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Zwei eindrückliche Bauten der ADEV

Neues Kleinkraftwerk und ökologisch durchgängiges Wehr

Im Frühjahr 2022 hat die Schweizer Energiegenossenschaft ADEV mit dem Kleinwasserkraftwerk Moosbrunnen 3 ihre neueste Ökostrom-Anlage in Betrieb genommen. Die Anlage in der Gemeinde Gerlafingen (SO) wurde innert neun Monaten am Auslauf eines bestehenden Werkskanals mit bisher ungenutzter Restfallhöhe errichtet.

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Rund 300m flussabwärts war die ADEV zudem federführend an der Sanierung des Emmenwehrs Biberist beteiligt. Dessen ökologische Durchgängigkeit wurde durch die Errichtung einer Fischaufstiegsanlage hergestellt. Zudem wird nun das Restwasser am Wehr durch eine neue Dotier-Turbine zur Stromerzeugung genutzt.

Die Entstehung der ADEV Energiegenossenschaft geht auf eine Anti-Atomkraftbewegung zurück, die sich gegen das geplante AKW Kaiseraugst richtete, welches schliesslich nie gebaut worden ist. 1985 folgte die offizielle Gründung als «Arbeitsgemeinschaft für dezentrale Energieversorgung ADEV». Bald 40 Jahre nach der Gründung besitzt die ADEV mit Sitz in Liestal im Kanton Basel-Landschaft rund 120 Anlagen. Diese produzieren jährlich über 50 MillionenkWh Strom und Wärme, wobei fast nur erneuerbare Quellen genutzt werden. 2021 betrug die Stromerzeugung 33,5GWh, wovon jeweils ca. 34 Prozent aus Photovoltaik und Wasserkraft stammen, 24 Prozent werden aus Windkraft erzeugt, hinzu kommt die Wärmeproduktion von 19,8GWh. «An diesen Zahlen lässt sich ablesen, dass die Energiegewinnung aus nachhaltigen Ressourcen bei der Genossenschaft einen äusserst hohen Stellenwert besitzt», so Andreas Appenzeller und Thomas Tribelhorn im Gespräch mit zek HYDRO. Thomas Tribelhorn hat Ende 2020 Andreas Appenzeller nach dessen 13-jähriger Tätigkeit als Vorsitzender Geschäftsleitung abgelöst, seither leitet Herr Appenzeller die Stabstelle Spezialprojekte bei der ADEV.

Kraftwerkstandort wiederbelebt Das neueste Wasserkraftwerk der ADEV, das Kraftwerk Moosbrunnen 3 in Gerlafingen (SO), hat im Frühjahr 2022 seine ersten Kilowattstunden eingespeist. Entstanden ist die Anlage am Auslauf eines insgesamt 4,5km langen Werkskanals, der 1910 errichtet worden war. Er diente zum Betrieb mehrerer Wasserkraftwerke, deren Strom von einem grossen Stahlwerk genutzt wurde. 2014 erwarb die ADEV die zwei bestehenden Klein-

kraftwerke Moosbrunnen 1 und 2 von der Stahl Gerlafingen AG. Oberhalb dieser beiden Anlagen liegt noch ein weiteres Kleinkraftwerk, das sich im Besitz des Energieversorgers BKW befindet. «Mit der Übernahme der beiden Kraftwerke haben wir auch ein Grundstück am Ende des Werkskanals erworben. An dieser Stelle hatte es früher bereits ein Kraftwerk gegeben, das allerdings vor etwa 40 Jahren stillgelegt wurde. Gemeinsam mit dem Kanton entwickelte man einen Teilzonennutzungsplan, um das brachliegende Energiepotenzial mit einem neuen Kraftwerk nutzen zu können. Das Projekt ging innerhalb eines Jahres durch alle Ämter, was für die Bewilligung eines Wasserkraftwerks eine bemerkenswerte Zeit darstellt», so Appenzeller. Bis zum ersten Spatenstich vergingen allerdings noch mehrere Jahre. Erst mit der 2020 erhaltenen Zusage für die Einspeisevergütung (EVS), das Nachfolgemodell der «Kostendeckende Einspeisevergütung» (KEV) für einen Zeitraum von 15 Jahren, stand das Projekt auch in wirtschaftlicher Hinsicht auf sicheren Beinen.

Teilgeheberte Kaplan-Turbine Die Bauarbeiten starteten im März 2021 mit dem Aushub und der Errichtung des Zulaufkanals. «Glücklicherweise blieben wir während der Bauphase von Wassereintritten verschont, die Emme kann im Hochwasserfall bis zu 500 m³/s führen», sagt Herr Tribelhorn. Herr Appenzeller ergänzt, dass die Grundwasserthematik bei dem Projekt eine wichtige Rolle spielte. Wegen der Bedenken des Kantons Solothurn, wonach das neue Wasserkraftwerk den Grundwasserspiegel stauen könnte, kommt eine WATEC-Hydro-Turbine zum Einsatz, die relativ hoch im Krafthaus eingebaut werden konnte. Konkret handelt es sich um eine Kaplan-Turbine mit vertikaler Welle in teilgeheberter Ausführung, wobei die Wasserspiegellage in der Turbinenkammer durch bautechnisch-hydraulische Massnahmen erhöht wird. Im Gegensatz zu einer vollgeheberten Ausführung benötigt diese Variante zum Turbinenstart keine Vakuumpumpe. «Die teilgeheberte Variante bietet den Vorteil, dass die Eintiefung des notwendigen Saugrohrkrümmers, der eine relativ grosse Grundfläche besitzt und damit hohen Baukosten unterworfen ist, reduziert wird. Beim KW Moosbrunnen 3 hebern wir den Wasserspiegel innerhalb der Turbinenkammer um 60cm. Diese Höhendifferenz kann also unmittelbar als Ersparnis beim Aushub für das Fundament des Saugrohres betrachtet werden», erklärt Markus Gerster, Leiter Konstruktion&Planung bei WATEC Hydro GmbH. Die deutschen

Experten für den Niederdruckbereich lieferten für das Projekt Moosbrunnen 3 ein elektromechanisches Komplettpaket, bestehend aus Kaplan-Turbine und Permanentmagnet-Generator sowie Bauteilen für die Saugrohrkrümmer-Schalung und die Halbspiral-Schalung der Turbinenkammer. Unter Volllast erreicht die auf eine Bruttofallhöhe von 2,75m ausgelegte Maschine die Leistung von 279kW. Der direkt mit der Turbinenwelle gekoppelte Generator ermöglicht dem Maschinensatz dank Permanentmagnet-Technologie, die bisher vor allem bei Windkraftanlagen genutzt wird, äusserst hohe Wirkungsgrade.

Ansicht des KW Moosbrunnen 3 vom Oberwasser ADEV Das neue KW Moosbrunnen 3 am Auslauf des Werkskanals in Gerlafingen (SO). Wenige hundert Meter flussabwärts wurde am Emmenwehr Biberist die ökologische Durchgängigkeit hergestellt. ADEV

Andreas Appenzeller merkt an, dass die Turbine bewusst auf einen höheren Durchfluss ausgelegt wurde. «Die Anlage wurde für eine Ausbauwassermenge von 13m³/s genehmigt. Wir wissen allerdings, dass der Kanal durch Grundwassereintritte oft deutlich mehr Wasser führt. Deswegen wurde die Maschine auf einen maximalen Durchfluss von 15m³/s ausgelegt, womit wir über das Jahr gerechnet ein nicht zu vernachlässigendes Plus an Strom erzeugen können.»

Mit der Ausführung der gesamten elektro- und leittechnischen Ausrüstung wurde die Kobel Elektrotechnik AG beauftragt, die sich seit mehr als 25 Jahren als zuverlässiger Partner der ADEV erwiesen hat. Für das Projekt wurde ein Komplettpaket geschnürt, das die vollautomatische Stromerzeugung mit einem Höchstmass an Effizienz gewährleistet. Zur Einspeisung des Stroms ins öffentliche Netz, die beim Kraftwerk Moosbrunnen 2 erfolgt, konnte ein bestehendes Bleikabel verwendet werden.

Schutz für die Fische Beim Bau des neuen Kraftwerks wurden entlang der abschliessenden 150m des Kanals die Ufermauern saniert und etwas erhöht. Zum Aufstau des Oberwassers dient eine einseitig hydraulisch betriebene Fischbauchklappe als Wehrsegment. Diese lieferte wie den Rest des Stahlwasserbaus die oberbayerische Bernhard Maschinenbau GmbH&Co. KG. Neben den Schützen und Reguliereinrichtungen gehörte auch der horizontale Schutzrechen für den Seiteneinlauf der Anlage zum Lieferumfang. Die Rechenfläche mit einer lichten Stabweite von 15mm wird von einer zugehörigen

Rechenreinigungsmaschine mit elektrohydraulischem Antrieb gereinigt. Das entfernte Treibgut und Geschwemmsel wird von der Putzharke zu einem Spülschütz geleitet und gelangt somit ohne Entsorgungsaufwand direkt in das Unterwasser. Die Errichtung einer Fischaufstiegsanlage war nicht notwendig. Lediglich eine Abstiegsmöglichkeit für die Fische musste durch die Erstellung einer betonierten Rinne geschaffen werden.

Emmenwehr nun fischdurchgängig Parallel zum Neubau des Kraftwerks Moosbrunnen erfolgte rund 300m flussabwärts am Emmenwehr Biberist die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit. Dort wurde von der Emmenkanalgesellschaft unter der Federführung der ADEV ein Vertical-Slot-Pass errichtet. Der Ausleitkanal von diesem Wehr speist neben drei anderen Anlagen das ADEV-Kleinwasserkraftwerk «Untere Emmengasse» in Luterbach. Mit dem Sanierungsprojekt erhalten die Fische einen erleichterten Auf- und Abstiegsweg. Das gemeinsam mit Umweltverbänden ausgewählte Projekt wurde zudem mit Massnahmen zum Hochwasserschutz weiter flussabwärts koordiniert. Gleichzeitig mit der Errichtung des aus 31 Becken bestehenden Fischaufstiegs konnte auch die Einlaufsituation in den dortigen Werkskanal verbessert werden, wodurch die Kraftwerke am Kanal zu gewissen Zeiten mehr Wasser nutzen können.

Der gesamte Stahlwasserbau für die Umgestaltung stammt von der Südtiroler Wild Metal GmbH. Dazu zählen eine ganze Reihe von Spül-, Absperr- und Regulierschützen mit hydraulischen bzw. manuellen Antrieben. Für den Einlaufbereich des Werkskanals fertigte die Wild Metal GmbH einen 16,2m breiten und 2,2m hohen Horizontalrechen inklusive dazugehöriger Rechenreinigungsmaschine. Der Rechen mit einem Stababstand von 15mm wurde etwa 30m nach der Fassung am Beginn der Ausleitungsstrecke positioniert und hält die Fische vom Einschwimmen in den Kanal ab. Die abstiegswilligen Fische werden über einen Bypasskanal und eine anschliessende Kaskade aus zwei Fischabstiegsbecken schonend ins Hauptgerinne der Emme geleitet. gung genutzt werden. Darüber hinaus begünstigt die Strömung der Restwasser-Turbine die Erzeugung der Lockströmung für den Einstiegsbereich der Fischwanderhilfe im Unterwasser. Zum Schutz der Fische vor der Restwasser-Turbine lieferte die Wild Metal GmbH einen weiteren Horizontalrechen mit verfahrbarem Rechenreiniger. Die Kaplan-Turbine mit vertikaler Achse und direkt gekoppeltem Permanentmagenet-Generator stammt von WATEC Hydro und wurde auf eine Bruttofallhöhe von 3,7m und einen Durchfluss von 2,46m³/s ausgelegt. Damit erreicht die Maschine unter Volllast eine Maximalleistung von 77kW. Für die Steuerung des Restwasser-Kraftwerks und sämtlicher Stahlwasserbauteile sorgt wiederum die Kobel AG.

Strom für 350 Haushalte Die feierliche Einweihung des sanierten Emmenwehrs wurde bereits am 1. Dezember des Vorjahres zelebriert. Ende März 2022 konnte auch das neue Kleinwasserkraftwerk Moosbrunnen 3 in Betrieb genommen werden. Im Rahmen des «Aemmefescht» wurde die Anlage am 23. Mai der Öffentlichkeit präsentiert. Rund 200 Besucherinnen und Besucher nutzten die Gelegenheit, die Technik hinter der sauberen Stromerzeugung näher kennenzulernen. «Die ersten Betriebserfahrungen unseres neuen Kraftwerks sind grundsätzlich positiv. Es hat sich gezeigt, dass es beim Emmenwehr Sinn macht, die Restwasser-Turbine vorwiegend unter Teillast zu betreiben, um die Kraftwerke weiter unterhalb am Kanal mit mehr Wasser versorgen zu können», erklärt Andreas Appenzeller. Im Regeljahr wird das neueste Wasserkraftwerk der ADEV rund 1,5GWh Strom erzeugen – umgerechnet kann damit der Jahresstrombedarf von etwa 350 Haushalten auf umweltfreundliche Weise abgedeckt werden.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion von zekHYDRO (hydro.zek.at) und der ADEV Wasserkraftwerk AG (tinyurl.com/4chs8btp).

zekHYDRO Brunnenstraße 1 5450 Werfen ÖSTERREICH

TECHNISCHE DATEN

Ausbauwassermenge

Bruttofallhöhe

Stahlwasserbau

Turbine • Drehzahl • Ausbauleistung • Hersteller

Generator

Nennscheinleistung

Jahresarbeit

1. Zentrale des KW Moosbrunnen 3 mit doppelt regulierter Kaplan-Turbine mit direkt gekoppeltem PermanentmagnetGenerator. ADEV

2. Am Emmenwehr Biberist wurde der Einlauf in den Kanal optimiert und auch dort der Fischschutz gewährleistet. ADEV

3. Luftaufnahme der neuen Fischaufstiegsanlage des Emmenwehrs Biberist mit 31 Becken. Wild Metal GmbH

Wasserkraftwerk Moosbrunnen 3

15m³/s

2,75m

Bernhard Maschinenbau GmbH & Co. KG Restwasser-Kraftwerk Emmenwehr

2,46m³/s

3,7m

Wild Metal GmbH

vertikalachsige Kaplan 120U/min 279kW WATEC Hydro GmbH vertikalachsige Kaplan 333U/min 77kW WATEC Hydro GmbH

Permanentmagnet Permanentmagnet

300kVA 90kVA

ca. 1,5GWh ca. 150000kWh

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