufbau 'Selbs nach dem 'Brande noch bis in die achtlZigerJahre benutzt, er$,t ~n den nel,lnziger Jahren erbaute an ihrer Stelle Schuhmachermeis~er'Fritz Prell das jetzige Wohnhaus. Tiefgl1eifende Meinungsverschiedenheiten' und langwierige Kämpfe tobten' auch '~m die Frage der Verlegung des En..gelmcßbaches, der sich ursprünglich hinter dem Fritz Zeidlersah,en Hause .un~ djinn in einem zum Marktplatz gerichteten Bogen Zm' jetiigen' Flußrinne bei' Färbermeist~r Käppel hinzog. Für die. Aenderong dieses Flrußlaufes waren 1858 zwei Projekte in. Aus: , I sicht genommen: Die Füh.rung quer über den Kirchplatz durch den Künzelschen Hof zum Selbbach und diejenige in der jetzigen Richtung. Der Einspruch des SümmerermülIers, der im ersten Fallie . " eine Stauung seines gegenüber.liegeriden Mühlabflusses.befürchtete, führte dazu, daß das erste Proj,ekt schließlich fiel (1858-1861). AuffaUend einig waren' sich, di'e Einwohn,er von Selb, als es galt, die Errichtung eihes Rentamtes in, SeIh zu erreichen. Sie l mußten aUe ihre Steueran.gelegenheiten in der über 17 km entfernten Stadt Wunsiedel erledigen, dort -oft bi:;; zum späten Abend warten, so daß sie erst in später Nacht oder .gar erst am anderen Tage zurückkamen. Die sthwierigen klimatischen Verhältnisse des Fichtelgebirges erschwerten' die Lage besonders im Winter. Die im Jahre 1848 "allerunt.ertänigste BiUe des Magistratsrates ,und , 311
der Gemeindebev-ollmächtigten der. Stadt' Selb wn allergnädigste Verl.egung eines Rentamtsit~s nach Selb", gerichtet an König MaximiIian 11.von Bayern, fand freilich 'erst am 1. Oktober 1862 Erfüllung. Eine sonderbare Rüge erhielten die Mitglieder' des Selbet Magistrats im Jahre 1853 vom L(lQdgericht Selb. Sie hatten sich . nämlich nicht an die Bestimmung gehalten, daß bei öffentlichen Feierlichkeiten der Bürgermeister eine güldene Medaille an ein~m hellblauen Bande, die Magistratsmitglieder aber einen dreieckigen Hut (mit goldenen Hutschleifen) und zum Degen goldene Degenquasten zu tragen hatten. Sie hatten sich an Stelle. des Djegens' mit einem. Stück begnügt und damit. d,en Bestimmungen des G€meindeerlikts für die Städte II. Klasse zuwidergehandelt. Ob 'Und wie unsere damaligen Stadtvät-er dieser' Verwarnung Folge leisteten, verraten un~ die Akten ~icht. Sehr oft erwähnt werden beute noch die aIt.en Rockenstuben. Junge Mädcqen trafen sich bei bekannten Familien mit ihren Spinnrädern, um zu spinnen, wobei sich bald auch die jungen Burschen des Ortes zur Unterhaltung' einfanden. Diese ursprünglich harmlosen Zusammenkünfte, bei denen man sich bei Scherz und Spiel ergötzte, scheinen aber, im Laure der Zeit sehr ausgeartet zu haben, s-o daß man vielfach an ihnen Anstoß nalmi. In unserer Gegend war es jedenfalls so weit gekommen, daß das ltönigl. Landgericht Selb unter "d,em 12. Februar 1846 folgende Verfügl,lng erließ: "Seit vielen Jahren ist das Zusammenkoommenjunger Leute beiderlei Geschlechts in s'l)genannten Rockenstuben unter strengen Strafen verboten, und es läßt sich erwarten, daß alle Familienv~Her, die auf Zucht und Sittsamkeit halten, j.ene für die -Sittlichkeit so I{cfahrlichen Zusammenkünfte nicht dulden und ihre A~ge.hörigen dilvon zurückhalten, und daß die Gemeindeverwaltunge.n Zuwidcrhlllldelride zur Bestrafung anzeigen wer~n. Da jed.och in neuerer %(~ItIÜe und da der Unfug wieder gehegt wird, s-o wird ebenso IIIIj
wühlmeinend wie ernstlich dagegen gewarnt unter :Androhung streng!er Strafe gegen die. Hausbesitzer, welche, die RoOcke:nstube'11 dulden, ferner gegen die Teilhaber an den Zusammenkünften soowie gegen die Gemeindeverwaltungen, die die Aufsicht wider diesen' Unfug vernachlässigen." .". Auch Susanna Dorothea Leupold (geb. 1830 in Selb), genannt Nachtal, und der Buschhann (geb. 1843 in Selb)b~egnen 'Uns als Type.n früherler Zeit in den Akten. Die erstere, die sich vief im oHenen Leiterschuppen d,er Feuerwehr in der PfaUenleite aufhi,elt, richtete mit VOTliebe in der D.uzform Strafpredigten an die Vorübergehend,en, war aber dabei so heimisch geworden, daß an ihre.r Beerdigung. am 1. März 1904 große Teile der Bevölketr.ung teilnahmen und ihr Bild .sich in srehr vielen Photoalben find,et, wie auch der Buschhann, unbekümmert um seine Existenz, bedürfnislos wi'e einst 'bio~eD:es im Faß,. gar viel Unterstützung in der Bevölkerung fand. Aucn das "Spielbcrger Christkindl" gehörte zu dieser Gruppe. Eine ,eigentümliche Erscheinung jn den Jahren 1'827/28 und 1848 waren. in Selb die häufigen Droh- und Brandbrief,e, die bald einzelne Beamte, bald den ganzen Ort in große Auh~gung ver-;. setzten. So erhielt am 12. Oktober 1835 der damalige Bürgermeister
einen Drohbrief, d'er ihn derartig einschüchterte" daß er sein Rücktrittsgesuch einreichte. Einem anderen. Drohbrief vom 12. Mai 1847 zufolge sollt,e die Stadt Selb am 26. Mai 1847 in Brand gesteckt we:rd'eTI,"wenn den wilden Ehen weiterhin nachgestanden und die Hausherren deswegen. bestra"ft werden sollten". Dies veranlaß,te die Selber Behörden, die betreffenden Stellen umgehend aufzufordern, die Löschgeräte' nachzuprüfen, besond'ere .Wach- IUnd KoOntrollgänge durchzufühl'en' und zum Zweck,e einer schnelleren Verständigung mit den gleichfalls hedr-ohten Orten (Arzberg IUnd Ke.mllath) einen besünder,en Botendienst durchzuführen. Selbst cI~r v'erdient,c Markt- bzw. Stadtschreiber Seybold sowi,e das ganze .
Gerichtspersonal mit' Ausnahme des belioebten Gerichtsassessors wurden mit solchen Brandbr:,efen hedacht. 20
Oft wurd:en Soh~une:n313
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4
tore zur Brandandrohung in we'ißer Kreideschrift (z. B. am Ludwigsehen Garten) benutzt; die Aufregung war stets die' gleiche. . '
.
Grüß,e Schwiler,igk;eHen hatten die Selber Behörq,en, wenn si'e beim Auftretlcn ansteck,endler Krankheiten (Blattern und <lergleichen) die Haussp,erfie (Quarantäne).. verhäng,en mußte.n, wie es in den Jahr'eTI 1827. 1844 und 1849 gc')ch,ah. Trotz strengen Verbotes seitens ,des Magistrats und des Kreisphysikus gingen die Bewohner betr.eUener Häuser vielfach noch aus,' ~ndere meldeten die Er~ kr,ankung nicht an, da sie di,e Anbringung schwarzer Warn tafeln an der Hau~ti.il1evermeiden woillten ("Menschenblattern sind hier; .
wer hinein- -oder herausge11t, macht siah strafbar"). Selbst den v'erdi,enN~n'Marl:üschrelher Seyhold traf ein solcher Vorwurf -(AI;1" zeige bei der Behörd'e), 1].er. ~ich aber nachher als unherechtigt herausstellte. Am 12. F,ebruar- 1827 wurde zur Durchführung d:cr KüntroHen die Gendarmeriestati~n um 10 Mann' verstärkt, VOll denen einige' nach Thierstein und Höchstädt kamen. Oeff~ntliche Lustbarkeiten wurden vlerhoten. In den Monaten Dezember 1826 bis März 1827 starben vi,ele PerSQ11en,ni.eist Kinder und Jug1end~ liehe iril. Alter bis zu 18 JahI\en, an den Blattern (Pücken). ...
Stark Wgr die Furcht in Sel'b vor der Cholera im Jahre 1830;
ein umfangreiches Akt'enstück zeugt \'ün de.1 fvlaßna.hmen,die behördlichers,eits in Selb g,~troffen wurden; sie sind gleichzeitig ein Beweis dafür, wie. ratLos man .iamals noch dieser , - gefürch,teten Krankheit geg~nüberstand. So wurde andauernd vor dem GenuU unreifer Früchte und vor, dem Ausschänken verdorbenen Bieres gewarnt. Diesbezügliche Kellervisitati.onen wurden ang'eor~net (Landgericht Selb, 23. August 1830)..Die Einwohne.r wurden aufgefordert, ihre Zimmer zu weißen, die ~traße~ und Gassen reinliab und sauber zu hal'toen,d~e Dunghaufen' von der .straßenseite zu'ent. fernen IUnd auf einen freien Hlatz hinter dem Haus,e zu schaffen.
Die 'Schulen wurden 41verpflichtet, für den Ernstfall Rräuter zu sammeln, Krank'enwäi'ter wurden in größer.er Zahl ausgebildet. Aus einem. Bericht der Stadt- und Lan~hulen ersehen wir auch, ~; um-.we.k.he Kräuter und, HeHmittei es sich bei den Sammlungen 314 .'