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1 Der Konjunkturzyklus
from KBZ-VWL-LV
1 Der Konjunkturzyklus
Die Wirtschaftsentwicklung ist gekennzeichnet durch Phasen des Auf- und Abschwungs. Der Konjunkturzyklus beschreibt sich wiederholende Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung. Ein vollständiger Zyklus kann in vier typische Phasen unterteilt werden: Konjunkturaufschwung, Hochkonjunktur oder Boom, Konjunkturabschwung und schliesslich eine Rezession. Ist diese besonders stark, sprechen wir von einer Depression.
BIP in Mia. CHF
Konjunkturabschwung
Rezession, Depression Hochkonjunktur, Boom
Konjunkturaufschwung Konjunkturabschwung
Rezession, Depression
Vollständiger Konjunkturzyklus Wachstum bei optimaler Auslastung der Produktionsfaktoren, Produktionspotenzial oder Trend-Wachstum
Konjunkturelle Entwicklung (mit Aufschwungs- und Abschwungsphase)
Zeit
Die einzelnen Phasen dauern in Wirklichkeit unterschiedlich lang; sie verlaufen nicht gleichmässig, wie dies aufgrund der schematischen Darstellung einer vollständigen Wellenbewegung den Anschein erweckt.
In einer Hochkonjunktur (Boom) sind die vorhandenen Produktionsfaktoren vollständig ausgelastet, und die gesamtwirtschaftliche Leistung erreicht Rekordwerte. In gewissen Branchen kann es trotz des Ausbaus der Kapazitäten und Überzeitarbeiten zu Produktionsengpässen kommen. Dies kann bei anhaltend hoher Nachfrage zu Preiserhöhungen führen. Boomphasen weisen deshalb oft inflationäre Tendenzen auf. Der Arbeitsmarkt ist ausgetrocknet, und es herrscht beinahe Vollbeschäftigung, weil die Unternehmungen alle verfügbaren Arbeitsplätze besetzen. Die Unternehmungen benötigen viel Kapital, um Investitionen zu tätigen. Als Folge davon steigen die Preise für ausgeliehenes Geld: die Zinsen. Die guten Unternehmungsergebnisse führen zu hohen Steuererträgen des Staates. Gleichzeitig können in dieser Phase die staatlichen Ausgaben zurückgefahren werden, weil z. B. weniger Mittel für den sozialen Ausgleich aufgewendet werden müssen. Allfällige Haushaltsüberschüsse können zum Abbau von Staatsschulden verwendet werden.
In der Talsohle, einer Rezession, sind dagegen die gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten stark eingeschränkt. Weil Unternehmungen zunehmend sinkende Umsätze verzeichnen, werden Kapazitäten abgebaut und Personal wird entlassen; entsprechend steigt die Arbeitslosigkeit an. Offiziell sprechen wir von einer Rezession, wenn das reale BIP (nach Berücksichtigung allfälliger Veränderungen des Preisniveaus) in zwei aufeinander folgenden Quartalen stagniert oder abnimmt.1 Wenn das reale BIP mehr als 10% abnimmt oder wenn die Phase des Negativwachstums mehr als 3 Jahre beträgt, spricht man von einer Depression. Beispiele für Depressionen sind die Grosse Depression in den USA (1929–33), der Zusammenbruch der Sowjetunion (1989–98) und die Währungs- und Regierungskrise in Argentinien (1998–2002).
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befinden sich in dieser Situation gegenüber den Unternehmungen in einer schwächeren Position und müssen in solchen Phasen Lohneinbussen oder gar Kündigungen in Kauf nehmen. Dies führt insgesamt zu stagnierenden oder gar sinkenden Einkommen, was die Gesamtnachfrage vermindert. Aufgrund der schwachen Nachfrage versuchen Unternehmungen, ihre Produkte zu tieferen Preisen abzusetzen, was in deflationäre Tendenzen2 münden kann. Die staatlichen Einnahmen gehen zurück, weil sowohl Unternehmungen als auch Private aufgrund der geringeren Gewinne und sinkender Einkommen weniger Steuern bezahlen. Gleichzeitig nehmen die Staatsausgaben im Bereich der sozialen Wohlfahrt zu (z.B. infolge vermehrter Arbeitslosigkeit), was die Gefahr von Haushaltsdefiziten erhöht.
Konjunkturschwankungen entstehen nicht einfach aus dem Nichts, sondern werden durch Veränderungen im sozialen, ökonomischen und/oder ökologischen Teilsystem ausgelöst. Allerdings treten solche Veränderungen meistens überraschend auf, oder sie können aussergewöhnlich heftig sein, sodass sie kurzfristig nicht durch entsprechende Gegenmassnahmen aufgefangen werden können.
Aus der Vielzahl möglicher Auslöser für Konjunkturschwankungen werden hier einige typische aufgeführt:
■ Ökonomische Ursachen – Die Zentralbank weitet die Geldmenge aus oder schränkt sie ein. In der Folge verändern sich Preise, Löhne und Zinsen, mit entsprechenden Konsequenzen auf dem Kapital-, Arbeits- und Gütermarkt. – Irgendein Element der Nachfrage nach Gütern (staatlicher oder privater Konsum, Exportnachfrage) nimmt zu oder ab. Das kann z. B. aufgrund von Wechselkursschwankungen, einer konjunkturellen Veränderung im Ausland oder haushaltspolitischen Massnahmen des Staates geschehen. – Das Gesamtangebot wird grösser oder kleiner, z. B. weil das Arbeitskräfteangebot durch Zu- oder Abwanderung schwankt oder weil aus politischen Gründen massive Kapitalzuflüsse oder -abflüsse erfolgen.
1 Oft wird von Ökonomen dabei der Begriff «technische Rezession» verwendet. 2 Unter Deflation verstehen wir einen Rückgang des durchschnittlichen Preisniveaus.
■ Soziale Ursachen – Aussen- oder innenpolitische Veränderungen bewirken Optimismus oder Pessimismus in der Gesellschaft. – Religiöse oder kulturelle Veränderungen beeinflussen die Grundhaltungen der Menschen, z. B. in Bezug auf Sparen und Konsum.
■ Ökologische Ursachen – Naturkatastrophen, Rekordernten oder der Fund neuer Rohstoffvorkommen können vorübergehend zu einem massiv veränderten Güterangebot mit entsprechenden Konsequenzen für das Preisniveau sorgen.
Hinweis für Lehrpersonen
▼ PPT-Folie/Tafelbild: Folien 3/4 (animiert)
2 Konjunkturzyklus
Zu Seite 2
Band 3 Ursachen für Konjunkturschwankungen
Soziale Ursachen Kulturelle … Religiöse … Politische … … Veränderungen
Ökonomische Ursachen
Angebotsänderungen Nachfrage- änderungen
Änderung der Geldmenge
Rekordernten
Rohstofffunde Natur- und Umweltkatastrophen Ökologische Ursachen
Rüfenacht/Saxer/Tobler: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft © Verlag SKV
▼ Hinweis zum Begriff «technische Rezession»:
3
Der Begriff Rezession wird heute in Analysen eher vorsichtig verwendet, um nicht durch diesen Begriff alleine schon schlechte Konjunkturaussichten zu implizieren.
Dies auch deshalb, weil gemäss der «strengen» Definition bereits mit sehr geringen Wachstumsraten des realen BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen (z. B. – 0,2 % in einem und – 0,1 % im folgenden Quartal) «technisch» bereits eine Rezession vorliegen würde, in Wirklichkeit aber andere Indikatoren wie z. B. die Auslastung in der Industrie oder die Beschäftigungslage durchaus noch in einem günstigen Bereich liegen können und deshalb die Einschätzung als «Rezession» (noch) nicht angezeigt ist.