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Nürnberg und die Spuren des Nationalsozialismus

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Die hesse koche

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»Where stood the Führer?« Die Welt als Filmset

Könnte ich einen Preis vergeben für den besten Stadtführer des Jahres, so wäre es für »Nürnberg und die Spuren des Nationalsozialismus« von Steffen Radlmaier und Siegfried Zelnhefer aus dem ars vivendi Verlag. Erstmals als »Tatort Nürnberg« 2002 erschienen, liegt der Band jetzt in einer völlig überarbeiteten Neuauflage vor: praktisches Format, überreich illustriert, hilfreich organisiert, politisch dezidiert, hervorragend geschrieben, extrem viel Inhalt für schlanken Preis. Radlmaier war langjähriger Feuilletonchef der »Nürnberger Nachrichten«, hat unter anderem bei der Anderen Bibliothek den Band »Der Nürnberger Lernprozess« herausgegeben. Historiker Zelnhefer war als Leiter des Presse- und Informationsamts in die schmerzhafte Aufarbeitung der Nürnberger Vergangenheit eingebunden, ist Autor des Standardwerks »Die Reichsparteitage der NSDAP«. Die beiden wissen: Ihre Stadt ist wie keine andere mit der Nazi-Zeit verknüpft, kein Bezug auf Albrecht Dürer kann das je wegwaschen. Am Anfang des Holocausts standen die »Nürnberger Gesetze«, am Ende die »Nürnberger Prozesse«; das Gerichtsverfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher wird in diesem Herbst vor 75 Jahren zu Ende gegangen sein. Leben damit müssen wir alle. Ich finde, jeder Deutsche sollte einmal im »Schwurgerichtssaal 600« gestanden haben, in dem damals die Urteile fielen, einmal den gigantischen Wahnsinn des Reichsparteitagsgeländes vor Ort aufgenommen und zu verstehen gesucht haben. »Where stood the Führer?« ist hier dann auch die Frage, wo man selber steht. Nürnberg, das sich (vergebens) für die Kulturhauptstadt 2025 mit dem Motto »Past Forward« bewarb, mit einer aktiven Hinwendung zur Vergangenheit – die Gedenkstätten und Memorial sind wirklich auf beachtlichem Niveau –, sucht seine Zukunft als Stadt der Menschenrechte. Dieser Band erklärt die frühere und gegenwärtige Nutzung der historischen Orte, liefert Hintergründe und bietet alle nötigen Informationen, damit man selbst auf Spurensuche gehen kann. Alleine fünf Seiten weiterführende Literatur, 22 Zwischentexte von Schriftstellern wie Enzensberger, Brecht, Herta Müller oder Erich Kästner sowie zahlreiche historische Archivaufnahmen erhöhen den Mehrwert. Und als Belohnung kann man noch ins benachbarte »Bleistift-Schloss« in Fürth, heute die Firmenzentrale von Faber-Castell, 1945/46 war dort die internationale Presse untergebracht.

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Alf Mayer

Steffen radlmaier, Siegfried Zelnhefer: Nürnberg und die Spuren des Nationalsozialismus. Mit hilfreichen hinweisen für Besuche vor Ort. Ars vivendi, cadolzburg 2021. 208 Seiten, 15 euro. Wally Koval: Accidentally Wes Anderson. Aus dem englischen von Mia Pfahl. DuMont Buchverlag, Köln 2021, dritte Auflage. 368 Seiten, durchgängig vierfarbig, 28 euro. internetseite: accidentallywesanderson.com

Im September 2020 hätte »The French Dispatch«, der neue Film von Wes Anderson, in die Kinos kommen sollen. Jetzt gibt es nicht einmal einen neuen Starttermin. Kann sein, dass Disney ihn nur digital per Streaming herausbringen will. Kein Kino, keine Reisen – bleiben uns die Bücher. »Accidentally Wes Anderson« ist ein besonders schönes, oder sagen wir, eigentümlich schönes, denn jedes der über 200 Fotos darin sieht aus wie ein Filmset von Wes Anderson. Seine Bildwelten gehorchen einer eigenen, leicht wieder erkennbaren Ästhetik: perfekte Symmetrie, Pastellfarben, alles haarscharf am Kitsch vorbei, aber wunderschön. 2017 vom New Yorker Wally Koval gegründet, fotografiert eine Online-Community weltweit solche Orte. Jeden Tag kommen neue hinzu. Aktuell hat die Seite über 1,4 Millionen Follower. Aus den schönsten Fotos hat Koval ein Buch gemacht, das sich vermutlich wie geschnitten Brot verkauft. Viele der Bilder sind von der Art, denen man hinterher reist. Manche der durchaus sorgfältigen und informativen Bildtexte lassen so etwas immer wieder anklingen. Über das »Crawley Edge Bootshaus« im australischen Perth heißt es zum Beispiel: »Zunächst kamen nur wenige Touristen, die gelegentlich Fotos von dem kleinen Bootshaus der Familie Nattrass machten, zu dem charmanten Ende der klapprigen Promenade am Swan River. Doch die Zahl der Touristen wuchs stetig an. Bald folgten so viele Besucher, dass die Stadt Perth im Jahr 2019 beschloss, 400.000 Dollar für eine solarbetriebene Toilettenanlage auszugeben … Es gibt Wissenschaftler, die das Phänomen untersuchen, wie aus der unauffälligen Hütte ein so großes OnlinePhänomen werden konnte.«

Alf Mayer

J. Todd Scott DIE WEITE LEERE Jon Bassoff FACTORY TOWN FACTORY TOWN

„Der poetische und blutige Boden des westlichen Texas hat eine kraftvolle neue Stimme in der zeitgenössischen west- lichen Kriminalliteratur hervorgebracht.“

Craig Johnson

Aus dem Amerikanischen von Harriet Fricke Mit einem Nachwort von Carsten Germis 448 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag ISBN 978-3-948392-16-1 EUR (D) 22,00 / EUR (A) 22,50 auch als ebook erhältlich Erscheinungstermin 15. April 2021 „Ein Roman voller verrückter, hässlicher, lebendiger, verstörender Energie ...“

Tom Piccirilli

Aus dem Amerikanischen von Sven Koch Mit einem Nachwort von Marcus Müntefering 256 Seiten, Klappenbroschur ISBN 978-3-948392-22-2 EUR (D) 14,00 / EUR (A) 14,60 auch als ebook erhältlich www.strandgut.de | Strandgut 04/2021 | 29

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