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»Heil dich doch selbst« von Yasmin Rams

Auch ihr Vater, an Parkinson erkrankt, probiert die Nebenwirkungen seiner Medikamente mit noch mehr Pillen zu lindern. So sucht Rams, ausgehend von persönlicher Erfahrung, nach besseren Behandlungsmöglichkeiten. In einem Wechselspiel aus intimem Krankheitstagebuch und dokumentarischer Recherche nimmt sie die Zuschauer mit auf eine Odyssee durch die Welt alternativer Heilmethoden: zwischen L.A., wo sie arbeitet, Besuchen bei ihrem Vater in Deutschland und bei einer Handvoll Menschen, die sich in einem radikalen Schritt entschlossen haben, ihre Medikamente abzusetzen und sich nach eigenem Gutdünken zu kurieren. Bei Rick wurde kurz nach dem Renteneintritt Parkinson diagnostiziert, und er probiert nun alternative Methoden aus. Sein Vorbild ist Howard, der seit 13 Jahren Parkinson hat, aber symptomfrei ist. Auch Hilary, vor 20 Jahren mit Multipler Sklerose diagnostiziert, ist beschwerdefrei. Junius, nach einem Schlaganfall gelähmt, erzählt, wie er sich selbst wieder in Gang brachte. Die unglaublichste Geschichte ist die von Fiona, bei der 2008 Krebs im fortgeschrittenen Stadium entdeckt wurde und die es bisher geschafft hat, dem Tod von der Schippe zu springen. Ayurveda, Ernährungsumstellung, Meditation, chinesische Medizin, Kräuter, Bewegung, Yoga, Hypnotherapie, Selbsterforschung: Es sind die üblichen Verdächtigen, die in diesen Porträts genannt werden. Doch auch in den anekdotischen Fallberichten gilt: Wer heilt, hat recht. Vielleicht sind Patienten, die Ärzte mit dem Satz »Bei Google habe ich gelesen, dass …« nerven, ja tatsächlich gelegentlich Dingen auf der Spur, die ihnen helfen könnten und von denen Ärzte im täglichen Betrieb nichts mitbekommen. So entpuppt sich der Film als Plädoyer für einen Pragmatismus von Versuch und Irrtum, für Selbstermächtigung und reuelosen Individualismus. Denn, das betonen die mehr oder weniger Geheilten: jeder Jeck ist anders und muss eigenhändig herausfinden, was ihm frommt. Psychologisch aufschlussreich ist die Erkenntnis von Fiona, die, einen jämmerlichen Krebstod vor Augen, den selbstbestimmten Suizid plante und durch die Konzentration auf dieses Ziel neuen Lebensmut entwickelte. Wenn andererseits die Vegetarierin Rams ihrem alten Vater den Fleischgenuss ausreden will, wird unfreiwillig deutlich, dass Dogmatismus abschreckend wirkt. In diesen häuslichen Szenen wird man, wie auch in Rams eigenen Experimenten z.B. mit einem Ayahuasca-Ritual, in eine unbehagliche Intimität gedrängt – zumal auch Dokumentarfilme eine Inszenierung sind und »Authentizität« schon durch die Präsenz der Kamera verfälscht wird. Die Botschaft, dass man, gerade wenn man nichts zu verlieren hat, den Mut aufbringen sollte, neue Wege auszuprobieren, ist jedenfalls beherzigenswert.

Wer heilt, hat recht

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»Heil dich doch selbst« von Yasmin Rams

»Selbstfürsorge« ist eines jener klebrigen Schlagwörter, das allerorten, von Ratgebern über Werbung bis zu Krankenkasse-Verlautbarungen, auftaucht. In diesem autobiographischen Dokumentarfilm wird der Begriff auf eine Weise ernst genommen, die Kassenärzten die Fußnägel zum kräuseln bringen dürfte. Filmemacherin Yasmin Rams leidet an Epilepsie und an den Nebenwirkungen der Medikamente.

Birgit Roschy

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