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Pörtner in Münsingen
Surprise-Standort: Gemeindeverwaltung
Einwohner*innen: 13 054
Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 12,3
Sozialhilfequote in Prozent: 2,8
Anzahl Vereine: 104
In Münsingen findet sich eine Schlosshalde, ein Schlossgut und eine Schlossstrasse, letztere führt, leicht zu erraten, zum Schloss Münsingen. Für den einstigen Sitz reicher und mächtiger Menschen ist es ein vergleichsweise bescheidenes Gebäude. Hierzulande stehen Oligarchen-Villen, die deutlich grösser und prächtiger sind. Dafür verfügen sie kaum über einen holzgedeckten Veloparkplatz, der historisch anmutet, was er natürlich nicht ist. Umgeben ist das Schloss von schönen alten Häusern, der ortsunkundige Laie glaubt einen sich anbahnenden Emmentalerhaus-Stil zu erahnen, Riegel- und Holzhäuser mit tief herabgezogenen Dächern. Im das Schloss umgebenden Park weiden jedoch keine Kühe, sondern Lamas, und im Hintergrund sind keine Berge, sondern ist eine Blocksiedlung zu sehen.
Sehr präsent ist die Jugendfachstelle, sie wirbt mit einer Jugend-App, ihr umfangreiches Monatsprogramm ist angeschlagen, weiter vorne, auf dem Dorfplatz, steht der stattliche Pavillon der Kinder- und Jugendfachstelle Aaretal; Jugendliche können als Hilfen im Alltag engagiert werden, was den Zusammenhalt der Generationen fördert.
Dass Münsingen im Umbruch ist, zeigt sich an dem Platz, auf dem der Pavillon steht. Er wird umgebaut, etwas verloren steht noch eine Art überdimensionierte Weihnachtslaterne herum, obwohl die Festtage längst vorbei sind. Verschiedene Plakate informieren zum Thema «Stadt werden – Dorf bleiben», eines davon spricht von der Quadratur des Kreis(els). Tatsächlich ist dieser nicht ganz übersichtlich, mit blauen Streifen versehen, deren Bedeutung sich den Besucher*innen nicht gleich erschliesst. Darf, soll, kann man hier einfach die Strasse überqueren? Um zu schauen, wie es die Einheimischen tun, kann man vor dem Schaufenster der Boutique «Mannesach» verweilen. Hier wird die Frage «Bräutigam?» mit «Bräutigam!» beantwortet. Dahinter ist ein schwarzes Damenkleid ausgestellt, eine mit legerer Freizeitbekleidung ausgestattete männliche, gesichtslose Schaufensterpuppe dreht den Kopf nach ihm um. Weitere Damen- und Herrenmode gibt es in der Boutique Kaktus oder bei Schnyder Jeans&Tops, das mit dem Slogan «Wir haben Jeans für jedes Füdli» wirbt. Das klingt ungleich freundlicher als «für jeden Arsch», obwohl es eigentlich dasselbe bedeutet. Auf der Reklametafel ist zudem der Aushang für ein Country-Music-Festival im Schlossgut Münsingen angebracht, das im Frühling bereits zum 15. Mal stattfinden wird.
In einem Pavillon aus Holzriegeln und Glasscheiben sind Gehhilfen, Rollstühle und ein Spitalbett ausgestellt, daneben wurden alte Pizza-Kartons deponiert. Die Pizzeria befindet sich ein paar Häuser weiter, neben dem Bike Shop, in dem es auch Kaffee gäbe, wäre er nicht gerade geschossen. Die alten traditionellen Gebäude beherbergen durchaus moderne Geschäfte, etwa eine Handy- und Computerklinik. Vor den Wohnhäusern stehen Holzbänke und bauchige Mostflaschen, auf den gedeckten Gängen sind Velos zu erkennen. Auch ein Sonnenstudio gibt es, und das läuft wahrscheinlich nicht schlecht, solange das Wetter bleibt, wie es ist.
Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.