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4 Zielkonflikte in der Konjunkturpolitik

Aufgabe 2 Konjunkturindikatoren – der Zeit voraus

Lesen Sie die Ausschnitte aus einem Artikel der Zeitschrift «Bilanz» und beantworten Sie anschliessend die Fragen dazu.

Indikatoren: Der Zeit voraus

Investoren gieren nach Konjunkturdaten. Neue Indikatoren wie Google-Suchabfragen oder Luftfrachtraten können Anlegern für die Börse richtungsweisende Anhaltspunkte geben.

Hans Peter Arnold

Zu ungenau, zu optimistisch, zu langsam: Das ist der wenig löbliche Kommentar von Klaus Zimmermann, Professor für Wirtschaft an der Universität Bonn, zu Konjunkturprognosen. Wie hoch die Prognoserisiken sind, offenbaren die teilweise erheblichen Revisionen. Zum Beispiel beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco): Im März 2012 sagte das Seco der Schweiz für das laufende Jahr ein reales Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent voraus. Nur drei Monate später korrigierte die Expertengruppe des Bundes das Wachstum um 0,6 Prozentpunkte auf 1,4 Prozent nach oben. […] Um zuverlässigere Prognosen zu generieren, werden heute neue Datenquellen und Erhebungsmethoden evaluiert. Bereits gibt es mehrere Studien, die auf Basis von Suchabfragen auf Google eine Prognosekraft ableiten. So haben die Forscher Concha Artola und Enrique Galán in der Studie «Tracking the Future on the Web» den Zusammenhang zwischen Google-Abfragen nach Automarken und den tatsächlichen Autoverkäufen nachgewiesen. Auch im Tourismussektor sind solche Korrelationen offensichtlich. Der Reiz solcher Analysen besteht sowohl in der hohen Aktualität der Daten wie auch in der Beinahe-Repräsentativität – aufgrund der breiten Internetnutzung. […] Längst nicht nur das Verhalten von Internetnutzern bietet sich für Real-Time-Analysen und als Baustein für Frühindikatoren an. Getestet werden derzeit unter anderem EchtzeitAnalysen von Handels- und Verkehrsströmen. Dies geschieht zum Beispiel mithilfe von Satelliten, welche die Zahl der auf den Weltmeeren verkehrenden Frachtschiffe sowie ihre Geschwindigkeit aufzeichnen. Die Gegenwart hier und jetzt beobachten: «Now-Casting» heisst dieser Trend, dem sich allerdings die etablierten Prognoseinstitute nur zögerlich zuwenden. Für David Marmet, Leiter Volkswirtschaft Schweiz bei der ZKB, steht aber fest, dass Real-Time-Analysen ein grosses Potenzial haben. Umfragebasierte Erhebungen könnten so ins Hintertreffen geraten: «Von der Durchführung von Umfragen bis zur Publikation der daraus gewonnenen Resultate verstreicht bekanntlich viel Zeit.» In der Kritik stehen insbesondere Fragen, die in die Zukunft gerichtet sind, allerdings erheblich vom aktuellen Zeitgeist beeinflusst werden. So befragt die Credit Suisse beispielsweise im sogenannten ZEW-Indikator des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung Analysten in der Schweiz nach der Konjunkturtendenz der kommenden Monate. Oder das Seco erhofft sich von Konsumenten Aufschluss über künftige grössere Anschaffungen. «Wir müssen neue kurzfristige Indikatoren gewinnen», fordert Klaus Zimmermann angesichts der voranschreitenden Internetökonomie. Die aktuelle Standortbestimmung sei ja schon höchst anspruchsvoll. «Internetdaten, die praktisch kontinuierlich erhoben werden können, helfen uns, die gegenwärtige Lage zu bestimmen.» Als Leiter des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) hat Zimmermann den Toll-Index lanciert, der Maut-Daten aus dem Gütertransport auf den Autobahnen verwendet. Neben realwirtschaftlichen Fakten sollten Daten zu Finanzströmen ein stärkeres Gewicht haben, meint Susanne Haury von Siebenthal von Publica, der Pensionskasse des Bundes. Haury von Siebenthal steht mit dieser Aussage nicht allein. Auch andere Experten wie Finanzmarktprofessor Erwin Heri sehen gerade die Börsenindizes als wertvolle Signalgeber Schliesslich seien in den Aktienkursen alle zurzeit verfügbaren Informationen unmittelbar enthalten. Viele Prognostiker vernachlässigen diesen Sektor jedoch sträflich. […] Neben Daten aus einzelnen Ländern und Zonen sind globale Konjunkturdaten besonders wertvoll. Dazu gehören etwa die Fracht- und Passagierdaten der IATA, des internationalen Branchenverbandes der Luftfahrtindustrie. Die Daten zur Luftfracht weisen derzeit kaum auf eine Expansion der Wirtschaftsaktivität hin, was Investoren eher zu Vorsicht mahnt und dazu, mit Zukäufen zu warten. Aufschlussreich ist schliesslich das Geschäft der Halbleiterindustrie. Nicht nur in DesktopPCs, Notebooks und Smartphones stecken Halbleiter. Immer mehr Konsum- und Industriegüter sind von Prozessoren durchsetzt. Der Geschäftsgang dieser Branche ist ein verlässlicher Signalgeber für die Weltwirtschaft. Aktuell sind etwa die Daten der in Nordamerika ansässigen Investitionsgüter-Unternehmen (www.semi.org). Im Juni schwächten sich die Aufträge sowohl gegenüber Mai wie auch gegenüber dem Vorjahresmonat erheblich ab. Die schlechten Halbjahreszahlen der meisten IT-Konzerne waren vor diesem Hintergrund eine logische Folge. Selbst unter Einbezug der neuen Generation von Indikatoren ist es höchst anspruchsvoll, den Konjunkturverlauf zuverlässig abzuschätzen. Die Zyklen werden kürzer, die Ausschläge grösser. Vor allem: Der Einfluss der Politik und der Zentralbanken ist exponentiell gestiegen. Nebst Zinssenkungen hätten die wichtigsten Zentralbanken mit unkonventionellen Massnahmen auf die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise reagiert, erklärt David Marmet von der ZKB. Die Modelle, deren sich die Ökonomen in der Vergangenheit bedient hätten, büssten einen Teil ihrer Prognosekraft ein. Marmet: «Ökonomie und Politik hängen heute wesentlich stärker zusammen.»

Quelle: «Bilanz», 14.09.2012

a) Warum werden die bisher üblichen Konjunkturprognosen kritisiert?

Sie sind zu ungenau, zu optimistisch, zu langsam. Die Zahlen müssen häufig nach einer bestimmten Zeit nach unten korrigiert werden.

b) Was unterscheidet die bisherigen Prognoseindikatoren grundsätzlich von den neuen

Indikatoren?

Bisherige Indikatoren basierten in erster Linie auf Umfragen. Neue Indikatoren stützen sich auf Real-Time-Analysen, also auf Daten, die sofort verfügbar sind.

c) Warum sollen neben realwirtschaftlichen Fakten vermehrt auch Daten zu Finanzströmen (z. B. Aktienindizes) in Prognosen einfliessen?

In Börsenindizes sind alle aktuell verfügbaren Informationen unmittelbar enthalten.

d) Nennen Sie drei neue Indikatoren, die im Text erwähnt werden.

Bestimmte Suchabfragen bei Google Daten zur Luftfracht

Daten zum Geschäftsgang der Halbleiterindustrie

e) Interpretieren Sie die Aussage, dass der Einfluss der Politik und der Zentralbanken gestiegen und Prognosen deshalb schwieriger seien.

Wenn der Staat und die Zentralbank auf Prognosen direkt mit politischen Mitteln reagieren, beeinflussen sie die konjunkturelle Entwicklung und verhindern so das Eintreten der Prognose.

Aufgabe 3 Zielkonflikte in der Konjunkturpolitik

Lesen Sie den Abschnitt zu den Zielkonflikten in der Konjunktur- und Wirtschaftspolitik (Theorie, S. 8) aufmerksam durch und beantworten Sie die folgenden Fragen.

a) Zwischen welchen Zielgrössen werden beispielhaft drei Zielkonflikte beschrieben?

Vollbeschäftigung und ausgeglichener Staatshaushalt Vollbeschäftigung und Preisstabilität Sozialer Ausgleich und Wirtschaftswachstum

b) Fassen Sie die Inhalte der beschriebenen Zielkonflikte in eigenen Worten zusammen;

Sie können dabei mit Stichworten und Folgepfeilen arbeiten.

1. Vollbeschäftigung – ausgeglichener Staatshaushalt Ausgangslage = Rezession (Folge Arbeitslosigkeit) Ziel Vollbeschäftigung  Staat erhöht Ausgaben und senkt Steuern  Staatsdefizite/werden im folgenden Konjunkturaufschwung nicht ausgeglichen; Ziel ausgeglichener Staatshaushalt verfehlt 2. Vollbeschäftigung – Preisstabilität Ausgangslage = Rezession (Folge Arbeitslosigkeit) Ziel Vollbeschäftigung  SNB weitet Geldmenge aus:  Inflation (falls Geldstrom > Gütermenge), Ziel Preisstabilität verfehlt 3. Sozialer Ausgleich – Wirtschaftswachstum Ziel sozialer Ausgleich gefährdet: Furcht vor Nachfrageeinbruch, Arbeitslosigkeit und sozialen Spannungen. Staat unterstützt Branchen/Firmen  führt zu ineffizientem

Einsatz von Ressourcen:  Ziel Wirtschaftswachstum gefährdet

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