Das Buch beschreibt auch die Häuser und die landwirtschaftlichen Verän derungen von Vals als Ergebnis weltweiter Einflüsse. Von besonderer Be deutung ist das Kapitel zu den wirtschaftlichen Wassernutzungen durch das Kraftwerk, das Hotel Therme und den Valser Mineralquellen AG. Ergänzend wird auch dargelegt, wie sich die tägliche Arbeit der Frauen im Zeitablauf radikal verändert hat. Abschliessend wird der «Qualität Vals» nachgegan gen – was ist das, wenn es sie gibt? Die Sichtweise ist eine ökonomische, verbunden mit der Heimatverbunden heit und den Lokalkenntnissen des Autors.
Vals – EngEs Tal, wEiTE wElT
EngEs Tal, wEiTE wElT Peter Rieder, geb. 1940, wuchs in Vals in einer grossen Bauernfamilie auf. Nach dem Gymnasium an der Klosterschule Disentis studierte er Agrarwissenschaften an der ETH Zürich und anschliessend Ökono mie an der Universität Zürich. Ne ben einer dreijährigen Tätigkeit in der Pri vatwirtschaft doktorierte und habilitierte er an der ETH Zürich. Zwischen 1980 und 2005 war er Professor für Agrarwirtschaft an der ETH Zürich. Seine Lehre und For schung prägte eine Generation von Stu dierenden. Insbesondere beeinflussten seine Forschungsarbeiten die schweizeri sche Agrarpolitik; er betreute ferner zahl reiche Entwicklungsprojekte in der Drit ten Welt. In der letzten Zeit widmete er sich intensiv wirtschaftlichen Aspekten des schweizerischen Berggebietes. Da bei gewonnene Erkenntnisse finden im vorliegenden Buch über sein Heimatdorf ihren Niederschlag.
Peter Rieder
Viele Dörfer im Alpenraum der Schweiz leiden seit Jahren an einem Bevöl kerungsschwund und an einer steten Abnahme von Arbeitsplätzen. Diesem unerwünschten Trend versuchen Bund und Kantone sowie private Organi sationen mit finanziellen Hilfen zu begegnen. Die Erfolge sind nur mässig, scheinen doch Marktkräfte stärker zu wirken. Es gibt aber auch einige Ausnahmen: Eine davon ist Vals. In diesem Buch wird das Besondere von Vals erklärt. Die These dazu lautet: Ein Bergdorf kann nur überleben, wenn dank externer Investoren im Ort Produkte und Dienstleistungen für den Weltmarkt produziert und abgesetzt werden kön nen. Dies ist in Vals erreicht worden. Neues prägt das Tal: Die Staumauer, Hotels, Ferienwohnungen, das Hotel Therme mit seinem weltberühmten Bad vom Architekten Peter Zumthor, das Valserwasser, die Quarzitplatten, neue Strassen und die Bergbahn ins Skigebiet.
Vals
PETEr riEdEr
ISBN 978-3-7298-1160-7
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783729
811607
Vals
enges Tal, weiTe welT
PeTer rieder
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Autor und Verlag danken folgenden
© 2009 Terra Grischuna AG, Chur
Institutionen und Firmen, welche
Alle Rechte vorbehalten
die Publikation dieses Buches unterstützt haben:
Lektorat: Peter Schmid, Vals Fotos (sofern nicht anders angegeben):
Gemeinde Vals
Ursula und Peter Rieder
Truffer AG
Gemälde Umschlag-Innenseite: Albin, ca. 1900
Valser Mineralquellen
Gestaltung: Süsskind, SGD, Chur
Graubündner Kantonalbank
Druck: Südostschweiz Presse und Print AG, Chur
Kraftwerke Zervreila AG
Buchbinder: Burkardt AG, Mönchaltorf
Therme Vals VisitVals Kanton Graubünden, Kulturförderung
Printed in Switzerland ISBN 978-3-7298-1160-7
inhalT
Vorwort Einleitung Einstieg zum Tal Bevölkerung und Wirtschaft im Zeitablauf Eine Bilanz, Szenarien und ein Vergleich zu anderen Dörfern Wege und Strassen Häuser und Hotels als Zeitzeugen Entwicklungen in der Landwirtschaft und auf den Alpen Wasser in Vals – Kraftwerke, Hotel Therme, Valserwasser Frauenarbeit Gesundheitsdienste und Gemeinschaftshilfe «Qualität Vals» – Versuch einer Beschreibung Verwendete Literatur
5 9 13 17 51 67 83 99 129 171 181 189 204
VorworT
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VorworT
In diesem Buch wird beschrieben, wie und warum der Wandel im Valsertal im Laufe des 20. Jahrhunderts auf seine Weise ablief. Wir möchten zeigen, wie diese oft bestaunte Einzigartigkeit in einem so abgeschiedenen Tal zustande kam. Als Leser stellen wir uns Personen vor, die sich für die konkreten Entwicklungen im Valsertal interessieren, und andererseits zeigen wir der Fachwelt auf einer ökonomischen Grundlage, welche spezifischen weltweiten Sog- und Druckkräfte den Wandel in diesem Bergtal bestimmt haben. Das Besondere an unseren Ausführungen soll sein, dass sowohl einheimische Kenntnisse und eigene Erfahrungen als auch ökonomische Ansätze mit hineinfliessen. Der Anstoss zu diesem Buch kam aus vielen Begegnungen in Vals, in denen ich immer wieder erzählte, was in Vals passierte. Gleichzeitig war ich forschungsmässig mit den gleichen Fragen zum ganzen Alpenraum beschäftigt. Aus dieser Kombination ist nach und nach dieses Buch entstanden. Mein Einsitz in die Kulturstiftung Vals hat mich bewogen, diese Institution als Herausgeberin zu wählen. So soll das Buch zu einem Teil der Aktivitäten dieser Stiftung werden. In ihren Statuten steht: Die Stiftung bezweckt die Förderung, Erhaltung, Weiterentwicklung, Wiederherstellung und Sichtbarmachung des kulturellen Erbes von Vals. Diese Zweckbestimmung deckt sich vollständig mit meinen persönlichen Absichten. Zu Dank verpflichtet bin ich meinen Kolleginnen und Kollegen des Stiftungsrates der Kulturstiftung Vals. Viele anregende Gespräche haben zur Gestalt des Buches beigetragen. Ein besonderer Dank gilt Peter Schmid, der das Lektorat gemacht hat, mir aber auch mit vielen Anregungen und Informationen geholfen hat. Meiner Frau Ursula verdanke ich viele Fotografien. Aus allen Winkeln her-
Wasser und Steine haben über Millionen Jahre zu einmaligen Gletschermühlen geführt
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einleiTung
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einsTieg zum Tal
der weg nach Vals Vals ist auf den Landkarten immer eingetragen, vermutlich weil es zuhinterst in einem Tal liegt. Fährt man von Zürich aus nach Chur, der Hauptstadt des Kantons Graubünden, so geht’s von dort weiter dem Vorderrhein nach aufwärts. Mit der Rhätischen Bahn fährt man durch die Ruinaulta bis Ilanz, durch die Schlucht mit den faszinierenden Felstürmen, ausgewaschen aus den Massen des prähistorischen Bergsturzes von Flims. Mit dem Auto fährt man über Flims oder auf der anderen Talseite auf einer kurvenreichen, aber geologisch eindrücklichen Strasse. In Ilanz steigt man entweder aufs Postauto um, es sei denn, wir suchen mit dem privaten Auto die Strasse nach Vals. Sie führt von Ilanz, der ersten Stadt am Rhein, nach Süden ins Tal des Glenners. Nach zehn Kilometern fliessen der Valser- und der Vrinerrhein zusammen. Vals und Vrin liegen je zuhinterst in den beiden Tälern – zumindest für die Autofahrer geht’s nicht weiter. Die Strasse nach Vals führt anfänglich durch weichen Bündnerschiefer, bald aber in die Bergwelt des Adula-Zwischenmassivs, sichtbar an den grün glimmernden Felsen zu beiden Seiten des steilen Tales, vorbei an der Hundschipfa mit dem Bildstöckli St. Niklaus und am klaren Wasser des Valserrheins. Nach 20 Kilometern Fahrt auf einer kurvenreichen, aber gut ausgebauten Strasse erreicht man Hansjoola, wo der alte Weg unter der Kapelle hindurch ins Tal führte, das sich hier öffnet, und die Gebäude der Valser Mineralquellen AG, die hohen Hotelbauten und der Kirchturm auftauchen. Von Vals führen noch Strassen nach Zerfreila und Peil, doch weiter geht es nur zu Fuss, über den Valserberg nach Hinterrhein und von dort wieder auf Strassen über und durch den San Bernardino ins Tessin und nach Oberitalien.
Am Taleingang: Kapelle St. Nikolaus in Hansjoola, Symbol christlicher Ergebenheit
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seine «leuchTTürme» Einen begrenzten Bekanntheitsgrad hatte Vals schon vor 1893, denn bei der warmen Quelle sollen schon vorher Badestuben gestanden haben (Schwarz 1971; Schmid 1989). Wie dies damals an manch andern Orten auch geschah, haben um 1890 am Ort der drei warmen Quellen auswärtige Investoren ein Hotel und Badeinrichtungen gebaut. Siebzig Jahre später, 1963 entstand dann ein neues Hotel, verbunden mit einem Kurzentrum und einem Hallenund Wellenfreischwimmbad. Gleichzeitig ist das Valser-Mineralwasser auf den Markt gekommen und hat so den Namen Vals schweiz- und europaweit bekannt gemacht. Doch den heutigen Bekanntheitsgrad erzielte das Dorf mit dem weltweit berühmt gewordenen Bau der Therme durch den Architekten Peter Zumthor. Von jetzt an besuchen viele Gäste Vals sowohl zum Baden als auch aus architektonischer Neugierde. Als Folge davon ist in den letzten zwanzig Jahren auch der «Valser Stein», hoch veredelt durch die Firma Truffer, weltbekannt geworden; und dies, obwohl Vals ein abgelegenes, schattiges Tal, allen Launen der Natur ausgesetzt, geblieben ist. Wir wollen daher zeigen, dass sich die wirtschaftlichen Vorgänge in Vals nur erklären lassen, wenn man weiss und versteht, was sowohl in der Weltwirtschaft als auch in der schweizerischen Politik jeweils passiert ist und wie sich diese internationalen und schweizerischen Veränderungen im Bergdorf Vals niedergeschlagen haben.
Die Quelle beim Hotel Therme als Ort der Erlabung des Menschen (Lithografie um 1900) BTV Bank für Tirol und Vorarlberg, Innsbruck: Rund 4500 m 2 Valser Stein der Firma Truffer in Form von Bodenplatten, Mauerstein, Fensterbänken, Brunnen, Pflanzentrögen und Schreibpulten (Foto: BTV)
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BeVölkerung und wirTschafT im zeiTaBlauf Unser Interesse gilt der Entwicklung in den letzten hundert Jahren. Wir beginnen aber mit einer gerafften «Vorgeschichte», also mit dem, was über Vals vor 1900 bekannt ist. Es soll gezeigt werden, wie die Menschen im abgelegenen Valsertal schon immer auf weltwirtschaftliche Vorgänge reagiert haben, so insbesondere im 18. und 19. Jahrhundert. enTwicklungen Vor 1800 Historiker und Volkskundler haben in vielen Publikationen die Geschichte der Walserwanderungen im 13. Jahrhundert beschrieben (Bundi 1982, Zinsli 1986, Mathieu 1990). So kann man sich gut vorstellen, was seither auch im Valsertal abgelaufen ist. Allerdings soll es nach schriftlichen Quellen im Valsertal schon vor der Walsereinwanderung im Talboden einige Höfe gegeben haben, die den Zehnten in Form von Butter und Tieren den Landesherren, namentlich dem Bischof, abliefern mussten. Doch grösstenteils war das Tal wohl noch stark bewaldet. Die Sömmerungsalpen wurden offensichtlich auch schon mit Tieren bestossen, besitzen sie doch zum Teil heute noch Namen romanischen Ursprungs. Auch soll das Valsertal mit dem Valserberg als Alpen-Übergang nach Hinterrhein und weiter nach Oberitalien schon zu allen Zeiten benutzt worden sein. Die eigentlichen Walserwanderungen im 13. Jahrhundert führten vom Oberwallis über die Alpenpässe nach Süden und Osten. Die Walser entflohen in Familiengruppen ihrer harten Existenz. Gleichzeitig erlaubten ihnen die damaligen Landesfürsten von Sax Misox und von Vaz in den noch kaum besiedelten Tälern sich mit der auferlegten Pflicht zum Kriegsdienst niederzulassen. So kamen sie
Abfüllfabrik des Valserwasser im Jahre 2001
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BeVölk erung und wirTschafT im zeiTaBlauf
auch ins Valsertal. Die meisten dieser deutschsprachigen Walliser kamen vom Rheinwald über den Valserberg nach Vals und vermutlich einige auch vom oberen Tessin über den Soredapass nach Zerfreila (Bundi 1982). Wie noch heute die Maiensässhäuser entlang der wichtigsten Wege vermuten lassen, liessen sie sich familienweise auf halbwegs ebenen, lawinensicheren Terrassen nieder und fingen an, Häuser und Ställe zu bauen und gleichzeitig rundherum den Wald zu roden. Am schönsten kann man dies nachvollziehen, wenn man vom hinteren Peil Richtung Dorf wandert. Im Peiltal stehen die alten Häuser in «bäuerlicher» Distanz zu einander: Inder Peil, Hoffli, Furrahuss, Chappelihuss, Bodahuss, Tobelhuss. Auf der anderen Talseite geht’s dem Weg nach zur Tschifera, Uf dr Matta, Fuulblatta, Kartütscha und zum Aberschhuss. Von dort hinunter ins Dorf, wo nach und nach einzelne Weiler, wie die Rufena, der Platz, Valé (Flee), Zameia und Camp entstanden sind. Einzelne Siedler fanden ihren Standort an den steileren Hängen, so auf Parwigg, oder an der Sonnenseite auf der Volchtanna und auf Leis. Ein ähnlicher Besiedlungsweg ist vom Soredapass her vorstellbar. Die ersten Häuser entstanden wohl in Zerfreila mit dem Oberboda und Underboda; von dort werden einige Familien den Fatt, Frunt (2000 m ü. M.) und weiter vorne den Bidanätsch und das Moss zu ihrem Sitz gemacht haben. Von diesen Siedlungen aus hat dann die grossflächige Rodung ihren Fortgang genommen. Wo man gerodet hatte, baute man Ställe, um das Futter unterzubringen und die Tiere im Winter zu füttern. So ist nach und nach das Landschaftsbild entstanden, das uns heute die Besiedlungsgeschichte erahnen lässt. Während der Sommerzeit brachte man die Tiere auf die Alpen, wo nach und nach ebenfalls Hütten und Ställe errichtet wurden.
Zerfreila mit Ober- und Underboda, im Hintergrund links der Güfer, rechts das Zerfreilahorn (Photohaus Geiger, Flims)
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Die Bewohner von damals lebten vor allem von dem, was sie selber produzierten. Ihre Schafe und Ziegen, vielleicht auch schon wenige Rinder, lieferten Milch, Fleisch, Fett und auch Leder. Zweifelsohne hatten sie Handel betrieben. Gegen Tiere, die sie auf den Märkten des Tessins und Oberitaliens verkauften, importierten sie Getreide, Salz, Wein, später auch Kaffee und Zucker und sicher metallische Werkzeuge und Textilien. Bis um 1890 gab es einige starke Männer, die während des ganzen Jahres Waren von Hinterrhein über den Valserberg trugen, die so genannten Bergträger. Im Tal gefundene Mühlsteine belegen den Getreideimport, jedoch nicht zwingend, dass man in Vals und in Zerfreila auch selber Getreide angebaut hätte. Die Bevölkerungszahl wird allmählich so stark angestiegen sein, dass die einheimischen Wiesen nach und nach nicht mehr für alle Bewohner genügend hergaben. Ich stelle mir vor, dass in vielen Familien immer wieder Not und Armut herrschte. Es entstand ein Druck auszuwandern. Vor 1800 gab es dazu drei Destinationen. Die erste historisch belegte Möglichkeit bestand in der Expansion ins vordere Lugnez. Valser sollen durch Heiraten und Käufe im romanischen Lugnez Boden erworben haben. Diese deutschsprachige Infiltration hat anscheinend den Romanen nicht gepasst, so dass 1457 von den Romanen ein Heiratsverbot mit den Welschen, das heisst Anderssprachigen, gerichtlich erlassen wurde. Sinngemäss heisst es im Text, dass eine Jungfrau aus romanischem Hause ihres Erbanspruches verlustig geht, wenn sie sich mit einem Welschen (Walser bzw. Valser) verehelicht. Die zweite Möglichkeit bestand in der individuellen Auswanderung nach Süden. Im Hinterrheintal und im Misox sollen die Leute aus Vals vor allem als
Frunt, einst der höchstgelegene Hof, mit der Kapelle St. Anna
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Knechte und Fuhrmänner gearbeitet haben. Auch ist bekannt, dass nicht wenige Valser nach Mailand zogen, um Arbeit zu suchen. Das dritte belegte Ziel war die Auswanderung in fremde Kriegsdienste nach Frankreich und Holland, wie dies damals in allen Berggebieten der Schweiz üblich war. Wer von diesen Diensten nach Jahren in die Heimat zurückkam, brachte Neues nach Hause, oft auch Geld. Sicher aber auch Kleider, weist doch heute noch die Männertracht in Vals den Schnitt einer französischen Offiziersuniform jener Zeiten auf. Im Unterschied dazu sind die Frauentrachten autochthon, also am Ort entstanden, wohl aber von den Gewändern der Damen der oberen Schichten in Italien beeinflusst. Nicht in Vals, aber in Vella, im Oberlugnez, hat es heute noch stattliche Steinhäuser, die von Macht und Reichtum der zurückgekehrten Offiziere zeugen. die zeiT Von 1800 Bis 1900 Mit dem Einmarsch Napoleons ist in der Schweiz eine vollständig neue politische, aber auch wirtschaftliche Epoche angebrochen, die auch in den Bergtälern neue Chancen, aber auch Gefahren brachte. Vorweg noch dies: Einige Valser sind 1812 auch für den Russlandfeldzug von Napoleon eingezogen worden. Die Helvetik musste für diesen Feldzug Soldaten stellen, die in Form von Kontingenten auf die Kantone und Gemeinden verteilt wurden. Einer unserer Valser, ein Rüttimann, ist offenbar zurückgekehrt und hat zuhause von den Leiden dieses Feldzuges berichtet. Ein anderer Valser ist anscheinend auf dem Feldzug in der ehemaligen DDR (eventuell als Deserteur) zurückgeblieben. Erst 1970 kam schliesslich sein Urenkel, der in Göttingen lebte und
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seine Söhne in der damaligen DDR, nach Vals und suchte nach der Herkunft seines Urgrossvaters, der gemäss familiärer Überlieferung vom Hof Frunt bei Vals stamme. Möglicherweise wollte der in Göttingen lebende Vater für seine Söhne das Valser Bügerrecht reaktivieren. Der heutige Name dieser Familie ist Frunder, also nicht mehr Berni, Schmid oder Tönz. So dürfte es naheliegend sein, dass sich der damalige Valser Soldat, eventuell als Flüchtling, nach seiner Herkunft benannte. Nach schweizerischer Gesetzgebung ist in einem solchen Fall jedoch der Nachkomme eines «Auswanderers» nicht mehr Schweizer Bürger. Von entscheidender Bedeutung während des 19. Jahrhunderts waren natürlich der weltweite wirtschaftliche Aufschwung, die beginnende Industrialisierung, der Bau von Eisenbahnen und Dampfschiffen. So entstanden in Europa und den USA viele industrielle Arbeitsmöglichkeiten. Auch aus Vals wanderten junge Männer, seltener Frauen, nach Paris und nach Nordamerika aus. Aus mündlichen Überlieferungen wie auch aus Briefen aus der Fremde ist bekannt, dass junge Valser vor allem nach Paris zogen. Dort soll es eine recht grosse Valsergemeinschaft gegeben haben, schätzungsweise gegen fünfzig. Die Meisten sollen sich jeweils sonntags zur Messe in der «Notre Dame» getroffen haben. Es ist auch überliefert, dass eine Mutter aus Vals am Gare de l’Est in Paris von ihren zehn Kindern empfangen wurde, als die Mutter – wohl auf Einladung der Kinder – vermutlich 1889 zur Weltausstellung nach Paris gefahren war. Beruflich waren die Valser in Paris handwerklich tätig, wie wir dies von den Gastarbeitern aus der Nachkriegszeit in der Schweiz kennen. Von den Auswanderern nach Amerika ist der «Ggloggabäärni» legendär, weil er bei seinem Besuch in
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der alten Heimat eine Glocke für die Pfarrkirche stiftete. Seine Nachkommen besuchen noch heute gelegentlich die Heimat ihres Vorfahren. Von Amerikaauswanderern gibt es auch Briefe, die von sklavenähnlicher Arbeit am Eisenbahnbau durch die Rocky Mountains berichten. Die Zahlen in Tabelle 1 sollen zeigen, dass die Bevölkerung von Vals zwischen 1860 und 1900 beachtlich abnahm. Es gibt dafür wohl kaum eine andere Erklärung als die grosse Auswanderung nach Paris und in die USA in dieser Zeitepoche. Naturkatastrophen mit grossen Folgen Doch auch innerhalb des Tales passierte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Wichtiges. Im Jahre 1868 suchte ein gewaltiges Unwetter den ganzen Alpenraum der Schweiz heim. Im steilen Valsertal wurde der ganze Talboden überschwemmt (Arpagaus 1870). Sechs Häuser, viele Ställe, Vieh und Habe wurden ein Opfer der Überschwemmungen und Erdrutsche. Auch soll der Friedhof halbwegs weggeschwemmt worden sein, so dass man später Grabkreuze im Bodensee fand. Der mündlichen Überlieferung nach soll damals im Dorf verhandelt worden sein, ob man als geschlossene Gruppe nach Amerika auswandern wolle. Manche Mitbürger waren ja bereits dort, und man hätte Bezugspersonen gehabt. Dass die Valser schliesslich doch nicht auswanderten, hat mit der allmählichen Erstarkung der Regierung des Kantons Graubünden zu tun. Ein Mitglied besuchte damals Vals über den Umweg via Hinterrhein und den Valserberg und versprach Hilfe. Aus dieser Zusicherung folgten nach und nach Projekte für Dammbauten am Valserrhein sowie Bachverbauungen auf beiden Talseiten. So kamen in den folgenden Jahren, ja bis heute, laufend
Tab. 1: Die Bevölkerung von Vals 1860 bis 1930 Jahr
Einwohnerzahl
1860
755 Einwohner
1900
736 Einwohner
1920
786 Einwohner
1930
864 Einwohner
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grosse Geldmittel zum Schutz der Dorfes und der Landschaft ins Tal. Diese Verbauungen führten dazu, dass die Einheimischen nun auch ausserhalb der Landwirtschaft etwas Geld verdienen konnten. Es gab mehr und mehr Taglöhner. Diese waren damals aber alle Arbeiterbauern, die zuhause noch Kühe, Schafe und Ziegen für die Selbstversorgung hielten. Zunehmend wurden Schutzprojekte auch vom Bund, dank entstehender Gesetzgebung, mitfinanziert. Ohne diese föderalistische Subventionierungspraxis würde Vals heute wohl ganz anders aussehen; vermutlich wäre es ein halbverlassenes Alp- und Weidegebiet oder man hätte eine Staumauer gar bei Hansjoola, am Eingang des Talbodens, gebaut. Die grossen Überschwemmungen von 1868 und auch von 1872 waren bereits Folgen der radikalen Abholzungen. Die wachsende Bevölkerung brauchte mehr Land zum Überleben. Man rodete, um mehr Wies- und Weideland zu erhalten. Wohl gab es im steilen Tal immer schon grosse (Jahrhundert-)Lawinen, so 1832. Aber die vielen Erdrutsche, Rüfen und zum Teil auch Lawinen an beiden Hängen des Tales müssen der übermässigen Abholzung zugeschrieben werden. Das gleiche Schicksal traf auch andere Bergdörfer. Und so reagierte allmählich auch die eidgenössische Politik auf diese Ereignisse. 1872 erliess das damalige Parlament einen Bundesbeschluss, der verlangte, dass die schweizerische Waldfläche in bestehendem Ausmass zu erhalten sei. Einige Jahre später wurde daraus ein Gesetz, das mit dem Grundsatz der Waldflächenerhaltung als weitblickend galt. Unseres Erachtens war es aber weniger der Weitblick als die bittere kollektive Reaktion auf grossflächige menschlich verursachte Zerstörungen der eigenen Ressourcen.
Das Tal während eines Hochwassers, vermutlich 1912 (Foto: Eidg. Archiv für Denkmalpflege; Sammlung Zinggeler) Hochwasser 1927 – überfluteter Dorfplatz
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In jener Zeit wurden europaweit Eisenbahnen und Strassen gebaut. 1880 konnte auch die Strasse von Uors (Furth) nach Vals eröffnet werden. Diese brachte nun eine ganz entscheidende Umorientierung der gesamten Wirtschaft. Ab jetzt konnten die importierten Waren in Ilanz auf Fuhrwerke verladen und mit Pferden nach Vals gebracht werden. Die Bergträger wurden arbeitslos. Und damit kamen auch neue Güter, Materialien und Werkzeuge ins Valsertal. Der Transport wurde viel billiger. Gleichzeitig verkaufte man die Zuchtrinder nicht mehr nach Süden, sondern brachte sie auf die Märkte in Ilanz oder verkaufte sie direkt den Milchbauern im Unterland. Auch der Personenverkehr erfolgte ab jetzt mit der Postkutsche, wobei, wie erzählt wird, auch nachher die meisten Valser zu Fuss (vier Stunden) nach Ilanz gingen, war das Geld bei den Bauernfamilien doch immer sehr knapp. „Farmers are never poor, but always underpaid“ – erfuhr ich später dazu in einem Lehrbuch. In die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts fiel der erste Bau des Hotels Therme, welches 1893 eröffnet wurde. Ein kleineres Badehaus war schon 1854 durch die Initiative des Valser Pfarrers Nicolaus Franciscus Florentini (1818 – 1824) und späteren Bischof von Chur erstellt worden. So war offensichtlich die heilende Wirkung der warmen Valserquellen bereits bekannt. Doch entscheidend war die wirtschaftliche Entwicklung. Die Jahre von 1880 bis vor dem Ersten Weltkrieg galten in der Schweiz wirtschaftlich als goldene Jahre. Die Maschinenindustrie entwickelte sich, der Export florierte, der junge Bundesstaat erstarkte; wirtschaftliche und soziale Gesetzgebungen (Zivilgesetzbuch, Obligationenrecht) wurden für das ganze Land verbindlich, auch entstand das Verbot von Kinderarbeit als Folge
Prospekt des Kurhaus Therme von 1937
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von Missständen in den Textilfabriken. Die Schweiz war damals das liberalste Land Europas. Politische Flüchtlinge und Industriepioniere kamen in die Eidgenossenschaft. Daraus ist die Schweiz zum Mutterland von weltweit bekannten Multis (Banken, Maschinenindustrie, Chemie- und Pharmaunternehmen, Nestlé, und andere mehr) geworden. Auch entstand der Bädertourismus, war doch in den reicheren Oberschichten Englands und im nördlichen Europa die Nachfrage nach Gesundheitstherapien und Bergsteigererlebnissen erwacht. So gründeten Pioniere des europäischen Bädertourismus europaweit Aktiengesellschaften. Anscheinend waren diese Pioniere von einer touristischen Euphorie geprägt und hofften, damit auch Geld zu verdienen. Und so baute eine Aktiengesellschaft unter dem Präsidium von Peter Jakob Bener aus Chur das damalige Hotel Therme. Dieser Bau brachte für die Valser Taglöhner Arbeit im eigenen Dorf, und nach dem Bau brauchte es im Hotel Bedienungspersonal und Heizer in den Badehäusern. Einige Jahre später wurden dann auch die Hotels Adula und Piz Aul gebaut, wahrlich ein grosser Start in den Bädertourismus für ein so abgelegenes Bergdorf. Das Hotel Adula erbaute Philipp Anton Schnyder Schnyder, ein sehr unternehmerischer Valser, der nach seiner Rückkehr aus England – in Begleitung seiner englischen Frau – zum Valser Hotelier wurde. Er übernahm nach einigen Jahren auch das sich in der Krise befindende Hotel Therme. Allerdings war die Zeit zu Beginn und während des Ersten Weltkrieges zu schwierig, um erfolgreich zu sein. Auf das weitere Schicksal dieser Hotels und die Auswirkungen im Dorf werden wir immer wieder zurückkommen.
Rechts das Hotel Adula, von Philipp Anton Schnyder , links das Ferienhaus von Dr. J. Jörger
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Die Schwabengänger Unser historischer Rückblick ins 19. Jahrhundert wäre unvollständig ohne einen Hinweis auf die Schwabengängerei, obwohl sie schon vielerorts beschrieben und auch filmisch dargestellt wurde (Seglias 2004). Schwabengängerei ist das Schicksal von Kindern im Schulalter aus Familien in den Berggebieten. Weil die Familien arm waren, verdingten sie ihre Kinder, Knaben und Mädchen, die sie zuhause zum Heuen oder Hüten nicht selbst brauchten, während der schulfreien Zeit, also etwa sechs Monate, meistens an Grossbauern im Schwabenland. Diese Art der Kinderarbeit dauerte vom 17. Jahrhundert bis vor den Ersten Weltkrieg. Auch viele Valser Kinder waren Schwabengänger. Die Namen der meisten sind bekannt, weil sie Reisepässe brauchten, um Graubünden zu verlassen. Zoll mussten sie zwar nicht bezahlen, weil sie als «arm» abgestempelt wurden (Seglias 2004). Die letzte Führerin der Kinder aus Vals war 1909 Christina Schmid, Badstiina genannt. Am ersten Tag ging es zu Fuss bis nach Schleuis und am zweiten bis nach Ems, wo bei einem Valser, dem Mehl-Jörger Mehl-Jörger, übernachtet wurde – wohl in einem Schuppen. In den letzten Schwabengängerjahren sei man ab Ilanz mit der Bahn bis nach Lindau gefahren, von wo die Kinder dann auf die «Kindermärkte» in Wangen, Ravensburg und Koblach gebracht wurden. Von den letzten Valser Schwabengängern sind noch Erlebnisse bekannt: Agatha (Rieder)-Jörger hat in einer Spinnerei als Fädlerin gearbeitet; Jakob Stephan Schmid hatte dermassen Heimweh, dass er zurück nach Vals lief, hinauf zur Alp Amperfreila, wo seine Mutter Sennerin war; Philipp Rieder ging schon als Sechsjähriger ins Schwa-
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benland, jedoch wollte dort niemand einen so Kleinen, so dass er mit der Begleitperson wieder nach Vals zurückkehrte. Von Ferdinand Joos ist bekannt, dass man ihm die Schuhe aus Spargründen weggenommen habe, so dass er die Füsse jeweils in den warmen Kuhfladen aufgewärmt habe. Manche trafen es gut und hatten lebenslange Kontakte zu ihren Meistersleuten, andere sollen aber ausgebeutet worden sein, wie man dies heute von der Kinderarbeit in den Entwicklungsländern vernimmt. Als Lohn erhielten sie Kost und Kleider, nur vereinzelt auch etwas Geld, um es nach Hause zu bringen. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges nahm diese Vermarktung zum Glück ein Ende. die ersTen Jahre des 20. JahrhunderTs Die ersten fünfzig Jahre des 20. Jahrhunderts waren durch Kriege und Wirtschaftskrisen geprägt. Die goldenen Jahre der europäischen Wirtschaft nahmen mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ein jähes Ende. Der internationale Handel brach zusammen. Die schweizerische Wirtschaft verlor internationale Absatzmärkte. Für ein Bergdorf wie Vals hatte der Krieg ebenfalls schwerwiegende Folgen. Die Abwanderung wurde stark beeinträchtigt und entsprechend nahm die einheimische Bevölkerung wieder zu. Zweitens mussten viele Männer Kriegsdienst leisten, was für viele Frauen und ältere Männer zu notwendiger zusätzlicher harter körperlicher Arbeit führte. Drittens verschwanden die nichtlandwirtschaftlichen Verdienstmöglichkeiten im Dorf, weil kaum mehr Geld von Bund und Kanton für öffentliche Bauten floss. Zudem mussten die Hotels ihre Betriebe einstellen. Für die Bauern war es insofern eine gute Zeit, als im Laufe der Kriegsjahre die Viehpreise stark anstiegen, was zu besseren Einkommen
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führte. Tabelle 2 zeigt dies anhand der Viehpreise zwischen 1912 und 1944. Die steigenden Nahrungsmittelpreise während des Ersten Weltkriegs brachten aber auch schwerwiegende Probleme, weil die Nahrungsmittel für die nun bereits grosse Arbeiterschaft derart anstiegen, dass daraus soziale Probleme entstanden. Die niedrigen Arbeiterlöhne ermöglichten kaum mehr, genügend teuer gewordene Nahrungsmittel zu kaufen. Der Ausbruch des Generalstreiks von 1918, der zwar in letzter Minute vor gefährlichen Strassenschlachten dank einer harten Haltung des Bundesrates abgebrochen wurde, war wesentlich auf diese sehr hohen Preise für Nahrungsmittel zurückzuführen. Ein Blick auf Abbildung 1 zeigt, dass bei der ersten Volkszählung im Jahre 1860 in Vals 755 Personen gezählt wurden. Um 1900 waren es, wie oben bereits erwähnt, nur noch 736. Ab dann stieg die Bevölkerung bis auf 1030 Personen im Jahre 1970 kontinuierlich an. In den Kriegs- und Krisenzeiten war der Sog zum Abwandern gering. Wer als Saisonnier schon damals in die Hotels ging, blieb statistisch Einwohner von Vals, auch wenn der Lebensunterhalt auswärts verdient wurde. Auf die Einwohnerzahlen nach 1950 kommen wir später zu sprechen. Nach dem Ersten Weltkrieg folgten 20 Jahre mit vielen politischen Unruhen und einer schwachen wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere der Weltwirtschaftskrise, ausgelöst durch den Börsencrash im Oktober 1929. Politisch wurden die sozialen Spannungen zwischen der Arbeiterschaft und den liberalen (bürgerlichen) Gruppierungen immer konfliktreicher. Die Linken wollten die Versorgungssicherheit und die Arbeitsplatzsicherung für die Bürger dem Staat übertragen, während von der politisch Rechten diese marxistischen Forde-
Abb.1: Bevölkerung von Vals 1860 – 2006 (ab 1995 jährliche Angaben) 1000 Einwohner 800 600 400
2007 1037
2006 1026
2005 1016
994 2002
2004 1007
991 2001
2003 1002
984 2000
1999 1000
1998 1014
1997 1025
1996 1012
1995 1031
1993 1040
968 1960
813
943 1950
1991 1012
910 1941
880
864 1930
1990
786 1920
1980
736 1900
1970 1030
755 1860
200
0
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rungen durch liberale Modelle mit freien Märkten für Arbeitskräfte und Waren bekämpft wurden. Für die Einwohner von Vals war dies ebenfalls eine sehr schwierige Zeit. Erstens brachen nach dem Ersten Weltkrieg die Preise für die Zuchtrinder und die Milch total zusammen (Tabelle 2). Die Einkommen sanken, und man hatte kaum mehr flüssige Geldmittel, um Mehl, Kaffee, Zucker, Kleider etc. zu kaufen. Die Selbstversorgung nahm wieder zu. Mit dem Börsencrash von 1929 erlitten die Leute zusätzlich noch einen Wertverlust an ihrem Ersparten. Dazu kam, dass schweizweit die Arbeitslosigkeit stark zunahm. Nach 1929 brach auch die dominierende Bauwirtschaft und der Hoteltourismus zusammen. Arbeitslosigkeit und Geldverluste hatten in einem Bergdorf wie auch in anderen agrarisch geprägten Regionen allerdings geringere Auswirkungen als in den Industriezentren. Die Lawinenverbauungen unter dem Hoora (Höreli) wurden zwar weiter ausgebaut. So sind für das Vals der Krisenjahre zwei Beobachtungen wichtig: Es blieben mehr Leute, vor allem junge Männer, in der Landwirtschaft, weil wenig Alternativen bestanden. Entsprechend nahm die Agrarproduktion zu. Man mähte wieder die wildesten Bergflanken, um genügend Futter zur Überwinterung von möglichst vielen Tieren zu ermöglichen. In der Folge stieg auch die Bevölkerung stark an. In Vals ist für diese Zeitepoche festzustellen, dass relativ viele neue Häuser gebaut wurden. Wir nennen sie die Krisenhäuser, weil sie mit wenig Geld und billigen Arbeitskräften gebaut werden konnten. Wer diese Häuser, die heute zum grössten Teil renoviert sind, im Dorf sucht, der muss nach den Steinhäusern mit den frommen Aufschriften schauen.
Tab. 2: Viehpreise für tragende Rinder in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Jahre
Preise in Fr. / 100 kg Lebendgewicht (gerundet)
1912
138.–
1919
340.–
1923
290.–
1934
110.–
1944
260.–
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wege und sTrassen
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häuser und hoTels als zeiTzeugen einleiTung Bei einem Spaziergang durchs Dorf fällt auf, dass der Stil der Häuser in dieser relativ kleinen Ortschaft äusserst verschieden ist. Das Gemeinsame besteht eigentlich lediglich darin, dass alle Häuser mit Steinplatten gedeckt sind, die dem Dorf, von oben gesehen, ein warmes und ein scheinbar einheitliches Erscheinungsbild geben. Dieser grossen Verschiedenartigkeit möchten wir hier nachgehen und die Augen für den nächsten Dorfspaziergang schärfen. Jedes Haus ist ein Zeuge seiner Entstehungszeit. Unsere Sichtweise ist dabei allerdings keine architektonische oder historische, sondern eine wirtschaftliche. die älTesTen geBäude Es gibt noch einige wenige Häuser im Dorf und mehrere Ställe, die aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammen, so auch das Gandahuss, das heutige Valser Heimatmuseum. Diese Häuser sind Zeugen rein bäuerlicher Handarbeit. Die Leute hatten wohl einfache Sägen und Äxte, aber das war es denn auch schon. An den Ställen sieht man es noch eindeutiger: Alle Wände sind aus unbehauenen runden Baumstämmen, die kreuzweise aufgeschichtet wurden. Die Häuser hatten Erdböden in der Küche und in den Kellern. Nur die Stuben waren mit Bretterböden versehen. Zusammengefasst: Man baute sehr einfach, wenn auch mit bautechnischer Erfahrung. Geld brauchte man dazu – auch wenn man gehabt hätte – keines, jedoch war harte eigene Arbeit und die der Nachbarn erforderlich.
Steinplatten geben dem Dorf eine einheitliche Erscheinung Der Lärchestall: einer der ältesten Zeitzeugen im Tal, mit Holz aus dem 14. und 16. Jahrhundert
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die alTen Bauernhäuser Die alten schönen Bauernhäuser, die heute noch den Kern der alten Dorfteile am Platz, entlang der Gasse (bis vor einigen Jahrzehnten), im alten Zameia, in Valé und auf Leis prägen, stammen die meisten aus der Zeit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. An ihren jetzigen Standorten waren grösstenteils schon die oben beschriebenen einfacheren und kleineren Holzhäuser errichtet worden. Es war die Zeit, als die Bevölkerung stetig wuchs und Zerfreila und Peil nach und nach als ganzjährige Siedlungen aufgegeben wurden. So werden Familiensippen im Dorf auf ihren Grundstücken gemeinsam grössere Häuser gebaut haben. Zudem weiss man, dass diese Zeit relativ hohe Agrarpreise aufwies, dass der so genannte Welschlandhandel schon florierte und dass auch Geld aus fremden Kriegsdiensten heimgebracht wurde. Die Geldwirtschaft nahm an Bedeutung zu. Jetzt brauchte man auch etwas Geld zum Bauen. Und die Holzverarbeitung war schon etwas weiter fortgeschritten. So entstanden schöne Fassaden und gediegene Bauernstuben. Die zwei oder gar drei Stuben pro Haus waren alle im ersten Stock, bergwärts jeweils die Küchen. Gelegentlich standen in den Stuben auch Webstühle. Die oberen Etagen waren durchwegs sehr niedrig; dort musste man schliesslich nur schlafen. Ebenerdig gab es oft Arbeitsräume zum Schreinern, Schlachten oder für sonstige bäuerliche Handwerke. Die Milchkeller waren oft noch tiefer im Erdboden oder hangseitig platziert. Die Ställe im Dorf und ausserhalb wurden jedoch noch mit Rundholz gebaut, das im Winter im nächst gelegenen Wald gefällt wurde. Material und Arbeitskräfte waren da. Aus ökonomischer Sichtweise ist dies die erste Phase, in
Das älteste Haus im Tal: Das Gandahuss, heute Dorfmuseum – erbaut im 16. Jahrhundert – es stand ursprünglich in der Ganda, etwas hinter Leis Um 1900 ist der Dorfkern mit Steinbauten schon stark durchsetzt (Foto: Eidg. Archiv für Denkmalpflege)
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der Geld, das in der Fremde verdient worden war, in den Bau einheimischer Häuser floss. die frühen fremdBesTimmTen sTeinBauTen Ein Bild vom Dorf um 1900 zeigt überraschenderweise, dass im Kern zu dieser Zeit bereits Steinbauten das Bild prägen. Was ist da passiert? Offenbar ist eine neue Baukultur ins Tal gezogen. Bevor wir auf dieses Phänomen eintreten, muss auf drei Steinhäuser verwiesen werden, die aus dem 17. Jahrhundert stammen oder noch älter sind: das Pfarrhaus, ds Wiisshuss und ds Chlöösterli. Betrachtet man diese drei Häuser, fällt auf, dass daran nichts Valserisches zu erkennen ist. Vielmehr ist an den Fenstern und den Mauern schon eher Klösterliches zu sehen. Es ist ein importierter Geist spürbar. Ds Chlöösterli, in der Grundstruktur ein Holzhaus, jedoch schon immer vollständig verputzt, so dass es wie ein echter Steinbau erscheint, soll ein Hospiz gewesen sein, das möglicherweise nicht von Bauern erstellt worden war, sondern von den Inhabern der historischen Transportrechte über die Alpen, also hier über den Valserberg. Im einstigen Stall neben dem Chlöösterli war der Raum denn auch bedeutend höher als bei den normalen Ställen; er diente somit als Rossstall für die Saumpferde. Das Wiisshuss hinter der Kirche, erbaut 1625, sieht fast wie ein sakraler Bau aus, klein aber sehr repräsentativ, mit Kirchenfenstern ähnelnden Öffnungen. Und in der Tat soll dieses Haus durch das Kloster Disentis gebaut worden sein. Nachweislich befand sich darin eine Druckerei für kirchliche Gesang- und Gebetbücher, wovon mindestens eines, nämlich jenes mit dem Titel Geist-
«Wiisshuss», erbaut 1625 – einst mit einer Druckerei für kirchliche Gesangbücher Ds Chlöösterli; Innenwand aus Holz, aussen eine gemauerte Fassade; vermutlich einst ein Hospiz für Gäste und Säumer (vor der Renovation)
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Entlang der Strasse nach Valé kommt man am neuen Wohn- und Pflegehaus vorbei, einem Bau, der die Schwere der alten Valserhäuser aufweist, aber durch die fehlenden Vordächer, die eigentlich die Wände vor Regen schützen sollten, gewöhnungsbedürftig ist. Etwas weiter hinten stösst man auf die neue Überbauung auf dem Areal der ehemaligen Sägerei Gartmann: Die Einmaligkeit dieser Konstruktion hat die Leute im Dorf zu passenden Bezeichnungen geführt, wie etwa Arche Noah oder einfach Brittertachli, sieht das Haus doch aus wie eine eingedeckte verwitterte Bretterbeige, von denen es früher auf diesem Areal auch manche gab. Und noch weiter Richtung Valé steht man vor der Überbauung «Balma», die wegen ihrer Wucht den anderen Häusern in diesem Dorfteil nicht gerade lieblich gegenübersteht. Am Rande des sehr schönen alten Dorfteils Valé steht ein neues Haus des Architekten Gion A. Caminada aus Vrin. Es ist aus Holz, sehr schlicht und doch modern, vor allem keine Imitation von Nachbarhäusern, dafür eigenständig und lieblich. Es ist so gut in die alte Siedlung integriert, dass die Valser – wie zu hören war – anfänglich sagten, es sehe aus wie ein Stall. Ist dies nicht ein Kompliment für den Architekten und den Bauherrn? Ich jedenfalls kann mir kein besseres Haus dort vorstellen.
Das Ergebnis vom Quartierplan Mura: Vielfalt am Hang
Valé – ein liebliches Ensemble mit respektvoller Einfügung der neuen Häuser Variation des Valser Holzhauses? Die Disco – ein wichtiger Ort für die Valser Jugend
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enTwicklungen in der landwirTschafT und auf den alPen Wer zur Zeit des Heuens auf dem Dorfplatz sitzt oder durchs Dorf spaziert, sieht und hört, wie Ladewagen, vollgestopft mit Heu, durchs Dorf rattern. Muss das sein, hat sich wohl mancher Gast schon gefragt. Ja, es muss sein. Doch dazu holen wir etwas aus. Wir wollen auch zeigen, wie es früher war und warum es heute so sein muss; und auch, wie es weiter gehen soll. die zeiT Vor 1950 Als noch alle Valser Bauern waren, hatten auch alle jeden Tag mehr oder weniger das Gleiche zu tun. Die Jahreszeiten bestimmten die Arbeit. Sie mussten aus dem Gras, das an den Hängen wuchs, Heu machen, damit die Tiere füttern, diese verkaufen oder zur Selbstversorgung schlachten. Der Dünger musste auf die Felder gebracht werden, um den Nährstoffkreislauf zu schliessen. Im Valsertal konnte man dies nur erreichen, wenn man mit der Natur wanderte, also einen talinternen Nomadismus betrieb. Mit Heuen fing man in Dorfnähe an, folgte dem Ausreifen der Gräser und Kräuter den Hang beiderseits des Tales, von Parzelle zu Parzelle, hinauf, vorerst auf die Maiensässe und gegen Ende August auf die Wildheuberge bis auf 2500 Meter über Meer. Dort oben mähte man jeweils die gleichen Wiesen nur alle zwei Jahre. Dadurch wurden die Heuberge durch natürlichen physischen Abbau eines Jahreswuchses gedüngt. Dünger gab es dort sowieso keinen, weil das Heu im Winter in Burden (Bürdeli) auf dem Schnee ins Dorf hinunter gezogen wurde. Bürdeli machen ist eine komplizierte Angelegenheit, was jeweils die jungen Bauern von den älteren lernten, indem sie sich gegenseitig aushalfen. Im Sommer schlief man auf den Bergen jeweils im Heu. Man wickelte sich in Heutücher
Massgstell – zum Lagern der gesottenen «Blachta» als Winterfutter für die Schweine Auf dem Dorfplatz mit Gästen und knarrenden Ladewagen
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und legte sich so auf das am ersten Tag eingebrachte Gras. Gekocht wurde vor dem Heutachli auf einer Feuerstelle, die aus drei aufgestellten Steinen bestand, so platziert, dass sie die Pfanne festhielten und zwischen den Steinen das Feuer windgeschützt brennen konnte. Was immer man brauchte, Heutücher, Rechen, Sensen, Furggen/Heugabeln und Esswaren, alles wurde mit der Tschifera auf dem Rücken hochgetragen. Es war aber gelegentlich doch so, dass die Frauen im Dorf bleiben konnten, hatten sie doch dort um diese Zeit die Gärten und Kartoffeläcker zu bestellen. So kochten eben die Männer oder die mitgenommenen Kinder selber – so gut es ging. Immer schliefen wir nicht gut! Spitzige Gräser kitzelten und stachen uns, und zudem krochen auch Mäuse herum. Auf einigen Heubergen gab es keine Heutachli. Dort wurde das Heu getristet, also das halbdürre Gras kunstgerecht zu einer Trista aufgebaut. Das musste man schon den erfahrenen Männern überlassen, denn sonst wäre das Ganze bald zerfallen. Die Menge Heu, die man im Sommer unter Dach brachte, bestimmte, wie viele Tiere man durchwintern konnte, also die Grösse des Betriebes bzw. der Viehhabe. Die Unterschiede nach Familien bestanden in der Qualität der Wiesen, der Geschicklichkeit beim Heuen und der Familiengrösse. So wurde von allen Familien drei Monate lang Heu und Emd eingebracht. Emd war die Ernte des zweiten Schnitts in Dorfnähe. Auf höher gelegenen Wiesen lohnte sich dieser nicht mehr. Immer am 18. September war die Alpentladung. Am Vorabend holten die einheimischen Bauern ihre Kühe bereits auf die Maiensässe und am 18. morgens auch das Galtvieh herunter. Im Laufe des 18. September kamen dann
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die Hirten mit dem restlichen fremden Galtvieh ins Dorf, wo die Tiere von den auswärtigen Besitzern übernommen wurden. Die Alpentladung der Schafe war einige Tage später. Diese wurden von den Hirten in den «Schaafchromma», ein grosser, teilweise überdachter Pferch mitten im Dorf, zur Schafscheide gebracht. Die Besitzer schieden ihre Schafe aus den grossen Alpherden heraus. Es war immer ein wenig Aufregung vorhanden, denn man wusste nie, ob alle eigenen Schafe von der Alp wieder zurückgekommen waren. Wenn einzelne Tiere fehlten, ging schnell einmal Kritik an der Hirtschaft los. Während des Herbstes war das halbe Dorf wieder auf den Maiensässen. Die Kinder hüteten bis zum Tag des Schulbeginns das Vieh, die Väter trugen den Mist auf die Wiesen und düngten sie. Nur die Frauen waren im Herbst meist im Dorf, weil es dann keine Milch zum Verkäsen gab, denn die meisten Kühe waren wegen des baldigen Kalberns galt. Im Dorf musste man jetzt die Kartoffeln graben und sie nach Hause bringen. Die kleinen Kartoffeln wurden im Chessi über der Feuergrube gesotten, um sie dann als Schweinefutter in den kühlen Kellern zu lagern. Im Herbst fanden in Ilanz auch die Viehmärkte statt. Tiere, die nicht schon im Vorverkauf an einheimische Zwischenhändler veräussert worden waren, brachte man nach Ilanz. Die Preisverhältnisse waren jedoch nicht immer gut, sodass mancher Bauer abends sehr enttäuscht nach Hause kam. So um den zehnten Oktober herum begann damals für die Valser Bauern der Winter. Die Fütterungsarbeit wurde jeweils aufwändiger, wenn die Kühe kalbten. Daneben musste man im Winter das Heu von den Heubergen holen, dann sein Losholz im Wald aufrüsten und nach Hause bringen, dieses dort verarbeiten und ums Haus herum so aufbeigen, dass das Holz bis zum Verfeuern auch
Heinza und Heuträger, zwei noch selten sichtbare Bilder Lehrer Lorez, einst beim Misttragen – vom Stall aufs Feld, mit der Tschifera (Foto: S. Schuler) «Schaafchromma»
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genug trocken war. Kurzum, es gab auch den ganzen Winter zwischen dem Füttern ständig viele Arbeiten zu erledigen. Die Bauernkinder, sobald sie im Schulalter waren, halfen das ganze Jahr mit. Im Sommer mussten sie bei schönem Wetter den Vätern um sieben Uhr morgens das Frühstück auf die Felder bringen, dann den ganzen Vormittag strütschen (Gras zetten). Am Nachmittag mussten sie rechen, Heinzen herumtragen und Helfer an allen Ecken und Enden sein. Den Frühling und Herbst liebten vor allem die Buben, denn dann durften sie auf den Maiensässen das Vieh hüten. Das war weniger anstrengend, man war in einem Grüppchen von Hirten, ohne Aufsicht der Eltern. So gab es mehr Freiraum für Lausbubenstreiche. Im Winter gingen Buben und Mädchen wohl zur Schule, doch viele mussten abends nach der Schule in die Ställe gehen, um beim Füttern zu helfen, sei es dem Vater beim Grossvieh, sei es der Mutter zuhause im Zustall bei den Schweinen, Ziegen und Schafen. Der Frühling ist in Vals von sehr kurzer Dauer. Aber wenn es etwas wärmer wurde, mussten die Bauern zwischen dem täglichen Füttern schnell die Heimwiesen düngen, dann die Kartoffeläcker umgraben, zur Saat bereit machen und dann die Sämlinge stecken. Und schon war es wieder Zeit, um mit dem Vieh vom letzten ausgefütterten Stall auf die Maiensässe zu ziehen, um die Tiere auf die Allmenden zu treiben. Einst gab es im Tal auch einen allgemeinen Weidgang für Grossvieh. Als der Viehbestand im Tal zunahm, wurde dieser wegen Trittschäden in den Wiesen abgeschafft und nur noch für eine relativ kurze Zeit, etwa drei Wochen, für Schafe und Ziegen zugelassen. Auch hier gilt, weiden dürfen nur soviel Tiere, wie man mit eigenem Futter überwintern kann. Bei gutem Wetter wurden um den St. Johannestag (24. Juni) die Alpen
Heuziehen, pro Bauer immer zwei «Bürdeli» (Foto: S. Schuler)
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bestossen. Für die Älpler begann die Sorge um das Vieh, für die Bauern vorerst die Blackenernte und dann wieder das Heuen. So etwa haben sich über hunderte von Jahren die saisonalen Arbeiten der Bauern in Vals abgespielt, bis nach 1950 ein riesiger Wandel einsetzte. der aBwanderungssog nach 1950 Das bäuerliche Leben war über viele Jahre für Männer, Frauen und Kinder hart. Der Verdienst war gering. Zu viele Einwohner mussten vom Graswuchs an den kargen Hängen des Valsertals leben. Die Trendwende setzte ein, als es für Bauern und auch deren Söhne möglich wurde, auch in Vals in nicht-landwirtschaftlichen Branchen ihren Lebensunterhalt zu fristen. Während bisher alle, die nicht Bauern wurden, abwandern mussten, wird es nun möglich, am Ort, in der Heimat, den Beruf zu wechseln. Das Baugewerbe, das Transportgewerbe, Schreinereien und ähnliches Gewerbe nahm sie auf. Sie wechselten vom gelegentlichen früheren Taglöhnern zu ganzjährigen Anstellungen in den gewerblichen Branchen. Die Folge war, dass die Zahl der verbliebenen hauptberuflichen Landwirte, aber auch die Beschäftigten in der Landwirtschaft, rasant abnahm. In den Statistiken sind auch Verzerrungen drin. So werden Menschen, die nur teilweise in der Landwirtschaft arbeiten oder auch ältere Leute hier voll mitgezählt. Tatsächlich sind es immer und überall weniger, als in diesen Statistiken ausgewiesen wird. Daher gehen wir nun auf den Wandel der Betriebsformen ein. Hieraus sehen wir besser, was tatsächlich geschehen ist und wie es auch heute funktioniert.
Tab. 5: Einwohner und in der Landwirtschaft Beschäftigte 1930
1941
1950
1960
1970
1980
1990
2005
Einwohner
864
910
943
968
1037
880
863
1012
Landw. Beschäftigte*
492
519
434
330
229
197
151
75**
2005
Tab. 6: Anzahl von Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben im Zeitablauf 1955
1965
1975
1985
1990
2000
Haupterwerb
92
52
35
30
22
18
20
Nebenerwerb Total
22 114
61 113
42 77
45 85
38 60
30 48
30 50
*Teil- und Vollzeit
Quelle: Bundesamt für Statistik; landwirtschaftliche
**2005: 18 Vollzeitbeschäftigte
Betriebszählungen, div. Jahrgänge
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die Kühe zum Melken angebunden wurden, etwas daneben einen Ziegenstall und irgendwo dazwischen einen kleineren, halboffenen Schweinestall. Wer heutzutage den Kleinguraletsch besucht, kann diese Anordnung von Gebäuden noch in ursprünglicher Anordnung erkennen. Von vielen ehemaligen Stafeln sind heute noch einige Ruinen zu sehen. Man erzählt, dass je nach Familienverhältnissen die Grossmütter die Sennerinnen gewesen sein sollen; die Buben im Schulalter hatten das Vieh gehütet. Die kräftigen Männer mit ihren Frauen mussten ja während des Sommers heuen, konnten also nicht ständig auf den Alpen sein. Das Jungvieh wurde aber schon damals in gemeinsamen Herden in den höheren Regionen dieser Alpen gehalten. Trotz den Grossmüttern, die ja auch nicht alle auf die Alpen konnten, war dies insgesamt eine sehr aufwändige Sache. So geschah es, dass ab 1908 bis 1923 aus diesen Einzelalpen im ganzen Tal gebietsweise Alpgenossenschaften gegründet wurden. Auf der Leisalp bauten die Genossenschafter unter einem Dach einen Stall für 120 und auf der Alp Selva einen für 69 Kühe. Etwas kleinere Ställe errichtete man auf dem Wallatsch, der Amperfreila, dem Gross- und Kleinguraletsch. Pionier war 1908 die fortschrittliche Leisalp. Und es brauchte auch eine neue Sennerei. Als Folge davon hatte die Leisalp jetzt einen Senn als Chef, einen Zusenn und vier erwachsene Kuhhirten bzw. Melker, alles erwachsene Männer, jeweils einen für zwanzig Kühe. Und alle Milch wurde nun im gleichen Chessi verkäst und im selben Fass wurde die Butter gemacht. Die Arbeitsersparnis war riesig. So waren im Tal insgesamt sieben Milchviehalpen entstanden. Diese Alpen hatten auch je eine Ziegenherde, deren Milch auch verkäst wurde. Auf einigen Alpen wohnten die Rinderhirten im Stafel beim Senn, in den meisten
Stafel auf der Leisalp Talstation der Seilbahn auf die Leisalp – darin wurde einst die frische Milch direkt verkauft «Ds Bäänli» brachte eben wieder die Milch von der Leisalp
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Alpen jedoch separat in Stupli der ehemaligen Einzelalpen, so auf der Leisalp, der Selva und auf der Amperfreila. Die übrigen Alpen hatten bei der damaligen Alpzusammenlegung die familiäre Kuhalpung aufgegeben. Teilweise hatten sie auf diesen Alpen dann nur noch Jungvieh und Schafe oder nur Jungvieh bzw. nur Schafe, so auf den Alpen Fanella, Canal, Lampertschalp, Frunt und Bidanätsch. Warum, muss man sich nun fragen, wurde die Einzelalpung gerade um diese Zeit aufgegeben? Die Antwort ist wieder eine ökonomische: Mit der damaligen wirtschaftlichen Entwicklung in der Schweiz (goldene Jahre) wurden die Arbeitskräfte zunehmend knapper. Die nichtlandwirtschaftlichen Löhne stiegen. Es wurde alles teurer, so dass ein Rationalisierungsdruck entstand. Progressivere Alpen setzten die Arbeitsersparnisse früher um, konservative etwas später, aber es war einmal mehr ein wirtschaftlicher Druck von aussen, der dazu führte. Die beschriebenen Formen der Alpnutzungen dauerten bis gegen 1960. Dann setzte die zweite Rationalisierungswelle ein. Nach und nach gaben die vier kleineren Kuhalpen die Alpung der Milchkühe auf. Es wäre zu teuer gewesen, für nur etwa zwanzig Kühe moderne Käsereieinrichtungen neu zu bauen. Sie wurden zu Jungvieh- oder Mutterkuhalpen. Die Alp Canal wurde zur reinen Schafalp, die Lampertschalp zur Mutterkuh- und Jungvieh- und Schafalp. Der Wallatsch hat noch Kühe, wobei einfach die Liebe einiger Besitzer zu dieser Alp sehr standhaft ist. Anderseits haben sich die zwei grossen Kuhalpen im Zeitablauf modernisiert. Die Leisalper hatten schon 1948 eine Transportseilbahn gebaut, um täglich einen Teil der Milch im Dorf direkt an die Konsumenten zu verkaufen. In den siebziger Jahren wurde hierfür eine Milchleitung gebaut. Ab dann kommt
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täglich alle Milch ins Tal und wird in der Dorfsennerei verkauft oder zu Spezialitäten verarbeitet. Auf der Alp Selva wurde eine neue Sennerei eingerichtet, so dass dort ein bekanntermassen hervorragender Alpkäse produziert wird. Sömmerungsalpen waren in früheren Zeiten immer auch ein Handelsgegenstand. So ist überliefert, dass die Alp Tomül einst von einem Bürger von Splügen an die Gemeinde Flims übergegangen ist, der sie noch heute gehört. Flimser Bauern bringen noch heute ihre dreijährigen Rinder und Schafe auf ihre Alp im Valsertal. Die Alp Bidanätsch gehört der Gemeinde Sagogn, die sie vor langer Zeit auch käuflich erworben hatte. Die Alpen Lampertschalp und Länta gehörten bis 1950 den Gemeinden Ponto Valentino, Castro und Marolta im Bleniotal (Schmid 2000). Diese hatten sie einst auch käuflich erworben und bis 1889 mit ihren eigenen Tieren bestossen. Noch heute zeugen Stützmauern auf dem Weg zum Soredapass davon, wie sie den gebirgigen Weg für die Tiere begehbar machten. Um 1950 wurden die zwei Alpen Lampertschalp und Länta, die weiter hinten liegende Schafalp, von der Kraftwerke Zervreila AG gekauft. Betrieben werden sie seither jeweils von einem einheimischen Pächter. Die Hütten und Ställe sind auf der Lampertschalp sehr alt und entsprechen den heutigen Vorschriften zur Milchverarbeitung nicht mehr. So wurde sie zur Mutterkuh-, Jungvieh- und Schafalp, verbunden mit einer Gaststätte für Wanderer und Bergsteiger. Alle Sömmerungsalpen der Schweiz, so auch jene von Vals, kommen seit 1981 in den Genuss ansehnlicher Bundesbeiträge pro gesömmerte Tiereinheiten. Nur so ist es betriebswirtschaftlich möglich, die Löhne für die Hirten und den allgemeinen Unterhalt zu bestreiten. Mit der Abnahme des Rindviehbestands
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enTwick lungen in der landwirTschafT und auf den alPen
im Talgebiet und Berggebiet der Schweiz dürfte es ökonomisch gesehen zunehmend schwieriger werden, genügend Tiere vom Unterland für die Sommerzeit auf die Alpen zu bekommen. So dürften nach und nach einige Alpen nicht mehr bestossen werden. Aber noch tragen alle zur sommerlichen Idylle der Kulturlandschaft und zu fröhlichen Alpfesten bei. suschT, die geissalP ohne eigene weiden Wer zwischen Ende Mai und Ende Oktober ins Peiltal geht, erlebt morgens und abends zwischen vier und halb fünf ein Schauspiel. Mehr als zweihundert Ziegen oder sagen wir Geissen – eine Mischung aus fast allen Rassen, die es in der Schweiz gibt – kommen von der Weide zu den Ställen, um gemolken zu werden. Aus der Milch entsteht ein feiner Käse und zeitweise auch Geissenbutter. Dieser Butter wird zuerst mit einer speziell dafür nachkonstruierten Maschine in einem Kellerraum in Valé das meiste Wasser entzogen und dann an die Firma Soglio in Castasegna verkauft, wo daraus kosmetische Salben hergestellt werden. Diese Kosmetika werden im Hotel Therme exklusiv als Alpenprodukt eingesetzt. So eindrücklich das ist, das Einmalige dieser Alp liegt an ihrer Entstehungsgeschichte. Die Kuh des armen Mannes, wie man die Geiss allenthalben auch nennt, wurde einst zur Milch- und Fleischversorgung der Familien gehalten. So wurden die Geissen mit den Kühen auf den Familienalpen gesömmert. Heute ist die Geiss fast ausschliesslich das Liebhabertier der Nebenerwerbs- oder Hobbybauern geworden. Die gefragten Spezialitäten der Ziegenhaltung sind heute das Gitzifleisch zur Osterzeit und der frische Ziegenkäse. Da im Laufe der Zeit die ehemaligen Kuh- und Ziegenalpen auf-
Kleinguraletsch: heute ein idyllischer Stafel, einst eine Gebäudeansammlung, so klein wie möglich, aber Unterkünfte für alle Tiere und die Älpler Der Käsekeller vom Kleinguraletsch
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gegeben worden waren, mussten die neuen Ziegenhalter überall, so auch in Vals, nach neuen Alpungsmöglichkeiten für ihre Geissen suchen. Die Valser Geissenliebhaber wurden schliesslich im Peiltal fündig. Dort gab es an der Westflanke viele ehemalige private Wildheuberge, die inzwischen kaum mehr gemäht wurden, aber ebensogut geeignet gewesen wären als Weidland für Geissen. Schon im Landwirtschaftsbericht zur Ortsplanung anfangs siebziger Jahre hatten wir dieses Gebiet als potenzielle Kleintierweide ausgeschieden. Schliesslich gab es im Peiltal zwei Gebäude, die ungenutzt waren, nämlich die alte Talstation der ehemaligen Militärseilbahn auf den Valserberg, gebaut während des Zweiten Weltkriegs, und die ungenutzten Werkstätten des Kraftwerkbaus in den fünfziger Jahren. Zudem gab es bis dorthin auch eine fahrbare Strasse, also war Peil ein erschlossener Ort. Die Ziegenhalter hatten sich eine kluge Kombination ausgedacht, und in der Folge von der Armee, vom Kraftwerk, von der Bodenbesitzerin Alp Wallatsch und von den vielen Eigentümern der Heuberge Weiden und Gebäude, zum Teil auch fast Ruinen, gepachtet. So hatte die Alp Suscht (Sust = Lagerplatz für den Güterverkehr über den Valserberg) keine eigenen Weiden und zu Beginn auch keine eigenen Gebäude, und doch nahm um 1980 eine neue Alp den Betrieb auf. Man gründete eine Genossenschaft, leistete Fronarbeit und produzierte im Sommer besten Geisskäse. Doch es gab auch diverse Probleme. Einige Besitzer von Heubergen wollten anfänglich nicht recht mitmachten. Doch dieses Problem wurde gelöst. Ein zweites, verzwickteres Problem trat auf: Die Talstation der ehemaligen Seilbahn lag nach dem Zonenplan der Gemeinde in der roten Zone, in der gemäss Gesetz kein Gebäude genutzt werden darf. Und so kam nach einigen Jahren
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prompt ein Nutzungsverbot der Beamten aus Chur. Es kam zu einem gerichtlichen Verfahren, das zu einem «Ausflug» des Verwaltungsgerichts nach Peil in die Seilbahnstation führte, natürlich im Sommer, wenn keine Lawinen drohten. Möglicherweise war die Armee auch nur im Sommer dort oben, was wir nicht weiter erforschen wollen. Man einigte sich schliesslich – kompromissdemokratisch – wie folgt: Die Talstation wurde zu einem «Blauen Punkt» in der «Roten Zone» erklärt. Das Gebäude durfte im Sommer in der Tat genutzt werden; doch der Schlüssel der alten Talstation und künftigen Sennerei musste jedes Jahr am 25. Oktober in Chur bei einem Beamten deponiert werden und konnte erst Ende Mai wieder abgeholt werden – wahrlich eine salomonische Lösung für eine Sömmerungsalp. Und so konnten die Sennen wieder fröhlich weiterkäsen, was eine Zeit lang tatsächlich nicht mehr möglich schien. Die klugen Geissenhalter mit einem sehr aktiven Präsidenten und sehr engagierten Ziegenliebhabern suchten dann aber bald nach einer technisch und arbeitsmässig viel besseren Lösung fürs Käsen. Sie sammelten Geld für eine neue Sennerei mit einer Wohnung im oberen Stock, gerade neben den Ziegenställen bzw. den ehemaligen Werkstätten. Der Bauplatz befand sich dort nur in der Blauen Lawinenzone, und so durfte auch gebaut werden. Das Geld kam über Subventionen, private Spenden und mit der Unterstützung der Schweizerischen Berghilfe zusammen. Mit einem grossen Einweihungsfest läutete die Bevölkerung von Vals der neuen Geissalp die Zukunft ein. Heute läuft der Betrieb wie geplant, und jeden Tag freuen sich Einheimische und Gäste an den heimkehrenden Geissen mit ihrem fröhlichen Gebimmel. Und am «Kiosk» vor den Toren der Alp kann der Käse genossen und begossen werden.
Alp Suscht
Suscht – Ziegen, für kurze Zeit als Gefangene im einfachen Melkstand
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ein ausBlick: welche landwirTschafT BrauchT das Tal? Noch gibt es im Valsertal etwa zwanzig Haupterwerbsbetriebe und rund dreissig Nebenerwerbsbetriebe. Fast alle Haupterwerbsbetriebe sind mit Zentralen Ställen und moderner Mechanisierung ausgestattet. Die Hänge sind mit Meliorationsstrassen versehen; die Agrarpolitik sorgt mit den Direktzahlungen, dass für alle eine anständige Einkommenssituation möglich ist. Die Direktzahlungen bewirken eine ausgedehnte Bewirtschaftung des Tales, welche vor Rutschungen und Lawinen schützt und – mit Einschränkungen – die Artenvielfalt erhält. Es zeichnet sich ab, dass mit der Zeit einige Haupterwerbsbetriebe und einige Nebenerwerbsbetriebe aus Altersgründen aufhören werden. Dadurch werden Pachtflächen für die Verbleibenden frei, die entsprechend ihren Betrieb vergrössern können. Selbst bei etwas weniger, aber dafür grösseren Betrieben wird es möglich sein, dass diese die heutige Kulturlandfläche auch in Zukunft bewirtschaften werden. Allerdings liegt bei etwa dreissig Hektaren die obere Grenze eines Betriebes. Denn selbst bei guter Mechanisierung und arrondierten Parzellen kann eine Familie kaum eine noch grössere Fläche bewirtschaften. Also braucht das Tal auch langfristig mindestens fünfzehn hauptberufliche Bauernbetriebe. Wir gehen davon aus, dass die Abgeltungen von Leistungen für die Kulturlandschaft und Artenvielfalt zukünftig eher noch grosszügiger als heute abgegolten werden. So dürften weiterhin anständige Einkommen für die Bergbauern gesichert sein. Das gilt auch, wenn EU-Freihandelsabkommen oder WTO-Vereinbarungen getroffen würden. Denn mit Direktzahlungen werden öffentliche Güter für die Gesellschaft abgegolten, und deren Entschädigung dürfte immer im nationalen Interesse der Schweizer bleiben.
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Mutterkühe auf der Alp Grossguraletsch
Selvastafel
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wasser in Vals – krafTwerke, hoTel Therme, Valserwasser wasser im ValserTal – segen und gefahr Wasser ist für alle Menschen überlebenswichtig. Die Verfügbarkeit und deren Nutzung jedoch sind nach Regionen sehr unterschiedlich. In diesem Modul treten wir auf die Bedeutung ein, die dem Wasser im Valsertal zukommt. Das Klima von Vals ist so, dass gleichmässig übers ganze Jahr die Sonne scheint und Regen fällt, im Schnitt etwa 1100 Millimeter. Wie überall in der Schweiz sind die Niederschläge im Sommer etwas grösser als im Winter. Innerhalb von Graubünden gehört Vals nicht zu den inneralpinen Trockengebieten wie etwa Mittelbünden; die Niederschläge sind in Vals auch in trockenen Jahren häufiger als dort. Das hängt damit zusammen, dass Vals an der Wetterscheide zwischen der Alpensüd- und Alpennordseite liegt. Das Valsertal ist im Vergleich zu den übrigen Tälern des Kantons Graubünden und der Schweiz ein sehr enges und stotziges Tal, umgeben von Bergen mit Gletschern bis 3400 Meter über Meer. Es ist diese Topografie, die das Leben, aber auch das Überleben, der Valser geprägt hat und noch prägt. Nochmals sei an die immer wieder aufgetretenen Überschwemmungen, Rüfen und Lawinen erinnert. Naturkatastrophen haben dazu geführt, dass das ganze Tal verbaut ist: Lawinenverbauungen, Bachverbauungen, Ablenkdämme und Schutzmauern am Valserrhein. Die Niederschlagsverhältnisse in diesem stotzigen Tal sind aber auch ein Segen für die hier lebenden Menschen: Die regelmässigen Regenfälle lassen die Wiesen und Weiden jedes Jahr vom Frühjahr bis in den Herbst ergrünen. Selten besteht Trockenheit. Es sprudeln Trinkwasserquellen und Bäche übers ganze Jahr. Es gibt (fast) immer genügend Wasser für die Natur, für die Menschen und auch für den Wintersport.
Gannitobel: Wie ein Silberstreifen zwischen Wiesen, Weiden und Wald
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wasser in Vals – k rafTwerk e, hoTel Therme, Valserwasser
wirTschafTliche nuTzungen durch wasserkrafTwerke das einsTige kleinkrafTwerk der gemeinde Wie viele andere Gemeinden hat auch Vals bereits 1916 ein gemeindeeigenes Kleinkraftwerk gebaut. Das Wasser wurde im Galinee in zwei Reservoirs gefasst und zur Zentrale in Camp geleitet. Dort wurde ein Maschinenhaus mit zwei Turbinen und zwei Generatoren eingerichtet. Meistens sei nur eine Maschine gelaufen, weil zu wenig Wasser aus den Leitungen gekommen sei. Wie immer suchen wir bei Neuem nach dem Initianten, der etwas zum Laufen bringt. Bei diesem Kleinkraftwerk war dies sicher Lorenz Vieli. Er hat nach der Schulzeit in Ilanz bei der Elektrofirma Peng sich ausgebildet, kam dann nach Vals zurück und hat ab dann für lange Zeit alles Elektrische im Dorf geleitet. Liebevoll nannten ihn alle im Dorf ds Mondörli. Beim ersten Maschinenhaus, aber auch beim Ausbau des Elektronetzes in späteren Jahren, war er dafür der Beauftragte der Gemeinde. Er sagte, wo die Stangen zu setzen und die Leitungen zu führen waren. Im Auftrag der Gemeinde war er auch zuständig für eine Kontingentierung des zu knappen Stroms im Dorf. Gewerbetreibende durften Strom nur zu bestimmten Stunden am Tag brauchen; den Hausfrauen war es verboten, übers Wochenende mit elektrischen Bügeleisen zu glätten. Der Strom sollte fürs Licht reichen. Elektrische Kochherde gab es noch keine, dazu hätte der produzierte Strom sicher nicht genügt. Ein Sohn von Lorenz Vieli hat mir erzählt, wie sein Vater ihn und seinen Bruder im Herbst nach der Schule zu den Reservoirs aufs Galinee schickte, um das gefallene oder herbei
Der junge Eletriker Lorenz Vieli in «seinem» Maschinenhaus
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gespülte Laub von den Gitterrosten zu entfernen, damit möglichst viel Wasser in die Reservoirs floss. Auch ich erinnere mich, wie wir als Kinder immer wieder die Schulaufgaben bei Kerzenlicht machen mussten, weil der Strom ausgegangen war. Lorenz Vieli war übrigens nicht nur Elektrofachmann, sondern auch Dorfpolitiker. Sehr jung wurde er in den Gemeinderat gewählt. Mit ihm und seinen politischen Freunden entstand eine erste dorfinterne politische Opposition; Auslöser war wohl, dass die Raiffeisenkasse durch diesen Kreis aufgebaut wurde, als Konkurrenz zur bestehenden Filiale der Bündner Kantonalbank, damals geleitet durch den dorfmächtigen Gemeindepräsidenten Alexander Schmid. Aus diesem oppositionellen Kreis wurden in den dreissiger Jahren noch weitere soziale Einrichtungen initiiert (siehe ab Seite 185). krafTwerk zerfreila Der Entscheid von 1948 Nach den langjährigen unschönen Auseinandersetzungen um die Wassernutzung mit Grosskraftwerken in Bündnertälern, namentlich aber als Folge der Auseinandersetzungen um Greina-Süd gegen Greina-Nord (Raming 2006) bzw. zwischen den Kantonen Tessin und Graubünden, fand schliesslich am 18. Dezember 1948 in Vals die Gemeindeversammlung statt, an der die Bürger (Männer) mit grosser Mehrheit die Konzession für das Kraftwerk Zerfreila – die KWZ schreibt fortan Zervreila mit v – erteilten. Die Gemeinde war hierfür zuständig, weil das bündnerische Wasserrechtsgesetz von 1906 das Verfügungsrecht über öffentliche Gewässer den Gemeinden zugesteht (Raming 2006). Der Kanton
Eine neue Landschaft, die sich mit dem Wetter und dem Licht laufend verändert, ist entstanden
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gebaut. So ist anzunehmen, dass man für Nichtbürger kein Holz mehr übrig hatte. Auch wollte der Verwaltungsrat eine Telefonleitung von Ilanz nach Vals erstellen lassen. Die Gemeinden entlang der Strasse beteiligten sich nicht, so dass die Leitung privat von der Hotelgesellschaft gebaut wurde. Auf Vorschrift der Telefonverwaltung mussten die Stangen aus Lärche sein. Der Verwaltungsrat hatte das Gesuch gestellt, dafür Fichten zu verwenden, weil diese entlang der Strasse vorhanden seien, wofür sie die Bewilligung denn auch erhielten. Eine Badestube für die Valser! Im Badehaus des Hotels Therme gab es eine Kabine, zu der die Valser freien Zutritt hatten. So sollte offensichtlich die gesundheitliche Wirkung des Badens im Wasser der warmen Quellen auch Einheimischen zugute kommen. Ist dies nicht eine erstaunlich frühe Art von Public Private Partnership, wie man es heute nennen würde. Der Überlieferung nach soll diese Kabine allerdings nicht sehr oft benutzt worden sein. Die Bauern hatten anscheinend keine Zeit zum Baden. Die Kabine sei in einen unsauberen Zustand verfallen – offensichtlich haben sich die Valser mit dem Trinken von Badewasser begnügt, denn man wusste, dass es für Blasenleiden sehr wirksam war. Auch hatte man unten an der Strasse einen «Wasserstutt» eingerichtet, wo sich alle gratis mit Valser Wasser bedienen konnten. Die Zeit von Hotelier Philipp Anton Schnyder Dem Hotel war unter Peter Jakob Bener nur mässiger Erfolg beschieden. 1910 kam es zur Zahlungsunfähigkeit. Reparaturkosten wurden als Gründe angegeben. Doch seine Abgeschiedenheit, das enge schattige Tal oder die Hotel-
Ein Prospekt um 1912 für das Hotel Therme und die Villa Adula – auf Gesundheit und gesunde Luft ausgerichtet
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führung mögen dafür verantwortlich gewesen sein. Es ist zu vermuten, dass es geschlossen worden wäre, wäre da im Dorf nicht der Valser Hotelier Philipp Anton Schnyder gewesen. Er war nach seiner Rückkehr aus England der erste Direktor des Hotels Therme. Zehn Jahre später hatte er das Hotel Adula gebaut. Als engagierter Valser hat er dann zusammen mit Joseph Albin 1913 nach der Auflösung der bestehenden Aktiengesellschaft das Hotel Therme übernommen. Man weiss, dass Philipp Anton Schnyder ein äusserst unternehmerisch agierender Mensch war. Offensichtlich glaubten er und sein Partner Joseph Albin an den Erfolg, wie die Kopien aus einem ihrer Hotelprospekte zeigen sollen. Dem Titelblatt kann man entnehmen, dass sie gemeinsam für das Kurhaus Therme und die Villa Adula Werbung machen. Darin sind sie als Eigentümer und Direktoren aufgeführt. Interessant und den damaligen Weltgeist widerspiegelnd ist die daraus kopierte Seite: Vals gilt als Jung- und Gesundbrunnen in unzähligen Fällen. Es ist eine Heilanstalt, in der man sich ärztlich pflegen und auch hervorragend essen kann. Das Kurhaus ist jedoch kein Sanatorium, weshalb keine Lungenkranken aufgenommen werden. Die Gemeinde Vals hatte damals noch keine finanzielle Hilfe angeboten. Man liest nichts von öffentlichem Interesse der Gemeinde an Arbeitplätzen und touristischer Wertschöpfung. Das einheimische Interesse war offensichtlich noch bäuerlich geprägt. Die Weltlage war gefährlich; der Erste Weltkrieg war zwischenzeitlich ausgebrochen. Der internationale Bädertourismus brach zusammen und das Valser Wasser floss ungenutzt wieder in den Valserrhein. Philipp Anton Schnyder schied 1924 aus und sein Partner Joseph Albin verkaufte das schlecht laufende Hotel 1934 an G. Wagon-Christen. Doch dieser betrieb es nur bis 1936.
Eine Innenseite des Prospekts – ein angekündigter Jung- und Gesundheitsbrunnen
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Alfred Grüniger als Eigentümer während schwieriger Jahre In Zeiten von Krisen und Kriegen bleiben wirtschaftlich motivierte Investoren aus. Dies sind die Zeiten von Idealisten und Künstlern. Denn der Käufer des Hotels war 1936 der Operntenor Alfred Grüniger-Bodmer – ein idealistisch geprägter Aufbruch mit Hilfe einer Bürgschaft der Familie Bodmer aus Küsnacht setzt ein. Alfred Grüniger baut eine Zentralheizung ein. Auch lässt er das schon lange geplante Frei-Schwimmbad errichten. In Prospekten werden neue Heilwirkungen angepriesen und «ein fröhliches Badeleben zu jeder Tages- und Jahreszeit … ». Bis 1952 prägte Alfred Grüniger als singender und dichtender Direktor das kulturelle Leben im Hotel. Wie die Prospekte zeigen, wird mit Fotomontagen das Bad eng an die Gletscher heran geschoben. Boccia und Bogenschiessen werden als alpine Sportarten angepriesen. Es lohnt sich aber auch, sein Gedicht über Vals in einer Kopie aus seinem Prospekt zu lesen. Alpenidylle, Gesundheit und Vergnügen werden auf romantische Art dichterisch verschmolzen. Sein Erfolg war trotz Kriegszeit erstaunlich, obwohl wir hier die finanzielle Lage nicht hinterfragen. Jedenfalls hatten die Bodmers noch lange freundschaftliche Beziehungen zu Einwohnern von Vals gepflegt. Der nächste Betreiber war P. Kindhauser Kindhauser, doch nur für zwei Jahre. Dann fiel das Haus wegen Zahlungsunfähigkeit indirekt wieder zurück in die Hand der Grundpfandgläubigerin, Frau Marie Melanie Bodmer. Betrachten wir die Jahre von 1892 bis 1960, so fällt doch auf, wie unterschiedlich die Charaktere der jeweiligen Betreiber des Hotels Therme waren. Die heilende Wirkung des Valser Quellwassers haben alle in den höchsten Tönen den Reichen der damaligen Welt verkündet. In jedem Prospekt wird auch die
Eine Innenseite des Prospekts um 1937 – Baden, nahe beim Gletscher, Fischen, Bogenschiessen und Bocciaspiel Das einstige Schwimmbad, erbaut 1937 von Direktor Alfred Grüninger
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Einzigartigkeit der Natur und des Klimas angepriesen. Die beworbenen Gäste aber haben die Therme offenbar anders wahrgenommen: Badeanlagen mit heilendem Wasser gab es damals europaweit schon viele. Die angepriesene Natur in den Prospekten ist nach einem ersten Besuch möglicherweise durch eine unterbrochene Strasse zwischen Ilanz und Vals oder durch regnerische Tage im föhnreichen, oft auch nebelbehangenen Tale nicht angetroffen worden. Vielleicht haben viele Gäste auch zu kalte Tage erwischt, denn je höher der Ort, umso frischer ist es. Und sonnig ist das Valsertal ja auch nicht gerade, zeigt sich die Sonne, besonders am Ort des Hotels, zeitweise erst gegen Mittag und verschwindet bald wieder, was allerdings in vielen Bergtälern der Fall ist. Im Gegensatz zu den Produkten, die das heutige Vals anbietet, hatte das damalige Angebot der Therme noch nicht die erforderliche Exklusivität. Doch zweifellos kommt dazu, dass Kriege und Krisen diese Zeit mitgeprägt haben. Und es gab auch noch keine staatlich finanzierten Unterstützungsprogramme. So schloss das Hotel 1958 seine Tore – vorübergehend. Die Ära Vorlop Herkunft und Motivation In Deutschland ist die Zeit des Wirtschaftswunders im Gang. Dort hatte Kurt Vorlop bereits ein Mineralwasserunternehmen aufgebaut. Dann soll er nach verkäuflichen Quellen in der Schweiz gesucht haben. Nach mündlichen Mitteilungen von Robert Schwarz habe er vorerst die Quelle in Peiden Bad besucht und wollte dann umkehren. Doch sein Chauffeur hätte ihm dringend geraten, noch weiter durchs enge Tal nach Vals zu fahren. Hier sei dann Kurt
Ein Gedicht, ein Loblied von Alfred Grüninger auf die heile Alpenwelt
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Vorlop spontan von der Qualität des Mineralwassers überzeugt gewesen. Kurt Vorlop, der agile Unternehmer, hat damals die Zeichen der Zeit erkannt und die zukünftigen Märkte der zunehmend wohlhabenderen Gesellschaft vorausgesehen. So kam Kurt Vorlop als Geschäftsmann nach Vals. Nachdem er die Hotelanlagen im Juni 1960 gekauft hatte, wurde dann als erstes eine Abfüllstation für das Valserwasser im alten Hotel Adula errichtet. Valserwasser wurde bald einmal in der ganzen Schweiz verkauft. Kaum richtig aufgebaut, verkaufte er seinen Aktienanteil Donald Hess, einem Mann aus dem Bierbrauereigewerbe. Jetzt ist die Zeit des grossen wirtschaftlichen Aufbruchs ins Tal eingezogen. Das Valserwasser hatte bald einmal einen Marktanteil von über 20 Prozent. Kurt Vorlop stieg in Vals dann in ein für ihn neues Unterfangen ein, nämlich in einen alpinen Hotelkomplex mit Kur- und Badeanlagen. Er beschritt zu jener Zeit neue Wege, indem er eine zentrale Hotelinfrastruktur, andererseits aber Häuserkomplexe mit 345 Appartements baute. Zur Selbstfinanzierung der Anlangen wurden diese relativ kleinen Einzimmerwohnungen ab Plan an private Eigentümer verkauft. Das Konzept ging auf. Alle Appartements wurden verkauft, vor allem an Deutsche. Der Einstieg in das Unternehmen Therme waren die warmen Quellen und deren heilende Wirkungen. Mit dem Hotelbau wird von da an das Vergnügen des Bädertourismus, ein apartes Hotelleben und die alpine Kultur verkauft. Kurt Vorlop hat auch hier die Nachfrage danach in der reicher werdenden europäischen Gesellschaft gesehen, namentlich jener in der damaligen Bundesrepublik Deutschland, die damals so nahe am Eisernen Vorhang gelegen
Vision: Vals mit Flugplatz
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Und genau an diesem Problem hat die Grossbank acht Jahre lang herumgekaut. Dann haben wir Valser das Ganze einfach geschluckt, und jetzt rumort’s im Bauch. Gottlob hat man in Vals seit Menschengedenken Erfahrung mit Wiederkäuern: Und so ist eigentlich alles nur eine Frage der Zeit. Spass beiseite. Die «Therme ist krank»; und nur mit Pillen und Spritzen wird dieser Patient nicht gesund. Er muss auf den Operationstisch, und Operationen sind nicht billig. Die Diskussion um diesen Eingriff ist insofern kompliziert, als eine ganze Gemeinde darüber bestimmen muss, wie die Operation zu erfolgen hat, und ob man den Patienten halt eben nur ein bisschen operieren soll. Der Verwaltungsrat der HOTEBA hat zusammen mit der Elektrowatt Ingenieur Unternehmung AG ein Projekt ausgearbeitet, welches die Proportionen des Gesamtkomplexes so korrigiert, das mittelfristig mit einem florierenden Hotel Therme gerechnet werden darf. Voraussetzung: Die Gemeinde investiert mindestens 10 Millionen Franken, es findet sich ein privater Investor für den Hotelbereich, die Eigentümer der Appartements engagieren sich ebenfalls, wie auch die Valser St. Petersquelle AG. Gesamtkosten des Projekts: 44 Millionen Franken». Der Bau der neuen Therme Die Gemeinde ist im Zugszwang. Gleichzeitig ist aber zu bedenken, dass ab jetzt die Gemeinde eigentliche örtliche Wirtschaftspolitik für ihr Dorf zu betreiben hat. Um den nächsten Schritt korrekt wiederzugeben, zitiere ich aus der Valser Dorfchronik von Fridolin Hubert zum Sachgebiet Hotel und Thermalbad Vals AG (HOTEBA) Seite 34: «Am 12. August 1988 wurde der Gemeindeversammlung das Elektrowatt-
Stein und Wasser: die Therme (Foto: Therme Vals)
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Projekt mit einem Kostenvoranschlag von 44 Millionen Franken zum Grundsatzentscheid vorgelegt. Damit sollen 144 Betten für 21,2 Millionen Franken, Hallenbad und Aussenbad für 14,8 Millionen Franken, Erschliessung für 5 Millionen Franken und Küche mit Speisesaal für drei Millionen gebaut und erneuert werden. Nebst Bankkrediten sollte die Gemeinde insgesamt einen Betrag von 10 Millionen Franken leisten. Gesucht wurde im Weiteren ein Investor, der sieben Millionen Franken einbringen sollte. An der Gemeindeversammlung gab es grosse, zum Teil emotionale Diskussionen, zur Abstimmung kam es nicht. Trotz der umfassenden Informationsschrift waren die Unsicherheiten zu gross, viele Bürger waren überfordert und wurden misstrauisch. Letztlich verlief dieses umfassende Projekt im Sand, weil trotz grossem finanziellem Aufwand kein Investor gefunden werden konnte. Gefragt waren nun pragmatische Lösungen. In einem ersten Schritt sollten Bad und Therapieabteilung erstellt werden. Für diese Bauten standen Beiträge aus dem Investitionsfonds (des Bundes) in Aussicht. Architekt Peter Zumthor plante nun die erste Etappe, das Projekt «Solitär», dazu gehörten das Bad und die Therapieabteilung. Das vorherrschende Element der Baute sollte der Valserstein sein, der im Zusammenhang mit Licht und Wasser in seiner ganzen Schönheit zur Geltung kommen sollte. Kosten: 22 Millionen Franken für das Solitärprojekt, 2,4 Millionen Franken für Anpassungsarbeiten, insgesamt 24,4 Millionen Franken. Die Finanzierung konnte wie folgt sichergestellt werden: Gemeindebeitrag 12 Millionen Franken, Kanton 1,73 Millionen Franken, Zinsbeitrag von Bund 80 Prozent für ein Kapital von 4,9 Millionen Franken; der Hotelkredit der SGH verbürgte 1 Million Franken. Die restlichen 4,77 Millionen Franken
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Fremdkapital bewilligten die Graubündner Kantonalbank (GKB) und die Schweizerische Kreditanstalt (SKA). Davon musste die Gemeinde für zwei Millionen Franken Bürgschaft leisten. Der grosse Gemeindebeitrag hatte zu Folge, dass die geplante Mehrzweckhalle vorläufig zurückgestellt werden musste.» Soweit das Zitat aus der Chronik. Es kamen noch einige nachträglich bewilligte Umbauarbeiten dazu. Zusammen mit der Überschreitung kostete das Projekt schliesslich 26 741 992 Franken. Die Gemeinde hatte einen Nachtragskredit von 1 895 000 Franken zu bewilligen. Am 14. Dezember 1996 fand die Einweihung der von Architekt Peter Zumthor gebauten Therme mit viel Prominenz und einem Volksfest in einem grossen Zelt auf dem Dorfplatz statt. Aus der Sicht unserer Ausführungen fand eine schwierige, aber insgesamt auch eine gut geführte Phase ihren Abschluss. Die Ausgangslage war kritisch. Es waren viele Akteure beteiligt, so die Gemeinde, die HOTEBA, der Verwaltungsrat, die möglichen Geldgeber und der Architekt. Der Entscheidungsprozess brauchte aber auch starke örtliche geistige Anführer mit grosser Überzeugungskraft. Dass dies der Fall war, soll nochmals mit einem Zitat aus der Chronik von Fridolin Hubert belegt werden: «Man wird der Würdigung der Präsidenten in der HOTEBA nicht gerecht, wenn man unerwähnt liesse, dass es zur Durchsetzung der Zumthor Felsentherme einer hartnäckigen, eigenwilligen Vorgehensweise und Überzeugungskraft bedurfte, um zum Ziel zu gelangen. Dieses Verdienst kommt zweifellos dem Präsidenten der HOTEBA-Kommission und Baukommission der Therme Peter Schmid und dem Verwaltungsratspräsidenten Pius Truffer zu.» Doch schliesslich war es wohl die Überzeugungskraft der Architektur Peter
Auch von aussen ansprechend: Hotel Therme – Hauptbau und Bad
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Zumthors, welche an der Gemeindeversammlung vom 18. März 1994 als etwas Grossartiges und Visionäres vorgestellt wurde. Zumindest einige Valser ahnten, dass etwas präsentiert wurde, das zu einem einzigartigen und weltweit bestaunten Werk werden sollte. Hier einige Auszüge aus Peter Zumthors Vortrag (aus der Dorfchronik, aus dem Protokoll der Gemeindeversammlung): «Die wesentlichen Elemente des Entwurfs sind Valser Stein, Licht und Wasser. Übereinandergeschichtete Lagen von ‹Felsblöcken› werden auf spezifische Weise ausgehöhlt. Die Blöcke sind nach bestimmten Regeln angeordnet, auch die Schichtung folgt einer Gesetzmässigkeit. Das Bad wird nicht langweilig und dunkel wirken: In bestimmten Bereichen wird Holz oder gar Stein vorkommen; das Licht fällt einerseits durch die grossen Fensterfronten, andererseits durch bestimmte ‹Spalten› ab der Decke. Für das ganze Bad wird eine ruhige Stimmung angestrebt. Man vertraut auf die sinnliche Präsenz der natürlichen Elemente Stein, Wasser und Licht im Raum. Diese sollen das Badeerlebnis bestimmen. Oberflächliche Betriebsamkeiten, Hallen- und Plauschatmosphäre werden vermieden. Die Präsenz der üblichen Schwimmbad-Unterhaltungstechnik ist zurückgenommen zu Gunsten eines Angebots, das auf Ruhe, Entspannung und sinnliche Erfahrung setzt.» Und dem Buch Therme Vals von Peter Zumthor entnehmen wir noch folgenden kleinen Abschnitt, der hierhin passt: «Auf der Suche nach einer architektonischen Formensprache für unser unterirdisches Bad gab es naheliegende Vorbilder: die vielen Steinschlag- und Lawinenschutzgalerien auf der Strasse von Ilanz nach Vals und die Staumauer des Zerfreilasees weiter hinten im Tal; starke Architekturen allesamt; Ingenieurbauwerke, die sich im Berg und gegen
Aus dem ersten Prospekt nach der Eröffnung der neuen Therme
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die Kraft des Berges zu behaupten haben und darum auch von dieser Kraft sprechen. Und die Innerräume dieser Bauwerke wirken immer wesentlich.» Schon vier Jahre nach der Eröffnung wurde die Therme von Peter Zumthor vom Kanton unter Denkmalschutz gestellt. Eine Bilanz zum Hotel Therme Die neue Therme ist seit dem 14. Dezember 1996 in Betrieb. Seither hat sich vieles verändert. Durch die weltweite Berühmtheit, die die Therme erlangte, vergrösserte sich nicht nur die Anzahl Gäste, sondern es kamen «andere» Gäste als früher. Der Verwaltungsrat und die Direktion richteten das Angebot und die «Philosophie» nicht mehr auf medizinische Kuren aus, sondern auf gesunde, gutsituierte Menschen weltweit, die sinnliche Badeerlebnisse suchen, die Meditation erleben wollen, verbunden mit Luxus und einer exzellenten Küche in einer gepflegten Landschaft, wie sie die Therme in Vals bietet. Die Ausstrahlung der Therme hat auch die Gastlichkeit des Hotels entscheidend geprägt. Mit Dichterlesungen, Konzerten, Tanzvorführungen und Vorträgen während der ganzen Saison fand man so die Nische für Erholung suchende Menschen. Die hervorragende und weltweit bekannte Architektur der Therme von Peter Zumthor hat aber noch einen weiteren Sogeffekt: «Man muss sie gesehen haben», wird weitergesagt, wird weltweit den jungen Architekten empfohlen; aber auch viele architektonische Laien reden überall davon, wo immer man auf Vals zu sprechen kommt. So pilgern viele junge Menschen nach Vals; Freunde und Bekannte schenken sich Gutscheine für einen Aufenthalt im Hotel Therme. Viele Zirkel und Freundeskreise machen gemeinsam Ausflüge, um das Bade-
Junge Architekten zu Besuch – man erkennt sie am Outfit
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erlebnis der Therme zu geniessen. Und stets ist im Hotel eine sehr gemischte Gästeschar anzutreffen. Einige statistische Angaben, der Chronik Vals von Fridolin Hubert entnommen, sollen das Gesagte ergänzen (Tabelle 9). Zur Organisationsstruktur Aus der Sicht dieses Buches gibt es vor allem zwei Fragen, die wir hier aufwerfen, nämlich a) hat man eine geeignete Organisationsstruktur für die Planungen und das Management des gemeindeeigenen Hotelbetriebes gefunden? Gäbe es Alternativen dazu und b) Was für Resultate gäbe eine (noch nicht gemachte) Kosten/Nutzen-Analyse der diesbezüglichen Investitionen der Gemeinde für die Bevölkerung von Vals? Das Hotel Therme ist ein Unternehmen, das sich auf dem freien Tourismusmarkt behaupten muss. Ein solches Unternehmen unterliegt langfristigen bzw. strategischen, aber auch mittelfristigen und laufend vielen kurzfristigen Entscheidungen. Dies ist die eine Seite. Die andere ist die Eigentümerstruktur, hier die Bevölkerung von Vals. Aus den genannten Fristigkeiten von Entscheidungen für ein solches Unternehmen ergibt sich zwangsläufig eine dreistufige Organisationsstruktur, welche heute auch anzutreffen ist. Für die kurzfristigen, laufenden Entscheidungen braucht es einen Verwaltungsrat und in dessen Diensten eine Direktion. Diese müssen dafür ein Mandat von der Gemeinde erhalten, dieses aber unabhängig von den politischen Einflüssen ausführen können. Zwischen der Gemeinde und dem Verwaltungsrat waltet die HOTEBA-Kom-
Tab. 9: Statistische Angaben zum Hotelbetrieb
Angestellte Aufenthaltsdauer (Tage)
1991
1999/2001/2002
2006
111
140 (2001)
161
6,05
2,32 (2001)
n. v.
Logiernächte
37 855
41 824 (1999)
57 514
Badeeintritte
45 261
146 949 (2002)
144 687
8,37
13,17
16,07
Jahresumsatz (Mio Fr.) * davon 62 Einheimische
** Bei Eintrittsbeschränkung, im Herbst durchgehend offen Quelle: Hubert 2007; Geschäftsberichte der HOTEBA; Pressekonferenzen
2007 163 * ca. 2 ca. 62 000 ca. 170 000 ** 18,6
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turschönheiten und wirtschaftliche Erfordernisse sind immer in gegenseitiger Abwägung gleichzeitig in alle Entscheidungen einzubeziehen. die gemeinde als wasserBesiTzer und konzessionsBehörde Aus unserer ökonomischen Sichtweise stellt sich immer wieder die Frage, wie die Gemeinde Vals mit so wichtigen Gütern wie das Wasser umgehen soll. Wasser ist grundsätzlich ein öffentliches Gut, das allen gehört und auf das damit auch alle Einwohner Ansprüche haben. Entlang dieser Frage laufen heute viele internationale Diskussionen, nämlich wie weit die Wasserversorgungen in öffentlicher Hand bleiben sollen bzw. wo zum langfristigen Vorteil aller Mitglieder einer Gesellschaft öffentliche Ressourcen aus Effizienzgründen privatisiert werden sollen. Bei den Kraftwerken wurden – wie wir oben ausgeführt haben – beim damaligen Bau die Nutzungsrechte unter Strombezugsrechten vollständig den Kraftwerksgesellschaften abgetreten. Die Gemeinden waren nicht Aktionäre. In den letzten Jahren ist dies im Zusammenhang mit dem Heimfallrecht und der Verlängerung der Konzessionen neu geregelt worden, indem die Gemeinde Vals mit einem Aktienanteil von 5,7 Prozent zum Mit-Aktionär in der Kraftwerke Zervreila AG wurde. Als Mitbesitzerin hat die Gemeinde eine bessere laufende Information über interne Planungsabsichten, und sie partizipiert an Wertsteigerungen der Aktien und bezieht Dividenden in Abhängigkeit der Geschäftsverläufe. Bei den Wasserquellen auf Gemeindegebiet ist die Situation komplexer. Historisch wurden die Nutzungsrechte der Quellen von der Gemeinde an private Betreiber verkauft. Heute werden diese durch Konzessionsverträge mit der
Stein und Wasser: eine neue Flusslandschaft mitten im Dorf – die Uferbauten aus Valsersteinen
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frauenarBeiT
Die Wirtschaftsgeschichte, auch die von Vals, berichtet vorwiegend von männlichen Leistungen. Man redet von Bauern, von Arbeitern und Unternehmern. An den wirtschaftlichen Entwicklungen im Dorf ist aber Frauenarbeit von eben so wichtiger Bedeutung. Davon ist in diesem Modul die Rede. frauenarBeiT im ehemaligen Bauerndorf (Vor 1950) Als erstes soll in Erinnerung gerufen werden, was die Frauen zu tun hatten, als sie alle noch Bäuerinnen waren. Es waren Zeiten, als viele von ihnen über Jahre ihres Lebens kleine Kinder zu besorgen hatten. In den Häusern gab es noch kein fliessendes Wasser. Dieses holte man jeden Tag mit grossen Eimern am Brunnen. Man verfügte nur über Holzöfen, um die Stuben zu heizen, es gab nur Holzkochherde, die viel Brennstoff brauchten. Die alten Küchen (Füürhuss) waren oft voll Rauch, weil die Kamine schlecht zogen. Die Frauen waren auch über das ganze Jahr in die landwirtschaftliche Arbeit einbezogen. Beginnen wir mit dem Winter: Neben der oben erwähnten mühsamen Arbeit im eigentlichen Haushalt waren die meisten Frauen für jene Tiere verantwortlich, die im Zustall, dem Haus angebauten «halben» Stall, gehalten wurden, nämlich für die Schweine, Hühner, Schafe und Ziegen. Denn die Männer besorgten abends und morgens in den Ställen draussen das Grossvieh und tagsüber waren sie beim Heuziehen, Walden oder Mistausführen. So schleppten die Frauen einmal mehr die schweren Eimer voll mit aufgewärmtem Futter von den Küchen in die Schweineställe. Und wenn Metzgtagg war, hatten die Frauen die Därme und Bäuche im kalten Wasser am Brunnen oder in den Bächen peinlichst sauber zu waschen, damit ja keine Fehlgärungen in
Frauenarbeit 1945 (Foto: Emil Brunner, Foto-Stiftung Schweiz / Sammlung Hugger) Frauen sind als Lehrerinnen ins Schulhaus eingezogen (Foto: W. Gartmann)
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den Würsten entstanden. Denn die Därme brauchte man als Wursthäute und die übrigen Innereien wurden zu Wurstmasse oder Kutteln verarbeitet. Und sonst waren die Frauen am Spinnrad oder machten Kleider aus Stoff, der von Hausierern zugekauft wurde. Doch ursprünglich wob man vermutlich in allen Haushalten auch selbst; die Webstühle standen in Gängen oder Zimmern im eigenen Haus. 1935 gab Paula Jörger im Dorf noch einen Webkurs; zu dieser Zeit wohl eher, um das alte Handwerk zu retten. Die Frauen sollten wieder lernen, wie man Leinen und Wolle zu schönem Stoff verweben kann. Kaum war der Frühling gekommen, mussten auch die Frauen auf die Felder. Zum einen war Mistzerschlagen eine Frauenarbeit. Die Männer verteilten den Mist mit der Tschifera vom Stall oder von den Winterhaufen auf dem Feld. Die Frauen, in der Regel zu zweit, zerschlugen diesen, jeweils auf- und abwärts, zu feinem Pulver Pulver. Die Männer waren es dann, die wieder das Zetten, also das Verteilen der vielen feinkörnigen Misthäufchen übers Feld erledigten. Je feiner der Mist zerschlagen war, umso besser nahm der Boden alle Nährstoffe auf. Zum anderen mussten im Frühjahr die Frauen die Saatkartoffeln stecken. Nach einigen Wochen begann das Jäten und Hüüfela, um die knappen Nährstoffe und die Feuchtigkeit den Kartoffeln zuzuhalten. Mit Beginn des Sommers hatten die Frauen erst recht ihren Teil der Arbeit zu leisten, oft gemeinsam mit den Kindern im Schulalter. Bevor aber das Heuen richtig losging, mussten die Blachte (Blacken) gschtroupft werden. Diese wachsen auf mastigem Boden rund um die Mistlager besonders gut. Beim Stroupfa (von Hand abreissen) rupfte man jede Blacke einzeln von Hand aus, um den Späck, den saftigen weissen Teil oberhalb der Wurzel, nicht zu ver-
Die Doppelfamilie Rieder/Tönz zügelt vom Dorf nach Zerfreila und begegnet Pfarrer Hollweck – in den Tschifera die Waren und in dreien oben drauf die Kleinsten der Familien eingebettet
frauenarBeiT
lieren. Die Blacken wurden im Chessi in der Feuergrube gesotten, dann in Massgestellen siliert und im Winter den Schweinen verfüttert. Das Mass, wie man es nannte, war für die Schweine das Eiweissfutter neben den Kalorien in den Kartoffeln. Wenn mit dem Heuen richtig begonnen wurde, mussten die Männer von morgens früh bis gegen Mittag mit den Sensen mähen, so viel wie möglich, um vorwärts zu kommen. Die Frauen machten die übrigen Arbeiten: Bei schönem Wetter das Frühstück aufs Feld bringen, wenn keine Buben oder Mädchen da waren; dann Strütscha (frisch gemähtes Gras zetten); und nachdem der Tau verdunstet war, Mettelti (kleine Heumaden) und Schocheli (kleine Heuhäufchen) vom Vortag zetten; dann für das Mittagsessen besorgt sein, dieses aufs Feld bringen. Am Nachmittag mussten alle beim Rechen des am Vortag gemähten Grases mitwirken. Die Männer trugen das Heu in Heutüchern auf dem Rücken in die Ställe. Und gegen Abend mussten wieder Schocheli aus dem am gleichen Vormittag Gemähten gemacht werden. Und besonders stürmisch ging es zu, wenn Regen drohte und das Heu an Heinza (Holzsparren mit beidseitig versetzten eingestossenen Holzstecken) gehängt werden musste. Jetzt mussten Frauen und Kinder auch noch die Holzsparren und Stecken herbei tragen, damit das Gras daran gehängt werden konnte. Sobald man zum Heuen auf die Maiensässe zog, waren alle nötigen Werkzeuge (Rechen, Sensen, Worb, Heutücher, Heugabeln) und das Essen, mindestens für eine Woche, hinauf zu transportieren. Jetzt trugen auch die Frauen auf dem Rücken schwere Tschifera voll Nahrungsmittel und oft auch mit dem Nötigsten für die kleinen Kinder. Für den langen Weg nach Zerfreila bettete man die kleinen Kinder in den Tschifera oben drauf.
Kartoffelernte, 1945 (Foto: Emil Brunner, FotoStiftung Schweiz / Sammlung Hugger)
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gesundheiTsdiensTe und gemeinschafTshilfe
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«QualiTäT Vals» – Versuch einer BeschreiBung Vals, weltberühmt geworden, muss doch etwas Besonderes sein. Gibt es sie also, diese «Qualität Vals», die in verschiedenen Leitbildern immer wieder angesprochen und beschworen wird? – Rohe Felsblöcke und Quellwasser allein können diesem Anspruch nicht genügen. Es muss offensichtlich etwas Komplexeres, sagen wir Verwobenes sein. In diesem letzten Kapitel möchten wir den Versuch einer Umschreibung wagen. geschichTliches BewussTsein Der Valser, die Valserin erfahren schon in jungen Jahren, dass ihre Vorfahren seit 700 Jahre in diesem Tale leben. Die Schüler hören von der Einwanderungsgeschichte im 13./14. Jahrhundert, aber auch von Zeiten, als viele Bürger aus Not auswandern mussten und von Rückwanderern, die in die Dorfgeschichte eingingen. Schüler besuchen mit ihren Lehrern und Lehrerinnen das Heimatmuseum. Die heutigen Valser wissen auch noch, dass ihre Elterngeneration alles Bauernfamilien waren. Viele kennen das Buch von Johann Josef Jörger: «Bei den Walsern des Valsertales». Walservereinigungen laden Valserinnen und Valser zu regionalen, kantonalen und sogar internationalen Walsertreffen ein. Es scheint eine historische Valseridentität der Hiergebliebenen zu geben, aber auch jener, die das Tal verlassen haben. Und es gibt eine Kraft, sagen wir ihr Genus loci, die alle erfasst und verbindet, die hier lebten und leben, auch diejenigen, die neu ins Tal gekommen sind. Vermutlich ist die lokale Identifikation in den letzten Jahren eher gestiegen. Diese Entwicklung mag durch die zunehmende Förderung der romanischen Kultur in der regionalen Nachbarschaft beeinflusst worden sein.
Keine walserische Streusiedlung mehr, vielmehr eine städtische Dichte
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«QualiTäT Vals» – Versuch einer BeschreiBung
bedingungen, so etwa beim Valserwasser. Kaum in Vals sesshaft, wurde der damalige Betriebsleiter des Abfüllwerks in den Gemeinderat gewählt – eine geistige Verbundenheit von Fremdem und Einheimischem hatte also eingesetzt (Vorlop, Hess, Schrauder, Stoll, Siegrist, Hoffmann, Hopp). Die Verwobenheit nimmt Gestalt an. Kritische Jahre werden überwunden, indem nach neuen Lösungen gesucht wird. Einheimische und Zugewanderte begegnen sich. PeTer zumThor und seine herausforderung Auch Peter Zumthor, der künstlerisch inspirierte Architekt, fand den Weg nach Vals. Dass er kam, war vorerst eine gewisse geistige Verbundenheit von einigen Valsern und ihm. Er liebt, wie alle seine Bauten zeigen, die Schlichtheit, das Sinnliche und die «Treue zum Ort», durchdrungen von einer einmaligen geistigen Tiefe. Die heutige Gewichtung von «Qualität Vals» entspringt wesentlich der Architektur Peter Zumthors; die Kraft und Klarheit seiner Arbeit fand ein Echo im Dorf. Seine Philosophie beseelte intelligente und engagierte Vermittler am Ort. welToffene söhne und TöchTer der «Bäuerlichen VäTer» Nur wenige der bäuerlichen Söhne sind in Vals heute noch Bauern. Aber auch sie haben trotz steilen Hängen und langen Wintern moderne Landwirtschaftsbetriebe aufgebaut und sich den heutigen Marktbedingungen und ökologischen Anforderungen angepasst. Sie gehören zum dörflichen Verbund.
Das Lichtspiel in der Therme (Foto: Therme Vals)
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«QualiTäT Vals» – Versuch einer BeschreiBung
Manche der nicht-bäuerlichen Söhne und Töchter der bäuerlichen Väter sind die Exponenten des aktuellen Dorfgeschehens geworden. Als Gewerbetreibende, Händler, Geschäftsfrauen, Lehrer und Lehrerinnen und als öffentliche Beamte besetzen sie die Schaltstellen der Gemeindepolitik. Doch da gibt es noch einige Ausgewanderte und wieder Zurückgekehrte, die in ihrer Jugend zu den Nonkonformisten gehörten. Zurückgekehrt in die Heimat wurden sie zum Ferment des geistigen Aufbruchs, das seinerseits die Fremden zu Freunden machte und diese zu Innovationen und zu hohen künstlerischen und wirtschaftlichen Leistungen bewegte. VielfalT der zugezogenen Vals erhielt Zuwanderung vielfältiger Art. Die wichtigste Gruppe waren über das ganze 20. Jahrhundert die Bauarbeiter. Sie waren bei einheimischen und auswärtigen Unternehmen angestellt und arbeiteten an den grossen Projekten wie der Zerfreilastrasse, den Lawinenverbauungen, dem Kraftwerk Zerfreila sowie beim Bau der neuen Hotels, Häuser und Strassen. Viele kamen für einige Jahre und gingen wieder, einige sind auch geblieben und Valser geworden. Seit 1950 bis in die Gegenwart sind auch zahlreiche Frauen zugewandert aus romanischen Gebieten, aus dem «Unterland» und mehrere auch aus Österreich und Deutschland, die vor allem in den Gaststätten und den Hotels Arbeit fanden. Nicht wenige davon sind durch Heirat zu engagierten Valserinnen geworden. Sie beleben das gesellschaftliche und kulturelle Dorfleben.
«Valser Stein» der Firma Truffer im Hotel Seven in Ascona (Foto: Truffer AG)
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«QualiTäT Vals» – Versuch einer BeschreiBung
die ausgewanderTen und ihre heimaTlieBe Nach Statistik gibt es mehr Valser in der Fremde als in Vals. Diese Gegebenheit trifft auf viele Berggemeinden Graubündens zu. Doch wann bleibt die Heimatliebe erhalten? Wie oft verbringen die Ausgewanderten die Ferien in ihren Heimatdörfern oder kehren als Pensionierte ins Dorf zurück? Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt: Grössere Dörfer werden grösser, kleinere immer kleiner. Es gibt also offenbar eine kritische Grösse, unterhalb welcher es immer weniger Anreize gibt, sich in einem Dorf aufzuhalten. Über einer kritischen Grösse aber, so auch in Vals, ist eine vielfältige dynamische Auseinandersetzung an der Tagesordnung und es ist spannend, dabei zu sein, mitzureden, am vielschichtigen Dorfleben teilzuhaben, Bekannte zu treffen beim abendlichen Ausgang und Besuch der Gasthäuser, in der Therme, auf Spaziergängen und Wanderungen oder beim Bergsteigen. Das Ganze bildet den Verbund, zusammengehalten durch die kulturelle Vielfalt der Menschen, Einheimische und Gäste, die sich in dieser abgeschiedenen Bergwelt begegnen. der dorfPlaTz als geschichTliches zeugnis Viele Besucher werden nach einer kurvenreichen Fahrt von Ilanz nach Vals vom herrlichen Dorfplatz in Vals überrascht sein. Kommt man über die imposante Dorfbrücke auf den Platz, bleibt man am Brüggastützli stehen: Im Blickfeld hat man die Kirche, ds Riederhuss (ds Jöri Hubertsch Huss) und das Hotel Alpina. Betritt man den Platz, überrascht die architektonische Vielfalt der Bauten. Eine jahrhundertelange Baugeschichte ist sichtbar.
Der Dorfplatz mit Prozession an Fronleichnam, vor 1900
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Die vier alten, breiten Holzhäuser sind gleichsam die Garanten der Geschichte. Dann die Kirche, der älteste Bau am Platz, wenn auch (mit dem Vorbau leider etwas zu zweckmässig) renoviert. Das zweitälteste Haus ist das aus Stein gebaute Pfarrhaus, links nach der Brücke, gefällig und würdevoll. Schliesslich die drei Hotels und Gasthäuser Alpina, Alpenrose und Edelweiss: Schon die Namen erwecken eine emotionale «hochalpine» Stimmung, fernab vom Lärm des Verkehrs in den Metropolen. Im Baustil sind alle markant, jedoch sehr verschieden: Das Edelweiss, errichtet in oberitalienischer Bauart um 1900, mit hohen Stockwerken und Fenstern, geradezu stolz in die Höhe ragend und dominierend. Und weil es für sich «klassisch» ist, ergibt sich daraus ein spannendes Gegenüber zu den alten Holzhäusern. Etwas entrückt und nur noch halbwegs zum Platz gehörend, steht nicht minder markant die Alpenrose da, ein eingefärbtes Steinhaus, stattlich, wenn auch nur zweistöckig. Und zwischen dem Riederhuss und der Alpenrose das neue Alpina, das unlängst nach den Plänen des Vriner Architekten Gion A. Caminada renoviert wurde. Wie immer bei zeitgenössischer Architektur sind die Geister geteilt. Den Ästheten gefällt’s; und andere finden, der Dorfplatz habe an Cachet verloren. Doch vor der neusten Renovation war die Fassade des Hotel Alpina ein eigentliches Flickwerk. Am schönsten war der einstige alte Jugendstilbau mit seiner Veranda, an den sich nur noch die Älteren erinnern. Der neue Bau vermittelt ungekünstelt, was er ist, nämlich ein Gasthaus; und die schlichte Struktur der Fassade verbindet sich sehr schön mit den angrenzenden Bauten und verleiht vor allem dem daneben stehenden Riederhuss eine prachtvolle Präsenz.
Alpentladung 18.9.1928 (Foto J. J. Jörger)
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«Kleinen Alpenstadt», nicht zu gross, dass man sich verliert, aber doch so, dass es funktioniert und stimmt. Vals: die «kleine alPensTadT» In der Regel wird ein Ort als Stadt bezeichnet, wenn er eine bestimmte Bevölkerungsgrösse überschreitet, landläufig sind das 10 000 Einwohner. Nun wählen wir bewusst einen anderen Zugang zu diesem Begriff: Unsere Stadt ist ein Ort, unabhängig von der Einwohnerzahl, wo eine bestimmte Dichte an Wirtschaft, Kultur und sozialem Leben vorhanden ist und laufend geistige und soziale Unruhe und Impulse die Einwohner «wach» halten. Der moderne Mensch findet an einem solchen Ort, was er bisweilen täglich oder zumindest gelegentlich sucht oder braucht. Und dieser Menschentyp ist heute universell und überall anzutreffen. Also muss ihm die potenzielle Alpenstadt an Materiellem, Sozialem und Geistigem all das bieten, wenn er freiwillig dort leben oder sich aufhalten soll. Mit dieser Theorie erklärt sich, warum in der Vergangenheit in ländlichen Räumen die kleinen Orte immer kleiner und die grösseren immer grösser wurden. Nur dort, wo eine Siedlung mit ihrer näheren Umgebung die Eigenschaften einer von uns beschriebenen «kleinen Alpenstadt» aufweist, zieht es die Leute zum Wohnen hin oder sie sind immer wieder zu Besuch. Einheimische und Gäste finden die von ihnen gesuchte Konfrontation. Oder frei nach Johann Wolfgang Goethe (Faust I): «Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein.»
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Die «Kleine Alpenstadt» mit dem Wahrzeichen
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«QualiTäT Vals» – Versuch einer BeschreiBung
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Das Buch beschreibt auch die Häuser und die landwirtschaftlichen Verän derungen von Vals als Ergebnis weltweiter Einflüsse. Von besonderer Be deutung ist das Kapitel zu den wirtschaftlichen Wassernutzungen durch das Kraftwerk, das Hotel Therme und den Valser Mineralquellen AG. Ergänzend wird auch dargelegt, wie sich die tägliche Arbeit der Frauen im Zeitablauf radikal verändert hat. Abschliessend wird der «Qualität Vals» nachgegan gen – was ist das, wenn es sie gibt? Die Sichtweise ist eine ökonomische, verbunden mit der Heimatverbunden heit und den Lokalkenntnissen des Autors.
Vals – EngEs Tal, wEiTE wElT
EngEs Tal, wEiTE wElT Peter Rieder, geb. 1940, wuchs in Vals in einer grossen Bauernfamilie auf. Nach dem Gymnasium an der Klosterschule Disentis studierte er Agrarwissenschaften an der ETH Zürich und anschliessend Ökono mie an der Universität Zürich. Ne ben einer dreijährigen Tätigkeit in der Pri vatwirtschaft doktorierte und habilitierte er an der ETH Zürich. Zwischen 1980 und 2005 war er Professor für Agrarwirtschaft an der ETH Zürich. Seine Lehre und For schung prägte eine Generation von Stu dierenden. Insbesondere beeinflussten seine Forschungsarbeiten die schweizeri sche Agrarpolitik; er betreute ferner zahl reiche Entwicklungsprojekte in der Drit ten Welt. In der letzten Zeit widmete er sich intensiv wirtschaftlichen Aspekten des schweizerischen Berggebietes. Da bei gewonnene Erkenntnisse finden im vorliegenden Buch über sein Heimatdorf ihren Niederschlag.
Peter Rieder
Viele Dörfer im Alpenraum der Schweiz leiden seit Jahren an einem Bevöl kerungsschwund und an einer steten Abnahme von Arbeitsplätzen. Diesem unerwünschten Trend versuchen Bund und Kantone sowie private Organi sationen mit finanziellen Hilfen zu begegnen. Die Erfolge sind nur mässig, scheinen doch Marktkräfte stärker zu wirken. Es gibt aber auch einige Ausnahmen: Eine davon ist Vals. In diesem Buch wird das Besondere von Vals erklärt. Die These dazu lautet: Ein Bergdorf kann nur überleben, wenn dank externer Investoren im Ort Produkte und Dienstleistungen für den Weltmarkt produziert und abgesetzt werden kön nen. Dies ist in Vals erreicht worden. Neues prägt das Tal: Die Staumauer, Hotels, Ferienwohnungen, das Hotel Therme mit seinem weltberühmten Bad vom Architekten Peter Zumthor, das Valserwasser, die Quarzitplatten, neue Strassen und die Bergbahn ins Skigebiet.
Vals
PETEr riEdEr
ISBN 978-3-7298-1160-7
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