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Wie kommt die Freude zurück in den Konsum?
Ah, die Mode! Sie zu kaufen, kann wahre Glücksgefühle auslösen, weil sie Sehnsüchte erfüllt, weil wir uns neu erfinden können. Denn Mode ist wie kaum etwas anderes Ausdruck unserer Identität. Dennoch haben vor allem die letzten zwei Jahre ein Fragezeichen hinter das Wort Konsum gesetzt: Hat die Pandemie unsere Bedürfnisse verändert? Und darf Konsum auch heute noch glücklich machen?
Text: Janaina Engelmann-Brothánek, Kay Alexander Plonka, Nicoletta Schaper. Illustrationen: Simona Gala Baronti
VERTRAUEN
Huy Do, Chefeinkäufer Jades Men
„Die Freude zum Konsum besteht durch den Austausch von Verkäufer und Kunde. Mit einem lockeren ‚Hi, alles klar?‘ oder ‚Schön, dich zu sehen‘ fühlt sich der Kunde direkt wohl und bekommt Lust auf ein Shoppingerlebnis. Das ist ja auch das, wofür wir mit Jades stehen. Wir sind dafür da, unserem Kunden zu zeigen, was gerade Trend ist, welchen Schnitt man gerade trägt und welche Farbe im Schrank nicht fehlen darf. Die Herren verlassen sich sehr auf den Verkäufer und vertrauen ihm. Deshalb ist Onlineshopping beim Mann eher nicht drin. Sind die Restaurants und Clubs offen, gibt es auch den Anlass, sich zu kleiden und die Jogginghose im Schrank zu lassen. Allein das bringt die Freude wieder in den Konsum zurück.“
GAMECHANGER
Andrea Grudda, Dozentin, Autorin und Expertin für Zukunftsfähigkeit
„Was noch nicht in das Bewusstsein vieler Unternehmen gerückt ist, ist die große Bedeutung, die digitale Kleidung bekommen wird. Das ist ein völlig neuer Spaß beim Shopping. Einerseits Kleidung, die man in Videospielen kaufen kann. Was völlig neue Möglichkeiten für Brands eröffnet. Von eigenen Kollektionen und Limited Editiones abgesehen, ist es in der Herstellung ein neuer und hoch interessanter Prozess. Das Andere ist digitale Kleidung, die man über Fotos legen kann. Um den Social-Media-Feed zu pimpen oder auf einen neuen Level zu heben. Aber auch um im Businesskontext einen neuen Look zu bekommen, ohne in Kleidung zu investieren, die vielleicht zu teuer für den Einzelnen ist und dabei schnell ‚alt‘ wird. Das wird in vielen Bereichen ein Gamechanger werden.“
WOHLFÜHLEN
Tanja Ehrmann, Inhaberin Bo Redley
„Shopping ist Genuss und muss Freude machen! Die kommt nicht beim Onlineshopping auf, sondern indem man in Läden mit Wohnzimmerfeeling geht, in denen man sich gut aufgehoben fühlt, mit Mitarbeitern, die neue Trends geschmackvoll stylen können und ehrlich beraten. Sich wohlfühlen ist unser A und O! Unsere persönliche Ansprache funktioniert auch online über unsere Livevideos auf Instagram oder über Whatsapp. Mit Persönlichkeit gewinnen wir auch die jüngere Kundin, die das genauso schätzt wie die ältere. Wir beobachten allerdings, dass Looks für glamouröse Auftritte noch nicht wieder gefragt sind, dass aber die Kundinnen bereit sind, für tolle Qualität Geld auszugeben. Wenn sie wissen, wo und wie der Cashmere produziert worden ist, gibt das den letzten Kick zur Kaufentscheidung.“
OPTIMISMUS
Jörg Ehrlich, Mitgründer Odeeh
„Gesellschaftlich sind wir vielleicht alle gerade in Angst gefangen und haben schnell das Gefühl, etwas falsch zu machen. Diese Haltung scheint mir politisch begründet, zumal wir dank omnipräsenter Überinformation immer massiver mit Katastrophen und globalen Problematiken konfrontiert werden. Ohne diese Themen leugnen zu wollen: Es ist eine Art Trotzdem-Gefühl wichtig, um Resilienz und ein neues Selbstbewusstsein zu entwickeln. Eine positiv zuversichtliche Energie und Lebensqualität, weniger hedonistisch geprägten Spaß, eher optimistische Freude. Auch wir bei Odeeh arbeiten gegen diese zweifelnden Kräfte, indem wir Positives kreieren und uns immer neu ausprobieren: Mit einer farbigen Kollektion, die nicht beliebig bunt ist, und einer Lautstärke, die nicht übertönt.“
LIFE CENTRIC APPROACH
Matteo Ward, Mitgründer von WRÅD Living, Start-upper, Aktivist, TEDx-Talker
„Der klassische ‚consumer centric approach‘, der Brands und Institutionen dazu bringt, Menschen als Roboter zu sehen, sie konsumabhängig zu machen, sie zu nötigen, Dinge zu kaufen, die sie nicht brauchen, und zudem den Planet zu gefährden, muss von einer ‚life centric approach‘ ersetzt werden. Keiner braucht noch eine Jeans oder noch ein T-Shirt. Einzelhandel als reines Lager für Artikel hat keine Bedeutung mehr. Als der einzige physische Berührungspunkt zwischen Marke und Markt, muss er vielmehr in der Lage sein, sein Publikum zu inspirieren, zu leiten, ehrlich zu beraten und seine Wünsche zu erfüllen. Es braucht einen Ansatz, der auf dem Wunsch beruht, Produkte und Dienstleistungen zu liefern, die den realen Bedürfnissen der Menschen entsprechen, von der psychisch-emotionalen bis hin zur materiellen Ebene.“
DAS LEBEN WIEDER GENIESSEN
Claudia Lunati, Global Marketing Director Saucony Originals
„Die Menschen gönnen sich wieder etwas und sind bereit, das Leben wieder zu genießen, aber diesmal mit einem Hauch mehr Selbstvertrauen und einem fortgeschrittenen Verständnis dafür, was für sie wirklich wichtig ist. Das Vertrauen in den Onlinekauf hat enorm zugenommen und das Arbeiten aus dem Homeoffice hat zu einer neuen Art des Konsums geführt. Die bequeme Lieferung nach Hause ist jetzt gelernte Commodity. Auch der Bereich Fitness und Laufen ist buchstäblich explodiert. Als Marke investieren wir in das Kundenerlebnis: Wir nehmen die Customer Journey von Offline zu Online sehr ernst. Deswegen bauen wir starke Beziehungen zu Authenticators im Bereich Social Media auf, die in der Lage sind, unsere Markenwerte zu verkörpern und ihre Communitys in Bezug auf die individuelle Selbstentfaltung zu ermutigen.“
UNTERHALTEN, UM GUT ZU VERKAUFEN
Nicole Srock.Stanley, Gründerin und CEO Dan Pearlman Group
„Sinnloses Konsumieren ist nicht mehr zeitgemäß, dennoch will der Mensch Neues erleben und seinen Lifestyle weiter individualisieren, etwa durch den Konsum von Services und relevanter Produkte, die er gern auf Social Media als neuesten Shopping-Fund präsentiert. Eine gute Nachricht, insbesondere für den stationären Handel! Wo sonst kann Shopping alle Sinne so zielgerichtet ansprechen? Früher galt im Handel: Viel verkaufen und wenig unterhalten. Heute ist es ein Muss, viel zu unterhalten, um gut zu verkaufen. Deshalb ist auch für den klassischen Retail ein feinfühlig kuratiertes Sortiment plus Entertainment, mit physischem und digitalem Erlebnis, das Gebot der Stunde, wie der vielfach ausgezeichnete Bonprix Fashion Connect Store in Hamburg, wo das Shopping mithilfe digitaler Devices wie Smartphones zur echten Customer Journey wird.“