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«Ich telefoniere täglich mit den Kindern»

«Ich komme aus einem kleinen Ort im Westen von Rumänien, Timișoara ist die nächstgelegene grosse Stadt. Von meinem Land kenne ich eigentlich fast nur diese Region, denn meine Familie hatte nie viel Geld. Ferien am Schwarzen Meer oder eine Reise in die Hauptstadt Bukarest, das lag nicht drin. Weil das Geld immer knapp war und es in Rumänien zu wenig Arbeit gab, entschieden meine Eltern irgendwann, mit mir und meinen beiden Schwestern nach Italien zu ziehen. Wir lebten einige Jahre in Genua, wo wir Mädchen zur Schule gingen. Bis heute spreche ich deshalb fliessend und gerne Italienisch. Leider zeigte sich aber mit der Zeit, dass mein Vater auch in Italien nicht genug Geld für die Familie verdienen konnte, und wir kehrten zurück nach Rumänien.

Mein Vater war so ein guter, lieber Mensch. Er hat alles für uns gemacht. Er wollte immer gut für die ganze Familie sorgen, für seine Töchter, seine Frau, seine Mutter, seine Enkel. Doch am Ende wurden die Sorgen und Probleme, die wir in Rumänien wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation hatten, zu viel für ihn. 2018 starb er an einem Herzinfarkt.

Zuhause in Rumänien habe ich drei Kinder im Alter zwischen acht und vierzehn Jahren, zwei Buben und ein Mädchen; ich sorge ganz alleine für sie. Der Vater der Kinder hat uns vor vielen Jahren verlassen. Wir haben keinen Kontakt mehr zu ihm, ich weiss nicht, wo er ist. Als ich im Herbst 2020 über eine Kollegin in der Schweiz eine Stelle als Lagermitarbeiterin bei einem Online-Kleiderhändler angeboten bekam, liess ich die Kinder schweren Herzens bei meiner Mutter zurück und zog hierher.

Die Arbeit in der Corona-Zeit, wo so viel bestellt und wieder zurückgeschickt wurde, war extrem anstrengend. Nach zehn Monaten hatte ich solche Rückenschmerzen, dass ich ein paar Wochen pausieren und in die Physiotherapie gehen musste. Als ich schliesslich wieder einsteigen wollte, erhielt ich die Kündigung. Das war schlimm für mich, denn ich war ja in die Schweiz gekommen, um von hier aus meine Familie zu ernähren.

Zum Glück erzählte mir damals eine Freundin von Surprise. Ich meldete mich dort und konnte schon bald in Herzogenbuchsee, ganz in der Nähe von meinem Wohnort, mit dem Heftverkauf anfangen.

Wieder Geld verdienen, nicht mehr zuhause sitzen und ausserdem viele nette Menschen kennenlernen – das hat mein Leben ganz schnell wieder besser gemacht. Ich bin sehr dankbar für all die Kontakte zu den Leuten, die im Coop arbeiten, zu meiner

Kundschaft, aber auch zum Team von Surprise, das mir zum Beispiel schon bei der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung oder beim Lösen des Halbtax-Abonnements geholfen hat.

Obwohl mir der Verkauf von Surprise wirklich sehr viel gibt und hilft, suche ich natürlich nach wie vor eine Festanstellung. Mit einem besseren und regelmässigeren Einkommen könnte ich es mir öfter leisten, meine Kinder und meine Mutter in Rumänien zu besuchen. Ich habe sie seit mehr als einem halben Jahr nicht gesehen. Wobei, das stimmt nicht ganz, ich ‹sehe› sie beim Telefonieren fast jeden Tag auf dem Handy, was uns alle ein bisschen tröstet. Wäre ich wieder einmal zuhause, würde ich auch schauen, dass sich meine Mutter untersuchen lassen kann. Es geht ihr nicht gut, wir wissen nicht, was sie hat. Aber ohne Geld ist ein Arztbesuch in Rumänien schwierig, Behandlungen muss man immer gleich sofort bezahlen.

Ich bin zuversichtlich, dass ich bald wieder eine feste Arbeit habe, in einem Lager oder in der Produktion. In Rumänien habe ich in der Reinigung gearbeitet. Auch die Arbeit mit Kindern oder älteren Menschen gefällt mir, ich kann mich auf Deutsch auch schon recht gut verständigen. Früher, in Rumänien, hatte ich eine Zeitlang in der Schule Deutsch, das meiste habe ich jedoch in den letzten zwei Jahren hier gelernt. An einem Kiosk arbeiten, das wäre perfekt, dann hätte ich wie jetzt bei Surprise regelmässig Kundenkontakt.»

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