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der Betagten

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bar. Alles dauerte länger, und natürlich kostete es auch mehr. «Wir konnten für einen gewissen Teil Ausfallentschädigungen geltend machen und sind mit einem blauen Auge davongekommen», sagt Trächslin.

Viele Filme zurückgehalten

Sein Produktionshaus Cineworx war im vergangenen November und Dezember auch als Koproduzent in die Dreharbeiten für den Spielfilm «Gömmer hei» der Zürcher Regisseurin Caterina Mona involviert. Drehen unter CoronaBedingungen, das heisst: «Testen, testen, testen», so Trächslin. «Jede Woche wird getestet, und auf dem Dreh gibt es eine CoronaVerantwortliche, die dafür sorgt, dass die Regeln durchgesetzt werden.» Alle tragen Maske bis und mit Stellprobe. Erst wenn die Kamera läuft, wird ohne Maske gespielt.

Drehen geht also auch in der Pandemie, aber auch hier: Der Aufwand ist grösser, die Abläufe nehmen mehr Zeit in Anspruch und werden daher teurer. Und: Es gibt keine Versicherung, die den Schaden deckt, falls es einen Krankheitsfall gibt. Jeder Dreh wird zur Frage der Risikoabschätzung.

So wird zurzeit viel weniger gedreht als üblich. Trotzdem wird es nach der Pandemie im Kino eher zum Stau als zur Flaute kommen. «2020 wurden sehr viele Filme zurückgehalten. Wenn die Einschränkungen wegfallen, wollen alle ihre Filme gleichzeitig ins Kino bringen», sagt Pascal Trächslin, der neben seiner Produktionsfirma auch einen Filmverleih betreibt. Doch solange die Kinos im Ausland zu sind, gibt es ausser Schweizer Produktionen auch hierzulande nichts zu sehen: «Ein französischer Film wird in der Schweiz nicht vor Frankreich gestartet, ein deutscher nicht vor Deutschland.»

Sogar von den Entwicklungen bei den internationalen Blockbustern ist ein ArthouseVerleih indirekt abhängig. Etliche Kinos in kleineren und mittleren Städten finanzieren sich durch die Publikumsmagneten. «Damit diese Kinos die Mischrechnung machen können, braucht es Blockbuster», sagt Trächslin. Sollten diese aufgrund von StreamingStrategien der Majors aus den Kinos verschwinden, wird es eng für viele Kinos und damit auch für die Vielfalt der kleineren Filme. «Die StreamingBestrebungen der Majors könnten sich nun tatsächlich weiter verändern. Warner hat angekündigt, seine Filme auch online zu lancieren, was zu einem grossen Aufschrei geführt hat – auch wenn es zunächst nur für 2021 gelten soll.» Trotzdem: Ein Kinostart gilt auch für einen Blockbuster nach wie vor als einzigartiges PromoInstrument. Und Trächslin glaubt daran, dass das Publikum nach dem Lockdown wieder ins Kino gehen wird. Er hat allen Grund dazu: «Wir hatten 2019 das beste Jahr unserer Firmengeschichte. Die Kinobranche serbelt meiner Meinung nach nicht.» Und an Auswahl wird es wahrscheinlich nicht mangeln.

«Apenas el Sol»

Der Kinostart von «Apenas el Sol» ist auf Herbst 2021 geplant – voraussichtlich. Buch Karl Schlögel verknüpft die Biografien zweier Parfüms zu einem spannenden Blick auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts.

«Zum Schlafen trage ich nur ein paar Tropfen Chanel N05.» Das Bonmot von Marilyn Monroe bringt all das, was sich mit diesem wohl berühmtesten Parfüm verbindet, auf den Punkt: Luxus, Glamour, Sinnlichkeit. Kaum zu glauben, dass diese westliche Status und LifestyleIkone ein kaum bekanntes östliches Pendant mit einem gemeinsamen (!) Ursprung hat: Krasnaja Moskwa, zu deutsch Rotes Moskau.

Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt der Franzose Ernest Beaux anlässlich des 300JahreJubiläums der Romanows das «Bouquet der Kaiserin Katharina II.» Als Beaux nach Frankreich zurückkehrt, nimmt er die Rezeptur mit. 1921 komponiert er daraus für Coco Chanel zehn Probedüfte. Sie entscheidet sich für die fünfte Probe – Chanel N05.

Rotes Moskau dagegen erlebt eine Zangengeburt. Nach Revolution und Kriegswirren müssen die Parfümfabriken in Russland, die einst zu den grössten und modernsten der Welt zählten, wieder mühsam aufgebaut werden. Erst 1925 entwickelt der Franzose Auguste Michel, der aufgrund unglücklicher Umstände in Moskau geblieben ist, auf der Basis derselben kaiserlichen Rezeptur Rotes Moskau, das 1927 zum zehnten Jahrestag der Oktoberrevolution in den Handel kommt.

Ihre Erfolgsgeschichten verdanken beide Parfüms zwei aussergewöhnlichen Frauen. Auf der einen Seite ist dies die schillernde Coco Chanel, die ihren Aufstieg auch reichen Liebhabern verdankt und die nach dem Zweiten Weltkrieg trotz ihrer Kollaboration mit den Nazis ein Comeback feiert. Auf der anderen Seite die weitgehend unbekannte Polina Shemtschushina (die Frau von Stalins Weggefährten Molotow), die zur Volkskommissarin aufsteigt, dann zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt wird und trotzdem bis zu ihrem Lebensende eine fanatische Stalinistin bleibt.

Der Autor Karl Schlögel bietet nicht nur viel Wissenswertes über den Aufbruch in die Moderne in der Welt der Parfüms, ihr Design, ihre Produktion und Vermarktung. Er verbindet die wechselvollen Biografien dieser Düfte auch zu einem spannenden und faktenreichen Blick auf die Geschichte dieses «Jahrhunderts der Extreme». Eines traumatischen Jahrhunderts, in dem sich die Duftnoten aus den Parfümflakons mit den Gerüchen der Schlachtfelder, der Exekutionen, Straflager und Gaskammern mischen.

«Düfte verfliegen», schreibt Schlögel. «Es gibt kein Archiv der Aromen.» Doch mit den Biografien von Chanel N05 und Rotes Moskau gelingt es ihm, diese Düfte auf eine bemerkens und lesenswerte Weise zum Leben zu erwecken.

CHRISTOPHER ZIMMER

ZVG

FOTO:

Karl Schlögel: Der Duft der Imperien

Chanel N05 und Rotes Moskau Hanser 2020, CHF 36.90

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