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Der Lehrer Jean Adamski (Antoine Reinartz) wird zu einer wichtigen Person für den zehnjährigen Johnny (Ilario Gallo). Wenn er nicht in der Schule ist, kümmert er sich – während die Mutter arbeitet – um seine jüngere Schwester.

Kein Raum zum Träumen

Kino Das Gefühl sozialer Zugehörigkeit wird einem Kind schon früh vermittelt –was es wagen darf und was nicht. Samuel Theis gibt in seinem neuen Film «Petite Nature» einen Einblick in den Alltag einer prekarisierten Familie.

TEXT GIULIA BERNARDI

«Wo seht ihr euch in 20 Jahren?», fragt Lehrer Jean Adamski seine Klasse am ersten Schultag. Die Antworten füllen den Raum: am Strand in Miami leben, eine Familie haben, Polizistin in Dubai werden. «Warum Dubai?» fragt der Lehrer. «Weil es schön ist.» Dann ist der zehnjährige Johnny an der Reihe. «Und was ist dein Traum?» Johnny schweigt, überlegt. «Ich weiss es nicht.»

Schon in den ersten Szenen von «Petite Nature» wird spürbar, dass sich die Lebensrealität des jungen Protagonisten grundlegend von jener der übrigen Kinder unterscheidet. Während die anderen Platz zum Träumen haben, kümmert sich Johnny um seine jüngere Schwester. Er wäscht ihr in der Badewanne die langen braunen Haare und zieht ihr frühmorgens die glitzernden Schuhe an, die sie so mag, bevor sie gemeinsam zur Schule laufen. Ihre Mutter ist alleinerziehend und nur selten anwesend, sie versucht den Lebensunterhalt in einem kleinen Tabakladen an der deutsch-französischen Grenze zu verdienen.

In «Petite Nature» wird den Zuschauer*innen vor Augen geführt, wie früh sich das Gefühl sozialer Zugehörigkeit entwickelt. Johnny verinnerlicht dieses Gefühl zunehmend, dazu tragen die Erwartungen und Vorurteile seines Umfeldes bei. «Setzen Sie ihm keine Flausen in den Kopf», erwidert die Mutter auf das Lob des Lehrers, dass Johnny ein talentiertes Kind sei. «Ich möchte nicht, dass er enttäuscht wird.» Der Dialog ist aufgeladen, Ausweglosigkeit und Scham für die eigene Lebensrealität kommen darin zum Ausdruck. Denn unweigerlich bemerkt Johnny im Verlauf des Filmes den musternden Blick der Nachbarin, wird mit dem Gelächter anderer Kinder konfrontiert. «Warum kaufst du nicht die echte Cola?», fragt er seine Mutter beim Abendessen. «Haben wir nicht genug Geld? Warum sitzen alle nur herum und warten, dass die Zeit vergeht?» Wütend wirft er seinen Stuhl um, während seine Mutter ihn nachdenklich anschaut und schweigt, weil sie keine Worte findet.

Die Resignation der Mutter

Ähnliche Verhältnisse hat Regisseur Samuel Theis selber erlebt. Im französischen Forbach aufgewachsen, wo der Film gedreht wurde, schloss er die Schule ab, um danach Regie in Paris zu studieren. «Schon als kleiner Junge spürte ich die Resignation meiner Mutter», erinnert er sich. «Als mir bewusst wurde, dass ich den Ort verlassen musste, um nicht selbst aufzugeben, war ich zehn Jahre alt.» Seine familiäre Situation thematisierte Theis schon in seinem ersten Film «Party Girl», in dem seine damals

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