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Verkäufer*innenkolumne

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Lockdown

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Ich wollte Schreiner werden

Ich hatte absolut erfolglos versucht, einen Sek-A-Abschluss zu machen. Ich machte ein Praktikum als Kleinkinderzieher und eine Anlehre als Topf- und Schnittpflanzengärtner. Dann begann ich im beruflichen Trainingszentrum eine Schreinerlehre. Das hätte ich mir als Beruf vorstellen können. Ich wollte Schreiner werden.

Aber die Abklärungen der IV liefen bereits. Und dann kam der Bescheid, ich bekam eine volle IV-Rente. Für mich bedeutete das, dass mein normales Berufsleben nun zu Ende war. Es war ein Entschluss, den andere gefällt haben. Ein Entscheid des Amts über mein Leben. Ich sagte, ich wolle weiterarbeiten, die IV liess mich nicht. Mir wurden meine Pläne und mein Selbstverständnis genommen.

Das war am 12. Oktober 2000. Nach dem Bescheid von der IV hatte ich keinen eigenen Antrieb mehr. Es wurde schlimmer von Tag zu Tag, es staute sich auf. Im November begann ich mich selbst zu verletzen.

Ich sass zuhause. Wie automatisch griff ich zur Schere. Es war eine Erleichterung, es machte alles etwas erträglicher. Sich mit der Schere oder Rasierklinge die Haut aufschneiden. Sich mit dem Feuerzeug, einer Zigarette oder mit Holzglut Löcher in die Haut brennen. Man denkt, es würde schmerzen. Doch in dem Moment, in dem man sich die Wunde zufügt, schmerzt es nicht, kein bisschen. Der ganze Körper voller Wunden und Narben. Man verliert Blut, Haut. Die Gefahr einer Infektion erhöht sich. Das Ganze kann zur Sucht werden. Wer dies tut, fühlt sich alleingelassen und hat zu viel verloren. Sie haben mir einen ganzen Salat an Medikamenten gegeben, aber das machte alles nur noch schlimmer.

Die IV-Rente. Es geht mir nicht gut damit. Viele Leute reagieren ganz dreckig darauf. Sie sagen: «Du lebst vom Staat, pfui!» Sie sagen es mir direkt, und ich lese solche Sätze in den Zeitungen. Wenn mich jemand nach meinem Beruf fragt, sage ich, ich arbeite im Verkauf. Was ja stimmt mit Surprise. Wie ich damit ankomme, weiss ich nicht. Da ich Autist bin, kann ich viele Dinge oft gar nicht wahrnehmen.

Aus den Selbstverletzungen fand ich 2001 wieder raus, aber ich weiss nicht genau, wie. Ich habe es selber geschafft, mit Beten und Gott.

MICHAEL HOFER, 40, verkauft seit 2006 Surprise in Zürich Oerlikon und Luzern. In der Phase der Selbstverletzung bekam er sieben verschiedene Medikamente. Er dürfe sie auch verweigern, sagte eine Mitpatientin zu ihm. Unter Medikamenteneinfluss fühlte er sich aber nicht mehr fähig, so etwas zu entscheiden.

Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.

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