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100 Jahre Frankfurter Singakademie
A Joyful celebration
100 Jahre Frankfurter Singakademie
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Es ist um die Frankfurter Singakademie (FSA) in den letzten Jahren stiller geworden. Das nunmehr 100jährige Bestehen des Laienchores scheint Anlass genug, sich an seine bedeutende Chor-Geschichte zu erinnern. 1922 »gegründet mit dem Ziel, in der Zeit größter wirtschaftlicher Not, weitere Kreise für die Pflege alter und neuer Chormusik zu gewinnen«, versuchte sich der Initiator Fritz Gambke im Januar 1922 mit etwa 80 Damen und 30 Herren, also etwa 110 Sänger*innen, an einer Art Originalklang. Aus heutiger Sicht der Savall-, Harnoncourt- oder Herreweghe-Puristen natürlich kaum nachvollziehbar. Dennoch schaffte es der Chor schon in den ersten Jahren, denkwürdige Aufführungen großer Oratorien und anderer Chorwerke mit großen Dirigenten wie Hans Rosbaud, Carl Schuricht, Erich Kleiber oder Richard Strauss zu realisieren. Mit dem seinerzeitigen GMD der Gelsenkirchener Oper, Ljubomir Romansky, wurde unmittelbar nach dem Krieg, 1946, auf lange Jahre ein bemerkenswerter Kenner der Chorliteratur als Leiter des Chores engagiert, der sich bereits als Kapellmeister an der Oper Frankfurt Meriten und ein wichtiges Netzwerk erworben hatte. Romansky formte den Chor zu einem der anerkanntesten Interpreten großer Chorwerke wie den Requien von Mozart, Verdi, Berlioz, Oratorien von Bach, Händel und Haydn. Mit Karl Rarichs, dem späteren Verleger des CF Peters-Musikverlags, holte sich Romansky seinen ehemaligen versierten, musikalisch hochgebildeten Korrepetitor der Gelsenkirchner Jahre zur Singakademie. Rarichs, wie ganz nebenbei Initiator des Georg-Solti-Dirigierwettbewerbs und Mitbegründer der Weilburger Schlosskonzerte, studierte von 1985 bis 1990 fast alle Werke ein und verschaffte dem mittlerweile weit über die Frankfurter Grenzen hinaus bekannten FSAChor europaweite Einladungen. Das hr-Sinfonieorchester holte die Sänger*ínnen in den Sendesaal u.a. zu bemerkenswerten Aufführungen von Mahlers 2. Sinfonie unter Eliahu Inbal; der gestrenge Erich Leinsdorf kombinierte Bruckners 9. Sinfonie mit dessen Te Deum; in Konzerten seines Museumsorchesters gestaltete Michael Gielen eine seinerzeit heftig umstrittene Kombination von Arnold Schönbergs Melodram »Ein Überlebender aus Warschau« im unmittelbaren Kontext zu Beethovens 9. Sinfonie (O Freunde, nicht diese Töne ...). Die Singakademie wurde daraufhin zur Wiederholung dieses »Experiments« zu Hans Zender in Saarbrücken eingeladen. Charles Ives komponierte in seine überaus komplexe vierte Sinfonie einen lautmalerischen Chor: Christoph von Dohnanyi forderte damit die FSA und das Publikum heraus. Unvergessene Augenblicke (auch für mich, der längere Zeit seine Stimme innnerhalb des Ensembles »erheben« durfte) bis heute, wenn die Erinnerungen an 100 Jahre Chorgeschichte in Frankfurt wiederbelebt werden sollen. Nach Karl Rarichs, der, hoch geehrt, 2010 starb, etablierte Nachfolger Paulus Christmann neben dem Oratorien- noch einen Kammerchor. Nach dem plötzlichem Tod dieses hoffnungsvollen Chorleiters war fünf Jahre lang Linda Horowitz engagiert, bevor seit 2015 Jan Hoffmann bis heute die Geschicke des Chors leitet. Als stellvertretender GMD am Stadttheater Gießen hat er Projekte mit ihm gestaltet und Verbindungen nach Wetzlar geknüpft. Zum 100jährigen Bestehen ist nun ein Festkonzert im hr-Sendesaal geplant: »A Joyful Celebration« mit Georg Friedrich Händels »Messias«Oratorium »in einer Neuinterpretation, in der sich bekannte festliche barocke Klänge der Originalkomposition mit Rhythmen des Jazz und Soul aus dem ( ... ) Soul Album »A Soulful Celebration« der US-Legende Quincy Jones abwechseln«. (FSA-Ankündigung). »Für OriginalKlänge des »Messiah« sorgen an diesem Abend die Frankfurter Singakademie, drei Solist*innen und das Philharmonische Orchester Gießen. Eine 7-köpfige Soulband nebst Solist*innen und Backvocals unter der Leitung von Thomas Gabriel schlägt die klangliche Brücke direkt ins 21. Jahrhundert und bringt einige Stücke als Soul-Arrangement auf die Bühne.« Eine Soul-Vertonung des berühmten Hallelujah-Chores soll am Schluss das Publikum von den Sitzen reißen wie einst bei der Premiere 1742 in Dublin. Toi!Toi!Toi!
Termin: 19. Juni, 19 Uhr im hr-Sendesaal Karten ab 25 € unter www.hr-ticketcenter.de oder www.frankfurter-singakademie.de
Im Mittelpunkt der Welt – Bachs Motetten
Der Cäcilienchor (benannt nach der Hl. Cäcilia als Patronin der Kirchenmusik) ist ein weiteres, nicht minder bedeutsames Ensemble in der Frankfurter Chorszene – mit mehr als 200 Jahren »Erfahrung«. Unter den Sänger*innen gab´s immer den unbeschriebenen Wettbewerb, welches denn nun das »bessere«, »authentischere« sei. Nach dem zweiten Weltkrieg zunächst vom Intendanten der Oper Frankfurt, Bruno Vondenhoff, betreut und in viele Aufführungen des Opernhaus- und Museumsorchesters integriert, hat auch der Cäcilienchor (damals noch Cäcilienverein betitelt) denkwürdige Oratorien- und Konzertaufführungen unter berühmten Dirigenten realisiert. Manchmal gab´s denn auch Zusammentreffen mit der Frankfurter Singakademie, wenn beispielsweise Gustav Mahler in seiner 8. Sinfonie am liebsten eine Sängerschar »der Tausend« gewünscht hätte. Ein Sängerwettsreit der anderen Art ... Einige Jahre wurde der Chor von Enoch zu Guttenberg geleitet, der mit seiner Chorgemeinschaft Neubeuren und dem Orchester »Klangverwaltung« Furore machte. Seit 1988 führt Christian Kabitz die Geschicke des Chores. Auch er ein gewiefter Kenner des Repertoires, als Gründer bzw. Leiter der Bachchöre in Würzburg und Heidelberg, tief verwurzelt mit der Oratorientradition des Namensgebers – und 2008 bis 2013 auch Organisator des bedeutenden Mozartfests Würzburg. Nun gibt es wieder eine Möglichkeit, sich von der Gesangskunst des Cäcilienchors vereinnahmen zu lassen, wenn er sich der zauberhaften Motetten für achtstimmigen Chor und begleitende Instrumente annimmt. Der Ankündigung zu diesem bemerkenswerten Konzert können wir nur zustimmen: »Als Mozart 1789 nach Leipzig kam, sang ihm zu Ehren der Thomanerchor Bachs schönste Motette »Singet dem Herrn«. »Da ist doch einmal etwas, woraus sich was lernen lässt«, soll Mozart gerufen haben, und: »…man müsse ein großes Orchester dazu schreiben«! Das hatte Bach selbst schon erledigt, weshalb der Cäcilienchor die achtstimmigen Werke des Meisters mit zehn begleitenden Solisten musizieren wird. Und dann können die Besucher bestimmt bestätigen, was 1827 Carl Friedrich Zelter seinem Freund Johann Wolfgang von Goethe verheißen hatte: »Könnte ich Dir an einem glücklichen Tage (…) eine von Bachs Motetten zu hören geben, im Mittelpunkte der Welt solltest Du Dich fühlen.« Hingehen und staunen!
Termin: 26. Juni, 18 Uhr, Heiliggeistkirche Frankfurt www.caecilienchor.de
Bernd Havenstein