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Nina Wu
Und natürlich wird, wie es sich für eine Komödie gehört, auch das Tragische gestreift. Dafür ist vor allem die Großmutter zuständig, die sich in ihrer Starrköpfigkeit auch nicht zu ihrer eigenen Liebe bekennen kann, und das ganze Geschehen stets an den Rand zur Katastrophe steuert. Aber es gibt auch Momente, die ziemlich genau darauf hinweisen, dass die Geschichte des Holocaust in Wirklichkeit nicht mit einem Liebespaar und nicht mit sarkastischen Bemerkungen erledigt werden kann. Für das Gelingen einer romantischen Komödie ist übrigens Musik mehr als nur eine wichtige Zutat. Hier wird sie sowohl in der klassischen Soundtrack-Funktion als auch in hübschen Zwischenschnitten auf ein Trio eingesetzt, das in sehr unterschiedlichen Kleidungen sehr unterschiedliche Musik spielt: Einer der kleinen Verfremdungseffekte, mit denen der Film auf seine eigene Traumhaftigkeit hinweist. Was kann man also einem Film wie diesem vorwerfen? Dass es leider nur ein Film ist. Die Wirklichkeit ist selten so leichtherzig. Ach ja: Und was man bei romantischen Komödien noch berücksichtigen muss! Das Wort »Kitsch« darf man nicht wirklich fürchten. Aber selbst im kitschigsten Moment kommt ein One-Liner um die Ecke. »Ihr Deutschen versteht es wirklich, einen romantischen Moment zu ruinieren.« Nicht, wenn wir den Mund voll Popcorn und die Augen voller Halbtränen haben.
Georg Seeßlen
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KISS ME KOSHER von Shirel Peleg, D 2020, 101 Min. mit Moran Rosenblatt, Luise Wolfram, Rivka Michaeli, Juliane Köhler, Bernhard Schütz, Irit Kaplan Komödie Start: 10.09.2020 HHHII
Ein Film in Rot »Nina Wu« von Midi Z
47 Jahre ist es her, dass François Truffaut uns mit seiner Liebeserklärung an das Kino verzauberte. »Die amerikanische Nacht« war nicht einfach nur die Schilderung von Dreharbeiten an einem fiktiven Spielfilm, es war magisches Kino, das sogar den Blick hinter die Kulissen verklärte. Im Gegensatz dazu haben wir es heute in den Nachrichten mit der Weinstein-Affäre zu tun und mit einem Film wie »Nina Wu«, der zu den ersten Reaktionen darauf gehören dürfte und einem sensiblen Gemüt die Lust am Kino so richtig verderben kann.
Der Vergleich, der ein wenig unfair erscheinen mag, zeigt deutlich, wie sich der kinematografische und auch gesellschaftliche Blick in den letzten fünfzig Jahren verändert hat. Heutzutage gibt es zwei Richtungen: Die eine führt in eine heile Welt mit Happy-End; hier findet man romantische Komödien, die vorwiegend von weiblichen Zuschauern goutiert werden. Die andere führt, mt zunehmender Drastik, in menschliche Abgründe. Quentin Tarantino, ein Experte auf diesem Gebiet, soll sich laut FAZBlog in Cannes »Nina Wu« höchst konzentriert bis zum Ende angeschaut haben, und für das amerikanische Traditionsblatt »Variety« ist Regisseur Midi Z gar »zu einem Star der Arthouse-Szene in Asien geworden«. Das verwundert nicht, schildert er doch in »Nina Wu« die systematische Demütigung einer zunächst hoffnungsvollen Nachwuchsschauspielerin in starken Bildern. Die Titelheldin (Ke-Xi Wu) hat einen großen Traum: Sie strebt in Taipeh eine Schauspielkarriere an, hat es bisher aber nur zu einigen Auftritten in Werbespots, Kurzfilmen und als Webcam-Girl gebracht. Deshalb sieht sie in dem Angebot für die weibliche Hauptrolle in einem Spionage-Thriller, das sie von ihrem Manager Mark (Lee-zen Lee) erhält, ihre große Chance, zögert aber, weil das Drehbuch einige deutliche Nackt- bzw. Sexszenen enthält.
Nach einigem Zureden entscheidet sich Nina, die Rolle anzunehmen. Doch während des Drehs erweisen sich nicht nur die Sexszenen, sondern auch die Drangsalierungen des Regisseurs (Ming-shuai Shih) als Zumutung für sie. Der Film wird ein großer Erfolg, was nur behauptet wird und man bei den wenigen Szenen, die am Set zu sehen sind, kaum glauben mag. Nina kann den Erfolg nicht genießen. Ihr Zustand wir immer kritischer, weil zu den traumatischen Dreherlebnissen auch noch ihre dramatischen Familienverhältnisse hinzukommen. Ihr Vater geht bankrott, und ihre Mutter erleidet einen Herzinfarkt. So lässt sie sich erneut zu einem Casting einladen, in dem der Produzent sie auf schockierende Weise demütigt.
»Nina Wu« kommt visuell sehr anspruchsvoll daher, Rot ist die dominierende Farbe. In kalkulierten Einstellungen wird eine bedrohliche Atmosphäre erzeugt. Leider ist das auch das einzig Positive, das man über diesen Film sagen kann. Denn nicht nur zieht sich die Handlung schleppend dahin, auch ist am Ende der Sadismus, den Regisseur Midi Z uns Zuschauern zumutet, nur schwer zu ertragen.
Claus Wecker
NINA WU (Juo ren mi mi) von Midi Z, Taiwan 2019, 102 Min. mit Ke-xi Wu, Vivian Sung, Kimi Hsia, Ming-Shuai Shih Drama Start: 03.09.2020 HIIII