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Leonie Meier lässt sich trotz vieler Verletzungen nicht unterkriegen

«ICH BIN NOCH NICHT FERTIG»

STECKBRIEF

Geburtsdatum:

8. November 2002 Wohnort: Schneisingen/Biel Ausbildung: Gymnasium im Fernstudium Hobby: Musikhören Verein: TV Lenzburg Erstes Turnerlebnis: «Mein erstes Kunstturntraining beim TV Lenzburg. Ich wurde mit offenen Armen empfangen und wusste, das ist meine Welt. Dort lernte ich auch Anina Wildi kennen. Dass wir noch heute in Magglingen gemeinsam trainieren, finde ich super.»

Vier Knieoperationen innert drei Jahren. Leonie Meier blickt auf zuletzt schwierige Jahre zurück. Aufgeben war bei der 19-jährigen Kunstturnerin kein Thema. Vielmehr kämpft sich die Aargauerin Schritt für Schritt zurück. Denn: Ihre Turnkarriere sei noch nicht zu Ende, sagt Meier.

Wer Leonie Meier begegnet, dem fällt ihre positive Ausstrahlung auf. Dabei hätte die 19jährige Schneisingerin rückblickend genügend Gründe, um nach den vergangenen Monaten weniger optimistisch zu wirken. 2018 turnte die Aargauer Kunstturnerin sowohl an den Europa als auch an den Weltmeisterschaften. Ihr erstes Elitejahr fand den krönenden Abschluss mit der Teilnahme am Swiss Cup Zürich, gemeinsam mit Pablo Brägger. Danach nahm ihre Verletzungsgeschichte ihren Lauf. 2019 die erste Kreuzbandoperation, gefolgt vom zweiten Meniskusriss 2020 und derselben Verletzung im Folgejahr. Insgesamt viermal musste sich Meier in den vergangenen drei Jahren wegen ihres linken Knies unters Messer legen.

«Es liegt eine schwierige Zeit hinter mir», sagt Leonie Meier rückblickend. Jedes Mal, wenn sie kurz davorstand, ihre ersten Wettkämpfe zu bestreiten, folgte der nächste Rückschlag durch eine erneute Verletzung. «Jetzt bin ich seit längerer Zeit erstmals wieder auf einem guten Weg», freut sich die Aargauerin. Erste Teilwettkämpfe an einzelnen Geräten hat sie zur Standortbestimmung im Frühling bereits absolviert. Noch sei sie nicht zurück bei ihrer 100prozentigen Leistungsfähigkeit, relativiert Meier.

Nach der Verletzungszeit bin ich jetzt auf dem richtigen Weg.

«Überlege, was ich dem Körper zutraue»

«Ehrlich gesagt dachte ich, dass es mit der Rückkehr schneller gehen würde», gesteht Meier. Die Aargauerin musste nicht nur lernen, mit ihrem Schicksal umzugehen, sondern auch mit den Trainings an sich: «Heute überlege ich mir genauer, was ich meinem Körper zutrauen kann und will. Früher ging ich in die Halle und spulte mein Programm xfach ab, ohne gross zu überlegen.» Die vergangenen Monate haben Meier aber aufgezeigt, dass Verletzungen im Kunstturnen jederzeit möglich sind. «Eine weitere möchte ich nicht riskieren», sagt sie.

Auch menschlich hat sich bei der 19Jährigen seither einiges getan: «Ich lebe viel mehr im Moment und plane nicht mehr allzu sehr in die Zukunft.» Durch die Verletzungen sei sie selbstbewusster und selbstständiger geworden. «Ich gehe mehr auf Mitmenschen zu und spreche auch mal Dinge an, wenn sie für mich nicht stimmen», sagt Meier.

«Ich will es nochmals angehen»

Die Schweizer Vizemeisterin im Mehrkampf von 2018 gesteht auch, dass es Momente gab, in denen sie in den letzten drei Jahren den Bettel hinschmeissen wollte: «Aber nicht, weil ich keine Lust mehr gehabt hätte.» Vielmehr, weil sie das Gefühl hatte, dass ihr lädiertes Knie nach all den Operationen nicht mehr mitmachen würde oder die körperlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben seien. «Für mich war klar, dass ich es nochmals versuchen will», gibt sich Leonie Meier kämpferisch. Die Einstellung passt zum Optimismus, den die Aargauerin auch ausstrahlt.

Das linke Knie stand die letzten drei Jahre stets im Fokus. Zur Sicherheit stabilisiert Leonie Meier ihr Knie mit TapeBändern.

Ein wichtiger Halt in dieser Zeit waren sowohl ihre Familie als auch das Trainerteam und die Turnerinnen in Magglingen. «Ohne Familie wäre es nicht möglich gewesen. Hier konnte ich meine Probleme ansprechen und wir haben gemeinsam Lösungen gefunden», sagt Meier und ergänzt: «In Magglingen erhielt ich von allen Seiten tolle Unterstützung.» Ein wichtiger Bestandteil sei auch das Physio und Ärtzeteam gewesen, sagt Meier: «Ohne sie wären die Rehas nicht so gut verlaufen und ich wäre wohl nicht so motiviert und positiv gestimmt gewesen. Ich fühlte mich stets gut behandelt und verstanden.»

Trotz den Verletzungen war sie täglich bis zu fünf Stunden in der Jubiläumshalle. «So fühlte ich mich nicht nutzlos. Zudem war es schön, konnte ich wenigstens meine Kraftübungen machen», blickt Meier zurück. Die anderen Turnerinnen in der Halle trainieren zu sehen, habe sie stets motiviert weiterzukämpfen.

Eine vielseitige Sportart

Keine Wettkämpfe turnen zu können, habe die 19Jährige, die seit ihrem sechsten Lebensjahr dem Kunstturnen verfallen ist, am meisten geschmerzt. «Kunstturnen ist eine vielseitige Sportart. Diese Abwechslung und die tänzerischen Elemente machen es für mich so spannend», spricht Meier ihre Faszination an. Gerade das Tanzen war in den Kinderjahren neben dem Reiten eine weitere Option für sie gewesen, erzählt sie: «Nur Tanzen war für mich aber zu wenig und auch das Reiten war nicht das Richtige.» Weshalb die Wahl so zuerst aufs Gerätemeine BodenÜbung

Ihr bislang schönstes und letztes Highlight: 2018 turnte sie gemeinsam mit Pablo Brägger am Swiss Cup Zürich im Hallenstadion.

und danach aufs Kunstturnen im TV Lenzburg fiel.

Mittlerweile gehört Leonie Meier seit 2018 zum Nationalkader. Es war jenes Jahr, in dem sie ihre bisherigen Höhepunkte erleben durfte. «Swiss Cup Zürich, WM und EM – und dies alles in meinem Premierenjahr war wunderschön», blickt Meier zurück. Vor allem der Swiss Cup Zürich habe es ihr angetan. «Als Kind erlebte ich diesen Wettkampf als Zuschauerin. Dass ich selber einmal im Hallenstadion turnen werde, hätte ich bis dahin nie gedacht. Das ganze Drumherum war überwältigend», schwärmt die Aargauerin.

Der Swiss Cup Zürich war ihr letzter grosser Wettkampf, den sie geturnt hat. Nach rund vier Jahren ohne Ernstkämpfe auf der grossen Kunstturnbühne soll es im kommenden Jahr mit dem Comeback so weit sein. «Am meisten freue ich mich meine Bodenübung wieder zeigen zu können», sagt Meier, die den Boden als ihr Lieblingsgerät bezeichnet.

Alle vier Geräte als Ziel

Vor dem letzten Eingriff 2021, bei der ihr komplettes linke Knie nochmals operiert wurde, war für Meier klar: «Es wird für mich die letzte Chance sein. Wenn es nicht funktioniert, dann ist es wohl einfach so.» Ans Aufhören denkt sie aber noch lange nicht: «Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mit dem Kunstturnen noch nicht fertig bin.» Ihr nächstes Ziel ist es, wieder an allen vier Geräten turnen zu können: «In erster Linie geht es aber darum, dass mein Knie hält.»

Wenn sie etwas in den letzten Jahren gelernt hat, dann ist es, seine Ziele Schritt für Schritt anzugehen. Einen erneuten Anlauf zu nehmen, um ihren Traum zu verwirklichen, ist für sie genug Motivation. Zweifel, dass es Leonie Meier schaffen wird, gibt es angesichts ihres spürbaren Optimismus wohl keine.

Text und Fotos: Thomas Ditzler

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