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1 Voraussetzungen für die Strafbarkeit einer Handlung
from Recht 18 - SV
Problemlöseschema im Strafrecht 1 Voraussetzungen für die Strafbarkeit einer Handlung
Damit eine Tätigkeit zu einer strafbaren Handlung wird (die Juristen sprechen von einem «Delikt»), müssen verschiedene Voraussetzungen geprüft werden.
Straftatbestände aus dem Strafgesetzbuch (StGB)
(1) Tatbestandsmässigkeit
Ein gesetzlicher Tatbestand umschreibt die tatsächlichen Voraussetzungen für seine rechtlichen Konsequenzen. Im Strafrecht unterscheiden wir objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale.
Objektive Tatbestandsmerkmale: Täter, Handlung, Kausalzusammenhang? Eine erste Voraussetzung beinhaltet das so genannte Legalitätsprinzip, das im ersten Artikel des Strafgesetzbuches festgehalten ist: «Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.» Ein Verhalten muss danach durch einen Gesetzesartikel als strafbar erklärt sein. Genau diese Aufzählung von strafbaren Handlungen enthält der zweite Teil des Strafgesetzbuches. Die Marginalien zu den Artikeln 111ff. StGB lesen sich denn auch wie eine Anleitung zu einem Kriminalroman: Mord und Totschlag, schwere Körperverletzung, Veruntreuung, Diebstahl, Raub, Betrug, Freiheitsberaubung und Entführung, Vergewaltigung, Geld- oder Urkundenfälschung sind nur einige Beispiele daraus. Die folgende Abbildung mit den Kapitelüberschriften des zweiten Teils des Strafgesetz-buches vermittelt eine Übersicht über mögliche Straftatbestände.
• Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben • Strafbare Handlungen gegen das Vermögen • Strafbare Handlungen gegen die Ehre und den Geheim- oder Privatbereich • Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit • Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität • Verbrechen und Vergehen gegen die Familie • Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen • Verbrechen und Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit • Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr • Fälschung von Geld, amtlichen Wertzeichen, amtlichen Zeichen, Mass und Gewicht • Urkundenfälschung • Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Frieden • Straftaten gegen die Interessen der Völkergemeinschaft • Verbrechen und Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung • Vergehen gegen den Volkswillen • Strafbare Handlungen gegen die öffentliche Gewalt • Störung der Beziehungen zum Ausland • Verbrechen und Vergehen gegen die Rechtspflege • Strafbare Handlungen gegen die Amts- und Berufspflicht • Bestechung • Übertretungen bundesrechtlicher Bestimmungen Subjektive Tatbestandsmerkmale: Vorsatz, Eventualvorsatz, Fahrlässigkeit? Bestraft werden kann nur, wer für sein Verhalten eine Schuld trägt. Im Strafgesetzbuch wird für das Verschulden zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden (Art. 12 StGB). Während beim Vorsatz ein «Verbrechen oder Vergehen mit Wissen und Willen» ausgeführt wird, handelt ein Täter dann fahrlässig, wenn er «die Folgen seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit» nicht bedacht hat. In unserem Eingangsbeispiel kann davon ausgegangen werden, dass Marco L. den Unfall nicht vorsätzlich verursacht hat. Die Tatsache, dass er mit übersetzter Geschwindigkeit in die Kurve raste, macht ihn aber trotzdem schuldig, sein Verhalten war fahrlässig. Man würde in diesem Fall sehr wahrscheinlich von grober Fahrlässigkeit ausgehen; eine solche ist dann gegeben, wenn wir den Satz «so etwas darf nicht passieren» anwenden können. Falls gilt, «so etwas kann passieren», sprechen wir von leichter Fahrlässigkeit. Gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB handelt bereits vorsätzlich, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Eventualvorsatz).
(2) Rechtswidrigkeit
Spontan wird man zwar sagen, dass eine Straftat wie Mord oder Totschlag grundsätzlich immer rechtswidrig sei. Wenn eine angegriffene Person aber aus Notwehr einen Angreifer verletzt, so ist die Rechtswidrigkeit nicht gegeben.
Rechtfertigungsgrund: Notwehr und Notstand? Gemäss Art. 15 StGB ist eine angegriffene Person ausdrücklich berechtigt, den Angriff in «einer den Umständen angemessenen Weise» abzuwehren. Eine Frau, die sich gegen eine drohende Vergewaltigung wehren kann, indem sie durch heftige Gegenwehr mit einem harten Gegenstand das Auge ihres Peinigers verletzt, begeht demzufolge keine strafbare Handlung. Ebenfalls keine strafbare Handlung begeht diejenige Person, die für eine bestimmte Tat einen Notstand geltend machen kann (Art. 17 StGB). Wenn D. Schmid unbefugt in den Keller der Liegenschaft seiner Nachbarin eindringt (die momentan ortsabwesend ist), um drohende Wasserschäden infolge einer Überschwemmung zu verhindern, so wird er sich im Falle eines Streites auf Notstand berufen können und deshalb den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs nicht erfüllen. Die Überprüfung einer strafbaren Handlung auf Rechtswidrigkeit bedeutet folglich, dass eine Tat nur dann strafbar ist, wenn die Handlung weder aus Notwehr noch im Notstand erfolgte.
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