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Jetzt handeln! Was die Modebranche tun kann, um grüner

JETZT HANDELN!

Diskutiert wird schon lange. Doch was kann man in der Mode- und Textilbranche kurz- und mittelfristig besser machen, um mehr Nachhaltigkeit in der textilen Kette konkret durchzusetzen? Diese

Frage stellten wir unterschiedlichen Akteuren, die sich mit der komplexen Thematik beschäftigen.

Text: Ina Köhler. Illustrationen: Claudia Meitert@Caroline Seidler

NACHHALTIGES HANDELN IST EIN MUSS Georg Dieners, Generalsekretär OEKO-TEX® Service Group

„Das Thema Nachhaltigkeit wird mittlerweile breit diskutiert und angesichts des globalen Ressourcenverbrauchs ist nachhaltiges Handeln ein Muss. Prozesse und Lieferketten müssen ökologisch und sozial verantwortlich optimiert werden. Hierbei kann das STeP Label von OEKO-TEX® helfen. Mit diesem Zertifikat stellen wir sicher, dass bei den Arbeitslöhnen in den Produktionsländern die dortigen gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. In den von uns zertifizierten Unternehmen gibt es Versammlungsfreiheit, die Gewerkschaften sind zugelassen und es gibt keine Kinderarbeit. Mit dem OEKO-TEX® Standard Made in Green kombinieren wir die Beurteilung der Produktionsstätten und der Produktprüfung. Und noch eine Einschätzung zum Textilbündnis: Der Grund für die Initiative durch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller 2014 waren die schlechten Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern. Ich sehe es als Teilerfolg, dass alle großen Protagonisten der Branche an einen Tisch geholt wurden und das Thema Nachhaltigkeit eine breitere Öffentlichkeit fand. Nun müssen allerdings auch Taten fol gen. OEKO-TEX® bietet Brands und Retailern Lösungen. Jetzt ist es an den Unternehmen, aktiv zu werden.“

DIE BRANCHE VERÄNDERN Thimo Schwenzfeier, Show Director Neonyt bei der Messe Frankfurt

„Nachhaltigkeit muss konsequent mitgedacht werden. Modelabels, die bei Neonyt ausstellen, müssen beispielsweise klare soziale und ökologische Kriterien erfüllen. Ein bisschen Biobaumwolle zu ver wenden, reicht also nicht aus. Innovationskraft spielt ebenso eine zentrale Rolle. Klar ist aber: Um langfristig Erfolg zu haben, müssen nachhaltige Modelabels vor allem den modischen Zeitgeist treffen. Unsere Vision ist es, die Branche zu verändern. Durch Zusammen arbeit und Innovation, Nachhaltigkeit und Technologie. Dafür haben wir die Business- und Kommunikationsplattform Neonyt gebildet. So bieten Nachhaltigkeit und Innovation eine noch breitere Bühne und schaffen für den passenden Rahmen, um neue Geschäftspartner zu finden, Ideen auszutauschen und sich gegenseitig neue Impulse zu geben. Im Januar widmen wir uns mit dem Thema Wasser erstmals einem gemeinsamen Schwerpunktthema. Auf der Konferenz Fashionsus tain, zentraler Bestandteil des Hubs, dreht sich diesmal alles rund um die hochaktuellen Themenkomplexe von Mikroplastik bis ‚Water Stewardship‘. Was auf der Konferenzbühne diskutiert wird, wird im Ausstellungsareal Showcase of Change erlebbar gemacht. Vorab

läuft zudem ein zweitägiger Thinkathon.“

DIGITALE TECHNOLOGIEN UND CIRCULAR ECONOMY Prof. Dr. Uwe Demele, Studiendekan Master-Studiengang „Sustainability in Fashion and Creative Industries (M.A.)“, AMD Akademie Mode & Design Berlin

„Zukunftsorientierte Designer beziehen die gesamte Wertschöpfungskette mit ein. So gelangt man unmittelbar zu einer Circular Economy, die Potenziale für Kostenersparnisse und Ertragssteigerungen aufdecken sollte. Zahlreiche Start-ups verfolgen schon dieses Prinzip. Dabei werden nur nachwachsende Rohstoffe zur Textilherstellung verwendet. Der Produktionsprozess ist ökoeffizient mit geringstmöglichem Energieverbrauch. Die Transportwege sind verkürzt und verursachen weniger Emissionen. Die Kleidungstücke selbst sind von hochwertiger und langlebiger Qualität, wobei auch auf faire Arbeits- und Sozialstandards geachtet wird. Ein solches Nachhaltigkeitsmanagement fordern Konsumenten vermehrt ein. Die Wissenschaft leistet ihren Beitrag, indem sie im Sinne der Cir cular Economy forscht. Eine wichtige Rolle spielt die Digitalisierung: Durch 3-D-Scanning können passgenaue Kleidungsstücke individuell gefertigt werden, was weniger Verschnitt bedeutet und somit Material spart. Digitale Technologien beflügeln die Materialforschung. In Rapid-Prototyping-Verfahren kann veganes Leder aus Pilzen oder Pflanzenresten hergestellt werden. Solche regenerierbaren, natür lichen Rohstoffe sind Ausgangsbasis für die Erstellung von Ökobilanzen, bei denen moderne Software zum Einsatz kommt. Damit können Designer den nachhaltigsten Eco-Footprint eines Produkts im Vorfeld ermitteln. Nachhaltiges Design beinhaltet Überlegungen zur Nutzungsdauer, Wiederverwertung und Entsorgung. Smarte Produktionsverfahren verringern zusätzlich Herstellungskosten. Zum Beispiel können Knöpfe per 3-D-Druck mit Biopolymeren produziert werden. Ebenso ermöglichen digitale Plattformen eine Umsetzung des Sharing- und Upcycling-Gedankens – ein Bereich, in welchem die AMD Berlin aktiv forscht.“

GEMEINSAM MEHR ERREICHEN Dr. Jürgen Janssen, Leiter Bündnissekretariat, Bündnis für nachhaltige Textilien

„Jedes Unternehmen kann in seinem Einflussbereich Nachhaltigkeit fordern und fördern und sollte dies auch tun. Das Textilbündnis aber gründet auf der Idee, dass die großen Herausforderungen einer global agierenden Mode- und Textilindustrie kein Unternehmen alleine schaffen kann. Umfassende Verände rungen zum Vorteil aller erreichen wir nur durch geballten Einfluss und ein gemeinsa mes Vorgehen. Aktuell vereint das Bündnis bereits 50 Prozent des deutschen Bekleidungseinzelhandelsumsatzes. Die sozialen und ökologischen Bündnisziele können daher auch kurzfristig dadurch unterstützt werden, dass diejenigen Unternehmen dem Bündnis beitreten, die sich noch nicht angeschlossen haben. Denn gemeinsam erreichen wir mehr als alleine. Die Mitglieder des Bündnisses setzen das Prinzip der unternehmerischen Sorgfaltspflichten um. Mittelfristig wird ein derartiges Vorgehen immer mehr zur Normalität werden. Unsere Empfehlungen sind: Sich zusammenschließen und Mitglied im Bündnis werden, die Risiken der eigenen Lieferkette kennen, entsprechende Maßnahmenpläne umsetzen und eventuell auch die Geschäftsmodelle anpassen. Das heißt auch, voneinander lernen, gemeinsam handeln und grundsätzlich nicht warten, sondern starten.“

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