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Wie kaufen Frauen morgen?

SALONGESPRÄCH WIE KAUFEN FRAUEN

MORGEN?

Was gibt beim Modekauf den Ausschlag? Storytelling gut und schön, aber wie viel Beratung ist wirklich ge- wünscht? Und wie sieht es mit Online- shopping aus? Im style in progress Salongespräch diskutieren Kon- sumentinnen und Handelsprofis über den Handel jetzt und den Handel der Zukunft.

Interview und Text: Nicoletta Schaper. Fotos: Peter Schaffrath

Im Düsseldorfer Malkasten trafen sich Handels- profis und Konsumentinnen zum style in progress Salon- gespräch.

style in progress: Heute bietet der Modehandel eine große Vielfalt, aber es kommen immer weniger Kunden in die Geschäfte. Wandern alle online ab?

Stephanie Mayer, Moderedakteurin Jades 24: Ich denke schon, dass die Masse in der Mode viele erschlägt. Dazu kommt, dass es nicht nur einen Trend gibt, sondern zehn. Deswegen bieten wir in unserem Onlineshop Jades24.com auch für jedes Kleidungsstück einen Stylingvorschlag an, wie man es kombinieren könnte. Die meisten berufstätigen Frauen haben sicher keine Lust, den kompletten Samstag zum Shoppen zu opfern. Zeit ist der größte Luxus geworden, und in unserem Onlineshop zu kaufen, heißt letztendlich nichts anderes als, dass wir der Kundin Zeit schenken. Simone Chrystall, Inhaberin Chrystall, Düsseldorf: Der Faktor Zeit spielt dem Onlinehandel sicher in die Hände. Mit meinem Store Chrystall habe ich versucht, Shopping mit Gastro zu verbinden, für die Kundin, die sich nach ihrem Modeeinkauf noch im Café mit ihren Freundinnen treffen kann. Mittlerweile habe ich das Café verpachtet, weil ich dem Gastronomiebetrieb nicht genügend Zeit und Herzblut schenken konnte. Zwar verbinden immer noch die Kunden ihren Einkauf mit einem Cafébesuch, aber dennoch ist auch bei uns die Frequenz rückläufig und ich habe noch kein Rezept dagegen gefunden. Definitiv wollen die Konsumenten Orientierung bei dem großen Angebot heute, aber vielen Einzelhändlern gelingt es nicht, ihnen diese zu geben.

Nicht zuletzt deshalb sind neue Jobprofile wie Shop pingberater entstanden. Maria Mertens, Sie beraten Kundinnen und Kunden als Stylecoach in Paris und Mai land. Wie kam es dazu?

Maria Mertens: In Paris war der Einstieg nicht schwer, weil ich dort Mode im Geschäft verkauft habe und eine Frau meinen Look so gut fand, dass sie mich gefragt hat, ob sie meine Beratung buchen könnte. Weil sie so begeistert war, hat sie mich weiterempfohlen. Auch in Mailand empfahl mich eine Freundin, die wiederum einen großen Bekanntenkreis hat. So kam eins zum anderen.

Warum nicht in Deutschland?

Maria Mertens: In Deutschland gibt es durchaus Frauen, die meine Beratung gern in Anspruch nehmen, aber nicht bereit sind, dafür zu zahlen. Zum einen, weil es Freundinnen sind, aber ich glaube auch, dass es an der deutschen Mentalität liegt. Andere Länder, wie auch die USA, sind da schon weiter. Dort ist Stylecoaching eine Dienstleistung, die in Anspruch genommen und auch als solche bezahlt wird.

Viele deutsche Luxushändler, wie zum Beispiel auch Breuninger, bieten diesen Service auf dem deutschen Markt schon länger an, nicht nur ihren VIP-Kunden.

Maria Mertens: Wenn es von einem Geschäft ausgeht, ist es aber nicht mehr objektiv. Stylecoaching bedeutet viel Arbeit: Ich muss mich genau mit der Garderobe des Kunden auseinandersetzen und erkennen, was fehlt und was gut passen könnte. Ich muss mich mit dem Sortiment sämtlicher Geschäfte auskennen, um das Richtige für den jeweiligen Typ zu finden, denn ich möchte niemanden ummodeln oder meinen Style aufdrücken. Die Arbeit, die dahintersteckt, wird oft nicht gesehen. Ich kenne eine Frau, die mit ihrem Mann jedes Wochenende in die Stadt geht und 30.000 Euro für Kleidung ausgibt. Aber die Zusammenstellung der Looks passt oft nicht so. Diese Frau würde sich nie eingestehen, dass sie Beratung brauchen könnte, und so geht es vielen. Denn jeder denkt ja, er hätte Geschmack. Patricia Dickmann, Immobilienmaklerin: Ich glaube auch, dass es für Coaching einen Markt gibt – oder dass es hierzulande noch einer werden wird. In meiner Branche gibt es Firmen, die Häuser stylen, damit sie besser verkauft werden können, was sich Homestaging nennt. Besonders viel Potenzial hat das beim Neubau, weil der Innenarchitekt von Anfang an alles mitplanen kann, was dem Kunden auch eine Planungssicherheit gibt. Das kann ich mir ähnlich sehr gut für die Mode vorstellen.

Allegra, Sie sind mit 19 Jahren die Jüngste in der Runde. Kauft man in jungen Jahren lieber im Netz, zumal Sie mit Online aufgewachsen sind?

Allegra Isert, AMD Modestudentin: Ich gehe lieber raus in die Läden. Ich will die Farben sehen, wie sie in Wirklichkeit sind, und ich liebe die Haptik der Materialien. Aber damit bin ich vielleicht nicht der Durchschnitt. Meine Freundin erzählte mir neulich von ihrem letzten Besuch bei Zara. Sie ist direkt wieder gegangen, weil es ihr zu unordentlich war! Also hat sie sich viel online bestellt, um am Ende alles wieder zurückzuschicken, weil ihr nichts gefiel. Für viele ist das heute der Weg, wie es läuft. Aber mir ist es zu aufwändig, mit dem Paket zur Post zu gehen, oder auch das Geld im Voraus zu zahlen für etwas, was man doch nicht nimmt. Wenn ich online shoppe, dann ganz gezielt, wenn ich das Teil schon gesehen habe und weiß, dass die Größe stimmt, es aber im Laden nicht vorrätig war. Dann mache ich es lieber online, bevor sie es im Gerschäft bestellen und ich wieder hin muss. Peggy Berger-Hopp, Marketingassistentin: Ich mag es überhaupt nicht, in Läden wie Zara zu gehen, die viele Ware macht mich verrückt. Vor zehn Jahren konnte man da noch den Bügel bewegen, heute nicht mehr. Ich habe ohnehin schon so wenig Lust, shoppen zu gehen, dafür bleibt mir zu wenig Zeit. Viel lieber bewege ich mich in ein

paar kleinen Läden, in Düsseldorf zum Beispiel bei Conceptstores wie Unterhaltung:Lieblingsstücke oder Selekteur. Dort suche ich nichts Bestimmtes – aber ich finde etwas. Etwas, das mich überrascht! In diesen Geschäften kommen mir die tollsten Ideen, auch Geschenkideen. Ich bin nicht die Kundin, die gezielt sucht: Da käme ich frustriert nach Hause, weil ich nichts gefunden habe. Patricia Dickmann: Wenn ich eine weiße Hose haben möchte, informiere ich mich meist vorher, wo es sie gibt und dann kaufe ich sie auch. Die Zeit rennt mir meist davon, deshalb bin ich dann auch nicht so kritisch, selbst wenn die Hose vielleicht nicht hundertprozentig das ist, was ich eigentlich gesucht habe. Wenn ich mehr Zeit habe, gehe ich auch sehr gern in kleine Geschäfte, wie es sie in Düsseldorf-Flingern gibt. Ich mag Läden, wo ich spüre, dass die Betreiber offenbar meinen Geschmack haben. Es ist dann fast so, als hätten sie genau für mich eingekauft. Stephanie Mayer: Heute ist es wichtiger geworden, einen Lifestyle zu verkaufen. In manchen kleinen Läden werden ganze Themenwelten kreiert, die zeigen, dass sich der Inhaber seinen Kunden genau vorgestellt

Definitiv wollen die Konsumenten Orien- tierung bei dem großen Angebot heute, aber vielen Einzelhändlern gelingt es nicht, ihnen diese zu geben.

Simone Chrystall, Inhaberin Chrystall, Düsseldorf hat, was ihm außer der Mode noch gefallen könnte. Auch bei Jades24 promoten wir gezielt Themen wie beispielsweise das Coachella Festival. Zwar geht wahrscheinlich nicht jede unserer Kundinnen dorthin, aber sie kaufen sich ein Stück von diesem Traum, diesem Lebensgefühl. Genau daran sollte der Handel verstärkt arbeiten, um auch denjenigen zu gewinnen, der vielleicht nicht so gern Mode kauft. Simone Chrystall: Genau daran arbeiten wir. Wir merken allerdings zunehmend, dass Impulskäufe, wie zum Beispiel die zur Mode dekorierte Vase zu kaufen, weniger werden. Denn immer mehr will der Kunde erst online schauen, ob es das nicht irgendwo günstiger gibt. Und es gibt immer jemanden im Netz, der die Serie gerade ausverkauft und dadurch billiger anbietet! Das erschwert es uns schon ungemein. Selbst wenn der Kunde uns vertraut und von dem Produkt überzeugt ist, will er sichergehen, dass er auch nur den absolut günstigsten Preis zahlt. Patricia Dickmann: Mir macht es schon Spaß, das Teil, das mir gut gefällt, sofort zu kaufen. Umso mehr, wenn die Verkäuferin es nett einpackt, vielleicht die Tüte noch mit einer schönen Schleife versieht. Dadurch wird es für mich ein rundum schönes Shoppingerlebnis. Simone Chrystall: Viele Kundinnen informieren sich jedoch erst im Geschäft, um im Anschluss online zu schauen, ob es das Produkt nicht irgendwo als Schnäppchen gibt. Da hat sich die Branche selbst auch viel kaputt gemacht. Seit zwei Jahren reduziere ich auch nicht mehr so rigoros, weil ich finde, dass man das Produkt nicht so entwerten darf. Darüber hinaus finde ich, dass der Look nicht mehr jede Saison so neu und anders ist. Die neuen Kollektionen überraschen mich viel weniger. Dass die Händler in ihrer Verunsicherung ähnlicher einkaufen und große Risiken meiden, verstärkt diesen Eindruck noch. Kaufe ich dagegen etwas Außergewöhnliches für den Store, merke ich, dass meine Kunden noch nicht bereit sind. Erst eine Saison später fragen sie danach, aber dann habe ich es nicht mehr da.

Gleichzeitig hat die Mode Tempo aufgenommen, was sicher auch mit den heute besser informierten Konsumenten zusammenhängt. Braucht es also doch länger, bis ein Trend wirklich bei den Konsumenten ankommt?

Maria Mertens: Oftmals schon, ja. Im April kommen schon wieder die ersten Pre-Fall-Rollkragenpullover in die Läden, dabei hat noch keiner die Sommersachen überhaupt angehabt. Mit dem Tempo sind die meisten völlig überfordert. Peggy Berger-Hopp: Im März habe ich mir gedacht, ich müsste jetzt mal einen neuen Bikini kaufen. Ich kam dick eingepackt in den Laden, weil es ja kalt war und habe in der Umkleide zwei, drei Teile anprobiert, aber nichts sah gut aus, mit winterweißer Haut und Druckrändern an den Beinen von

„Influencer sehen zwar immer toll aus, aber sie verkörpern überhaupt nicht mehr ihren eigenen Stil, weil sie alles von Marken geschickt bekommen. Für mich ist das alles nicht echt.“ Allegra Isert, AMD Modestudentin

den Strümpfen. Es war definitiv zu früh für Bikinis! Erst Mitte April, mit den ersten warmen Sonnenstrahlen, habe ich Lust auf Sommersachen bekommen. Simone Chrystall: Das geht mir genauso. Manchmal gehe ich aber auch nach Plan vor und kaufe früh, weil ich weiß, dass ich bestimmte Sachen später nicht mehr bekomme. Maria Mertens: Bei Eickhoff gab es das auch wirklich nicht mehr später. Es gab nur drei Teile, dann war das weg. Heute würde diese künstliche Verknappung wegen Online nicht mehr funktionieren. Heute ist das, was in Fashionshows im Netz zu sehen ist, manchmal auch direkt verfügbar. Weil die Fashionkundinnen das sofort haben wollen und nicht erst in einem halben Jahr. Stephanie Mayer: Die komplette MissoniBadekollektion war bei Jades24 im März innerhalb von ein paar Tagen ausverkauft, was uns schon überrascht hat. Es gibt auch Kollektionen von berühmten Bloggern, die in Sekundenschnelle ausverkauft sind. Unsere Kundin ist fashionaffin und weiß, was an Trends kommen wird und was limitiert ist. In dem Bereich gibt es bei uns tatsächlich keine Grenzen für zu früh!

„Ich mag Läden, wo ich spüre, dass die Betreiber offenbar meinen Geschmack haben. Es ist dann fast so, als hätten sie genau für mich eingekauft.“ Patricia Dickmann, Immobilienmaklerin

Apropos Blogger und damit verbunden Instagram. Beides spielt bei der Promo tion der Modetrends heute eine maßgebliche Rolle.

Allegra Isert: Ich persönlich bin kein großer Fan, auch wenn ich das Phänomen der Influencer aus beruflicher Sicht spannend finde. Sie sehen zwar immer toll aus, aber sie verkörpern überhaupt nicht mehr ihren eigenen Stil, weil sie alles von Marken geschickt bekommen. Für mich ist das alles nicht echt.

Wissen das auch Ihre Freundinnen, die nicht wie Sie Mode studieren?

Allegra Isert: Eher nicht. Die meisten schauen nicht hinter die Kulisse und wollen einfach alles haben. Sogar das Duschgel, das der Influencer entwirft. Dabei ist es doch nur ganz normales Duschgel, nur drei Euro teurer. Stephanie Mayer: 90 bis 95 Prozent meiner Outfits sind tatsächlich durch Instagram inspiriert. Mir ist egal, ob die Influencer dafür bezahlt werden, dass sie die Marken tragen. Für mich zählt nur der Look, den man ja durchaus auch mit anderen Marken als Gucci und Co nachstylen kann. Mich inspiriert zum Beispiel Anine Bing, die tragbare Mode zeigt. Das sind Streetstyles, die nicht wie aus dem Schaufenster oder wie manche obskuren Looks in den Hochglanzmagazinen aussehen.

Der große Vorteil der Onliner ist die Bequemlichkeit des Einkaufs.

Maria Mertens: Mit dem Nachteil allerdings, dass, wenn man zwei Größen zur Auswahl bestellt, auch zweimal abgebucht wird. Stephanie Mayer: Bei uns nicht! Wir bieten an, auf Rechnung zu kaufen, sodass nur abgebucht wird, was tatsächlich gekauft wird.

Die hohe Retourenquote ist ja das Problem vieler Onliner. Rentiert sich ein Onlineshop für stationäre Multilabel händler?

Stephanie Mayer: Bei uns auf jeden Fall. Es ist eher die Ausnahme, dass so viel zur Auswahl bestellt wird. Vielleicht liegt es am hochpreisigen Segment, dass der Kauf überlegter ist: Wer fünf Teile bei uns bestellt, schickt sie in der Regel nicht zurück, was bei Zara und Mango sicher anders ist. Wir bemühen uns außerdem in der Beschreibung der Teile um größtmögliche Genauigkeit, um Retouren zu vermeiden. Simone Chrystall: Bei Chrystall bieten wir aktiv an, Teile zur Auswahl mitzunehmen. Seltsamerweise wird das aber selten angenommen, offenbar haben die Kunden Hemmungen. Ein Onlineshop ist immer noch unpersönlich und mit Persönlichkeit und dem Gespräch werden Läden auch künftig punkten können. Verkaufen ist allerdings eine sehr schwierige Aufgabe, die viel weiter geht, als nur Pullover aus dem Regal zu nehmen. Allegra Isert: Ich bin ein Mensch, der schon genau weiß, was er möchte. Ich brauche nicht viel Hilfe, allerdings finde auch ich es manchmal komisch, wenn ich in einem Laden alles allein machen muss. Auf der anderen Seite will ich auch nicht ständig gefragt werden: Mögen Sie das? Oder steht Ihnen das? Ein paar Vorschläge sind gut, oder, dass mir die Verkäuferin das Teil schon mal in die Kabine hängt. Simone Chrystall: Es ist eine Kunst, super zu beraten, man darf den Kunden ja auch nicht das Gefühl geben, dass man ihm krampfhaft etwas aufschwatzen will. Dazu kommt, dass die Verkäuferin bis 19 Uhr im Laden steht und samstags noch dazu, bei einem recht geringen Einkommen. Der Beruf Verkäuferin stellt ganz andere Anforderungen an die Tätigkeit als noch vor zehn Jahren. Dazu kommt, dass der Beruf generell unterbewertet wird.

Was muss passieren, damit man gern in die Läden kommt? Was ist Ihnen wichtig?

Peggy Berger-Hopp: Ich möchte immer auch gern etwas über den Hintergrund von dem, was ich da kaufe, erfahren. Sei es die kleine Manufaktur, die das traditionelle Handwerk mit Hilfe alter Maschinen in die Zukunft trägt, oder der Schuhbetrieb in Portugal, der mit viel Liebe handgenähte Schuhe fertigt. Dafür bin ich auch bereit, mehr Geld auszugeben. Allegra Isert: Ich komme aus Bocholt nahe der holländischen Grenze, wo es viele kleine Geschäfte gibt, in denen man sich persönlich kennt. Auch wenn ich in Holland bin, besuche ich am liebsten die kleinen Boutiquen, wo alles eng zusammenhängt und ein Bild ergibt. Marken stehen da eher im Hintergrund. Auf der anderen Seite kaufe ich auch viel bei Zara, weil der Preis gut ist und die Trends dort schnell sind. Peggy Berger-Hopp: Meine erwachsene Tochter, die 21 Jahre alt ist, geht gar nicht gern in die Stadt. Nur in zwei, drei Läden, in denen sie gute Erfahrungen gemacht hat und preiswerte Mode findet, wie zum Beispiel bei Subdued in der Düsseldorfer Altstadt. Unser Kaufverhalten ist ansonsten genau entgegengesetzt: Wenn ich samstags ausgehe, öffne ich meinen Kleiderschrank. Wenn sie samstags ausgeht, will sie einkaufen. Da bin ich fremd in der Welt. Ich bin viel mehr dafür, etwas zu kaufen, das dank der Qualität langlebiger ist, das erscheint mir nachhaltiger. Stephanie Mayer: Kleidung ist immer auch Ausdruck eines Gefühls. Man kann neue Facetten an sich entdecken und zeigen. Das spielt der Modebranche natürlich in die Karten.

„In Deutschland gibt es durchaus Frauen, die meine Beratung gern in Anspruch nehmen, aber nicht bereit sind, dafür zu zahlen.“ Maria Mertens, Stylecoach

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Peggy Berger-Hopp: Ich finde, dass es doch noch so viel mehr gibt, über das man sich identifizieren kann, anstatt nur über Kleidung, wie es viele junge Leute tun. Ich würde mir wünschen, dass sie es schaffen, ganz bei sich zu sein. Der Rest findet sich dann schon. Stephanie Mayer: Wobei Kleidung schon auch hilfreich sein kann. Ich habe heute auch meinen Blazer angezogen, da fühle ich mich gleich ein bisschen smarter!

Den Konsumenten wird heute nachgesagt, dass sie weder Geschäften noch Marken treu sind. Gibt es bei Ihnen diese Treue noch?

Patricia Dickmann: Für mich schon. Ich schaue zwar querbeet, komme aber immer wieder auf ein Wäschegeschäft zurück, weil ich die Auswahl der Inhaberin superschön finde. Es gibt schon auch Marken, denen ich treu bin, aber letzten Endes ist Qualität für mich entscheidender als Marke.

Was wünschen Sie sich von einem Geschäft, in das Sie gehen? Oder was fehlt Ihnen manchmal?

Patricia Dickmann: Ich fände eine ganzheitliche Beratung gut. Ich weiß schon, was mir gefällt, aber manchmal fällt das Kombi

Peggy Berger-Hopp: „Denkt man an die viele Ware, die trotz schwin- dender Ressourcen pro- duziert wird, kann ich mir nicht vorstellen, dass es ewig so weitergeht.“

Peggy Berger-Hopp, Marketingassistentin nieren doch schwer. Für einen angemessenen Preis würde ich eine Stylingberatung gern mal in Anspruch nehmen. Stephanie Mayer: Die Konsumenten heute wollen inspiriert und überrascht werden. Während bei Zara mehrmals die Woche umdekoriert wird, hängen die Kollektionen in den kleinen Läden wochenlang. Für sie ist es schwieriger, weil sie nicht jeden Tag die Puppen neu anziehen und die Schaufenster umgestalten können. Maria Mertens: Man bekommt ja dann auch meist keine neue Ware mehr. Simone Chrystall: Wir steuern dagegen an und versuchen, nicht alle Ware auf einmal auf die Fläche zu bringen, sondern nach und nach. Peggy Berger-Hopp: Als Verkäufer muss man ein Gefühl für den Kunden entwickeln. Ich arbeite ein paar Tage die Woche im Düsseldorfer Geschäft von Repeat Cashmere. Letztens kam eine Dame kurz vor Ladenschluss, die schon oft bei uns war, aber noch nie gekauft hat. Zuerst erschien sie mir total unfreundlich. Ich war so wie immer, mit dem Ergebnis, dass sie eine Stunde später glücklich aus dem Geschäft gegangen ist, mit einem Einkauf für 1.000 Euro. Maria Mertens: Sie hat gesehen, dass sich jemand für sie die Zeit nimmt. Deshalb hat sie sich wohlgefühlt und gekauft. Simone Chrystall: Wir haben ganz verschiedene Verkäufertypen, die ebenso verschieden sind wie unsere Kunden: Die einen wünschen sich eine intensive Beratung und dass der Verkäufer am besten gleich hinter ihnen steht, die anderen fühlen sich da eher bedrängt. So kommen manche bevorzugt an den Tagen, an denen ihre Lieblingsverkäuferin da ist. Ich glaube, es gibt keine einheitliche Strategie, wie man am besten mit Kunden umgeht. Stephanie Mayer: Viele von ihnen sind ja auch sehr sensibel: Sie wollen ehrlich beraten werden, aber nicht jeder verträgt die ehrliche Meinung. Simone Chrystall: Die meisten Frauen fühlen sich gut aufgehoben, wenn man als Verkäufer ein offenes Ohr für die Wünsche hat, wenn man sich Zeit für den persönlichen Austausch nimmt. Stephanie Mayer: Unsere Onlinekunden haben vielleicht den ganzen Tag schon geredet, sei es mit ihren Kindern, sei es in Businessmeetings und sind ganz froh, in Ruhe gelassen zu werden. Beim Onlinekauf muss keiner noch Smalltalk halten, der ihn vielleicht noch mal eine halbe Stunde kostet. Simone Chrystall: Trotzdem glaube ich nicht, dass es in zehn oder 20 Jahren keine Geschäfte mehr gibt. Womöglich wird es mehr Showrooms geben und gekauft wird dann im Netz, aber ich bin überzeugt, dass sich Marken auch offline präsentieren müssen, weil es nach wie vor sehr schwierig ist, eine Marke im Netz zu einer Marke zu machen. Warum sonst machen so viele Onliner einen Laden auf? Weil sie sich dort

„Zeit ist der größte Luxus geworden, und in unserem Onlineshop zu kaufen, heißt letztendlich nichts anderes als, dass wir der Kundin Zeit schenken.“ Stephanie Mayer, Mode-Redakteurin Jades24

besser mit den Kunden auseinandersetzen können. Peggy Berger-Hopp: Es wird den Einzelhandel weiterhin geben, wenn auch vielleicht nicht so, wie wir ihn bisher erlebt haben. Die Konsumenten, die jetzt jung sind, werden einen Wandel durchmachen. Denkt man an die viele Ware, die trotz schwindender Ressourcen produziert wird, kann ich mir nicht vorstellen, dass es ewig so weitergeht. Maria Mertens: Ich kann mir gut vorstellen, dass das Handwerk eine Renaissance erlebt. Das Persönliche, das Individuelle wird noch wichtiger, weil die Masse die Konsumenten auf Dauer stresst. Stephanie Mayer: Dennoch wird der Onlinehandel sicher noch weiter wachsen, weil der Zeitfaktor eine immer größere Rolle spielt. Ich denke, dass sich der stationäre Handel künftig immer mehr der Digitalisierung bedient, wie zum Beispiel mit der Verwendung intelligenter Spiegel. Es gibt immer mehr smarte, digitale Lösungen, die im Geschäft immer selbstverständlicher integriert werden können. Und nach wie vor wird es Konsumenten geben, die das Shoppingerlebnis im Geschäft lieben und sich die Zeit für einen Einkaufsbummel gönnen.

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