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Haben wir den Rassismus in den Knochen? Weltkulturen Museum

Vergangenheit vergeht nicht – eigentlich steckt eine Binsenweisheit in diesem Satz, aber trotzdem ist es bitter und aufschlussreich zugleich, heutzutage folgendes im Werbetext des Frankfurter Restaurants »Ivory Club« zu lesen: »Die Formel ›Englischer-ExplorerClub-im-kolonialen-Indien‹ war zum damaligen Zeitpunkt (der Eröffnung des Restaurants im Jahr 2005, die Red.) weltweit etwas völlig Einmaliges. Nicht einmal im kolonial geprägten England gab es vergleichbare Konzepte. Erstaunlicherweise dauerte es trotz des überwältigenden Erfolges fast eine Dekade, bis mit dem Gymkhana in London ein erstes vergleichbares Follow-up-Konzept die kulinarische Weltbühne betreten hat. Der Ivory Club wird aber immer der weltweite Pionier in dieser speziellen Disziplin bleiben.« Das ist jetzt KEIN Witz. So steht es HEUTE auf der Website des »Ivory Club« im Frankfurter Westend, ein Restaurant, das völlig idiotisch aussieht mit seinen zwei aufgebockten Elfenbeinzähnen am Eingang und seinen armen, in Phantasieuniformen verkleideten Türstehern, so dass man sich fragt, wer ein solches Etablissement überhaupt aufsucht ohne dass es ihm todpeinlich ist, aber gut, es mag das passende Klientel geben. Und dass sich der Club, in dem sich laut Eigenaussage Highclass-Gäste und Models die Klinke in die Hand geben, als weltweiter Pionier in dieser speziellen Disziplin geriert, ist ein Schlag ins Gesicht des sich als aufgeschlossen multikulturell gebenden Frankfurt. Die Initiative »Frankfurt postkolonial« legt während ihrer Stadtführung an diesem Platz einen Stopp ein. Die Führung gehört zum Zusatz-Programm des Weltkulturen Museums, das sich in seiner aktuellen Ausstellung »Hidden in Plain Sight« (noch zu sehen bis zum 18. Juli) mit Spuren, Folgen des sichtbaren/unsichtbaren Kolonialismus auseinandersetzt. Und genau hier an diesem Ort ist etwas Hidden in Plain Sight. Und zwar ziemlich offen. Der Bogen ist kühn geschlagen, aber keineswegs zu kühn. Er dient gerade einer Stadt wie Frankfurt, zu deren Insignien nicht nur Dom und Römer und sein multikulturelles Antlitz, das es ja durchaus hat, sondern auch die Deutsche Bank und der Zoologische Garten gehören, als hervorragendes Spielbrett zur Selbstvergewisserung. Wo steht die Stadt eigentlich, wo steht das Museum für Weltkulturen, wo kann man die Trennlinie ziehen zwischen der Zurschaustellung »zoologischanthropologischer Prachtgruppen« und Fremdenhass, der sich in Polizeigewalt und in Gewalt gegen Juden niederschlägt? Wo steht die neue Stadtregierung und wo trifft sie auf die Initiative Sichere Häfen, die für die Aufnahme von Flüchtlingen agiert? Darf man solche Fragen stellen? Ja, man darf und soll unbedingt. Sie werden zu Diskussionen führen, welche die scheinbare Plattheit dieser Verknüpfungen ganz schnell mit Inhalt füllen. Das Zusammenspiel von Museumsbesuch und Stadtführung, das Ineinander-Verzahnen von Gewesenem und Aktuellem, von den grauenhaft demütigenden Völkerschauen in Zoos zu Beginn des 20. Jahrhunderts und dem racial profiling der Polizei heute stellt einen Zusammenhang her, den man gar nicht so gerne sehen möchte. Aber vielleicht sollte? Erste Station der Führung ist das Museum selbst. Die aktuellen Diskussionen um die aus Namibia geraubten Benin- Bronzen haben das Selbstverständnis von Völkerkundemuseen überall neu hinterfragt. Und da macht das Museum in Frankfurt keine Ausnahme, sondern sieht sich sehr wohl in dieser

haben wir den rassismus in den Knochen?

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»hidden in Plain Sight« im Weltkulturen Museum und die Führung »Frankfurt postkolonial«

Fotos:

Zeichnungen von Begegnungen zwischen Einwohnerinnen Serams und Europaeerinnen auf Bambusbehältern für Kanarinusspaste Künstlerinnen unbekannt. Erworben von Hermann Niggemeyer, Foto: Wolfgang Künzel

Inventarkarte eines Sammlungsobjekts mit der Bezeichnung Bambusköcher für Kanarinusspaste, Foto: Weltkulturen Museum

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