THE ARCTIC LIFEST YLE MAGAZINE
SchwedischLappland w i n t e r /s o m m e r | w w w. s w e d i s h l a p l a n d . d e
UNSERE KÃœCHE / 26
Geschmack der Sonne M I T T E R NAC H T S S ON N E / 4 4
Tage ohne Ende HUSKYS / 36
Starke Freunde JOKKMOKK / 16
Markt der Traditionen 8 JA H R E S Z E I T E N / 4 0
Der samische Kalender NORDLICHT / 32
Arktische Magie
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Foto: Cody Duncan
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Das magische Nordlicht sieht man nicht nur im Winter bei Schnee: Die Saison dauert von Ende August bis Mitte März. Deshalb können Angler, Wanderer und Radfahrer das Phänomen ebenso bewundern wie Schlittschuhläufer, Ski- und Hundeschlittenfahrer. Und im Herbst sind die Nordlichtgegenden sogar noch besser zugänglich. 2
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karte Schwedisch Lappland Sápmi Die Region präsentiert den schwedischen Teil der Arktis, die sich über weitere sieben Länder erstreckt: Alaska, Grönland, Norwegen, Finnland, Russland, Kanada und Island. Kuriose Fakten zu den Breitengraden bekannter internationaler Destinationen: • Whistler in Kanada und Frankfurt in Deutschland, 50° • Hokkaido in Japan und Rom in Italien, 43°
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uf hundert oder noch mehr Arten könnten wir definieren, was die Region Schwedisch Lappland ausmacht: die Berge, der Wald, die Moore und die großen Flüsse, die zum Meer und zu den Schärengebieten strömen. Die Menschen, die hier wohnen, und die endlosen, unbesiedelten Weiten. Die Kunst, die Musik und die Literatur. Die Kulturlandschaft und die Tierwelt. Der arktische Alltag definiert wiederum uns, die hier leben. Die Jahreszeiten, die großen Entfernungen und das Klima haben nicht nur besondere Lebensgewohnheiten hervorgebracht, sondern auch eine Lebensform, bei der die Natur in hohem Maße zu einer Art Religion geworden ist. Gewiss, für manche sind die geografischen Linien, die irgendein König vor Hunderten von Jahren aufgezeichnet hat, wichtiger als der Charakter der Landschaft, ihr inneres Wesen. In unserer Definition dagegen soll es um so etwas wie die arktische Seele gehen. Aber was ist das? Hier wohnte eine Urbevölkerung, lange bevor der schwedische König die Grenzen seines Steuereinzugsgebiets nach Norden verschob. Die königlichen Beamten nannten jene Ureinwohner »Lappen«, aber sie waren Samen und hatten ihrem Land den Namen Sápmi gegeben. Es war ein Land ohne Grenzlinien, das sich über die gesamte Nordkalotte erstreckt: vom äußersten Norden Norwegens über Nordschweden und Nordfinnland bis zur russischen Halbinsel Kola reicht dieses Sápmi. Heute nennt man dieses Gebiet auch das »Arktische Europa«. Es ist ein Teil der Welt, der als Spielball der Großmächte, als Spekulationsobjekt für ausländische Investoren und Oligarchen immer interessanter wird. Natürlich ist die Destination Schwedisch Lappland längst ein wichtiger Teil des globalen Reisenetzes, aber es hat sich dort schon seit prähistorischer Zeit ein Schmelztiegel der Kulturen herausgebildet. Wegen unserer Nachbarn im Osten und Westen – Finnisch Lappland und Nordnorwegen – sind wir außerdem die einzige schwedische Region mit zwei Ländergrenzen. Und irgendwo an diesem kulturellen Schnittpunkt befindet sich das, was wir als einzigartigen Lebensstil definieren möchten. Zwischen klappernden Rentierhufen, demagogischen Predigten und undichten Blockhütten ist etwas wirklich Spannendes herangewachsen: ein arktischer Alltag und eine naturnahe Lebensweise, die wir gern mit anderen teilen möchten. Wir leben unser Leben unter Nordlicht und Mitternachtssonne, zwischen Hagel, Kriebelmücken, Schneematsch und Sonnenschein. Wir trocknen im Frühjahr unser Fleisch, räuchern im Sommer unseren Fisch und kochen das ganze Jahr unseren Kaffee auf offenem Feuer. Und in den Kaffee tunken wir unseren »Kaffeekäse«, der so herrlich zwischen den Zähnen quietscht, wenn man darauf kaut. Für uns ist Schwedisch Lappland weniger eine Gegend als eine Daseinsform. Oder auch: eine Art zu leben. /RED. 3
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Foto: Carl-Johan Utsi
Foto: Andy Anderson
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Foto: Massa Media/Svt
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Foto: Peter Rosén
Foto: Andy Anderson
32 T H E A RC T IC L I F E ST Y L E M AGA Z I N E The Arctic Lifestyle Magazine ist ein unabhängiges Produkt, hergestellt und produziert vom Swedish Lapland Visitors Board, dem regionalen Repräsentanten für die Tourismusförderung in Schwedisch Lappland, Schwedens nördlichster Destination. Von einzelnen Autoren geäußerte Meinungen müssen nicht mit denen der Redaktion übereinstimmen. Die Publikation wird aus dem regionalen Strukturfondsprojekt Destination Capacity Building in Swedish Lapland finanziert. REDAKTION Swedish Lapland Visitors Board in Zusammenarbeit mit dem regionalen Korrespondentennetzwerk. Kontakt: redaktionen@swedishlapland.com TITEL Ellinor und Jonna beim Winterspaß in Särkimukka mit den Schlittenhunden von Explore the North. Foto: Andy Andersson. Mehr über Hundeschlittenfahrten auf den Seiten 36–38. SCHWEDISCH LAPPLAND® ist ein eingetragenes Warenzeichen für die Vermarktung von Schwedens nördlichster Destination. Die Region umfasst die Kommunen Arjeplog, Arvidsjaur, Boden, Gällivare, Haparanda, Jokkmokk, Kalix, Kiruna, Luleå, Pajala, Piteå, Skellefteå, Sorsele, Älvsbyn, Överkalix und Övertorneå. www.swedishlaplandvisitorsboard.com
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Foto: STF/Gรถrsta Fries
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Foto: Carl-Johan Utsi
Foto: ICEHOTEL / Aasf Kliger
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Foto: Conny Lundstrรถm
Foto: Mattias Fredriksson
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– 21 Erlebnisse von Eisangeln bis Eiszeit Die Bedeutung des Eises für Schwedisch Lappland beschränkt sich nicht auf den Kultstatus des Eishotels. In vorgeschichtlicher Zeit war die Eisschicht auf Seen und Wasserläufen ein wichtiger Faktor für die Wanderung der Rentiere – und für die Nomaden, die ihnen folgten. Heute laufen wir Schlittschuh, angeln und fahren Auto auf dem Eis. Zwar sind die Eiswürfel, aus denen wir Hotels bauen, und die, mit denen wir unsere Drinks kühlen, verschieden groß, aber Wasser in gefrorener Form ist sozusagen ein Grundstein Schwedisch Lapplands. »
ICEHOTEL, foto: Asaf Kliger
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Eines der coolsten Projekte Schwedisch Lapplands möchte das Eishotel zu einer ganzjährigen Einrichtung machen. Mithilfe smarter Energielösungen und Solarzellen, die auch die Mitternachtssonne nutzen, kann es seine Suiten dann zu jeder Jahreszeit anbieten. www.icehotel.com
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ICEHOTEL, foto: Asaf Kliger
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2. ICE hotel
Vor gut 25 Jahren schaute Yngve Bergqvist aus dem Fenster des Gasthauses von Jukkasjärvi und überlegte, wie man hier eine Winterdestination schaffen könnte. Denn damals kamen die Gäste vor allem wegen der Mitternachtssonne. Inspiriert durch japanische Eisskulpturen, wurde die Idee eines Eishotels geboren. Heute hat das Eis als Attraktion die Mitternachtssonne überflügelt.
Seit in Jukkasjärvi das erste Eishotel errichtet wurde, das noch den Namen ARTic Hall trug, gehören Hochzeiten und Gottesdienste dort zum Angebot. Das Einzigartige an der Hochzeit in einer Kirche aus Eis ist, dass die Kirche nie mehr dieselbe sein wird. Denn Eis ist ein lebendes, vergängliches Material. Wie sagt man doch: Eiskirchen kommen und gehen, aber die Liebe bleibt bestehen. www.icehotel.com
4. ICE harvest
ICEHOTEL, foto: Paulina Holmgren
3. ICE church
ICEHOTEL, foto: Asaf Kliger
www.icehotel.com
Es klingt vielleicht ein wenig verrückt, aber jedes Jahr hat sein eigenes Eis und keines gleicht dem anderen. 2015 zum Beispiel war ein sehr gutes Eisjahr. Jeder Block, der aus dem gefrorenen Torneälven gesägt wurde, war ein paar Zentimeter dicker als im Jahr davor und das Eis hatte eine besonders hohe Dichte. www.icehotel.com
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Foto: Carl-Johan Utsi
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5. ICE age
Foto: Anna Lindfors
Eine Theorie besagt, dass die Erde einmal vollkommen mit Eis bedeckt war. Das würde erklären, warum in der Wüste Namibias riesige Findlinge liegen. Die Theorie kursiert unter dem passenden Namen »Schneeball Erde«. Schwedisch Lappland wurde größtenteils von der letzten Eiszeit geformt, die vor 10.000 Jahren endete. An der Küste setzt sich die Landhebung immer noch fort und die schwedischen Berge haben auffallend abgerundete Kuppen. Denn die Berggipfel reichten nie über die Eisoberfläche hinaus, sondern wurden abgeschliffen von dem kilometerdicken Sandpapier des Inlandeises.
6. ICE bath
Foto: Göran Wallin
Ob Eisbaden gut oder schlecht für einen Elitesportler ist, wurde schon fleißig diskutiert. Die britische Langstreckenläuferin Paula Radcliffe zum Beispiel pflegte diese Gewohnheit und sie gewann in ihrem Leben ziemlich viele Marathons. Natürlich gibt es einen physiologischen Unterschied zwischen dem Marathonläufer und dem Normalverbraucher und der Sprung aus der warmen Sauna in ein schwarzes Eisloch kann für das Herz sehr anstrengend sein. Trotzdem – etwas Erfrischenderes als ein Bad bei vier Grad Wassertemperatur, wenn die Luft minus zwanzig hat, ist kaum vorstellbar: eine krasse Erfahrung, bei der man das kalte Wasser beinahe als warm erlebt.
7. PackICE-Tour Am äußersten Schärenband, wo Meer und Eis sich treffen, formen die Kräfte des Wetters die winterliche Landschaft. Die Meeresströmungen und die Winde aus verschiedenen Richtungen türmen das Eis mächtig auf. Bei einer Packeistour hat man die Chance, echte Eisberge zu entdecken. Und in windstillen Nächten bildet sich zuweilen eine perfekte EisfIäche für spannende Schlittschuhabenteuer. www.creactive-adventure.se
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8. ICE driving
Im Umkreis der der inzwischen weltberühmten Autotestindustrie in Arjeplog, Sorsele und Arvidsjaur ist ein neuer, aufregender Fahrsport entstanden. Auf der Facebook-Seite von Mercedes war jüngst zu lesen, man habe in Sorsele »den Himmel auf Erden« gefunden. Die Firma Land Rover hat auf dem Eis bei Arjeplog eine coolen Film über die perfekte Kopie eines Silverstone-Rennens gedreht.
Foto: Lapland Ice Driving
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www.lapland-ice-driving.com
9. ICE hovering
Von der Hotelanlage in Brändön startet das Luftkissenboot zu einer unvergesslichen Tour durch das Schärengebiet, über dem Eis, vielleicht auch über offenem Wasser. Im Hoovercraft kann man sich dem äußersten Schärenband selbst dann nähern, wenn das Eis für schwerere Fahrzeuge zu dünn ist. Bald gewöhnt man sich an das aufregende Erlebnis und fängt an, die Landschaft zu genießen. Und irgendwo dort draußen kann man dann Robben und Seeadler beobachten.
Foto: Graeme Richardson
www.pinebaylodge.se
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Foto: Göran Wallin
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Foto: Arctic Guides/Johan Nilsson
10. ICE skating
Freiheitsgefühle, Tempo, Fahrtwind und abenteuerliche Momente: Das erste Eis fasziniert in jedem Winter neu. Wer richtig süchtig ist, sucht gerade das frische, noch schaukelnde Eis. Im Oktober frieren die ersten Fjällseen zu, dann folgen die großen Wasserläufe in den Wäldern und zuletzt gefriert das Wasser des Bottnischen Meerbusens rund um die Schären: Für alle Abenteurer auf Schlittschuhen ein »mare tenebrosum«, ein Meer, dessen Grenzen man nicht kennt – zur Entdeckung freigegeben. Seit 2017 veranstaltet der niederländische Schlittschuhverband in Luleå einen 100-km-Marathon um den »KPN Grand Prix«.
11. ICE climbing
Heute da und morgen weg: Eis gibt es nur in der passenden Saison. Eisklettern ist ein ebenso extremes wie sublimes Abenteuer. Im Schatten, auf der Nordseite der Berge, behält das Eis in Schwedisch Lappland über einen großen Teil des Winters seine hohe Qualität. Beim Eisklettern muss man sich vollkommen konzentrieren und aufhören, an etwas anderes zu denken. Man ist physisch und mental gleichermaßen gefordert. Natürlich ist das »Ice Climbing Festival« in Abisko im Februar für alle Eiskletterer das ultimative Fest. www.abiskoiceclimbing.com
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Foto: Årrenjarka Fjällby/Magdalena Mannberg
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12. ICE art
Wenn Wasser und Kälte zusammentreffen, offenbart die Natur ihre eigene Schaffenslust. Eine frei fließende Fantasie. Man sagt, keine Schneeflocke gleiche der anderen. Dasselbe gilt für Natureis. Es gefriert auf tausend Arten, mit variabler Geschwindigkeit, unter verschiedenen Einflüssen, mehr oder weniger lustvoll. Manchmal kommt etwas so unglaublich Schönes dabei heraus – wie hier in der Nähe von Årrenjarka, wo das Schmelzwasser nach einer kalten Nacht von Neuem gefroren ist.
Ouroboros, foto: Peter Rydström
13. ICE roads
Als Schweden das letzte Mal Krieg führte, im Jahr 1809, kamen die Russen über den Bottnischen Meerbusen. Es ist nicht ungewöhnlich, gefrorenes Wasser zu nutzen, auf Seen, auf Flüssen oder sogar auf dem Meer, wenn man den kürzesten Weg nehmen will. An manchen Orten helfen die Anwohner nach und machen das Eis (das heißt, die Straße) dicker, indem sie Wasser auf die Eisfläche pumpen, das dann sofort gefriert. Denn auf dem Eis ist es ja viel kälter als darunter. Häufig genutzte Eisstraßen gibt es in Avan, zwischen Boden und Luleå, oder in Rödupp, westlich von Överkalix. Eine irre Erfahrung ist es aber auch, mit dem Auto zur Insel Hindersön hinüberzufahren, um im Jopikgården Waffeln zu essen. Unser Bild zeigt eine Eisstraße in Saxnäs bei Sorsele, die über das Biosphärengebiet Vindelälven führt. Fahrradvermieter in Luleå findet man unter www.cykelstallet.com oder facebook.com/ouroboroslulea.
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Foto: Ted Logardt
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14. ICE swimming
Dass man in Skellefteå das Winterbaden so liebt, hat dort zur Einrichtung eines Winterwettschwimmens geführt. Seit vier Jahren, immer Anfang Februar, reisen Teilnehmer aus aller Welt zu den internationalen Meisterschaften an. Sie konkurrieren auf Distanzen zwischen 25 und 200 Metern in den Disziplinen Brustschwimmen und Freistil. Das Wasser ist oft nur 0,1 Grad »warm«.
Foto: Håkan Stenlund
www.darkandcold.com
15. ICE breaker
Damit Güter und Waren ganzjährig in den nördlichsten Teil Schwedens gelangen, sind in Luleå einige Eisbrecher stationiert, die zur Winterzeit die Häfen der bottnischen Küste frei halten sollen. In manchen Jahren sind sie sehr beschäftigt, in anderen Wintern liegen sie hauptsächlich am Kai des Südhafens und glänzen. Aber wer sein eigenes Eisbrecherabenteuer sucht, muss ohnehin nach Piteå oder Kalix fahren.
Foto: Maria Broberg
www.visitpitea.se www.gransresor.se
16. ICE kick
In dem schwedischen Kultfilm Sällskapsresan 2 – Snowroller zeigt sich der englische Gentleman Algernon Wickham-Twistleton-Ffykes fasziniert von einem schwedischen Tretschlitten (schw. spark, bedeutet darüber hinaus auch Fußtritt), als ein solcher auf dem Dachgepäckträger eines Mercedes 245 vorbeifährt. Stig-Helmer, Hauptperson und Held des Films, erklärt dazu in schönstem Schwenglisch: »We call it a kick«.
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Foto: Ted Logardt
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17. ICE hockey
Foto: Håkan Stenlund
Wo Kälte ist, ist auch Eis und wo Eis ist, wird Hockey gespielt. Ohne ihre Hockeybegeisterung wäre unsere Region nicht denkbar. Wenn man in Schwedisch Lappland irgend jemanden nach seinen Lieblingsspielern fragt, bekommt man sofort eine Antwort: »Krobbe« Lundberg, »Hårde-Hardy« Nilsson, Börje Salming, dessen Bruder »Stygge Stig« und viele andere Namen werden heruntergerattert. Schwedisch Lappland wäre aber auch nicht denkbar ohne unsere Erfolge: Skellefteå war in den letzten fünf Jahren jedesmal im Finale. Das Derby, das die Einwohner von Piteå »das Derby zwischen Pite Nord und Pite Süd« nennen, während das TV-Magazin Sportspegeln vom »Derby zwischen Luleå und Skellefteå« spricht, ist ein schwedischer Klassiker.
18. ICE fishing
Der amerikanische Schriftsteller Jim Harrison nannte das Eisangeln eine »Sportart für Debile« (engl. the moronic sport). Aber das ist eine Übertreibung, auch wenn es manchmal etwas eintönig sein kann, in ein Eisloch zu starren und an den Zehen zu frieren. Wenn der Seesaibling anbeißt, wird es richtig spannend. In Schwedisch Lappland ist es ganz normal, dass wir uns eine kleine Hütte bauen, eine Arche, in der wir wohnen, wenn wir zum Fischen aufs Eis gehen.
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Foto: Sven Burman
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19. ICE yoga
Gemeinsam mit Rebecca Björk vom Active North Camp kann man zwischen Eis und Schnee sein inneres Prana entdecken.Mit seiner überwältigenden Schönheit und Stille ist Schwedisch Lappland der ideale Ort für Winteryoga. Oder, wie Rebecca es erklärt: »Beim Aufenthalt in der Kälte muss der Körper etwas härter arbeiten, um sich warm zu halten. Das erhöht die Ausschüttung von Endorphinen, was wiederum starke Glücksgefühle erzeugen kann.«
Foto: Dirk Schwarz
www.activenorth.se
20. ICE igloo
In Arjeplog, knapp unterhalb des Polarkreises, befindet sich eines der außergewöhnlichsten Hotels der Welt, das sogenannte IGLOOTEL. Das Gebäude, das ganz aus Schnee gemacht ist, steht jedes Jahr von Januar bis April für Gäste zur Verfügung. Will man es nicht bewohnen, sondern nur besichtigen, kann man in der nahen Ferienanlage Kraja übernachten. Aber eine Nacht sollte man natürlich in einem der spannenden Igluzimmer verbringen, um darüber staunen zu können, wie warm die Atmosphäre im Eis ist.
Foto: Ted Logardt
www.iglootel.de
21. ICE blue
Kaum etwas ist so eisig blau wie die Augen eines schönen Huskies mitten im Winter – und kaum etwas ist so verführerisch. Stell dir vor, du fährst mit dem Hundeschlitten durch das Fjäll und dein Leithund Spike hat die intensivsten, magischsten Augen, die du je gesehen hast. Wenn du nach Hause kommst, kannst du nicht aufhören, an sie zu denken und beschließt, bald wieder hinzufahren.
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Foto: Joachim Kaiser
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Schneeschuhe Im Winter ist Schwedisch Lappland kalt und voller Schnee. Ein perfektes Gelände für den, der die nähere Umgebung auf Schneeschuhen erkunden will. Wer das nicht allein tun möchte, kann zum Beispiel mit dem Guide Jochim Kaiser in der Gegend um Bjärdakken am Vindelälven auf Schneeschuhwanderung gehen, vielleicht sogar bis auf den Bierdåjvvie oder in das Naturreservat Gimegoults.
Foto: Red Bull / Adam Klingeteg
www.erlebnis-lappland.de
Das längste Skirennen der Welt
Während der Grönlandexpedition des Polarforschers Nordenskiöld im Jahr 1883 erkundeten zwei Samen aus Jokkmokk die unbekannten Gebiete des Eiskontinents. In 57 Stunden liefen sie 460 km auf Skiern. Bei der Rückkehr nahm dies Nordenskiöld niemand ab. Um es beweisen zu können, schrieb er zwischen Jokkmokk und Kvikkjokk und zurück ein Skirennen aus, eine Strecke von insgesamt 220 km. Der Same Pavva-Lasse Nilsson Tuorda erreichte das Ziel nach 21 Stunden und 22 Minuten als Erster. Im April 2016 wurde das »Nordenskiöldrennen« als »Red Bull Nordenskiöldrennen« zurück ins Leben gerufen. 352 Eliteläufer und ehrgeizige Amateure haben die Herausforderung angenommen. Der Norweger Johan Kristian Dahl hat in einem Sekundenstreit das Rennen mit einer Siegerzeit von 8 Stunden, 37 Minuten und 17 Sekunden gewonnen. www.redbullnordenskioldsloppet.se
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Foto: Carl-Johan Utsi
Foto: Carl-Johan Utsi
Der Wintermarkt von Jokkmokk WENN DIE EISKRISTALLE GLITZERN
unter den Schuhen, Temperaturen, die auf bis zu minus 30 Grad fallen können, dampfende Atemzüge und ein Gewirr verschiedener Sprachen. Der eisige Winter glitzert prächtig. Es ist Markt. Seit 1606 eine ungebrochene Tradition, stets am ersten Donnerstag bis Samstag im Februar. Um Steuergelder einziehen, Gerichtsverhandlungen durchführen und das Christentum verbreiten zu können, errichtete der damalige König, Karl IX, Marktplätze in ganz Lappland. Hier versammelten sich die Samen des Region und von der Küste kommende Kaufleute, um Waren zu tauschen. Damals war es leicht, sich über gefrorene Seen und Flüsse zu bewegen. Noch immer reisen jedes Jahr Tausende von Menschen 16
zum Wintermarkt in Jokkmokk. Das Jahr in Jokkmokk beginnt und endet mit diesem Markt. Das ganze Dorf lädt ein zu diesem unvergesslichen und einzigartigen Feuerwerk von Kunst, Kunsthandwerk, Musik, Gesang, Erzählungen, Speisen, Lachen und Erlebnissen – schlichtweg das Beste, was Jokkmokk zu bieten hat. Hier trifft Foto: Carl-Johan Utsi
das knirschen des schnees
Wer sicherstellen möchte, dass das Kunsthandwerk auch wirklich von Hand gefertigt wurde und echt ist, sollte sich nach dem »Duodji«-Zeichen umsehen.
die Gegenwart auf die Vergangenheit, das Samische und Schwedische auf den Rest der Welt. Hier treffen sich Freunde, alte und neue. Den Markt zu beschreiben, ist beinahe unmöglich: Markthandel und Kultur in herrlicher Kombination und dazu Hundeschlitten und Rentierrennen in hoher Geschwindigkeit auf dem See Talvatissjön. Das Museum Ájtte ist ein natürliches Zentrum. Die fantastische Kunsthandwerksausstellung der Schüler des samischen Ausbildungszentrums ist ein absolutes Muss. Nur wenige verpassen freiwillig die klassische Rentierfahrt durch das Marktgebiet oder den Gourmetmarkt mit Köstlichkeiten aus lokaler Produktion. In großen Koten treffen sich warm gekleidete Marktbesucher, essen und trinken zusammen T H E A RCT I C L I FE ST Y L E MAGAZI NE
Foto: Carl-Johan Utsi
www.jokkmokksmarknad.se
FOLGENDES DARF NICHT VERPASST WERDEN: Das Fest – »AFTER MARKET« in den Zeltkoten des Marktgebiets. Besucher treffen hier andere fröhliche Marktbesucher, geniessen Getränkte und einfachere Gerichte. Oftmals wird auch Musikunterhaltung angeboten. Mehrere Bars laden zum Verweilen ein, manchmal mit Livemusik und Tanz. Die Begegnungen – Der Wintermarkt von Jokkmokk ist vielfältig. Die Einwohner Lapplands begegnen Besuchern aus der ganzen Welt. So sollten Gäste ihre Sinne öffnen und nicht zögern, ihren Tisch mit anderen zu teilen und neue Freunde kennenzulernen. Rentierumzug – Per Kuhmunen und seine Familie zeigen, wie man in der Vergangenheit Reisen unternommen hat. Die hübschen Kostüme der Familie verschönern das Marktgebiet, wenn sich die Rentiere mit traditionellen Schlitten durch die Marktstraßen bewegen.
Foto: Carl-Johan Utsi
und die Hotels decken die Tische für Nachtessen und Feste. Kalte Füße suchen den Weg zur Wärme, zu Handwerks- und Kunstausstellungen, Saiblingsandwiches und warmer Bouillon, zu Besuchen in Ateliers und zu Geschichten, die erzählt werden. Im ganzen Dorf werden Aktivitäten angeboten – Erlebnisse, die darauf warten, deine zu werden. Den Markt-Aufenthalt können Besucher mithilfe des Marktprogramms planen und ihn so in vollen Zügen genießen. Während der Dämmerung beginnen die Abendveranstaltungen. Musiker testen ihre Ausrüstung und erwarten die Zuhörer. Hat man sich im Voraus kein Konzertticket besorgt, sollte man durch das Gebiet wandern und die Augen offenhalten für das Unerwartete. Das Tempo steigt und plötzlich ist die Nacht hier. Aber das Fest ist deswegen noch nicht vorbei – es wird bis in die frühen Morgenstunden fortgesetzt. Jede Stunde des Marktes sollte genutzt werden.
Speisen und Musik
Weihnachtsmarkt
In jedem Februar besuchen 60 000 bis 65 000 Personen den klassischen Markt von Jokkmokk. Wer einen etwas ruhigeren Markt bevorzugt, der sich ebenfalls auf samische Tradition und Handwerkskunst gründet, für den ist Jokkmokks neuer Weihnachtsmarkt eine Alternative. Er findet jedes Jahr am zweiten Dezemberwochenende statt.
Das Angebot an Speisen ist groß, aber man sollte nicht vergessen, dass es sich um ein Gebiet handelt, das reich an Naturschätzen wie Fisch, Wild, Beeren und Kräutern ist. Mit lokalen Zutaten zubereitete Speisen erhalten Gäste in Restaurants und Cafés, beispielsweise im Restaurant Ájtte und in Viddernas Café. Auf dem Speisemarkt »Speisen aus dem Norden« sowie im Marktgebiet können Besucher Lebensmittel und verarbeitete Produkte einkaufen, die sie mit nach Hause nehmen können. Die Musik spielt eine wichtige Rolle auf dem Markt. In zu Konzerthallen umfunktionierten Gebäuden lösen Konzerte einander ab und im Hof des Heimatvereins kann man zu traditioneller Musik das Tanzbein schwingen. Das Café Gasskas ist bekannt für vorzügliches Essen und ein tolles Musikangebot während des Marktes.
www.jokkmokksjulmarknad.se
www.gasskas.se
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Foto: Andy Anderson
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Das imposante Geweih von Bulmmot ist noch mit Basthaut bedeckt und nicht ausgewachsen. Das männliche Rentier verliert seine Basthaut rechtzeitig zum Beginn des Herbstes und der Brunftzeit, das weibliche Tier behält sie länger. Die Nachfrage nach Rentierhorn führt nicht zurWilderei, denn das Geweih fällt ab und in jedem Frühjahr wächst ein neues. 18
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Fit für die Arktis
Die Region, die wir Schwedisch Lappland nennen, erhielt ihre Gestalt durch die Eiszeit, durch die Jahreszeiten und natürlich auch durch die Menschen, die hier, auf Tuchfühlung mit den Naturgewalten, ihr Leben verbracht haben. Und doch ist es wohl das Rentier, das mehr als alles andere unseren Lebensstil geformt hat.
TEXT HÅKAN STENLUND bei nutti sámi siida in Jukkasjärvi frisst mir ein Ren namens Bulmmot aus der Hand. Ich habe die Faust voller Rentierfutter und Bulmmot scheint es zu mögen, ungefähr so, wie ich Polly im Süßigkeitenladen mag. Bulmmot ist das nordsamische Wort für »Haussperling«, und dieses kastrierte männliche Ren hat tatsächlich eine fein graumelierte Zeichnung, genau wie der Vogel. Aber er heißt auch deshalb so, weil er klein, träge und ein bisschen gedrungen ist. Er ähnelt einfach in seiner ganzen Art einem Spatzen. Im Gehege von Nils Torbjörn Nutti in Jukkasjärvi leben rund zwanzig Rentiere. Alle haben einen Namen, der etwas über ihren Charakter oder ihr Aussehen verrät, oder auch ein wenig darüber, was sie für ihren Besitzer Nils Torbjörn bedeuten. Da gibt es Linis, Girjak und Dábaláš, was »gewöhnlich« heißt. Es kommt mir etwas ungerecht vor, weil Dábaláš sehr hübsch ist. Oder Áddjá Muzet, »Opas Schwarzbrauner«, das letzte Rentier, das Nils Torbjörns Großvater noch markiert hat, bevor der Enkel übernahm. Die Sprache der Samen ist beschreibungsstark. Als mein
Haustier den Namen Frasse erhielt, lag das nur daran, dass meine Fantasie gerade eben so weit reichte. Aber wenn ein Ren Bulmmot heißt, dann deshalb, weil der Name zu seiner Persönlichkeit passt. Sobald das Kraftfutter aus meiner Hand verschwunden ist, geht Bulmmot zurück zu seiner Herde, bei der er sich am wohlsten fühlt. das leben und der Lebensraum
des Rentiers sind ständig bedroht. Die globale Erwärmung ist heutzutage eine Realität, so wie vor zehntausend Jahren die Eiszeit eine Realität war. Das Ren hat sich und seine Lebensgewohnheiten mit dem Vordringen und dem Zurückweichen des Eises kontinuierlich verändert. So funktioniert Evolution, über Jahrtausende hinweg. Es ist zum Beispiel kein Zufall, dass die Rentiere auf Spitzbergen kurze Beine haben, während die Tiere der im Wald lebenden Samen in Sápmi langbeinig sind. Denn lange Beine sind im Eismeersturm nicht von Vorteil, in einer schneereichen Waldlandschaft hingegen von großem Nutzen.
die rentiere haben sich ihrem
arktischen Lebensraum vollkommen angepasst. Nehmen wir beispielsweise das Geweih. Im Unterschied zu vielen anderen geweihtragenden Tierarten sind sowohl die Renkuh als auch der Bulle damit ausgestattet. Aber während der Bulle im Spätherbst sein Geweih verliert, behält die Kuh das ihre. So kann sie ihre Kälber gegen angreifende Raubtiere verteidigen und außerdem Bullen von ihrem Futter fernhalten. Für einen Renbullen wiederum wäre es eine unnötige Belastung, sein großes Geweih nach der Brunftzeit noch durch den Winter zu schleppen, wenn es gilt, mit der Energie hauszuhalten. Das Winterfell des Rens ist die reinste Sauna. Deshalb ist es für das Tier eher ein Problem, sich der Wärme zu entledigen. Dafür hat es ein System entwickelt, das Blut in den Beinen zirkulieren zu lassen, wo es heruntergekühlt wird, weil dort kein Fettgewebe unter der Haut liegt. Eine andere Methode, die Hitze loszuwerden, besteht darin, dass das Ren, ähnlich wie Hunde, Flüssigkeit über seine große Zunge ausschwitzt.
der faszinierendste Körperteil,
den das Ren entwickelt hat, ist aber sein Maul – ein wahnsinnig schlauer Wärmeregler. Wenn wir Menschen bei minus 30 Grad ausatmen, bildet sich bei jedem Atemzug um uns herum eine Wolke aus warmer Luft, angereichert mit Wasserdampf. Wenn wir herumlaufen, gefriert sie an unserem Gesicht. Das Ren dagegen kann in seinem Maul die Temperatur 19
Foto: Carl-Johan Utsi
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Girjja/Frühling: Die Rentierherden sind westwärts ins Gebirge zu den Kalbungsplätzen gewandert. Diese Gebiete werden von den weiblichen Tieren schon seit Urzeiten aufgesucht, weil es dort zahlreiche schneefreie Stellen gibt, wo die Kälber sich aufwärmen können.
der Ausatmungsluft bis auf 21 Grad senken. Auf diese Weise wird der Körper des Tieres nicht mit Raureif bedeckt und kann die Wärme bei sich behalten. Aber der Vorgang funktioniert auch in umgekehrter Richtung, genau wie bei einem Wärmeaustauscher. Das Ren kann sein Maul so öffnen, dass es Wärme in vollem Schwall auspustet, zum Beispiel dann, wenn es gejagt wird. Aber nicht nur durch sein Maul passt sich das Rentier vollkommen den arktischen Verhältnissen an. Forscher in London haben herausgefunden, dass das Ren im Laufe des Jahres die Farbe seines Augenhintergrunds wechselt, um sein Sehvermögen auf effektive Weise zu optimieren. In der dunklen Jahreszeit ist der Augenhintergrund der Tiere blau, während er sich im Sommer gelb färbt, weil sie dann einen Schutz gegen das ständige Sonnenlicht benötigen. Das blauäugige Win20
terren dagegen kann die wechselnde UV-Strahlung besser ausnutzen. Angesichts der globalen Erwärmung ahnt man schon, dass die Rentiere sich allmählich auch den neuen Bedingungen völlig anpassen würden. Und da stellt sich die Frage: Kann es sein, dass wir das noch erleben werden? Wenn man davon ausgeht, dass sich auch im samischen Alltag der Terminkalender immer schneller füllt, muss die Antwort wohl lauten: Nein. Aber die Auswirkungen der modernen Wachstumsgesellschaft samt Autobahnen, Eisenbahnen, Hochspannungsleitungen und Staudämmen sind sicher ein größeres Problem als die Frage, ob die Rentiere es schaffen werden, wegen des Klimawandels ihre traditionellen Wanderrouten zu ändern. Eins kommt zum anderen – auch für Lebewesen, die in der Lage sind, die Lufttemperatur im eigenen Maul um ganze zehn Grad zu reduzieren.
welche bedeutung hat das Ren
für die Menschen, die mit ihm und von ihm leben? Carl-Johan Utsi ist Fotograf und Physiker, aber auch Rentierzüchter. Wir treffen uns in der kleinen Hütte, die er neben der Rentierkoppel in Guorpak besitzt. Er betreibt seine Rentierzucht im Samendorf Sirges, mit Weidegründen in Badjelánnda und Jokkmokk. Er lebt mit seinen Tieren und seiner Kamera in einer Art Symbiose. Mit einem Fuß in jeder der beiden Welten. Er hat Technische Physik an der Universität Uppsala studiert und ist dann wieder in seinen Heimatort Jokkmokk zurückgekehrt. »Ich habe mehr Nutzen davon, als ich glaubte«, sagte er sich, als er beschlossen hatte, wieder mit den Rentieren anzufangen.« »Beim Studieren geht es ja um Problemlösungen und bei der Rentierwirtschaft ist es eigentlich auch nicht anders.« Carl-Johan berichtet, dass er T H E A RCT I C L I FE ST Y L E MAGAZI NE
DA S R E N
fort wollte, ein bisschen Rebell sein, gegen die samische Tradition revoltieren. Aber in den Ferien des vierten Studienjahres sagte sein Vater, er sehe ja nun, dass es für den Jungen an der Uni gut laufe, und deshalb würde er die Rentiere verkaufen. Das traf Carl-Johan wie ein Schlag – daran hatte er überhaupt nicht gedacht. Er war nicht darauf gefasst, diesen Teil seines Lebens zu verlieren. »Der Rentierwald, das ist ein Gefühl und gleichzeitig ist es die absolute Realität. Das Ren ist unser stärkstes Bindeglied zur Natur. Es ist mein Zugang zu allem, was echt und richtig ist.« »Von neun bis fünf arbeiten kann jeder. Das ist kein Sport. Aber versuch mal, deine materielle Existenz mit dem Leben im Rentierwald zu vereinbaren. Das ist unmöglich, solange du nicht spürst, dass du total abhängig bist von diesem klappernden Geräusch, das die Rentierhufe erzeugen. Es hat beinahe etwas Metaphysisches. Etwas, auf das ich nicht verzichten kann. Ja, für mich ist dieses Geräusch eine geradezu körperliche Erfahrung und der Gedanke daran, es nicht mehr hören zu dürfen, tut mir innerlich weh.« »Es ist etwas seltsam, vielleicht doppelbödig. Im Rentierwald stelle ich keine hohen Ansprüche, ich will nur draußen sein. Das ist ein befreiendes Gefühl. Gleichzeitig ist es schwierig, rein ökonomisch oder unternehmerisch zu überleben.« »Aber verzichten geht nicht?« »Nein. Wenn du mich fragst, was das Ren für mich bedeutet, dann lautet die Antwort: Visut!« »Visut?« »Ja, das ist ein nordsamisches Wort, das ungefähr besagt: alles, was ich mir wünsche. Oder zumindest: alles, was ich brauche.«
Dem Ren begegnen In ganz Schwedisch Lappland gibt es Orte, an denen man Rentieren begegnen und von den Züchtern mehr über sie und ihre Lebensweise erfahren kann. Dabei bekommt man naturgemäß auch einen Einblick in den samischen Alltag. Arjeplog
Kiruna
båtsuoj samecenter , Slagnäs,
nutti sámi siida, Jukkasjärvi, +46 (0)980-213 29 www.nutti.se
+46(0)70-642 31 66 www.batsuoj.se
Arvidsjaur abborrträsk natursafari,
+46 (0)70-573 37 36 www.natursafari.se
Boden årstidsfolket, Flakaberg,
giron travel, Kiruna, +46 (0)70-649 18 87 www.girontravel.se
rensjön sápmi adventures, Rensjön, +46 (0)70-568 60 46 www.rensjon.com
Luleå
Gunnarsbyn +46(0)925-330 23 +46(0)70-548 30 23
pinebay lodge, Brändön,
Gällivare
Pajala
hyr &äventyr i lappland ab,
explore the north, Kangos,
Liikavaara +46(0)70-648 08 07 +46(0)73-181 33 41 www.hyrochaventyr.se
per-erik kuoljok, Ruokto, +46 (0)73-031 79 83
30 km nördlich von Luleå www.pinebaylodge.se
+46 (0)70-626 19 09 www.explorethenorth.se
lapland guesthouse, Kangos/Pajala, +46 (0)978-321 37 www.laplandincentive.se
gällivare specialsnickeri & båtbyggeri, Gällivare
rajamaa, Muodoslompolo,
sápmi nature,
Piteå
+46(0)70-239 10 51
Abborrträsk/Nietsak +46(0)70-688 15 77 www.sapminature.com
Haparanda hulkoffgården, Korpikylä +46 (0)70-222 84 72 www.hulkoff.se
kukkolaforsen, Haparanda
+46 (0)922-310 00 www.kukkolaforsen.se
Jokkmokk sápmI ren och vilt,
+46 (0)978-430 40 www.rajamaa.com
reindeer events , Piteå Älvdal, +46 (0)70-348 36 44 +46 (0)70-353 10 40
Sorsele piltos goda,
Ammarnäs und Sorsele, +46(0)70-302 31 81 www.sapmivisti.se
jk event, Sandås/Rusksele, +46 (0)70-238 93 41 www.jkevent.se
Helena und Rickard Länta, www.sapmirenovilt.se
Överkalix
nils-matto aira, Jokkmokk
+46 (0)926-260 18 +46 (0)70-650 60 18 www.rokkas.se
+46 (0)70-569 44 30
silba siida, www.silba.se
Kleiner Tipp: Am besten im voraus anrufen, so dass die Rentiere nicht gerade unterwegs sind!
rokkas ren, Överkalix,
Övertorneå svanstein ski, Svanstein, +46 (0)70-957 95 00 www.svansteinski.com
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Foto: Johannes Holmlund
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T H E A RCT I C L I FE ST Y L E MAGAZI NE
Foto: Ted Logardt
Foto: Johannes Holmlund
Elch Watching: Augen auf im Wald! T E X T T E D LO G A R D T
Hier wird man langsam an die letzte Wildnis Europas, wie sie üblicherweise bezeichnet wird, herangeführt. Sanft beginnend mit Kochkaffee, Zimtschnecken und einer Tour durch eine Wildnis ausstellung zu Ende gehend in einem Loch im Eis im absoluten Nirgendwo. die »kåsa«, der Holzbecher, ist handgemacht. Es sind alles Unikate und Catrin sucht sich orgfältig ihre eigene aus. Schließlich wählt sie eine mit Intarsien aus Rentierknochen und filigraner Gravur. Sie streckt die »kåsa« nach vorne und Thorbjörn füllt sie mit dem für die Region typischen Kochkaffee. Dann reicht er ihr noch eine Zimtschnecke. »Frisch gebacken«, versichert er und wirft ein weiteres Holzscheit ins offene Feuer. Catrin ist aus Deutschland. Aus Köln, um genau zu sein. Sie gehört zu einer aus zwölf Deutschen bestehenden Gruppe, von denen bisher keiner jemals so weit im Norden gewesen ist. Wir befinden uns im Wald um Svansele, einer Gegend, die üblicherweise als Europas letzte Wildnis bezeichnet wird. eine echte wildnistour, Schritt für Schritt
auch wenn es mitten im Winter ist, so vermittelt die Wildnisausstellung einen exakten Eindruck der subarktischen Fauna Schwedisch Lapplands. Die Tierwelt wird entsprechend der Jahreszeit präsentiert: Frühling, Sommer, Herbst und Winter - von den winzigen Fitislaubsängern über den Steinadler bis hin zu Vielfraß und Wolf. Wie immer ist unser Gastgeber Thorbjörn bestens zum Geschichtenerzählen aufgelegt. Voller Begeisterung wechselt er zwischen Anekdoten seines ereignisreichen Lebens in den Wäldern rund um Svansele und Fakten zur Tierwelt sowie ihrer Natur. »Was machen die da?«, fragt einer aus der Gruppe und deutet mit dem Finger auf drei Bären, die scheinbar ein altes Ruderboot abstoßen wollen. »Darüber wundert ihr euch, richtig?«, antwortet
Thorbjörn. »Das ist wohl mein Lieblingsaufbau in der gesamten Ausstellung.« Und es verwundert einen wirklich. Catrin nickt zustimmend, ein bisschen abwesend, ihre Augen auf die Bären gerichtet. auf schneemobilen geht es in Winter-Overalls mit festen Schuhen, Handschuhen und Helm weiter zu den Weideflächen der Elche. Dabei gibt es für jeden ein eigenes Schneemobil. Catrin findet es super und gibt mit erhobenem Daumen ein deutliches Signal, während sie sich eine bequeme Position auf dem Schneemobil sucht. Sie strahlt über das ganze Gesicht. Zum ersten Mal sitzt Catrin auf einem Schneemobil. Schließlich wird es langsam Zeit für die Elchsafari. Jemand in der Gruppe fragt, wie hoch die Chancen stehen, auch wirklich einen Elch zu sehen. Es ist ja immerhin ein wildes Tier. Thorbjörn lacht. »Die Bedingungen könnten nicht besser sein«, sagt er. Ein letztes Mal vergewissert er sich, dass auch jeder verstanden hat, wie sein Schneemobil funktioniert. Und schon geht’s los. Wie schon erwähnt sind es Catrin und ihre Mitreisenden nicht gewohnt, Motorschlitten durch eine schneebedeckte Landschaft wie die in Schwedisch Lappland zu fahren. Aber sie lernen schnell, auch wenn Thorbjörn regelmäßig jemandem zurück auf die Strecke
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helfen muss, der von der Spur abgekommen ist. Nach kurzer Zeit hebt Thorbjörn seine Hand und die Schneemobile hinter ihm halten an. Er hat Spuren entdeckt. Elchspuren. Neugierig versammelt sich die Gruppe um ihn herum. Thorbjörn zeigt auf die schwarzen, ovalen Kugeln im Schnee. »Elchlosungen«, wie er feststellt. Als es zu schneien beginnt, erzählt Thorbjörn vom Leben des nordischen Elches, wie die Mutter ihrem Kalb ausweicht, wenn ein neues auf die Welt kommt und dass Fichtentriebe ihr Leibgericht sind. Jemand aus der Gruppe fragt, ob es nun nicht an der Zeit ist, mal ein echtes Tier zu sehen. endlich, elche!
»Ja, die Spuren im Schnee sind vielversprechend«, sagt Thorbjörn und startet sein Schneemobil. Jegliche Art von authentischem Naturerlebnis mit wilden Tieren beinhaltet eine gewisse Unsicherheit, aber Thorbjörn macht sich keine Sorgen. Überhaupt keine, wie man schon von Weitem sehen kann. Und dann, ganz plötzlich, sind sie da. Elche. Catrin, die an der Spitze des Schneemobilkonvois fährt, ist eine der ersten, die Thorbjörns ausgestreckte Hand bemerken. Die Schneemobile verstummen mit einem Mal. Dort sind sie. Zwei davon. Ein Weibchen mit Kalb. »Ein Elchkalb wiegt bei der Geburt etwa 15 Kilo«, erklärt Thorbjörn. »Im Frühjahr des gleichen Jahres noch kann es aber schon bis zu 150 Kilo auf die Waage bringen.« 24
»Wundervoll, eine Mutter mit ihrer Tochter«, sagt Catrin leise. Den Elchen scheint es egal zu sein, im Rampenlicht zu stehen. Jeder der Gruppe kann die riesigen Tiere zwischen den Kiefern ausführlich betrachten. »Der Elch in Nordschweden ist tendenziell größer als der im Süden«, fährt Thorbjörn fort. »Ein wirklich großes Männchen kann weit über 500 Kilogramm wiegen.« verschiedene prüfungen
Im Wildnis-Camp gibt es keinen Strom, kein fließend Wasser oder andere Annehmlichkeiten. Überall brennen Fackeln. Es wird bereits ziemlich dunkel, auch wenn es noch nicht einmal vier Uhr nachmittags ist. Das Camp befindet sich im Nirgendwo. Es besteht aus robusten, gezimmerten Tipis, ein paar wenigen Hütten, einer Sauna und dampfenden Outdoorwhirpools. Im größten Tipi verwendet Thorbjörn drei Muurikkas, die großen Woks ähneln, um über offenem Feuer zu kochen. Eine mit Fisch, eine mit Fleisch, die dritte mit Kartoffeln und Gemüse. »Nur salzen«, sagt er und stellt den Salzstreuer hin. »Keine anderen Gewürze. Die braucht man nicht. Das Fleisch und der Fisch haben ein natürliches Aroma.« Im Tipi herrscht eine gedämpfte Atmosphäre. Emsige, aber nur leise Unterhaltungen, im Hinter-
grund das knisternde Feuer. Catrin sitzt still da. Ihre Augen fixieren die Flammen. Bald wird sie nach Hause zurückkehren, ins hektische Kölner Stadtleben. Zurück zu Tausenden von Menschen, die sie täglich umgeben, ohne sie überhaupt zu bemerken. Im Wald von Svansele gibt es keine unbekannten Menschen. Alles hier ist anders. Nicht unbedingt besser. Aber auf jeden Fall anders. »Lasst uns in die Sauna gehen«, sagt jemand und erhebt sich langsam von seinem Platz. Die anderen folgen ihm allmählich. »Oh, das ist eine gute Idee«, sagt Thorbjörn zwinkernd. »Es gibt einen Pfad von der Sauna hinunter zum See. Ich habe ein Loch ins Eis geschlagen und eine Leiter angebracht. Wenn sich einer von euch traut, bedient euch.« Herausforderung angenommen – signalisiert ihm Catrin mit ihrem Lächeln. Nur ein paar Minuten später geht sie ihre ersten Schritte in Richtung des kalten, eisigen Wassers. Wer in der Wildnis von Schwedisch Lappland ist und schrittweise an diese herangeführt wurde, hat keine andere Wahl, als in den sauren Apfel zu beißen – und den ganzen Weg zu Ende zu gehen. Das Wildniszentrum von Svansele bietet maßgeschneiderte Aktivitäten nach individuellen Vorstellungen und richtet dabei den Fokus auf das Leben in der Wildnis. Die angebotenen Aktivitäten reichen vom Beerenpflücken und Pilzesammeln bis hin zu Action bei Schneemobiltouren und Eisrennen. Erfahre mehr auf www.svansele.se
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Hide & See
Foto: Emanuel Rondeau
Mikael Suorra ist mit Leib und Seele bei dem, was er tut. Über seine Agentur Hide & See ermöglicht er Besuchern einen heimlichen Einblick in das Leben wilder Tiere. Im Winterhalbjahr werden vor allem Adler beobachtet, von einem angewärmten Versteck aus. Aber es gibt auch Ausflüge in die Wälder von Boden, wo Elche, Rentiere, Rehe, Hasen, Füchse, Auerhähne und Birkhühner unterwegs sind. Die Aktivitäten sind behindertengerecht. www.hideandsee.se
Foto: Conny Lundström
he c s i r e i T hc a b o e B tungen
Adlernester 1999 gewann Conny Lundström den ersten Preis als »Wildlife Photographer of the Year« mit der Nahaufnahme eines Königsadlers. Seitdem nimmt er Fotofans mit in den Wald bei Kalvtråsk. Adler sieht man im Winter häufig, im Sommer dagegen gibt es mehr Fischadler. Conny Lundström hat sich mehrere Verstecke gebaut, aus denen er wilde Tiere in ihrer natürlichen Umgebung fotografiert. Was er sich sonst noch wünscht? Dass das auch anderen gelingt.
Foto: Hansi Gelter
www.connylundstrom.com
Robbensafari Von Piteå aus kann man den ganzen Sommer im Schärengebiet auf Robbensafari gehen. Und zwar mit Guide Natura, einem von Naturens Bästa ausgezeichneten Tourismusunternehmen. Weltweit gibt es drei Robbenfamilien. In Schweden ist die ohrenlose Art verbreitet und im Bottnischen Meerbusen bei Piteå sind es meist Strandrobben oder Graurobben. www.guide-natura.com
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Mit dem Geschmack der Sonne TEXT HÅKAN STENLUND F OTO C A R L - J O H A N U T S I
der schwedische fernsehkoch Tareq Taylor hat neugierige Geschmacksknospen und Lust auf Reisen. Eine der Triebkräfte für seine Reisen ist sein Mut, alles Mögliche zu probieren, ganz einfach die Geschmacksknospen weiterzubilden. Die Region Schwedisch Lappland hat der Fernsehkoch schon mehrmals besucht. Denn ihm schmeckt, was er dort probiert. »Vereinfachend könnte man sagen: Je weiter man in Schweden oder in Skandinavien nach Süden kommt, desto süßer wird das Essen und nach Norden hin wird es immer salziger«, sagt Tareq. »Aber daran ist nichts Erstaunliches. Um Fleisch und Fisch für den Winter zu konservieren, musste man im hohen Norden salzen, säuern, trocknen und räuchern. Und das sind genau die Methoden, die in der nordischen Küche jetzt so populär sind.« In der Fernsehserie Nordic Cookery hat Tareq sich in Kiruna, Harads und Luleå umgeschaut. Er war im Tornedalen unterwegs und hat sich am Storforsen aufgehalten. Er war auch in Jokkmokk, in der Einleitung zu seinem Buch Tareq Taylors Nordiska Matresa (etwa: Tareq Taylors kulinarische Nordlandfahrt) schreibt er über die Begegnung mit seiner Kollegin Greta Huuva in Viddernas Café: »Vor allem hat sie mir Einsichten darüber vermittelt, was es bedeutet, als Same in einer Symbiose mit der Natur zu leben und in dem Bewusstsein, dass wir und die Natur eine Einheit und 26
voneinander abhängig sind.« Vielleicht war das auch der Grund dafür, dass Tareq vor einiger Zeit selbst umsattelte und von seinem Malmöer Nobelrestaurant Trappaner umzog, um im städtischen Schlosspark ein Café zu betreiben. Davon später mehr. für tareq war war die Lust auf neue Geschmackserlebnisse stets eine Selbstverständlichkeit. Etwas, das er im Prinzip schon in seinen Genen trägt. Sein Vater Seif kam aus Palästina nach Schweden und lernte dort Tareqs Mutter Annie kennen. Annie Taylors Vater war britischer Konsul und residierte in Malmö in einer Villa am Limhamnsvägen. Dort fanden Abendessen mit prominenten Gästen statt, aber Tareq wurde kaum jemals dazu eingeladen. Er sah allerdings auf Fotos,
»Greta Huuva hat mir Einsichten darüber vermittelt, was es bedeutet, als Same in einer Symbiose mit der Natur zu leben und in dem Bewusstsein, dass wir und die Natur eine Einheit und voneinander abhängig sind.«
T H E A RCT I C L I FE ST Y L E MAGAZI NE
»Weißt du, da steht mittelreif auf der Käseverpackung. Aber was bedeutet das?«
dass Ronnie Peterson oder Margaret Thatcher bei seinen Großeltern zu Gast gewesen waren. Tareqs Eltern ließen sich nach einigen Jahren scheiden, aber Tareq und sein jüngerer Bruder Zafer blieben in ständigem Kontakt mit ihrem Vater Seif, der Blumenhändler war. Aus diesem Kontext also kommt Tareq Taylor: eine Mutter mit einer gewissen Affinität zur Hippie-Bewegung, Großeltern, die in der Tradition des Afternoon Tea aufgewachsen waren, und ein Vater mit Wurzeln in der arabischen Küche. bei seif wurde arabische Hausmannskost gekocht.
Klassiker wie Makalobi, ein Eintopf aus Fleisch und Reis, der in vieler Hinsicht an das indische Biriani oder Barnia erinnert, einen Tomaten- und Bohneneintopf mit Lamm- oder Kalbfleisch. Tareq erklärt: »Ich hatte das Glück, in einem Umfeld aufzuwachsen, in dem sich die Esskulturen vermischten. Für mich war der Mix aus arabischer, schwedischer und britischer Küche etwas ganz Natürliches. Das habe ich dann in meine eigene Kochphilosophie übernommen: Gut wird es, wenn man sich traut, ein wenig zu mischen.«
dass tareq einmal fernsehkoch oder auch nur pro-
fessioneller Koch werden würde, verstand sich keineswegs von selbst. Aber was ist schon selbstverständlich für einen Heranwachsenden? Klar war jedoch, dass er kochen wollte. Dass er das Kochen liebte. Denn genau das tat er, wenn er von der Schule nach Hause kam: Er legte eine Platte von Pink Floyd auf und bereitete für seine Mutter und seinen Bruder eine Mahlzeit zu. Er hat berichtet, dass seine Reise durch die Welt von Schule und Ausbildung alles andere als problemfrei war. Er hatte unter Mobbing zu leiden und erst in der neunten Klasse waren ihm die Hörner des Selbstvertrauens gewachsen. Jedenfalls absolvierte er eine Kochlehre und schon im zweiten Jahr jobbte er nebenbei in einer Pizzeria am Lilla Torg in Malmö. Er setzte diese Reise noch jahrelang fort, arbeitete hart und verwandelte die Malmöer Gaststätte Trappaner in ein Gourmetlokal. Aber jetzt hat der bekannte Fernsehkoch einen Gang zurückgeschaltet. In einem Interview mit Helsingborgs Dagblad sagte er: »Ich brauchte den Schritt zurück, um auf die Erde zu kommen. In der Gourmetbranche muss man die 27
In der »Nordic Cookery«Folge aus Jokkmokk gibt Eva Gunnare von Essense of Lapland eine Menge traditionelles Wissen über arktische Kräuter und Beeren an Tareq weiter.
eigene Linie immer weiter verfeinern, sie immer extremer machen. Nach fast zehn Berufsjahren fühlte es sich beinahe so an, als hätte ich mich von den Gästen entfremdet. Deshalb habe ich vor Freude einen Luftsprung gemacht, als ich den Vertrag für das Café im Park übernehmen konnte.« Den Schlosspark von Malmö beschreibt er so: »Es ist eine Oase mitten in der Stadt. Man fühlt sich so gut, wenn man morgens herkommt und die Vögel singen hört. Und dann kann man einfach in den Garten hinausgehen, Spargel und Kräuter holen, Knoblauch, Rhabarber, Kohl, Artischocken, Ringelblumen ...« sein interesse für pflanzen und Grünes hat in in den letzten Jahren stark zugenommen. Das liegt zum großen Teil an der Fernsehsendung Trädgårdsfredag (Gartenfreitag), bei der er gezwungen war, sich mit Gartenthemen zu beschäftigen. Früher hatte er keine Zeit, um Gemüse anzubauen, denn er wohnte in der Stadt und betrieb ein Restaurant mit hohen Ambitionen. Dann zog er mit seiner Familie in eine Villa mit einem fantastischen Garten, den er leider erst einmal verwahrlosen ließ. Aber jetzt ist er dabei, ihn nach und nach wieder 28
tareq taylor
wurde 1969 in Malmö geboren, wo er heute mit seiner Frau, seinen Kindern und seinem Hund lebt. Tareq ist bekannt als Fernsehkoch und Kochbuchautor, außerdem durch seine Mitwirkung in der Serie Nordisk Cookery (deutscher Titel: Skandinavisch kochen), von der vier Folgen in Schwedisch Lappland gedreht wurden – in Tornedalen, Jokkmokk, Kiruna und Luleå-Harads-Storforsen. Vier Episoden, die in hervorragender Weise die kraftvollen und spannenden kulinarischen Traditionen dieser Region einfangen. Nordic Cookery wurde in mehr als 130 Ländern ausgestrahlt – unter anderem von RTL Living und BBC Worldwide – und erreichte insgesamt über 80 Millionen Haushalte.
herzurichten – und vor allem sein Interesse für den Anbau weiterzuentwickeln. Inzwischen sind Rüben etwas, auf das er in seinem Leben tatsächlich nicht mehr verzichten will. als tareq bei greta huuva in Jokkmokk war, bereitete er Gompa zu. Engelwurz und Alpensäuerling werden in Wasser gekocht, dann wird Rentiermilch dazugegeben. Ein klassischer Gemüseeintopf, der die Bewohner der Fjällregion vor Skorbut schützte, nachdem sie den ganzen Winter nur Proteine zu sich genommen hatten. Traditionelle Gompa wurde im Sommer hergestellt und in umgestülpten Renmägen von einem Sommer bis zum nächsten aufbewahrt. Einfach nur, damit die Ernährung etwas Grünes enthielt, wenn die Samen ins Gebirge und ins Kalbungsgebiet der Rentiere zurückkehrten. In einem anderen Abschnitt des Buchs über seine kulinarische Reise durch den Norden schreibt Tareq über Greta: »Sie machte mich auch mit der Kombination von Engelwurz und Baiser bekannt und sie kochte Tee aus Kräutern, die so schmecken, wie Sonnenlicht duftet.« Man möge den Ausdruck entschuldigen, aber das ist verdammt gut geschrieben: ein Geschmack von Sonnenlicht. T H E A RCT I C L I FE ST Y L E MAGAZI NE
in seinem neuen leben, nachdem er also einen Gang heruntergeschaltet hat und erdverbundener geworden ist, hat Tareq kein Problem damit, zu sagen, was er über die Koch- und Essgewohnheiten der Gegenwart denkt. »Diese verfluchte Mikrowelle sollte verboten werden. Sie lässt jedes Essen so schmecken, wie wir Menschen riechen, wenn wir gerade aus dem Solarium kommen.« Er glaubt, dass die Lebensmittelindustrie viel mehr Zeit auf die Verpackung der Produkte verwendet als auf deren Geschmack. Nur das Aussehen der Verpackung sei von Bedeutung für den Käufer, weil er ja im Laden den Inhalt weder befühlen noch daran schnuppern dürfe. »Man liest auf der Käseverpackung: mittelreif. Aber was heißt das?« Tareq versteht sich auf die Zubereitung der verschiedenen Teilstücke des Schlachttieres. Er weiß es zu schätzen, dass wir in Schwedisch Lappland schon
immer dem »whole beast cooking« gehuldigt haben, der restlosen Verwertung. Im Interview mit Helsingborgs Dagblad sagt er: »Man muss sich trauen, vom Rückenfilet wegzukommen. Die besten Fleischstücke kann man nicht im Laden kaufen. Dort ist es, als wären die Tiere ohne Knochen, Hals und Magen geboren worden.« tareq liebt slow cooking, das langsame Garen bei Niedrigtemperatur. Er liebt neue Geschmackserfahrungen und er liebt die Spuren kultureller Traditionen, die in den Speisen, die wir essen, aufgehoben sind. Das alles hat er in den Genen. Nach dem Treffen mit Greta Huuva schreibt er in seinem Buch Tareq Taylors Nordiska Matresa: »Ich hatte das Gefühl, dass mir plötzlich die Erkenntnis zuteil wurde, wo mein Platz auf Erden ist und wie alles, was wir tun, letzten Endes eingedampft werden kann auf eine einzige Regung: Respekt. Respekt vor unserer Natur, Respekt voreinander.«
»Greta kochte Tee aus Kräutern, die so schmeckten, wie Sonnenlicht duftet.«
Gurpi und Löjrom, zwei echte Geschmackssensationen aus der Region.
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Foto: Richard Croasdale
Bier vom Feinsten Ich trinke, also bin ich. Vielleicht sollten wir die Trinkkultur nicht so verherrlichen, aber: Seit einigen Jahren zirkulieren hier im Norden interessante Gerüchte über Dinge wie Mikrobrauereien oder Wodkaproduktion. Und vielerorts geht es nicht mehr um Gerüchte, sondern um Fakten. Die Bierkultur ist bei uns voll erblüht. ein Väintern schmeckt oder wie ein Lios Pale Ale aussieht. Oder welche Farbe ein ordentliches Stout in Överkalix hat. Frida Andersson jedenfalls weiß, dass es »kå:LswåRtt« ist, kohlschwarz. Bierbrauen ist eine Passion. Diese Antwort bekommt man, wenn man die Besitzer der Skellefteå Bryggeri fragt, warum sie sich so engagiert haben, zuerst in Skelleftehamn und dann am Bryggarbacken in der Innenstadt. Die 1856 gegründete Dampfbrauerei war das erste Industrieunternehmen in Skellefteå. Jetzt ist auf dem Gelände wieder jede Menge los. Und das Bier ist gut. Ähnlich äußert sich Tommy Eriksson, der nach Skellefteå zurückkam und mit dem Geld, das er als Autobauer bei NASCAR verdient hatte, im Stadtteil Tuvan seine eigene Brauerei eröffnete, die Southside Brewing Company.
So funktioniert es bei den meisten: Aus dem persönlichen Interesse wird eine Art Berufung. Man fängt in der eigenen Küche an, sucht sich neue Lokalitäten und Zutaten und am Ende beschließt man, die Welt vom schlechten Geschmack zu erlösen. Dann bewahrheitet sich der Spruch »Ich trinke, also bin ich«. Und er wird zur Selbstverständlichkeit, wenn die Freunde Mattias Bergström und Joakim Nilsson von Bottenvikens Bryggeri erklären, warum es ihr Bier gibt: »Unser Bier ist nicht pasteurisiert, nicht gefiltert, nicht langweilig, nicht verklemmt, nicht massenproduziert, nicht gepanscht, nicht gekünstelt und hoffentlich noch nicht ausgetrunken, damit du es genießen kannst.« Denn darum geht es letzten Endes: Genuss.
Foto: Skellefteå Bryggeri
Vor zwanzig Jahren buchstabierte man »Pils« in Schweden im Prinzip: »Pripps Blå«. Das war die staatseigene Brauerei – etwa so interessant wie der jährliche Besuch beim Zahnarzt. Heute findet man Mikrobrauereien in mehreren Gemeinden Schwedisch Lapplands. Ja, dass es einmal eine Brauerei auf dem Hof Tjers bei Överkalix geben würde, hätte noch vor wenigen Jahren niemand geglaubt. Aber eines Tages fiel der Sommelière und Braumeisterin in spe Frida Andersson auf, dass der Name ihres Familienhofes sich ausspricht wie »cheers«, das englische Wort für »skål«. Ein Zeichen? Heute wird ihr Bier unter fantasieanregenden Namen im klangvollen Dialekt von Överkalix in den besten Pubs der Region verkauft. Da kann man lernen, wie
BOTTENVIKENS BRYGGERI
Auf den Flaschen steht: »Unser Bier ist nicht pasteurisiert, nicht gefiltert, nicht langweilig, nicht verklemmt, nicht massenproduziert, nicht gepanscht, nicht gekünstelt ...« und noch einiges mehr. www.bottenvikensbryggeri.se
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TJERS
SKELLEFTEÅ BRYGGERI
PITE BRYGGERI
Das Wasser kommt direkt aus der kalten Quelle in Halljärv. Die tiefen Wälder, der wilde Fluss, der deftige Dialekt, die hellen Sommernächte und die große Freiheit sind weitere Zutaten im Bier aus Överkalix.
Diese Brauerei kombiniert tschechische Braukunst mit norrländischem Eigensinn. Das Grundsortiment: Kallholmen, Backens und Seth Mikael. Alle verschieden im Charakter, aber mit der gleichen Sorgfalt gebraut.
Die Mikrobrauerei befindet sich im alten Gemüsekeller auf Furunäset in Piteå. Aus dem weichen Wasser der Gegend entsteht hier ein wohlschmeckendes Bier von höchster Qualität.
www.tjersbryggeri.se
www.skellefteabryggeri.se
www.pitebryggeri.se
T H E A RCT I C L I FE ST Y L E MAGAZI NE
Foto: Magnus Skoglöf
schmack e G r e D wedisch von Sch d Lapplan Foto: Carl-Johan Utsi
Bottnischer Nobel-Kaviar
Foto: Magnus Skoglöf
Kalixlöjrom darf beim Nobelpreisdinner ebenso wenig fehlen wie der König selbst. Der Kaviarersatz aus dem Rogen der Kleinen Maräne war die erste schwedische Delikatesse, die eine geschützte Ursprungsbezeichnung erhielt, ähnlich wie beispielsweise Champagner, Stiltonkäse oder Nürnberger Lebkuchen. Kalixlöjrom verdankt seinen einzigartigen Geschmack dem Brackwasser des Bottnischen Meerbusens und seiner traditionellen Gewinnung, die viel Geduld erfordert.
LEICHT GERÄUCHERT, SAMISCH »SUOVAS«
Foto: Fredrik Broman/humanspectra.com
Salzen, Räuchern und Trocknen sind die traditionellen Methoden der Zubereitung und Veredlung von Rentierfleisch. Früher wendete man sie zur Konservierung an, heute wegen des guten Geschmacks. Zuerst wird das Fleisch mit Salz in Fässern geschichtet. Dadurch bleibt es über Monate haltbar, ohne zu salzig zu werden. Auch das Räuchern erhöht die Haltbarkeit und verfeinert den Geschmack. Es dauert gewöhnlich ein bis zwei Tage. Die Methode und die Wahl der Holzart sind eine Kunst für sich. Getrocknetes, leicht geräuchertes Rentierfleisch, »Goike-suovas«, ist der perfekte Energiespender bei Bergtouren. Die Trocknung erfolgt nach alter Tradition im Frühling, draußen im Freien, und nimmt einige Wochen in Anspruch.
KESCHERN IN KUKKOLA Fischfang mit dem Kescher hat am Kukkolaforsen eine lange Tradition. Am Saisonbeginn wird Lachs gefangen und später Maränen. Seit dem 16. Jahrhundert wurden hier Fallen im Fluss gebaut, um die wandernden Fische aufzuhalten. Nur in Östra Norrbotten und am Amazonas fischt man noch mit dieser Methode. Wer es ausprobieren möchte, sollte nach Kukkola fahren. www.kukkolaforsen.se
Sumpfbeeren-Wässerchen
Der Wodka der Marke Jukkasjärvi wird in Schwedisch Lappland aus dem reinen, weichen Wasser der Region hergestellt, das dann mit den wilden Beeren aromatisiert wird, die in dieser Gegend wachsen: Sumpfbeere, Blaubeere und Arktische Brombeere. Als das Getränk zum ersten Mal vorgestellt wurde, gerieten seine Erfinder in eine geheime Wodkaprobe in einem Stockholmer Hotel. In der Suite wohnte damals gerade Bob Dylan. Der hat Jukkasjärvi Vodka inzwischen auch in seinem privaten Wodkakeller. www.jukkasjarviexport.se
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Foto: Peter Rosén 32
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Das beste Licht-Abenteuer der Welt ein fest der nordlichter. Inmitten der Aurora-Zone,
zwischen dem 65. und 72. nördlichen Breitengrad, mit wenig Lichtverschmutzung durch künstliches Licht, bietet dir Schwedisch Lappland die besten Bedingungen um dieses großartige Naturschauspiel zu erleben. Das jahr 2015 wurde von den Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr des Lichts ausgerufen. Der Lonely Planet veröffentlichte aus diesem Anlass eine Liste mit den zehn besten Plätzen, an denen sich natürliche Lichtphänomene beobachten lassen. Auf Platz Eins stand die Aurora Sky Station in Abisko. Denn an keinem anderen Ort dieser Erde ist die Chance, das Nordlicht zu sehen, größer als hier. Dank eines Skilifts von Abisko auf den Gipfel des Berges Nuolja ist die Anreise leicht und entspannt. Auf dem Nuolja, mitten im Nationalpark Abisko, ist es erstaunlich still und es gibt keinerlei künstliches Licht, welches das Nordlichterlebnis stören könnte. In der Aurora Sky Station aber kann man ein romantisches und exklusives Vier-Gänge-Menü genießen, das durch die kulinarische Welt der lappländischen Küche führt. So wartet man gespannt, bis die Götter Aurora und Borea mit ihrem Schauspiel beginnen. Es war übrigens Galileo Galilei, der dem Nordlicht seinen lateinischen Namen gab: nach Aurora, der römischen Göttin der Morgenröte, und dem griechischen Gott Borea, der Personifikation des winterlichen Nordwindes. Ein durchaus passender Name. Das Nordlicht oder auch Polarlicht ist ein Phänomen, das man nahe den Polen der Erde erleben kann. Es entsteht, wenn Teilchen, meist Elektronen, in der Erdmagnetosphäre beschleunigen und dann auf die Atmosphäre treffen. Verschiedene Farben signalisieren unterschiedliche Abstände von der Erde, an denen diese Teilchen mit etwas anderem in der Atmosphäre kollidieren. Im schwedischen Raumfahrtzentrum in Kiruna wird unter anderem auch das Polarlicht erforscht.
In der Aurora Sky Station in Abisko wird zwischen November bis März ein exklusives Menü serviert. Das Nordlicht ist bereits ab Ende August sichtbar. www.auroraskystation.com 33
Das Nordlicht
wissenschaftliche bezeichnung: aurora borealis
1. Das Nordlicht entsteht durch geladene Teilchen, die sich durch den Sonnenwind bewegen.
2. Durch das Erdmagnetfeld an den Polen in die Atmosphäre gezogen, kollidieren die Teilchen mit Stickstoff- und Sauerstoffatomen.
3. Die Kollisionen emittieren Blitze farbigen Lichtes.
Die Farbe
rot: in über 240 kilometern
Abhängig davon, in welcher Höhe der Atmosphäre die Teilchen kollidieren, da die Zusammensetzung der Atome hier unterschiedlich ist.
grün: in bis zu 160 kilometern lila: in über 96 kilometern blau: in bis zu 96 kilometern
Die ideale Zeit, um das Nordlicht zu beobachten:
Camp Ripan, Foto: Björn Wanhatalo
21–02 uhr
SEP
MÄRZ
Ausrüstung Die Wartezeit kann sich hinziehen, bereite dich also auf einen angenehmen Abend draußen in der Dunkelheit vor.
Die idealen Bedingungen und besten Voraussetzungen, um Nordlichter einzufangen:
Wo kann man das Nordlicht sehen
68° ab isko
Nordlichter treten besonders 66° p häufig in der Aurora-Zone olarkr eis zwischen 65 und 72 Grad Nord (in geomagnetischen Stürmen auch in einem größeren Gebiet) auf. Dies macht Schwedisch Lappland zu einem ausgezeichneten Reiseziel, um das Nordlicht zu beobachten. Der Nationalpark Abisko liegt inmitten dieser Aurora-Zone, verfügt außergewöhnlich oft über wolkenfreien Himmel und weist eine sehr geringe Verschmutzung durch künstliche Lichtquellen auf. Durch diese drei Schlüsselfaktoren lässt sich erklären, warum über Abisko so zuverlässig Nordlichter zu sehen sind.
schwedisch lappland
Nordlicht und Wellness Das Aurora SPA im Camp Ripan in Kiruna verdankt seine Existenz, wie so viele gute Dinge im Leben, der Eingebung eines Augenblicks. Ein paar Freunde saßen zusammen in der Sauna. Einer ging hinaus, um sich abzukühlen und als er zurückkam, sagte er: »Draußen ist das Nordlicht.« In diesem Moment wurde die Idee geboren: »Wäre es nicht toll, hier in der Wärme sitzen zu bleiben und trotzdem das Nordlicht zu sehen?« Im Camp Ripan ist das inzwischen Wirklichkeit geworden. Das Aurora SPA recycelt alles, was in der Gegend vorhanden ist. Im Fußbad werden die Füße mit harten Pellet-Kügelchen aus der großen Eisenerzgrube massiert, gern in Kombination mit Wacholdersalz. Natürlich gönnt man sich eine Ganzkörperpackung und ein Peeling auf Kaffeebasis. Wer seinen Kaffee lieber trinkt, wählt eine Packung mit Birkenblättern und fühlt sich danach revitalisiert und strahlend wie das ewige Licht des Sommers. Genau so möchte man sich doch fühlen, wenn man aus einem Spa-Retreat kommt! www.ripan.se
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Foto: Peter Rosén
Das Nordlicht ablichten Es ist kein Zufall, dass Nordlichtfotos manchmal den Effekt der eigentlichen Lichterscheinung verstärken. Das hat nichts mit Photoshop-Kenntnissen zu tun, sondern damit, dass man beim Belichten einen kurzen Augenblick auf bis zu 30 Sekunden ausdehnen und dann in einem einzigen Bild einfrieren kann. Den besten Effekt erzielt man, wenn künstliche Lichteinwirkungen minimiert werden. Und dafür bietet Schwedisch Lappland mit seiner großartigen Natur die richtigen Bedingungen. Nordlichtfotokurse gibt es unter anderem bei:
Im Sattel zum Nordlicht
Im Schneemobil zum Nordlicht Im Lapland Guesthouse in Kangos ist alles etwas anders. Zum Beispiel kann das gesamte Interieur des Hauses käuflich erworben werden. Es besteht größtenteils aus Gegenständen, die von einigen der bekanntesten Künstler und Handwerker dieser Gegend angefertigt wurden. Dazu gehören nicht zuletzt die Messer des Gastgebers Johan Stenevad. Im Winter sind hier Ausflüge mit dem Schneemobil eine beliebte Aktivität. Die vielleicht schönste Tour ist eine abendliche Fahrt durch die Landschaft, bei der man ein magisches Nordlicht erspäht.
Foto: Lennart Pittja
www.laplandguesthouse.com
Zwischen Kiruna und dem Kebnekaise-Massiv hat das kleine Outdoor-Unternehmen Ofelaš seine Islandpferde. Bei abendlichen Ausritten durch den hundertjährigen Kiefernwald kann man sowohl Elchen als auch dem Nordlicht begegnen. Samische Tourenführer und ein Einblick in die samische Kultur gehören selbstverständlich dazu. Wenn alle zurückgekehrt sind und die Pferde wieder im Gehege stehen, wird in der Kote, samisch »goahtin«, ein Abendessen mit regionaltypischen Gerichten aus Fisch und Rentierfleisch serviert.
Foto: Ofelaš/Mats Berg
Foto: Johan Stenevad
www.lapplandphotoadventures.com www.lightsoverlapland.com www.scandinavianphotoadventures.com
www.ofelas.se
Nordlicht und Glamour Lennart Pittja ist Rentierzüchter, Touristik-Unternehmer, samischer Kulturvermittler und Geschichtenerzähler in Personalunion. In Nietsak bei Gällivare hat er einen Platz für glamouröses Camping, sogenanntes »Glamping«, angelegt. Das Sápmi Nature Camp besteht aus fünf klassischen Zeltkoten, die tatsächlich mit rustikal-modernem Luxus »gepimpt« sind. Das Nordlicht ist natürlich für das Gesamterlebnis von großer Bedeutung. Aber hier, an der Grenze zu Lappland, gibt es noch andere arktische Lichterscheinungen, die genauso spannend sind, zum Beispiel Kaamos, die blaue Stunde, und später dann die Magie der Mitternachtssonne. www.sapminature.com
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Der Ruf der Wildnis T E X T & F O TO H Ã… K A N S T E N L U N D
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Eine Schlittenhundefahrt durch endloses Weiß – das kann in vielfacher Weise als Synonym für ein Winterabenteuer in Schwedisch Lappland stehen. Håkan Stenlund hat mit dem Unternehmen Erlebnis Wildnis im Vindefjäll Naturreservat eine Tour unternommen – und folgte so in gewisser Hinsicht den Spuren von Jack London. »Und einen weiteren Winter wanderten sie durch Gegenden, in die seit Jahren kein Mensch seinen Fuß gesetzt hatte. Einmal gelangten sie auf einen alten Weg, den man durch den Wald geschlagen hatte, und plötzlich war es, als wäre die verlassene Hütte sehr nahe. Doch der Weg hatte weder Anfang noch Ende, und es schien wie ein Rätsel ...« jack london
unsere tour beginnt im
nördlichen Teil von Ammarnäs. Es geht entlang des Weges, der Besucher im Sommer ins Ammarfjäll hinaufbringt, und vorbei am Rentiergehege von Bijergenas, wo der Kungsleden seinen Anfang nimmt. Ausgerechnet heute wurde der Sommerweg nicht geräumt und anstatt zu gehen, stehen wir auf Schlitten hinter einem Hundegespann. Es ist still. Dröhnend still. Man hört nur das schleifende Geräusch des Schlittens, der durch den Schnee gleitet, und das Hecheln der Hunde, als wir Höbäcken passieren. Vor dreißig Minuten aber, als wir unsere Hunde anschirrten, klang das Ganze noch völlig anders. Vierzig energiegeladene Hunde, die einfach nur laufen wollten. Vierzig Hunde, die all diese Energie nur durch Bellen, H«eulen und gegenseitiges Raufen loswerden konnten. Das ist in gewisser Hinsicht eben der Preis dafür, dass man sie an einen Schlitten anschirren kann. Frustra-
tion. Aber sobald wir die Bremsen gelöst und uns in Bewegung gesetzt haben, wird alles still. »Die Welt, die er vor kurzem verlassen hatte, ... schien ihm sehr fern, ... die Erinnerungen an Marktplätze und Galerien und belebte Hauptstraßen ... an Männer und Frauen, die er gekannt hatte, - sie alle waren blasse Erinnerungen an ein Leben, das er einst gelebt hatte ... auf einem anderen Planeten.« jack london
Diese Tour – mit dem Hundeschlitten hinein ins Vindelfjäll Naturreservat, zusammen mit Guide Matthias Schnyder – ist wahrlich eine Reise in eine andere Welt. Hinter Höbäcken endet das Mobilfunknetz. Aktualisierungen auf Instagram werden nun wohl oder übel warten müssen. Stattdessen konzentrieren wir uns auf das,
»Hej Per Nils, was hältst du davon, dass wir hier übers Fjäll fahren?« Abendliche Tourenplanung in der Hütte.
was gerade wirklich passiert und vertiefen uns in das Erlebnis. Wir sind auf dem Weg nach Vindelkroken, entlang des zugefrorenen Flusses Vindelälven. Wir werden unsere erste Nacht in Dalovardo verbringen und dann weiter bis zur norwegischen Grenze ziehen, zur Sommersiedlung des Samendorfes Gran. Dort warten bereits Ingrid und Per Nils Pilto auf uns. Ingrid, die übrigens auch Teil von Per Morbergs Buch Food Travels ist, kann als wahre Hüterin der spannenden samischen Esskultur bezeichnet werden. »Wie ich gesagt habe, so bewegten wir uns durch den Wald, bis der Geruch des Lagerfeuers uns in die Nase stieg.« jack london unser guide Matthias Schnyder stammt aus der Schweiz, lebt aber bereits seit vielen Jahren mit seiner Familie in Sorsele. Als Matthias und seine Frau Barblina nach einem Ort suchten, an dem sie ihr Unternehmen aufbauen konnten, wollte er eigentlich an den Yukon ziehen, in die Heimat der Hundeschlittenfahrt. Doch Barblina fand Schwedisch Lappland einfach besser. Für die Hunde eignete sich hier alles ebenso gut, das gesellschaftliche Leben aber war einfacher zu gestalten und auch die Kunden in Europa waren näher. Heute veranstaltet Matthias von Dezember bis in den Mai hinein Touren. Er liebt seine Hunde, seine Wildnis und sein Leben. Wir wiederum lieben das Erlebnis, das uns hier geboten wird. Als wir am nächsten Tag in Vindelkroken ankommen, wird es sogar noch 37
besser. Per Nils und Ingrid haben das Abendessen für uns zubereitet. Es gibt Saibling, gegrillt auf ihrem knisternden Holzofen. Frisch gefangene Schneehühner hängen bereits im Flur – die werden morgen Abend serviert. Im Laufe der Woche wird es noch gebeiztes Rentierfilet geben, Würstchen aus geräuchertem Rentierhack (»gurpi«), geräuchertes Rentierfleisch (»souvas«), Blutpfannkuchen, Knochenmark und einen deftigen traditionellen Rentiereintopf. »Es hatte seit vielen Tagen nicht mehr geschneit, und die Schlitten glitten so leicht über die verdichtete Yukon-Spur, als wäre es Glatteis ... Ich würde mir wünschen, dass Ihr mitkommt.« jack london leider geht jede reise einmal
zu Ende. Auch diese hier. Bald werden wir uns auf den Rückweg machen, zurück zu dem, was wir
für gewöhnlich als Zivilisation bezeichnen. Ich vermute allerdings, dass keiner von uns wirklich dorthin zurück möchte. Wir haben uns an das einfache Leben gewöhnt. Kein Handynetz – nur unkomplizierte Aufgaben wie Schnee holen, Wasser für die Hunde schmelzen und das Füttern der Hunde, bevor wir selbst etwas essen. Die Hunde bedeuten alles – oder haben zumindest Vorrang, genau so, wie es auch damals zu Jack Londons Zeiten schon gewesen ist. Es gibt so viele Arten, ein Hundegespann zu erleben, aber durch wegloses Gebiet zu reisen, bei den Samen Ingrid und Per Nils zu wohnen, die in aller Einfachheit wahrlich etwas Spektakuläres bieten, und der geringe Schneemobilverkehr dieser Gegend – all das macht die Tour noch außergewöhnlicher. Mit Hunden im Vindelfjäll zu reisen, ist in der Tat etwas Neues. Früher sind Samen und Siedler mit
Langlaufskiern unterwegs gewesen, den Rentierherden oder Gänseschwärmen folgend. Dann kamen Traktor, Auto und Schneemobil. Heute jedoch reisen wir mit dem Hundeschlitten. Es fühlt sich so an, als würde es hierhin gehören. Es ist natürlich, echt. Es gibt viele Unternehmen, die in Schwedisch Lappland Hundeschlittentouren vom Feinsten anbieten – inklusive Erlebnissen der Spitzenklasse. Matthias ist natürlich einer von ihnen, jedoch gibt es allein in Sorsele noch drei weitere Veranstalter. Auch sie bieten Abenteuer, die ebenso großartig sind wie jenes, das wir gerade erleben durften. Alle Zitate stammen aus Jack Londons Wolfsblut und Der Ruf der Wildnis.
Touren mit Matthias Schnyder unter www.outdoor-ticket.com
»Wie ich gesagt habe, so bewegten wir uns durch den Wald, bis der Geruch des Lagerfeuers uns in die Nase stieg.« jack london
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Foto: Lapland Lodge
Gäste der Lapland Lodge genießen einen Augenblick Stille, bevor sie ihre Entdeckungsfahrt fortsetzen.
Schneemobilmagie es gibt bei uns Skotertouren für alle, für erfahrene Motorschlittenlenker wie für blutige Anfänger. In Arjeplog, Arvidsjaur und Sorsele findet man außerdem viele gute Strecken, ob man nun Schneemobil fahren will, weil es so verdammt cool ist, oder ob man einfach von A nach B kommen muss. Zum Beispiel, um zum Eisangeln auf einen zauberhaften See hinauszufahren oder mit Freunden eine geführte Tagestour zu unternehmen. Man kann sich auch für mehrtägige Touren anmelden, die durch großartige Landschaften führen, weit weg von dem, was wir
Zuerst kamen die Menschen auf Skiern nach Schwedisch Lappland, dann zu Pferd, auf dem Traktor, im Auto und im Motorschlitten, auch Schneemobil oder Schneescooter genannt, schwedisch »skoter«. Hier oben waren wir schon im Skoter unterwegs, bevor wir Hundeschlitten fuhren. Man kann dabei schöne Entdeckungen machen.
Zivilisation nennen. Wenn dicker Schnee in den Wäldern liegt und dickes Eis auf den Seen, wenn der Himmel über dem Fjäll blau leuchtet, dann sind die Pferdestärken des Skoters die Eintrittskarte in die Natur. Von der Lapland Lodge aus fahren wir durch den Wald rund um Arvidsjaur und nehmen Kurs auf das niedrige Fjäll und die Skihänge bei Vittjåkk. Schwer und pulvrig hängt der Schnee an den Zweigen der Kiefern. Die Skoterspur windet sich voran und langsam, aber sicher gewinnen wir an Höhenmetern und nähern uns dem lichteren Teil
des Waldes, wo sich die Ausblicke öffnen. An einem anderen Tag starten wir von Arjeplog und kurven westwärts an den gefrorenen Seen von Uddjaur und Hornavan entlang. Beim dritten Mal fahren wir mit Sorsele Snowmobiletours nach Ammarnäs und in die Berge. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten und Varianten für den, der mit Hilfe von einigen PS mehr von Schwedisch Lapplands Winterlandschaft entdecken möchte. www.laplandlodge.se www.experiencearjeplog.se www.sorselesnowmobiletours.se
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Unsere acht Jahreszeiten
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die einteilung in acht Jahreszeiten stammt vom
samischen Urvolk. Sie folgten den klimatischen und natürlichen Veränderungen, wenn sie ihre Rentiere auf die Winter- oder Sommerweiden trieben. Heute sind die meisten Samen zwar mehr oder weniger sesshaft, aber dennoch weiterhin geprägt von Jahreszeiten und Klima. Dieses einzigartige Wissen ist in einer Region mit derart großen Kontrasten enorm wichtig. So kann zum Beispiel der Temperaturunterschied zwischen Sommer und Winter in manchen Jahren bis zu 70 Grad betragen.
Meer, in den Bergen oder im Waldland gekommen. Oder man unternimmt schöne Skitouren. Es ist einfach toll, sich ein Sofa aus Schnee zu bauen, das Rentierfell darauf auszurollen und über dem Lagerfeuer Würstchen zu grillen. Der Frühlingswinter bedeutet für die samischen Rentierzüchter eine arbeitsreiche Zeit. Jetzt müssen die Rentiere von den Winterweiden im Waldland oder an der Küste hinauf in die Berge getrieben werden. Dort lassen sich die Weiden leichter überwachen und die trächtigen Rentierkühe können in aller Ruhe kalben.
gidádálvve – frühlingswinter
gidá – frühling
Frühlingswinter (Lulesamisch: gidádálvve) fällt in die Monate März/April. Er bringt nach den Wintermonaten Licht und Wärme zurück. Jetzt ist die Zeit für lange Schneemobilausflüge auf dem zugefrorenen
Der Frühlingswinter wird vom Frühling (Lulesamisch: gidá) abgelöst, der im April und Mai herrscht. Nun entlässt das Eis die südlichen Teile Schwedisch Lapplands aus seinem festen Griff. T H E A RCT I C L I FE ST Y L E MAGAZI NE
Foto: Carl-Johan Utsi
Das klare, reine Wasser rauscht und glitzert. Im Mai treiben die Laubbäume aus und die ersten Frühlingsblumen beginnen zu sprießen. Im Gebirge sind die Nächte zwar immer noch kalt, aber tagsüber herrschen bereits angenehme Temperaturen – nach wie vor sind sowohl die Schneemobil- als auch die Skibedingungen hervorragend. Nun werden die Rentierkälbchen geboren und machen ihre ersten unsicheren Schritte, überwacht von den stolzen Kühen. gidágiesse – frühlingssommer
Im Juni werden die Sommernächte immer heller und der Frühling geht über in den Frühsommer oder Frühlingssommer (Lulesamisch: gidágiesse). Nun beginnt es, endgültig zu grünen, die Natur explodiert förmlich. Diese Phase ist der Beginn der Wander- und
Fahrradsaison. Nun tauschen wir die Eisangel gegen Kunstköder und Fliegenrute. Oben im Gebirge bricht für die Rentiere eine angenehme, ruhige Zeit an, ohne Insekten und blutrünstige Mückenschwärme. Sie fressen sich nun in Birkenwald und Sümpfen ordentliche Fettpolster an. giesse – sommer
Im Juni/Juli kommt schließlich die langersehnte Wärme und es wird endlich Sommer (Lulesamisch: giesse). Nun baden wir in flachen Meeresbuchten, sonnen uns auf den Klippen im Schärengarten, schwimmen in einem der Tausenden von Seen oder kühlen unsere vom Wandern müden Füße in einem erfrischenden Gebirgsbach. In dieser Phase sollte man das reiche Angebot an Sommererlebnissen von der Küste bis ins Gebirge hinein erkunden. Nun gilt es, vor dem Herbst 41
Brändöskär im Schärengarten von Bottenviken.
und Winter viel neue Energie zu tanken. Der Sommer ist für die samischen Dörfer eine hektische Zeit. Die Rentiere sind nun auf der Flucht vor Insekten und auf der Suche nach Abkühlung hinauf ins Hochgebirge gezogen. Dennoch müssen die Kälber markiert werden und die Familien versammeln sich, um diese Aufgabe gemeinsam zu erledigen. Kälbermarkierungen erfolgen oftmals in hellen und kühlen Sommernächten. Die Waldrentierzüchter, die sich das ganze Jahr über im Waldland aufhalten, wenden einen alten Trick an. Er kommt auch heute noch in Verbindung mit der sommerlichen Kälbermarkierung zum Einsatz: Man entzündet große Feuer mit Moos, um eine starke Rauchentwicklung zu erreichen. Dies hält Insekten von Mensch und Tier fern.
tjakta – herbst
tjaktjagiesse – herbstsommer
tjaktjadálvve – vorwinter oder herbstwinter
Im August kommt schließlich der Herbstsommer ins Land (Lulesamisch: tjaktjagiesse). Jetzt werden die Beeren reif und in den Wäldern sprießen die Pilze. Wir füllen nun vor dem langen Winter die Speisekammern mit den Schätzen der Natur. Die Abende und Nächte werden immer dunkler, die Insekten verschwinden allmählich und im Gebirge verfärbt sich die Natur. Der Wanderer wird in dieser Jahreszeit mit einer fantastischen Kulisse belohnt. Auch der Herbstsommer ist wichtig für die Rentiere, da sie nun alles fressen, was die Natur zu bieten hat. Gerade in dieser Zeit legen sie vor dem nahenden Winter noch einmal an Fettpolstern und Muskelmasse zu. 42
Im September und Oktober, übernimmt der Herbst (Lulesamisch: tjakta) die Macht. Die Sonne steht hoch am Himmel und die Tage können noch angenehm warm sein, selbst wenn die klare Luft nicht mehr über den Herbst hinwegtäuschen kann. Trotz Nachtfrost lassen sich, zumindest Anfang September, immer noch Pilze und Beeren sammeln. Der Herbst ist auch die Zeit der Jagd, zum Beispiel der traditionellen Elchjagd. Für die Rentierzüchter beginnt eine hektische Phase. Die Rentiere grasen nun zwar größtenteils in den niedrigeren Bergregionen, doch Mitte September, kurz vor der Brunft, wird es Zeit für die Schlachtung. Zudem werden jetzt noch jene Kälber markiert, die im Sommer entwischt sind. November und Dezember umfassen den Vorwinter (Lulesamisch: tjaktjadálvve). Nun werden die Tage kürzer und die Natur wechselt erneut ihre Farbe. Mit dem ersten Schnee erhält sie ein weißes Kleid. Die Skibegeisterten können es kaum erwarten, bis endlich gespurt wird und die ersten Skilifte öffnen. Manchmal passiert das bereits Anfang November. Die Rentiere fressen die noch übrig gebliebenen Gräser und Seggen in Wald und Sumpf, die sie auch unter einer dezimeterdicken Schneedecke noch erreichen können. Auch der Vorwinter ist Schlachtzeit, vor allem der Kälber. Zudem werden nun die Rentierherden in Wintergruppen eingeteilt und zu den Winterweiden T H E A RCT I C L I FE ST Y L E MAGAZI NE
Foto: Graeme Richardson
im Waldland oder in manchen Fällen sogar bis an die Küste hinuntergebracht. dálvve – winter
Dann schließlich kommt der Winter. (Lulesamisch: dálvve) – die längste unserer acht Jahreszeiten, die von Dezember bis hinein in den März andauert. Nun umschließt uns die Kälte mit ihrem eisigen Griff und friert die Landschaft zu fantasievollen Gebilden. Heulende Schneestürme jagen über Gebirgsregionen, Waldland und entlang der Küste. Wer das Haus verlässt, sollte
sich nun clever kleiden: Zwiebelprinzip, mit Wolle als unterster Schicht am Körper und einer dicken Daunenjacke darüber. In Schwedisch Lappland lieben wir Outdoor-Aktivitäten im Winter: Schneeschuhwanderungen, Schneemobiltouren, Skifahren und Eisfischen. Die Natur bietet fantastische Schauspiele und in klaren Nächten kann man das tanzende Nordlicht bewundern. Im Winter werden die Rentierherden zwar täglich überwacht, grasen aber dennoch frei. Rentiere sind an das arktische Klima angepasst und können bei Kälte sowohl Wasser als auch Energie speichern.
Foto: Johan Sandlund/Polcirklen
Über den Polarkreis hüpfen
der polarkreis ist die Grenze unseres arktischen Mitternachtssonnenlandes. Also der Zone, in der man beim mittsommerlichen Sonnenstand 24 Stunden am Tag die Sonne über dem Horizont sieht. Das Überqueren des Polarkreises haben viele Leute auf ihrer Bucket List, aber nirgends auf der Welt ist es so einfach wie in Schwedisch Lappland. Man kann auf dem Kungsleden wandern, man kann mit dem Rad oder mit dem Auto auf den Straßen 95, 97, 98 und 99 sowie auf den Europastraßen E45 und E10 hinüberfahren. Wer den Polarkreis zu Fuß überschreitet, kann beim Camp Polcirkeln ein Souvenir in Form einer Urkunde kaufen. In der Nähe kann man zelten, an manchen Stellen sogar direkt auf dem Polarkreis übernachten. Wer es besonders einfach haben will – und großartig dazu –, nimmt den Helikopter, zum Beispiel von Tjärnberg oder Vuoggatjålme. www.miekak.com www.vuoggatjalme.se
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Foto: Marcus Alatalo
Mitternachtssonne 13 ARTEN, DAS LICHT ZU GENIESSEN
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Foto: Laponia
1. Minikreuzfahrt Im Juli kann man nachts zwischen Piteå und Luleå kreuzen. Abfahrt 22.15 Uhr, Ankunft in Luleå gegen 2 Uhr. Keine Sorge, ein später Snack ist inbegriffen. Außerdem gibt es natürlich noch die klassischen Krebskreuzfahrten und die Mittwochskreuzfahrt nach Brändöskär. www.laponia.se
kajakturer i
SWEDISH LAPLAND
SVE RIG ES NOR DLIG AST E
Wenn der Sommer kommt, schmilzt das Eis. Von den beiden Grundphänomenen, die Schwedisch Lappland prägen – Licht und Dunkelheit – ist die helle Zeit natürlich die lebendigste. Alles wächst, neues Leben wird geboren, die Vögel singen unablässig. Die Mitternachtssonne scheint etwa 100 Tage. Man spielt nachts Golf, geht schwimmen nach Lust und Laune und wer dieses Licht noch nie erlebt hat, fragt sich, wie man dabei schlafen kann. Am Ende pfeift man auf den Schlaf und entscheidet sich für noch mehr Abenteuer, noch mehr Sommer.
DES TIN ATIO N
LULE Å – RÅN EÅ
2. Paddeltag Bottenvikens Skärgård ist das nördlichste Brackwasserschärengebiet der Welt. Das Wasser, das weder salzig noch süß ist, hat eine einzigartige Flora und Fauna hervorgebracht. In mancher Hinsicht erinnert sie ans Fjäll – nur paddeln lässt es sich hier viel besser. Die Gemeinde Luleå hat für ihren Teil des Schärengebiets einen eigenen Paddel-Guide herausgegeben. bit.ly/2kjoVQr
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Foto: Bodens Golfklubb / Per Bergbom
M I T T E R NAC H T S L IC H T
3. Tee Time
Midnight
Für jeden Golfer muss es ein Höhepunkt des Sommers sein, mit tee time midnight abschlagen zu können. In ganz Schwedisch Lappland, von der Fjällbahn in Björkliden bis zu den meernahen, flachen Greens der Küstenstädte, gibt es spannende Herausforderungen für Golfer. Die hellen Nächte sind eine magische Zutat.
Foto: Johan Fjellström
www.nvgf.se
4. Wasser im Überfluss
Arjeplog besitzt mit dem Hornavan nicht nur Schwedens tiefsten See. Es gibt hier noch weitere 9.000 Seen und die drei Flüsse Lais-, Skellefteund Piteälven. Fast alles steht für nasse Abenteuer zur Verfügung. Früher wurden die Wasserwege als Transportrouten benutzt, heute geht es mehr um Spaß der Spitzenklasse, um Fischen und Baden im Schärengebiet des schwedischen Fjälls. www.arjeplog.se
Foto: Anna-Karin Nordvall
5. Lichtreiten Von Anfang Juni bis Mitte Juli kann man die Mitternachtssonne vom Pferderücken aus erleben – mit Galgbackens Islandpferden in Sakajärvi. www.galgbacken.com
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Foto: Carl-Johan Utsi
Foto: Ted Logardt
M I T T E R NAC H T S L IC H T
7. Nachtdienst im Rengehege In jedem Frühjahr wandern die Rentiere ins Fjäll hinauf zu ihren Kalbungsgebieten. Im Sommer, unter der Mitternachtssonne, werden die Kälber dann markiert – ein faszinierendes Schauspiel. Im Tourismusbüro kann man erfragen, wann in den Samendörfern jeweils die Kälbermarkierung stattfindet. Foto: Marcel Köppe/Servingmind
6. Sonne, Sand
und Meer
Foto: Eric Borg
Bei Schwedisch Lappland denkt man nicht unbedingt an Sandstrände, ans Sonnen und Baden. Aber tatsächlich hat Piteå eine echte Riviera und das bottnische Schärengebiet mit Luleå, das fast jeden Sommer die meisten Sonnenstunden in Schweden verzeichnet, ist das reine Badeparadies. Im Fjäll und an den Seen findet man weitere interessante Sandstrände und Badeplätze.
8. Loggers Lodge In der Nähe von Harads, wo sich auch das legendäre Treehotel befindet, liegt die »Loggers Lodge« von Pure Lapland. Eine rustikale Blockhütte mitten im Wald, weit weg von aller Hektik der Welt. Ein offener Kamin, ein privates Spa, eine mit Holz gefeuerte Sauna und ein Jacuzzi unter freiem Himmel machen die Hütte zum perfekten Ort für verliebte Paare – und alle anderen, die sich nach Ruhe und Romantik sehnen. www.pure-lapland.com
9. Storforsen Storforsen bei Älvsbyn ist Europas größte unregulierte Stromschnelle. Das Wasser stürzt über mehrere Kilometer um 82 Meter hinab – eines der imposantesten Erlebnisse in der Region. Wer baden will, sollte natürlich nicht in den Wasserfall springen, aber in der Umgebung, die döda fallet (dt. der tote Fall) genannt wird, gibt es viele coole Badeplätze zwischen Steinen und Felsplatten. Zum Übernachten: www.storforsen-hotell.se
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Foto: Daniel Olausson/Mediatales
M I T T E R NAC H T S L IC H T
10. Festmusik
Sommer ist Festivalzeit. In Schwedisch Lappland finden den ganzen Sommer über große und kleinere Festivals statt. Klassiker wie das »Kiruna Festival« oder »Piteå Dansar Och Ler« (dt. Piteå tanzt und lächelt) wechseln ab mit dem Volksmusikfestival in Saltoluokta oder dem Bluesfest in Flakasand. Das optisch vielleicht schonste Musikfestival der Welt heißt »800 MÖH« und findet auf dem Berg Dundret statt, mit der Aussicht auf Gällivare als Hintergrund, der Mitternachtssonne als Beleuchtung und dem Fjäll als Kulisse.
Foto: Mattias Fredriksson
www.800moh.com
Foto: Håkan Stenlund
11. Mitternachtssonnenski An jedem Mittsommerabend werden in Riksgränsen die Lifte in Gang gesetzt. Aber schon von Ende April an kann man hier, im coolsten Skiort der Arktis, auf Pulverschnee und Frühlingsschneematsch fahren. Seit den Siebzigerjahren kommen Freistil- und Snowboardfahrer hierher, um die Saison zu beschließen. Das Helikopterskiangebot hat Weltklasseniveau. www.riksgransen.se
12. Nachtwachen Man kommt nicht daran vorbei: Fliegenfischen ist nachts am schönsten. Für den Lachsangler in Råstrand, der vier Nächte hintereinander auf dem Steg wartet, genauso wie für den Äschenfischer am Juktån oder für den Angler im Fjäll, der plötzlich sieht, wie die Seesaiblinge wach werden. www.sorselefisket.se
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Foto: Ulrica Malm SVT Nice Drama Canal+
M I T T E R NAC H T S L IC H T
13. Mitternachtssonne – Der Film Wird Kiruna zu einem Lieblingsdrehort für in- und ausländische Filmproduzenten? Ein aktuelles Beispiel ist die gefühlvolle schwedisch-französische Thrillerserie Midnattssol (frz. Jour Polair), von der in beiden Ländern im Herbst acht Folgen gesendet wurden und die das ZDF gekauft hat (dort heißt sie kurioserweise Midnight Sun). Außerdem wurden gerade vier Krimis mit Åsa Larssons Detektiv aus Kiruna verfilmt.
Die Mitternachtssonne Was ist die Mitternachtssonne?
23–24/5 – 18–19/7
27–28/5 – 14–15/7 KIRUNA
Die Mitternachtssonne ist ein Naturphänomen, das im Sommer nördlich des Polarkreises auftritt. Es bedeutet, dass die Sonne nachts sichtbar bleibt. An Orten südlich des Polarkreises herrscht dann Mitternachtsdämmerung, was besagt, dass Tagesaktivitäten bei Nacht ohne künstliche Beleuchtung möglich sind. Das nennt man auch Mitternachtslicht oder »weiße Nächte«.
31/5–1/6 – 10–11/7 GÄLLIVARE
PAJALA
4–5/6 – 6–7/7 JOKKMOKK
POLARKREIS
ÖVERKALIX
1. Von Mitte März an neigt sich das nördliche Ende der Erdachse immer stärker der Sonne zu und erreicht die maximale Neigung von 23° zur Sonnenwende.
23° polarkreis
2. Bei diesem Neigungswinkel wird die Zone oberhalb des Polarkreises, der auf 66°N liegt, 24 Stunden am Tag von der Sonne beschienen.
8–9/6 – 2–3/7 12–13/6 – 28–29/6
3. Im Winter, wenn die Erdachse sich in die Gegenrichtung neigt, bleibt die Zone oberhalb des Polarkreises ohne Sonnenlicht.
die sonne
BODEN
ARVIDSJAUR
ÄLVSBYN
KALIX LULEÅ
PITEÅ
SKELLEFTEÅ
Wo und wie sieht man die Mitternachtssonne? Die Karte zeigt, in welchem Zeitraum das Phänomen sichtbar ist. Je weiter man nach Norden reist, desto länger wird die Periode der Mitternachtssonne.
Die idealen Bedingungen,
Sommersonnenwende bedeutet auch, dass die Sonne während des Tages ihren höchsten Stand am Himmel erreicht. Das ereignet sich etwa am:
SORSELE
ÖVERTORNEÅ HAPARANDA
ARJEPLOG
um die Mitternachtssonne zu genießen.
JUNI
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Kuriosum
Was man braucht
Am Nordpol geht die Sonne nur einmal im Jahr auf, nämlich Ende März, und erst Ende September geht sie wieder unter. Dieses Phänomen nennt man den Polartag.
Eine Sonnenbrille kann nützlich sein, wenn man nachts Auto fährt, weil man von der niedrig stehenden Sonne geblendet werden könnte.
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4.001 Inseln im Strom der schärengarten von Bottenviken ist ein-
zigartig. Die Landhebung, das Brackwasser, die endemische Pflanzenwelt und das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Biotope machen unseren Schärengarten so speziell. Die Landhebung um etwa einen Meter alle hundert Jahre hat großen Einfluss auf diese Landschaft. Kontinuierlich entsteht neues Land und auf diesen sogenannten Uferwiesen fühlen sich Strand-Augentrost (Euphrasia botnica) und Bottnische Schmiele (Deschampsia bottnica) wohl. Diese Pflanzen wachsen nur hier – im einzigen Schärengarten mit Brackwasser, dessen Salzgehalt unter zwei Prozent liegt. Es gibt Salzwasserfische ebenso wie die typischen Süßwasserfische, Waldvögel ebenso wie Seevögel. Ein großer Teil des äußeren Schärengartens erinnert an ein Biotop, wie es auch im Gebirge zu finden ist. So kann man im äußersten Küstenstreifen genauso auf Schneehuhnjagd gehen und Pfifferlinge sammeln wie in den Bergen. Im Sommer werden viele der Inseln im Schärengarten von Bottenviken von Ausflugsbooten angelaufen. Es gibt Jugendherbergen, Schutzhütten und Rastanlagen, zudem stehen Saunen und Grillplätze zur Verfügung. Im Winter werden die Inseln von Eis eingeschlossen und durch Eisstraßen sowie Schneemobilstrecken zugänglich gemacht. Der Schärengarten von Bottenviken hat auch kulinarisch einiges zu bieten. Kalix löjrom – der auch Gold des Meeres genannte Maränenkaviar – ist Schwedens erste Delikatesse, die von der EU wie Stilton-Käse, Champagner und Parmaschinken durch eine geografische Herkunftsangabe geschützt wurde. Der Lachs hat einen großen Anteil am Reichtum dieses Küstenstreifens. Die Stadt Luleå wurde mit Geld gebaut, das man mit dem Lachs im Fluss verdiente – ebenso wie die Universität Uppsala! Als Geschmackserlebnis für die besonders Interessierten gibt es außerdem noch den berühmten fermentierten Hering, den Surströmming.
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Foto: Andy Anderson
HuvÜn im Schärengarten von Bottenviken.
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Die Samen nennen es Badjelánnda – das Höhere Land. Es ist Teil des Weltkulturerbes Laponia und eine Lieblingsgegend für Wanderer, die ein wenig allein sein wollen. Und dann ist da Konsul Perssons Stuga, ein besonderer Ort. Unser Kollege Håkan Stenlund hat sich im Frühherbst dort umgesehen.
Badjelánnda
Foto: Göran Wallin
DAS HÖHERE LAND
Der See Virihaure mitten im Herzen von Laponia.
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» – einer von jenen, denen die Wüste ein Kopfkissen war und die einen Stern ihren Bruder nannten. Einsam. Aber Einsamkeit kann auch Kommunion sein.« es weht ein ziemlich kühler wind im
Schatten des Sulitjelma-Massivs. Ich habe mein Zelt am Ufer des Sees Sårjåsjaure aufgebaut, obwohl ich auch in dem kleinen Haus übernachten könnte, das ich besuchen will. Aber ich habe für Häuser nicht viel übrig. Eigentlich würde ich am liebsten unter freiem Himmel schlafen, nur lässt das Wetter es heute leider nicht zu. Der Neuschnee, der ringsum auf die Berggipfel fällt, kommt hier unten, 860 Meter über dem Meeresspiegel, als Nieselregen an. Bei dem erwähnten Haus handelt es sich um Konsul Perssons Stuga am Sårjåsjaure – auf der Karte heißt es Sårjåsjaurestugan –, am Wanderweg Nordkalottleden. Konsul Perssons Stuga ist ein Klassiker der schwedischen Fjällwelt. Hier pflegte Dag Hammarskjöld, der frühere UN-Generalsekretär, mit seinen Freunden herzukommen. Sein Buch Zeichen am Weg ist die literarische Begleitung, die ich mir auf dieser Wanderung gönne. So bin ich nicht einsam, auch wenn ich allein gehe. Der Nordkalottleden und der Padjelantaleden sind längst nicht so bekannt wie ihr Kollege, der Kungsleden oder Königsweg. Die Wanderung zum Sårjåsjaure ist ein Abstecher, den ich von Staloluokta aus unternehme. Morgen werde ich denselben Weg zurückgehen, um dann dem Padjelantaleden zu folgen, bis er bei Kvikkjokk auf den Kungsleden trifft. Aber schon der Padjelantaleden rund um den Sarek im Badjelánnda ist eine wirklich schöne Wanderung in dem Weltkulturerbegebiet, das von der Organisation Laponiatjuottjudus verwaltet wird. »Prüfe nicht vor jedem Schritt den Boden: nur wer in die Weite schaut, findet den Weg.«
ylva pavval aus jokkmokk ist Hüttenwirtin in den Staddajåkkå-Hütten. Sie hat während 53
Foto: Håkan Stenlund
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Konsul Perssons Stuga, am See Sårjåsjaure, liegt auf dem Nordkalottleden.
ihrer gesamten Jugendzeit die Sommer im Badjelánnda verbracht, sie und ihre Familie haben hier ihre Rentiere. »Aber ich dachte mir, nun ist es Zeit, mal ein wenig Abstand von ihnen zu haben – also von der Familie«, sagt sie und lacht. Ich bin mitten in Ylvas Morgenabwasch geplatzt, was ihr nicht unangenehm zu sein scheint. Wir plaudern eine Weile und das Abwaschwasser wird kalt. Es sind drei Samendörfer, Jåhkågasska, Sirkas und Tourpon, die sich hier das fruchtbare Rentierweideland teilen. Badjelánnda wurde 1963 zum Nationalpark erklärt. Der Vorschlag war von dem Schriftsteller Sten Selander gekommen, mit der Begründung, dass auf diesem besonderen, hochgelegenen Terrain eine in der Fjällwelt 54
einzigartige Flora gedeiht. Badjelánnda, wörtlich: das Hohe Land, ist inzwischen Teil des Weltkulturerbes Laponia. Zur Gesamtfläche des Nationalparks, 1.984 km2, gehört ebenso viel Gletschereis wie Fjällbirkenwald, jeweils 14 km2. Zwei ausgedehnte Seensysteme, Virihaure und Vastenjaure, prägen auf großartige Weise die Landschaft, die als Hochplateau zwischen den Bergmassiven Sarek und Sulitelma liegt. »Nie solltest du die Höhe des Berges vermessen, bevor du den Gipfel erreicht hast. Dann wirst du sehen, wie niedrig er ist.« der virihaure bei staloluokta
wirkt wie ein Binnenmeer. »Stalo« ist ein Knotenpunkt, an dem
sich der Padjelantaleden und der Nordkalottleden treffen. Hier sind immer viele Leute. Die einen kommen mit dem Hubschrauber an, die anderen fliegen weg. Die meisten Wanderer, denen ich begegne, wollen dorthin. »Heute abend gehe ich in Staloluokta in die Sauna«, sagt ein deutscher Einzelwanderer, den ich an der Brücke über den Viejejåkkå treffe. »Angeblich verkaufen sie da auch Bier«, fügt er hinzu und sieht schon ganz durstig aus. Am Virihaure traf der »King of Flower Power«, Carl von Linné, im Jahr 1732 ein. Nach allem, was ich in seinen Tagebüchern gelesen habe, schien er sich in Staloluokta wohlzufühlen. Auch wenn er den Fisch aus dem Fjäll, den man ihm anbot, nicht goutierte: »... frischer, gekochter Saibling, den ich so nicht T H E A RCT I C L I FE ST Y L E MAGAZI NE
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verzehren konnte, weil er nicht genug gesalzen war.« Dafür schmeckten ihm der Käse und die Blutklöße. Aus seinen Aufzeichnungen erfahren wir, dass er von den Samen beeindruckt war. Er stellte fest, dass sie ein gesundes Leben führten, von dem wir etwas lernen könnten. Der Aufenthalt am Virihaure war jedenfalls viel angenehmer als das, was Linné und sein Führer zuvor auf der Reise erlebt hatten, als sie sich im Moorelend von Lyxmyran südlich von Sorsele verirrten. Da hatte er notiert: »Kein Priester könnte die Hölle schlimmer beschreiben ... Ich habe die Unterwelt durchstreift.« Ich treffe Leute mit Ipods und Ohrstöpseln, die kaum Zeit haben, »Hallo« zu sagen. Ich wandere immer ohne Ipod oder Mp3, ich will das Heulen des Windes hören und den Regen, wenn er mich im Tal einholt. Die Natur ist nie völlig still. »Schwerer Staub senkt sich nieder, die Luft stirbt, das Licht wird glanzlos in einem Raum, den wir nicht jederzeit bereitwillig verlassen könnten.« es hat vor- und nachteile, allein
Foto: Anita Fåhraeus
zu wandern. Wenn du dein Lager aufschlägst, kannst du dich auf niemand anderen verlassen. Du musst selbst dein Teewasser kochen, selbst dein Zelt aufbauen und mit
Solanderleden
dir selbst reden. Ich habe diesmal meinen großen Trangia-Kocher mitgenommen. Ich habe auch einen zu schweren Schlafsack dabei und eine Unterlage, die zuviel Platz wegnimmt. Ich notiere mir in Gedanken, dass ich mir ein paar neue Sachen kaufen muss, wenn ich nach Hause komme. Wenn ich schon so viel draußen unterwegs bin, wäre es wohl nicht falsch, ein paar Dinge zu haben, die weniger wiegen, raumsparender sind und besser funktionieren. Das ist eine Frage von Komfort und Effektivität. Der Vorteil des Alleinwanderns ist natürlich, dass du nur auf dich selbst Rücksicht nehmen musst. Du kannst gehen, wann und wohin du willst. Du isst, wenn du Lust dazu hast. Ruhst dich aus, wenn du es brauchst. In gewisser Weise ist es eine Herausforderung, allein zu wandern. Aber der ganze Lohn dafür gehört dann auch dir allein. »Frei sein, aufstehen und alles zurücklassen können – ohne sich umzuschauen. Ja zu sagen.« bis ich 25 war, passte alles, was
ich besaß, in einen Rucksack, der nur wenig größer war als der, den ich jetzt trage. Das war die Zeit in meinem Leben, in der ich mich am freiesten fühlte. Inzwischen habe ich tonnenweise Sachen angesam-
melt und bin viel mehr gebunden. Oft stelle ich mir die Frage: Wäre ich imstande, einfach wegzugehen und mich nicht mehr umzuschauen? Es ist interessant, sich mit dieser Frage zu beschäftigen, denn sie enthüllt in jeder Hinsicht, was einem im Leben wichtig ist. Dinge schaffen wir uns meistens deshalb an, weil wir gern jemand anders wären. Aber das Leben ist größer als das eigene Spiegelbild. Ich rede hier nicht von Verantwortungslosigkeit. Einfach wegzugehen und seine Kinder oder seine Lebensaufgabe zurückzulassen, ist nicht dasselbe wie die Bereitschaft, sich nicht mehr umzuschauen. Ich spreche von dem, was uns an unserem Platz auf dieser Erde festhält. Bleibe ich dort, weil ich mich dort wohlfühle oder weil ich versuche, mich dort wohlzufühlen? Oder um den Anschein zu erwecken, dass es so ist? Wenn alles, was ich brauche, in einen Rucksack passt, warum habe ich dann noch so viele andere Sachen? Eines Abends, unterhalb der Tarrekaise-Hütte, wo der Pärlälven nahe am Weg vorbeifließt, sehe ich ein paar Saiblinge, die noch wach sind, und werfe einen Fliegenköder aus. Ein Saibling schnappt nach der Fliege und ich habe mein Abendessen. Muss das Leben eigentlich komplizierter sein?
Wenn er ganz fertig ist, im Jahr 2020, soll der Solanderleden 180 Kilometer lang sein. Über Ebenen, Berge und Felder, durch Wälder und streckenweise auch auf Asphalt wird er sich vom Fischerdorf Jävre im Süden bis zur Heidelandschaft beim Flughafen von Luleå im Norden voranschlängeln. Unterwegs wird er sich zum Teil um zweistellige Kilometerzahlen von der Küste entfernen, aber aus vielen Gründen dennoch ein Küstenweg bleiben, mit der Flora und Fauna der Küstengebiete im Hintergrund. Seinen Namen verdankt der Weg dem in Piteå geborenen Daniel Solander, einem Schüler Carl von Linnés. Linné wollte, dass Solander eine Arbeit in St. Petersburg annahm, aber der junge Mann lehnte ab und landete schließlich in London. So kam es, dass der Pfarrerssohn Solander aus Schwedisch Lappland der erste Schwede war, der seinen Fuß auf australischen Boden setzte, denn im Jahr 1770 nahm er an James Cooks Weltumsegelung mit der HMS Endeavour teil. Weltweit sind mehrere Orte nach Daniel Solander benannt – und nun also auch ein Wanderweg entlang der Schärenküste des Bottnischen Meerbusens.
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WA N D E R N Vadvetjåkka Nationalpark
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Andere Wanderwege
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Illustration: Lisa Wallin/Meramedia
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WA N D E R N
Vorschläge für Touren auf dem Kungsleden Abisko–Nikkaluokta länge 105 km tage 5–7 anzahl stf-hütten 5 am Kungsleden,
Ammarnäs–Hemavan länge 78 km tage 5–7 anzahl stf-hütten 5
Syter, Viterskalet sowie Ammarnäs und Hemavan
sauna Ammarnäs, Aigert, Tärnasjö, Hemavan Foto: STF/Gösta Fries
7 weitere angrenzend proviant Abisko, Abiskojaure, Alesjaure, Kebnekaise, Sälka, Vistas, Unna Allakas sauna Abisko, Abiskojaure, Alesjaure, Kebnekaise, Sälka, Unna Allakas, Vistas
proviant Alle Hütten. Aigert, Serve, Tärnasjö,
Bei den Singi-Hütten kann man den Kungsleden verlassen und über die Fjällstation Kebnekaise nach Nikkaluokta gehen oder südwärts nach Vakkotavare weiterwandern. Um von Vakkotavare aus dem Kungsleden Richtung Süden zu folgen, nimmt man den Bus bis Kebnats, von dort das Schiff nach Saltoluokta.
Kebnekaise–Saltoluokta länge 52 km (weiter mit dem Bus von Vakkotavare nach Kebnatsbryggan/Saltoluokta) tage 4–6 anzahl stf-hütten 4 proviant Kaitumjaure, Kebnekaise, Saltoluokta, Vakkotavare sauna Kebnekaise, Saltoluokta, Teusajaure, Kaitumjaure
Saltoluokta–Kvikkjokk länge 73 km tage 4–6 anzahl stf-hütten 3 proviant Saltoluokta, Kvikkjokk, Aktse sauna Saltoluokta, Kvikkjokk Um über die Seen zu kommen, nutzt man bereitliegende Boote oder lässt sich mitnehmen. Info im Internet unter »STF båtar i fjällen«. Achtung: Auf dem Wanderweg gibt es streckenweise kein Funknetz – rechtzeitig anrufen, wenn man mitfahren möchte.
Kvikkjokk–Ammarnäs länge 157 km tage 7–10 anzahl stf-hütten 0 proviant Kvikkjokk, Jäkkvik, Adolfström, Ammarnäs sauna Kvikkjokk, Ammarnäs
Zwischen Kvikkjokk und Ammarnäs stellt der Kungsleden höhere Anforderungen: Er ist hier nicht mit Hütten und Windschutzstellen ausgestattet. Das bedeutet, dass man ein Zelt und die übrige notwendige Ausrüstung dabei haben sollte.
kungsleden In den Zwanzigerjahren wurde die erste Wanderstrecke von Kvikkjokk nach Abisko ausgewiesen. Heute erstreckt sich der Kungsleden über etwa 430 Kilometer von Abisko im Norden bis Hemavan im Süden. Sein System
von Fjällstationen und Fjällhütten macht das Wandern einfach und kurzweilig, im Sommer wie im Winter. Auf dem größten Teil des Weges betreibt der Schwedische Tourismusverband seine eigenen Übernachtungshütten.
www.svenskaturistforeningen.se/kungsleden
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Tornedalen ist eine Welt für sich: ein Fluss, zwei Länder, drei Kulturen und vier Sprachen. Wer hier unterwegs ist, kann so manches erleben – von der Rauchsauna bis zur Räuchermaräne, vom Welterbe bis zur Weltkunst.
Foto: Carl-Johan Utsi
TEXT HÅKAN STENLUND
Hart an Das ehrwürdige »Stadshotell« in Haparanda, Schwedens östlichster Ortschaft.
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lenin war hier. Als er zurückkam, zettelte er die Revolution an. Ganz so hohe Ziele habe ich mir für meine Reise nicht gesteckt. Heute Abend mache ich Station in Haparanda, um mir ein Steak und ein Pils zu gönnen, vielleicht ein paar Pommes und etwas Bearnaise dazu, aber ausschweifender wird es nicht. Morgen will ich meine Entdeckungsfahrt durch Tornedalen fortsetzen. Lenin kam im April 1917 mit dem Zug in Haparanda an. Er war so etwas wie ein Exilant auf einem komfortablen Interrailtrip durch Europa. Bevor er in Haparanda landete, hatte er vom deutschen Geheimdienst zwei Millionen Dollar bekommen, um zu Hause eine Revolution veranstalten zu können.
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Foto: Massa Media/SVT
der Grenze Durch Haparanda kamen auch die Zarengattin Maria Feodorova und viele andere Prominente. Damals war das Stadthotel, wie die ganze Stadt Haparanda, der Ort, an dem sich Ost und West begegneten. Ein Artikel in der Zeitschrift Vi berichtet, dass die Stadt im September 1916 mehr als 200 Spione beherbergte. Das prächtige Interieur des Hotels zeugt bis heute davon, dass diese Wände einige ehrenwerte Geschichten zu erzählen haben. Ein paar zwielichtige übrigens auch.
morgen will ich weiter, stromaufwärts am Torneälven entlang. Obwohl ich einen großen Teil meines Lebens ganz in der Nähe verbracht habe, obwohl ich
regelmäßig den Fluss überquere, um nach Finnland zu fahren und obwohl einige der weltgrößten Lachse hier herumschwimmen, weiß ich immer noch ziemlich wenig über diese Region. Manchmal heißt es, dies sei die friedlichste Grenze der Welt. 1809 hatten wir Krieg mit Russland. Danach, also seit mehr als 200 Jahren, haben die Menschen auf beiden Seiten der Grenze gelebt, ohne einen Grund zum Streiten zu finden. Im Gegenteil, eine sehr spezielle Kultur hat sich in diesem Flusstal herausgebildet. Ein Fluss, zwei Länder, drei Kulturen und vier Sprachen, sagt man. Aber das stimmt nicht: Die Mischung ist noch vielfältiger. Bei den drei Kulturen handelt es sich um die finnische, die schwedische
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»du musst ein schild aufstellen«, sage ich zu Gunhild
Stensmyr, der Chefin des Arthotel Tornedalen (siehe Bild). »Warum denn? Du hast doch hergefunden. Und die Gäste, die hier wohnen wollen, finden uns auch«, antwortet Gunhild. »Genau so soll es sein. Ich will, dass meine Gäste kommen, weil sie sich für uns entschieden haben. Nicht, weil sie ein Schild sehen.« Gunhild Stensmyr spricht einen Dialekt, der nicht nur verrät, dass sie aus der Gegend stammt, sondern auch, dass sie nicht vorhatte, hier zu bleiben. Tatsächlich war sie mehr als vierzig Jahre fort, hat an einigen der wichtigsten Kunstmuseen Schwedens gearbeitet und ist immer weiter südwärts gezogen, bis sie in Schonen landete – und dann bekam sie Heimweh. Wenn man das Hauptgebäude des Arthotels betritt, fällt es sofort auf: Die Kunst an den Wänden ist weder Flohmarktware noch von der Sorte jener Massenprodukte, die für neu erbaute Stadthotels passend zur silbrigen Tapete gekauft werden. Das hier ist richtige Kunst. Ausgewählt von jemandem, der wirklich etwas davon versteht. In dem Saal, der in Hotels gewöhnlich Konferenzraum heißt, hängt ein großartiges Bild von Astrid Svangren. »Ich behaupte, dass kein anderes Hotel in der Region eine bessere Kunstsammlung hat als wir«, sagt Gunhild, als ich vor einem Gummikubus von Matthias van Arkel stehen bleibe.
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den letzten Jahren mehrere Preise gewonnen hat. Wenn alles nach Plan läuft, geht Gunhild Stensmyrs Traum bald in Erfüllung und Tornedalen bekommt eine eigene Kunsthalle von Weltformat.
»Ich behaupte, dass kein anderes Hotel in der Region eine bessere Kunstsammlung hat als wir.« Foto: Carl-Johan Utsi
und die samische. Aber es gibt außerdem noch eine vierte Sprache im Tal, Meänkieli, und damit wohl auch eine vierte Kultur. Keine Kultur ohne Sprache – und umgekehrt gilt dasselbe.
Gunhild Stensmyr, Chefin des Arthotel Tornedalen und Ideengeberin für Tornedalens neue Kunsthalle.
für gunhild ist kunst eine
Passion. Eine Leidenschaft, die ansteckt und die man nicht für sich behalten will. Eines der sichtbarsten Symptome ist das Projekt Konsthalltornedalen.se, das sie – mit Gleichgesinnten – in nicht allzu ferner Zukunft realisieren will. »Das Interesse an unserem Architektenwettbewerb für die Kunsthalle Tornedalen war unglaublich groß«, berichtet Gunhild. »Zuerst wollten wir einen allgemeinen Wettbewerb ausschreiben. Aber dann glaubten wir, das mit unserem Verein nicht bewältigen zu können. Also haben wir fünf Architekten ausgewählt, die gerade im Kommen sind.« Mehrere bekannte Architekten bedauerten es sehr, nicht mitmachen zu dürfen. »Du weißt ja, wie das ist. Wenn es darum geht, etwas Großartiges zu schaffen, wollen alle dabei sein.« Die Wahl fiel schließlich auf den Finnen Anssi Lassila, der in
am nächsten tag besuche ich noch einen Ort, an dem die Passion regiert: das »Café Utblick« auf dem Luppioberg. Die Aussicht von diesem Berg ist so märchenhaft, dass der Name für das Café unvermeidlich war. Teile der schwedischen Fernsehserie Bastubaletten wurden hier auf der Terrasse gedreht. Vielleicht beruht der Erfolg der Serie, abgesehen von den schönen Bildern und der starken Choreografie, in Wahrheit auf dem Widerspruch, der sich manchmal anfühlt wie das Dilemma von Tornedalen oder ganz Schwedisch Lappland. Auf dem Stereotyp, das Schwedens nördlichster Destination anhaftet: dass die Menschen hier angeblich so vollkommen anders sind. Ich spreche darüber mit Mattias Barsk, dem Produzenten von Bastubaletten. Warum diese Liebe zu Tornedalen? »Du kannst es auch Hassliebe nennen. Als ich 14 war und in Tärendö wohnte, wollte ich bloß weg. Ich erlebte meine Umgebung hier als gewaltig beschränkt. Jetzt, mit 40, sehe ich, dass sich etwas verändert hat. Und das wollten wir in der Serie hervorheben«, sagt Mattias Barsk. »Klar, die Leute haben immer noch diese Stirnfalten. Sie mühen sich ständig ab und arbeiten hart. Alles, wonach sie sich sehnen, ist ein Dankeswort, ein kleines Lob.« ich rufe bei huuva hideaway in
Liehittäjä an. Henry Huuva meldet sich, übrigens einer der Mitwirkenden in Bastubaletten. Ich frage, T H E A RCT I C L I FE ST Y L E MAGAZI NE
Foto: Carl-Johan Utsi
In Kukkolaforsen werden Maränen nach uralter Tradition mit dem Kescher gefangen. Die Fischerhütten der Dorfbewohner sind mit Kühlräumen und Gerätschaften ausgestattet, um den Fang aus den Fischfallen im maränen- und lachsreichen Fluss Torneälven zu verarbeiten.
anderes geht, erkenne ich mich darin wieder. Wie kommt es, dass ich meine eigene Heimatregion so wenig verstehe? Meine Großmutter wurde nur einen Steinwurf von hier geboren, aber ich weiß kaum mehr, wie ihr Mädchenname lautete. Ich beschließe, irgendwann tief in mein kulturelles Erbe einzutauchen. in kukkola gibt es ein Saunamuseum mit dreizehn verschiedenen Saunatypen. Aber das ist kein Museum, das man einfach nur anschaut. Hier muss man mitmachen und dabei schwitzen. Am Eingang zur Saunaanlage von Kukkolaforsen steht: »Die Sauna ist die Apotheke der Armen.« Es gab im Prinzip keine Krankheit, die man
Sauna
Schwedisch Lappland und die Sauna sind Synonyme. Wir lieben unser Saunabad nach der Schneemobiltour oder der Fjällwanderung, nach dem Angeln oder einfach nur so. Ja, nichts im Leben ist für uns selbstverständlicher als die Sauna. Darum feiern wir jedes Jahr am 2. Samstag im Juni den Nationalen Saunatag am Kukkolaforsen. Um für die lebenswichtige Saunakultur zu werben. Die Schwedische Saunaakademie hat ihren Sitz im Dorf Kukkola. Dort gibt es auch ein Saunamuseum mit 13 verschiedenen Saunatypen, die man alle ausprobieren kann. Die empfohlene Temperatur liegt bei 65–70 Grad – nichts da mit rotglühenden Gitterrosten und Steinen, die in der Hitze zerspringen. Das Wichtigste am Saunabad, abgesehen von Sauberkeit und Frische, sind der Dampf und das wunderbare Gefühl – das Wohlbefinden, für das die Finnen ein eigenes Wort haben: »löyly«.
nicht in der Sauna zu heilen versuchte. Im finnischen Nationalepos Kalevala wird erzählt, dass man sogar den Tod in die Sauna einlud. In der Hoffnung, ihn zu kurieren. Ich hingegen will noch ein wenig weiterreisen, auch nach der Sauna. In westlicher Richtung, an einem der vier schwedischen Nationalflüsse entlang. Aber erst einmal brauche ich etwas zu essen. Es heißt, die Räuchermaränen in Kukkola seien etwas, worum man sich bemühen sollte. Dann fangen wir doch damit an.
www.haparandastadshotell.se www.guesthousetornedalen.se www.kukkolaforsen.se www.huuvahideaway.se
»M/S Floataway«
Foto: Graeme Richardson
ob in seinem »Versteck« noch ein Zimmer frei ist. Und tatsächlich: Die Seehütte »M/S Floataway« steht zur Verfügung. Ich fahre hin. Liehittäjä, der Name des Dorfes, in dem die Familie Huuva wohnt und vermietet, soll auf Altfinnisch »verführerisch« bedeuten. Das verstehe ich nur zu gut, als ich abends auf einem wohnlichen Floß mitten im Nirgendwo sitze. So verflixt schön. Ich genieße mein Bier und frage mich, wie es kommt, dass ich über diese Gegend so wenig weiß. Ich denke an den schwedischen Poeten Gunnar Ekelöf und sein klassisches Gedicht Non Serviam: »Ich bin ein Fremdling in diesem Land, aber dieses Land ist kein Fremdling in mir.« Auch wenn es in diesem Gedicht um etwas ganz
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Photo: Treehotel
Foto: Fredrik Broman/humanspectra.com Foto: Treehotel
Inneneinrichtung aus dem »Dragonfly«, Architekt Sami Rintala.
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»The Cabin«, Architekten Mårten Cyrén & Gustav Cyrén.
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Wohnen über den Wipfeln anfang 2000 kehrte Filmemacher Jonas Selberg Augustsén in
seinen Heimatort Harads zurück, um dort ein Baumhaus zu bauen und den Film Trädälskaren (dt. Baumliebhaber) zu drehen. Genau daraus sollte später die Idee für das Baumhotel entstehen. Kent und Britta, die Betreiber von Brittas Pension, dachten sich: »Eigentlich wollen doch alle mal in einem Baumhaus wohnen«. Im Herbst schließlich war Kent auf Angeltour mit einigen der bekanntesten Architekten Schwedens. Am Lagerfeuer kam man auf das Baumhaus zu sprechen und so nahm eines der coolsten Hotelprojekte Schwedens seinen Lauf. Denn insgeheim träumen wohl alle Architekten davon, ein Hotelzimmer zwischen Baumwipfeln entwerfen zu dürfen. Nun wird das Baumhotel weiter ausgebaut. Hinter »The 7th Room« steht, wie bei allen anderen Zimmern auch, ein bekannter Architekt. Jenny Osuldsen vom norwegischen Architektenbüro Snøhetta hat sich dieser Räume angenommen. »Ich habe 2012 bereits im Baumhotel übernachtet«, berichtet Jenny. »Ich liebte die Idee, zwischen den Baumkronen zu wohnen. Seitdem habe ich immer wieder mit Britta und Kent darüber gesprochen, ein neues Zimmer designen zu dürfen.« Kent und Britta sind über die Zusammenarbeit mit Snøhetta sehr glücklich: »Sie sind der perfekte Partner, um ein völlig neues Wohnerlebnis zu kreieren.«
www.treehotel.se
Foto: Treehotel
»The Mirrorcube«, entworfen von Bolle Tham & Martin Videgård.
»The UFO«, entworfen von Bertil Harström.
Weitere Zimmer im Treehotel wurden von Bertil Harström, Cyrén & Cyrén, Tham & Videgård, Sandell Sandberg und Sami Rintala entworfen sowie von Bomek und Vittjärvshus gebaut. Snøhetta hat unter anderem die Oper in Oslo, den MoMaNeubau in San Francisco und die klassische Bibliothek in Alexandria entworfen – und nun also auch ein Häuschen in den Baumwipfeln in Harads. Das neue Hotelzimmer wurde im Dezember 2016 eingeweiht.
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Das Erbe der Welt ein welterbe kann ein Ort, ein
Bauwerk oder ein Gebiet sein, das so wertvoll ist, dass es für die Zukunft bewahrt werden muss. Dazu zählen Pyramiden, Korallenriffe, der Grand Canyon – und in Schwedisch Lappland: Laponia, die Gammelstads kyrkstad und der Struve-Bogen. Über Welterbestätten entscheidet das Komitee der Unesco nach Durchsicht der Aufnahmeanträge. Im Jahr 2015 gab es 1.031 Welterbe, davon 15 in Schweden.
Die riesigen Wälder, das Gebirge, die Gletscher und die ausgedehnten Sümpfe wurden 1996 zum Welterbe ernannt. Laponia ist auch das Land der Samen und Rentiere. Jedes Jahr ziehen die Bergsamen in diesem Welterbe umher, um ihre Rentiere zu den verschiedenen Weidegründen zu bringen. In den Waldgebieten wiederum leben das ganze Jahr über die Waldsamen und nutzen die Sümpfe für die Rentierhaltung. Laponia ist ein lebendiges Welterbe. Bei genauer Betrachtung lässt sich erkennen, wie Mensch und Natur sich hier gegenseitig beeinflusst haben. Zu den schönsten Plätzen führen stets Wanderwege und entlang dieser Pfade liegen Feuerstellen, aufgereiht wie an einer Perlenkette. Um die allerbesten Lagerplätze befinden sich oft tiefgrüne Wiesen, da dort die Rentiere gemolken wurden. Gleichzeitig kann man in der Ferne einen Helikopter hören, der Rentiere zur Kälbermarkierung zusammentreibt. Auf einfache Weise lässt sich das Weltkulturerbe auch bei einem Besuch des Naturum Laponia auf der Halbinsel Viedásnjárgga im Stuor Muorkke Nationalpark erleben. Das Besucherzentrum Naturum präsentiert das gesamte Welterbe und bietet Ausstellungen, ein Café, einen Hörsaal, geführte Touren und vieles mehr. Zudem erhält man dort Tipps, wie man seine weitere Reise ins Welterbe am besten fortsetzt.
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Foto: Carl-Johan Utsi
Laponia Naturum Laponia
FAKTEN • Laponia wurde 1996 Welterbestätte. • Zum Welterbe gehören die Nationalparks Sarek, Padjelanta, Stora Sjöfallet und Muddus sowie die Naturreservate Sjávnja und Stubbá. Außerdem umfasst es die Gebiete Tjuoldavuobme, Ráhpaäno sourgudahka und Sulidäbmá. • Laponia erstreckt sich auf einer Fläche von ca. 9.400 km2 und ist damit etwas größer als Zypern. www.laponia.nu
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Foto: Cody Duncan
Das beeindruckende RapaTal im Sarek Nationalpark.
Gammelstads kyrkstad außerhalb von Luleå ist das größte bewahrte Kirchendorf im nördlichen Norrland und zudem das einzige, das beide im Norden existierenden Arten von Holzstädten vereint – die Kirchen- und die Bürgerstadt. Ab dem 13. Jahrhundert war Gammelstads kyrkstad Handelsplatz und Zentrum einer Kirchengemeinde, die zeitweise fast die ganze heutige Provinz Norrbotten umfasste. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatte sich der Ort zu einer kleinen Stadt entwickelt und sogar Handelsprivilegien erhalten. Die Kirchenhütten vermischten sich allmählich mit den Höfen der sesshaften Bewohner. Heute ist das Kirchendorf eine lebendige Ortschaft, in der die Hütten vor allem rund um Mittsommer genutzt werden.
Foto: Graeme Richardson
Gammelstads kyrkstad
FAKTEN • 520 kulturhistorisch wertvolle und geschützte Gebäude, davon 405 Kirchenhütten. • Diese einzigartige Stätte besteht aus einer Steinkirche aus dem 14. Jahrhundert mit umliegenden Kirchenhütten, einem mittelalterlichen Straßennetz und Gebäuden, deren Ursprung bis in die Bürgerstadt des 16. Jahrhunderts zurückreichen. • Welterbe seit 1996. www.lulea.se/gammelstad
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Struve-Bogen
Museen
Jedes unserer Museen hat seine unvergleichliche Eigenart: vom Hauptmuseum für samische Kultur über 13 verschiedene Saunatypen bis zu einer der größten Kunsthallen Schwedens. Alles in allem: eine spannende Reise.
Foto: Carl-Johan Utsi
cc Bamse (CC BY-SA 30)
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts beschloss der deutsch-russische Astronom Wilhelm von Struve, die Triangulation zu nutzen, um die exakte Form und Größe der Erde zu bestimmen. Die Messungen, durchgeführt zwischen 1816 und 1855, waren für die Forschung und die Entwicklung der topografischen Kartierung ein großer Schritt. Damit konnte er belegen, dass die Breitengrade in Skandinavien länger sind als am Äquator. Dies wiederum bewies, dass die Erde nicht rund wie eine Kugel, sondern durch die abgeflachten Pole oval ist. 34 der 265 Messpunkte sind seit 2005 auch auf der Welterbeliste vertreten.
ájtte
Ájtte ist das wichtigste Museum für samische Kultur, ein Spezialmuseum für Natur und Traditionen der Fjällkette und zugleich Informationszentrum für den Fjällbesucher. Hier wird vom Menschen, seiner Umwelt und seinen kulturellen Aktivitäten aus ganzheitlich-ökologischer Perspektive erzählt. Das Museum Ájtte liegt in Jokkmokk, einem Eingangstor zur lappländischen Fjällwelt. Seit dem 17. Jahrhundert wird hier Bergbau betrieben und im vorigen Jahrhundert wurde die Wasserkraft dramatisch ausgebaut. Hier hat die Forstwirtschaft die letzten großen, unberührten Wälder ausgebeutet. Aber es gibt auch Laponia, das Weltkulturerbe Lapplands. Geografisch deckt das Museum Ájtte die gesamte Fjällregion ab, auf einer Nord-Süd-Achse von 1.000 Kilometern Länge und in dem traditionellen samischen Siedlungsgebiet, das von der schwedischen Reichsgrenze im Westen bis zu den Wäldern im Osten reicht.
saunamuseum
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Foto: Andreas Norin/Pantheon
FAKTEN • Der Struve-Bogen führt durch zehn Länder: Norwegen, Schweden, Finnland, Russland, Estland, Lettland, Litauen, Weißrussland, Moldawien und die Ukraine. • In Schweden gibt es sieben Messpunkte. Davon stehen vier auf der Welterbeliste. • Die Punkte sind markiert durch Bohrlöcher, Eisenkreuze, Steinwarten oder Obelisken.
Das Saunamuseum in Kukkolaforsen zeigt die Entwicklung der Saunakultur von ihren Ursprüngen bis heute. Hier kann man verschiedene Varianten der Sauna besichtigen, viel über die positiven Gesundheitseffekte des Saunabadens lernen und alles darüber erfahren, wie man ein solches Bad am besten zelebriert. Auf dem Grundstück des Museums findet man 13 unterschiedliche Saunatypen aus verschiedenen Epochen und diversen Gegenden.
T H E A RCT I C L I FE ST Y L E MAGAZI NE
Foto: Carl-Johan Utsi
silbermuseum
Das Silbermuseum in Arjeplog ist der Schlüssel zur Kulturlandschaft des Fjälls. Die Ausstellungen, die hier auf drei Stockwerken untergebracht sind, schildern das Leben in einer Fjällsiedlung über einen Zeitraum von zehntausend Jahren, von der vorgeschichtlichen Epoche bis zur Gegenwart. Aufbewahrt sind Spuren und Zeugnisse der Menschen, die sich im Laufe von Jahrtausenden bis hierher durchschlugen, um zu jagen und nach Nahrung zu suchen, Erzählungen aus dem mühseligen Alltag der Samen und der Kleinbauern, aber auch von Festen und Abenteuern. Eine eigene Ausstellung widmet sich der Bedeutung der Natur für die Fjällbewohner. Die große Sammlung von samischem Silber setzt dem Ganzen die glänzende Krone auf. Foto: Tornedalens Museum
Foto: Havremagasinet
Das Verteidigungsmuseum Boden ist ein modernes Museum, das Schweden und die Festung Boden in einen größeren Zusammenhang stellen will. Die Dauerausstellung Norrlands lås (etwa: der norrländische Riegel) bietet dem, der sich dafür interessiert, eine Reise durch die schwedische Verteidigungsgeschichte vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute, durch Krieg und Frieden aus verschiedenen Perspektiven. Das beginnt mit der großen Mobilisierung im Ersten Weltkrieg und führt über die Zwischenkriegszeit, den Zweiten Weltkrieg und den Kalten Krieg in eine ruhigere Epoche, in der die Aufgaben der schwedischen Verteidigung auf friedenssichernde Einsätze in allen Erdteilen umgelenkt wurden. Das Museum ist ein Bestandteil von SMHA (Sveriges militärhistoriska arv), einem aus 26 staatlichen und staatlich subventionierten Museen bestehenden Netzwerk.
Foto: Försvarsmuseum
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In Luleå befindet sich das Provinzmuseum der nach Flächenkilometern größten Provinz Schwedens. Norrbotten besitzt eine abwechslungsreiche Landschaft, die sich von der Küste bis zum Fjäll erstreckt und Spuren einer mehr als zehntausendjährigen Geschichte aufweist. Diese Provinz hat ein multikulturelles Milieu, geprägt von samischen, tornedalfinnischen, finnischen, schwedischen und neuschwedischen Einflüssen. Die Arbeit des Museums umfasst kulturelle Ökologie, Archäologie, Ethnologie, Dokumentation, Archivwesen, Bibliotheken und Sammlungen, Kunst und Pädagogik sowie eine umfangreiche Ausstellungs- und Veranstaltungstätigkeit. Norrbottens Museum kooperiert mit sämtlichen Kommunen der Provinz und hat den Auftrag, das norrbottnische Kulturerbe zu sammeln, zu vermitteln und weiterzuentwickeln.
tornedalens museum
Der finnische Name lautet »Tornionlaakson maakuntamuseo«. Das Museum, das sich in Tornio befindet, arbeitet grenzüberschreitend, denn es ist für Haparanda und Tornio (schwedisch Torneå) gleichermaßen zuständig. Die Ausstellung behandelt die gemeinsamen Wurzeln der Tornedalbewohner – warum sind sie in diese Gegend gekommen und wie haben sie ihr Leben gemeistert? Thematisiert werden aber auch Esskultur, Rockmusik, lokale und regionale Identität, Sprache und Dialekte. Foto: Anna Lindblom
Bis zum Jahr 1997 standen in der Gegend um die Festung Boden große gelbe Schilder auf stabilen roten Gestellen, die Ausländern untersagten, sich dort aufzuhalten. In einer späteren Epoche riefen die gleichen Schilder »Der Russe kommt« und luden zu einer riesigen Kunstausstellung ein, die in einem der spektakulärsten Gebäude von Boden stattfand – dem ehemaligen Hafermagazin. Das war 2010 und Boden hatte seine Rolle als militärstrategischer Riegel gegen die Bedrohung aus dem Osten längst ausgespielt. Das Tor zur Welt stand weit offen. Das Hafermagazin war in eine der größten Kunsthallen Schwedens verwandelt worden. Es zeigt seitdem internationale Gegenwartskunst zu aktuellen Themen, die stets, so unterschiedlich die künstlerischen Ausdrucksmittel auch sein mögen, etwas mit Demokratie, Menschenrechten und Meinungsfreiheit zu tun haben.
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Wie man uns findet Es ist einfach, nach Schwedisch Lappland zu kommen. Von Stockholm werden die Flughäfen Arvidsjaur, Gällivare, Kiruna, Luleå und Skellefteå angeflogen. Das Straßennetz ist gut ausgebaut, aber die Pulsadern sind natürlich die Europastraßen E4, E10 und E 45. Zweimal täglich fährt von Südschweden ein Nachtzug, und im Sommer verkehrt auch die Inlandsbahn bis Schwedisch Lappland. www.swedishlapland.de
Illustration: Lisa Wallin/Meramedia
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