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Für Sie

148 MODE

Für Sie

Stilgruppen? Zielgruppen? Konsumentinnen lassen sich heute nicht einfach fassen: Sie sind wandlungsfähig, vielseitig und zwischen Modelust und Konsumbewusstsein zu verorten. style in progress hat Einkäuferinnen und Einkäufer gebeten, ihre Vision der Frauen, für die sie einkaufen, zu teilen.

Text: Kay Alexander Plonka, Martina Müllner-Seybold. Illustration: Claudia Meitert@Caroline Seidler. Bilder: Gesprächspartner

„Das ist ein Lebensstil“

Seit 27 Jahren behauptet sich Christiane Lindner mit Zeitgeist in Amberg, einem beschaulichen Städtchen in der Oberpfalz. 90 Prozent ihrer Kundinnen sind Stammkundinnen für die „wir die Marke sind, ganz klar. Geschichten sind diesen Kundinnen wichtig.“ Ob das nun Polster aus Südafrika sind, denen auch noch ein Charity-Gedanke innewohnt, oder die Tatsache, dass Odeehs Atelier eben nicht in Mailand oder Paris, sondern in Giebelstadt ist. „Wer bewusst isst, sich bewusst um seinen Körper und seine Gesundheit kümmert, der will auch die entsprechende Mode. Das ist eine Geistes haltung, ein Lebensstil.“ Mit hochwertigen, langlebigen, aber lebenslustigen, bunten und femininen Stücken aktualisieren die Zeitgeist kundinnen saisonal ihre Garderobe. „Wichtig finde ich, dass wir vermitteln, dass unsere Stücke die Wertigkeit unterstreichen. Wir verkau fen eben keine Wegwerfmode: Das passt doch super zu dem Teil, das du letzte Saison bei uns gekauft hast.“

„Lust auf einen neuen Look“

Als Buying Director verantwortet Vito Santoro bei P&C Düsseldorf die modische Aussage des Filialisten an über 70 Standorten. Seine Berufung – Vito Santoro arbeitete lange für Closed und hat sich mit seinem eigenen Laden Identi tà Italiana einen Namen gemacht – ist ein Bekenntnis von P&C zum Trading-up. Neben den Shop-in-Shops will einer der führenden deutschen Modehändler verstärkt durch jüngere Premiummarken eigenes Profil zeigen. „Die Frau, für die ich einkaufe, ist eine wandlungsfähige, erfolgreiche – privat und beruflich – sowie selbstbewusste Frau, die auf ihr Äußeres achtet. Dabei geht es weniger um eine bestimmte Berufs- oder Altersgruppe. Sie ist eine Frau die beson deren Wert auf Qualität, Ethik und Design der Produkte legt. Markennamen überzeugen sie nicht so wie das Gefühl, von dem Gesehenen überrascht worden zu sein und Lust auf den neuen Look bekommen zu haben.“

„Verschiedene Wohnsitze, verschiedene Styles“

Zwischen beliebten Après-Ski-Locations gelegen, hat auch das Shopping bei Sinnesberger Englhaus Urlaubscharakter. „Unsere Kundinnen haben verschiedene Wohnsitze und dafür auch einen passenden Kleiderschrank. Sie trägt zum Beispiel in ihrer Heimatstadt Hamburg einen komplett anderen Style als in Kitzbühel“, fasst Brigitte Sinnesber ger zusammen, die gemeinsam mit ihrem Mann Michael seit über 15 Jahren zwei Läden in Kitzbühel betreibt. „Sie kombiniert Sportlichkeit mit Eleganz, im Wintersportort ist zum Beispiel auch Pelz ein Thema, was in der Großstadt immer seltener wird.“ Kunst, Lifestyle, Design, Restaurants und Reisen interessieren die Kundin, die auf sich achtet und der Sport wichtig ist. Funkeln darf es auch schon mal: Mit Schmuck und Taschen der First Lines bringt die Englhaus-Kundin ihren Status zum Ausdruck. Den figurbewussten, junggebliebenen Kundinnen, oft verheiratet und mit Kindern im Teenageralter, offeriert Sinnesberger Englhaus eine Garderobe mit einer guten Portion Glamour und Dekoration – modern, tragbar und leger interpretiert.

„Genussmenschen durch und durch“

Nathalie Nicoletti von Blue Sense in Heidelberg bringt mit ihren Conceptstores Urlaubsgefühl in die Studentenstadt. „Unsere portugiesischen Weine, Delikatessen und Keramik von Vista Portuguese ziehen Kunden an, die unsere Liebe zum guten Leben teilen.“ An Samstagen entwickle sich oft ein nettes Get-Together, Grüppchen, die sich kennen und gegenseitig beraten und animieren. Farben, Muster, ein bisschen Modelust ist schon gefragt: „Viele unserer Kundin nen werden mit jedem Mal mutiger, weil sie bemerken, dass sie für unsere Outfits tolle Komplimente bekommen.“ Zum Beratungsgespräch – immer ehrlich und auf Augenhöhe – gehört viel persönliche Wertschätzung. „Ich sehe immer zuerst den Menschen, viele Kunden kenne ich nur beim Vornamen und weiß gar nicht um ihre Stellung.“ Diese Verbindungen setzen sich mitunter ins Private fort. „Mit einigen Kunden sind wir mittlerweile so freundschaftlich verbunden, dass wir nach dem Shoppen mit großem Vergnügen den Tag mit einem Abendessen auslaufen lassen. Ich freue mich an diesem Bild: Frauen, die selbstbewusst einen unangestrengten, sportlich-eleganten Look tragen, die mit ihrer Kleidung ihre Wertschätzung sich selbst gegenüber ausdrücken.“

„Ich glaube an eine gute Garderobe“

Der Voo Store im Hinterhof in der Oranienstraße in Kreuzberg gelegen, ist in Berlin eine Institution für Sneaker und Avantgardedesigner. „Die Frau, für die ich einkaufe, ist auf den ersten Blick etwas streng, dann aber auch tollpat schig, sexy beim zweiten Mal Hinschauen und hat manchmal etwas zerzauste Haare. Sie ist keine klassische Schönheit, aber eine, nach der man sich umdreht, weil sie selbstbewusst und lustig ist. Ich sehe eine Frau, die klassische Kombinationen und Looks liebt, aber keine Angst vor einem Kraut und Rüben Mix hat“, erklärt Herbert Hofmann, Creative Director & Head of Buying von Voo Store. „Ich glaube an das Aufbauen einer Garderobe, in der man nahezu alles, was man hat, mixen kann. Das passiert, wenn man sich beim Einkaufen auf seinen Geschmack verlässt und nicht jedem Trend hinterherrennt. Diese Frau kauft gerne im Laden und nicht online, dabei überlegt sie sich genau, was sie kaufen will. Das sind selektierte Einzelteile, die man für immer behält und sogar nach Jahren immer noch und immer wieder schätzt. Neugierde für Neues spielt für sie eine größere Rolle als das Markenimage. Diese Frau fragt auch mal, wo ein Teil hergestellt wurde. Ich habe eine Frau im Kopf, die gerne und gut isst und gerne über Essen redet, viel reist und dafür eigentlich das meiste Geld ausgibt.“

„Inspiration und Entscheidungshilfe“

„Das Wichtigste ist, dass wir selbst schon beim Einkaufen der Kollektionen Muße und Spaß empfinden“, sagt Kathrin Bauer, die gemeinsam mit ihrer Schwester Tini Köck Magazzin in Graz verantwortet. Das insgesamt 250 Quadratme ter große Geschäft schlägt die Brücke zwischen Sport und Fashion. „Ich frage mich stets: Was könnte meine Kundinnen inspirieren? Mit welchen Outfits schaffe ich es, Aufmerksamkeit zu erwecken?“ Ob im Schaufenster oder auf der Website – das Besondere zieht die Kunden in den Laden. „Wir mischen unsere Preissegmente, zum Missoni-Kleid um 599 Euro gibt’s auch mal Tom’s Ballerinas um 69 Euro – das entspricht dem heutigen Kaufverhalten und baut Schwellenangst ab. Wir bemühen uns, unseren Kundinnen Entscheidungen abzunehmen. Sie wollen nicht stunden lang suchen, ob online oder offline. Unsere Kundinnen schätzen eine vertrauensvolle Adresse, an der sie wissen, da passt alles und da fühle ich mich wohl. Sie suchen Lieblingsteile und natürlich gerne solche mit interessanten Geschichten. Denn Geschichten, die inspirieren, hört jeder gern.“

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