[kon]STRUKTIV Gestaltung mit Charakter
Schwerpunkt: Tradition Ausgabe #01 | 2009 | www.struktiv.at
Editorial
* Zitat Gustav Mahler
Tradition ist Schlamperei* Tradition ist, wenn auch oft mit dem Schleier der Geschichte, dem Vergangenen belegt, eines der aktuellsten Themen unserer Zeit. Sie begegnet uns täglich in religiösen, politischen, wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Systemen. Die gesellschaftlichen und familäre Werte und Sitten prägen, beeinflussen und vereinfachen unser Leben von Geburt an. Tradition beschreibt jene Verhaltens- und Handlungsmuster, die uns im Unterschied zu unseren Instinkten nicht angeboren sind. Krieg oder Krankheit fordern das Leben ganzer Generationen und gefährden somit die Weitergabe kultureller Werte in diesen Staaten. Tradition kann zu Schlamperei werden, wenn sie nicht mehr als Basis, als das Fundament für Entwicklung und Fortschritt gedacht wird, sondern als gemütliches Sofa, das die Trägheit des Menschen unterstützt. In dieser Sonderausgabe geben zehn individuelle Interviews einen Einblick in den beruflichen und privaten Umgang mit dem Thema Tradition.
Dieter Mayer, STRUKTIV e.U.
Herausgeber
Adresse
Firmendaten
Magazin
Dieter Mayer
STRUKTIV e.U.
FB-Nummer: 12346a
Papier: Nettuno, pesca R41, 140g
Engelmannsbrunn 99
FB Gericht: St.Pölten
Schrift: Typ 1451, Garamond
3470 Kirchberg am Wagram
Auflage: 100 Stück
office@struktiv.at
Titelbild
www.struktiv.at
Glockenweihe, Absdorf, 1955
≠05 | Inhaltsverzeichnis
Schwerpunkt: Tradition ≠06 | Christoph Thun-Hohenstein | Geschäftsführer: departure wirtschaft, kunst und kultur gmbh Tradition ist Verbundenheit. ≠07 | Doris Eberstaller-Fleischanderl | Geschäftsführerin: eberstaller zauner büros Tradition lebt. ≠08 | Birgit Denk | Musikerin Tradition ist Auftrag. ≠09 | Josef Morgenbesser | Pfarrer i.R.: Kirchberg am Wagram Tradition ist Überlieferung. ≠10 | Hubert Matt | Hochschullehrer: Universität Innsbruck, FH Vorarlberg Tradition ist Zukunft. ≠13 | Agnes Giefing | Inhaberin: princess in progress* Tradition ist wichtig. ≠14 | Brigitte Bernhard | Coach Tradition ist Ritual. ≠15 | Christian Feurstein | Herausgeber: Landjäger Magazin Tradition ist Gegenwart. ≠16 | Alexis Nshimyimana Neuberg | Obmann: Radio Afrika TV Tradition ist Identität. ≠19 | Bettina Schulz | Chefredakteurin: Novum Tradition ist verbindend.
≠06 | Tradition ist Verbundenheit. www.departure.at
Christoph Thun-Hohenstein Geburtsjahr 1960
nen erreicht. Liegt vielleicht genau darin die Problematik des Designs in Österreich, dass die verantwortlichen Interessenvertretungen es in den letzten Jahren versäumt haben, genau diese Diskussionen in der Öffentlichkeit zu suchen und zu führen?
Was bedeutet für Sie Tradition?
Ich denke, wir sind hier bereits auf dem richtigen Weg. Design wird immer mehr zum Thema gemacht. Das soll nicht heißen, dass hier nichts mehr zu tun wäre. Das österreichische Designforum, sowie die schon erwähnte Vienna Design Week schaffen Öffentlichkeit für Design und bemühen sich auch mit unserer Unterstützung um Zusammenarbeit zwischen klassischen Betrieben und jungen Designern. „departure“ startet auch mit anderen zentralen Partnern Kooperationen, um Design eine Plattform zu geben.
Kultur hat Tradition in Wien: Bildende Künste, Oper und Musik generell, Design, Theater und Literatur sind nur einige der Bereiche, die mich brennend interessieren, aber es gilt, diese Traditionen auch immer aus dem Geist der Gegenwart zu leben.
„departure“ hat seit 2004 12,6 Millionen Euro in die Kreativität Österreichs, besser gesagt, Wiens investiert. Gibt es bereits Erfahrungen, wieviel Kreativität in den klassischen Betrieben angekommen ist?
Geburtsort Wolfsberg
Wie definieren Sie den Begriff Tradition für sich? „Tradition ist die Weitergabe des Feuers nicht, aber die Anbetung der Asche“, sagte Gustav Mahler, und dieser bekannten und positiven Definition kann ich nur zustimmen. Tradition umgibt uns alle und ist Teil jeder Kultur. Es gilt das Beste daraus zu machen.
„departure“ verfolgt die Etablierung kreativer Services, wie etwa Design als selbstverständliche Dienstleistung für klassische Betriebe. Spricht man mit Gestaltern in Holland, so scheint es, dass Design in Holland bereits eine klassische Dienstleistung ist. Woran fehlt es noch, um dieses Ziel in Österreich zu erreichen? Hier muss das Bewusstsein weiter gestärkt werden. In Österreich ist Design noch keine Selbstverständlichkeit und noch nicht als positive Notwendigkeit verankert. Doch Initiativen wie die der Vienna Design Week sowie die Tätigkeit von „departure“ versuchen eine nachhaltige Bewusstseinsänderung herbeizuführen.
Im Look/Book 2008 schreiben Sie: „In Österreich wird Design noch vielfach ignoriert oder als bloße Behübschung wahrgenommen. Dies hat dazu geführt, dass zahlreiche Traditionsunternehmen trotz ihrer unbestrittenen Qualität von der Bildfläche verschwunden sind, und bringt auch jene designignoranten Firmen, die bisher überlebt haben, zunehmend in Schwierigkeiten.“ Wie kann qualitativ hochwertiges Design Betriebe aufwerten und konkurrenzfähig halten? Da gibt es eine lange Liste von best practice Beispielen. Wie Design zum entscheidenden Verkaufsfaktor werden kann, hat unter anderem Apple eindrucksvoll mit Erfolgsgeschichten wie dem ipod bewiesen. Aber auch alteingesessene Unternehmen wie die Porzellanfabrik Khala oder die Glasmanufaktur Riedel haben durch die Verbindung von Funktionalität, Qualität und Design gepunktet.
Gesellschaftliche Akzeptanzen für Themen werden heutzutage oftmals durch bewusst geführte öffentliche Diskussio-
Es gibt einige wegweisende Beispiele von traditionsreichen Betrieben, die sich mit der Unterstützung von departure deutlich verjüngt haben. Rund 100 Jahre nach der Gründung übernahm mit Klaus Mühlbauer die vierte Generation das traditionsreiche Familienunternehmen Mühlbauer. Gemeinsam mit seiner Schwester Marlies entwirft er Hutkollektionen, die heute auf der ganzen Welt erhältlich sind. Zu den renommiertesten Kunden des Hauses zählen u.a. 10 Corso Como in Mailand, Le Bon Marché in Paris oder Bergdorf Goodman in New York. Das Glasunternehmen Lobmeyr hat mit jungen Designerinnen wie Lucy.D oder Polka neue Serien verwirklicht.
Gibt es für Sie Anknüpfungspunkte zwischen Tradition, Kreativität und Individualität? Diese drei Begriffe gehören für mich in vielerlei Hinsicht zusammen und müssen auch immer wieder gemeinsam gedacht werden.
Was ist Ihr Ausblick für das Entwicklungspotential von Design in Österreich? Das Potential ist auf jeden Fall da. Spannende Designbüros wie Soda Designers, dottings Industrial Design, danklhampel, Walking Chair oder bkm haben noch viel vor und werden unsere Zukunft gestalten. Insbesondere in Zeiten der Finanzkrise sind unkonventionelle und innovative Lösungen gefragt. Alleinstellungsmerkmale wie Design werden noch wichtiger, um sich am Markt zu behaupten. Dies gilt es als Chance zu betrachten.
≠07 | Tradition lebt.
www.ezb-fluss.at
Doris EberstallerFleischanderl Geburtsjahr 1976 Beruf Fischökologien, Landschaftplanerin Geburtsort Krems an der Donau
Was verstehst du unter dem Begriff Tradition? Über Generationen weitergegebenes Wissen und Fertigkeiten.
Was bedeutet für dich Tradition? Zum Begriff Tradition habe ich zugegebenermaßen ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits ist der Begriff für mich positiv belegt, da Traditionen die Identität von Gemeinschaften, Kulturen oder Regionen bestimmen bzw. festigen können. Andererseits können Traditionen zur Einschränkung des persönlichen Freiraumes führen, wenn zum Teil nur aus Gewohnheit gepflegte Werte die Akzeptanz und Umsetzung neuer Ideen und Ansichten strikt verhindern.
Welche Traditionen lebst du ? Ich lebe die Tradition eines klassischen Lebens mit den aktuellen Schwerpunkten Arbeiten und Haus bauen. Auch der „Rückzug aufs Land“ - wir wohnten zuvor viele Jahre in Wien- hat für mich durchaus traditionelle Aspekte.
Die Intention eurer Firma war es, das auf Universitätsebene erworbene Wissen in einem der ursprünglichsten Wirtschaftszweige, der Wasserwirtschaft, umzusetzen. Ist das immer noch Intention oder schon Realität? Das ist überraschenderweise Realität geworden. Es gelingt uns durchaus, das universitär erworbene Wissen angewandt in die Praxis umzusetzen.
Wie betreibt ihr Bewusstseinsbildung zum Thema Gewässer und wie reagieren die Menschen, wenn sie mit dieser Problematik konfrontiert werden? Grundsätzlich sehr wohlwollend, weil der ökologische Gedanke in den letzten Jahrzehnten sehr im Aufschwung ist. Die Schönheit der Natur und die biologische Vielfalt wecken bei den Menschen Symphathien. Schränken die Bedürfnisse und Forderungen der Ökologie aber die Menschen bzw. die Gemeinden in ihrem Handlungsspielraum ein, treten durchaus Widerstände auf. Dann ist es oft nur mit finanzieller Unterstützung des Landes oder mit rechtlichen Auflagen möglich, ökologische Schritte umzusetzen. Tendenziell steigt in den letzten Jahren aber die Bereitschaft der Gemeinden, von sich aus ökologische Projekte umzusetzen.
Hat sich die Haltung der Menschen nach dem Hochwasser 2002 geändert? Beispielsweise merkt man seit dem großen Hochwasser 1997 im Traisental in der Öffentlichkeit, dass ein gewisser Umdenkprozess in Richtung naturnaher Wasserbau stattfindet. Die Medienpräsenz ist gestiegen, weil mehrere große, über das gewohnte Maß hinausgehende Hochwasserereignisse wie 1997, 2002 und 2006 so knapp aufeinander folgten.
Für euch ist jedes Gewässer ein Individuum. Verglichen mit dem Zoo werden diese Individuen in mehr oder weniger großen Gehegen gehalten. Besteht für unsere Gewässer noch eine Chance auf Auswilderung? Die Chance auf Auswilderung besteht nur mehr lokal. Viele Siedlungsräume stehen mehr oder weniger auf ehemaligen Überflutungsgebieten und die jetzigen Nutzungen können ja nicht mehr zurückgebaut werden. Zum Beispiel steht das Siedlungsgebiet von Krems an der Donau zu zwei Dritteln auf ehemaligem Überflutungsgebiet der Donau. Seit den 80er Jahren hat sich in der Gewässerökologie der Gedanke an den Referenzzustand durchgesetzt. Bei Revitalisierungsprojekten wird versucht, wenn auch in räumlich eingeschränktem Ausmaß, die Gewässerlebensräume angelehnt an diesen natürlichen Idealzustand wieder herzustellen.
Beeinflusst das überlieferte Wissen von Gewässern eure Arbeit? Im Laufe der Technisierung, und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, war im Flussbau mit technischen Mitteln schlagartig alles möglich. Es wurde auf die althergebrachten Methoden verzichtet und nur mehr technisch reguliert. Diese harten Verbauungen und Regulierungen der letzten Jahrzehnte haben den natürlichen Raumbedarf der Flüsse zu stark eingeschränkt. Die systematischen Regulierungen gingen eindeutig auf Kosten der Natur. Dass sich der Fluss bei Extremereignissen den nötigen Raum zurückholen kann, haben die letzten Hochwasserereignisse österreichweit eindrucksvoll gezeigt.
In der Pilotstudie Oberes Donautal sprecht ihr vom Ziel der naturgemäßen Lebensgemeinschaft, also artgerechter Haltung? Es ist wie beim Zoo Schönbrunn, vor 25 Jahren wurden Geparde in fünf mal fünf Meter großen Käfigen gehalten. Heute haben die Geparde ihren Lauflift zum Beutefangen. So verhält es sich auch bei den Flüssen, die werden nie wieder natürlich werden, aber naturnäher.
≠08 | Tradition ist Auftrag.
www.bdenk.at
Birgit Denk Geburtsjahr 1971 Beruf Musikerin Geburtsort Hainburg an der Donau
Wie würdest du Tradition definieren? Tradition ist etwas, auf dem man aufbauen kann. Etwas, das weiterentwickelt werden muss. Für mich als Künstlerin ist Tradition wichtig, weil ich auf etwas zurückgreifen kann und nicht mehr etwas neu erfinden muss.
Das Wienerlied ist in der K&K-Monarchie entstanden. Ist dieses Erbe eine Chance oder ein Hindernis für dich als Musikerin? Es ist beides. Ein Hindernis durch Leute, die nicht gut zuhören und gerne alte Schablonen verwenden, um Dinge zu bezeichnen. Das heißt, sobald man wienerisch singt, ist es „Wienerlied“. Eine Chance ist es, weil dieses Feld schon beackert worden ist. Ich kann mich dadurch kreativ ausbreiten und auf vorhandenen Geschichten aufbauen.
Das klassische Wienerlied steht für verrauchte Männerstimmen, Gitarren und Heurigenatmosphäre. Was sieht man, wenn man Denk hört? Keinen Heurigen, aber eine verrauchte Frauenstimme hört man. Wir singen zwar wienerisch, machen in dem Sinn aber kein Wienerlied, obwohl wir schon Wiener Traditionsinstrumente verwenden. Wir bedienen zu wenig die eindeutig Wienerlied besetzten Dinge. Ich mache mir nicht Gedanken über das Sterben und über den Fiaker schon gar nicht. Ich bin auch noch nie beim Heurigen bei einem Glas Wein gesessen und deshalb bearbeiten wir diese Themen auch nicht. Wir stehen zwar mit einer Ziehharmonika auf der Bühne, aber traditionelles Wienerlied machen wir nicht. Wir haben uns hier entkoppelt.
Das Wienerlied war die kritische Stimme der Bevölkerung. In der Monarchie wurde es von Metternich verboten, ab 1938 von den Nazis verfolgt. Natürlich war das Wienerlied kritisch. Im 2. Weltkrieg wurde der Dialekt benutzt, um an der Zensur vorbeizukommen. Durch den Dialekt verstanden viele nicht, wovon der Text handelte. Jedoch sind einige Texte bald in das Weinselige verfallen. Es wurde dann nicht mehr kritisiert, sondern sich nur mehr beschwert. Raunzer ist ja auch ein typisches Wienerlied. Ich würde behaupten, dass jede Musikrichtung, ob Polka oder afrikanischer Gesang, immer kritisches Potential aufbringt.
Du knüpfst nicht an die Tradition des Raunzens im Wienerlied an. Was drückst du mit deiner Musik aus? Es gelingt mir natürlich nicht immer, weil die Raunzerseele schon noch sehr in einem drinnen wohnt. Ich bemühe mich sehr, Dinge von Frauen, die heute im Jahr 2009 leben und zwischen 20 und 50 Jahren alt sind, zu thematisieren. Damit versuche ich, einer Generation oder Gesellschaftsschicht oder Frauen ein bisschen mehr Stimme zu verleihen, als es üblicherweise in der Musik getan wird.
Du zelebrierst den Wiener Dialekt. Wie geht es dir mit der Sprachbarriere zum Beispiel bei Konzerten in Deutschland? Ich bin eine große Dialekt-Freundin. Schon im Gymnasium habe ich Diskussionen mit den Deutschlehrerinnen geführt, ob Dialekt eine Sprache ist, oder nur eine Verunglimpfung einer Sprache. Sie waren der Meinung, dass der Dialekt kein ordentliches Deutsch ist, weshalb man so nicht sprechen sollte. Deshalb liegt es mir sehr am Herzen, den Dialekt zu bewahren, zu pflegen und zu sprechen. Wobei ich immer sage, der Dialekt lebt von der Weiterentwicklung, von der Veränderung. Die Sprachbarriere ist zum Beispiel zu Bayern geringer als zu Tirol. Der Bayer versteht den Wiener Dialekt wesentlich besser als der/die KufsteinerIn. In österreichischen Fernsehsendungen, Kabaretts uvm. wurde und wird der Wiener als Großkopferter, Proletenhackler und Ungustl dargestellt, dieser Eindruck fehlt in Deutschland. Der Deutsche hat kein Mundl-Bild im Kopf, wenn er den Wiener Dialekt hört. Der findet ihn witzig, herzig und mag diese bildhafte Sprache.
Warum das Wienerlied? Diese Frage hat sich nie gestellt. Ich habe im Dialekt, auf Wienerisch zu texten begonnen. Daher hat sich das in dieser Art und Weise für mich musikalisch dargelegt. Es war nie die Überlegung, ich mache jetzt Wienerlied. Ich habe die Sprache gelernt, gelernt wie man schön singt. Ich schreibe Dialekttexte und das kommt dabei heraus
Es gibt in Frankreich eine Bewegung, dass man im Radio einen gewissen prozentuellen Anteil an französischer Musik spielt. Was hältst du davon? Ich bin Mitunterstützerin der Plattform sos-musikland. at. Hier haben sich Musikanten, Plattenfirmen und Branchenleute zusammengetan, um diese Quote in Österreich zu fordern. Der ORF verhandelt seit Jahren mit der Wirtschaft und den Künstlern über zwei bis drei Prozentpunkte. Wegen dieser Kleinkrämerei bin ich für ein Regulativ.
≠09 | Tradition ist Überlieferung.
Josef Morgenbesser Geburtsjahr 1935 Beruf Pensionist Geburtsort Feistritz am Wechsel
Was verstehen Sie unter dem Begriff Tradition? Überlieferte Antworten auf die Grundfragen unseres Lebens. Ein Gut, das überdenkt und ins Leben integriert wird. Die Tradition liefert Antworten auf die Fragen: Woher komme ich? Wer bin ich? Wohin bin ich unterwegs? Was ist der Sinn meines Lebens?
Muss sich Tradition auch verändern? Tradition verändert sich sicherlich. Die Lebenssituationen und Anforderungen an den Menschen verändern sich ja auch. Tradition ist immer lebensdienend. Tradition stellt für mich etwas Fixes dar, auf das man sich verlassen kann, aber das in der Erkenntnis Fortschritte macht und sich insofern verändert.
Welche Traditionen leben Sie? Ich lebe meine Glaubenstradition und natürlich auch Traditionen, die mir außerhalb des Christentums, zum Beispiel in der Philosophie und in der Wissenschaft zukommen. Die letzte Antwort auf die Lebensfragen ist für mich nicht durch die Philosophie und die Wissenschaft zu beantworten. Hier gibt mir die Tradition, also der Glaube, die endgültige Antwort.
Wie hat das 2. Vatikanische Konzil die katholische Kirche und den Umgang mit anderen Religionen verändert? Das 2. Vatikanische Konzil von 1962-1965, bei dem sich ungefähr 2500 Weltbischöfe in Rom versammelten, war eine pastorale Anpassung unserer Glaubenspraxis an die jetzige Zeit. Aufgrund der vielen Gemeinsamkeiten, wie den Ein-Gott-Glauben, Jesus Christus, den Großteil der Sakramente und die Bibel, sollen laut dem Konzil die christlichen Konfessionen, die sich im Laufe der Geschichte gespalten haben, wieder zusammenfinden und eine Einheit werden. Eine Einheit im Ganzen, in der Vielfalt. Im Konzil gab es eine Erklärung gegenüber den nicht christlichen Religionen. Es heißt ausdrücklich in diesen Dokumenten, dass es auch Wahres und Gutes in anderen Religionen gibt und wir das achten und anerkennen, dass wir Respekt und Achtung gegenüber anderen Glaubensüberzeugungen haben, sei es gegenüber anderen Konfessionen oder Religionen. Papst Johannes Paul II hat in den 90er Jahren die Führer aller Weltreligionen eingeladen, um für ein gemeinsames Anliegen aller Religionen zu beten,
nämlich den Frieden. Denn ein wirklicher Frieden unter den Völkern ist ohne den Frieden zwischen den Religionen nicht möglich.
Werden die Traditionen und Überlieferungen der Kirche heute nur so viel und so kontrovers diskutiert, da sich der Kontext, das Umfeld der Kirche stark verändert hat? Unter Josef II und Maria Theresia gab es das Staatskirchentum in Österreich. Die Priester sind in staatlichen Seminaren ausgebildet worden und waren auch politische Träger. Am Sonntag mussten sie in der Kirche die staatlichen Verordnungen vorlesen. Zu dieser Zeit hatte der Staat keine andere Möglichkeit, die Massen zu informieren. Deshalb hat es das staatliche Gesetz gegeben, dass jeder am Sonntag in die Kirche gehen muss. Die Kirche war froh darüber, da so die Geheimnisse des Glaubens gefeiert werden konnten. Aber diese Verbindung ist nach dem Ende der Monarchie abgebrochen. Heute schaffen sich die Menschen neue Götzen, Dinge, die sie statt Gott „anbeten“. Die Glücksgefühle werden maximiert, indem man alles, was man haben will, erwirbt. Jeder sorgt hier für sein Leben, an das Weiterleben wird sowieso nicht geglaubt. Das schafft eine Lebensweise, die der christlichen in keiner Weise entspricht.
Worin sehen Sie die zukünftigen Aufgaben der Kirche? Ganz wichtig wäre die Respektierung der Menschenrechte und das Eintreten für den Frieden und das Zusammenleben der Menschen. Die Menschen gerade in der wirtschaftlichen Depression zu stärken und ihnen zu zeigen, dass Solidarität gefragt ist. Alles zu tun, um Menschen, die aus dem sozialen Netz herausgefallen sind, mitzunehmen. Das wäre sicher ein Auftrag der Kirche. Es hat einen sehr schönen Satz im 2. Vatikanischen Konzil gegeben, der heißt: „Ecclesia semper reformanda“ - Die Kirche ist, wie die Gesellschaft, immer wieder zu erneuern, um der Erfüllung menschlichen Lebens dienstbar zu sein. Die Kirche ist nicht Herrscherin, sondern Dienerin.
Die Politik spricht von „Volksnähe“. Wie stehen Volksnähe und Kirche zueinander? An der Basis war die Kirche immer volksnahe. Früher waren zwar mehr Priester und Geistliche in den Orten und haben die Lehre Christi vermittelt und mit den Menschen gelebt, gelacht, gefeiert, mit ihnen gefühlt und getrauert. Auch kennen die Priester die Situation und die Not der Menschen. In vielen Fällen sind es die Anordnungen von oben, kirchliche Rundschreiben, die nicht immer so verfasst sind, dass sich die Menschen verstanden fühlen.
≠10 | Tradition ist Zukunft.
Hubert Matt Geburtsjahr 1959 Beruf Hochschullehrer für Design, Designtheorie und Philosophie Geburtsort Bregenz
Wie definierst du den Begriff Tradition? Das erste Bild, das auftaucht, ist ein Mädchen mit Hut, ein Gamsbart oder eine Blasmusik, so etwas wie Tracht. Wenn ich weiter über den Begriff Tradition nachdenke, dann bekommt er eher eine bedrohliche Färbung, im Sinne von politisch rechts, konservativ und traditionalistisch. Denke ich in der dritten Stufe darüber nach, muss ich zugeben, dass ich mich mit dem Begriff Tradition immer mehr anfreunde. Ich verstehe ihn heute als sympathischen Gegenbegriff zur Gegenwart. Der Begriff Tradition darf nicht alleine den Traditionalisten, quasi den historischen Kulissenschiebern wie Trachtenvereinen oder Rechts-Aussen-Gesinnten überlassen werden. In einem Text über Vorarlberg habe ich einmal geschrieben: In Vorarlberg gibt es einen großen Man-gel an Konservativen. Dieses Land ist nicht mehr konservativ, es ist nicht mehr traditionell. Das ist eines der Probleme. Selbst die politischen Kräfte, die sich das heute immer noch auf die Fahnen schreiben, sind längst nicht mehr traditionsgebunden. Denn Tradition heißt eigentlich auch etwas weitergeben. Tradition kommt von tradieren und bedeutet weitergeben, überliefern. Etwas transportieren von einer Vergangenheit in eine Zukunft. Der Begriff klingt zwar so historisierend, als ob er nur mit Vergangenheit zu tun haben könnte. In Wirklichkeit signalisiert er in gewissem Sinne eine historische Dynamik. Und so etwas wie historische Dynamik heißt, auch Denken von etwas Utopischem. Das heißt von etwas Zukünftigem etwas Anderem zu denken. Die Utopie als Gegenbegriff zur Tradition, und beides ist zur Zeit im Verschwinden begriffen. Wenn der Traditionsbegriff verschwindet, verschwindet letztlich auch ein offener Zukunftsbegriff. Auf die Tracht zurückkommend, kann man sagen, Tradition ist, in eine Tracht gezwungen zu werden, sozusagen eine Kleiderordnung. Nennen wir das aber: Traditionalismus. Der Traditionsverlust, von dem ich spreche, ist, wenn es mir nicht mehr möglich ist, selber eine Tradition aufzubauen. Mir geht es immer mit den Hosen so. Endlich habe ich eine Hose, die passt. Fünf Jahre später will ich sie wieder kaufen und ich kriege sie nicht mehr. Wenn der Fortschritt oder die ständige Oberflächenänderung dermaßen
forciert werden, dass ich nicht einmal selber mir eine Ich-Tradition aufbauen kann, dann ist eigentlich der restaurative Begriff der Zukunftsbegriff geworden.
Siehst du in unserer Zeit der Schnelllebigkeit noch die Chance Traditionen zu entwickeln? Wir haben schon seit relativ langer Zeit, seit circa 70 Jahren, die Tradition der Innovation, die glaubt, etwas Neues zu liefern. In Wirklichkeit sind das Beschleunigungen und marginale Änderungen. Der Grundduktus ist im Wesentlichen derselbe. Tatsächlich stimmt das mit der Innovation in der Gegenwart überhaupt nicht. Wir haben einerseits den Innovationsbegriff, andererseits investieren wir in die Forschung unwahrscheinlich viel Hirnschmalz und auch Geld in die Wiederholung desselben, nämlich ins Klonen. Betrachtet man die Stammzellenforschung oder das Klonen, kann man ja nicht traditioneller oder traditionalistischer denken, als dass von dem Vorhandenen das Identische immer wieder erzeugt wird. Die Tracht ist dagegen eine richtige Innovationsgeschichte. Da gab es immerhin leichte Farbänderungen und Ornamentänderungen. Generell obliegt oder unterliegt dieser Moderne der Neuzeit nicht nur die Erfindung des ständig Neuen oder die Ablehnung von Traditionen, sondern die permanente Geschichte der Reproduzierbarkeit. Dieses Denken hat mit der Fabrik begonnen, mit der zum Teil die neue Zeit oder die Moderne in Verbindung gebracht wird. Was macht die Fabrik? Sie macht aus Unikaten, aus originellen Teilen Abbildungen des immer Selben, da gibt es ein Möbelstück oder eine Gießkanne identische 100.000 mal. Tradition oder auch handwerkliches Denken ist etwas, wo quasi die Idee des Stückes, die Formvorgabe des Stücke rigider vorhanden ist. Die Form, die Formvorgabe, der Typ ist gegeben, das einzelne Exemplar weicht jedoch immer wieder von dieser Form ab. Es gibt die Vorstellung eines Tisches. Im Handwerk interpretiert jeder konkrete Tisch diesen Typ, während die Moderne einen Typ in identischen Exemplaren reproduziert. Unter dieser Betrachtungsweise glaube ich nicht unbedingt mehr, dass der klassische Traditionsbegriff oder die Tradition, als sie noch hochgehalten wurde, wirklich etwas Reaktionäreres ist als der Begriff der Moderne oder die Industrialisierung, die in dieser Reproduzierbarkeit möglicherweise viel reaktionärer ist.
Also stehen die Chancen schlecht, dass man heute Traditionen für die Zukunft entwickelt? Die Chancen stehen wahrscheinlich schlecht, Traditionen zu entwickeln, wobei Traditionen wie auch
≠11 |
Innovationen nie intentional entwickelt worden sind. Es ist ein Irrtum der heutigen Wirtschaftspolitik, dass wir Innovationen entwickeln könnten, wir können intentional Variationen von Ideen entwickeln. Aber das grundsätzlich Andere, das ganz Neue ist eigentlich auch in der Forschung nie intentional entwickelt worden. Die meisten Innovationen haben sich streng an eine Methode gehalten Die Forscher waren aber gleichzeitig radikal offen für das Chaos, das eintritt, für die Katastrophe, die passiert. Sie waren neugierig auf Neuformen, auf etwas, das man sich bisher nicht vorstellen konnte. Heute stellen wir uns Innovation in einem Zirkel des Vorstellbaren vor. Und es ist gerade das Nichtvorstellbare, das vielleicht als Gegenbegriff die Tradition braucht, damit das überhaupt denkbar ist. Und wenn wir uns immer so in diesem, weder Tradition noch wirklich Neuem bewegen, dann ist eben beides nicht mehr möglich.
Vorarlberg entwickelte sich aus einer ländlichen Struktur heraus und imitiert heutzutage teilweise die Urbanität von Städten. Besteht durch das Anstreben dieser Urbanität die Gefahr, dass ländliche Strukturen wie das Zusammengehörigkeitsgefühl verloren gehen? Urbanität ist ein Begriff, der letztlich überholt ist. Ich glaube nicht, dass Städte noch etwas wahnsinnig Urbanes sind. Was bedeutet eigentlich Urbanität? Im positiven, aufklärerischen Sinne würde ich es begreifen als „Multioptionsort“ als offener Ort, an dem Verschiedenes möglich ist. Bei genauer Betrachtung flüchten heute sehr viele Menschen vom Land in die Stadt, nicht der Urbanität wegen, sondern des Dorfes wegen. In der Stadt ist es möglich, seine Dorfgemeinschaft in einer abweichenden Idee zu finden. Vor fast zwei Jahrzehnten trug ein Freund von mir plötzlich rot-schwarze Tigerhosen. Das war zu der Zeit irgendwie vom Punk beeinflusste Mode. Er hat damals gesagt: „In Vorarlberg falle ich auf wie ein bunter Hund, wenn ich das trage.“ Er ist nach Berlin gegangen, weil dort dutzende Menschen, die solche Hosen trugen wohnten. Die Frage ist, was sucht denn der eigentlich? Der hält ja genau die Urbanität nicht aus. Der hält ja genau nicht aus, dass er etwas Anderes tut als die Anderen. Er sucht eigentlich das Dorf, in dem alle gleich gekleidet sind. Die Stadt bildet sehr schnell eine gebräuchliche Sozialität unter gleichgesinnten Menschen. Man könnte auch sagen, Urbanität ist eine Ansammlung von Dörflichkeiten. Heute ist gerade das, was früher das Dorf, das Land, die Provinz war, möglicherweise wesentlich urbaner, weil es eigentlich vielfältiger ist. Das Aushalten der verschiedenen und anderen Positionen
ist eine wesentlich höhere Herausforderung, als zu sagen, ich bewege mich in dem Kreis, in dem alle so denken wie ich, in dem alle dieselbe Ästhetik haben. Im Dorf kann man sich den Widersprüchen nicht entziehen. Ich halte es nicht für ein Problem, wenn bestimmte Traditionen verschwinden, auch nicht, wenn bestimmte Werte verschwinden. Das Problem ist, dass die Idee, Traditionen bilden zu können, generativ zu denken, verschwindet. Wahrscheinlich ist der Begriff generativ zu denken hier wichtiger als in Traditionen zu denken, weil nur so Ideen wie Nachhaltigkeit, ein bestimmtes ökologisches Bewusstsein, möglich sind. Generativ zu denken heißt auch, Wertschöpfung über Generationen zu denken.
Gibt es in der Philosophie Entwicklungen, die der Tradition, immer auf die gleiche Handvoll Philosophen zu verweisen, entgegenwirkt? Die Philosophiegeschichte ist in einem Sinne hoch traditionell, sie hat immer dieselben Themen. Es gibt themenmäßig kaum eine Innovation in der Philosophiegeschichte. Es geht in der Philosophie ja um die Grundfragen und genau betrachtet, hat sich über Jahrtausende nicht so wahnsinnig viel verändert. Die Nudeln sind jetzt halt grün und rot, statt vorher gelb und so ist es auch in der Philosophie. Es gibt dann schon einen Richard Rorty, der sagt: „Bestimmte Fragen müssten nicht unbedingt philosophische Fragen sein.“ Der junge Berliner Philosoph Marcus Steinweg mit Zizek oder Deleuze etwa: „Philosophieren heißt Probleme erfinden“. Da stimme ich zu. Philosophie ist ein Erfinden von Problemen, im Sinne einer Neuformulierung dieser Probleme. Es ändern sich Inhalte und konkrete Sprachen, aber es sind keine grundsätzlich neuen Probleme. Es ist vielmehr ein Wachhalten der Problematisierung. Philosophie war natürlich in ihrer Geburtsstunde ein konservatives und traditionalistisches Unternehmen. Platon war ja nicht nur der Erfinder der Philosophie, sondern auch der Erfinder der Medienphilosophie. Seine Philosophie war von Anfang an Medienkritik. Er war sozusagen der Neil Postman der Griechen. Er kritisierte die Schrift massiv, ist massiv gegen das Neue aufgetreten, weil es den Bezug zur Ideenwelt irgendwie verhindert. Philosophen haben immer so eine fast apokalyptische Angst, dass etwas verloren geht, wenn wir uns ändern. In Wirklichkeit muss gesagt werden, dass auch etwas verloren geht, wenn wir uns nicht ändern. Es ist notwendig, dieses Moment der Notwendigkeit von Tradition und der Notwendigkeit von offener Zukunft, benennen wir es Freiheit, das Spiel zwischen Notwendigkeit und Freiheit als dialektisches
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Spiel aufrechtzuerhalten. Das wird offenbar bei uns sozial oder soziologisch immer wieder verschiedenen Gruppen zugeteilt, während andere Kulturen das eher in einen Ritus fassen. Schauen wir uns das buddhistische Mandala an, dort steckt die Innovationskraft nicht in der Erfindung neuer Figuren. Es wird dasselbe Bild wieder und wieder gemalt und immer wieder hergestellt. Aber es wird nicht musealisiert, das ist der Unterschied. Ein Sandmandala wird, wenn es fertig gestellt ist, zusammengekehrt und der Sand wird in den Fluss geschüttet, sozusagen dem Fluss der Zeit überlassen. Tradition wird dort nicht als ein Sicherheitsnetz verstanden. Es wird kein Käfig um diese Tradition gebaut, sondern sie kann immer wieder neu entstehen. Damit kann sie sich ändern. Damit wird sie beinahe automatisch interpretiert, durch #den „Schutz des Vergessens, der Fehler, etc.“.
Meine Sorge gilt eigentlich dem, dass wir mit einem sinnvollen Traditionsbegriff auch gleichzeitig einen Zukunftsbegriff verlieren. Man kann auch sagen, wer immer wieder dasselbe bewusst wiederholt, dem kann eine Innovation gelingen. Wer glaubt, immer wieder das Neue tun zu müssen, merkt nicht, dass er immer wieder dasselbe tut. Insofern kann dieses Aufheben der Tradition als Ideologie in der Tradition als Spiel ein Befreiungsmoment sein. Es können aber auch gleichzeitig Begriffe wie Zukunft, Offenheit und Anderssein, die einen traditionellen Wert haben, leicht verspielt werden.
Siehst du im heutigen Inszenieren von Traditionen wie „Halloween „eine Gefahr oder eine Chance? Man kann sagen, Traditionen werden in dem Moment eigentlich thematisiert, in dem sie bedroht sind, also verloren gehen könnten. Trachtenvereine gibt es eigentlich erst, seitdem die Trachten aus dem Alltagsleben verschwunden sind. Die Selbstinszenierung oder die Inszenierung der Tradition ist ein Signal für das Verschwinden der Tradition und da beginnt eigentlich der Traditionalismus. Dieser Traditionalismus war sehr lange ideologisch. Das heißt, er hat an die Traditionen, die Werte geglaubt und musste sie deshalb aufrechterhalten und inszenieren. Heute gibt es eine andere Spielform, nämlich den Traditionalismus als reine Inszenierung, wo keiner der Inszenierenden überhaupt noch an dieser Tradition, an diesem Wert festhält oder an sie glaubt. Es ist ein Spiel wie bei Halloween oder einem volkstümlichen Abend innerhalb des touristischen Marketings. Weder der Veranstalter, geschweige denn der Musiker glaubt an diese Tradition. Der Marketingchef tritt im Steireranzug oder im Kärntneranzug auf die Bühne und wechselt dieses „Kostüm“, sobald er die Veranstaltung wieder verlässt. Das sind für ihn Arbeitsanzüge. Das kann man kritisch betrachten, weil hier eine Scheinwelt errichtet wird. Es kann aber auch so betrachtet werden, dass bei diesem Spielen von Traditionen auch ein Freiheitsgrad und Lustgrad im Sinne von Robert Pfaller steckt, der sagt: „Die Magie funktioniert deshalb lustvoll, weil niemand an die inszenierten Werte glaubt.“ Andererseits verspielt man mitunter das Wertvolle an der Traditionsbildung und den Begriff einer möglichen Innovation und Veränderungskraft.
* Leistungspflügen, Kirchberg am Wagram, 1958
≠13 | Tradition ist wichtig.
www.princessinprogress.at
Agnes Giefing Geburtsjahr 1979 Beruf Modedesignerin Geburtsort Wien
schaftsbedingter, aktuell definierter Standard. Mir hingegen ist ein bisschen Zeitlosigkeit sehr wichtig. Totale Zeitlosigkeit funktioniert natürlich in der Mode genauso wenig wie bei den meisten anderen Dingen.
Was bedeutet Mode für dich?
Was verstehst du unter dem Begriff Tradition? Überlieferung und Brauchtum, im Alltag eher die Wiederholung von Situationen.
Was bedeutet für dich Tradition und welche Traditionen lebst du? Meine Eltern haben mir nicht viel überliefert. Ich habe ein ziemlich traditionsarmes Leben. Mir fällt Weihnachten ein, aber das ist bei uns traditioneller Weise auch sehr traditionslos.
Siehst du die Vermittlung von Tradition als Aufgabe der Familie, der Eltern?
Mode ist mein Job. Und mir ist wichtig, was ich trage. Meine Mode ist für mich alles, was ein bisschen weg vom „nur Zweck“ ist, einfach Wohlfühlbekleidung, die gut aussieht und passt. Mir ist wichtig, dass sich Frauen in meiner Mode wohl fühlen.
Im Google erscheint bei der Eingabe des Wortes „Mode“ als erster Begriff Ottoversand, beim Wort „Modedesign“ steht Gucci. Zeigt diese Suche die Schwerpunkte, über die Mode heutzutage definiert wird? Scheinbar. Ich glaube, das Internet ist ein sehr guter Spiegel der Gesellschaft. Find ich auch sehr lustig, dass dabei Ottoversand herauskommt. Also Ottoversand ist für mich „moderne Mode“.
Auf jeden Fall. Entweder die Aufgabe der Familie, oder einer übergeordneten sozialen Gruppierung. Durch die Traditionen werden Brauchtümer weitergegebenen, die bereits über eine längere Zeitspanne überliefert wurden.
Ja, wahrscheinlich. Ottoversand ist die breite Masse und Gucci ist die abgehobene Masse. „princess in progress“ ist kleiner und individueller und irgendwo dazwischen.
Du bist „Jungdesignerin“, schließt dabei jung automatisch Tradition aus?
Seit 2005 gibt es dein Modelabel „princess in progress*“. Für wen gestaltest Du Deine Kleidung?
Ich bin nicht sicher, wie Tradition und Design zusammenpassen. Bei Tradition denke ich eher an Schneidertradition, an Zunft und Handwerk.
Zu allererst für mich. Ich überlege immer, was ich tragen will. Und hoffe natürlich, dass es auch anderen Frauen gefällt.
Mode hat doch sehr viel mit Tradition zu tun, denkt man zum Beispiel an die verschiedenen Trachten?
In der Mode spricht man hauptsächlich vom Stil bzw. Style. Gibt es bei einem so jungen Label auch schon so etwas wie Tradition?
Moderne Dirndl, sind für mich nur mehr eine Anlehnung an eine Tradition. Originaltrachten sind Brauchtum. In diesem Fall ist das Dorf, die Gemeinschaft zuständig für die Überlieferung.
Wie definierst du den Begriff Mode für dich? Kleidung ist nicht gleich Mode. Kleidung kann durchaus nur Mittel zum Zweck sein, wie Arbeitsbekleidung und Uniformen. Kleidung dient zuerst einmal dazu, die Nacktheit zu kaschieren. Das ist nicht unbedingt Mode. Wenn man so will, ist Bekleidung nicht mehr als ein Gebrauchsgegenstand. Mode ist Bekleidung mit einem ästhetischen Anspruch.
Bewegst du dich zwischen Ottoversand und Gucci?
Ich weiß es nicht, kann ich mir selbst Traditionen machen?
Wo bringt dich dein Progress, dein Fortschritt im Jahr 2009 hin? „Fortschritt“ als Übersetzung klingt mir ein bisschen zu innovativ. Ich bin eher für „Entwicklung“. Mein Ziel ist einfach, schön langsam und mit kleinen Schritten geradeaus zu gehen und mich in alle Richtungen zu entwickeln: ein bisschen größer, ein bisschen weiter und ein bisschen tiefer.
Wird es irgendwann eine „finalized princess“ geben? Schließt Mode die Funktion aus? Nein, sie ist aber nicht rein funktionell. Mode hat eben diesen Hang zur Ästhetik.
Ist ja neben der Musik eine der schnelllebigsten Branchen? Ja, „moderne Mode“. „Moderne Mode“ ist ein gesell-
Vielleicht eines Tages. Meine letzte Kollektion würde aber eher „empress finally“ heißen. Ich weiß aber nicht, ob es jemals dazu kommen wird: Das ganze Leben ist Entwicklung, und die hört nie auf!
≠14 | Tradition ist Ritual.
Brigitte Bernhard Geburtsjahr 1961 Beruf NLP-Lehrtrainerin Geburtsort Bregenz
Wie definierst du den Begriff Tradition für dich?
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und arbeite dort mit Jugendlichen zwischen 15 und 20 Jahren. Ohne dass sie den Mund aufmachen (Dialekt), also rein durch ihr Verhalten, ihr Handeln und ihr soziales Engagement kann ich erkennen, wer aus dem Bregenzerwald ist. Es ist zwar nicht so, dass bei uns das Traditionsbewusstsein und Zusammengehörigkeitsgefühl verloren gegangen sind, sie sind nur nicht so ausgeprägt wie im Bregenzerwald.
Für mich ist Tradition auch Ritual.
Gerade im ländlichen Raum schaffen Traditionen durch ihr klares Regelwerk auch Sicherheit. Gibt es Traditionen, die dir Rückhalt und Sicherheit geben? Worauf ich Wert lege, ist, dass Feste gefeiert werden. Dabei geht es mir um das Zusammensitzen, um die Beziehungen zu den anderen Menschen. Ich lege großen Wert darauf, dass es Fixpunkte gibt, bei denen man sich immer wieder trifft.
Du arbeitest als Coach und Trainerin mit einer vergleichsweise jungen Methode, dem Neuro Linguistischen Programmieren (NLP). Was kann man sich unter NLP vorstellen? NLP ist ein Kommunikations- und Kurzzeittherapiemodell. Man könnte auch sagen, es ist ein Werkzeugkasten mit Techniken, Methoden und Einstellungen, die wir nutzen können, um wirkungsvoll mit uns selbst und mit anderen zu kommunizieren. Diese Methoden helfen, den persönlichen Umgang zu optimieren, schärfen die Wahrnehmung, erhöhen die Flexibilität im Verhalten und erweitern das Handlungsrepertoire. NLP wurde in den 70er Jahren von Richard Bandler (Mathematiker) und John Grinder (Linguistiker) entwickelt. Sie beobachteten die weltbesten Therapeuten bei ihrer Arbeit und fassten die Ergebnisse so zusammen, dass sie jeder nachvollziehen kann. Der große Vorteil zu „traditionellen Methoden“ besteht darin, dass nicht das Problem, sondern die Lösung des Problems im Vordergrund steht.
Siehst du NLP als Bruch zu den traditionellen Systemen oder als Ergänzung? Als absolut sinnvolle Ergänzung. Gerade die Verknüpfung beider ermöglicht es, bessere Ergebnisse zu erzielen.
Es gibt in Vorarlberg Regionen wie den Bregenzerwald, die ein sehr hohes Traditionsbewusstsein und Zusammengehörigkeitsgefühl haben. Findet man diese gesellschaftlichen Werte auch bei dir im so genannten „Vorderland“? Der Vorteil der Region Bregenzerwald ist, dass sie durch die umliegenden Berge räumlich abgegrenzt ist. Im Bregenzerwald wird Tradition wirklich noch gelebt. Ich unterrichte an der HTL Bregenz Mediation
Bemerkst du in der Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen Veränderungen? Ich merke immer mehr, dass Verantwortungen abgeschoben werden. Besonders die Vermittlung von Werten an Kinder und Jugendliche wird abgeschoben, so nach dem Motto, das ist die Aufgabe der Schule oder das soll das Jugendzentrum machen.
Wie kann diesen Entwicklungen entgegengewirkt werden? Eltern müssen sich im Klaren sein, dass Jugendliche über einen gewissen Zeitraum familiäre Werte und Traditionen als absolut überflüssig empfinden. Trotz dieser Veränderung müssen Tradition und Werte weiter gelebt werden, egal ob die das jetzt grad mögen oder nicht mögen. Da appelliere ich an alle Eltern, dass sie sich sagen, ich bin Vorbild. Ich bin Vorbild für meine Kinder. Auch wenn diese eine Zeit lang nichts davon wissen wollen, denn wenn sie älter werden, sind sie erfahrungsgemäß den Eltern dankbar.
Also können Traditionen Jugendliche in einer modernen Art und Weise formen? Absolut. Ich glaube, Tradition ist wie ein Fundament. Auf einem tragenden Fundament kann ich auch vielleicht einmal eine schräge Wand aufbauen. Aber das Fundament muss da sein, und das sind die Werte, die Traditionen. Wenn das fehlt, dann sackt das Gebäude früher oder später in sich zusammen.
Wenn du NLP mit Tradition vergleichst und abwägst, wo hat NLP Vorteile, wo die Tradition? Das kann man so nicht trennen. Mit Hilfe von NLP kann das Fundament nachträglich noch gebaut werden. Das ist der große Vorteil von NLP. Natürlich ist es nicht mehr so einfach, wie wenn es schon da gewesen wäre. Aber mit NLP baust du dein eigenes Haus, individuell. Die Traditionen, die für dich wichtig sind, werden dabei mit einbezogen.
Ist Tradition ein Hindernis oder eine Chance? Es ist eine Chance für die ganze Gesellschaft, wenn sie der Zeit angepasst wird. Wenn Tradition starr bleibt, dann ist sie ein Hindernis.
≠15 | Tradition ist Gegenwart.
Christian Feurstein Geburtsjahr 1981 Beruf Grafiker Geburtsort Lingenau
Was verstehst du unter dem Begriff Tradition, und was bedeutet er für dich? Tradition ist für mich ein Weg, der bereits gegangen wurde. Diese bekannte Route kann durch neue Gegebenheiten verändert und angepasst werden. Sie ist der Rückhalt und hilft, eine Situation neu zu gestalten und zu meistern.
Hat Tradition für dich etwas mit Sicherheit zu tun? Sicherheit aus dem Grund, weil ich weiß, dass es einen Weg gibt, der funktioniert. Jedoch ist Tradition für mich nicht etwas, das früher war und abgeschlossen ist, sondern etwas, das in der Gegenwart verändert wird.
Im Bregenzerwald ist es sehr gut gelungen, das Handwerk und die traditionellen Werktechniken mit moderner Architektur zu verbinden. Gibt es im Grafikdesign auch diese Verknüpfungen? Im Bregenzerwald wird es einfach verstanden, das Handwerk modern umzusetzen, bzw. es neu zu interpretieren und auf moderne Entwürfe anzuwenden. Im Grafikdesign ist das ähnlich. Natürlich ist es notwendig zu wissen, wie das Handwerk des Druckers, des Typografen oder des Setzers entstanden ist und damals funktioniert hat. Wenn man es aber schafft, diese alten Techniken in die heutige Zeit übersetzen zu können entstehen daraus wesentlich interessantere Produkte. Es ist wichtig, die Brücke zwischen Tradition und Moderne zu schlagen.
Bei den Produkten haben es die Betriebe verstanden, ihr Handwerk modern umzusetzen. Spiegelt sich dieses moderne Denken auch in ihrer visuellen Firmenkommunikation wider? Zu einem sehr großen Teil leider nicht. Wie sich die Firmen selbst präsentieren, hinkt dem Design ihrer Produkte stark hinterher. Hier bedarf es im Bereich Firmenkommunikation und Corporate Design noch einiger Aufklärungsarbeit.
Du selbst bist Herausgeber vom „ Landjäger Magazin aus dem Bregenzerwald“. Aus welchem Kontext heraus ist das Magazin entstanden und wie soll es verstanden werden? Eine Region wie der Bregenzerwald ist ein in sich geschlossenes System, das sehr gut funktioniert und
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Schwierigkeiten bei der Öffnung nach außen hat. So ist es auch in der Medienlandschaft, es ist einfach schwierig, das kleine regionale System zu beeinflussen. Der „Landjäger“ ist der Versuch, ein neues Medienformat im Bregenzerwald zu platzieren. Eines, das auch mal aneckt und provoziert. Wir möchten eine Plattform bieten für Leute, die etwas zu sagen haben. Mit dem Magazin möchten wir andere Sichtweisen aufzeigen, die vielleicht auch zu neuen Wegen führen.
Das Landjäger Magazin gibt es jetzt seit knapp drei Jahren. Was für Feedback gab bzw. gibt es? Vor der ersten Ausgabe hat sich herumgesprochen, dass im Bregenzerwald etwas passiert, jemand macht ein Magazin. Durch diese Neugier gab es eine sehr große Nachfrage für die erste Ausgabe. Die Themen der ersten Ausgabe waren sehr regional, sie sind wirklich aus dem Bregenzerwald gekommen und wurden vielleicht auch nur dort verstanden. Die zweite und dritte Ausgabe beschäftigte sich weiterhin mit den Problemen, die das Leben auf dem Land hervorbringt, aber nicht mehr ausschließlich mit Themen und Autoren aus dem Bregenzerwald. Das ist im Bregenzerwald nicht gut angekommen. Schnell kam eine Art Ignoranz auf und die Schranken wurden vor dem Tal Bregenzerwald wieder geschlossen. Deswegen hat sich der „Landjäger“ auch etwas anders entwickelt und wir bauen jetzt nicht nur mehr auf die Bregenzerwälder als Leserschaft. Wir wollen einfach kein Magazin sein, das in zwölf Gemeinden im Bregenzerwald gelesen wird. Wir wollen einfach mehr Leute erreichen und weiter raus gehen.
Besteht die Gefahr, dass sich die Traditionen verlieren, weil sie nicht nach außen getragen werden? Ja, es müssen Systeme gefunden werden wie der „werkraum bregenzerwald“, um Traditionen zu kultivieren. Man muss die Menschen überzeugen, ihre gelernten Traditionen nach aussen zu tragen, denn nur so können sie überleben. Und gleichzeitig muss man ihnen die Angst nehmen, dass so ihre Traditionen gestohlen werden könnten.
Gibt es für dich Traditionen, die du in deinem Umfeld lebst? Klar, es gibt natürlich familiäre Traditionen und regionale Traditionen, die man lebt. Man kann diese auch ein Stück weit gar nicht ablegen. Irgendwie ist man ja immer mit seiner Heimat und deren Traditionen verbunden.
≠16 | Tradition ist Identität.
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Alexis Nshimyimana Neuberg Geburtsjahr 1964 Beruf Journalist, Berater für Asylwerber Geburtsort Ruhengeri (Ruanda)
Was verstehst du unter dem Begriff Tradition und was bedeutet er dir? Tradition ist für mich die Art und Weise, wie ich von meiner ursprünglichen Kultur leben und agieren gelernt habe. Tradition ist für mich „ein Ausdruck“ für Sitten und Werte einer Gesellschaft. Es wurden zum Beispiel durch die Massaker in Ruanda viele ältere Frauen und Männer getötet. Es fehlen somit die Eltern, die ihre Kinder nach den überlieferten Sitten und Werten erziehen. Man spricht davon, dass die Gesellschaft zurzeit keine Wurzeln mehr hat, es ist alles erlaubt. Die Tradition ist die Identität eines jeden Menschen.
Haben Immigranten und Migranten in Österreich die Chance, ihre Traditionen frei zu leben? Es gibt für Migranten und Immigranten kein Verbot, ihre Kultur und ihre Traditionen hier in Österreich zu leben. Es ist vielmehr das gesellschaftliche Regelwerk, das das Ausleben unserer Gewohnheiten, unserer Traditionen einschränkt.
Kannst du einige Beispiele aufzählen? In Afrika feiern wir zu Weihnachten die Geburt Christus, wir feiern einen Geburtstag. Die Leute musizieren, tanzen und singen die ganze Nacht. In Österreich ist am 24.12. „Stille Nacht“, hier muss man still sein. Wenn wir uns beide am Morgen in der Straßenbahn unterhalten, müssen wir leise miteinander reden und sollten Lautes lachen vermeiden. In anderen Ländern glaubst du, es ist ein Konzert in den Bussen. Du siehst lautes Reden ist zwar nicht verboten, aber wenn du es tust wird der Nachbar „Ruhe“ schreien. Ab 22:00 Uhr am Abend muss man Ruhe bewahren. Im Dorf, in dem ich geboren wurde, singen die Leute am Abend. Gehst du von einem Dorf in das andere, wenn eine schöne Nacht ist und du fröhlich bist, so ist es dort üblich zu singen. Versuche das einmal hier in Wien, die Leute werden ans Fenster gehen und sagen: „Ruhe“.
Menschen zu bezeichnen, deren Herkunftsland nicht Österreich ist, und auch für diejenigen, die die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen haben. Es sollte normalerweise kein Unterschied zwischen Immigranten und Österreichern sein. Weiters gibt es die Asylwerber, diese haben noch nicht die Zugehörigkeit eines Landes, und die Flüchtlinge. Die Flüchtlinge gehören zur Gruppe der Ausländer (mit österreichischem Fremdenpass) bzw. zu den Drittstaatangehörigen. EU-BürgerInnen werden umgangssprachlich nicht als Ausländer bezeichnet. Die Gesellschaft hat die Regel etabliert, dass Asylwerber, Flüchtlinge und Ausländer „Migranten“ gennannt werden. Normalerweise sollten Menschen die in Österreich ihren Lebensmittelpunkt haben als MitbürgerInnen bezeichnet werden.
Welche Bedeutung haben Traditionen für Immigranten? Wir haben drei Kategorien von Immigranten: Menschen, die trotz des Lebens in Österreich ihre Traditionen bewahren, Menschen, die glücklich sind, ihre Länder verlassen zu haben, und Menschen, die in beiden Kulturen leben. Die Menschen, die ihre Traditionen bewahren und niederzuschreiben versuchen, ermöglichen unseren Kindern, diese Traditionen weiterzugeben. Problematisch sind die Menschen, die sich mit ihrer Kultur und ihrem Land nicht mehr identifizieren wollen bzw. können. Darunter sind zum Beispiel viele Afrikaner, die sich nicht mit dem aktuellen Bild von Afrika wie Krieg und Hungersnot identifizieren wollen. Wenn du aber nicht in der Lage bist, dein eigenes Schicksal zu erkennen, hast du nicht die Kraft, für dieses Afrika etwas zu tun und auch nicht dich hier anzupassen. Familie, Kultur und Österreich sind diesen Menschen egal, Hauptsache sie sind in Europa. Und dann gibt es noch die Gruppe von Menschen, die in beiden Kulturen, in beiden Welten leben.
Wo lebst du? Ich lebe in beiden Welten. Ich versuche mich hier in Österreich anzupassen und die guten Seiten meiner rwandesischen Kultur zu bewahren. Kennst du den Begriff „bewusster Österreicher“?
Nein, diesen Begriff kenne ich nicht.
Was unterscheidet Immigranten und Migranten?
Die bewussten Österreicher sind wir, die Immigranten, denn wir haben um die österreichische Staatsbürgerschaft bewusst angesucht. Und Du? Du bist hier geboren, du weißt nicht, warum du Österreicher bist.
Es gibt Leute wie mich, die seit 17 Jahren in Österreich leben und die österreichische Staatsbürgerschaft haben: Was bin ich? Ein Österreicher oder ein Immigrant? Das Wort „Immigranten“ wird verwendet, um
Wir alle kennen die oft zitierten Kulturbarrieren, wie Sprache, Glaube und Traditionen. Wo siehst du das Kernproblem in der Integration in Österreich?
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Ich habe bei Radio Afrika und der Wiener Integrationskonferenz mit den verschiedensten Menschen aus den verschiedensten Kulturen zusammengearbeitet und habe neben vielen Möglichkeiten, die sich aus der Zusammenarbeit der verschiedenen Communitys ergeben, auch die Schwierigkeiten gesehen. Grundsätzlich versuchen alle Menschen bei diesen Organisationen und Veranstaltungen gegenseitig aufeinander aufzupassen, um niemand zu verletzen. Diesen gegenseitigen Respekt sehe ich in fast allen Communitys. Leider versuchen jedoch auch die meisten Communitys, ihr Wissen für sich zu behalten und unter sich zu bleiben. Die Franzosen bleiben unter sich, die Iraker nur unter Irakern. Bei den Immigranten ist es eine allgemeine Krankheit, dass sich nur wenig für die Kultur der anderen Immigranten interessieren. Österreicher sind im Gegensatz dazu sehr interessiert und kommen zu unseren Veranstaltungen, um zu schauen, was wir machen. Wir haben alle dieselben Probleme: Visum, Aufenthaltsbewilligung, Arbeitsplätze, Wohnungen und Diskriminierung. Aber wir schaffen es nicht, diese Probleme gemeinsam und geschlossen gegenüber den politischen Verantwortlichen zu vertreten. Und das ist eines der Kernprobleme für die Integration hier in Österreich. Nicht nur, dass die Österreicher uns teilweise nicht integrieren wollen, nein, die betroffenen Menschen sind auch nicht in der Lage, ihre Rechte gemeinsam zu verteidigen.
Verfolgt man die Nationalratswahlen in Österreich und auf europäischer Ebene, so wurden und werden die Migranten für die Politik instrumentalisiert. Siehst du eine Chance, diese Tradition zu durchbrechen bzw. was für Möglichkeiten gibt es ? Österreich ist eine geschlossene Gesellschaft mit ihren eigenen Sitten und ihrer eigenen Kultur. Alles Fremde ist abzulehnen, das ist sehr vereinfacht dargestellt der Ist-Zustand. Ich bin aber sehr optimistisch, dass sich die österreichische Gesellschaft auch sehr schnell öffnen kann, wenn es einige Politiker schaffen, es müssen nicht alle sein, Courage zu zeigen und sichtbare Signale zu setzen. Die Mehrheit der Gesellschaft denkt, die AsylwerberInnen, bzw. AusländerInnen und im weiteren Sinne die ImmigrantenInnen sind alle Schmarotzer, sie nehmen uns den Job weg. Somit muss es eine Kraft geben, die das Gegenteil beweist. Diese Informationen müssen in den in Österreich etablierten Medien wie Kronen-Zeitung und ORF transportiert werden. Ist es nicht möglich, diese Informationen über die Medien zu transportieren, so müssen wir diese Signale an öffentlichen Stellen setzen, damit die Österreicher sehen, dass die Ausländer Menschen sind, wie sie selbst.
Sitzt in einem Bus ein indischer Fahrer, so werden die Menschen genauso einsteigen. Sie werden bemerken, der Bus bringt sie, wie sonst auch, sicher an ihr Ziel. Oder wenn beim Schalter in der Post oder in der Bank jemand das Geld auszahlt, der anders aussieht. Die Menschen werden vielleicht kurz geschockt sein, aber sie bekommen ihr Geld wie sonst auch. Wenn die Österreicher merken, die Ausländer können Bus fahren, können servieren und können gut Geld auszahlen, dann wird dieser Widerstand langsam geringer.
Im Sport funktioniert das ja, oder? In Österreich funktioniert die Integration im Sport nur teilweise. Sportler aus dem ehemaligen Jugoslawien bzw. der Türkei werden besser und schneller integriert als Afrikaner und „sichtbare“ Immigranten. In den Niederlanden, in Spanien oder in Frankreich zum Beispiel stehen die Kompetenz und das Können im Vordergrund und nicht die Farbe.
Hängt das nicht auch davon ab, dass Frankreich und Holland in Afrika auch Kolonien gehabt haben? Natürlich, wenn wir über Afrika sprechen, können wir auch über Kolonien sprechen. Aber wenn wir von Immigranten reden, reden wir nicht nur von den Afrikanern. Wir sollten nicht vergessen, dass in Österreich die Geschichte der Gastarbeiter durchaus mit dem Kolonialsystem vergleichbar ist. Die Leute aus dem ehemaligen Jugoslawien oder der Türkei sind nach Österreich genauso importiert worden wie die Afrikaner in Frankreich oder Holland. Das heißt im Grunde, dass die Türken, Serben und Kroaten in Österreich heute schon so gut integriert sein müssten wie die Afrikaner in Frankreich. In Frankreich gibt es jetzt drei Minister aus Afrika. Wie viele türkische Minister gibt es hier in Österreich?
Sind diese drei afrikanischen Minister in Frankreich nicht ein Produkt der großen Unruhen? Ja, natürlich, aber der neue Präsident Nicolas Sarkozy hat daraus gelernt, dass die Zeit gekommen ist, diese Leute zu integrieren. Dieses Problem werden wir auch in Österreich bekommen, nur hat man es hier noch nicht realisiert. Geh morgens einmal auf einen Spielplatz, dort findest du nur noch jugoslawische und afrikanische Kinder. Wo spielen die österreichischen Kinder?
Die spielen nicht mehr im Freien, sondern nur mehr im Wohnzimmer. Auf den Fußballplätzen in Wien spielen nur Jugos, Türken und Ausländer. Wo sind die österreichischen Jugendlichen? Diese Situation alleine ist ein langsam programmierter Konflikt wie in Frankreich.
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Radio Afrika wurde von dir vor mehr als 12 Jahren gegründet. Ihr versteht euch als Informations- und Kommunikationsplattform, die Klischees und Vorurteile abbauen möchte. Wo liegen deiner Meinung nach die größten Barrieren zwischen Österreichern und Immigranten? Als wir vor 12 Jahren begonnen haben, waren wir das erste private Medium in Österreich, ansonsten gab es nur den ORF. Die Rolle von Radio Afrika sehen wir darin, die Menschen aufzuklären und zu informieren. Rassismus ist meistens das Problem von Unwissenheit, mit Radio Afrika versuchen wir durch das Aufklären kultureller Missverständnisse diese rassistische Barriere zu eliminieren. Ein weiterer Vorteil von Radio Afrika ist, dass wir ein mediales Sprachrohr für Immigrationsprobleme und afrikanische Themen sind. In jeder Sendung ist eine Person bei uns, die direkt vom jeweiligen Sendungsthema betroffen ist. Wir bringen zum Beispiel den Drogenverkauf in die thematische Diskussion und langsam nehmen Politiker die Themen auf. Damals, als wir Radio Afrika begonnen haben, war uns bewusst, dass wir nicht die große mediale Aufmerksamkeit erreichen wie andere Medien in Österreich. Aber wir müssen es schaffen, Entscheidungsträger wie den Bürgermeister Michael Häupl dazu zu bringen, bei den politischen Konzepten an uns zu denken. Obwohl wir ein sehr kleines Medium sind, nehmen uns die Entscheidungsträger ernst und manchmal korrigieren sie auch Kleinigkeiten in ihren Entscheidungen. Das ist grundsätzlich unser Ziel. Wir wollen die Einstellung zu Immigranten bzw. Ausländern in der Mehrheit der österreichischen Gesellschaft verändern.
All diese Kulturen kennen zu lernen und zu verstehen scheint unmöglich zu sein. Reicht es zu sagen, man muss sie nicht verstehen, es reicht sie zu akzeptieren? Ich bin der Meinung, es muss gegenseitigen Respekt geben, das ist genug. Das heißt, wenn ich deine Kultur respektiere und du meine Kultur respektierst, werden wir irgendwann gemeinsam unsere beiden Kulturen kennen lernen. Darum habe ich vor kurzem bei der Wiener Integrationskonferenz ein Projekt namens Diversitätsakademie ins Leben gerufen. Das ist ein Dialogprojekt zum Kennenlernen zwischen den Immigranten und der Mehrheit der Gesellschaft. Denn bevor man über Barrieren spricht, müssen sich die Leute gegenseitig kennen gelernt haben sich respektieren. Wir sind sehr gespannt, wie dieses Projekt das Zusammenleben in Siedlungen, Bezirken und in den Schulen verändern kann bzw. wird. Für mich ist der Respekt die Brücke zwischen den Menschen.
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Bei einer Presseaussendung von Radio Afrika blieb mir eine Aussage von dir besonders in Erinnerung. Die Leute kommen aus Neugier und bleiben aus Überzeugung. Ist genau diese Neugier an dem Neuen eure Chance? Die Arbeit, die wir machen, ist für viele Menschen ein echtes Abenteuer. Alleine zurzeit haben wir eine Zeitung, die regelmäßig erscheint, ein tägliches Radioprogramm (in der Früh und am Abend), wöchentlich eine 30minütige Fernsehsendung auf OKTO und eine Website, die täglich aktualisiert wird. Daneben organisieren wir eine Vielzahl an kulturellen Projekten und Veranstaltungen, wie den am 21.03.2009 im Parkhotel Schönbrunn stattfindenden „Afrika Frühlingsball“. Für all diese Aktivitäten gibt es kein Budget, das heißt, die Menschen, die bei uns mitarbeiten, glauben an die Sache. Viele Frauen und Männer, die zu uns kommen, sind anfangs durchaus skeptisch. Doch wenn sie diese Lust, den Spass und die Freude am gegenseitigen Kennenlernen entdecken, bleiben sie aus Überzeugung.
Wer hat durch Radio Afrika die besseren Berufschancen, die geborenen Österreicher oder die „bewussten Österreicher“? Durch Radio Afrika haben die geborenen Österreicher bessere Chancen, weitere Jobs zu bekommen. Sie werden bei uns geschult und sind durch die bei uns erlernten Kompetenzen und die „Afrika-Verbindung“ interessant. Zur Zeit arbeiten sieben ehemalige Mitarbeiter von Radio Afrika beim ORF, sie sind direkt von Radio Afrika eingestiegen. Wenn bei Radio Afrika jemand länger als fünf Jahre dabei ist, ist er Immigrant oder Ausländer. Wir bleiben, weil wir überzeugt sind, die Aufgabe zu haben, die österreichische Gesellschaft so zu verändern, dass unsere Kinder in einer anderen, in einer besseren Gesellschaft aufwachsen können.
Was bedeutet für dich die Wahl Barack Obamas zum neuen US-Präsidenten? Für die österreichische Community ist die Wahl Obamas eine Ehre gewesen. Jetzt sehen vielleicht einmal die Skeptiker, dass der schwarze Mann nicht nur der Blöde, der Drogendealer, usw. ist. Wir denken doch, dass der Präsident der Vereinigten Staaten dieses Weltbild nachhaltig verändern kann. Für mich persönlich ist Obama ein Symbol für Durchhaltevermögen und Hoffnung. Er hat gezeigt, dass alles möglich ist und alles geschafft werden kann. Doch es besteht die Gefahr, dass die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise während seiner Amtszeit noch schlimmer wird, und dann könnte es schnell wieder heißen schuld ist der „Neger“. Die Wahl alleine genügt noch nicht, er muss auch gut regieren, dann kann die afrikanische Community von ihm nachhaltig profitieren.
≠19 | Tradition ist verbindend.
Bettina Schulz Geburtsjahr 1974 Beruf Journalistin Geburtsort München
Wie würden Sie den Begriff Tradition definieren? Tradition ist die Übernahme von Bräuchen und Verhaltensweisen und/oder immer wiederkehrenden Ereignissen und Gewohnheiten.
Was bedeutet für Sie Tradition? Ich empfinde Traditionen gerade in einer sich doch sehr schnell wandelnden Zeit als „erholsame Inseln“, die immer wieder einmal zur Ruhe kommen lassen und an bestehende Werte und auch an die eigene Vergangenheit erinnern. Ganz klassisch sind dabei Familienfeste, niemand muss sich hier neu erfinden oder ein „Event“ kreieren – Bewährtes kann sozusagen ganz entspannt genossen werden. Allerdings sollte man aufpassen, dass Traditionen nicht zum Trott verkommen.
Wie schafft man es, in so einer schnelllebigen Branche wie der Kommunikationsgestaltung über Jahrzehnte aktuelle Aufgabenfelder und Problematiken zu thematisieren? Zum Teil ist das ein Selbstläufer: Aufgrund der vielen Jahrzehnte ihres Erscheinens ist die „novum“ einfach fest in der Branche verankert, und das – ein wichtiger Punkt – international. Trends und Bewegungen fallen ja nicht vom Himmel, sie zeichnen sich ab und verbreiten sich rund um den Erdball. Heute aufgrund des Internets sicherlich rasanter als vor fünfzehn Jahren noch – umso schneller sind diese Moden aber auch wieder weg. Durch unseren Bekanntheitsgrad erhalten wir sehr viele Zusendungen aus aller Welt – da bleibt man quasi automatisch „am Ball“. Wir kreieren keine neuen Trends, sondern bieten eine Bühne und da müssen eigene Eitelkeiten und auch der eigene Geschmack zurückstehen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, sich nicht nur auf das Grafikdesign zu fixieren, auch wenn das das alleinige Thema der „novum“ ist. Ich persönlich verschlinge Zeitschriften aller Art: Mode, Architektur, Wohnen, Lifestyle. Letztendlich kann man nur ein Gespür für die Designszene bekommen, wenn man alle Aspekte des Lebens miteinbezieht. Schließlich tun das Designer in ihrer täglichen Arbeit ja auch.
Gibt es Ihrer Meinung nach so etwas wie einen „kalkulierbaren Erfolgsfaktor“ von gutem Design für die Wirtschaft? Das ist natürlich gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein hochaktuelles Thema, dem wir übrigens
www.novumnet.de
in diesem Jahr einen Sonderteil widmen werden. Für den Bereich Produktdesign ist das wesentlich einfacher zu beantworten – tolles Design verkauft sich einfach besser und ist daher für den Hersteller rentabel. Welchen Anteil am Erfolg das Grafikdesign hat, ist eher schwieriger zu belegen. Aus der Erfahrung heraus wird wohl jeder Gestalter eindeutig bejahen, dass ein prägnanter Auftritt, stimmige Werbemaßnahmen oder aber eine stringente Markenführung einen erheblichen Anteil am Erfolg haben. Wenn Produkt und Kommunikation eine schlagkräftige und stimmige Einheit bilden, dann stellt sich der Erfolg auch ein.
Wird heutzutage mehr Herz, Verstand und Durchhaltevermögen in unserer Branche benötigt als früher, um die Welt nicht nur besser, sondern auch schöner zu machen? Ich glaube, dass viel mehr Geduld und Konsequenz benötigt würden, um die Welt schöner zu machen – ganz bewusst im Konjunktiv, weil sich das viel zu wenig Designer leisten können. Die Welt ist bequem geworden, alles muss sehr schnell gehen, die Rendite unglaublich hoch sein und der Massengeschmack getroffen werden. Risiken werden vielleicht an der Börse eingegangen, in Sachen Design ist man eher vorsichtig. Konsequent wäre es, nicht alles zu verkaufen, was der Kunde haben möchte, sondern einfach auch mal nein zu sagen. Und last, but not least wäre es wünschenswert, wenn sich vermehrt wirklich gutes, fundiertes Handwerk mit dem Feuerwerk neuer Ideen verbinden würde. Aber, das sollte auch gesagt sein, die Hauptaufgabe des Grafikdesigns liegt ja nicht unbedingt nur darin, die Welt schöner zu machen. Grafikdesign hat meist eine Aufgabe und ein klares Ziel, um ein bestimmtes Kommunikationsproblem zu lösen.
In welche Richtung wird sich unsere visuelle Kommunikation in den nächsten Jahren entwickeln? Wohin die Reise aus visueller Sicht geht, kann sicherlich nicht orakelt werden. Ganz deutlich zeichnet sich aber ab, dass Fachrichtungen des Designs immer mehr verschmelzen. Das hat mit der veränderten Wahrnehmung des Konsumenten zu tun: Heute genügt es beispielsweise nicht mehr, nur optisch anzusprechen. Die akustische und haptische Komponente wird zunehmend wichtiger. Die Visualisierung findet nicht nur in und auf verschiedenen Medien, sondern auch im Raum und im „Erleben“ statt. Die schwierigste Aufgabe liegt in Zukunft wohl in der visuellen Verknüpfung aller Medien ohne allzu viele Kompromisse zu Lasten des einen oder anderen Kommunikationsweges einzugehen.