Quereinsteiger - Leitfaden für Betriebe

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Personal gewinnen und begeistern Quereinstieg ins Bäckerhandwerk

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1. Wer wagt, gewinnt Quereinsteiger/innen setzen Akzente! Profitieren Sie von individuellen Berufserfahrungen und Lebenswegen potenzieller Fachkräfte. Mittlerweile ist das Thema Quereinstieg in vielen Branchen angekommen und die Unternehmen bemühen sich verstärkt, Interessentinnen und Interessenten aus anderen Bereichen zu rekrutieren. Das Bäckerhandwerk sieht in diesem Zusammenhang eine große Chance und wirft einen Blick auf die Zielgruppe der Quereinsteiger/innen, zumal sich dadurch ein besonderer Akzent in Bezug auf die Vielfalt in der Nachwuchsarbeit und Fachkräftesicherung setzen lässt. Dieser Leitfaden für Betriebe soll in das Thema einführen und gibt Ihnen als Innungsbäcker einen Überblick über die wichtigsten Fragestellungen. Wie kann ich Quereinsteiger/ innen in mein Unternehmen integrieren und was sollte ich dabei beachten? Was sind die wesentlichen Unterschiede zu klassischen Werdegängen und wie kann der Übergang in eine qualifizierte Tätigkeit gelingen? Die Möglichkeiten gestalten sich dabei so individuell wie die beruflichen Laufbahnen und Lebenswege der jeweiligen Kandidatinnen und Kan-

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didaten. Hier gilt es, Vorerfahrungen und Stärken zu nutzen, um den richtigen Weg in das Handwerk zu definieren. Als praktisches Beispiel wird in Ergänzung dazu ein Innungsbetrieb vorgestellt, der besonders viel Erfahrung im Bereich des Quereinstiegs hat und interessante Einblicke gewährt, die Sie auch auf Ihren eigenen Personalbedarf übertragen können.

Hinweis In der Reihe „Leitfäden für Betriebe“ stehen Ihnen im geschützten Mitgliederbereich des Weiteren Broschüren zum Thema „gute Ausbildung“ und „Flüchtlinge“ zur Verfügung, die Sie als Innungsbetrieb auf der Website des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks kostenfrei herunterladen können: www.baeckerhandwerk.de/leitfaeden


2. Quereinstieg ins Bäckerhandwerk Es gibt sehr unterschiedliche Gründe, warum sich Menschen für den Wechsel in eine andere Branche entscheiden. Wirtschaftliche Umstände, die falsche Berufswahl, der Wunsch nach einer neuen Herausforderung oder der Wiedereinstieg in einen Job (z. B. nach einer Elternzeit) sind häufige Motive. Viele Quereinsteiger/innen haben bereits eine andere Ausbildung absolviert und in dem jeweiligen Bereich gearbei-

tet. Aber auch ehemalige Studentinnen und Studenten, die während ihrer Studienzeit bemerkt haben, dass sie lieber etwas Praktisches machen wollen, sind keine Seltenheit. In dieser Hinsicht sind Abiturientinnen und Abiturienten ebenfalls eine interessante Zielgruppe um Fachkräfte zu sichern. Darüber hinaus sind auch Bewerber/innen ohne berufliche Vorbildung vertreten.

Einstiegsmöglichkeiten Aushilfsjobs, Nebenjobs Eine gute Gelegenheit, um in das Bäckerhandwerk einzusteigen, ergibt sich aus Aushilfsjobs und Nebentätigkeiten. Schüler/innen und Studierende verdienen sich nebenbei gern ein Taschengeld dazu bzw. stocken ihren Lebensunterhalt auf. Daraus kann sich die Idee entwickeln, im Verkauf oder in der Produktion eine Ausbildung zu beginnen. Beispiel: Eine Studentin finanzierte sich ihr Studium unter anderem durch einen Nebenjob als Verkäuferin in einer Bäckereifiliale. Im Laufe der Zeit merkte sie, dass ihr die Arbeit mit Lebensmitteln mehr Spaß macht als das theoretische Lernen am Schreibtisch. Und noch mehr als der Verkauf reizte sie dabei die handwerkliche Arbeit in der Backstube. Also entschied sie sich, voll einzusteigen und eine Ausbildung zur Bäckerin zu beginnen, die sie durch ihr Abitur verkürzen konnte. Inzwischen ist sie fertige Gesellin und strebt die Meisterausbildung an.

Direkteinstieg Eine weitere Möglichkeit ist der Einstieg über eine Vollzeittätigkeit ohne Vorerfahrung, beispielsweise im Verkauf. Hier bieten sich ebenfalls Chancen, im Bäckerhandwerk anzukommen und sich eine berufliche Perspektive aufzubauen.

Beispiel: Eine gelernte Grafikerin arbeitet nach dem Abschluss in ihrem ausgebildeten Beruf. Die Branchensituation in ihrer Region entspricht nicht ihren Wünschen, nach einigen Jahren fängt sie an, sich neu zu orientieren. Per Zufall entdeckt sie eine Anzeige für eine Verkaufstätigkeit in einer Bäckereifiliale und bewirbt sich. Nach zwei Jahren Arbeit im Verkauf, einer kurzzeitigen Urlaubsvertretung in der Personalabteilung und durch verschiedene Zusatzqualifikationen und Schulungen steigt sie zur Filialleitung auf. Heute arbeitet sie als Bezirksleiterin und ist verantwortlich für elf Filialen und rund 160 Mitarbeiter/innen.

Tipp Weisen Sie in Ihren Stellenanzeigen auch darauf hin, dass Quereinsteiger/innen für die jeweilige Position geeignet und in Ihrem Unternehmen willkommen sind. Nutzen Sie für Ihre Ausschreibungen die Stellenbörse des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks: www.baeckerhandwerk.de/mitgliederservice/ stellenboerse Ihre Anzeige wird auf dem Stellenfinder der Nachwuchswebsite von „Back dir deine Zukunft“ und auf Wunsch auch auf den Seiten der Agentur für Arbeit ausgespielt.

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Qualifikation und Weiterbildung Einarbeitung

Weiterbildung intern

Eine fundierte und systematische Einarbeitung ist grundsätzlich für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter zwingend notwendig, insbesondere für Quereinsteiger/innen. Denn jede/r neue Mitarbeiter/in soll letztlich in die Lage versetzt werden, selbstständig und eigenverantwortlich alle Aufgaben zufriedenstellend zu bearbeiten.

Einige größere Betriebe mit überdurchschnittlich vielen Verkaufsstellen und Angestellten haben interne Schulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten geschaffen, um ihrem Personal zusätzliche Qualifikationen und Know-how anbieten zu können. Dies können z. B. Produktschulungen, Warenpräsentationsschulungen oder Verkaufsschulungen sein. Falls Sie in Ihrem Unternehmen über eine solche Infrastruktur verfügen, lohnt es sich, auch die Quereinsteiger/innen in solche Programme einzubinden und sie nach und nach zu qualifizieren.

Hinweis In dem „Leitfaden zur Einführung und Einarbeitung neuer Mitarbeiter/innen“ der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg werden die wichtigsten Maßnahmen zur Einführung und Einarbeitung beschrieben, die auch Sie nutzen können: www.bit.ly/UNI-Halle-Einarbeitung

Wer einfache Hilfstätigkeiten ausübt oder beispielweise als ungelernte Kraft im Verkauf arbeitet, kann sich mit Schulungen und Fortbildungen weiterentwickeln.

Weiterbildung extern Falls Sie als Betrieb nicht über die Möglichkeit einer internen Fortbildung verfügen, können Sie beispielsweise die Schulungsangebote der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk (ADB) nutzen. Die Akademie Deutsches Bäckerhandwerk umfasst die Bundesakademie in Weinheim, sieben Landesakademien in Hannover, Berlin, Dresden, Olpe, Karlsruhe, Stuttgart und Lochham (bei München) sowie sämtliche Bildungs- und Beratungsangebote der 16 Landesinnungsverbände und des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks. Sie bietet unter anderem spezielle Seminare für Quereinsteiger/innen, in denen die Grundlagen des Handwerks in der Produktion und im Verkauf vermittelt werden. Eine Übersicht über alle aktuellen Seminare aller ADB-Fachschulen finden Sie hier: www.akademie-baeckerhandwerk.de/seminare

Ausbildung Die Möglichkeit einer betrieblichen Ausbildung steht interessierten Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern ebenfalls offen. Dabei lohnt es sich, abzuwägen, ob man mit Arbeitserfahrung und Weiterbildungen zum persönlichen Ziel gelangt oder aber eine Ausbildung bevorzugt. Als Quereinsteiger/in mit entsprechender Vorbildung (z. B. mit Abitur oder einer bereits absolvierten Ausbildung in einem völlig anderen Bereich) lässt sich die Ausbildungszeit verkürzen.

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3. Best Practice: Malzers Backstube Wir stellen oft fest, dass Mitarbeiter/innen dankbar sind für die Chance, die wir ihnen hier bieten.“ – Sandra Eichhorn, Personalleiterin Malzers Backstube

„Von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern erhalten wir häufig ganz neue Impulse. Sie bringen viel Erfahrung aus ihrem bisherigen Berufsleben mit, und das kann uns nur zuträglich sein“, erklärt Sandra Eichhorn, die Personalleiterin von Malzers Backstube. Malzers Backstube aus Gelsenkirchen ist im Ruhrgebiet fest verwurzelt und hat rund 150 Filialen zwischen Duisburg und Dortmund. Viele Filialen bedeuten natürlich auch viele Mitarbeiter/innen – tatsächlich sind es aktuell fast 2500 im gesamten Unternehmen. Qualität findet man dabei nicht nur in den berühmten „Goldbrötchen“ von Malzers, sondern auch in der Mitarbeiterführung. Das hat auch das Wirtschaftsmagazin Focus Money erkannt und den Bäckereibetrieb zum „Besten Arbeitgeber 2017“ in der Kategorie mittelgroße Unternehmen gekürt.

Über den Tellerrand blicken Gleichzeitig hat Malzers den Anspruch, sich nicht auf Auszeichnungen auszuruhen. Das Unternehmen interessiert sich dafür, wer die Mitarbeiter/innen sind und was sie bewegt. Aktuell wurde dazu ein neues Unternehmensleitbild geschaffen, und zwar direkt von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich für dieses Projekt melden konnten und in verschiedenen, wechselnden Arbeitsgruppen Ideen und Visionen entwickelt haben, die sie schließlich zu einer gemeinsamen Wertedefinition zusammenführten. Diese Offenheit für neue Wege zeigt sich nicht nur in der Haltung gegenüber der bestehenden Belegschaft, sondern auch gegenüber jedem/jeder Einzelnen, der oder die neu

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hinzukommt. Zurzeit arbeiten ca. 40 % Quereinsteiger/innen im Betrieb. Sie sind hauptsächlich als Hilfskräfte in den Produktionsabteilungen tätig. Im Verkauf haben rund ein Drittel der Teilzeit- und Vollzeitkräfte einen Hintergrund als Quereinsteiger/in. Die Tendenz ist steigend. Woher diese Tendenz kommt, kann Sandra Eichhorn erklären: „Es ist schwieriger geworden, gelernte Kräfte zu beschäftigen und für uns zu gewinnen. Die Ursache liegt meiner Meinung nach im gesellschaftlichen Wandel und der Annahme, dass alle studieren müssten. Viele Jugendliche machen mit Ach und Krach ihr Abitur, wollen unter allen Umständen studieren und sehen dabei oft nicht, dass es etwas anderes als ein Studium gibt. Gerade diejenigen, die sich im theoretischen Teil eher schwertun, haben im Handwerk sehr gute Chancen, weil sie ihre Stärken, nämlich das praktisches Arbeiten, einbringen können.“ Als gelernte Pädagogin weiß Sandra Eichhorn, dass Jugendliche gemäß ihren Stärken eingesetzt werden und ein Gespür dafür bekommen sollten, was ihre eigenen Stärken sind.

Der Einstieg will gelernt sein Darum geht es auch bei Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern. Denn diese haben ihre Stärken und Ressourcen bisher woanders eingesetzt und können dadurch ganz neue Impulse und Erfahrungen in den neuen Job einbringen. „Wir stellen fest, dass viele Quereinsteiger/innen eine unheimlich große Lernbereitschaft haben“, erzählt Sandra Eichhorn. „Die haben schon mal einen Sockel, ein Fundament, und da können wir dann aufsetzen. Hinzu kommt

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dann oft das Alter, einige sind ja schon ein, zwei Jährchen älter – da macht es auch wirklich Sinn und Spaß, mit diesen Menschen zusammenzuarbeiten.“ Bevor es zu Erfolgsgeschichten kommt, steht am Anfang der Start in die neue Arbeitswelt mit neuen Aufgaben. Dafür gibt es bei Malzers Backstube eine recht ausgefeilte Einarbeitungsphase, bei der die individuellen Lernstände berücksichtigt werden.

„Nichts ist unangenehmer, als ins kalte Wasser geschubst zu werden.“ – Sandra Eichhorn Die Einarbeitung dauert vier Wochen und kann um weitere vier Wochen verlängert werden. Am Ende der Einarbeitung steht das Ziel, sagen zu können: „Wir haben da einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin gefunden, der oder die gut eingearbeitet worden ist und auch wirklich die Sicherheit hat, sich in der Filiale wohlzufühlen und zu wissen, was zu tun ist.“ Sandra Eichhorn betont: „Nichts ist unangenehmer, als ins kalte Wasser geschubst zu werden und nicht schwimmen zu können – das wissen wir alle. Wir möchten das gern vermeiden. Und deswegen gibt es auch diese klaren Einarbeitungspläne, auf die wir sehr viel Wert legen.“ Nach der Einarbeitung kann es dann für die frisch angelernten Mitarbeiter/innen losgehen. Sie können in den Bereichen, für die sie zuständig sind, ihr Wissen praktisch umsetzen. Wer möchte, kann sich dann auch für eine Ausbildung entscheiden. Dies ist bei Malzers aber nicht zwingend. Denn


es sei am wichtigsten, dass eine Erprobung in der Praxis stattfinde. Dort könne man immer viel lernen und erfahren. Warum Malzers nicht explizit verlangt, dass eine Ausbildung nachgeschoben wird, oder warum manche Menschen keine Ausbildung machen möchten, kann Sandra Eichhorn erklären: „Da steckt häufig Prüfungsangst dahinter, oder dass jemand nicht so gut lesen und schreiben kann. Es können ganz verschiedene Motive sein. Auf die möchten wir gern Rücksicht nehmen und nicht wie im Schulsystem die Schraube anziehen und erwarten, dass eine Prüfung absolviert wird.“

Perspektiven für alle Grundsätzlich gelten für alle die gleichen Voraussetzungen, beispielsweise im Verkauf. Ein guter Servicegedanke und ein gepflegtes Erscheinungsbild sind Sandra Eichhorn in diesem Bereich wichtig: „Das sind die Voraussetzungen, die auch jemand mitbringen kann, der oder die den Beruf nicht gelernt hat. In der Backstube ist es die Bereitschaft zur Nachtarbeit.“

Hinweis Auch in Bezug auf eine Ausbildung gilt der Grundsatz der gleichen Chancen. Unter Umständen kann eine Ausbildung bei entsprechender schulischer oder beruflicher Vorbildung schneller absolviert werden. Insgesamt kommen Quereinsteiger/innen aber in den vollen Genuss der Ausbildung.

„Es lohnt sich, Menschen eine Chance zu geben, es lohnt sich, Menschen einzuladen, Teil eines Teams zu sein.“ – Sandra Eichhorn Nach gelungenem Einstieg möchten sich manche Mitarbeiter/innen weiterentwickeln und die Karrieremöglichkeiten im Bäckerhandwerk nutzen. Auch für diese Wünsche hat Malzers Lösungen parat. Für Quereinsteiger/innen bestehen keine schlechteren Karrierechancen als für Mitarbeiter/innen, die eine Ausbildung absolviert haben. „Für alle

gilt die gleiche Messlatte, und zwar die Beurteilung nach erbrachter Leistung. Das ist uns sehr wichtig“, erklärt Sandra Eichhorn. „Denn wir möchten niemanden verschrecken, sondern wir möchten Menschen einladen, bei uns zu arbeiten, und wir möchten gute Mitarbeiter/innen einladen, bei uns Karriere zu machen.“ Insgesamt kann Sandra Eichhorn jeden Interessenten und jede Interessentin ermutigen, ins Bäckerhandwerk einzusteigen, und jeden Betrieb, sich auf das Thema Quereinstieg einzulassen: „Es lohnt sich! Es lohnt sich, Menschen eine Chance zu geben, es lohnt sich, Menschen einzuladen, Teil eines Teams zu sein. Und es lohnt sich auch wirklich, im Handwerk zu arbeiten. Das Handwerk ist ein super Zug, auf den man aktuell aufspringen kann und wo es Karrierechancen und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt.“ Sie ergänzt: „Mein Tipp lautet, offen zu sein, es ehrlich zu meinen und ein gutes Auge zu haben. Denn bei der Betreuung der Quereinsteiger/innen lohnt es sich auch, darauf zu achten, welche Stärken und Potenziale jemand hat und was man daraus machen kann.“

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Kontakt Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V. Neustädtische Kirchstraße 7a 10117 Berlin E-Mail: zv@baeckerhandwerk.de Tel.: 030 / 20 64 55-0 Fax: 030 / 20 64 55-40 www.baeckerhandwerk.de

Die Inhalte des Leitfadens sind auf dem Stand von Mai 2018 und können dauerhaft keine Aktualität garantieren. Falls Sie sich zu einem späteren Zeitpunkt erneut informieren möchten, steht Ihnen online als Ergänzung stets ein aktueller Leitfaden zur Verfügung:

www.baeckerhandwerk.de/leitfaden-quereinstieg


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