7 minute read

Ein ganz Grosser

Robin Nilsberth bringt 15 Jahre SSL-Erfahrung und drei Weltmeistertitel in die Schweizer NLA.

Robin Nilsberth zählt auch mit 33 Jahren zu den besten Verteidigern der Welt. Eine Leaderfigur für Zug United, eine Bereicherung für die NLA.

TEXT DAMIAN KELLER • FOTOS MICHAEL PETER, PER WIKLUND, DIETER MEIERHANS

Zug United hat sich einen Grossen geangelt. Robin Nilsberth gehört nach Niklas Jihde (GC), Martin Olofsson (Alligator) und Kim Nilsson (GC) zu den prominentesten schwedischen Stars, die je in der Schweizer NLA aufschlugen. Auch wenn der Offensiv-Verteidiger seinen Verein wohl nicht gleich zum Titel schiessen wird, wie das die vorab genannten Stürmer taten, darf sich Zug und die NLA auf eine grosse Nummer freuen.

U19-Weltmeister (2007), dreimal Weltmeister (2012 in Zürich, 2014 in Göteborg, 2021 in Helsinki), drei Meistertitel mit Storvreta und unzählige persönliche Auszeichnungen – Robin Nilsberth bringt Wagenladungen an Erfolgen und Winnermentalität in die Schweiz. Selbstverständlich vertraut Zug United darauf, dass Nilsberths Aura auf das Team abfärbt und er beim letztjährigen Playoff-Halbfinalisten auf und neben dem Feld die Leaderrolle einnimmt.

VERLETZUNG ALS WEGWEISER

Es ist eine klassische, schwedische Sportgeschichte. Schon als Knirps drehte sich bei Robin Nilsberth vieles um Fussball und Unihockey, nebenbei versuchte er sich auch in der Leichtathletik, im Jiu-Jitsu und Eishockey. In seinem Elternhaus gab es zwar keine Athleten, denen er hätte nacheifern können, aber seine Grossmutter war Trainerin der schwedischen Langläufer bei den Olympischen Spielen von Nagano 1998.

Zug United erwartet von Robin Nilsberth Führungsqualitäten.

ROBIN NILSBERTH

Geburtsdatum: 4.4.1989 • Grösse: 1.94 Meter • Ziviler Beruf: Banker • Stationen: Granlo BK, IBK Dalen, Storvreta IBK, Zug United • Statistik international (Stand August 2022): 98 Länderspiele, 50 Tore, 49 Assists • Erfolge: 3 x Weltmeister, U19-Weltmeister, 3 x Meister mit Storvreta

«Ich habe mich daran gewöhnt, von August bis Ende April keine freien Wochenenden zu haben.»

Robin Nilsberth

Er wuchs in Mittelschweden auf, in Sundsvall – gemeinsam mit Johan Samuelsson (ex-Tigers, heute Falun) und Martin Östholm (Pixbo), die bis heute zu seinen besten Freunden zählen. Mit 15 Jahren verpasste er aufgrund einer Verletzung die im ganzen Land durchgeführte Selektion für die Distriktauswahl im Fussball. «Ich dachte, das wars, damit ist diese Chance vorbei», erinnert sich Nilsberth und zog in den Norden, nach Umea, ans dortige Unihockey-Gymnasium. Heute weiss der eingefleischte Liverpool-Fan (er besuchte zuletzt den Champions-League-Final in Paris), dass er die Fussballflinte zu früh ins Korn warf, bereut den Entscheid aber nicht.

In Umea wurde Dalen-Manager Urban Karlsson auf den kräftigen Verteidiger aufmerksam und verpflichtete ihn. Fünf Saisons bestritt Nilsberth für IBK Dalen (mit Teamkollegen wie Marc Dysli und den Hofbauers), 2012 kehrte er zu seinem Stammverein Granlo zurück, der in die SSL aufgestiegen war. Drei Jahre später zog er als bereits zweifacher Weltmeister zu Storvreta weiter, um auch schwedische Titel zu gewinnen. Das gelang ihm an der Seite von Weltstars wie Mika Kohonen dreimal und er entwickelte sich in sieben Saisons in Uppsala zum offensiv gefährlichsten Verteidiger der Liga. Von wie vielen nominellen Abwehrspielern existieren Youtube-Videos mit den besten Slapshot-Toren?

VOLL IM SAFT

An der Euro Floorball Tour in St. Gallen von Anfang September (nach dem Drucktermin dieser Ausgabe) bestritt er sein 100. Länderspiel für Schweden. Und im November soll an der WM der vierte Weltmeistertitel her.

Damit ist auch gesagt, dass Robin Nilsberth trotz fortgeschrittenem Unihockey-Alter von 33 Jahren immer noch voll im Saft ist und nicht als «Rentner» in die Schweiz kommt. Die letzte Saison bei Storvreta war mit 40 Skorerpunkten sogar eine seiner besten überhaupt, selbst wenn es nicht zum Meistertitel reichte.

Zug United und die NLA können sich auf einen schussstarken, kompromisslosen Verteidiger freuen. Zudem auf einen Spieler, der beweist, dass sich eine berufliche Vollzeitkarriere als Banker und Spitzensport unter einen Hut bringen lassen. Ob der Finanzplatz Schweiz einen Banker mehr oder weniger hat, spielt wohl keine grosse Rolle. Auf den Unihockeyfeldern wird Robin Nilsberth aber seine Spuren hinterlassen.

Robin Nilsberth eilte mit Storvreta von Erfolg zu Erfolg.

Die Gegner haben in Zweikämpfen mit Nilsberth nicht viel zu lachen.

ROBIN NILSBERTH IM INTERVIEW

«Ich brauche keinen freien Montag»

Mit Joel Kanebjörk (Uster) und Alexander Rudd (Sarnen) kamen zuletzt zwei Weltmeister von Storvreta in die Schweiz, die fast immer verletzt waren (Kanebjörk) oder anderweitig einen Problemfall darstellten. Welche Probleme bescherst du der NLA?

Robin Nilsberth: Nur Probleme für die Gegner, hoffe ich (lacht). Ansonsten bringe ich die Erfahrung aus 15 SSL-Saisons und fünf Weltmeisterschaften mit. Es war eine gute Reise bis jetzt, nun ist es an der Zeit, diese in der Schweiz fortzusetzen.

Welcher Sprung ist grösser – derjenige von Sundsvall in den schwedischen Norden nach Umea oder von Uppsala nach Zug?

Wenn du meine Mutter fragst, war mein Weggang ans Unihockey-Gymnasium mit 15 Jahren der grössere Schritt. Klar, der Umzug in ein neues Land ist eine neue Herausforderung. Doch genau das suchte ich ja, deshalb bin ich mit meiner Freundin und unserem kleinen Hund Ende Mai nach Zug gezogen. Eine sehr schöne Stadt und wir haben zu Beginn gleich vieles ausgekundschaftet, waren in Lugano, auf dem Stoos und in St. Moritz, bevor der Ernst des Lebens mit der Saisonvorbereitung und dem neuen Job anfing.

Robin Nilsberth wird als 100-facher Nationalspieler an der WM antreten.

Den Job bei einer Bank hast du dir selber organisiert, richtig?

Ja. Meine zivile Karriere war mir immer wichtig und ich wollte zuerst diesen Bereich geklärt wissen. Ich habe schwedische Kollegen, die bei Schweizer Banken arbeiten und stellte über sie Kontakte her. Erst, als die JobAngebote auf dem Tisch lagen, meldete ich mich bei der Spieleragentur «Jact», um die sportliche Lage zu sondieren.

Du bist bei Zug gelandet. Weshalb?

Mir gefiel das Konzept, das Sportchef Bruno Schelbert präsentierte. Ein Verein auf dem Weg nach oben und ich möchte meinen Beitrag leisten, dass dieser Weg fortgesetzt wird. Ab unserer Ankunft war alles top organisiert, all meine Erwartungen wurden übertroffen.

Sportlich lief es am Czech Open weniger gut – spielübergreifend kassierte Zug gegen Tatran (0:6) und EräViikingit (Schlussresultat 4:8) zwölf Tore in Serie, ohne eines zu erzielen. Ist dir das schon einmal passiert?

Bestimmt. Vermutlich sogar einmal mit Storvreta. In unserem Block mit meinen Landsleuten Johan Larsson und Anton Akerlund sowie den bisherigen Zugern Manuel Staub und Alexander Hallén kamen drei verschiedene Verteidigungs-Konzepte zusammen. Wir hatten noch nicht viele Trainings und müssen voneinander lernen – von jetzt an bis zum Beginn der Playoffs ist alles ein Prozess. Bei Storverta war das natürlich anders. Nach sieben Jahren mit den fast gleichen Spielern im Block und dem gleichen System kennst du dich in- und auswendig.

In der April-Ausgabe dieses Magazins zitierten wir dich mit dem Satz, dass Spieler, die ihr Arbeitspensum zugunsten des Sports reduzieren wollen, gar nicht mehr trainieren würden – es klinge nur gut. Du hingegen arbeitest Vollzeit.

Jeder muss seinen Weg finden. Ich habe mich in den letzten 15 Jahren daran gewöhnt, von Anfang August bis Ende April keine freien Wochenenden zu haben. Ich brauche keinen freien Montag zur Erholung, ich freue mich auf meine Arbeitskollegen – und nach getaner Arbeit freue ich mich auf das Training.

Fehlt in den Vereinen ohnehin die professionelle Struktur, damit Spieler von einem reduzierten Arbeitspensum profitieren können?

In den Top-Vereinen bekommst du heute Angebote, wenn du danach fragst. Doch es braucht den Drive, die nötige Zeit ins Training zu investieren. Den hatte ich immer, auch neben dem Job.

Aber Hand aufs Herz – in Schweden sind die Arbeitsstunden eines 100-Prozent-Pensums kürzer als in der Schweiz?

Das stimmt schon – in Schweden sind es 38 Stunden pro Woche, in der Schweiz 42 oder mehr. Doch was machst du, wenn du früher nach Hause kommst – auf dem Sofa sitzen und einen Film schauen? Das ist nicht mein Fall. Ich will beides. So muss ich mir auch keine Sorgen machen, was passiert, wenn meine Sportlerkarriere wegen einer Verletzung von heute auf morgen beendet sein sollte.

Dein ehemaliger Storvreta-Teamkollege Mika Kohonen bekannte sich offen zu Depressionen – auch dem Umstand geschuldet, dass er sich ganz aufs Unihockey konzentrierte und nicht wusste, wie es «im Leben danach» weitergehen würde.

Ich wollte stets Erfolg im Sport und im zivilen Beruf. Ganz dem Slogan meiner Branche folgend, kein Klumpenrisiko einzugehen und immer zu diversifizieren (lacht).

This article is from: