Stöckli und der Odi-Effekt

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T E X T E VA B R E I T E N S T E I N F OTO S KU RT R E I C H E N B AC H

Belag, Glasfaser, Holzkern, Gummi: Das Auge kann dem Prozess kaum ­folgen, so rasch und routiniert fügen die Mitarbeiter die 23 Schichten eines Skis im Montageraum zusammen. Die einzelnen Materialien liegen an den Arbeitsstationen sauber aufgeschichtet oder hängen daneben. Sind alle Lagen eines Skis nach ein paar Minuten komplett, kommt er nebenan in eine der fünf Pressen. Es ist ein normaler Arbeitstag in der Stöckli-Manufaktur in Malters LU. 303 Paar Ski werden hier täglich fertiggestellt, die meisten Schritte erfolgen in Handarbeit. CEO Marc Gläser, 53, grüsst jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter mit Namen. Hier stanzt eine die Schweizerkreuze aus, die jeden Ski zieren, da schiebt einer einen Stapel Holzkerne durch die Halle: ­Laminate von Buche über Eiche bis Pappel, jede Kombination ergibt andere Eigenschaften.

Geschäftsführer Marc Gläser zeigt in der Stöckli-­ Manufaktur in ­Malters LU seine Abfahrtshocke. Unten: Diesen Winter ein gewohntes Bild: Marco Odermatt bejubelt mit einem Stöckli-Ski in der Hand einen Sieg.

Seit 1935 gibt es die Firma, gegründet von Josef Stöckli, «ein wilder Hund, der auf Holzski Rückwärtssalti gemacht hat», sagt Gläser, dem dieser Spirit gefällt. Er ist der erste Geschäftsführer, der nicht aus der Gründer­fa­mi­ lie stammt, vor acht Jahren haben die Stöcklis an die Entlebucher Familie Kaufmann ­verkauft.

Foto Jean Christoph Bott / Keystone

Dank Marco Odermatts Erfolgen ist die Schweizer Skimarke Stöckli gerade in aller Munde. CEO Marc Gläser gewährt einen Einblick in die Manufaktur in Malters und sagt, was die Erfolge des Überfliegers für sie bedeutet.

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«Müsste ich einen Fahrer erfinden, wäre es Marco. Er verkörpert alles» MARC GLÄSER

Das Markenzeichen unter dem Ski: Die Schweizerkreuze aus gefärbtem ­Belag werden von Hand eingelegt. Rechts: Gläser begutachtet ein Holzstück, das den Kern jedes Stöckli-Skis bildet. Diverse Sorten werden dafür kombiniert.

Schiebt man beim Anstehen an Schweizer Skiliften seine Latten auf dem Boden vorwärts, ist die Luzerner Marke links und rechts gut vertreten. Momentan aber springt einem der Name Stöckli vor allem in den Medien entgegen – Marco Odermatt sei Dank. Der 24-jährige Ausnahmekönner ist auf bestem Weg, der fünfte Schweizer Gesamtweltcup-Sieger zu werden – und fährt seit 14 Jahren auf Stöckli. «Wenn ich einen Fahrer erfinden müsste, wäre es Marco», schwärmt Gläser von seinem Star im Portfolio, «bodenständig, schweizerisch im guten Sinn: modern, selbstbewusst, ehrgeizig, ohne abzu­ heben. Er verkörpert alles.» Direkt an Verkaufszahlen lässt sich der Odermatt-Effekt zwar nicht ab­ lesen. Mag sein, dass diesen Winter ein paar hundert Ski mehr über die Theke gehen. Wichtig ist der Erfolg im Rennsport aber für die langfristige Wahrnehmung der Marke, die durch die ­ Aufmerksamkeit geprägt wird: Glaub­ w ürdigkeit, das Bewusstsein, 54 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE

dass Odermatt auf diesen Ski erfolgreich ist. «Wir kommunizieren Swissmade, Präzision, Stabilität, Qualität, Innovation aus der Schweiz in die Welt», sagt Gläser. Das klinge ein wenig pathetisch, aber schliesslich ist der Leitsatz der Firma nichts weniger, als die beste Skimarke der Welt zu werden. 60 000 Paar Ski verkauft Stöckli pro Jahr, das Ziel sind in naher Zukunft 75 000. Der Anteil am weltweiten Skiabsatz von rund drei Millionen ist klein, im Hochpreissegment aber ist Stöckli stark dabei. Ein Ski kostet inklusive Bindung zwischen 1300 und 1800 Franken. Der wichtigste Markt ist der einheimische, dann folgt Nordamerika, der grösste Skimarkt der Welt. Dort sei Stöckli «sehr gut» unterwegs, hat den Absatz zuletzt vervierfacht. ­Danach folgt Österreich, im Anschluss die weiteren Alpenländer. Die Coronakrise hat auch Stöckli ­einen herausfordernden letzten Winter beschert. Die Lieferschwierigkeiten

wa­ren überschaubar, da alles in der Schweiz produziert wird; bloss beim Rohmaterial gabs die eine oder andere Lücke. Der Verkauf in der Schweiz war okay, doch im restlichen Europa, wo die Skigebiete etwa in Frankreich oder Italien geschlossen waren, brach der Absatz ein. Umso besser läuft es diesen Winter, und dies nicht nur bei Stöckli: Die Leute zieht es in die Berge. Dass dies mit Odermatts Höhenflug ­zusammenfällt, ist ein Glücksfall. Die Erste, die geholfen hat, Stöckli vom Insiderbrand zur international ­beachteten Marke zu hieven, war Tina Maze. Die heute 38-jährige Slowenin hat im Skizirkus alles abgeräumt, Olympia, WM, Gesamtweltcup. In den verschiedenen Räumlichkeiten in Malters von der Manufaktur bis zum Headquarter hängen Poster von ihr. Eine Motivationsspritze für all jene, die die Schweizerkreuze ausstanzen oder die Ski schichten: Hier arbeitet man für künftige Olympiasieger.


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