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Nachruf

Mohammad Daoud Haidari

1. Januar 1955 bis 17. April 2021

«Sein Stuhl, auf dem er beim Verkaufen sass, steht immer noch da vor dem Ladeneingang, und ich werde traurig, wenn ich ihn leer dastehen sehe», sagt sein Sohn Abbas. Mit ihm zusammen war Mohammad Daoud Haidari seit Juni 2018 als Surprise-Verkäufer unterwegs, im aargauischen Muri vor dem Coop und der Migros. Abbas, der Sohn, leitet für Surprise als Chancen- arbeitsplatzmitarbeiter die Heftausgabe in Aarau. Sein Vater hat das Heft gerne verkauft.

Geboren wurde Mohammad in Afghanistan, seit neun Jahren wohnte er mit seiner Frau und den vier Kindern in Aristau. «Mein Vater liebte Fussball», sagt Abbas. «Und insbesondere war er Fan des FC Muri.» Jedes Wochenende spielten sie zusammen Fussball. «Mein Vater war mein Held. Er stand wie ein Krieger vor uns, seiner Familie, und hat sich sowohl im Iran als auch hier für uns eingesetzt, um uns durchzubringen.»

Mohammad war ein sehr kontaktfreudiger Mensch, und entsprechend mochten ihn seine Kund*innen. Kam Abbas in den letzten Tagen und Wochen an seinem Verkaufsort vorbei, sprachen ihn die Leute an, sie wollten wissen, wo der Vater sei – und mussten erfahren, dass er an Covid-19 gestorben ist. Mohammad hatte viele Stammkund*innen und stand jeden Tag an seinem Verkaufsort. Es bedeutete für ihn, ein Teil der Gesellschaft zu sein. «Dadurch bekam er eine innere Zufriedenheit und Anerkennung, das machte ihn sehr glücklich», sagt seine Tochter. Er konnte die Familie damit finanziell unterstützen und sich selbst ab und zu was gönnen. Die halbe Stunde von Aristau nach Muri ist er jeweils geradelt, auch bei Wind und Wetter.

Mohammad Daoud Haidari kam 1955 zur Welt, sein genaues Geburtsdatum weiss niemand genau, und wie bei vielen geflüchteten Menschen wurde es dann in der Schweiz offiziell auf den 1. Januar festgelegt. Geboren wurde er in Kabul, Afghanistan, wo er später als Elektroingenieur arbeitete. Wegen des Bürgerkriegs flüchtete er im Alter von 22 Jahren in den Iran. «Er hat sein Herkunftsland geliebt», sagt sein Sohn, «aber er musste ins Militär, als junger Mann mit Frau und zwei Kindern. Er wurde dort schikaniert, lief aus dem Militär weg und floh in den Iran.» Seine Frau und Kinder kamen drei Jahre später nach. Zwei weitere Kinder kamen im Iran zur Welt. Mohammad arbeitete in Tehe- ran illegal als Blumenverkäufer – später zusammen mit dem Sohn. «Als Geflüchteter im Iran hast du keine Bildungschancen», sagt Abbas. «Du bist ein Mensch zweiter Klasse, du musst dich verstecken vor der Polizei, du hast keinen Pass. Wir Kinder konnten nicht zur Schule. Die Iraner*innen sind die Privilegierten, und wir waren die Unterdrückten.»

Mohammad wollte für seine Kinder eine bessere Welt und mehr Chancen im Leben. So floh er 2012 mit der Familie in die Schweiz. «Er erzählte uns oft von Afghanistan, von seiner Kindheit und der Zeit im Militär, die sehr schlimm war. Er hatte Sehnsucht nach seinem Land.» Abbas und seine Schwester kennen die Heimat ihres Vaters nicht. Sie studiert nun in der Schweiz: «Das wäre im Iran nie möglich gewesen.» Mohammads grösster Wunsch war es, die B-Bewilligung zu bekommen, um noch einmal nach Afghanistan reisen zu können. Doch dann kam die Covid-19-Pandemie. Mohammad erkrankte schwer und verstarb im April im Alter von 66 Jahren.

In Muri steht nun ein leerer Stuhl. Der Mann, dem er gehörte, hinterlässt eine schmerzliche Lücke. Er war eine Bereicherung für Surprise. Wir behalten Mohammad als sehr charmanten, humorvollen, grossväterlichen Mann mit warmen Augen in Erinnerung.

ZVG FOTO:

«Mein Vater war mein Held», sagt sein Sohn Abbas. Mohammad Daoud Haidari verkaufte Surprise im aargauischen Muri, nun ist er mit 66 Jahren gestorben.

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