M04 - Magazin für Destinationsmarketing in Südtirol

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OKTOBER / NOVEMBER / DEZEMBER 2012

Magazin für Destinationsmarketing in Südtirol

KOMM IN MEIN NETZ

Warum ein gezielter Austausch für die Südtiroler Wirtschaft so wichtig ist


42.095 Ehrenamtliche bringen sich in 1.954 Südtiroler Organisationen ein

» Die Top 3: 12.900 Feuerwehrleute in 306 Freiwilligen Feuerwehren 10.700 SängerInnen in 423 Chören 9.500 MusikantInnen in 211 Musikkapellen Das institutionelle Ehrenamt ist im Sinkflug: Seit dem Jahr 1999 sind die Organisationen und ehrenamtlichen Helfer auf die Hälfte geschrumpft. (Quelle: Anzahl der Ehrenamtlichen kalkuliert aufgrund der Angaben in der Publikation ‚Die Südtiroler Landschaft des Ehrenamtes‘, Autonome Provinz Bozen 2011)


Netzwerke: Kommunikation 2012 Die Aussage von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg liest sich wie eine düstere Prophezeiung: „Einst lebten wir am Land, dann in Städten und von jetzt an im Netz“! Und doch bringt dieser Satz den dramatischen Wandel unserer Lebensund Kommunikationsgewohnheiten gut auf den Punkt. Man darf die Verflachung, Verkürzung und Verrohung der Mitteilung beklagen. Aber wer genau hinschaut, sieht die Konstante: den Wunsch nach Interaktion. Das weltweite Netz schenkt dem sozialen Wesen „Mensch“ nur ein neues Instrument, wenngleich ein revolutionäres. Der Beschenkte lernt gerade das Bedienen, irgendwo zwischen Fortschrittsdiktat, Zeitknappheit und Freiheitsverteidigung. Er wird lernen, damit nutzenstiftend umzugehen, der eine mit, der andere ohne Facebook-Profil. Das „Netzwerk“, egal ob am Kirchplatz oder im Social Network, liefert genau für diesen Wunsch nach Interaktion die Struktur. In der Welt des Privaten ist sie bekränzt mit zertifizierten Werten wie Liebe und Freundschaft. In der beruflichen Welt wird sie zuweilen der berechnenden Absicht verdächtigt, mit Kontakten und im Klüngel ergebnisreicher voranzukommen. Nicht dieser Art Wegesystem reden wir das Wort. Sondern dem unverzichtbaren Mechanismus, der zur positiven Entwicklung der Gesellschaft gehört: das Zusammenwirken der Akteure! Basis dafür sind Kommunikation, Austausch und Konsensfähigkeit. Über unsere Unterschiede hinweg. Netzwerke geben dem nur eine Plattform. Für die Verständigung sind wir selbst verantwortlich. Ulrich Stofner, BLS-Direktor

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20twenty | G.-Galilei-Straße 20, 39100 Bozen | info@twenty-bz.it | www.twenty-bz.it GRATIS | MO – DO 08.00 - 22.00 | FR – SA 08.00 - 23.00 | Folge uns auf Facebook

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Inhalt TITEL: Netzwerke 8 Alles vernetzt So viel branchenübergreifende Gemeinschaft wie jetzt gab es in Südtirol noch nie. Eine Lagebestimmung. 15

Klein, größer, Genossenschaft Warum die krisensichere Gesellschaftsform weltweit auf dem Vormarsch ist.

16 Kunden vertrauen Kunden Internetmarketing-Experte Björn Schäfers sieht die Vernetzung der Kunden als DIE Chance im Verkauf.

MARKETING 26 Gerüstet für die digitale Welt Die Internetstrategie der SMG und die Forderung nach kostenlosem Internet-Zugang für Urlauber. 29 Planung STEP by STEP Das gemeinsame Flächenmanagement der Südtiroler Gemeinden wird bald Wirklichkeit. 34 Besonderes Klima, hohe Qualität Die Marteller machen mit vier Sorten Konfitüre, gelabelt mit dem Qualitätszeichen, von sich reden.

18 Das Netz macht stark Südtirols erfolgreiche Wirtschaftsnetzwerke und Kooperationen im Visier. 20 Vier Anbieter, eine Lösung IT-Konkurrenten entwickeln zusammen einen Standard, um die Dateneingabe ihrer Kunden zu erleichtern. 24 Landestelekommunikationsnetz Südtirol hat bald flächendeckend schnelle Internetleitungen. Der Plan und seine Kosten im Überblick.

BLS – EOS – SMG – TIS –

Rubriken 6 7 22 25 32 36 38

mailbox made in südtirol blick über den tellerrand meinung menschen im visier der medien marktplatz

Business Location Südtirol A.G., Dompassage 15, 39100 Bozen Export Organisation Südtirol, Südtiroler Straße 60, 39100 Bozen Südtirol Marketing K.A.G, Pfarrplatz 11, 39100 Bozen innovation park, Siemensstraße 19, 39100 Bozen

Verantwortlicher für den Inhalt: Reinhold Marsoner | Chefredaktion: Barbara Prugger | Redaktion: Antonia Contato, Maria C. De Paoli, Bettina König, Hartwig Mumelter, Eva Pichler, Gabriela Zeitler Plattner | Koordination: Ruth Torggler | Layout: succus. Kommunikation GmbH | Design-Consult: Arne Kluge | Fotografie: Frieder Blickle, Alex Filz, Andreas Grieger, Lukas Nagler, Othmar Seehauser/Batzen Häusl, Shutterstock | Illustration: Anna Godeassi | Infografiken: Philipp Aukenthaler | Druckvorstufe: typoplus GmbH, Bozner Straße 57, 39057 Frangart | Druck: Karo Druck KG, Pillhof 25, 39057 Frangart | Zur Abbestellung dieses kostenlosen Magazins genügt eine E-Mail mit genauer Adressangabe an m@suedtirol.info | Eintragung beim Landesgericht Bozen Nr. 7/2005 vom 9. Mai 2005

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MA ILBOX

auch andere Branchenvertreter, die Anlaufstelle für Unternehmer sein könnten, sind willkommen. Vom Spezialisten-Netzwerk sollen auch die Dienstleister profitieren, die im Idealfall Kunden dazugewinnen können. Interessierte Spezialisten können sich via Internet kostenlos in die BLS-Datenbank eintragen. www.bls.info/spezialisten-netzwerk

EXPORTEURE IM ÜBERBLICK

Wer wohin exportiert

Ab 2016 ist eine Nährwerttabelle auf Lebensmittel-Etiketten gesetzlich vorgeschrieben

NÄHRWERT ERRECHNEN Etikettieren leicht gemacht

INNOVATION. Wie viele Fette, Eiweiße und Kohlenhydrate stecken in einem Lebensmittel? Und wie verträglich sind sie? Das verrät die Nährwerttabelle auf den neuen Lebensmittelmittel-Etiketten. Während Lebensmittelunternehmen derzeit noch selbst entscheiden, ob sie ihre Etiketten mit der Tabelle versehen wollen, ist sie ab 2016 für alle Pflicht. Um vor allem kleinen Handwerksbetrieben teure Laboranalysen oder das aufwändige Errechnen der Nährwerte ihrer Produkte zu ersparen, haben der Handels- und Dienstleistungsverband, das TIS und die Handelskammer Bozen eine eigene Webapplikation entwickelt. Bäcker, Metzger & Co. geben hier alle Zutaten und Informationen zum Produktionsprozess ihrer Produkte ein, das Programm errechnet dann die Nährwerte. www.tis.bz.it/alimentaris/projekte

SÜDTIROL WORKSHOP 2012 Idealer Rahmen zum Netzwerken

MARKETING. Erstmals wird der Workshop Südtirol, die Kontaktbörse für Reiseveranstalter und Beherbergungsbetriebe in Südtirol, am 23. Oktober im Rahmen der Messe Hotel stattfinden. Ziel dieses Workshops ist es, Kontakte mit Reiseveranstaltern für eine mögliche Zu6

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sammenarbeit zu knüpfen. Die Messe Hotel bietet dafür den idealen Rahmen, da Beherbergungsbetriebe auch gleichzeitig die Chance nutzen können, sich über neue Produkte auf der Messe zu informieren. Neu in diesem Jahr: Neben den 30 Reiseveranstaltern aus Deutschland, Italien, Großbritannien, Niederlande, Belgien, Tschechien und Polen werden erstmals auch einige russische Tour Operator am Südtirol Workshop teilnehmen. Anmeldungen sind in diesem Jahr online bis 5. Oktober möglich. www.smg.bz.it/de/workshop2012

EXPORT. Das Online-Portal für Südtiroler Exporteure steht seit Kurzem allen Interessierten zur Verfügung. Gesucht werden kann sowohl nach spezifischen Firmennamen und Kontakten als auch nach verschiedenen Produktkategorien und Exportmärkten. Registrierte Firmen erhalten so Sichtbarkeit bei potentiellen Kunden aus aller Welt und können gleichzeitig wichtige Kontakte knüpfen und Synergien schaffen. Die Exportdatenbank fungiert als Plattform nach außen, hat aber auch eine wichtige Funktion als Kommunikationsträger für die registrierten Firmen. Derzeit sind 120 Unternehmen aus Südtirol angemeldet. Die Online-Eintragung ist kostenlos und dauert nur wenige Minuten. (gzp) www.export.bz.it

DIENSTLEISTER-NETZWERK Die Experten im Überblick

STANDORT. Unternehmen, die in Südtirol tätig sind oder hier Fuß fassen möchten, benötigen zuverlässige und kompetente Partner aus verschiedensten Branchen. Über eine eigene Datenbank für verschiedenste Dienstleister aus Südtirol verfügt die Business Location Südtirol (BLS). Im Verzeichnis Südtiroler Dienstleister werden vor allem jene Berufsgruppen aufgelistet, die von Unternehmern erfahrungsgemäß am häufigsten konsultiert werden: Notare, Rechtsanwälte, Architekten, Ingenieure, Immobilienmakler, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Arbeitsrechtsberater und Personalvermittler. Aber

Kontaktbörse für Exporteure und jene, die es werden wollen


MADE IN S Ü DTIRO L

STECKBRIEF

Projekt: Regiokorn

Partner ....................................................................... Bauern, Müller, Bäcker mit TIS, EOS, SBB und Laimburg Besonderheit ...................................... Innovation durch Tradition Ziel ............................... Getreideanbau in Südtirol wiederbeleben

„Regionales Korn zu regionalem Brot verarbeiten“ lautet das Motto des Pilotprojekts von TIS, Bauernbund und Versuchszentrum Laimburg. Das Projekt Regiokorn will den Getreideanbau in Südtirol wiederbeleben und bringt dafür Bauern, Müller und Bäcker zusammen. Aus dem angebauten Roggen und Dinkel wird Brot gebacken und auf den Markt gebracht. Davon profitiert jeder Einzelne entlang der Wertschöpfungskette. Und so funktioniert es: Die Ernte kommt in eine Südtiroler Mühle, die das Getreide auf seine Qualität überprüft, reinigt, mahlt und schließlich an 34 Südtiroler Bäcker verteilt. Diese garantieren bereits dieses Jahr eine Abnahme zu fairen Preisen und verarbeiten den Südtiroler Roggen und Dinkel ab Herbst zu echtem regionalem Brot. www.tis.bz.it/regiokorn


titel: N ETZW ERKE | Alles vernetzt

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ALLES VERNETZT Die Welt war noch nie so verbunden wie heute. Zwischen San Francisco und Wladiwostok, dem Nordkap und Kapstadt sind über zwei Milliarden Menschen online, und jeder dritte hat einen Facebook-Account. Networking findet aber nicht nur im Netz der Netze statt, sondern schweißt auch immer mehr Unternehmen zusammen. Text: Maria Cristina DePaoli Illustration: Anna Godeassi

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ls im Frühling 2011 Hunderttausende Menschen in der arabischen Welt auf die Straße gingen, war schon bald von einer „Facebook-Revolution“ die Rede. Trotz Zensur und Unterdrückung gelang es den Massen, sich mithilfe der Social Media zu den Demonstrationen zu verabreden. Die zentrale Rolle der OnlineDienste im Arabischen Frühling wird mittlerweile sogar von Studien belegt. Mit Facebook, YouTube und Twitter lassen sich aber nicht nur Diktaturen stürzen, sondern auch demokratische Wahlen gewinnen. 2008 hat Barack Obama die neuen Kommunikationskanäle erfolgreich für seine Kampagne genutzt und damit eine Ära der „Politik 2.0“ eingeläutet. Über Facebook & Co. wurden damals nicht nur Fans und aktive Helfer rekrutiert, sondern auch ein großer Teil der Spenden gesammelt. Vier Jahre später hat der US-Präsident erneut auf eine Internet-Kampagne gesetzt – und zwar massiv und konsequent. Selbst die Ab-

sicht, wieder zu kandidieren, wurde vor anderthalb Jahren per Video-Nachricht verkündet. Ein Tribut an das Netz, das von seinen interaktiven „Freunden“ offensichtlich geschätzt wurde. Immerhin konnte sich Obama in relativ kurzer Zeit über knapp 28 Millionen „Gefällt mir“Klicks auf seiner Facebook-Seite freuen.

Rasanter Aufschwung Von Kairo nach Washington, von Peking, wo im heurigen Frühling 1.065 InternetDissidenten festgenommen wurden, nach Paris, wo die Première Dame Valérie Trierweiler gerade Twitter ausgewählt hat, um Ségolène Royal, ihre Vorgängerin an der Seite von Premierminister François Hollande, öffentlich zu demütigen: Das Netz der Netze ist heute weit mehr als eine Plauderstube, in der mit „Freunden“ Small Talk geführt wird. Das Verhältnis der User zum Web hat sich grundlegend verändert. Noch vor zehn Jahren war es die Teilhabe am un-

begrenzten Informationsreichtum, die die Menschen ans Netz heranführte. „Dann sahen sie die Möglichkeit, die eigene Kreativität einzubringen und Spuren zu hinterlassen“, behauptet der deutsche Psychologe und Unternehmensberater Peter Kruse. Nun biete ihnen das Netz die Chance, sich zu machtvollen Bewegungen zusammenzuschließen. Der Arabische Frühling docet, der Trend beschränkt sich aber nicht nur auf politische Oppositionsbewegungen, sondern zieht sich durch alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens – vom täglichen Konsum über die Pflege der Gesundheit und die Gestaltung der Freizeit bis hin zur persönlichen Bildung. Analysten sprechen von einer Sturm-undDrang-Phase der Mediennutzer. Und Kruse geht sogar noch einen Schritt weiter: Die „Social Networks“ seien ein Angriff auf die etablierten Regeln der Macht und würden ein grundlegendes Umdenken der Gesellschaft erzwingen. Womit er wohl recht zu haben scheint. Denn noch nie waren der Austausch über Produkte und Dienstleistungen, der Transfer von Ideen und Informationen größer, nie wurde mehr gesucht, empfohlen, getestet, bewertet, kritisiert und debattiert als heute. Wobei die klassischen Anbieter zunehmend links liegen gelassen werden, weil sich ein Teil der Transaktionen und Kommunikationen Peer-to-Peer, also direkt abspielt. Selbst Spezialisten wie Anwälte bekommen Konkurrenz aus dem Internet. » OKTOBER, NOVEMBER, DEZEMBER 2012 | M

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TITEL: N ET Z W ER K E | Alles vernetzt

SPEZIALISTEN UNTER SICH Die museumobil Card, die den Eintritt in 80 Südtiroler Museen mit der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrsnetzes koppelt, ist das erste und bis dato wohl signifikanteste Ergebnis einer Initiative, mit der die SMG die wichtigen Player im Land vernetzen und einen Quantensprung in der Produktentwicklung erreichen will. Die Idee dahinter ist die der Strategie-Tische, an denen Gleichgesinnte regelmäßig zusammensitzen. An den themenspezifischen Tischen der SMG – vorerst zu Kultur, Architektur und Nachhaltigkeit – begegnen sich Touristiker und Vertreter der einzelnen Branchen. So sitzen beispielsweise – um nur drei der insgesamt 28 Experten zu nennen – Landeskonservator Leo Andergassen am Kultur- und Architekturtisch, Carlo Azzolini, Präsident der Architekturstiftung Südtirol am Architektur- und Ökoinstitut-Geschäftsführer Harald Reiterer am Nachhaltigkeits-Tisch. Die Treffen finden regelmäßig statt und dienen als Plattform, wo Ideen und In-

„Check my case“ ist eine Rechtsberatungsplattform, die auf das Wissen der Community setzt. Letztlich entscheidet die Usergemeinschaft darüber, ob jemand mit seinem Rechtsproblem vor Gericht überhaupt eine Chance hat oder nicht. Juristen gehen in die Offensive und versuchen auf Plattformen wie www.frag-einen-anwalt.de ihre Klientel über jenes Medium zurückzugewinnen, das sie ihnen immer mehr raubt. Netzwerke hat es immer schon gegeben. Die Zünfte und Gilden, die Bruderschaften und Clubs, die Vereine und Verbände, aber auch die Freimaurerlogen und Stammtischrunden waren und sind

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formationen ausgetauscht, Synergien geschaffen und konkrete Projekte entwickelt werden. „Das war auch bei der museumobil Card der Fall“, sagt Gabriele Crepaz von der SMG-Produktentwicklung, die den Kultur-Tisch leitet. „Verschiedene Museen waren an uns mit der Bitte herangetreten, neue Marketingstrategien für das museale Angebot im Land zu entwickeln. Wir haben diesen Wunsch an die Experten des Kulturtisches herangetragen und mit ihnen die Idee einer gemeinsamen Karte für Museen und öffentliche Verkehrsmittel entwickelt.“ Zur Umsetzung wurde schließlich auch das Ressort für Mobilität hinzugeholt. „Mittlerweile gibt es die Card seit drei Jahren. Seit 2010 wird sie auch in bestehende Gästekarten integriert. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: 2011 wurden fast 12.000 Karten im freien Verkauf erworben. Gleichzeitig wurden 150.000 integrierte Gästekarten aktiviert“, sagt Crepaz, die auch über einen Workshop zum Thema Kultur und Tourismus berichtet, der ebenso aus der Kulturtisch-Runde hervorgegangen ist. „Da wurde sehr schnell klar: Kultur und Tourismus wollen in Südtirol künftig noch enger zusammenarbeiten.“

eigentlich nichts anderes als Gemeinschaften, deren Mitglieder zueinander stehen. So viel Vernetzung wie heute gab es allerdings noch nie. Auch weil Networking dank des Internets viel einfacher und schneller geworden ist und sich die verschiedenen Ebenen zunehmend vermischen. „Früher wurde immer auf ein und demselben Niveau oder innerhalb einer bestimmten Branche kooperiert“, sagt Hannes Pardeller vom Bozner Startup-Unternehmen „Frinzer“ (siehe Artikel auf Seite 18 – 19). Die Handwerker schlossen sich mit den Handwerkern, die Studenten mit anderen Studenten und die örtlichen Notabeln mit ihresgleichen zu-

sammen. Dies passiere zwar immer noch, heute würden sich aber auch die Konsumenten untereinander und die Unternehmen mit ihren Kunden vernetzen, woraus sich laut Pardeller absolut neue und spannende Situationen ergeben. „Den Unternehmen stellt sich nicht mehr die Frage, ob man Social Media einsetzt, sondern wie“, sagt der deutsche Unternehmensberater Raimund Mollenhauer. Jede Branche und jeder Betrieb habe seine eigene Zielgruppe. Umso schwieriger gestalte sich die Auswahl der Kommunikationskanäle. In manchen Fällen rät der Profi sogar, auf Facebook zu verzichten und über Blogs oder Foren


mit der Community zu kommunizieren. Mollenhauer vergleicht das Prozedere mit einer Kochsession. Zunächst brauche es die richtigen Zutaten, und erst dann könne das Rezept Schritt für Schritt nachgekocht werden. Der Lernprozess sei langwierig. Viele große Unternehmen, die bereits seit über zehn Jahren mit Social Media arbeiten, seien erst seit Kurzem so richtig erfolgreich damit. Raimund Mollenhauer coacht derzeit 16 Süd- und Nordtiroler Betriebe, die an einem Ideenwettbewerb über den Einsatz von Social Media teilgenommen haben. „Dabei konnten wir feststellen, dass viele Unternehmen Angst haben, etwas falsch zu machen“, sagt Michaela Kozanovic, Projektverantwortliche im TIS innovation park. Vielen sei außerdem nicht klar, wie viel Zeit in die Kommunikation mit den eigenen Fans und Freunden investiert werden müsse. „Früher hat man einen Artikel oder ein Inserat in der Zeitung veröffentlicht, worauf kaum jemand antwor-

tete. Wenn man heute etwas im Netz postet, reagieren alle sehr schnell darauf. Und alle erwarten sich eine ebenso rasche Rückmeldung.“

Vernetzte Betriebe Kaum ein Unternehmen kann es sich heute leisten, den Like-Button auf der Website wegzulassen (siehe dazu Interview mit Björn Schäfers auf Seite 16 – 17). Der ständige Dialog mit den Kunden gilt als Muss, genauso wie Business-Netzwerke, die als entscheidende Erfolgsbausteine gewertet werden. „Durch Netzwerkarbeit lassen sich die Umsätze steigern, Gewinne generieren und das Image verbessern“, betont der deutsche Unternehmensberater Hermann Scherer. Und Theresia Theurl, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen, bestätigt: „Unternehmen kooperieren zunehmend miteinan-

der. Das Umfeld ändert sich, und so optimieren sie ihre Unternehmensgrenzen durch Zusammenarbeit.“ Viele Kooperationen würden jedoch platzen oder nicht die erwarteten Effekte bringen. Als Hauptgründe fürs Scheitern nennt Theurl ein unzureichendes Management sowie zu hohe Erwartungen an die Zusammenarbeit. „Viele Betriebe gehen erst dann eine Kooperation ein, wenn es ihnen schlecht geht. Kooperationen können aber keine Wunder wirken und: Sie wollen sorgfältig vorbereitet werden.“ Laut Theurl müsse sich jedes Unternehmen zunächst im Klaren sein, ob es überhaupt zusammenarbeiten will. Es müsse auch die eigenen Stärken und Schwächen kennen, und schließlich müsse die Chemie stimmen. „Den richtigen Partner zu finden, ist bei einer Unternehmenskooperation fast so wichtig wie bei einer Ehe.“ Dem pflichtet auch der Bozner Dominik Matt, Universitätsprofessor und Leiter des Fraunhofer Innovation Engenee-

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TITEL: N ET Z W ER K E | Alles vernetzt

ring Centers (IEC), bei. „In der Tat werden Kooperationen heute gerade für Klein- und Mittelbetriebe immer wichtiger. Und im operativen Tagesgeschäft passiert dies auch sehr oft.“ Kein Unternehmen werde allein geboren. „Gerade in der Produktion ist es immer auf gewisse Partnerschaften angewiesen.“ Vernetzungen seien jedoch vor allem dort wichtig, wo ein Betrieb größere Risiken eingeht. „So beispielsweise in Forschung und Entwicklung. Doch gerade hier gehen viele ihre eigenen Wege.“ Matt weiß aber auch, dass Netzwerke nur dann gut funktionieren, wenn bereits im Vorfeld genaue Spielregeln erstellt und ein gemeinsames Ziel erarbeitet wurden. „Jeder Partner sollte in der Zusammenarbeit aber immer auch einen individuellen Vorteil erkennen, wobei es nicht nur ein kurzfristig erzielter, betriebswirtschaftlicher Gewinn sein muss.“ Und gerade vor dem Hintergrund einer langfristigen Ausrichtung bräuchten Netzwerke eine starke Führung, am besten durch eine neutrale Instanz. Jemand müsse die Moderation übernehmen und selbst dann die vereinbarten Leistungen einfordern, wenn in den Unternehmen Hochbetrieb herrscht. „Das Fraunhofer-Institut betreut derzeit sehr erfolgreich eine Forschungskooperation von zwölf heimischen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und mit unterschiedlichen Größen“, sagt Matt. Unterschiedliche Dimensionen weisen auch die zwölf Betriebe auf, die die Südtiroler „Badlkultur“ wieder 12

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aufleben lassen wollen. Die Palette reicht vom Vier-Sterne-Hotel bis zum Landgasthaus. 2010 haben sie sich mithilfe des Clusters „Alpine Wellbeing“ im TIS innovation park zu einem Netzwerk zusammengeschlossen. Bisher wurde eine gemeinsame Homepage realisiert, über Qualitätsstandards diskutiert, ein Logo entworfen Informationstafeln wurden aufgestellt, Erfahrungen ausgetauscht und Pressearbeit betrieben. „Auch wenn es gerade wegen der starken Unterschiede zwischen den Mitgliedsbetrieben nicht immer ganz einfach ist“, sagt die Verantwortliche im TIS Bettina Schmid.

Angst vor Konkurrenz Theresia Theurl unterscheidet zwischen Kooperationen innerhalb derselben Branche und zwischen Unternehmen aus unterschiedlichen Bereichen. „Wenn sich direkte Konkurrenten zusammentun, sind die Befürchtungen meistens größer. Die Betriebe sind vorsichtiger. Damit es funktioniert, braucht es hier ein noch besseres Management und noch strengere Regeln.“ Damit bringt Theurl einen entscheidenden Aspekt in die Diskussion ein. Denn wann immer über die Südtiroler Wirtschaft und ihre Fähigkeit zum Networking geredet wird, kommt unverzüglich auch eine gewisse Schwellenangst ins Gespräch. Die heimischen Unternehmen, vor allem die klein strukturierten unter ihnen, hätten nach wie vor Hemmungen zu kooperieren. „Und das ist auch verständlich“, erklärt Betti-

na Schmid. „Gerade die Kleinen bewegen sich fast ausschließlich auf dem heimischen Markt. Sie stehen sich also als Gegenspieler direkt gegenüber. Für sie ist es oft sogar schwierig, mit Dritten über ihre Ideen auch nur zu sprechen, geschweige denn, jemanden näher in ein Projekt einzubinden.“ Man fürchte den Know-how-Verlust und sorge sich um das Konfliktpotenzial hinter jeder Kooperation. „Die Südtiroler tun sich außerdem schwer, jemandem einen Vertrauensvorschuss zu gewähren“, sagt Irmgard Lantschner, Direktorin des Amtes für Innovation, gewerbliche Schutzrechte und Unternehmensentwicklung der Handelskammer Bozen. Doch sei gerade das gegenseitige Vertrauen die Basis einer jeden Zusammenarbeit. „Privat funktionieren Netzwerke in Südtirol perfekt, da sind wir vielleicht sogar Weltmeister“, sagt Christian Höller vom TIS innovation park. „Denken wir nur an die vielen Vereine und Verbände, die das Leben im Land entscheidend mitprägen.“ In der Wirtschaft habe sich der Gedanke allerdings noch nicht richtig durchgesetzt. Auch aus diesem Grund plädiert Höller für sogenannte transversale Netzwerke, zu denen sich Unternehmen aus verschiedenen Branchen zusammenschließen. „Es wird eine Arbeitsgruppe gebildet, ein Thema erarbeitet und eine Wertschöpfungskette definiert, es werden Rollen verteilt und Maßnahmen gesetzt.“ So sei in Südtirol auch die Arbeitsgruppe „Bau-Fassaden“ im TIS innovation park entstanden,


NETZWERKVERTRÄGE: KO O P E R I E R E N L E I C H T G E M A C H T Zusammenarbeit steigert die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationskraft der Unternehmen. Davon scheint auch der italienische Gesetzgeber überzeugt zu sein. Und so hat er 2009 die sogenannten Netzwerkverträge (contratti di rete) eingeführt. Das neue Instrument unterscheidet sich von herkömmlichen Formen der Zusammenarbeit. „Es gibt diverse Möglichkeiten der Kooperation zwischen Betrieben“, sagt Irmgard Lantschner, Direktorin des Amtes für Innovation, gewerbliche Schutzrechte und Unternehmensentwicklung der Handelskammer Bozen. „Oft ist die Art der Zusammenarbeit zu unverbindlich und deshalb nicht wirklich zielführend. Oder es wird gleich ein neues Unternehmen gegründet, doch dadurch entstehen zusätzliche Belastungen, von denen sich die Unternehmer abschrecken lassen.“ Lantschner spricht von bürokratischer Mehrarbeit und den damit verbundenen Kosten, aber auch vom nicht ganz unproblematischen Umgang mit unterschiedlichen Förderungssystemen. „Das ist vor allem dann der Fall, wenn Betriebe aus verschiedenen Regionen oder Ländern miteinander kooperieren.“ Netzwerkverträge seien eine gute Alternative. „Es handelt sich dabei um eine vertraglich geregelte Verbundsgemeinschaft mit der Möglichkeit, aus den Gewinnrücklagen aller Beteiligten einen Fonds zu schaffen, mit dem gemeinsame Ausgaben für die Ko-

operation beglichen werden“, erklärt Irmgard Lantschner. Es gibt aber auch steuerliche Aspekte, die durchaus für einen Netzwerkvertrag sprechen. Das Gesetz aus dem Jahr 2009 lässt außerdem viel Spielraum für die Gestaltung eines solchen Vertrages. Die einzigen Voraussetzungen sind, dass strategische Ziele darin angegeben und die Modalitäten zur Messung der Ergebnisse angeführt sowie Programme und Pflichten der Mitglieder vereinbart werden. Außerdem muss klar sein, wie man dem Netzwerk beitreten kann und wie die Entscheidungen innerhalb der Kooperation getroffen werden. Die Verträge müssen in das Firmenregister der Handelskammer eingetragen werden, und zwar in allen Abteilungen, in denen die Mitglieder eingetragen sind. Bis dato wurde das neue Instrument von den heimischen Betrieben weitgehend ignoriert. „Weil sich die Südtiroler mit Kooperationen allgemein etwas schwertun“, vermutet Lantschner. „Aber auch, weil es noch immer an entsprechenden Informationen und Erfahrungen fehlt.“ Erst Mitte Juni dieses Jahres wurde mit Unterstützung des Unternehmerverbandes Südtirol und des Clusters „Holz & Technik“ im TIS innovation park der bisher erste und einzige Netzwerkvertrag unterzeichnet. Und zwar von insgesamt zehn Unternehmen aus dem Holzsektor mit Sitz in Südtirol und dem Trentino, wobei sich auch ein Betrieb aus der Provinz Piacenza dem Netzwerk angeschlossen hat. Alle Unternehmen sind auf die Herstellung besonderer Massivholzbalken spezialisiert, deren technische Qualität nun durch gemeinsame Forschungstätigkeit verbessert werden soll.

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TITEL: N ET Z W ER K E | Alles vernetzt

in der Hersteller, Installateure, Planer, tig sei ihm bei jeder Zusammenarbeit der Auftraggeber und Forschungszentren an Transfer von Wissen und Informationen. ein und demselben Strang ziehen. „Und zwar jeglicher Art. Denn selbst ein 2008 wurde in Südtirol das Netzwerk Gespräch über die persönlichen Ansich„Leaders2“ mit 22 heimischen Spitzen- ten oder die Lektüren anderer Unternehunternehmen aus unterschiedlichen mer kann für mich eine Bereicherung Sektoren gegründet. Insgesamt erwirt- sein.“ Etwas schwieriger sieht Enrico Steschaften sie einen Jahresumsatz von ger den Austausch mit direkten Konkurrund 1,5 Milliarden Euro und haben renten. „Das bringt nur dann etwas, 4.500 Mitarbeiter. Für die Aufnahme in wenn der ausgewählte Partner entspredieses Unternehmernetzwerk gelten chend gewichtig und die resultierenden strenge Kriterien. Die Betriebe bezahlen Vorteile auch groß genug sind. Denn Ehrzudem eine Jahresgebühr. Das Besonde- lichkeit muss man sich leisten können.“ re an „Leaders“ ist, dass sich die Unternehmer selbst ins Netz einbringen, wäh- Erfolgsgeschichten rend das TIS eine Organisations- und Durch die Mitgliedschaft bei „Leaders“ Moderationsrolle einnimmt. „Einmal jährlich trifft man sich zu einer gemein- haben sich Christine Müller, Geschäftsführerin der Bozner Glas Müller AG, und samen Klausur, alle anderen Kontakte Winfried Felderer, Geschäftsführer der finden unter den jeweiligen Mitgliedern Marlinger Ecorecycling KG, kennengestatt.“ In den vergangenen Jahren seien so 26 äußerst spannende Kooperations- lernt. Müller benötigte für ihr Unternehprojekte entstanden. „Und auch die Po- men eine Wasseraufbereitungsanlage, litik ist bereits auf dieses Netzwerk auf- Felderer hatte genau die richtige technologische Lösung. Dank der neuen Anlage merksam geworden“, sagt Christian spart die Firma Glas Müller nicht nur Höller. Mitte Juli habe ein erstes Treffen mit Landeshauptmann Luis Durnwal- Wasser im Produktionsprozess, sondern kann das aufbereitete Schmutzwasder stattgefunden. ser sogar wiederverwenden. Eine Erfolgsgeschichte, wie sie auch Konsequent netzwerken Giuliano Poletti, Präsident des italieniDer Gaiser Unternehmer Enrico Steger schen Legacoop-Verbandes, gerne erist einer der Leaders von „Leaders“. Der zählt. Wo sich Betriebe und Menschen Chef der Zirkonzahn GmbH ist ein über- zusammenschließen und ein gemeinsazeugter Netzwerker. „Denn wenn ich nie- mes Ziel anpeilen, kann Gutes entstemand kenne, und mich keiner kennt, hen. „Wie jene Genossenschaft im Piepassiert auch nichts.“ Ein Credo, das im mont zeigt, die mit 20 Mitarbeitern – vorBetrieb konsequent praktiziert wird. wiegend Sozialfällen – sehr erfolgreich „Wir exportieren viel in die USA, auch weil aus recycelten Korken Dämmplatten es mir gelungen ist, dort ein starkes Netz- herstellt. Oder wie die Bewohner eines werk aufzubauen, in das die wichtigsten kleinen Dorfes bei Reggio Emilia beweiUniversitäten des Landes eingebunden sen: Nach einem schweren Erdrutsch sind“, so Steger, der aber auch hierzulan- sind sie nicht geflohen, sondern haben de vor allem mit seinen Lieferanten gut ihr Schicksal selbst in die Hand genomund gerne zusammenarbeitet. „Gerade men. Heute gibt es dort eine Genossendurch Kooperationen ist es uns gelun- schaft mit fünf Mitarbeitern, die ein kleigen, Dinge umzusetzen, die uns bis da- nes Geschäft, eine Bar und ein Restauhin unlösbar schienen.“ Besonders wich- rant betreibt.“ Auch das ist Networking. 14

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T IT E L: NE TZ WE RK E | Genossenschaften

Klein, größer, Genossenschaft. Die Genossenschaften waren in

Zeiten der großen gesellschaftlichen Veränderungen immer besonders stark. Gerade wachsen sie wieder kräftig, denn sie stehen für Werte, die Menschen ansprechen.

ALLEIN IN SÜDTIROL werden rund 900 Genossenschaften mit über 100.000 Mitgliedern gezählt. Europaweit sind es an die 300.000 mit fast 140 Millionen Mitgliedern. Tendenz steigend – davon ist Theresa Theurl, Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen der Uni Münster, überzeugt. Das Genossenschaftswesen sei immer dann stark gewachsen, wenn es große Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft gegeben habe. „Wenn der Staat nicht mehr weiterhelfen kann und die Menschen allein nicht mehr weiterwissen, dann tun sie sich zusammen“, so Theurl. In Zeiten der Krise werde aber auch das demokratische Prinzip „ein Kopf – eine Stimme“, das den Genossenschaften zugrunde liegt, sehr geschätzt. „Wer unsicher ist und Angst um die eigene Zukunft hat, lässt ungern andere für sich entscheiden, sondern nimmt lieber sein Schicksal selbst in die Hand.“ Auch deshalb sei die Zahl der Genossenschaften in den vergangenen ein bis zwei Jahren nicht nur in Deutschland, sondern auch international gewachsen. „Und zwar nicht in den ,klassischen‘ Bereichen Landwirtschaft, Kreditwesen und Wohnbau, sondern im Gesundheitswesen, im Energiesektor, in der Beratung und Pflege sowie im Bereich der Infrastrukturen – alles Sektoren, die derzeit stark im Wandel sind“, weiß Theurl.

vielen Fällen sei es dank der Kooperation Wohl der Mitglieder arbeiten und seien gelungen, verlorene Lebensqualität wie- so ausgerichtet, dass sie nicht gleich derzugewinnen, neue Arbeitsplätze zu nach fremder Unterstützung rufen. schaffen und die wahren Bedürfnisse der „Man hilft sich selbst oder tut sich mit Gesellschaft zu erkennen. anderen zusammen. Man übernimmt Als Grund für den anhaltenden Er- also Verantwortung. Und das ist heute folg der Genossenschaften nennt Poletti besonders wichtig.“ Werte wie Nachhaltigkeit, LangfristigTheresa Theurl ist davon überzeugt, keit und Regionalität, die von den Men- dass die Genossenschaften in den komschen heute wieder besonders geschätzt menden Jahren an Marktanteilen gewinwerden. Und Theresa Theurl erklärt: nen werden. Und Giuliano Poletti be„Genossenschaften steht der Finanz- tont: „Überall dort, wo der Staat und der markt nicht zur Verfügung. Das heißt: Markt versagt haben, können GenossenSie müssen aus eigener Kraft wachsen, schaften weitermachen.“ Er richtet aber indem sie zuvor gut gewirtschaftet ha- auch einen Appell an den gesamten Sekben oder die Mitglieder neues Kapital tor. „Wir können uns weiterhin damit zuschießen. Das macht die Genossen- begnügen, Nischen zu besetzen. Oder schaften unabhängig und stark.“ Die wir können die großen Themen in AnProfessorin und Forscherin aus Münster griff nehmen und die Dinge grundlebezeichnet die Genossenschaften als die gend verändern.“ Rund 150 Jahre nach „besseren Kapitalisten“, ja sogar als „Säu- seiner Begründung durch Friedrich Willen der Marktwirtschaft“. Bei ihnen hät- helm Raiffeisen und Hermann Schulzeten die Eigentümer das Sagen und nicht Delitzsch scheint der Genossenschafts(mdp) anonyme Investoren. Sie müssten zum gedanke aktueller denn je.

Krisensichere Gesellschaftsform Kein Wunder, wenn die Vereinten Nationen gerade 2012 als Internationales Jahr der Genossenschaften ausgerufen haben. „Denn sie sind krisensicherer als andere Gesellschaftsformen“, weiß Giuliano Poletti, Präsident des italienischen Legacoop-Verbandes. „Seit die Finanzkrise kleine wie große Unternehmen in die Knie zwingt, hat italienweit noch keine Genossenschaft schließen oder Mitarbeiter abbauen müssen.“ Im Gegenteil. In

Südtirol: ein kleines Land mit vielen Genossenschaften OKTOBER, NOVEMBER, DEZEMBER 2012 | M

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TITEL TITEL: NET Z WE R K E | Interview

Kunden vertrauen Kunden. Mit fünf Millionen Produkten und 10.000

Marken ist smatch.com die weltweit größte Internet-Plattform im Mode-, Wohnen- und Lifestyle-Segment. Geschäftsführer Björn Schäfers erklärt, wie Unternehmen die Vernetzung der Kunden nutzen können.

zur person Seine Affinität zum Thema E-Commerce entwickelte Björn Schäfers zuerst bei ricardo.de, wo er bereits 1998 mit dem Thema Online-Shopping in Kontakt kam. Nach einer Zeit an der Uni Kiel wechselte er 2004 zur deutschen Otto-Gruppe, wo er mehrere Positionen durchlief, bis er die Geschäftsführung der shopping24 internet group übernahm, zu der auch smatch.com gehört. Seine Projekte wurden mehrmals ausgezeichnet. Seine Erfahrungen im E-Commerce gibt er auch als Buchautor weiter.

Wir leben in einem Zeitalter der völligen Vernetzung. Netzwerke und Netzwerkdenken hat es aber immer schon gegeben. Was hat sich im Laufe der Zeit grundlegend verändert? Networking ist dank des Internets viel einfacher und schneller geworden. Und unsere persönlichen Netzwerke sind infolgedessen auch deutlich größer geworden. Konkrete Folgen sind, dass sich gesellschaftliche Schichten stärker vermischen und es weniger nationale Grenzen gibt. Und wenn wir auf die Unternehmen schauen, dann sehen wir, dass sich Betriebe zum einen untereinander, zum anderen aber vor allem auch mit Kunden vernetzen, um möglichst viel Feedback zu erhalten und schon früh im Entwicklungsprozess kundenorientiert arbeiten zu können. Der deutsche Unternehmensberater Peter Kruse spricht von einer unaufhaltsamen Verschiebung der Macht vom Anbieter auf die Nachfrage. Teilen Sie diese Analyse? In der Tat. Die Anfänge sehen wir heute schon. So wissen wir, dass immer mehr Kunden beim Einkaufen besser Bescheid wissen als die Verkäufer, da sie sich vorher bereits im Internet informiert haben. Dort werden die Erfahrun16

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gen und Bewertungen anderer Konsumenten als glaubwürdiger eingeschätzt als die Informationen der Hersteller oder Händler. Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten, ich sehe sie auch vielmehr als Chance für Unternehmen: Wenn man seinen Kunden zuhört und diese einbindet, kann man viel von ihnen lernen. Im Idealfall danken Kunden es dem Unternehmen, indem sie anderen von den guten Erfahrungen erzählen und so kostenlos Marketing machen. Mit smatch.com zeigen Sie, dass man mit neuen Geschäftskonzepten die Vernetzung der User bestens nutzen und dabei viel Geld verdienen kann. Sie arbeiten allerdings innerhalb der Otto-Gruppe. Welche Chance haben kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), hier überhaupt mitzuhalten? Die shopping24 internet group, zu der auch die Plattform smatch.com gehört, ist ebenfalls ein KMU. Wir haben 30 Mitarbeiter und arbeiten sehr autark innerhalb der Otto-Gruppe. Mussten wir auch, da es ein gänzlich neues Geschäftskonzept war. Aber auch andere Beispiele haben gezeigt, dass Erfolg im Internet nicht von der Unternehmensgröße abhängig ist. Die hohe Transparenz des Internets, gepaart mit dem Potenzial der Vernetzung, sorgt am Ende dafür, dass sich gute Produkte durchsetzen – unter anderem weil sie von den Kunden freiwillig weiterempfohlen werden. Schlechte Produkte und Dienstleistungen dagegen werden immer schneller abgestraft, da es sich rasch herumspricht und für alle Zeit im Netz steht. Das Internet belohnt jene, die flexibel genug sind, um auf Änderungen im Informations- und Kaufverhalten schnell und flexibel zu reagieren. Anders sehe ich die Situation für die stationären Händler. Kunden kaufen zunehmend auf Online-Shopping-Plattformen der Marken ein. Auf der anderen Seite wird die starke Online-Präsenz auch neue Kunden in die Geschäfte bringen.

Das Internet dient heute nicht nur als Fundgrube, sondern zunehmend auch als Inspirationsquelle. Wie und in welchem Ausmaße wird die soziale Vernetzung das Kaufverhalten verändern? Neben der Absicherung unserer Kaufentscheidungen durch das soziale Netzwerk hat das Thema Inspiration noch riesiges Potenzial. Das gilt insbesondere für Produkte, bei denen es um den persönlichen Geschmack geht, wie bei Mode, Wohnen und Lifestyle. In den letzten 15 Jahren des World Wide Webs war der Online-Handel allerdings fokussiert auf Bedarfsdeckung. Bedürfnisweckung und Impulskäufe spielten aus verschiedenen Gründen, auch aufgrund der fehlenden sozialen Vernetzung, noch keine große Rolle. Das ändert sich gerade. Aber Unternehmen müssen erst noch besser lernen, wie Inspiration im Internet aussehen kann. Wie kann sich ein Unternehmen bei so vielen und raschen Veränderungen überhaupt orientieren? Indem es sich zunächst wieder stärker auf den Kern des Produktes und der Dienstleistungen konzentriert. Gute Qualität spricht sich herum. Wenn man dann noch den Kunden die Möglichkeit gibt, diese gute Erfahrung mit anderen Freunden zu teilen, ist die Basis gelegt. Das Internet verändert oft die traditionelle Wertschöpfungskette einer Branche. Damit muss man sich ehrlich auseinandersetzen und sein Geschäft oberen anpassen. So entstehen auch immer wieder neue attraktive Geschäftsfelder, die es vor dem Internet nicht gab, weil sie beispielsweise zu teuer zu bearbeiten waren. Ich zitiere Sie: Die Qualität wird immer wichtiger, der Preis weniger wichtig. Bleibt Ihre These auch angesichts der Krise aufrecht? Grundsätzlich ja, weil ich davon ausgehe, dass sich aufgrund der hohen Transparenz Qualität durchsetzt. Aber natür-


„Bei Empfehlungen von Freunden sind wir bereit, mehr zu bezahlen.“ Björn Schäfers, Internet-Marketingexperte

lich wägen wir alle beim Einkaufen permanent zwischen Leistung und Preis eines Produktes ab, teilweise auch unterbewusst. Und in wirtschaftlichen Krisenphasen bewerten wir den Preis vielleicht etwas höher. Aber worum es mir bei der Aussage ging: Wenn wir auf Empfehlungen anderer Nutzer zurückgreifen, sind wir eher bereit, einen höheren Preis zu bezahlen. Das belegen bereits erste Studien. Und auch auf www.smatch.com haben wir in Analysen feststellen können, dass die Kaufwahrscheinlichkeit steigt, wenn eine Empfehlung von einem sozialen Kontakt kommt. Gleichzeitig sinkt die Retourenquote. Sie behalten also ein gekauftes Produkt eher, wenn es Ihnen von einem Bekannten empfohlen wur-

de. Auch vor diesem Hintergrund sollten sich Unternehmen der sozialen Vernetzung öffnen, sofern sie denn über ein Produkt oder eine Dienstleistung mit guter Qualität verfügen. Sind alle Branchen von den neuen Entwicklungen betroffen? Oder gibt es Schichten und Sektoren, die stärker davon beeinflusst werden? Das, worüber wir gesprochen haben, ist branchenunabhängig. Natürlich dauert es unterschiedlich lange, bis sich die Tendenzen auf die einzelnen Branchen auswirken. Wenn wir uns den Handel anschauen, hängt es z.B. davon ab, wann Unternehmen diese Warengruppen über das Internet verkaufen und wie stark dies von Kunden angenom-

men wird. Ende der 90er-Jahre waren es Bücher, Musik und etwas später Reisen, die Konsumenten über das Internet gekauft haben. Das hat großen Druck auf Buchhandlungen und Reisebüros ausgeübt, die infolgedessen im Stationärhandel immer weniger wurden. Danach kam die Elektronik, was nicht nur MediaMarkt & Saturn spürten. Aktuell gerät der stationäre Schuhhandel unter Druck als Folge von Playern wie Zalando, mirapodo & Co. Die nächste Branche wird wahrscheinlich die Möbelbranche sein. Auch hier entstehen gerade Shopping-Plattformen und Suchmaschinen, auf denen Kunden einen schnellen Überblick erhalten. Diese Tendenz wird vor keiner Branche haltmachen. OKTOBER, NOVEMBER, DEZEMBER 2012 | M

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TITEL TITEL: NET Z WE R K E | Betriebe

Das Batzenbräu in Bozen ist eine der acht Südtiroler Wirtshausbrauereien

Das Netz macht stark. Die einen sind in einer Kooperation eingebunden, die anderen bieten Lösungen fürs Netz an: In Südtirol gibt es gute Beispiele dafür, wie Betriebe von Vernetzungen profitieren.

DIE PALETTE DER IDEEN und Initiativen ist breit gefächert, wie folgende Beispiele zeigen.

Wirtshausbrauereien Die Wirthausbrauereien halten zusammen. „Wir treffen uns alle ein bis zwei Monate und diskutieren eigentlich über alles – Erfahrungen und Einkäufe, Trends und Werbeinitiativen.“ Seit Sommer 2010 ist der Brunecker Hubert Schifferegger mit seinem „Rienzbräu“ Mitglied der Vereinigung der Südtiroler Wirtshausbrauereien. Und seine Erfah18

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rungen sind durchaus positiv. „Zusammen sind wir einfach stärker. Es gab sogar schon Gespräche über einen gemeinsamen Hopfenanbau mithilfe der Laimburg“, verrät Schifferegger. Insgesamt acht heimische Wirtshausbrauereien haben sich vor zwei Jahren zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, das seitdem vom Cluster „Alimentaris“ im TIS innovation park begleitet wird. Gemeinsam betreiben die Bierbrauer eine eigene Homepage (wirtshausbrauereien.it). „Es gibt aber auch Flyer“, sagt Hubert Schifferegger, „und noch heuer soll ein Buch über die Bierkultur in Süd-

tirol und uns erscheinen.“ Dass die kleinen Betriebe – im Schnitt brauen sie jeweils 600 bis 700 Hektoliter Bier pro Jahr – potenzielle Konkurrenten am Südtiroler Markt sind, stört die Mitglieder nicht. „Wirtshausbrauereien haben meist nur eine Lizenz für den Ausschank innerhalb des eigenen Gasthofes und pasteurisieren ihr Bier nicht“, sagt Bettina Schmid vom Cluster „Alimentaris“. „Sie stehen also mit ihrem Bier nicht im Regal nebeneinander.“ Zudem seien die Brauereien geografisch so über das Land verstreut, dass man schon von einer kleinen Bierroute sprechen könne. Außerdem müssten sie sich gegen die großen Player am Biermarkt bewähren. Und: „Im Weinland Südtirol als Bierbrauer auf sich aufmerksam zu machen, ist bestimmt nicht einfach und bedarf einer bestimmten Durchschlagskraft. Das schweißt die Gruppe zusammen“, so Schmid.

Weinwerbung Die Südtiroler Weinwerbung ist eine klassische Kooperation. Das Besondere daran ist, dass sie mit Höhen und Tiefen, Flauten und neuen Anläufen seit über 30 Jahren hält. „Und dies bei einem Produkt wie dem Wein, bei dem die Identifikation mit dem Produzenten ausgesprochen stark ist“, sagt Helmuth Zanotti, Bereichsleiter „Wein“ in der Export Organisation Südtirol (EOS). Bei den Äpfeln kaufe der Konsument im besten Fall nach Anbaugebiet, meistens sei jedoch die Sorte entscheidend. „Wer etwas von Wein versteht, orientiert sich bei der Wahl immer auch an der Kellerei. Wer für den Südtiroler Wein wirbt, unternimmt deshalb eine Gratwanderung zwischen den Bedürfnissen der gesamten Branche und den berechtigten Interessen der einzelnen Mitglieder.“ Auch deshalb sei die lange Zusammenarbeit eine beachtenswerte Leistung. Zanotti ist sich aber auch sicher: „Allein wären die Südtiroler Weinproduzenten nie so weit gekommen.“ Die Weinwerbung sei nicht ganz „unbeteiligt“ am anhaltenden Erfolg. Zudem betont Helmuth


Zanotti die Rolle einer unabhängigen, zentralen Stelle, die sämtliche Aktionen koordiniert und das Budget verwaltet. „Sie ist Garant gegenüber den Produzenten, aber auch gegenüber der öffentlichen Hand, die knapp die Hälfte der Mittel zur Verfügung stellt.“ In den gemeinsamen Topf der Südtiroler Weinwerbung fließen jährlich 2,2 Millionen Euro. „1,1 Millionen kommen von den Kellereien, 800.000 vom Land und 300.000 von der EU.“

Niedrigenergiehäuser Es sind 50 Südtiroler Handwerksbetriebe auf der einen Seite, 13 Planungsbüros aus dem restlichen Italien und der Schweiz auf der anderen Seite, „und in der Mitte laufen alle Fäden zusammen“, sagt Gottlieb Meraner von der Plattform Costruttori Casaclima Südtirol (CCS). Gerade diese Zweigleisigkeit, gekoppelt mit einer zentralen Koordinierungsstelle, nennt er als Hauptgrund für den Erfolg des jungen Netzwerkes. Das Konsortium wurde vor drei Jahren gegründet. „Viele Kooperationen machen den Fehler, sich ausschließlich auf die Produktion zu fokussieren. In der Krise bringen uns derzeit aber gerade unsere Partner draußen auf dem Territorium weiter. Sie besorgen die Aufträge und halten den Kontakt zu den Kunden, während sich die heimischen Mitglieder ausschließlich auf das Produkt konzentrieren können.“ Das Konsortium hat sich auf schlüsselfertige Niedrigenergiegebäude spezialisiert, wobei die Palette vom Einfamilien- und Mehrfamilienhaus über die Hotelanlage bis hin zur Industriehalle reicht. Das Management hat Meraner gemeinsam mit zwei weiteren Mitarbeitern übernommen. „Ohne eine strenge Regieführung wäre ein Netzwerk dieser Art nur ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang.“

Web-Wissenschaftler Sie sind selbst in kein Unternehmernetz eingebunden, dafür unterstützen sie andere Betriebe, mit den sogenannten Social-Networks besser klarzukommen: Die Rede ist von den vier Bozner Web-Wissenschaftlern (wie sie sich selbst definieren) Hannes Pardeller, Alex Platter, Christoph Rabensteiner und Patrick Frendo. 2011 hat Pardeller die Gesellschaft Frinzer gegründet. Das erste Projekt war eine iPhone-App. „Damit haben wir an einem Wettbewerb von Telecom Italia teilgenommen und diesen auch gewonnen“, sagt Hannes Pardeller. „Die App funktioniert quasi wie ein Pressespiegel – ein Klick genügt, und man hat vom eigenen Account aus den Überblick über die eigene Facebook-Seite, aber auch über LinkedIn und Twitter.“ Mittlerweile sei ihr Stroodle, so der Name der erfolgreichen Applikation, auch fürs Web geeignet. Und bei

Frinzer wird schon die nächste Idee umgesetzt. „Unser neues Produkt heißt Smeedia und ist eine Plattform, die den Inhalt verschiedener sozialer Netzwerke direkt auf die eigene Homepage spiegelt.“ Aber auch der umgekehrte Weg sei möglich. Mit Smeedia ließen sich News und Angebote von der Webseite aus direkt an die Fans weiterleiten. Und es gibt einen zusätzlichen Vorteil: „Die sozialen Medien sind äußerst demokratisch – die letzte Meldung landet immer an oberster Stelle und rückt die vorhergehenden nach unten. Gerade für größere Firmen oder Hotels mit diversen Fanseiten kann dies aber problematisch sein, da es nicht immer leicht ist, den Überblick zu bewahren“, so Pardeller, der nach dem Wirtschaftsstudium einen Master in NetEconomy absolviert hat. Mit Smeedia lasse sich der Informationsstrang gliedern und neu organisieren. „Kritiken kommen automatisch zu den Kritiken, Anfragen zu den Anfragen, Rückmeldungen zu den Rückmeldungen und News zu den News. So ist das Risiko, dass man eine Meldung übersieht, um (mdp) einiges geringer.“

Stroodle zeigt, was sich gerade auf den eigenen Social Media-Kanälen tut OKTOBER, NOVEMBER, DEZEMBER 2012 | M

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TITEL: N ET Z W ER K E | AlpineBits

Vier Anbieter, eine Lösung Konkurrenzdenken war gestern: Einige Südtiroler IT-Spezialisten haben mit ein wenig Mut, viel Geduld und einer großen Portion Vertrauen das Produkt AlpineBits entwickelt. Das bedeutet für Gastwirte einmal Daten eingeben – auf vielen Portalen verwenden.

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hristian Peer, Geschäftsführer von Peer internet solutions, einem Eppaner Unternehmen, das elf Destinationsportale in Eigenregie betreibt, sagt: „Wir treffen uns schon seit 2005 mit Unternehmen, die in derselben Branche wie wir tätig sind. Dabei waren die ersten Treffen nicht sehr fruchtbar.“ Was aber noch lange nicht heißt, dass diese Treffen unnötig oder gar eine Zeitverschwendung waren. Im Gegenteil: In diesen Jahren habe man sich kennengelernt, und, was noch wichtiger ist, man habe gegenseitiges Vertrauen aufgebaut. „Ohne Vertrauen nützt das ganze Networking nichts“, ist Peer überzeugt. Gut Ding will also Weile haben… und Vertrauen. AlpineBits heißt dieses gute Ding, das aus den Treffen der IT-Spezialisten entstanden ist. Mit von der NetworkingPartie waren ursprünglich Stefano Tosolini mit Altea Software, Christian Peer mit Peer internet solutions und Reinhold Sieder mit SiMedia. Später sind die Unternehmen Seekda, Internet Consul20

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ting, Brandnamic, Marketing Factory schon seit Längerem auf der Suche und weitere Firmen dazugestoßen. Alle nach einer einfachen Lösung, die zusind im Bereich Tourismusportale und nehmende Internet-Portalflut über eieTourism tätig, sind also direkte Kon- nen einzigen Standard anzubinden. Jekurrenten. „Eine Gruppe von Hotelkun- des Portal einzeln mit Angeboten, Lastden hat uns gefragt, ob wir eine Lösung Minute-Angeboten und Preisen zu für ein spezifisches Problem hätten“, er- füttern ist sehr zeitaufwändig und fehzählt Peer. Nun kann die Gruppe stolz lerintensiv.“ Durch AlpineBits können ihre Lösung präsentieren: AlpineBits ist diese Eingaben nun zentral verwaltet ein offener Standard zur Datenübertra- werden: Es genügt, die Daten ein einzigung, mit dem Tourismusbetriebe ihre ges Mal einzugeben, das jeweilige SysAngebotspakete für Urlaubsportale zen- tem überträgt sie per AlpineBitstral pflegen können. Schnittstelle auf alle Portale, in denen In Südtirol gibt es zahlreiche Desti- das Hotel gelistet ist. nationsportale, über die Hotels ihre Pakete anbieten können. „Die Auswahl ist Gemeinsam stark groß, und in der Regel ist jeder Tourismusbetrieb auf mehreren Tourismus- „Eigentlich haben wir ja nichts Neues erfunden“, erklärt Peer. Man hätte ledigportalen gleichzeitig präsent, damit eine hohe Sichtbarkeit garantiert ist“, lich bestehende Technologien vereinfacht, kombiniert, ergänzt und das Resagt Peer. Die Wartung, Betreuung und sultat zur Verfügung gestellt. Die Aktualisierung dieser Portale ist für die Mitarbeiter der Hotels mitunter müh- Schwierigkeit war nicht technischer Nasam. „Ich kann hier für viele Gastwirte- tur, sondern lag darin, die verschiedenen Köpfe und Interessen auf einen kollegen sprechen“, sagt Patrick Nestl Nenner zu bringen. vom Hotel Erika in Dorf Tirol. „Wir sind


v.l.n.r: Die Entwickler: Stefano Tosolini/Altea Software, Christian Peer/Peer internet solutions und Reinhold Sieder/SiMedia

für kleine Betriebe besteht darin, dass sie sich zusammentun, um gemeinsam neue Lösungen zu entwickeln.“ Christian Peer schlägt in dieselbe Kerbe: „Langfristig werden jene Unternehmen bestehen, die sich öffnen, auch gegenüber Unternehmen, die eigentlich Konkurrenten sind. Wer sich verschließt, baut damit nur Barrieren auf.“ Mittlerweile unterstützen unter anderem die wichtigsten

„AlpineBits ist ein offener und frei einsetzbarer Standard“, erklärt Patrick Ohnewein, Verantwortlicher des Zentrums für Freie Software und offene Technologien im TIS. „Langfristig sind offene Standards die beste Lösung, wenn man gegen Global Player bestehen will“, ist sich Ohnewein sicher. Hier greife die Theorie des „Long Tail“, die besagt, dass die Aufmerksamkeit im Zeitalter des Internets breiter streut: Stellt man sich einen Megaerfolg als ein großes Tier vor, so wächst diesem ein endlos langer Schwanz an Nischenprodukten, die in der Summe wichtiger sein können als der Megaerfolg selbst. Das große Tier wäre in diesem Fall das globale Oligopol im touristischen OnlineMarketing, die Nischenprodukte sind die kleinen Portale der Südtiroler Unternehmen. Diese Nischenportale wachsen durch AlpineBits zusammen. „Oligopole wie Google oder booking.com sind große Konkurrenten und bedrohen kleine Unternehmen, wie wir sie in Südtirol haben“, sagt Ohnewein, „Die einzige Möglichkeit

privaten Portalbetreiber Südtirols den Standard AlpineBits. Für die Zukunft wünscht sich die Gruppe aus AlpineBits, den typischen Südtirol-Standard für Buchungsportale zu machen. Gerade bastelt man an neuen Produkten auf Basis dieses Standards, und zugleich an der Erweiterung des Standards selbst. „Es gibt also bald News vom alpinen Tourismusnetzwerk“, lacht Peer. (ep)

AlpineBits bietet Gastwirten einen einfachen Service zur Pflege ihrer Daten auf verschiedensten Internetportalen OKTOBER, NOVEMBER, DEZEMBER 2012 | M

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TITEL: NET Z W ER K E Blick über den Tellerrand

Netzwerke, die es in sich haben

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URBANES WOHNZIMMER Alles unter einem Dach

Mitten im Zentrum von Wien liegt eines der weltgrößten Areale moderner Kunst und Kultur: das MuseumsQuartier (MQ). Darstellende Kunst, Architektur, Musik, Mode, Tanz und Kinderkultur finden dort ebenso Platz wie Terrassencafés, Shops und Freizeitveranstaltungen aller Art. Ruhezonen laden dazu ein, dort die Freizeit zu verbringen oder sich mit Freunden zu einem gemütlichen Treffen zu verabreden. Das MQ hat sich quasi zum urbanen Wohnzimmer Wiens etabliert. Daher wird es auch gerne als „Dritter Ort" für Besucher bezeichnet, ein Begriff, der durch den amerikanischen Soziologen Ray Oldenburg geprägt wurde. Er versteht darunter soziale, öffentliche Räume, in denen Kommunikation und Interaktion im Vordergrund stehen, neben dem Zuhause als „Ersten" und dem Arbeitsplatz als „Zweiten Ort". Fazit: Das MuseumsQuartier bietet einen urbanen Lebensraum für Wiener und Touristen.

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BÜRO AUF ZEIT Neue Stadt, neues Büro

Die Idee ist so simpel wie genial: Hat man einen freien Büroarbeitsplatz, so stellt man diese Information auf Loosecube.com. Interessierte können diesen tageweise buchen und direkt über Loosecube bezahlen. Der flexible Zugriff auf eine professionelle technische Arbeitsinfrastruktur bietet außerdem die Möglichkeit des Zusammentreffens, der Zusammenarbeit und Vernetzung mit anderen kreativen Personen. Es schafft quasi eine Vielfalt an Know-how und Expertise, steigert die Produktivität und das Innovationspotential. Loosecubes, der „Community Marketplace for Workspace“, hat sein gesamtes Businessmodell auf die Vermittlung von Co-WorkingArbeitsräumen aufgesetzt. Es wird Zugang zu über 2.000 Workspaces in mehr als 410 Städten in 55 Ländern geboten, und das, für Mitglieder der Community, oft auch kostenlos. Fazit: Die Kosten halbieren und die Leistung verdoppeln.

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MÄCHTIGE MUNDWERBUNG Erfolgsprinzip: Direktvertrieb

Erfolgreiche Freunderlwirtschaft: Eines der bekanntesten Beispiele für ein reales Netzwerk ist der Küchen- und Freizeithersteller Tupperware. Die legendäre US-Marke, mit der das Partysystem in den Fünfzigerjahren seine erste Blüte erlebte, hat allein in Italien 26.000 Vorführerinnen, die im Vorjahr 400.000 Verkaufspartys veranstaltet haben. Die Vertriebsform ist stetig im Aufwind, während der traditionelle Handel angesichts des stagnierenden Konsums chronisch mit rückläufigen Zahlen kämpft. Die Umsätze des Direktvertriebes haben sich in zehn Jahren europaweit verdoppelt. Das erfolgreiche Modell macht überzeugte Kunden zu Verkäufern. Fazit: Freunde sind die besten Kunden.


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MUSIK IST SOZIAL Nicht besitzen, nur reinhören

Napster machte bereits Ende der 90er-Jahre deutlich, wie Musik im 21. Jahrhundert unters Volk kommt: als komprimierte Tondatei, die sich in Peer-to-Peer-Netzwerken (illegal) millionenfach vervielfältigt. Heute geht das Ganze sogar legal. Ein Abo-Modell mit großem Erfolg, das Musikfans per monatlichen Pauschalbetrag unbegrenzte Downloads aus dem Musik-Sortiment erlaubt, ist Spotify. Spotify ist ein Onlinedienst mit 16 Millionen Liedern, die Mitglieder legal anhören können. Der Katalog umfasst Musik aller möglichen Künstler und Genres, von Lady Gaga über Depeche Mode und Radiohead bis hin zu Independent-Musikern. Allerdings besitzt man die Songs nicht, sie werden im Streaming-Verfahren abgespielt. Die Songs kann man unbegrenzt oft abspielen, sich seine Playlists zusammenstellen und diese bei Bedarf mit Freunden teilen. Fazit: Zugang statt Besitz lautet das neue Mantra. (GZP)

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TITEL TITEL: NET Z WE R K E | Infografik

Ehrgeiziger flächendeckender Erschließungsplan Ob urbanes Zentrum oder einsamer Weiler: Es ist das erklärte Ziel der Südtiroler Landesregierung, möglichst alle Bürger an der digitalen Entwicklung teilhaben zu lassen. Innerhalb 2013 will Landesrat Florian Mussner alle Gemeinden mit einem finanziellen Aufwand von insgesamt 15 Millionen Euro an das Glasfasernetz anschließen. Die Landesregierung hat sich für die Glasfasertechnologie entschie24

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den, weil die Glasfaserkabel leicht, biegsam und unempfindlich sind, aber vor allem, weil ihr Potential noch lange nicht ausgeschöpft ist. Glasfaserkabel garantieren auch langfristig eine hohe Übertragungsgeschwindigkeit, Sicherheit und Qualität, heißt es beim Landesamt für Infrastruktur und Umweltanlagen. Da die Verlegung der Glasfaserkabel in einem gebirgigen Land wie Südtirol ein aufwändiges, jahrelanges Unterfangen ist, setzt man in der Zwischenzeit auch auf Funklösungen und Satellitentechnologien.

Quelle: Broschüre "Breitband in Südtirol", Ressort für Bauten, 2009 / Infografik: Philipp Aukenthaler – hypemylimbus.com

Landestelekommunikationsnetz


T IT E L: NE TZ WE RK E | Meinung

Netzwerk, das; eine gezielte, gewollt lose Form der Organisiertheit in Form von zielbezogenen Organisationen, informellen Zusammenschlüssen und Verbänden oder einzelner Menschen, die durch das Netzwerk einen Vorteil erfahren oder sich erhoffen. Netzwerk nennt man auch die Summe sozialer Kontakte zur Erlangung persönlicher Vorteile.

Ab in die Wörterwäscherei! Für Florian Kronbichler ist das Wort Netzwerk der Versuch, den immer schon da gewesenen Bünden und Ausprägungen der Zusammenarbeit die Anrüchigkeit zu nehmen. Die Nähe zum Englischen macht es zwar sexy, garantiert aber noch lange keine Haltbarkeit.

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mmer wenn ich Netz und Netzwerk höre, sag ich mir: aufgepasst! Das Wort ist wie eine Jeanshose, grenzenlos strapazierbar, waschfest, kleidsam. Und gleich grenzenlos wandelbar. Wer es in den Mund nimmt, dessen Eigenschaften nimmt es an. Ein Chamäleon ist es, eine Hure. Man fragt bei Wörtern wie diesem spontan nicht, was sie einem sagen, sondern was sie einem verbergen wollen. Ein Verschleierungswort ist es. Und nur zu diesem Zweck ist es in Umlauf gebracht worden. Wer heute Netz sagt und Netzwerk schon gar, der versteht das Wort einzig in jenem übertragenen Sinn, in dem es neuerdings Karriere gemacht hat: als Bezeichnung für das Zusammenwirken zwischen allem, was irgendwie positiv ist. Positiv ist wichtig. Denn Netzwerk ist kein Kind großer Herkunft. Und schon gar nicht ist es unschuldig vom Himmel gefallen. Nein, Netzwerk hat ziemlich verrufene Vorfahren. Mit dem Wort geschah irgendwann, was Firmen mit einem Produkt tun, das ein Imageproblem hat. Sie taufen es um. Man muss gar nicht den ganzen Stammbaum dieses heute so gefälligen, so positiv konnotierten Wörtchens Netzwerk durchgehen. Es reicht, an einige wenige seiner vielen Würzlein zu rühren. Denn zusammengearbeitet, Verbindungen geschlossen, Beziehungen eingegangen und gepflegt, Banden gebildet und Bande geknüpft, Verquickungen hergestellt, Arbeitsgruppen gebildet, all das hat man doch zu jeder Zeit. Nur sagt man heute nicht mehr so. Das eine nicht, weil es uns zu altväterlich klingt (zusammenarbeiten? Warum so spießig, wenn uns so coole Wörter wie vernetzen oder gar networken zu Gebot stehen?), das andere nicht, weil es uns verdächtig geworden ist. Verbindung? Riecht das nicht ranzig nach Burschenschaften, Bier und Käppi? Auch die Beziehungen, um die es ja geht: Als „Vitamin B“ verhöhnt, haftet dem Wort etwas

Geheimnistuerisches, wenn nicht gar Illegales an. Abgesehen davon verträgt es sich schlecht mit jenem anderen Trendy-Wert, der heute „Transparenz“ heißt. Und außerdem: Seit kaum mehr geheiratet wird, ist der Begriff Beziehung ohnehin dem Privat-Zwischenmenschlichen vorbehalten. Bliebe die Bande, ein besonders ausdruckskräftiges Vorläuferwort für Netzwerk. Es hat, positiv besetzt, überlebt in der poetischen Familienbande. Doch selbst von dieser hat Karl Kraus gesagt, „Familienbande hat einen Ruch von Wahrheit“. Nein, seien wir froh, dass jemandem die Lösung mit dem Netzwerk eingefallen ist. Es ist so herrlich unverbindlich, auch unverfänglich (oder denkt noch wer ans Spinnennetz?), vor allem aber: leicht aussprechbar, und zwar international. Welches Glück es doch ist, dass das deutsche Netz so nah am englischen net liegt! Dem Umstand verdanken wir, dass in unserem E-Zeitalter wenigstens ein bisschen noch Deutsch gesprochen wird. Netz und im Netz zu sagen, ist noch nicht gänzlich hinterwäldlerisch. Es ist sogar eine listige Laune der deutschen Sprache, dass das englische net missverständlich sein könnte. Diktiere ich mein E-Mail-Adressenende gmail.net, sage ich immer hinzu: „net wie Netz, nicht nett, wie ich bin“. Obwohl: Netz und Netzwerk, so jung beide noch sind, sie werden nicht halten. Die Internet-Gemeinde, die inzwischen ja die maßgebliche ist, spricht bereits von Wolke, wenn sie das Netz von bisher meint. Ihre Informationen sind digital „in der Wolke“ gespeichert, nicht mehr „im Netz“. Und einmal dieses verloren, machen wir uns keine Illusionen, werden auch unsere liebenswürdigen analogen Netzwerke nicht überleben. Ab damit in die Wörterwäscherei! Florian Kronbichler, 61, ist freier Journalist in Bozen. Seine Kommentare und Glossen erscheinen in deutschen und italienischen Zeitungen. OKTOBER, NOVEMBER, DEZEMBER 2012 | M

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MA RKE TI N G

Gerüstet für die digitale Welt Die Südtirol Marketing Gesellschaft (SMG) hat in den vergangenen Jahren eine Südtirol-OnlineWelt aufgebaut. Kostenlose WLAN-Zugänge in Hotels, Bars und auf öffentlichen Plätzen sieht sie als strategische Notwendigkeit.

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ie Welt ist online. Niemand rektor Christoph Engl. Dazu seien allerzweifelt mehr daran. Rund dings viele technische Voraussetzungen 500 Millionen Europäer tum- nötig, denn Roaming-Gebühren oder meln sich regelmäßig im schlicht langsame Leitungen verhinNetz, die Plattformen Google, Facebook dern ein schnelles Online-Stellen der und YouTube kennt jedes Kind, denn sie Information. „Das einfache und kostensind die meistbesuchten Internetseiten lose Navigieren im Internet wird immer der Welt. mehr als Standardleistung empfunden. Rasant zugenommen hat der mobile Wer hier nicht mithalten kann, gilt Zugriff auf das Internet. 21 Millionen schnell als überholt“, so Engl. Deutsche und 20 Millionen Italiener nennen ein Smartphone ihr eigen und sie nut- Online-Welt Südtirol zen es für alle Bereiche des Lebens – auch „Was vor zehn Jahren das Firmenschild für die Suche nach Urlaubsprodukten. Und vor Ort, im Urlaub wird mit nütz- an der Straße war, ist heute eine gute lichen Apps beispielsweise nach Restau- Website. Und selbst diese reicht nicht rants, Straßen oder Veranstaltungen ge- mehr aus. Neben einem souveränen Internetauftritt zählen die gute Präsenz sucht. Auch teilen Urlauber zunehmend ihre Erfahrungen und Erlebnisse unmit- bei führenden Internetplattformen mit Millionenpublikum, das Mitmischen in telbar mit ihren Freunden. „Begeisterte sozialen Netzwerken und attraktive und Urlauber, die ihre Bilder auf Facebook servicegerechte Smartphone-Applikatiposten, sind eine glaubwürdige Stimme für das Urlaubsland“, betont SMG-Di- onen“, weiß Engl. Nur so verzeichne

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man genügend Kontakte, erreiche ein gutes Ranking bei Suchmaschinen und schaffe es, 'den Urlauber nicht nur vor der Abreise', sondern auch während des Urlaubs „abzuholen“. Denn: „Was früher das Tagebuch oder das Fotoalbum war, ist heute das schnell versandte Bild oder die unmittelbar geschriebene 'Urlaubspostkarte' via Smartphone“, so Engl weiter. Erfahrungen würden dabei ebenso sofort geteilt wie Bewertungen von Beherbergungsbetrieben oder Restaurants. Für die Marke Südtirol bedeute diese Entwicklung der ganzheitlich gestaltete Schritt ins Netz: „Web-TV und Bannerwerbung, vertiefende Inhalte in neuen Medien und Online-Spiele tragen maßgeblich dazu bei, die Marke Südtirol begehrenswert zu machen“, führt Engl weiter aus. In diesen Feldern wurde bereits einiges erreicht: Der Südtirol-Auftritt bei Facebook überschritt im August die 50.000-Fans-Marke und es gibt mehr


Das Smartphone oder der Tablet-PC begleitet nicht nur immer mehr Südtiroler durch den Tag, sondern auch Urlauber

Infografik: Philipp Aukenthaler – hypemylimbus.com

als 50.000 Downloads bei den mobilen Applikationen wie der Südtirol-GuideApp und der Christkindlmarkt-App. Die Südtirol-Trekking-App ist seit Kurzem verfügbar und scheint ebenfalls gut angenommen zu werden. „Im Marketing hat sich sehr vieles ins Internet verlagert und wir reagieren mit neuen Angeboten darauf wie etwa mit unserem digitalen Magazin ‚Lebensart‘ oder Internetspielen wie das aufwendig gestaltete ‚Dolomitenrätsel‘, bei dem schon mehr als

4.000 Personen mitgemacht haben“, so der SMG-Direktor. Die digitale Revolution geht weiter. Es bleibt eine stete Marketingaufgabe, hier am Ball zu bleiben, vieles auszuprobieren und sich gleichzeitig nicht zu verzetteln. Für Marketingleiter Martin Bertagnolli ist es die größte Herausforderung, die SüdtirolKommunikation so zu gestalten, dass sie nicht als lästige Unterbrechung gesehen wird, sondern dass sie als Bereicherung empfunden wird. Die Ansprüche

an uns alle steigen. Die Informationen im Netz müssen wahr und glaubwürdig, übersichtlich und doch emotional aufbereitet sein, der Kunde erwartet sich einfache Lösungen für komplexe Dinge. „Wir tun gut daran, auch in der Produktentwicklung zu berücksichtigen, dass nur das Einfache durchdringen kann, denn alles andere sind wir nicht imstande zu kommunizieren. Wir müssen uns in jeder Hinsicht konzentrieren“, so das Fazit von SMG-Direktor Engl.

Viele Kanäle und Instrumente – ein Ziel: Lust machen auf Südtirol OKTOBER, NOVEMBER, DEZEMBER 2012 | M

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MA R KE TI N G

App-Familie Südtirol. Ende 2009 ging der erste mobile Südtirol-Reiseführer im

Dachmarkenkleid online. Die letzte Aktualisierung der kostenlosen App erfolgte im März 2012. Nach dem ersten Wurf bekommt die Südtirol App jetzt Zuwachs. Die Tendenz geht in Richtung spezifische Apps für spezifische Bedürfnisse. Derzeit sind vier Apps im App- bzw. Android-Store online.

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Infos zu den Original Südtirol Christkindlmärkten in Bozen, Brixen, Meran, Bruneck und Sterzing Restaurants- und Unterkunftsempfehlungen Parkplatzempfehlungen Veranstaltungen und Highlights Südtiroler Weihnachtsrezepte aus „So kocht Südtirol“ Wettervorschau Anreiseinfos und Verkehrssituation Bilder- und Videogalerie Gewinnspiel mit Fotobewerb über Facebook Übersichtskarte und Stadtpläne

12 Themen der Südtiroler Alltagskultur mit je 3 Erlebnispunkten Öffnungszeiten, Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Parkmöglichkeiten zu jedem Erlebnispunkt Lokalisierung über google maps Erlebnispunktvorschläge aufgrund der verfügbaren Zeit und des individuellen Aufenthaltortes Ausgewählte Veranstaltungstipps Videos zur Alltagskultur 100 kurze Podcasts zu den Themen der Culturonda Spiel Culturonda Memo

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Komplette Auflistung der Südtiroler Beherbegungsbetriebe Übersicht der Südtiroler Restaurants Die wichtigsten Veranstaltungen Sehenswürdigkeiten, Wanderungen, Aussichtspunkte Ergebnisliste aufgrund der eigenen Lokalisierung Automatische Anzeige der Entfernungen Wetterbericht Fotogalerie

Lokalisierung und Tourenempfehlungen im Umkreis Detailliertes Kartenmaterial Tourendauer und interaktives Höhenprofil Anreisemöglichkeiten Parkmöglichkeiten am Startpunkt Ausrüstungstipps und detailliertes Bergwetter Empfohlene Jahreszeit der Touren Bewertung der Redaktion

(BP)

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Planung STEP by STEP Gemeinsam statt einsam heißt es bei Südtirols GewerbebaulandPolitik: Die Gemeinden überlegen im Rahmen von STEP, wie sie gemeinsames Flächenmanagement organisieren können.

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as Business Social Networks wie Xing oder LinkedIn vormachen, um Menschen besser miteinander zu vernetzen und so bei ihrer Karriereplanung effizient zu unterstützen, sollen nun die Südtiroler Gemeinden übernehmen: Im Rahmen des Standortentwicklungsprojektes STEP bilden sie Netzwerke und Gemeinschaften bei der Ausweisung von Gewerbebauland und der Vermarktung ihres Standorts. 20 solcher Gemeinschaften, STEP-Standorträume genannt, gibt es im Land, jede der 116 Südtiroler Gemeinden ist einem dieser Räume zugeordnet. Und sie alle sind aufgefordert, sich vor allem zwei wichtige Fragen zu stellen: Wie positionieren wir uns als Wirtschaftsstandort

strategisch am besten? Wo und wie können wir ein gemeinsames Flächenmanagement organisieren? „Wenn wir im immer härteren Wettbewerb der Wirtschaftsstandorte bestehen wollen, müssen wir auf Zusammenarbeit und Zusammenschlüsse setzen“, betont Wirtschaftslandesrat Thomas Widmann. Sein Wirtschaftsressort hat STEP gemeinsam mit dem Gemeindenverband initiiert, betreut wird das Projekt von der Business Location Südtirol (BLS). „In Sachen Gewerbebauland heißt das, dass die Gemeinden über ihren Tellerrand hinausschauen und in größeren Räumen planen müssen. Wo immer es sinnvoll und machbar ist, müssen neue Gewerbegebiete in Zukunft übergemeindlich ausgewiesen werden, OKTOBER, NOVEMBER, DEZEMBER 2012 | M

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und zwar dort, wo es logistisch, urbanistisch und vom Landschaftsschutz her Sinn macht“, so Widmann. Von einer solchen Entwicklung profitieren auch die Unternehmer, ist man bei der BLS überzeugt: „Ein Unternehmen sucht den idealen Standort für sein Wirtschaften und seine Entwicklung, auch über die Gemeindegrenzen hinaus. STEP stellt sicher, dass er diesen auch bekommt, da die Gemeinden gemeinsam jenes Gewerbegebiet auswählen, das die besten Voraussetzungen für Ansiedlungen bietet“, sagt BLS-Direktor Ulrich Stofner.

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Gemeinsam besser planen Derzeit überlegt jeder STEP-Standortraum in eigenen Workshops, ob und wo übergemeindliche Gewerbegebiete ausgewiesen werden sollen. Das Echo der bisherigen Treffen war durchaus ermutigend, die Reaktionen der Teilnehmer überwiegend positiv; sie sehen großes Potential in diesem Projekt. „Es ist unnütz, wenn jede Gemeinde ihr eigenes Süppchen kocht und im Ergebnis dann doch nicht das bieten kann, was nur im Zusammenschluss möglich ist. Durch ein gemeinsames Vorgehen – wie bei STEP vorgesehen – kann man besser und weiter in die Zukunft planen“, bringt Johann Tschurtschenthaler, Gemeindereferent von Andrian, die Chancen des Projekts auf den Punkt. Nach einem Rezept für eine „gemeinsame Suppe“ sucht man derzeit bereits in zahlreichen Standorträumen – laufend kommen weitere hinzu. Sind die Workshop-Runden im Land abgeschlossen, tritt STEP in seine Abschlussphase: die Umsetzung der Maßnahmen, die von den Gemeinden gemeinsam in ihren STEPWorkshops beschlossen wurden. 30

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Monika Hofer Larcher

Vize-Bürgermeisterin von Eppan (Standortraum Etschtal Süd) Unter STEP konnte ich mir zunächst nicht viel vorstellen. Die Gemeinde Eppan ist seit dem ersten STEP-Workshop mit Interesse dabei, ich selbst bin erst etwas später eingestiegen. Mein erstes Treffen war aber schon sehr konkret, es ging hier um mögliche Standorte für ein übergemeindliches Gewerbegebiet im Etschtal, die genau begutachtet wurden. Diskutiert wurden auch Vorschläge, wie ein möglicher Aufteilungsschlüssel für die Verwaltung eines solchen Gebietes aussehen könnte. Ich finde an STEP positiv, dass gemeinsam unter benachbarten Gemeinden Überlegungen aus allen Perspektiven zu möglichen Standorten angestellt werden, um einen Kompromiss zu finden, der für alle Beteiligten tragbar ist. Allerdings kann ein Standort nie für alle Unternehmen gutgehen. In unserem speziellen Fall wird das Etschtal als Standort höchstwahrscheinlich nur für wenige Eppaner

Betriebe interessant sein, hier ist der Raum Überetsch doch gefragter. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass Eppan auch von STEP profitieren kann, weil die gemeinsamen Überlegungen eine möglichst objektive Beurteilung von Standorten ermöglichen. 2

Werner Tschurtschenthaler

Unternehmer, Bürgermeister und STEP-Verantwortlicher von Innichen (Standortraum Oberpustertal) Ich bin selbst Unternehmer und weiß deshalb genau, welche Bedürfnisse Betriebe haben. Deshalb war ich von Anfang an positiv zu STEP eingestellt. Als Bürgermeister und STEP-Verantwortlicher von Innichen habe ich nicht nur meine persönlichen Inputs und Ideen in das Projekt einbringen können, sondern auch mein eigenes Netzwerk als Unternehmer, auf das ich immer wieder zurückgreifen kann. Und ein gutes Netzwerk ist das Um und Auf, besonders für ein solches Projekt. In den Treffen unse-


res Standortraums wurden bereits zwei mögliche übergemeindliche Gewerbegebiete ins Auge gefasst. Derzeit wird gerade abgeklärt, ob hier die entsprechenden Voraussetzungen gegeben wären. Wichtig wäre, dabei auch die Wohnbaupolitik mit zu berücksichtigen: Wenn wir auf Neuansiedlungen setzen, dürfen wir die Ressource Mensch nicht vergessen. Neues, gut qualifiziertes Personal braucht entsprechende Wohnungen. Das heißt, dass junger, moderner Wohnraum zur Verfügung gestellt werden muss, z.B. durch den Umbau der alten Kasernenareale. Ich hoffe, dass STEP Früchte tragen wird. Gerade in Zeiten der Krise müssen wir den Fokus stärker auf Projekte setzen, die das Wirtschaftswachstum fördern. STEP ist ein solches Projekt. 3

Patrick Delueg

Vize-Bürgermeister und STEP-Verantwortlicher von Feldthurns (Standortraum Unteres Eisacktal) STEP ist bei uns in der Gemeinde sofort gut angekommen, es war deshalb auch nicht schwer, Unternehmer für den ersten Workshop zu gewinnen. Nach drei Treffen unseres Standortes haben wir aber feststellen müssen, dass es aufgrund der topografischen Lage keine geeigneten Flächen für ein übergemeindliches Gewerbegebiet gibt. Wir werden uns deshalb Richtung Norden orientieren müssen. Feldthurns wird aber auf alle Fälle von STEP profitieren. Wir sind zwar in der glücklichen Lage, dass wir am Talboden eine neue Gewerbezone mit Entwicklungspotenzial haben, aber wir müssen attraktiv bleiben und die Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden suchen. Den übergemeindlichen

Austausch bei STEP und das Bewusstsein, dass man bei der Ausweisung von Gewerbegebieten über die Gemeindegrenzen hinausdenken muss, empfinde ich als sehr positiv. Betriebsansiedlungen bedeuten für die Standortgemeinde immer auch Steuereinnahmen, deswegen muss mit den anderen Gemeinden ein Ausgleich gefunden werden. Durch die übergemeindliche Zusammenarbeit werden Synergien genutzt, die schlussendlich den Unternehmen und den Lokalkörperschaften und folglich auch der Allgemeinheit zugute kommen. 4

Kurt Leggeri

Gemeindereferent und STEP-Verantwortlicher von Schlanders (Standortraum Unterer Vinschgau) Die Kapazitäten der Gewerbegebiete in Schlanders sind erschöpft. Deshalb ist unsere Gemeinde STEP von Anfang an aufgeschlossen gegenüber gestanden. Wir haben dann bald erkannt, dass wir durch das Projekt einige unserer Stand-

ortprobleme lösen könnten, wenn auch natürlich nicht alle. Beim ersten Workshop haben eigentlich alle anwesenden Gemeinden festgestellt, dass eine übergemeindliche Zusammenarbeit große Vorteile mit sich bringt. Wie das in der Praxis umsetzbar sein könnte, müssen wir erst festlegen. Es ist wichtig, der heimischen Wirtschaft Erweiterungsmöglichkeiten anbieten zu können. Und zwar vorausschauend, um dann schnell auf deren Bedürfnisse reagieren zu können. Wenn diese Möglichkeiten in der Gemeinde selbst nicht bestehen, muss man vom Kirchturmdenken wegkommen und übergemeindliche Lösungen suchen. In Schlanders verfolgen wir natürlich das Projekt STEP, andererseits lassen wir eine innergemeindliche Lösung nicht aus den Augen. Ein mittel bis klein strukturierter Betrieb mit örtlicher Bindung steht zur Standortfrage ja ganz anders als ein Unternehmen, das überregional oder staatsweit operiert. Wir brauchen auch Lösungsansätze für kleine Handwerker, die nicht aus dem Ort (BK) wegziehen wollen. 4

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MENSC H E N

Der Föderale. Alexander von Egen ist Netzwerker par excellence. Mit Wissen, Einsatz und Ehrlichkeit knüpft er seit 40 Jahren wichtige Verbindungen für Südtirol. Seine Drähte reichen von Peking bis in den Vatikan – dennoch sitzt er am liebsten am Kalterer See. Text: Hartwig Mumelter Foto: Alex Filz

WER MIT ALEXANDER VON EGEN diniert, lässt iPhone und Terminkalender am besten im Auto. Denn wer die Suade, oder zu gut Deutsch die Wortlawine des aristokratischen Juristen unterbricht, versäumt vielleicht wichtige Pointen. Das Kalterer Unikum mit der kurzweiligen Erzählart wurde und wird hierzulande von vielen unterschätzt, bisweilen von Neidern sogar belächelt. In der Tat

griff „Netzwerker“ geboren. Über Thurnstein spannt sich auch der Bogen zur Familie Fuchs, den Besitzern der größten Privatbrauerei Italiens (Forst), in deren Verwaltungsrat von Egen sitzt. Den Balanceakt zwischen Bier- und Weinkonsum schafft der agile Wirtschaftsmediator genau so gekonnt wie einen Privatbesuch bei Václav Klaus in einer schwarzen Skoda-Limousine, nachdem

„Als Netzwerker muss man die Ärmel hochkrempeln und buggeln!“ überspielt der humorige Blaublüter gerne mit clownesker Gestik einige Unzulänglichkeiten in Politik und Gesellschaft. Er macht sich subtil über Einfaltspinsel lustig, unterstreicht immer wieder seine Herkunft und stellt dadurch andere elegant in den Schatten. Alexander von Egen ist ein Privatier im klassischen Sinne. Mit Jaguar und Nadelstreif tingelt der gerade 60-Jährige von den Salzburger Festspielen nach Bad Ischl, mokiert sich über den dortigen Schnürlregen und unterbricht sein Lamento erst, als die Jakobsmuscheln kredenzt werden. „Die kommen aus dem Kalterer See hier“, feixt der Malteser Ehrenritter. Er liebt zwar die zarten Atlantik-Muscheln, doch besinnt er sich schnell wieder seiner Wurzeln. „Nudeln, Knödel, Plente – die drei Tiroler Elemente! Ich weiß, wo ich zu Hause bin!“ In Kaltern bewirtschaftet Alexander von Egen sein Weingut am Mezzanhof. Gerne verweist er auf den gleichnamigen Urahnen, der schon im 16. Jahrhundert auf Schloss Thurnstein in unmittelbarer Nähe von Schloss Tirol wohnte und dort Schlosshauptmann der Tiroler Landesfürsten war. Damals wurde wohl der Be32

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er beinahe als Letzter einige Stunden zuvor den Opernball verlassen hatte. Das gesellschaftliche Großereignis in der Wiener Staatsoper ist die beste Plattform für einen geschulten Netzwerker wie von Egen. „Du musst da auch noch um Mitternacht wissen, was Katharina die Große getan hat, oder warum Friedrich der Große ein Liberaler war!“ Allgemeinbildung ist die Voraussetzung, um neue Bekanntschaften zu schließen. Eine Fähigkeit, die dem Geldadel wohl oft fehle. Nur zögernd spricht von Egen von seiner Politikervergangenheit. Zwei Legislaturen saß er im Südtiroler Landtag, war Vizepräsident der Region, bis er einigen „Hinterbänklern“ zum Opfer fiel. Doch ein Mann wie von Egen ist im Unterschied zu vielen anderen nicht auf die Politik angewiesen. In den 14 aktiven Jahren im Wirtschaftsring erkannte er frühzeitig die Öffnung Chinas, hat dadurch für Südtirol Exportgeschäfte geebnet. Auf den insgesamt zwölf Chinareisen baute er beste Beziehungen zu chinesischen Ministern und Funktionären auf. „Südtirol liegt zwischen den Gondeln und dem Oktoberfest! Da gibt es den Iceman! Da

bin ich daheim!“ Eine bildhaftere geografische Angabe hätte dem Außenhandelsminister aus Peking wohl niemand liefern können. Als überzeugter und aufrechter Gesamttiroler (er hat einen zweiten Wohnsitz in Innsbruck) hatte er von Anfang an den europäischen Gedanken mitgetragen und die Engstirnigkeit einiger seiner Landsleute argwöhnisch beobachtet. „Als Netzwerker muss man die Ärmel hochkrempeln und buggeln!“ Die schweißtreibende Arbeit besteht aus Briefeschreiben (keine E-Mails), aus Anrufen (keine SMS) und dies nicht nur in guten Zeiten. Von Egens Ehrenkodex lautet: Wissen – Einsatz – Ehrlichkeit. Mit diesem Credo fliegt Alexander von Egen von Termin zu Termin. Besonders stolz ist er auf seinen Kontakt zum Klerus. Als Ehrengast wohnte der Überetscher der ersten Antritts-Messe des aktuellen Papstes bei. Über den Kolonnaden, wo nur die illustersten Persönlichkeiten Platz nehmen dürfen. Josef Ratzinger war noch als Kardinal Gast in von Egens Villa in Kaltern. Netzwerkfreundschaften rosten eben nicht, wenn man sie gut ölt!

ALEXANDER VON EGEN Spross einer alten Tiroler Adelsfamilie, studierte Rechtswissenschaften und lebt in Kaltern und Innsbruck. Er ist als Wirtschaftsmediator, Verwaltungsrat der Brauerei Forst und Präsident des Dart-Weltverbandes tätig. Zudem ist er Ehrenbürger der Marktgemeinde Kaltern und Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste der Republik Österreich.


Zwei Liberale in einem Salon: Alexander von Egen und Friedrich der GroĂ&#x;e


MA RKE TI N G

Besonderes Klima, hohe Qualität Wem bei Martell nur beste Südtiroler Erdbeeren einfallen, der irrt. Längst werden verschiedenste Früchte angebaut und vermarktet. Seit Juni ist die Konfitüre mit dem Qualitätszeichen Südtirol gelabelt.

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eit Generationen erzeugen die „Aufgrund der vielen Kundenanfragen Bäuerinnen im Martelltal, mit- haben wir entschieden, eine professioten im Nationalpark Stilfser- nelle Struktur aufzubauen, um dem joch, ihre Konfitüre nach einer Konsumenten und der heimischen Gasalten und geheimen Rezeptur. Die Bee- tronomie eine größere Menge bieten zu ren wachsen hier bis auf 1.800 Metern können,“ so Peter Gamper, Direktor der Meereshöhe, reifen langsam bei niedri- MEG. Derzeit sind im Handel vier Sorten gen Temperaturen und können so ein erhältlich: Erdbeer-, Himbeer-, Waldbesonders intensives Aroma entwickeln. frucht- und Aprikosenkonfitüre. In den Begonnen hat man im Martelltal mit Feinkostläden Südtirols wie z.B. Seibdem Anbau von Beeren und Kirschen stock werden auch die Fruchtaufstriche Anfang der Sechzigerjahre, und dank und Gelees mit Herkunftszeichen zum der Höhe, dem milden und trockenen Kauf angeboten. Genauso der ErdbeersiKlima und dem hohen Temperaturun- rup, die frischen Fruchtsäfte von Erdterschied zwischen Tag und Nacht er- beere/Aprikose und Erdbeere/Apfel und reicht die Qualität der Früchte ihr Maxi- der Erdbeer-Glühwein. mum. Heute zählen diese Anlagen zu MEG organisiert den Verkauf den wichtigsten in Europa. Seit Juni dieses Jahres verkauft die Die Erzeugergenossenschaft MEG wurde MEG, Erzeugergenossenschaft Martell und Mitglied der VI.P, auch Konfitüre 1989 gegründet und hat 1992 mit dem Verkauf ihrer Produkte begonnen. Die mit dem Südtirol Qualitätszeichen. Die Zahl der Mitglieder ist von ursprünglich Bäuerinnen sind nach wie vor in den Herstellungsprozess eingebunden. neun auf 65 angewachsen, die Anbauflä34

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che beträgt ca. 80 Hektar. „Unsere Produkte kosten ca. 40 Prozent mehr als jene aus dem restlichen Italien. Und wir stellen auch fest, dass der Konsument von heute sehr auf Qualität und Sicherheit bedacht ist und dementsprechend bereit ist, mehr zu bezahlen. Unser Obst kommt frisch in den Handel und schmeckt einfach besser“, so Gamper. „Dank unserem Klima und den besonderen Lagen sind unsere Beeren für einen längeren Zeitraum verfügbar als jene im Rest Italiens“. Gastrofresh und Viropa, zwei lokale Partner der MEG, beliefern Südtirols Hotels und Restaurants. „Unser Hauptziel für die nächsten Jahre ist es, noch mehr Konfitüresorten, wie z.B. Johannisbeere, zu produzieren, und diese auch außerhalb Südtirols, etwa im Veneto und in der Lombardei, zu verkaufen“, meint Gamper. Die Partner und Kunden stehen dem Vorhaben positiv gegenüber. Das Qualitätszeichen mit Herkunft garantiert, dass die Beeren nur aus Süd-


tirol kommen und auf einer Höhe über 600 Metern angebaut werden. Die Ernte erfolgt nur per Hand, die Früchte müssen einen richtigen Reifegrad und die typische Färbung sowie einen Mindestzuckergehalt aufweisen. Konservierungs-, Farb- und Aromastoffe dürfen nicht verwendet werden. Als Süßstoff dürfen nur Zucker, Fruchtsaftkonzentrat oder Südtiroler Honig zum Einsatz kommen. Die Früchte, die zu Konfitüre weiterverarbeitet werden, dürfen einen bestimmten Lagerzeitraum nicht überschreiten, das Endprodukt darf nur in Glas- oder Porzellanbehältern verkauft werden. „Der Konsument von heute mag keine Mogelpackungen und achtet sehr darauf, was er kauft. Der Trend geht in Richtung lokale und saisonale Produkte und Anbauweise, die im Einklang mit der Natur stehen. Es ist daher wichtig, dass Herkunft und Qualität kontrolliert werden und dies nicht unterschätzt wird“, meint Landesrat Thomas Widmann. Die Geschichte der Südtiroler Konfitüre ist eine Geschichte von echter Qualität: Vom Bauernmarkt kam sie in die Hotels und Feinkostläden.

200 Hektar Beeren und Kirschen Seit 1990 tragen auch die Beeren das Qualitätszeichen Südtirol, das kontrollierte Qualität und gesicherte Herkunft garantiert. Die Kirschen sind seit 2010 dabei. Die Produktionsfläche der Beeren und Kirschen entspricht ca. 200 Hektar, in einer Anbauhöhe zwischen 600 und 1.800 Höhenmeter. Die höchsten Lagen sind nach wie vor im Martelltal. Beeren und Früchte werden aber auch im Ultental, im Eisacktal, im Pustertal, im Vinschgau, in Jenesien und auf dem Rittner Hochplateau angebaut. (AC)

Vielfältig: Konfitüre aus besten Südtiroler Beeren

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IM V IS I E R DE R ME D I EN

Über Südtirol berichtet. Hugo, Frischkäse und ganz viel Alpenidyll - zwischen

Mystik und Verwurzelung - mischen die Presse im Ausland genauso auf, wie bekannte Charakterköpfe wie Alois Lageder oder Reinhold Messner: facettenreiches Südtirol. Italien: Bell’Italia Reisemagazin – Das bekannte Reisemagazin Bell’Italia widmet gleich neun Seiten dem bedeutendsten Wallfahrtsort Südtirols, Maria Weißenstein: mit großformatigen Bildern wird die reizvolle Kulisse mit Blick auf Schlern, Rosengarten, Latemar und Ortlergruppe für Pilger und Naturliebhaber gleichermaßen schmackhaft gemacht. Ausgabe April 2012

Deutschland: LandGenuss Kulinarikzeitschrift – Seit einigen Jahren erlebt Ursprüngliches, Traditionelles und Hausgemachtes in Südtirol eine Renaissance und wird zum neuen Trend: Südtiroler Persönlichkeiten geben einen Einblick in diese neue Geschmackswelt und verraten ihre Geheimtipps. Ausgabe Mai/ Juni 2012 Schweiz: persönlich Wirtschaftsmagazin – Auf sechs Seiten interviewt das Schweizer Wirtschaftsmagazin persönlich den 68-jährigen Reinhold Messner. Der Bergsteiger zieht seine persönliche Lebensbilanz. Offene Geständnisse eines Extrembergsteigers also, der doch viel mehr als das ist, nämlich Museumsbetreiber, Bestsellerautor, Filmemacher und Marketing-Genie. Ausgabe Juli 2012

Tschechien: TV „Kluci v akci“ Kochsendung im TV – Anfang des Sommers wurde im tschechischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen bei CT1 die Kochsendung „Kluci v akci“ ausgestrahlt. Gedreht wurde im mediterranen Meran und in den Gärten von Schloss Trauttmansdorff, in dem einst Kaiserin „Sissi“ kurte. Die Kochshow macht mithilfe von raffinierten Gerichten Land und Leute schmackhaft. Ausgestrahlt am 23. und 30. Juni 2012

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Polen: Traveler Reisemagazin – Er bestieg als Erster alle Achttausender, sah den Yeti, ging in die Politik und gründete in seiner Heimat Südtirol fünf BergMuseen: Reinhold Messner ist mehr als ein Bergsteiger. Das polnische Reisemagazin par excellence weiß all das und ein bisschen mehr und widmet Reinhold Messner gleich fünf Seiten seiner Sommerausgabe. Ausgabe Juli 2012


Deutschland: GeoSaison Reisemagazin – Das Titelthema der Juni-Ausgabe 2012 von GeoSaison ist dem „Alpenidyll Südtirol“ gewidmet. Auf 31 Seiten wird den Dolomiten, den Almwiesen zwischen Vinschgau und Pustertal und den Hüttenwirten, die ihre Heimatliebe entstauben und neue Ideen auf die Spitze treiben, gehuldigt. Volksmusik, Hüttenkäse und viel Wandertipps inklusive. Ausgabe Juni 2012

Österreich: Die Presse.com und Die Presse Nachrichtenportal und Tageszeitung – „Hugo, das Kultgetränk made in Südtirol, hat sich seit vergangenem Sommer auch in Österreich durchgesetzt“, schreibt Die Presse Online. Der Hugo habe einen Hauch von Unschuld und wirke – dank Minze, Holunderblütensirup und Zitrone – gesund und erinnere ein bisschen an die Limonaden der 1960er-Jahre. Online am 23. Juni, Printausgabe vom 24. Juni 2012

Schweiz: via bewegt dich Board-Magazin der Schweizer Bundesbahnen – Die Journalistin Claudia Meyr hat sich auf Streifzug durch Südtirol oder genauer – von Vinschgau bis nach Meran begeben. Sie hat eine Reise-Reportage über den unbekannten Nachbarn geschrieben und festgestellt: Lieblich und herb, erdverbunden und modern – im Westen Südtirols blühen wunderbare Gegensätze. Ausgabe: Juni 2012

Großbritannien: Independent traveller Wöchentliche Beilage der englischen Tageszeitung – „Italiens Abenteuerpark“ lautet der Titel der dreiseitigen Reportage über das Familienparadies Südtirol. Und der Titel hält, was er verspricht: Landschaft, Sport, Kulinarik, reizvolle Unterkünfte und ein mannigfaltiges kulturelles Erbe in geballter Ladung sorgen für einen vielfältigen Sommer mit Flair. Ausgabe April 2012

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MARKTP L ATZ

Der deutsche Produzent Florian Reimann von FR Entertainment beim BLS-Event in München

MÜNCHEN, DEUTSCHLAND SÜDTIROL BEIM INTERNATIONALEN FILMFEST: Unter dem Motto „Diesen Namen sollten Sie sich merken…“ lud die Business Location Südtirol (BLS) im Rahmen des 30. Münchner Filmfests zu einem Get-together. Das Kennenlernen und der Austausch zwischen Filmproduzenten, Förderern und Südtiroler Filmschaffenden standen im Fokus. Der Branchentreff in der bayrischen Landeshauptstadt bot nicht nur reichlich Möglichkeit zum Netzwerken, sondern war gleichzeitig eine gute Plattform, um die Leistungen der BLS für Produzenten sichtbar zu machen und ihnen Südtirols Filmdienstleister und Filmschaffende vorzustellen. Unter anderen mit dabei: Der Brixner Schauspieler Martin Thaler und Jungproduzent Philipp Moravetz von Echo Film. 38

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„Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele.“ Friedrich Wilhelm Raiffeisen 1818 – 1888


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