Wasser Energie Luft 2/2022

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Uferbereich des Bielersees in Biel BE am 17. Juli 2021. (Foto: Max Etter)

9. Juni 2022

Revitalisierungen – eine Chance für bedrohte Vögel Unwetterschäden 2021 Gesamtverfahren für Wasserkraftnutzung


BETRIEB UND UNTERHALT

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«Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden


Editorial Milliardeninvestition dank Hochwasserschutz

Andreas Stettler Geschäftsführer SWV, Directeur ASAE

Beim jährlichen Rückblick auf die Unwetterschäden wird wohl niemand erstaunt sein, dass die Schadens­ summe gegenüber dem Vorjahr zunahm. Die Frage ist höchstens, um welchen Faktor sich die Schadens­ bilanz erhöhte. Vor einem Jahr titelte ich das Editorial der Juni-Ausgabe mit «Ruhe vor dem Sturm?». Und tatsächlich, die Stürme folgten kurz nach der Heraus­ gabe des WEL und fegten mehrfach mit Hagel und Intensivniederschlägen über das Land hinweg. Da­ durch stieg die Schadenssumme von knapp 40 Mio. CHF im Jahr 2020 auf ca. 450 Mio. CHF, was einer Stei­gerung um den Faktor 11 gleichkommt. Ich bin aber überzeugt, dass durch die zahlreichen umge­ setz­ten Hochwasserschutzmassnahmen und des bewährten Wassermanagements bei den Jurarandseen die Schadenssumme stark limitiert werden konnte. Dass der Hochwasserschutz volkswirtschaftlich einen hohen Nutzen stiftet, konnten die ca. 150 Teil­ nehmenden der KOHS-Tagung 2022 in Visp durch spannende Referate am Symposium und an der Ex­ kursion erfahren. Die 3. Rhonekorrektion ist im Raum Visp grösstenteils umgesetzt, da dort das Schadens­

potenzial im dicht bebauten Talboden besonders hoch ist. Die grossen Unwetterschäden im Jahr 2000 führten zu dieser vorgezogenen Etappe, was sich mittlerweile als wahrer Glücksfall herauskristallisiert: die Firma Lonza baut aktuell auf ihrem Firmengelände mehrere High-Tech-Neubauten, welche pro Gebäude eine Investition von ca. einer Milliarde Franken auslösen. Der Standortentscheid zu Gunsten der Ge­ mein­de Visp, u. a. auch dank eines wirksamen Hoch­ wasserschutzes, ist somit auch für den Kanton und die Gemeinde höchst interessant. Die Etappierung an der Rhone kann auch im Sinne einer beschleunigten Realisierung betrachtet werden, wie es die aktuelle Vernehmlassung zur Ver­ fahrensbeschleunigung in ihren Grundzügen beab­ sich­tigt. Die eingereichten Stellungnahmen zeigen aber, dass am Gesetzesentwurf noch gefeilt werden muss. Wie mit der aktuellen Gesetzgebung im Hin­ blick auf eine rasche Realisierung Verfahrensfehler vermieden werden können, wird in dieser Ausgabe in einem Beitrag zu Bewilligungsverfahren für Wasser­ kraftanlagen dargestellt.

Un investissement de plusieurs milliards grâce à la protection contre les crues Lors de la rétrospective annuelle des dommages dus aux intempéries, personne ne s’étonnera que le montant des dommages ait augmenté par rapport à l’année précédente. La question est tout au plus de savoir de quel facteur le bilan des dommages a augmenté. Il y a un an, j’avais titré l’éditorial du numéro de juin par « Le calme avant la tempête ? » Et effectivement, les tempêtes se sont succédées peu après la parution de la revue WEL et ont balayé le pays à plusieurs reprises avec de la grêle et d’intenses précipitations. De ce fait, le montant des dommages est passé d’un peu moins de CHF 40 millions en 2020 à environ CHF 450 millions, soit une augmentation d’un facteur 11. Je suis toutefois convaincu que les nombreuses mesures de protection contre les crues mises en œuvre et la gestion éprouvée des eaux des lacs du pied du Jura ont permis de fortement limiter le montant des dommages. Les quelque 150 participants au symposium CIPC 2022 à Viège ont pu constater, grâce aux exposés passionnants présentés lors du symposium et de l’excursion, que la protection contre les crues est d’une grande utilité économique. L’essentiel de la 3ème correction du Rhône est mis en œuvre dans la région de

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Viège, car le potentiel de dommages dans le fond de la vallée densément bâti y est particulièrement élevé. Les importants dégâts causés par les intempéries de l’an 2000 ont conduit à cette étape anticipée, qui s’est entre-temps révélée être une véritable aubaine : l’entreprise Lonza construit actuellement plusieurs nouveaux bâtiments high-techs sur le site de son entreprise, représentant un investissement d’environ un milliard de francs par bâtiment. Le choix du site en faveur de la commune de Viège, notamment grâce à une protection efficace contre les crues, est donc également très intéressant pour le canton et la commune. Le phasage le long du Rhône peut également être considéré dans le sens d’une réalisation accélérée, comme l’envisage dans ses grandes lignes la consultation actuelle sur l’accélération de la procédure. Cependant, les prises de position reçues montrent que le projet de loi doit encore être peaufiné. La manière dont la législation actuelle permet d’éviter les erreurs de procédure en vue d’une réalisation rapide est présentée dans ce numéro dans un article sur les procédures d’autorisation pour les installations hydroélectriques.

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Inhalt 2 / 2022

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Gewässerrevitalisierungen und Vögel: Lebensraum für Spezialisten

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um Fressen gern: Unsere Gewässer Z aus der Vogelperspektive

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I mpacts et enjeux de charriage d’une crue artificielle – Exemple de la Petite Sarine 2020

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nwetterschäden in der Schweiz 2021: U Hochwasser, Murgänge, Rutschungen und Sturzprozesse

Matthias Vögeli, Hans Schmid, Stefan Werner

Cornelia W. Twining, Christine Weber, Carmen Kowarik, Martin M. Gossner, Catherine H. Graham, Blake Matthews, J. Ryan Shipley

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Robin Schroff, Christian Mörtl, Pascal Vonlanthen, Giovanni De Cesare

Katharina Liechti, David Matter, Florian Lustenberger, Alexandre Badoux

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asserhaushalt der Schweiz 2021: W Einordnung und Besonderheiten, Einführung der Normperiode 1991 bis 2020

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Florian Lustenberger, Katharina Liechti, Martin Barben, Massimiliano Zappa

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orhersage und Warnung von Unwettern in V der Schweiz: Das Zusammenwirken von Bund und Kantonen anhand von zwei Fallbeispielen im Jahr 2020

Nicolas Steeb, Alexandre Badoux, Roland Bialek, Konrad Bogner, Dorothea Hug Peter, Elke Kellner, Christophe Lienert, Saskia Willemse, Massimiliano Zappa, Manfred Stähli

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Inhalt 2 / 2022

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Betriebs- und Unterhaltsoptimierung von beschichteten Peltonturbinen mit hydroabrasivem Verschleiss Erkenntnisse aus einem Forschungsprojekt am KW Fieschertal ndré Abgottspon, David Felix, Thomas Staubli, A Robert Boes

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Gesamtverfahren für Wasserkraftnutzung – ein Leitfaden

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Peter Gresch

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Jahresbericht 2021 des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes Rapport annuel 2020 de l’Association suisse pour l’aménagement des eaux SWV / ASAE

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Nachrichten 139 Politik 139 Energiewirtschaft 140 Wasserkraftnutzung 140 Gewässerschutz 141 Veranstaltungen

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142 Agenda 142 Publikationen

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Gewässerrevitalisierungen und Vögel

Lebensraum für Spezialisten Matthias Vögeli, Hans Schmid, Stefan Werner

Zusammenfassung See- und Flussufer bieten zahlreichen Vogelarten einen einzigartigen Lebensraum. Unter ihnen befinden sich hochspezialisierte Arten, die an die dynamischen Prozesse von Fliessgewässern bestens angepasst sind. Doch die möglichen Brutplätze sind heute dünn gesät, weil der Lebensraum über Jahrhunderte vom Menschen gebän­ digt wurde. An begradigten und kanalisierten Flüssen fehlt es an Sandflächen, Kies­ bänken und Schotterinseln, auf welche die Vögel angewiesen sind. Ihre Vorkommen sind heute auf kleine Reste in den letzten naturnahen Flussregionen zusammengeschrumpft. Für diese Arten bieten Gewässerrevitalisierungen grosse Chancen – vor allem dann, wenn sie grossflächig angelegt sind und Besucherlenkungsmass­ nahmen frühzeitig eingeplant werden. Denn neben einem optimalen Lebensraum brauchen die Arten auch störungsfreie Bereiche. Resumé Les rives des lacs et des rivières offrent un habitat unique à de nombreuses espèces d’oiseaux. Parmi elles, on trouve des espèces hautement spécialisées qui sont parfaitement adaptées aux processus dynamiques des cours d’eau. Mais les sites potentiels de nidification sont aujourd’hui peu nombreux, car l’habitat a été dompté par l’homme pendant des siècles. Les rivières rectifiées et canalisées manquent de surfaces sablonneuses, de bancs de gravier et d’îlots de gravier dont les oiseaux dépendent. Leur présence s’est aujourd’hui réduite à de petits restes dans les dernières régions fluviales proches de l’état naturel. Pour ces espèces, les revitalisations de cours d’eau offrent de grandes chances – surtout si elles sont aménagées à grande échelle et si des mesures de guidage des visiteurs sont prévues suffisamment tôt. Car en plus d’un habitat optimal, les espèces ont également besoin de zones exemptes de perturbations. Revitalisierungen – eine Chance für bedrohte Vögel Mit diversen Eingriffen hat der Mensch über Jahrhunderte versucht, die Gewässer zu bändigen und Flüsse in enge Kanäle zu zwängen. Über 90 Prozent aller Feuchtbio­ tope sind seit dem 19. Jahrhundert verloren gegangen, und die Flüsse wurden im selben Zeitraum intensiv begradigt und verbaut (Lachat et al., 2010, Stuber & Bürgi, 2018). Seit der Jahrtausendwende wurden in der Schweiz zahlreiche Flussabschnitte revitalisiert. In den nächsten Jahrzehnten soll den Gewässern ein weiterer Teil des Raumes wieder zurückgegeben werden, der ihnen zuvor über Jahrzehnte hinweg ab­gerungen wurde. Dies schreibt das 2011 revidierte Gewässerschutzgesetz vor. Der

moderne Hochwasserschutz hat neben dem Schutz vor Überschwemmungen auch das Ziel, Gewässerdynamik zuzulassen, einen guten ökologischen Zustand der Gewässerlebensräume zu erreichen und zahlreichen Tier- und Pflanzenarten eine neue Chance zu bieten. Auch unter den Vögeln gibt es einige Arten, die Fliessge­ wässerlebensräume besiedeln und von Revitalisierungen profitieren können.

Bild 1: Der in der Schweiz stark gefährdete Flussuferläufer besiedelt bevorzugt mehrere Hektaren grosse Auenflächen mit einer lückigen Vegetation (© Mathias Schäf). In diesen findet er in seichten Uferab­ schnitten seine Beute, verschiedenste Wasser­wirbellose. Auf den grossen Kies­ inseln und Kiesbänken kann der Fluss­ ufer­läufer in der aufkommenden Vege­ ta­tion sein Nest verstecken. Von den hier vorgestellten Vogelarten hat er den grössten Raumbedarf. Er besiedelt be­ vorzugt Auenflächen mit einer lücki­gen Vegetation, die zusammen grösser als vier Hektaren sind (Schmid et al., 2010). Weil der heutige Zustand der Fliessge­ wässer diesen Ansprüchen mehrheitlich nicht mehr gerecht wird, kann der Fluss­ uferläufer seinen Be­stand kaum halten. In der Schweiz gibt es nur noch knapp 100 Brutpaare, wobei im Mittelland sämt­ liche Brut­plätze längst verlassen sind (Savioz, 2019). Auch wegen dieser geringen Bestände ist er in der Schweiz auf der Roten Liste als «stark gefährdet» ein­ gestuft und es besteht ein Aktions­plan des Bundes zur Förderung dieser Art (Schmid et al., 2010; Knaus et al., 2021).

Gefiederte Fliessgewässer­ spezialisten • Der Flussuferläufer (Bild 1) ist ein an Flüs­ se und Bäche angepasster Wat­vo­gel, der eher ruhig fliessende Gewässerab­schnit­ te benötigt. Dort lagern sich feinere Se­ di­mente wie Kies, Sand oder Schlick ab.

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Bild 2: Der Flussregenpfeifer brütet gerne auf vegetationsfreien Kiesflächen und verlässt sich dabei auf seine fast perfekte Tarnung (© Marcel Burkhardt). 63


• Der Flussregenpfeifer (Bild 2), ebenfalls ein auf Flüsse spezialisierter Watvogel, benötigt natürlicherweise dynamische Sand- und Kiesbänke ab einer bis zwei Hektaren Fläche, die teilweise vegeta­ tions­frei sein müssen (Vögeli et al., 2019a). Infolge menschlicher Eingriffe ging jedoch ein grosser Teil der geeigneten na­ tür­lichen Kiesflächen verloren. Als Pio­ nier­art besiedelt er auch Ersatz­lebens­ räume mit ähnlichen Eigenschaften. Meist sind dies nur kurzfristig bestehende, weitgehend vegetationsfreie Kiesflächen, die von menschlichen Aktivitäten geschaffen werden (z. B. Kiesgruben, militä­ rische Übungsplätze, Baustellen). Heute brüten nur noch etwas mehr als 100 Brut­paare in der Schweiz, etwa die Hälfte davon an Flüssen. Auch der Flussregen­ pfeifer gilt in der Schweiz als «stark gefährdet», und zum Erhalt seiner Bestän­ de werden Massnahmen im Rahmen des Artenförderungsprogramms des Bun­ des umgesetzt (Spaar & Ayé, 2022). Eine Besonderheit ist, dass die Schweiz am Berninapass und im Engadin die höchst­ gelegenen Brutplätze Europas beher­ bergt, wo die Art bis weit über 2000 m brütet (Knaus et al., 2018).

Bild 3: Wegen seinen schillernden Farben wird der Eisvogel häufig auch als fliegendes Juwel bezeichnet. Er fängt seine Beute von Sitzwarten aus, die sich direkt über dem Wasser befinden (© Marcel Burkhardt). • Der prächtige Eisvogel (Bild 3) ist durch seine auffälligen Farben ein wahrer Exot unter den heimischen Vogelarten. Das schillernde Juwel verharrt oft bewe­gungs­ los auf Sitzwarten über einem Ge­wässer, um nach seiner Beute Aus­schau zu halten, kleinen Jungfischen, die er in einem spektakulären Sturzflug erbeutet. Der Eis­ vogel benötigt abwechslungsreiche Ge­ wäs­serabschnitte. Zur Brut ist er auf san­dige oder lehmige Uferab­brü­che angewiesen, wie sie an natürlichen Prall­ hängen zu finden sind. In diese Wän­de gräbt er eine bis zu 1 m lange Brut­röhre, in der er in einem Jahr bis zu drei Mal Junge aufzieht. Dabei ist er an kleinen Fliess­ge­wässern ebenso zu finden wie 64

auch am Hochrhein – nur in höhere Lagen wagt er sich nicht vor: 95 Prozent seiner Bru­ten finden unterhalb von 620 m statt (Knaus et al., 2018). Der Eisvogel ist auf der Roten Liste als «verletzlich» einge­stuft und weist in der Schweiz ei­nen deut­lich schwankenden Bestand von 400 bis 500 Brut­paaren auf (Knaus et al., 2021). Auch die­se Art ist Teil des Artenförde­rungs­pro­ ­gramms des Bundes (Spaar & Ayé, 2022).

Bild 4: Die Wasseramsel ist ein guter Indikator für Fliessgewässer mit hoher Wasserqualität und der einzige heimische Singvogel, der schwimmen und tauchen kann (© Marcel Burkhardt). • Die Wasseramsel (Bild 4) nimmt unter den heimischen Singvögeln eine Son­ derstellung ein. Als einzige Singvogelart kann sie schwimmen und tauchen. Sie sucht in turbulenten Fliessgewässern unter Wasser nach Wirbellosen, vor al­ lem Larven von Köcherfliegen, Eintagsund Steinfliegen und ist daher an sau­ bere Fliessgewässer gebunden. Die Was­ seramsel profitiert von Massnah­men zur Abwasserreinigung und ist ein guter In­ dikator für Fliessgewässer hoher Quali­ tät (Martinez et al., 2020). Ihr kugeliges Nest baut sie in steilen, dunklen Ufer­ bereichen direkt über dem Wasser, aber auch in Mauernischen oder unter Brü­ cken. Oft nutzt sie auch spezielle Nist­hil­ fen. Selbst hinter Wasserfällen kann sie ihre Brut aufziehen. Wegen des aus­ge­ prägten Gewässernetzes ist die Wasser­ amsel in der Schweiz weit verbreitet und nistet in den Alpen bis etwa 2500 m Höhe.

Bild 5: Die grau und gelb gefärbte Gebirgsstelze ist in der Schweiz weit verbreitet und ernährt sich primär von Insekten, die im und am Gewässer le­ ben (© Marcel Burkhardt).

• Die Gebirgsstelze (Bild 5), auch Berg­ stelze genannt, ist eine weitere, streng an Flüsse und Bäche gebundene Sing­ vogelart. Sie ist in der Schweiz weit verbreitet und kommt von den tiefsten La­gen bis etwa 2500 m Höhe vor. Die höchs­ten Dichten erreicht sie im alpinen und voralpinen Raum an Fliessgewässern mit kiesigen oder steinigen Ufern, oft in Wäl­ ­dern oder Schluchten. Auch sie ernährt sich primär von Insekten, die im und am Gewässer leben. Das Nest der Ge­birgs­ stelze befindet sich meist in un­mit­tel­ barer Wassernähe in Felsni­schen, Wur­ zelwerk, Mauerlücken und ähnli­chem. • Neben diesen fünf Spezialisten gibt es weitere Vogelarten, die an Gewässer ge­ bunden sind und von Revitalisie­rungs­ massnahmen profitieren können. So zum Beispiel die «klassischen» Wasservogel­ arten, wie Enten oder Taucher, die hier aber nicht im Fokus stehen. Zudem gibt es weitere Vogelarten, die Zielarten ei­ ner Revitalisierung sein können, auch wenn sie vor allem auf die gewässerbe­ gleitende Vegetation angewiesen sind. Für Arten wie beispielsweise Klein­specht, Pirol, Nachtigall, Gartengras­mücke und in alpinen Regionen Birkenzeisig sind auenbegleitende Gehölze an dynamischen Gewässern wichtige Lebensräume. Herausforderungen an grossen Fliessgewässern An mittleren und kleinen Gewässern sind es oft lediglich fehlende Strukturen, die das Vorkommen gewisser Vogelarten erschweren, so bei Eisvogel, aber auch Ge­ birgsstelze und Wasseramsel. Daher profitieren diese Arten meist direkt von Le­ bens­raumaufwertungen. Auch Vogelarten, die offene Uferbereiche grosser Fliessge­ wässer mit Kiesbänken benötigen, können von Revitalisierungen stark profitieren. Dort finden Flussuferläufer und Flussregen­pfei­ fer ihre Brutplätze. Sie sind auf weitläufige, naturnahe Auen angewiesen, die zudem weitgehend ungestört sein müssen. Schon natürlicherweise sind die Voraussetzungen an unseren Flüssen und deren Mündungs­ gebieten in die Seen für diese Arten he­ rausfordernd. Gerade in den Oberläufen sind Auen topografiebedingt oftmals nur kleinräumig vorhanden. Schneeschmelze und hohe Niederschlagsmengen, wie sie etwa bei Frühsommergewittern in den Ber­ g­en niedergehen, können die Nester der kiesbrütenden Vogelarten überfluten und die Jungen davonspülen. Zu diesen naturräumlich bedingten Schwierigkeiten kamen seit den ersten

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Flusskorrektionen im 18. Jahrhundert im­ mer mehr Eingriffe durch den Menschen dazu: Kanalisierungen der Flussläufe, Bau von Kraftwerken und Infrastrukturanlagen, Einbau von Schwellen, Kiesabbau, Be­ein­ flussung der Geschiebeablagerungen und Kolmatierungen – auch infolge der SchwallSunk-Problematik. Die kurzfristigen und erheblichen Schwankungen der Wasser­ stände selbst, die durch die Nutzung der Wasserkraft entstehen, gefährden die Bru­ ten zusätzlich. Spülungen zur Freihaltung des Gerinnes können eine weitere Bedro­ hung darstellen. Fazit: Für einzelne Vogel­ arten ist es fünf vor zwölf. Licht am Ende des Tunnels Doch die stark gefährdeten Kiesbrüter kön­nen von Revitalisierungen profitieren. An den heute wieder naturnahen Abschnit­ ten des Inns im Oberengadin GR (Bild 6) hat sich der Flussuferläufer rasch mit einigen Brutpaaren eingestellt (siehe unten). Auch an der Moesa GR, am Rhein bei Felsberg GR, an der Kander BE und der Rhone im Pfynwald VS hat der Flussufer­ läufer an revitalisierten Abschnitten mindestens in einzelnen Jahren gebrütet. Die­ se Lichtblicke können jedoch nicht verschleiern, dass die Art nach wie vor nicht wieder ins Mittelland zurückkehren konnte. Dafür ist neben einer oft geringen flächigen Ausdehnung von potenziellen neu­ en Lebensräumen auch ein hoher Be­su­ cherdruck mitverantwortlich. Wo es – wie etwa an der Thur – gelang, neue Lebens­ räume für den Flussregenpfeifer zu schaf-

Auswirkung von Störungen Kiesbrütende Vogelarten sind während der Ansiedlungsphase und der Brutzeit besonders empfindlich gegenüber menschlichen Störungen. Sie erkennen auf den offenen Kiesbänken potenzielle Gefahren auf grosse Distanz. Menschliche Akti­vi­tä­ ten im Brutgebiet können sich negativ auf den Bruterfolg auswirken, da zum Beispiel nach einer Störung vom Altvogel getrennte Junge eine geringe Überlebenschance haben. Bei regnerischer oder kühler Witterung können die Eier und kleinen Jungvögel rasch auskühlen. Auch direkte Schäden sind möglich, da die Eier sehr gut getarnt sind. Selbst die kleinen Jungvögel verlassen sich auf ihr Tarnkleid: Nach einem Warn­ruf der Eltern legen sie sich regungslos auf den Boden und hoffen, nicht gesehen zu werden. Daher können sie versehentlich zertrampelt werden. Doch auch dann, wenn sie diese heikle Situation äusserlich unbeschadet überstehen, leiden sie Stress, der physiologische Auswirkungen hat (Ausschüttung von Hormonen, Än­de­ rung der Herzschlagrate). Treten solche Situationen öfter auf, drohen negative Aus­ wirkungen auf den Gesundheitszustand oder gar das Überleben. Dabei haben landseitige Aktivitäten einen grösseren Einfluss auf kiesbrütende Vogelarten als Aktivi­ täten auf dem Wasser. Die intensivsten Störungen der Brutvögel werden durch Be­ treten der Kiesbänke sowie durch freilaufende Hunde ausgelöst. Gemäss Artikel 7 des Jagdgesetzes haben die Kantone die Aufgabe, wildlebende Vögel vor Störungen zu schützen.

fen, muss ein hoher Aufwand zum Schutz seiner Brutplätze vor menschlichen Stö­run­ gen betrieben werden. Menschliche Frei­ zeitaktivitäten verschiedenster Art kön­nen sich negativ auf Verfügbarkeit und Qualität von Lebensräumen auswirken (siehe Box: Auswirkungen von Störungen). Der ohnehin starke Erholungsdruck entlang der Ge­ wässer hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Zudem wurden verschiedene künstlich geschaffene Inseln für den Fluss­ regenpfeifer nach wenigen Jahren un­ brauch­bar, weil wegen zu geringer Ge­ wäs­serdynamik rasch zu viel Vegetation aufkam.

Mögliche Massnahmen? Eine Literaturstudie zu Gefährdungen und Schutzmassnahmen von Flussuferläufer und Flussregenpfeifer zeigt, dass sich ei­ ne gezielte Besucherlenkung positiv auf den Bruterfolg des Flussregenpfeifers aus­ wirkt (Schuck et al., 2020). Obwohl artspezifische Studien fehlen, ist es eine plausi­ ble Annahme, dass auch der Flussuferläu­ fer davon profitiert. Effektive Schutzmass­ nah­­men vor menschlichen Aktivitäten zu­ guns­­ten der Kiesbrüter beinhalten eine kon­se­quente Besucherlenkung, die zwischen Schutz­und Erholungszonen unter­

Bild 6: Die Revitalisierung der Flüsse Inn und Beverin bei Bever (GR) hat gross­flächige Auen­lebensräume geschaffen, die umgehend von den stark g­efährdeten Vogelarten Fluss­ uferläufer und Flussregen­pfeifer besiedelt wurden (© Stefan Werner). «Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

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schei­det. Betretungsverbote von Schutz­ zonen müssen konsequent eingehalten werden, um wirksam zu sein. Zur Besucherlenkung gehören Infor­ ma­tion und Sensibilisierung der Bevöl­ke­ rung und eine umsichtige Wegführung. Brü­ ten diese Vögel an Orten, die im Früh­ling und Sommer viel genutzt werden, helfen nur das Aufstellen von Gebots­- und Ver­ botsschildern, das Absperren sensibler Be­ reiche sowie der Einsatz von Ran­gern, die vor Ort in erster Linie als Ratgeber fungieren. Werden Besucherlenkungskon­zep­te bereits im Planungsprozess von Fluss­re­vi­ talisierungen berücksichtigt, lassen sich potenzielle Konflikte frühzeitig entschärfen oder gar vollständig vermeiden – ohne dass sich die Nutzenden einge­schränkt fühlen. Wenn bereits in der Pla­nungsphase die Dis­tanzen berücksichtigt und eingehalten werden, bei denen Vögel noch nicht auf Störungen reagieren, lassen sich Bereiche für Schutz und Nutzung entflechten. Daher braucht es bei Revitalisierungs­ projekten neben einer ausreichenden Dy­ namik auch geeignete Besucherlenkungs­ massnahmen, die bereits in der Projekt­ planung ausgearbeitet und integriert werden. Nur so können Kiesbrüter und weitere typische Auenbewohner profitieren und in Ruhe ihre Jungen aufziehen.

Fliegender Edelstein – selten und wertvoll Der Eisvogel kann als Anzeiger für intakte und weitgehend unberührte Gewässer­le­ bensräume gelten. Er kann gefördert werden, indem die natürliche Dynamik an klei­ nen und mittleren Fliessgewässern zuge­ lassen wird. So bleibt den Gewässern genügend Raum, um die für seine Brut­plätze notwendigen Uferkanten auszubilden. Po­ ten­zielle Brutplätze, die durch ei­ne Revi­ talisierung entstehen, sollten der Öffent­ lich­ keit nur über geeignete Beob­ ach­ tungs­­möglichkeiten mit Sichtschutz zu­ gänglich gemacht werden. Alternativ sind sie abseits der Wege zu planen. Ohne die­ se Massnahmen riskiert man, dass sich der Eisvogel gar nicht erst ansiedelt oder dass die Bruten störungsbedingt verlas­ sen werden. Anforderungen von Vogelarten bei kleineren Fliessgewässern Wasseramsel und Gebirgsstelze zeigen gegenüber dem Menschen wenig Scheu und finden meist genügend Brutplätze vor, da sie auch Bauwerke als Nistplatz nutzen. Gewässer mit artenreichen Vor­kom­ men von Insekten und deren Larven, aber

auch kleinen Krebstieren, sind für sie besonders wichtig. Wasseramseln sind gute Indikatoren für eine hohe Wasserqualität (Martinez et al., 2020). Diese wirbellosen Tiere können bei guter Wasserqualität durch den Strukturreichtum eines Gewässers ge­fördert werden (Bild 7). Innauen bei Bever: attraktiv für Mensch und Natur In den Oberengadiner Gemeinden Bever und La Punt wird über mehrere Kilometer ein Projekt zur Revitalisierung der Flüsse Beverin und Inn durchgeführt. Während zwei Etappen bereits abgeschlossen sind, wird die dritte Etappe vorbereitet. Die Schweizerische Vogelwarte beteiligt sich an diesem Projekt, das schweizweit in seiner Grösse einzigartig und in vielen As­pek­ ten vorbildlich ist. Einerseits dokumentiert die Vogelwarte seit 2008 die Entwicklung der Vogelwelt. Andererseits überprüft sie seit letztem Jahr in einem Forschungs­pro­ jekt, ob die Besucherlenkung funktioniert. Die Engadiner Bestände sind für den Flussuferläufer von grosser Bedeutung, weil sie bereits heute mehr als einen Fünf­ tel des gesamten Schweizer Brutbe­stands aus­machen. In den revitalisierten Ab­schnit­ ten siedelten sich innerhalb kurzer Zeit

Bild 7: Strukturreiche und dynamische kleine so­wie mittlere Fliess­ gewässer mit guter Wasser­ qualität sind die bevorzugten Lebens­räume von Wasseramsel und Gebirgsstelze (© Michael Lanz). 66

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meh­rere Brutpaare an. Eine weitere Stär­ kung der Bestände durch die dritte Pro­ jektetappe ist zu erwarten. Es profitieren aber nicht nur die beiden Kiesbrüter: Die Gartengrasmücke, eine für subalpine Weich­ holzauen typische Vogelart, kommt in bemerkenswert hohen Revierdichten vor. In den Grauerlen- und Weidenauen brüten zudem weitere typische und seltene Vogel­ arten wie Birkenzeisig, Wendehals und Neuntöter. Auch weitere gefährdete Pflan­ zen- und Tierarten wie die Deutsche Ta­ ma­riske, die Äsche und seit kurzem auch wieder der Fischotter finden in den revi­ talisierten Auen neuen und aufgewerteten Lebensraum vor. Seit 2021 werden in den Innauen bei Bever Massnahmen zur Besucherlenkung umgesetzt, damit sich die Natur entfalten kann und die Besuchenden gleichzeitig die Natur erleben können. Revitalisierte Fliessgewässer sind für Erholungs­suchen­ de sehr attraktiv und diese sollen die Landschaften auch geniessen können. So ist zum Beispiel ausdrücklich erwünscht, dass sie an gewissen Stellen Zugang zum Wasser haben. Erste Ergebnisse des For­ schungsprojekts zeigen einerseits die At­ traktivität des Gebietes: Von Ende April bis Anfang September 2021 wurden über 13 000 Personen im Gebiet festgestellt, was

täglich im Durchschnitt über 100 Personen entspricht. Andererseits zeigen die Resul­ ta­te erfreulicherweise, dass der Anteil der Personen, die sich an die im Gebiet geltenden Regeln und Gebote halten, über 95 Prozent ausmacht. Ob und wie sich menschliche Aktivitäten – gerade der restlichen knapp 5 Prozent der Personen, die sich nicht an die geltenden Regeln und Gebote halten – auf die brütenden Fluss­ ufer­läufer und Flussregenpfeifer auswir­ ken, soll im laufenden Jahr untersucht wer­ den. Lenkungsmassnahmen sind ein wich­

Quellen: Bundesamt für Umwelt BAFU (2019): Wirkungskontrolle Revitalisierung – Gemeinsam lernen für die Zukunft. Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern. https://www.bafu. admin.ch/wirkungskontrolle-revit Knaus, P., Antoniazza, S., Keller, V., Sattler T., Schmid, H., Strebel, N. (2021): Rote Liste der Brutvögel. Gefährdete Arten der Schweiz. Bundesamt für Umwelt (BAFU); Schweizerische Vogelwarte. Umwelt-Vollzug Nr. 2124: 53 S. Knaus, P., Antoniazza, S., Wechsler, S., Guélat, J., Kéry, M., Strebel, N., Sattler, T. (2018): Schweizer Brutvogelatlas 2013–2016: Verbreitung und Bestandsentwicklung der Vögel in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein, Sempach. Lachat, T., Pauli, D. , Gonseth, Y. , Klaus, G. , Scheidegger, C., Vittoz, P., Walter, T. (Hrsg.) (2010): Wandel der Biodiversität in der Schweiz seit 1900: Ist die Talsohle erreicht? Haupt Natur 25, Bern. Martinez, N., Stickelberger, C., Fässler, F., Strebel, N., Roth, T. (2020): Vorkommen von Wasseramsel Cinclus

cinclus und Gebirgsstelze Motacilla cinerea in Ab­hän­gig­keit vom biologischen Zustand der Fliessgewässer. Der Ornithologische Beobachter 117: 164–176. Savioz, J. (2019): État de la population de Chevalier guignette en Suisse en 2017 & 2018. Situation actuelle et comparaison avec l’atlas 2013–2016. Station ornithologique suisse, Sempach. Schmid, H., Bonnard, L., Hausammann, A., Sierro, A. (2010): Aktionsplan Flussuferläufer Schweiz. Artenförderung Vögel Schweiz. Bundesamt für Umwelt, Schweizerische Vogelwarte, Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz, Bern, Sempach und Zürich. Umwelt-Vollzug Nr. 1028: 72 S. Schuck, M., Ducry, A., Spaar, R., Schmid, H., Vögeli, M., Ayé, R. (2020): Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf die Kiesbrüter Flussregenpfeifer Charadrius dubius und Flussuferläufer Actitis hypoleucos. Der Ornithologische Beobachter 117: 148–163. Spaar, R., Ayé, R. (2022): Programm Artenförderung Vögel Schweiz. Schweizerische Vogelwarte, Schweizer

tiger Grundstein für die Entfaltung des vollen ökologischen Potenzials der revi­ta­ li­sierten Innauen. Abgestützt auf die Er­ gebnisse des Forschungsprojekts werden faktenbasierte Anpassungen für die Be­ sucherlenkung vorgeschlagen – mit einem notwendigen Minimum an Einschränkun­ gen. Mit einer weiterentwickelten Be­su­ cher­lenkung soll das Revitalisierungs­pro­ jekt sein Ziel erreichen: ein Refugium für Mensch und Natur zu werden.

Wirkungskontrolle Revitalisierung Um den Erfolg einer Revitalisierung zu messen, gibt es verschiedenste Möglichkeiten. Das können neben rein technischen Aspekten zum Hochwasserschutz auch biologische oder soziologische Komponenten sein. Für die Wirkungskontrolle von Fliessgewässerrevitalisierungen hat das BAFU eine einheitliche Vorgehensweise für die Schweiz vorgegeben (BAFU, 2019). Mit den Erkenntnissen aus dieser Wirkungskontrolle sollen konkrete Handlungsempfehlungen für künftige Revitalisierungen ausgearbeitet werden. Sie können somit noch kostenwirksamer werden, und ihr Beitrag zur Erhaltung und Förderung der heimischen Biodiversität kann sich weiter verstärken. Für die Erhebungen im Feld stehen zehn Indikator-Sets zur Verfügung, wobei die Schweizerische Vogelwarte das Indikator-Set 9 «Vögel (Avifauna)» erarbeitet hat (Vögeli et al. 2019b). Die Verantwortlichen für Wirkungskontrollen können sich bei Bedarf jederzeit bei der Vogelwarte melden (siehe Kontaktaufnahme mit der Vogel­ warte im Steckbrief Indikator-Set 9 Avifauna).

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Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz, Sempach und Zürich. https://www.artenfoerderung-voegel.ch Stuber, M., Bürgi, M. (2018): Vom «eroberten Land» zum Renaturierungsprojekt. Geschichte der Feuchtgebiete in der Schweiz seit 1700. Hauptverlag. Vögeli, M., Denac, D., Božič, L., Grüebler, M. U. (2019a): Lebensraumeigenschaften und menschliche Störungen beeinflussen das Vorkommen des Flussregenpfeifers Charadrius dubius. Vogelwarte 57: 274. Vögeli, M., Grüebler, M., Schmid, H., Spaar, R. (2019b): Steckbrief Indikator-Set 9: Avifauna in: Bundesamt für Umwelt BAFU (Hrsg.): Wirkungskontrolle Revitalisierung. Autoren: Matthias Vögeli, matthias.voegeli@vogelwarte.ch Hans Schmid, hans.schmid@vogelwarte.ch Stefan Werner, stefan.werner@vogelwarte.ch Schweizerische Vogelwarte, Seerose 1, CH-6204 Sempach, www.vogelwarte.ch

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Zum Fressen gern: Unsere Gewässer aus der Vogelperspektive Cornelia W. Twining, Christine Weber, Carmen Kowarik, Martin M. Gossner, Catherine H. Graham, Blake Matthews, J. Ryan Shipley

Zusammenfassung Fische, Invertebraten oder Makrophyten – im Gewässermanagement stehen tra­di­ tionellerweise die aquatischen Lebewesen im Vordergrund. Im vorliegenden Artikel betrachten wir unsere Flüsse und Seen aus der Vogelperspektive – mit speziellem Fokus auf die insektenfressenden Vögel. Wir zeigen, dass aquatische Insekten eine besonders wichtige Nahrungsquelle sind aufgrund der spezifischen Fettsäuren, die sie enthalten. Für insektenfressende Vögel ist es deshalb entscheidend, dass in kritischen Lebensphasen, wie z. B. während der Aufzucht der Jungen, genügend aquatische Insekten vorhanden sind. Menschliche Eingriffe in die Umwelt, wie z. B. die Intensivierung der Landwirtschaft oder der Klimawandel, haben die Menge, Qualität und zeitliche Verfügbarkeit von Insekten verändert und damit auch die Nahrungs­grundlage für insektenfressende Vögel. Wir schliessen mit Überlegungen, wie das Gewässermanagement (z. B. Revitalisierung, Gewässerschutz, Einzugsge­ biets­mana­gement) zum Schutz der Vogelvielfalt und zur Förderung des grün-blauen Nahrungsnetzes beitragen kann. Resumé Poissons, invertébrés ou macrophytes – dans la gestion des cours d’eau, les organismes aquatiques sont traditionnellement au premier plan. Dans le présent article, nous considérons nos rivières et nos lacs du point de vue des oiseaux – avec un accent particulier sur les oiseaux insectivores. Nous montrons que les insectes aquatiques sont une source de nourriture particulièrement importante en raison des acides gras spécifiques qu’ils contiennent. Pour les oiseaux insectivores, il est donc crucial de disposer de suffisamment d’insectes aquatiques durant les phases critiques de leur vie, comme pendant l’élevage des jeunes. Les interventions humaines dans l’environnement, telles que l’intensification de l’agriculture ou le changement climatique, ont modifié la quantité, la qualité et la disponibilité temporelle des insectes, et donc la base alimentaire des oiseaux insectivores. Nous concluons par des réflexions sur la manière dont la gestion des cours d’eau (p. ex. revitalisation, protection des eaux, gestion des bassins versants) peut contribuer à la protection de la diversité des oiseaux et à la promotion du réseau alimentaire vert et bleu.

1. Im Flug gefangen Wer je Schwalbennester an einem Bauern­ haus beobachtet hat, weiss: Die Aufzucht der Jungen ist eine besonders intensive Zeit für insektenfressende Vögel. Durch­ schnittlich 18 Mal pro Stunde besuchen Schwalbeneltern ihr Nest; dabei versor­ gen sie ihre Jungen mit ungefähr 18 Insek­ ten (oder ~24 mg Biomasse) pro Besuch (McCarty, 2002). Über die gesamte Brut­ zeit verfüttern Rauchschwalben ihren Jun­ gen ca. 1 kg Trockengewicht an Insekten (Knaus et al., 2018), was 50 Mal dem durch­ 68

schnittlichen Körpergewicht einer erwach­ senen Schwalbe entspricht. Die meisten Singvögel ernähren sich von Insekten, besonders im Frühjahr und im Sommer während der Jungenaufzucht (Winkler et al., 2015). So fressen 65 Prozent der Brutvögel in der Schweiz Insekten und/ oder verfüttern sie an ihre Jungen (Bild 1; Knaus et al., 2018). Einige Vogelarten, wie die Meisen, nutzen Insekten nur in Zeiten hoher Verfügbarkeit, d. h. im Frühling und Sommer; in den übrigen Jahreszeiten mit geringem Insektenvorkommen weichen sie auf andere Nahrungsquellen wie Sa­men

oder Früchte aus. Andere Arten, wie z. B. die Mehlschwalben, fressen ausschliesslich Insekten; sie ziehen entsprechend im Winter in wärmere Gebiete, wo die Insek­ ten­verfügbarkeit höher ist. Für Insekten­ fresser hat ein Rückgang im Insekten­vor­ kommen gravierende negative Auswir­kun­ gen auf das Wachstum und Überleben der Jungtiere (Shipley et al., 2020) und kann zu einer Bestandsabnahme führen (Manning & Sullivan, 2021). Viele insektenfressende Vogelarten sind von einem starken Rückgang betrof­ fen, sowohl lokal als auch global. Bei­ spiels­weise haben in der Schweiz die Be­ stände der reinen Insektenfresser im von der Landwirtschaft geprägten Offenland in den vergangenen 25 Jahren kontinuierlich abgenommen (Knaus et al., 2018). In Nordamerika sind jene Vogelarten am stärksten gefährdet, die Insekten im Flug erbeuten; sie verzeichneten in den vergangenen 40 Jahren Rückgänge von 32 bis 59 Prozent (Nebel et al., 2020). Ver­ schiedene Prozesse werden für den Rück­ gang verantwortlich gemacht, hauptsächlich der Klimawandel, die Intensivierung der Landwirtschaft mit einem verstärkten Ein­ satz von Pestiziden sowie der Verlust von Brutgebieten und Überwinterungs­lebens­ räumen (Bowler et al., 2019). All diese Fak­ to­ren können interagieren und die Nah­ rungsgrundlage der Vögel verstärkt beeinträchtigen (Spiller & Dettmers, 2019). Insekten kommen fast überall vor, nutzen sie doch ein breites Spektrum an Le­ bens­räumen für Fortpflanzung und Ent­ wick­lung. Viele Insektenarten verbringen ihr ganzes Leben an Land und pflanzen sich im Boden oder in Pflanzenmaterial fort. Andere Arten sind dagegen komplett aquatisch (z. B. Elmidae – Klauenkäfer). Und schliesslich gibt es viele Insekten­arten, die zwischen Wasser und Land hin- und herwechseln, also auf beide Ökosysteme angewiesen sind: Dabei legen die erwach­se­ nen Tiere ihre Eier im oder am Wasser ab, sei es in nur kurzzeitig verfügbaren Pfüt­ zen, wassergefüllten Baumlöchern im Wald

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(Gossner et al., 2016), in stehenden Ge­ wäs­sern wie Tümpeln oder Seen oder in Fliessgewässern unterschiedlicher Grös­ se. Die Larven- und z. T. auch Puppenent­ wick­­lung erfolgen im Wasser, bevor die erwachsenen Insekten das Wasser verlas­ sen (Emergenz). Insekten, die ihre frühen Lebensstadien im Wasser und ihr Er­wach­ senenleben an Land verbringen, sind enorm wichtig für Vögel, ganz besonders zu den Zeiten im Jahr, wo terrestrische Insekten rar sind, wie z. B. früh im Frühjahr oder im Spätherbst und Winter (Nakano & Murakami, 2001). Generell gibt es einen positiven Zu­ sammenhang zwischen dem Vorkommen von insektenfressenden Vögeln, dem Vor­ kommen von emergierenden Insekten und der Uferlänge von Fliessgewässern, d. h. der seitlichen Vernetzung zwischen Wasser und Land (Schilke et al., 2020). Vögel sind nicht die einzigen Insek­ten­ fresser. Fledermäuse nutzen Ultra­schall, um nachtaktive Insekten zu lokalisieren (Lam et al., 2013). Spinnen weben gut versteckte Netze, um fliegende Insekten zu erbeuten (Kato et al., 2004) oder sie überraschen die emergierenden Insekten an der Uferlinie. Wasserspitzmäuse tauchen sogar im Wasser, um Insektenlarven zu fan­gen (Churchfield, 1985), und eine Viel­ zahl an Fischen ernährt sich sowohl von Larven aquatischer Insekten wie auch von terrestrischen Insekten, die ins Wasser fal­len (Nakano & Murakami, 2001). Insek­ten sind somit von grosser Bedeutung für das Nahrungsnetz sowohl im Wasser als auch im umgebenden Land.

2. Quantität ist nicht alles Aquatisch oder terrestrisch – für Insekten­ fresser spielt es eine Rolle, woher ein In­ sekt kommt, bestimmt doch der Ursprung seine Qualität als Nahrungsbestandteil. Unterschiede im Nährwert der Insekten ent­stehen aufgrund von Unterschieden in der Zusammensetzung der Fettsäuren an der Basis des Nahrungsnetzes: Aquati­sche Algen sind die Hauptproduzenten von lang­kettigen ungesättigten Omega-3-Fett­ säuren (im Englischen als n-3 LCPUFA / long-chain polyunsaturated fatty acids be­ zeichnet). Gefässpflanzen sind nicht in der Lage, diese Substanzen zu produzieren. Langkettige Fettsäuren haben einen wichtigen Einfluss auf das Wachstum von Tie­ ren, ihre Fortpflanzung und das Über­le­ ben, u. a. weil sie in der Hormonregulation wirken, die Immunabwehr steuern oder am Aufbau von Nervengewebe beteiligt sind (siehe Box 1; Twining et al., 2016). Aquatische Insekten ernähren sich von den Algen, die auf den Sedimenten am Ge­ wässergrund leben und v. a. in Seen auch in der Wassersäule vorkommen, oder sind Räuber und fressen ihrerseits andere Algen­ fresser. «Du bist, was Du isst.» Aufgrund der Unterschiede in ihrer Nahrungsgrundlage unterscheiden sich aquatische und terrestrische Insekten in ihrer Fettsäurezu­sam­ mensetzung (Bild 2a). Diese Unterschiede sind ziemlich ausgeprägt: So enthalten viele Insekten, die ihre Entwicklung im Wasser durchlaufen, 10 bis 20 Mal mehr langket­

tige Omega-3-Fettsäuren als die terrestrischen Insekten (Twining et al., 2021; Shipley et al., 2022). Der Gehalt an langkettigen Omega-3-Fettsäuren von einer Gewichtseinheit an Eintagsfliegen (Ephe­ me­roptera) entspricht ungefähr jenem von 10 Einheiten von terrestrischen Käfern (Coleoptera) oder 35 Einheiten von Schna­ belkerfen (z. B. Wanzen, Blattläusen, Zi­ka­ den; Hemiptera). Das bedeutet, dass ein Vogel 10 bis 35 Mal mehr von diesen terrestrischen Beutetieren fangen und fressen muss, um dieselbe Menge an Omega-3Fettsäuren aufzunehmen, die eine Einheit Eintagsfliegen enthält (Shipley et al., 2022). Selbst wenn Vögel und andere Insekten­ fresser den grössten Teil an Nahrung (= Bio­ masse = Energie) von terrestrischen Insek­ ten gewinnen, sind sie für ihre Versorgung mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren den­ noch stark auf aquatische Insekten ange­ wiesen (Bild 2b; Twining et al., 2019). Für Nestlinge ist die Versorgung mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren beson­ ders wichtig. Werden die Nestlinge mit Nah­rung gefüttert, die reich an langket­ti­ gen Omega-3-Fettsäuren ist, so wachsen sie schneller und können beinahe doppelt so schwer werden wie Nestlinge, die weniger langkettige Omega-3-Fettsäuren erhalten (Twining et al., 2019). Wachstum und Gewichtszunahme sind sehr wichtig für Nestlinge, damit sie fliegen lernen und ihr Nest verlassen können, um nicht Räu­ bern zum Opfer zu fallen. Nestlinge, die Zu­gang zu aquatischen Insekten haben, die reich an langkettigen Omega-3-Fett­

Bild 1: Beispiele von insektenfressenden Vögeln: a) Rauchschwalbe (Hirundo rustica; © Christian Schmalhofer); b) Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca; © Martti Perämäki); c) Bachstelze (Motacilla alba; © Michael Gerber); d) Zaunkönig (Troglodytes troglodytes; © Losch/ Wikimedia Commons). «Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

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A Fettsäuregehalt Fliegen

B Nahrungsquelle 25% 91%

75%

Eintagsfliegen

Aquatisch

Libellen Köcherfliegen

Käfer Fliegen

Terrestrisch

Wanzen Bienen Schmetterlinge

9% 75%

Grillen 0

5

10 15 20 25 30 35 Langkettige Omega-3 (% Gesamtfettsäuren)

40

Biomasse

Langkettige Omega-3Fettsäuren

Bild 2: A. Gehalt an langkettigen ungesättigten Omega-3-Fettsäuren in aqua­tischen und terrestrischen Insekten (Daten aus Shipley et al., 2022). B. Nahrungszusammensetzung nach Nahrungsquelle. Blaue Kreisflächen symbolisieren aquatische Herkunft und grüne Kreisflächen terrestrischen Ursprung der Biomasse (= Energie; äusserer Kreis) und der langkettigen Omega-3-Fettsäuren (innerer Kreis). Ein hypothetischer Insektenfresser, der sich zu 75 Prozent von terrestrischen Insekten ernährt, bezieht dennoch 91 Prozent seiner langkettigen Omega-3-Fettsäuren von aquatischen Insekten. säuren sind, überstehen mit höherer Wahr­ scheinlichkeit die Nestlingsphase (Twining et al., 2018). Ein höheres Gewicht erhöht zudem die Chance, dass Jungvögel auch nach dem Verlassen des Nests überleben und selber Nahrung suchen können. 3. Aufs Timing kommt es an Für viele Tiere liegt der optimale Zeitpunkt für die Partnersuche und Fortpflanzung innerhalb eines engen Zeitfensters. Typi­ scher­weise fällt die Fortpflanzung in eine Zeitspanne, in der Schlüsselressourcen

(z. B. Nahrung) für die Aufzucht der Jungen in grossen Mengen vorhanden sind. Eine Reduktion oder ein Fehlen der Schlüssel­ ressourcen führt zu einer Abnahme der Überlebenswahrscheinlichkeit der Eltern­ tiere oder ihrer Jungen. In den gemäs­sig­ ten Breiten ist die Verfügbarkeit von aquatischen und terrestrischen Insekten nicht konstant über das Jahr. Vielmehr variiert sie, v. a. in Abhängigkeit von Temperatur, Niederschlag und Licht (Bild 3; Winkler et al., 2013; Shipley et al., 2020). Die Emer­genz von aquatischen Insekten kann gepulst und hoch synchronisiert sein über ein paar

Box 1: In aller Munde – Fettsäuren Sämtliche Tiere, also auch wir Men­schen, brauchen verschiedene Typen von Fettsäuren für eine Vielzahl an Funk­tionen. Beispielsweise werden lang­ket­tige ungesättigte Omega-3-Fett­säu­ren nicht nur für den Aufbau von Hirn oder Augen benötigt, sondern auch für die Regulation der Immun­abwehr, der Fort­pflanzung oder des Herz-Kreislauf-Sys­tems. Langkettige ungesättigte Fettsäu­ren sind Fettsäuren, die aus 20 oder mehr Kohlenstoffatomen bestehen, die untereinander über Doppel­ bindungen verknüpft sind. Langkettige Omega-3-Fettsäuren haben ihre erste Dop­pel­ ­bindung drei Kohlenstoffatome entfernt vom Ende der Kohlenstoff-Kette. Einige Tiere, zum Beispiel Pflanzen­fres­ser wie Kühe oder Hühner, sind in der Lage, langket­tige Omega-3-Fett­säuren aus kürzeren Omega-3-Fett­säuren aufzubauen (= Synthese), wie sie in terrestrischen Pflanzen enthalten sind. Andere Tiere, so auch Fleischfres­ser wie Wiesel oder Wildkatze, müssen dagegen alle langkettigen Omega-3-Fett­säuren direkt aus der Nahrung gewinnen. Menschen erhalten ihre lang­ket­ti­gen Omega-3-Fettsäuren in der Regel aus einer Kombination von Nah­rungs­mitteln wie Fisch, Eiern oder Fleisch so­wie aus der Synthese.

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wenige Tage (Walters et al., 2018) oder Stunden (z. B. mehr als 60 Prozent der Emer­genz innerhalb von zwei Stunden, Jackson, 1988). Dies führt zu kurzen Pha­ sen, in denen qualitativ hochwertige Nah­ rung für Insektenfresser massenhaft verfügbar ist. Generell erreicht die Emergenz der aquatischen Insekten ihre höchsten Werte im Frühsommer und nimmt zum Spät­sommer hin stark ab, wohingegen ter­restrische Insekten ihren Höchststand spä­ter im Sommer erreichen (Nakano & Murakami, 2001; Twining et al., 2018). Da­ bei gibt es aber starke Unterschiede, sowohl zwischen den Regionen wie auch den Höhenlagen, zwischen Fliessge­wäs­ sern und Seen und in Abhängigkeit der Was­sertiefe (Mathieu-Resuge et al., 2021). Beispielsweise emergieren mehr Insekten aus seichteren Bereichen in Seen, in de­ nen das Sonnenlicht den Grund erreicht und damit Algenwachstum ermöglicht wird, als in tiefen Bereichen, in denen das Licht nicht bis zum Grund vordringen kann (Mathieu-Resuge et al., 2021). Zudem sind kleine Fliessgewässer häufig schon früh im Frühjahr produktiv; mit dem Blattaus­ schlag nimmt die Beschattung zu und verlangsamt dadurch das Wachstum von Al­ gen, die als Nahrungsgrundlage für aquatische Insekten dienen (Gratton & Zanden, 2009). Auch die Aktivität der Insekten ist nicht immer gleich, sondern von Tempe­ ratur und Niederschlag abhängig (Winkler

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Insekten-Biomasse pro Tag (mg)

80 60

Brutzeit

Früh

Mittel

Spät

[Wasseramsel]

[Schwalbe]

[Segler]

Aquatische Insekten Terrestrische Insekten

40 20 0 April

Mai

Juni

Juli

Bild 3: Biomasse an aquatischen Insekten (blau) und terrestrischen Insekten (grün) pro Tag im Verlauf der Brut­saison an einem Untersuchungsstandort in Ithaca, New York, USA. Dargestellt ist der Mittelwert aus dem Untersuchungs­ zeitraum zwischen 1989 bis 2014 (Kurve) sowie die Schwankungsbereiche zwischen den Jahren (Balken mit dem 95-Prozent-Vertrauensintervall). Insekten­ daten aus Twining et al. (2018) und Shipley et al. (2022). Beispiele von Arten mit frühem, mittlerem oder spätem Brutzeitpunkt basierend auf generellen Mustern von repräsentativen Arten  /  Gruppen der Schweiz (www.vogelwarte.ch). et al., 2013; Shipley et al., 2020). Bei­spiels­ weise besteht für viele fliegende aquatische und terrestrische Insekten ein enger Zusammenhang zwischen Lufttemperatur und Aktivitätslevel. Dadurch kann es passieren, dass Insekten zwar emergieren, für Vögel, die ihre Beute im Flug fangen, aber dennoch unerreichbar sind. Phasen mit ho­her Emergenz von Insekten, aber tiefen Temperaturen können sich für diese Vogel­arten entsprechend schnell von ei­ nem Über­fluss in einen Mangel verwan­ deln (Winkler et al., 2013; Shipley et al., 2020). Insektenfressende Vögel haben sich an die jahreszeitlichen Schwankungen in der Insektenverfügbarkeit angepasst, indem sie versuchen, die Zeit der Brut und der Jungenaufzucht an den Zeitpunkt der Emergenz der Insekten zu koppeln. Schwal­ ben und andere insektenfressende Vögel gehören oft zu den Zugvögeln, die am frühesten in ihre Brutgebiete zurückkehren und mit dem Eierlegen beginnen. Dies erlaubt ihnen, im Frühling und Frühsommer von den grossen Mengen an emergierenden aquatischen Insekten zu profitieren. So haben Schwalben, die früh im Frühling schlüpfen, wenn aquatische In­sek­ten häufig sind, eine höhere Über­le­benswahrschein­ lich­keit bis zum Verlassen des Nests als

gleichaltrige Artgenossen, die später im Jahr schlüpfen, wenn terrestrische Insekten häufig sind (Twining et al., 2018). Allerdings birgt ein früher Brutzeit­punkt auch die Ge­ fahr, dass kalte Tempe­ra­­turen vorherrschen und überhaupt keine aquatischen Insekten verfügbar sind (Winkler et al., 2013; Shipley et al., 2020). Insektenfressende Vögel müs­ sen ihren Brut­zeitpunkt entsprechend umsichtig festlegen; sie müssen abwägen zwischen den Risiken eines zu frühen Brut­ zeitpunkts mit unvorhersehbaren Tempe­ ratu­ren resp. Insektenverfügbarkeiten und jenen eines zu späten Brutzeitpunkts, an dem die Insektenemergenz, v. a. der aquatischen Insekten, bereits vorüber ist. 4. Das Menü verändert sich Die zeitliche Verfügbarkeit und die Qualität von Insekten auf der Speisekarte der Vögel in der Schweiz und der ganzen Welt wandelt sich als Folge menschlicher Eingriffe in die Umwelt, wie z. B. der Klimaer­wär­ mung oder der veränderten Landnutzung. So sind Insekten und Vögel generell früher im Jahr aktiv und starten entsprechend auch früher mit der Fortpflanzung; diese Verfrühung verläuft allerdings bei den In­ sekten in der Regel schneller als bei den Vögeln (Shipley et al., 2022).

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Die Veränderungen im Menü der Vögel können wir anhand einer einzigartigen Datenreihe aus Nordamerika aufzeigen, in der während über 30 Jahren täglich an derselben Stelle die Biomasse der vorkommenden aquatischen und terrestrischen Insekten bestimmt wurde (Bild 4; Shipley et al., 2022). Verglichen mit den 1990er Jahren findet man heute schon früher im Jahr mehr Insekten (inkl. aquatische Insekten), wohingegen später im Jahr weniger Insekten vorkommen. Da­ raus ergibt sich, dass die Nahrungs­ver­ füg­­barkeit für frühbrütende Vögel und ihre Jungen nun höher ist, während spätbrü­ tenden Vögeln vor allem weniger qualitativ hochwertige Nahrung für ihre Jungen zur Verfügung steht. Brut und Insekten­ver­füg­ barkeit sind für diese Arten entsprechend nicht mehr gekoppelt (Visser et al., 2006). Gewisse Vogelarten haben ihren Brut­ ter­min als Reaktion auf diese Verände­run­ gen in der Ressourcenverfügbarkeit nach vorne verlegt; ihnen droht durch den früheren Brutzeitpunkt aber das oben erwähnte Ri­siko von ungünstigen Wetter­be­ din­gun­gen, was zu bedeutend erhöhter Mor­­talität bei den Jungen führen kann (Shipley et al., 2020). Andere Arten, wie die Zugvögel, die lange Distanzen zurückle­ gen, haben keine Möglichkeit, die Be­din­ gun­gen an den Brut­plätzen vorauszusehen; sie können ihren Bruttermin entsprechend nicht nach vorne verlegen (Both & Visser, 2001). Zusätzlich zu den Veränderungen im Zeitpunkt der Insektenverfügbarkeit kann der Klimawandel auch den Nährwert von aquatischen Insekten verringern, und zwar durch Veränderungen an der Basis des Nahrungsnetzes. Es wird erwartet, dass höhere Temperaturen den Gehalt an langkettigen Omega-3-Fettsäuren in den Algen reduzieren (Colombo et al., 2020). Dieser Effekt überträgt sich über das Nah­rungs­ netz und kann zu einem verrin­gerten Ge­ halt an langkettigen Omega-3-Fett­säuren in den emergierenden Insekten führen. Veränderungen in der Landnutzung wie z. B. im Zuge der Intensivierung der Land­ wirtschaft oder der Urbanisierung, können die Insekten an Land wie im Was­ser beeinflussen (Cavallaro et al., 2019). Der Ein­ satz von Pestiziden, die häufige Mahd des Grases oder das Anlegen von Mono­kul­ turen (z. B. Getreide) reduzieren die Bio­ masse und die Vielfalt an terrestrischen Insekten (Raven & Wagner, 2021). Man vermutet, dass der weitverbreitete PestizidEinsatz sowie der Verlust von naturnahem Grasland mitverantwortlich sind für den Rückgang von Insekten und Vögeln in Eu­ 71


Insekten-Biomasse pro Tag (mg)

75

Aquatische Insekten

2005-2014 1989-1998

50 25

7 Tage

0 75

Terrestrische Insekten

50 25

12 Tage

2005-2014 1989-1998

0

5. Unsere Biodiversität schützen

Apr

Mai

Juni

Juli

Bild 4: Verfügbarkeit von aquatischen und terrestrischen Insekten, angegeben als Biomasse pro Tag, an einem Untersuchungsstandort in Ithaca, New York, USA, zwischen 1989 bis 1998 (gepunktete Linie) und 2005 bis 2014 (ausgezogene Linie). Zuwachs (gefüllte Fläche zwischen den Linienschnittpunkten) und Rückgang (weisse Fläche zwischen den Linienschnittpunkten) in der Insektenbiomasse als Folge der phänologischen Verfrühung. Spezifische Beispiele von Verfrühungen (in Tagen) werden zur Verdeutlichung angegeben (Pfeile). Die Datenreihe mit den Insektenbiomassen pro Tag stammen aus Shipley et al. (2022). ropa und weltweit (Wagner et al., 2021). Pestizide, die auf Landwirtschaftsland zum Einsatz kommen, sind auch für aquatische Insekten schädlich: Sie können die Bio­ mas­se reduzieren und die Artenzusam­men­ setzung der emergierenden aquatischen Insekten verändern (Barmentlo et al., 2021). Die Insekten, die überleben und emergieren, können schwer belastet sein, so dass sich insgesamt der Fluss an Pestiziden für die Insektenfresser erhöht (Kraus et al., 2021). Zusätzlich zu Pestiziden sind Gewäs­ ser im Landwirtschaftsgebiet auch von ei­ nem erhöhten Einschwemmen von Fein­ sedimenten und anorganischen Nährstof­ fen betroffen (z. B. von Dünger oder Gülle; Burdon et al., 2013). Der Feinsedimen­t­ein­ trag in Fliessgewässer kann die Biomasse aquatischer Insekten reduzieren sowie de­­ren Artenzusammensetzung verändern (Burdon et al., 2013), und die Eutrophie­ rung aufgrund übermässigen Nährstoff­ ein­trags kann ebenfalls die Artenzusam­ men­setzung verändern und damit wahrscheinlich auch den Fluss von wertvollen Nährstoffen wie den langkettigen Omega3-Fettsäuren (Burdon, 2020). Es wird an­ ge­nommen, dass die kombinierten Effekte aus der Intensivierung der Landwirtschaft zu einem Rückgang der EPT-Arten führen (Eintagsfliegen/Ephemeroptera, Stein­flie­ gen/Plecoptera und Köcherfliegen/Tri­chop­ 72

Eingriffe in die Gewässerstruktur (z. B. Ka­ nalisierung, Uferverbau), die die Ufer steiler und höher machen und die Gerinne­ komplexität verringern, können das Menü für Insektenfresser auch verändern: Hohe, hart verbaute Ufer können unüberwindbare Barrieren für die Ausbreitung aquatischer Insekten darstellen und zu einer räum­lichen Trennung von Räubern und ih­ rer Beute führen (Muehlbauer et al., 2014). Auch eine Reduktion der Gerinnekom­ple­xi­ tät kann die Interaktionen zwischen Räu­ bern und Beutetieren reduzieren (Paetzold & Tockner, 2005), wohingegen Fliessge­wäs­ ser mit einer längeren und komplexeren Ufer­­linie auch mehr Vögel beherbergen können (Iwata et al., 2010).

tera), wohingegen kleine Insekten wie die Chironomiden (Zuckmücken) in der Häu­fig­ ­keit zunehmen (Raitif et al., 2019). Da EPTArten meist grösser sind (und damit einfacher zu sehen und zu erbeuten) und einen höheren Gehalt an langkettigen Omega-3Fettsäuren aufweisen als beispielsweise die kleinen Chironomiden, wird ihr Rück­ gang deutliche Auswirkungen auf die In­ sek­tenfresser haben. Veränderungen im Abflussregime und der Struktur der Fliessgewässer können die Verfügbarkeit an emergierenden Insek­ ten sowie den Zeitpunkt der Emergenz be­ einflussen – mit grossen Auswirkungen auf die Insektenfresser (Muehlbauer et al., 2020). Beispielsweise legt eine Studie aus Nordschwe­den nahe, dass die Wasserkraft­ nutzung zur Elektrizitätsproduktion die Vogeldichten verringern kann, da sie die Verfügbarkeit an aquatischen Insekten reduziert (Jonsson et al., 2012): Zur Brutzeit war die kumulative Dichte an Vögeln, die sich von grossen Insekten und/oder Samen resp. kleinen Insekten ernährten, in hydroelektrisch genutzten Gewässern reduziert, verglichen mit freifliessenden Gewässern. Die Wasserkraftnutzung kann auch das Temperaturregime eines Gewässers verändern, was sich auf den Zeitpunkt und die Dauer der Emergenz von Insekten aus­ wirkt (Anderson et al., 2019). Menschliche

Zum Schutz der Biodiversität müssen wert­ volle Lebensräume erhalten werden, im Wasser wie an Land. Für insektenfres­sen­ de Vögel ist es entscheidend, dass aquatische Lebensräume, und insbesondere Tümpel und Feuchtgebiete, nicht im Zuge der Urbanisierung oder Intensivierung der Landwirtschaft zerstört werden (z. B. Zu­ schütten von Tümpeln). Auf regionaler Ebe­ ne kann das Vorhandensein von Tümpeln die Bestandesstabilität von Insekten­fres­ sern erhöhen (Berzins et al., 2021). Der Ein­ trag von Feinsedimenten, Nährstoffen oder Pestiziden aus der Landwirtschaft in die Ge­wässer soll möglichst verhindert werden, da sie die Menge sowie die Qualität von emergierenden aquatischen Insekten reduzieren können. Der Erhalt und die För­ derung einer naturnahen Ufervegetation entlang der Gewässer kann helfen, den Ein­ trag zu reduzieren (Daniels & Gilliam, 1996), ebenso wie ein umsichtig gewählter Zeit­ punkt des Pflügens oder des Einsatzes von Dünger oder Gülle (Kelly et al., 2019). Die Revitalisierung beeinträchtigter Tüm­pel sowie die Schaffung neuer Tümpel kann die Emergenz von Insekten und da­ mit die Diversität von Vogelgemein­schaf­ten fördern, insbesondere in landwirtschaftlich genutzten Regionen, wo Tümpel zuge­ schüttet wurden oder aufgrund von fehlen­ dem Unterhalt verlandeten. Im Osten von England wurden das Vorkommen von emer­ gierenden Insekten durch das Frei­le­gen von Tümpeln um Faktor 18 erhöht vergli­ chen mit verlandeten Tümpeln, bei der Bio­ masse sogar um Faktor 25 (Lewis-Phillips et al., 2020). Das Vorkommen wie auch die Artenzahl an Vögeln zeigten einen positiven Zusammenhang mit der Insek­ten­emergenz. Beim Bau von Revitalisierungs­pro­jek­ ten sind mögliche negative Auswirkungen

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auf den Vogelbestand zu beachten (Heinrich et al., 2014). Die alleinige Revitalisierung von Strukturen reicht oft nicht aus, um die volle Funktionsfähigkeit des GewässerÖkosystems wiederherzustellen. Zusätz­ lich gilt es, auch Ökosystem-Prozesse wie das Abflussregime zu berücksichtigen. Dies zeigt eine Studie zu einem Auen­re­vi­ talisierungsprojekt im unteren Colorado (USA), in welcher das Vorkommen von In­ sekten als Nahrungsgrundlage für Vögel untersucht wurde (Rubin et al., 2019). Auf­ grund der Wassernutzung für Bewäs­se­ rung und Elektrizitätsproduktion wird die Aue nicht ausreichend überflutet. Dies führt dazu, dass am Ort der Aufwertungs­ massnahmen verglichen mit den Flächen unmittelbar an der Wasserlinie 96 Prozent weniger aquatische Insekten, 75 Prozent weniger Insekten insgesamt und 50 Pro­ zent weniger Arten vorkommen. Die aufgewerteten Auenbereiche haben entspre­ chend für insektenfressende Vögel nur be­grenzt Wirkung. Aquatische Insekten können, abge­ sehen von ihren Vorteilen bzgl. Nährwert, auch eine Quelle von Schadstoffen sein für Insektenfresser an Land wie Spinnen, Reptilien oder Vögel, insbesondere in Gebieten mit hohem menschlichem Nut­ zungs­druck (Richmond et al., 2018). Ent­ sprechend wichtig ist es, dass Revitalisie­ rungsprojekte, wo immer möglich, auch die Reduktion oder Sanierung von Schad­stof­ fen beinhalten, wie z. B. von PCBs (Poly­ chlorierten Biphenylen), Schwer­me­tal­len, Pestiziden oder Mikroplastik. Dies ist besonders zentral für Schadstoffe wie Methyl­ quecksilber (Morel et al., 1998) oder zahlreiche PCBs (Walters et al., 2016), welche sich im Nahrungsnetz verstärken oder ak­ kumulieren können, was zu einer Vielzahl an negativen Auswirkungen für die insek­ tenfressenden Vögel führt (Hallinger et al., 2010). Organische Schadstoffe wie PCBs oder Neonicotinoid-Pesitizide sind ein besonderes Problem, da sie, im Gegensatz zu den Metallen, während der Entwicklung und Emergenz der aquatischen Insekten nicht mit der Häutung abgeworfen werden (Kraus et al., 2014). Das komplexe Wechselspiel zwischen aquatischen und terrestrischen Organis­ men und Energieflüssen innerhalb des Nahrungsnetzes zeigt die enge Kopplung von zwei Ökosystemen, die bisher oft als diskrete, separate Teile der Landschaft wahrgenommen, untersucht und gema­nagt wurden. In den vergangenen Jahren rückten der Schutz und die Revitalisierung der blau-grünen Infrastruktur und Biodiversität zunehmend ins Bewusstsein (siehe Box 2).

Voraussetzung dafür ist, dass alle invol­vier­ ten Beteiligten eine gesamtheitliche Per­s­ pektive hinsichtlich der betroffenen Land­ schaften und Organismen annehmen und somit Zusammenarbeiten über disziplinäre Grenzen und Berufsfelder hinweg etabliert werden (Moor et al., 2021). Die folgenden vier Punkte sind von besonderer Relevanz für Gewässerforschung und -management: 1. Viele Gewässer im landwirtschafts­ge­prägten Offenland sind stark be­ein­trächtigt oder wurden ganz zer­stört. In­sektenfressende Vögel zeigen hier ei­nen starken Rückgang in der Schweiz und im übrigen Europa (Bowler et al., 2019). Die Bedeutung von emergierenden aquatischen Insekten hinsichtlich Nähr- und Energiewert für diese Arten ist zu klären. 2. Insekten können auch Schadstoffe enthalten, so z. B. Pestizide. Ent­ sprechend wichtig ist es, die Aus­ wirkungen der Landwirtschaft auf die Verfügbarkeit von emergierenden aquatischen Insekten als Nahrung für Insektenfresser zu verstehen, sowohl hinsichtlich der nützlichen Bestandteile wie langkettigen Omega-3-Fettsäuren wie auch der schädlichen Stoffe. 3. Viele Schweizer Vogelarten verschie­ ben ihre Aktivität aufgrund des Klima­wandels zunehmend in höhere Lagen: So hat der Bestand verschie­ dener Arten in tieferen Lagen abgenommen, während er weiter oben zunahm; die Schweizer Brutvögel brüten heute durchschnittlich 24 m höher als noch in den 1990er Jahren (Knaus et al., 2018). Im Zusammenhang mit dem Klima­wandel ist einerseits zu klären, inwie­fern insektenfressende Vögel früher brüten, als Reaktion auf die früher stattfindende Emergenz der aquatischen Insekten. Anderseits gilt

es auch die Veränderung in der räum­lichen Verbreitung der Vogel- und In­sekten­arten zu untersuchen. 4. Massnahmen zum Schutz und zur Revitalisierung der Gewässer und der sie umgebenden terrestrischen Land­ schaften haben das grosse Potential, das Lebensraumangebot und damit das Überleben und die Fortpflanzung sowohl der Vögel wie auch der aquatischen Insekten zu verbessern – und folglich auch die vielen wichtigen Ver­bindungen zwischen den beiden Organismengruppen. Im Idealfall wird eine grün-blaue Perspektive bereits in die Planung von Schutz- oder Revita­ lisierungsmassnahmen eingebracht. Dies kann den Projektverantwortlichen und ihren Teams helfen, frühzeitig Un­klarheiten und Missverständnisse zu klären, die sich aus den unterschiedlichen fachlichen Hintergründen er­geben. Zudem lassen sich explizite und konkrete Projektziele formulieren. Dadurch kann eine Wirkungskontrolle aufgegleist werden, in der sich die gesetzten Ziele anhand ausreichender Daten zur Vogel- und Insekten-Fauna auch überprüfen lassen (Weber et al., 2017; Sprecher et al., 2020). Im vorliegenden Artikel wurde aufgezeigt, dass naturnahe Fliessgewässer, Tümpel oder Seen und ihr Umland für Vögel ein «All-you-can-eat-Buffet in Bioqualität» dar­ stellen, d. h. ein Lebensraum, in welchem sie überdurchschnittlich wertvolle Nah­rung in grossen Mengen vorfinden. Da­neben bieten naturnahe Gewässer den Vögeln auch Lebensraum, Brutplätze, Schutz vor Räubern und Rastplätze während des Vogelzuges. Der Schutz naturnaher Ge­ wässer wie auch die Revitalisierung beeinträchtigter Systeme stellt entsprechend einen wichtigen Beitrag zum Schutz der fantastischen Vogelvielfalt dar.

Box 2: Die BGB-Initiative von Eawag und WSL Die biologische Vielfalt ist für das menschliche Leben und Wohlergehen unverzichtbar. Neben dem Klimawandel ist der Verlust an Biodiversität und den damit verbundenen Ökosystemfunktionen und -dienstleistungen eine der grössten Heraus­ forderungen für die Menschheit. Um diesen Verlust einzudämmen oder gar umzukehren, sind weitere Forschung und Massnahmen von entscheidender Bedeutung. Der ETH-Rat finanziert darum die Forschungsinitiative Blue-Green Biodiversity (BGB) an der Schnittstelle von Wasser und Land, um dieses drängende wissenschaftliche und gesellschaftliche Problem anzugehen. Er will damit die interdisziplinäre Biodiversitätsforschung zwischen WSL und Eawag stärken, aber auch innerhalb des ETH-Bereichs und darüber hinaus. Ziel ist es, die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Artenverlust und den Veränderungen der Biodiversität so schnell wie möglich zu verstehen und darauf zu reagieren (Moor et al., 2021).

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Impacts et enjeux de charriage d’une crue artificielle – Exemple de la Petite Sarine 2020 Robin Schroff, Christian Mörtl, Pascal Vonlanthen, Giovanni De Cesare

Résumé En octobre 2020, une crue artificielle d’essai a été relâchée dans la Sarine en aval du barrage de Rossens, dans le canton de Fribourg. L’objectif était de redynamiser le tronçon à débit résiduel de 13 km de long, surnommé la « Petite Sarine ». Manquant de crues naturelles et d’apports sédimentaires, la mosaïque des habitats de la Petite Sarine a été dégradée au cours des dernières décennies. Cet article présente un contrôle des effets de la crue artificielle de 2020 sur le plan éco-morphologique. Basée sur le jeu d’indicateurs OFEV « diversité des habitats », la méthodologie est complétée par diverses analyses supplémentaires (HMID, IRS). La crue a eu un effet positif temporaire en arrachant des algues filamenteuses et en nettoyant le lit mineur de sédiments fins en surface. Cependant, la comparaison des deux tronçons d’étude avant et après la crue démontre que la crue a également eu comme effet une accentuation de l’incision du lit et un appauvrissement systématique de la diversité hydromorphologique. Cette évolution négative peut être attribuée au manque de matériaux charriés pendant la crue. La disponibilité restreinte de graviers, le colmatage du substrat ainsi que le déclin continu de la surface de frayères à truites sont préoccupants d’un point de vue écologique. Afin de réussir l’assainissement à long terme, il est nécessaire d'aligner la gestion du débit et des sédiments sur le fonctionnement naturel du cours d'eau. Zusammenfassung Im Oktober 2020 wurde am Staudamm Rossens im Kanton Freiburg ein künstliches Hochwasser in die Saane abgegeben. Ziel war die ökologische Aufwertung der 13 km langen Restwasserstrecke, der «Kleinen Saane». Die Restwasserbewirtschaf­ tung und das Geschiebedefizit der vergangenen Jahrzehnte liessen ihr einst diversifiziertes Lebensraummosaik verarmen. In diesem Artikel wird eine Studie über die ökomorphologischen Auswirkungen des künstlichen Hochwassers 2020 vorgestellt. Die Methodik basiert auf dem BAFU-Indikator-Set «Habitatvielfalt» und wird durch weitere Analysen ergänzt (HMID, IRS). Das künstliche Hochwasser hat in grossen Teilen des Flussbetts vorübergehend Fadenalgen entfernt und oberflächliche Fein­ sedimente ausgespült. Durch den Vergleich zweier Untersuchungsstrecken vor und nach dem Hochwasser wurden jedoch auch eine fortschreitende Sohleneintiefung sowie eine systematische Verarmung der hydromorphologischen Vielfalt festgestellt. Diese nachteilige Entwicklung deutet auf die zunehmende Erschöpfung verbliebener Geschiebevorkommen hin. Das geringe Kiesvorkommen, die Kolmatierung des Sohlensubstrats sowie der kontinuierliche Schwund an Forellenlaichgruben sind aus ökologischer Sicht besorgniserregend. Eine nachhaltige und erfolgreiche Sanierung der Kleinen Saane bedarf eines Restwasser- und Geschiebemanagements, welches auf der natürlichen Funktionsweise des Flusses basiert.

1.  Etat écologique de la Petite Sarine et assainissement La Sarine est une rivière en Suisse impactée par l’exploitation hydroélectrique. Pre­ nant sa source au col du Sanetsch (2250 m),

son parcours de 126 km est interrompu par plusieurs barrages. Le barrage de Rossens et son réservoir (Lac de la Gruyère) altèrent le régime d’écoulement et le régime de charriage du tronçon à débit résiduel situé en aval, surnommé la Petite Sarine

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(Figure 1). Long de 13 km, ce tronçon est soumis à un débit minimum constant (hiver 2.5 m3 /s, été 3.5 m3 /s, depuis son augmentation en 2005), dépourvu des matériaux charriés retenus dans le réservoir. La vallée de la Petite Sarine est classée en tant que zone alluviale d’importance nationale, objet 62. En entravant les processus régénérateurs naturels, le faible débit de dotation et le manque de charriage engendrent la dégradation de la zone alluviale. Au cours des dernières décennies, la mosaïque des habitats a été considérablement altérée (Döring et al., 2018). Le creusement continu du fond du lit s’accompagne de la disparition de la plupart des bancs d’alluvions, des bras latéraux et des ilots (cf. Figure 1). La consolidation du substrat par le colmatage physique (sédiments fins) ou le colmatage biogénique (formation de tuf) ainsi que son recouvrement par des algues filamenteuses compromettent son fonctionnement écologique. En manque de dynamique hydraulique et sédimentaire naturelle, la régénération du substrat et de la mosaïque des habitats est aujourd’hui fortement perturbée (Schroff et al., 2021). Pour les cours d’eau subissant les effets négatifs de l’exploitation hydroélectrique, la législation Suisse impose la mise en œuvre de mesures d’assainissement d’ici 2030. Une première crue artificielle d’essai a été relâchée dans la Petite Sarine en 2016 (avant correction Qmax = 250 m3 /s, source : Groupe E SA. Après correction Qmax = 195 m3/s ≈ Q1 naturel, source : Stähly et al., 2021). La crue a été combinée avec une réinjection de sédiments issus de l’ancien lit moyen. Environ 1000 m3 de sédiments ont été excavés dans la forêt alluviale et placés en quatre dépôts alternés dans la rivière, 9 km en aval du barrage. Les effets de la crue combinée avec la réinjection de sédiments ont été immédiats et positifs (Döring et al., 2018; Stähly et al., 2019) mais pas persistants (Schroff et al., 2021). Une deuxième crue artificielle 75


Figure 1: Aperçu de la zone d’étude. Subdivision de la Petite Sarine en quatre tronçons I à IV pour la cartographie des frayères (gauche). Définition des tronçons d’étude pour les relevés des indicateurs (centre). Morphologie du lit majeur avant la construction du barrage (droite). © arrière-plan : swisstopo. (Qmax = 225 m3 /s, source : Groupe E SA) a été effectuée en octobre 2020, sans apports sédimentaires supplémentaires. Un contrôle des effets éco-morphologiques de cette crue est présenté ci-après. 2. Matériel et méthodes Les campagnes de mesures ont été menées au début de l’été 2020 et 2021, avant et après la crue artificielle. Une solution de

cartographie numérique a été conçue et utilisée pour les relevés. Elle consistait en une application SIG mobile (QField) opérée sur une tablette de terrain et connectée à une antenne GNSS RTK (Emlid Reach RS2). La précision horizontale fournie par le service de correction swipos NTRIP pendant la campagne de 2021 était en moyenne de 3.6 cm. La précision horizontale effective des positions utilisées était de 2.0 cm. Combinée avec des ortho-

photos de haute résolution, l’orientation sur le terrain et la précision requise des données étaient garanties. Les conditions météorologiques permettaient une visibilité satisfaisante du substrat. Le recouvrement du substrat a été identifié à l’aide d’un aquascope. Les mesures de vitesse d’écoulement ont été effectuées à l’aide de l’instrument Flow Tracker de SonTek. Le débit résiduel d’été était constant à 3.5 m3 /s.

Indicateur

Aspect analysé

Attributs et Caractéristiques OU Valeurs statistiques

Ind 1.1

Structure du fond du lit

Structure : 1 Banc, 2 Fosse, 3 Chenal, 4 Plat, 5 Radiers, 6 Ecoulement secondaire, 7 Eaux peu profondes, 8 Seuil, 9 Mouille

[1]

Ind 1.2

Structure des rives

Sinuosité : 1 Linéaire, 2 Convexe, 3 Concave; Nature : 4 Aménagement perméable, 5 Aménagement imperméable, 6 Substrat meuble, 7 Racines, 8 Roches; Pente : 9 Plat, 10 Pentu

[1]

Ind 1.3

Profondeur d’eau

Profondeur d’eau maximale : 1 Ecart-type, 2 Moyenne, 3 Coefficient de variation (en prenant les profondeurs maximales par profil en travers)

[1]

Ind 1.4

Vitesse d’écoulement

Vitesse d’écoulement : 1 Ecart-type, 2 Moyenne, 3 Coefficient de variation

[1]

HMID

Diversité hydromorphologique

Profondeur d’eau : 1 Ecart-type, 2 Moyenne, 3 Coefficient de variation (en prenant l’ensemble des mesures de profondeur); Vitesse d’écoulement : 4 Ecart-type, 5 Moyenne, 6 Coefficient de variation

[2]

Ind 1.5

Offre en abris

Type d’abris : 1 Pierres immergées, 2 Pierres non immergées, 3 Petites particules organiques, 4 Particules organiques de taille moyenne, 5 Grosses branches, 6 Troncs d’arbres, 7 Souches, 8 Végétation surplombante, 9 Rive creusée, 10 Plantes aquatiques, 11 Herbe surplombante / roseaux, 12 Zones d’eau avec turbulences, 13 Affouillements

[1]

Ind 1.6 A1

Substrat

Nature : 1 Sédiments fins, 2 Sable, 3 Graviers, 4 Pierres, 5 Grandes pierres, 6 Blocs, 7 Roches, 8 Matériaux organiques, 9 Substrat artificiel

[1]

Ind 1.6 A2

Substrat

Capacité à la mobilisation : 1 Dépôts de matières en suspension, 2 Matériaux charriés fins, 3 Matériaux charriés grossiers, 4 Matériaux du fond du lit mêlés à des matériaux charriés, 5 Matériaux du fond du lit grossier

[3]

IRS

Substrat

Aptitude à la reproduction de la truite : 1 Substrat propice, 2 Non propice car dégradé ou artificiel, 3 Non propice en raison de sa nature ou d’une profondeur d’eau insuffisante

[4]

Source

Tableau 1 : Aperçu du jeu d’indicateurs 1 « diversité des habitats » (JI1) ainsi que des indicateurs HMID et IRS. Résumé des attributs, caractéristiques et valeurs statistiques sur la base desquels le calcul de chaque indicateur repose. Sources : [1] OFEV (éd.), 2019, [2] Gostner et al., 2013, [3] Hunzinger et al., 2018, [4] Schroff et al., 2021. 76

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rées. L’analyse a demandé le positionnement relatif du niveau de la surface d’eau. Ainsi, le niveau de référence des profils en travers de 2021 a été ajusté en considérant les surfaces immobiles sur fond rocheux. Afin d’optimiser la correspondance des points de mesure associés au fond rocheux, l’ensemble des points de chaque Partie intervention (PI) Partie aval (PA) profil présentant un décalage systématique ont subi une correction horizontale, suivie, le Tronçon de contrôle (TC) cas échéant, d’une correction verticale par interpolation. Les profils sans fond rocheux du tronçon à dépôts de sédiments ont été ajustés en utilisant la correction verticale moyenne des profils avec fond rocheux. L’indice hydro-morphologique de la diversité (HMID ; Gostner et al., 2013) proSE_5 SE_7impair SE_7pair SE_14 pose une perspective alternative sur la Figure 2: Schémas d’évaluation. Subdivision du tronçon à dépôts de sédiments en diversité de la profondeur d’eau et de la deux tronçons partiels (en haut). Positions des quatre dépôts de sédiments de 2016 vitesse d’écoulement en synthétisant l’en(ellipses rouges) et positions des profils en travers (traits noirs). L’appartenance des semble des deux mesures hydrométriques. profils en travers aux quatre sous-ensembles SE_5, SE_7impair, SE_7pair et SE_14 Un score supérieur à 12 indique une diverest indiquée par les symboles figurant dans la légende. © arrière-plan : groupe de sité intacte des habitats hydrauliques. Les recherche Ökohydrologie ZHAW. cours d’eau canalisés et morphologiquement déficitaires obtiennent en règle gé2.1  Méthodologie du contrôle des des profils en travers, comme illustré à la nérale un score inférieur à 5. effets Figure 2. En suivant la méthode de l’indicateur La méthodologie est principalement bade l’aptitude à la reproduction de la truite sée sur le jeu d’indicateurs 1 « diversité des 2.2  JI1 : Jeu d’indicateurs « diversité basée sur la dégradation du substrat (IRS ; habitats » (JI1) de la documentation prades habitats » Schroff et al., 2021) le colmatage extérieur tique pour le contrôle des effets des revi- Le JI1 se compose de six indicateurs. et la consolidation (colmatage intérieur) de talisations de cours d’eau (Weber et al., Chaque indicateur évalue un aspect éco-­ graviers et pierres ont été analysés. Le 2019). L’application du JI1 dans le contexte morphologique différent sur une fourchette colmatage extérieur local est exprimé en d’une crue artificielle s’est avérée perti- de 0 (dégradé ou artificiel) à 1 (proche de termes de pourcentage de surface counente et révélatrice (Schroff et al., 2021). l’état naturel). Le Tableau 1 résume les at- verte par des sédiments fins (embeddedLa méthodologie est complétée par divers tributs, caractéristiques et valeurs statis- ness ou percent fine cover, PFC). Un taux analyses et indicateurs supplémentaires tiques sur la base desquels chaque indica- de couverture local de PFC = 25 % est permettant une évaluation plus ciblée. teur est calculé. Pour l’indicateur 1.2, la considéré comme critique, les taux plus Le contrôle des effets comprend la sinuosité, la nature et la pente des rives élevés étant nuisible à la reproduction de comparaison de deux tronçons de 200 m sont relevées sur toute la longueur des la truite. La consolidation est analysée à de long chacun (Figure 1) avant et après la tronçons d’étude. Les structures du fond l’aide d’un test avec la botte. Pour chaque crue. Le tronçon à dépôts de sédiments du lit (indicateur 1.1), la nature du substrat surface de graviers ou pierres, la force né(TDS) couvre les quatre dépôts mis en et sa capacité à la mobilisation (indicateurs cessaire pour creuser jusqu’à une profonplace en 2016 et peut être sous-divisé en 1.6) sont relevées dans le lit moyen. La car- deur de 15 cm est associée à l’une des deux parties ou tronçons partiels (Figure tographie des abris (indicateur 1.5) est gé- trois catégories : substrat meuble, conso2). La partie intervention (PI, 80 m) délimite néralement restreinte au lit mouillé. La pro- lidation avancée, consolidation sévère. le périmètre des dépôts initiaux et est sui- fondeur d’eau (indicateur 1.3) et la vitesse Dans un suivi écologique à long terme, vie par la partie aval (PA, 120 m). Le tron- d’écoulement (indicateur 1.4) ont été me- l’association La Frayère étudie l’évolution çon de contrôle (TC) se situe 1 km plus en surées à un intervalle régulier de 1.4 m le des surfaces de frayères à truite. Les donamont. Les mesures hydrométriques de la long des profils en travers. Les détails de nées des positions et de la surface des profondeur d’eau ainsi que de la vitesse calcul de chaque indicateur figurent dans frayères sont relevées chaque année au d’écoulement ont été effectuées le long la fiche technique du JI1 (OFEV (éd.), 2019). tournant de l’année depuis 1996. La subde 14 profils en travers (PT) dans le trondivision de la Petite Sarine en quatre tronçon à dépôts de sédiments. En raison 2.3  Analyses et indicateurs çons I à IV pour l’évaluation de la surface d’une capacité limitée, les profils en tracomplémentaires totale de frayères est indiquée à la Figure 1. vers analysés dans le tronçon de contrôle Dans le but d’évaluer en détail les impacts Dans certaines années, les frayères n’ont étaient moins nombreux. 5 profils ont été morphologiques de la crue ainsi que l’évo- été cartographiées que sur les tronçons I effectués en 2020 et 7 profils en 2021. La lution de la qualité du substrat, des analyses et II en raison d’une capacité limitée. Pour comparaison interannuelle et inter-tron- et indicateurs complémentaires ont été in- étudier les corrélations entre ces données çon des indicateurs calculés à partir des tégrés au contrôle des effets. L’évo­lution du écologiques et les déversements excepmesures hydrométriques est basée sur fond du lit entre 2020 et 2021 a été analy- tionnels relâchés dans la Petite Sarine, des quatre sous-ensembles (SE) de l’ensemble sée à partir des profondeurs d’eau mesu- données de débit fournies par Groupe E

Tronçon à dépôts de sédiments (TDS)

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77


2020

Gauche : Niveau du fond du lit Substrat = Roches

Droite : Structures du fond du lit 1 Banc

2021

6 Ecoulement secondaire 7 Eaux peu profondes

Fond du lit 2020

2 Fosse

8 Seuil

Fond du lit 2021 (corrigé)

3 Chenal

9 Mouille

4 Plat

Ligne de rive

5 Radiers

Profil en travers (PT)

Figure 3: Evolution du niveau du fond du lit (gauche) et des structures du fond du lit (droite) dans le tronçon à dépôts de sédiments. Le niveau de référence à 0 correspond au niveau de la surface d’eau en 2020. © arrière-plan : groupe de recherche Ökohydrologie ZHAW. SA ont été analysées. Avant 2010, les volumes journaliers déversés sont disponibles, omettant le débit de dotation. A partir de 2010, des valeurs instantanées du débit sont disponibles de quart d’heure en quart d’heure, basées sur l’ancien dia­gramme d’ouverture des vannes et en considérant le débit de dotation. Le dia­gramme d’ouverture des vannes a été précisé en 2018, fournissant des valeurs plus exactes. 3. Résultats 3.1 Morphologie Les effets de la crue sur la morphologie dans les deux tronçons d’étude sont principale78

ment limités au lit mouillé initial. Le tracé et la structure de la ligne de rive sont restés essentiellement inaltérés. La Figure 3 présente pour le tronçon à dépôts de sédiments la comparaison des structures du fond du lit avant et après la crue ainsi que l’évolution du fond du lit à la hauteur des profils en travers. Les changements structurels les plus importants ont eu lieu dans la partie aval. Les bancs d’alluvions ont été entrainés en aval en direction de la rive gauche. La structure chenal a pénétré depuis la partie intervention dans un domaine antérieurement identifié en tant que plat et eaux peu profondes. L’étendue des eaux peu profondes a considérablement diminué.

Sur les deux tronçons d’étude, l’érosion du fond du lit est par endroits importante. Sur le tronçon à dépôts de sédiments, un fort gradient d’érosion est observé. L’érosion du lit est particulièrement prononcée après le rétrécissement du courant par les deux premiers dépôts, s’étendant du profil en travers PT9 au PT12. L’alluvionnement des matériaux érodés a eu lieu plus en aval, principalement entre le PT5 et le PT7. Dans les radiers de la partie aval et dans le chenal de la partie intervention, le niveau du fond du lit est resté relativement stable. Après la correction du niveau de référence, le tronçon à dépôts de sédiments ne présente globalement pas d’abaissement du

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Tronçon à dépôts de sédiments (TDS)

Valeur standarIndicateur Année disée Structure du 2020 0.50 Ind 1.1 fond du lit 2021 0.50 Structure 2020 1.00 Ind 1.2 des rives 2021 1.00 Profondeur 2020 0.48 Ind 1.3 d'eau 2021 0.39 Vitesse 2020 0.72 Ind 1.4 d'écoulement 2021 0.69 Diversité 2020 8.91 HMID hydromorphologique 2021 8.00 Offre 2020 0.25 Ind 1.5 en abris 2021 0.25 Estimation de référence Substrat 2020 Ind 1.6 nature 2021 Capacité à la 2020 0.25 Ind 1.6 mobilisation 2021 0.25 Aptitude à la 2020 0.27 IRS reproduction 2021 0.36

Valeurs statistiques pour les indicateurs 1.3, 1.4 et HMID Sinon: Pour chaque tronçon le pourcentage de la caractéristique par rapport • Indicateur 1.2 : La longueur totale de la ligne de rive • Indicateur 1.5 : La surface du lit mouillé • Indicateurs 1.1, 1.6 A1, 1.6 A2 et IRS: La surface du lit moyen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0.8% 2.6% 30.2% 12.3% 32.0% 0.1% 21.9% 0.0% 0.0% 1.1% 2.8% 36.5% 14.7% 29.8% 1.4% 13.8% 0.0% 0.0% 58.2% 31.1% 10.6% 0.0% 0.0% 50.5% 48.2% 1.3% 66.8% 57.4% 28.4% 14.2% 0.0% 0.0% 55.6% 39.7% 4.7% 48.3% 0.31 m 0.66 m 0.48 0.26 m 0.66 m 0.39 0.33 m/s 0.42 m/s 0.79 0.34 m/s 0.45 m/s 0.76 0.24 m 0.35 m 0.67 0.33 m/s 0.42 m/s 0.79 0.25 m 0.41 m 0.61 0.34 m/s 0.45 m/s 0.76 1.4% 0.3% 0.0% 0.2% 2.4% 3.7% 0.0% 3.2% 0.1% 0.8% 0.9% 0.0% 0.4% 0.0% 2.9% 0.0% 4.2% 0.1% 1.0% 1.0% 1.5% 0.5% 2.3% 3.8% 2.3% 0.5% 0.5% 9.7% 0.7% 0.7% 6.0% 58.9% 6.2% 6.4% 11.5% 0.0% 9.8% 0.8% 0.1% 2.8% 62.2% 9.7% 10.3% 4.4% 0.0% 16.2% 1.1% 3.0% 71.3% 8.3% 13.9% 0.3% 3.5% 50.8% 31.5% 1.7% 4.6% 93.7% 0.9% 1.7% 97.4% -

à

10 33.2% 51.7% 0.1% 0.3% 0.0% -

11 12 13 2.8% 0.7% 2.5% 1.4% 0.0% 2.1% 0.0% 14.0% 30.0% -

Tableau 2: Résultats du tronçon à dépôts de sédiments sous forme agrégée. Les caractéristiques représentées par les colonnes 1 à 13 varient selon les indicateurs et correspondent aux descriptions fournies au Tableau 1. Pour chaque attribut, la gamme de couleurs des pourcentages varie du bleu (maximum) au rouge (minimum) en passant par le violet (médiane). Tronçon de contrôle (TC)

Valeur standarIndicateur Année disée Structure du 2020 0.50 Ind 1.1 fond du lit 2021 0.50 Structure 2020 1.00 Ind 1.2 des rives 2021 1.00 Profondeur 2020 0.40 Ind 1.3 d'eau 2021 0.35 Vitesse 2020 1.00 Ind 1.4 d'écoulement 2021 0.85 Diversité 2020 10.71 HMID hydromorphologique 2021 7.89 Offre 2020 0.25 Ind 1.5 en abris 2021 0.25 Estimation de référence Substrat 2020 Ind 1.6 nature 2021 Capacité à la 2020 0.25 Ind 1.6 mobilisation 2021 0.25 Aptitude à la 2020 0.32 IRS reproduction 2021 0.11

Valeurs statistiques pour les indicateurs 1.3, 1.4 et HMID Sinon: Pour chaque tronçon le pourcentage de la caractéristique par rapport • Indicateur 1.2 : La longueur totale de la ligne de rive • Indicateur 1.5 : La surface du lit mouillé • Indicateurs 1.1, 1.6 A1, 1.6 A2 et IRS: La surface du lit moyen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0.0% 0.0% 24.4% 47.0% 15.4% 0.0% 13.1% 0.0% 0.0% 0.1% 0.0% 20.5% 54.1% 14.7% 2.1% 8.4% 0.0% 0.0% 80.3% 0.7% 19.0% 0.0% 0.0% 26.3% 69.8% 3.9% 35.6% 75.9% 4.7% 19.4% 0.0% 0.0% 57.6% 40.9% 1.6% 41.7% 0.40 m 0.99 m 0.40 0.34 m 0.97 m 0.35 0.34 m/s 0.31 m/s 1.11 0.31 m/s 0.34 m/s 0.93 0.33 m 0.60 m 0.55 0.34 m/s 0.31 m/s 1.11 0.31 m 0.68 m 0.45 0.31 m/s 0.34 m/s 0.93 2.8% 0.4% 0.0% 0.2% 2.1% 1.5% 0.0% 6.5% 1.1% 0.5% 0.3% 1.7% 1.3% 1.2% 3.7% 0.1% 4.4% 1.5% 1.0% 1.0% 1.5% 0.5% 2.3% 3.8% 2.3% 0.5% 0.5% 19.6% 0.0% 1.9% 9.6% 54.8% 10.3% 0.0% 3.7% 0.0% 14.5% 0.0% 0.9% 7.5% 58.7% 10.7% 0.1% 7.6% 0.0% 22.6% 1.9% 2.0% 55.3% 18.2% 22.0% 1.2% 7.2% 29.1% 40.5% 3.6% 7.7% 88.7% 1.2% 9.7% 89.1% -

à

10 64.4% 58.3% 1.0% 0.1% 0.0% -

11 12 13 4.8% 1.4% 0.0% 4.1% 0.7% 0.0% 0.0% 14.0% 30.0% -

Tableau 3: Résultats du tronçon de contrôle sous forme agrégée. Les caractéristiques représentées par les colonnes 1 à 13 varient selon les indicateurs et correspondent aux descriptions fournies au Tableau 1. Pour chaque attribut, la gamme de couleurs des pourcentages varie du bleu (maximum) au rouge (minimum) en passant par le violet (médiane). lit (léger rehaussement de 0.5 cm). Dans le tronçon de contrôle, les profondeurs d’eau non corrigées suggèrent un abaissement moyen du fond du lit de 6.4 cm. 3.2 Diversité des habitats Les résultats du relevé du JI1 et des indicateurs HMID et IRS sont résumés dans le Tableau 2 et le Tableau 3. Les scores des indicateurs obtenus avant et après la crue sont présentés sous forme graphique dans la Figure 4.

Dans les deux tronçons d’étude, tous les types de structures d’une séquence chenal-plat-radier sont présents avant et après la crue. Le score de l’indicateur 1.1 « structure du fond du lit » des deux tronçons demeure stable à 0.5. Dans la partie aval du tronçon à dépôts de sédiments, l’avancement du chenal a introduit une structure initialement absente et provoque un saut du score de 0.5 à 0.75. La structure de la ligne de rive, essentiellement inaltérée, correspond au critères du score maximum

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de 1.0 pour l’indicateur 1.2 dans les deux tronçons avant et après la crue. Dans les parties intervention et aval, l’amélioration du score de 0.75 à 1.0 est due à des clarifications techniques reçues entre les deux campagnes de cartographie, relatives à la distinction entre rive plate et rive pentue. La profondeur d’eau moyenne a considérablement augmenté dans les deux tronçons. Cette augmentation atteint 17 % sur le tronçon à dépôts de sédiments (de 0.35 m à 0.41 m) et 13 % sur le tronçon de 79


Score Ind1.1-6 et IRS [ ]

0.8 0.6

8

0.4

6

0.2

4

0.0

2020 2021 2020 2021 2020 2021 2020 2021 2020 2021 2020 2021 2020 2021 2020 2021

Ind1.1

Structure du fond du lit

Ind1.2

Structure des rives

Ind1.3

Profondeur d'eau

Ind1.4

Vitesse d'ecoulement

HMID

Diversite hydromorphologique

Ind1.5

Offre en abris

Ind1.6_A2

Score HMID [ ]

Tronçon de contrôle (TC) 12 Tronçon à dépôts de sédiments (TDS) Partie intervention (PI) 10 Partie aval (PA)

1.0

2

IRS

Substrat Substrat Capacite a la Aptitude a la mobilisation reproduction

Figure 4: Scores des différents indicateurs avant et après la crue. Pour le tronçon à dépôts de sédiments, les indicateurs hydrométriques sont calculés sur la base du sous-ensemble SE_14, pour le tronçon de contrôle sur la base du SE_5. L’axe secondaire à droite indique les scores du HMID. L’axe principal à gauche indique les scores des autres indicateurs.

a) Composition du fond du lit : Nature du substrat Pourcentage de la surface du lit moyen

80% 60% 40%

Tronçon de contrôle (TC) Tronçon à dépôts de sédiments (TDS) Partie intervention (PI) Partie aval (PA)

20% 0% 1 Sediments fins

2 Sable

3 Graviers

b) Substrat propice et dégradé

200 0

Gravier et pierres propices

Gravier et pierres degrades

5 Grandes pierres

6 Blocs

7 Roches 8 Materiaux 9 Substrat organiques artificiel

c) Types de dégradation Pourcentage de la surface dégradée

400

Surface [m

2]

600

4 Pierres

100% 80% 60% 40% 20% 0% Consolidation Consolidation Consolidation Consolidation Couche de couverture par avancee severe avancee severe sediments fins PFC<=25% PFC<=25% PFC>25% PFC>25%

Figure 5: Evolution de la composition et de la dégradation du substrat dans les tronçons d’étude suite à la crue. a) Répartition granulométrique d’après les caractéristiques de l’indicateur 1.6. b) Surface absolue propice à la reproduction des truites et surface absolue dégradée. c) Analyse en détail de la surface dégradée. PFC désigne le pourcentage de surface couverte par des sédiments fins, une mesure locale du colmatage extérieur. contrôle (de 0.60 m à 0.68 m). En même temps, la variabilité de la profondeur a diminué sur les deux tronçons. Les scores de l’indicateur 1.3 montrent par conséquent une diminution par rapport à l’état avant la crue (TDS : de 0.48 à 0.39, TC : de 0.40 à 0.35). Dans la partie aval, les alluvionnements ont localement augmenté la variabilité des profondeurs. Etroitement 80

corrélée avec la profondeur d’eau, la variabilité de la vitesse d’écoulement et la diversité hydromorphologique ont diminuées dans tous les tronçons d’étude entiers et partiels. L’indicateur 1.4 « vitesse d’écoulement » et le HMID ont connu une diminution importante et systématique. La détérioration est plus prononcée sur le tronçon de contrôle, où le score de l’indi-

cateur 1.4 a diminué de 1.0 à 0.85 et le score du HMID de 10.7 à 7.9. Globalement, l’offre en abris a peu changé sur les deux tronçons. Dans le tronçon à dépôts de sédiments, une accumulation vaste de bois mort (arbres et branches coupés) a disparue. Le score de l’indicateur 1.5 de 0.25 demeure stable mais bas pour tous les tronçons d’étude

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12

Score Ind1.3 et Ind1.4 [ ]

1.0

10

0.6

8 Tronçon de contrôle (TC) Tronçon à dépôts de sédiments (TDS) SE_5 SE_7impair SE_7pair SE_14

0.4 0.2 0.0

2020

Ind1.3

2021

Profondeur d'eau

2020

Ind1.4

2021

Vitesse d'ecoulement

2020

HMID

2021

6 4

Score HMID [ ]

0.8

2

Diversite hydromorphologique

Figure 6: Scores des indicateurs hydrométriques avant et après la crue. Pour chaque indicateur et tronçon d’étude, différents scores sont obtenus en fonction du sous-ensemble (SE) des profils en travers utilisé dans le calcul. Les différents sous-ensembles sont définis dans la Figure 2. L’axe secondaire à droite indique les scores du HMID. L’axe principal à gauche indique les scores des autres indicateurs. entiers et partiels. Dans la composition du substrat, des changements systématiques ont été observés. Une analyse graphique de la composition du substrat est présentée dans la Figure 5a. La prédominance croissante d’une granulométrie plus grossière, c’est-à-dire de grandes pierres et blocs, va de pair avec la perte de graviers et pierres. Sur le tronçon à dépôts de sédiments, le pourcentage de la surface du lit moyen dominé par du gravier et des pierres a été réduit de plus de moitié (de 6.7 % à 2.9 %). Sur le tronçon de contrôle, la diminution est d’environ un quart (de 11.5 % à 8.4 %). La surface dominée par des roches a augmenté d’environ 60 % sur le tronçon à dépôts de sédiments (de 6.4 % à 10.3 %). D’après l’analyse de la capacité à la mobilisation, les catégories dominantes sont les matériaux du fond du lit et les dépôts de matières en suspension. L’aug­ men­tation considérable de la présence de matériaux charriés grossiers et de matériaux du fond du lit grossiers et la diminution des matériaux du fond du lit mêlés à des matériaux charriés est expliqué par des clarifications techniques obtenues entre les deux campagnes de cartographie. Le score de l’indicateur 1.6 demeure stable à 0.25 pour les deux tronçons d’étude. Le relevé de l’IRS met en évidence la diminution de surfaces couvertes par des graviers et des pierres, substrat potentiellement propice à la reproduction de la truite. La surface identifiée comme substrat propice non colmaté a été réduite de moitié sur le tronçon à dépôts de sédiments (de 1.7 % à 0.9 %) et de deux tiers sur le tronçon de contrôle (de 3.6 % à 1.2 %).

Parmi les différents indicateurs, le score maximum est atteint seulement par la structure des rives. Des scores élevés sont obtenus pour les indicateurs incluant les mesures du courant : vitesse d’écoulement et HMID. Pour les indicateurs morphologiques du lit, structure du fond du lit et profondeur d’eau, des scores médiocres sont obtenus. Les scores les plus bas sont obtenus pour l’offre en abris et les indicateurs du substrat. On peut distinguer trois types de tendances interannuelles. Des scores stables sont maintenus par les indicateurs structure du fond du lit, structure des rives, offre en abris et capacité à la mobilisation du substrat. Pour l’IRS, on observe une tendance lo­ calement variée. Parmi les indicateurs hydro­métriques (pro­fondeur d’eau, vitesse d’écou­lement, HMID), une tendance négative prononcée se manifeste. Comme démontré dans la Figure 6, cette tendance persiste à travers toutes les stratégies d’échantillonnage appliquées. 3.3 Colmatage et frayères L’évolution de la surface totale de substrat propice à la reproduction et de substrat dégradé est présentée dans la Figure 5b. La surface couverte par des graviers et des pierres, substrat potentiellement propice, a diminuée sur tous les tronçons entiers et partiels. Le taux de dégradation de cette surface a augmenté sur le tronçon de contrôle et diminué sur le tronçon à dépôts de sédiments. Sur les deux tronçons, un déclin important de la surface absolue propice est observé (TDS : de 85 m2 à 49 m2, TC : de 166 m2 à 59 m2). La Figure 5c

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montre une analyse en détail de la surface dégradée quant à son degré de consolidation et de colmatage extérieur. Rap­ porté à la surface dégradée totale par tronçon, le taux de surface atteinte d’une forme de dégradation sévère a augmenté. Sur les deux tronçons, un accroissement modéré est observé pour le taux de consolidation sévère (TDS : de 35 % à 39 %, TC : de 33 % à 38 %). Le taux de colmatage extérieur d’un niveau nuisible à la reproduction piscicole a connu une augmentation plus importante (TDS : de 4 % à 16 %, TC : de 24 % à 57 %). La correspondance entre les surfaces identifiées comme propices à la reproduction en été 2020 et les positions de frayères cartographiées en janvier 2020 est bonne (cf. Schroff et al., 2021). Lors du relevé estival en 2021, deux surfaces de substrat ayant abrité des frayères l’hiver précédent ont présenté une consolidation avancée. L’évolution de la surface de frayères entre 1996 et 2022 dans les tronçons I à IV est représentée dans les Figures 7a – c. La Figure 7a est complétée par l’hydrogramme du débit en aval du barrage de Rossens. L’hydrogramme montre des valeurs indicatives du débit moyen journalier avant 2010 et des valeurs de débit instantanées dès 2010. La durée des déversements exceptionnels avec V12h > 1.75e6 m3 est indiquée dans la Figure 7b. Le volume déversé à Rossens sur 5 jours, obtenu avec la technique de la fenêtre mobile, est représenté dans la Figure 7c. Après l’augmentation du débit de dotation en 2005 et deux crues importantes en 2005 et 2007, un fort accroissement de la surface totale de frayères est observé au début de l’année 2008. Cette augmentation de surfaces de frai a évolué de pair avec une augmentation de captures de truites par les pêcheurs et une augmentation du peuplement de truites détectées lors des pêches électriques. De 2008 à 2013 il n’y a pas eu de déversement exceptionnel. La surface totale de frayères demeure à un niveau stable jusqu’en 2014. De 2014 à 2020, plusieurs lâchers ont été effectués, y compris deux crues artificielles. Dans la même période, les surfaces de frai et le peuplement de truites ont connu une forte baisse. La crue artificielle de 2016 marque une année d’exception. Dans les 900 m en aval des dépôts de sédiments mis en place pour la crue, des surfaces de frai importantes ont été créées et utilisées par les truites. A la suite de la crue morphogène de juillet 2021, d’importantes zones de frai ont été recréées et utilisées pour le frai des truites. 81


Figure 7: Evolution de la surface de frayères dans la Petite Sarine et corrélations avec différentes caractéristiques des déversements exceptionnels en aval du barrage de Rossens. Corrélation avec a) débit moyen journalier (avant 2010) et débit de pointe (dès 2010). b) durée des déversements. c) volume déversé sur 5 jours. © données frayères : La Frayère, © données débit : Groupe E SA. 4. Discussion 4.1 Effets de la crue artificielle 2020 Lors des premières observations après la crue de 2020, la Petite Sarine présentait un lit mouillé débarrassé de la majorité des algues filamenteuses et nettoyé en grande partie des sédiments fins en surface. La morphologie des tronçons d’étude a été impactée de manière modérée. Faute d’une disponibilité sédimentaire suffisante et de la force nécessaire pour remobiliser les sédiments dans l’ancien lit moyen, la crue a accentué l’incision existante du lit et la chenalisation du tracé. Sous conditions hydrologiques équivalentes, à un débit de dotation constant, la profondeur d’eau moyenne a considérablement augmenté par rapport à l’état avant la crue dans les 82

deux tronçons d’étude. L’avancement du chenal au-delà des quatre dépôts de sédiments, au détriment des eaux peu profondes, et le déplacement des bancs d’alluvions vers les rives sont deux autres exemples de l’homogénéisation morphologique provoquée par le manque de charriage. La tendance négative et prononcée des trois indicateurs hydrométriques pour tous les sous-ensembles de profils en travers suggère une détérioration globale et systématique de la diversité des habitats hydromorphologiques dans la Petite Sarine. Sur le tronçon de contrôle, dépourvu d’une réinjection de sédiments alluviaux dans le passé, la détérioration est plus prononcée. Dans le tronçon à dépôts de sédiments, l’équilibre apparent entre érosion et alluvionnement est à considérer à la lumière

du gradient longitudinal d’érosion très prononcé. Alors qu’une tendance marquée à l’érosion est observée dans la partie intervention, les alluvionnements dans la partie aval témoignent encore des apports de sédiments de 2016. Le gradient d’érosion sur ce tronçon donne une idée de l’érosion progressive ayant lieu à l’échelle de la Petite Sarine. L’érosion du fond du lit va de pair avec des changements écologiquement désavantageux dans la composition du sub­ strat. La tendance vers une granulométrie plus grossière et la mise à nu grandissante du socle en molasse sont témoins d’un manque d’apport en charriage important. L’augmentation de surfaces rocheuses de 60 % dans le tronçon à dépôts de sédiments est cependant en partie causée par la disparition des arbres coupés et donc surestimée. En tenant compte de la composition granulométrique du lit et en comparant les surfaces absolues lors de l’interprétation de l’IRS, une image plus complète de l’état de la dégradation du sub­ strat est obtenue. L’amélioration apparente de l’aptitude à la reproduction dans le tronçon de contrôle et dans la partie aval est à considérer dans le contexte de la diminution des surfaces absolues de graviers et pierres ainsi que de la surface absolue propice. Dans tous les tronçons, la superposition des effets de l’érosion et du colmatage a provoqué une diminution considérable de l’offre en substrat propice à la reproduction des truites. Le rythme de colmatage peut être considéré comme élevé puisque le substrat de deux surfaces ayant abrité des frayères en janvier 2021 présentait une consolidation avancée six mois plus tard. L’accentuation du colmatage n’étant pas une conséquence attribuable à la crue elle-même, elle souligne bien au contraire l’importance d’effectuer des mesures holistiques, dûment dimensionnées et fréquentes. 4.2 Frayères et charriage Le déclin important des surfaces de frai depuis 2014 est étroitement corrélé avec la diminution du peuplement de truites détectées lors des pêches électriques. A l’exception de la crue artificielle de 2016 avec ses apports de sédiments, les lâchers entre 2014 et 2020 n’ont pas permis de freiner ce développement. En revanche, les crues naturelles plus puissantes de 2005, 2007 et 2021 ont conduit à une augmentation de la surface totale de frayères. Ces observations suggèrent que les crues moyennes sans apports de sédiments entrainent principalement les sédiments de

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petite taille encore présents au sein du lit mineur, enlevant du substrat écologiquement important de la Petite Sarine (gravier et pierres). Les crues majeures semblent remobiliser des sédiments figés en dehors du lit mineur actuel, créant de nouveaux bancs de gravier et sites de frai. Il est important de noter que les réserves de sédiments dans la zone alluviale sont limitées et leur exploitation n’est pas durable. Pour recharger le système en sédiments, des apports provenant de l’amont sont nécessaires au pied du barrage. La surface totale de frayères est un indicateur tant à long terme (population adulte des truites : conditions environnementales des dernières années) qu’à court terme (qualité du substrat : conditions actuelles). Sa tendance négative et continue des dernières années signale une urgence croissante d’agir et demande des interventions stratégiques. 4.3  Stratégies d’assainissement durables Afin de mettre en place un assainissement durable du régime de charriage, la gestion du débit et des sédiments doit s’orienter sur le fonctionnement naturel du tronçon à assainir. Dans un régime d’écoulement naturel, les crues morphogènes constituent un phénomène de perturbation régulier (retour de 1 à 3 ans), essentiel pour la préservation et la régénération d’une mosaïque des habitats diversifiée et d’une zone alluviale naturelle et fonctionnelle (cf. Poff et al., 1997). Dans les rivières alpines à fort charriage, une crue morphogène provoque la restructuration du lit moyen et de la ligne des rives, créant des habitats caractéristiques tels que les bras morts et les bancs d’alluvions. La restructuration du lit est efficace si la crue présente (a) un débit de pointe puissant, (b) un volume et une durée suffisants, représentatifs du bassin versant et (c) une disponibilité sédimentaire équivalant au minimum à la capacité de transport de la crue. Les crues morphogènes régulières sont complétées par des crues plus importantes et moins fréquentes (retour > 5 ans) qui modifient le tracé et la morphologie de la rivière à l’échelle du lit majeur, inondant la zone alluviale, réactivant une partie de ses dépôts alluviaux et contribuant ainsi au développement et la régénération de la zone alluviale. Entre les crues, la variabilité naturelle du débit au fil des saisons et des intempéries est un facteur déterminant pour la qualité des habitats. Dans une comparaison de différents concepts de débits de dotation, Perona et al. (2013, 2021) ont

montré que l’approche du débit minimum constant ne représente pas une solution globalement optimale sur le plan environnemental et économique. Un débit de dotation imitant la variabilité naturelle tout en respectant le débit minimum nécessaire (voir le concept « Dynamic Environmental Flow », DEF ; Niayifar & Perona, 2017) peut améliorer de manière substantielle le fonctionnement des écosystèmes. Un débit dynamique est à compléter avec des apports de sédiments satisfaisant aux critères quantitatifs et qualitatifs. Bien dimensionnées et effectuées régulièrement, tout en tenant compte de la disponibilité sédimentaire, les crues artificielles sont une mesure clé pour l’assainissement d’un tronçon court-circuité à débit résiduel (Loire et al., 2021). Pour rétablir une mosaïque des habitats diversifiée dans la Petite Sarine, il est estimé nécessaire de représenter la variabilité des crues naturelles dans les fréquences et magnitudes des crues artificielles. Les lâchers fréquents d’une magnitude modérée (Q1 –  Q3) permettent de restructurer et décolmater le fond du lit mineur. Des lâchers plus puissants (Q5, Q10, etc.) sont indispensables pour réactiver une morphodynamique proche de l’état naturel à l’échelle du lit majeur. Sans apports de sédiments externes pour compenser le déficit existant, les crues artificielles ont des effets géomorphologiques et écologiques défavorables à moyen et long terme. Afin de contrer l’incision du lit et son pavage, il est indispensable de prévoir des apports de sédiments externes qui surcompensent la capacité de transport du débit pendant et entre les crues artificielles. Une réinjection de sédiments excavés dans l’ancien lit moyen de la rivière ne représente pas un apport net au système et ne constitue donc pas un apport externe. La comparaison des réactions morphologiques des deux tronçons d’étude souligne la nécessité de prévoir des apports de sédiments suffisants pendant et entre les lâchers. Outre la quantité et le timing des apports, les conditions et restrictions locales sont aussi déterminantes pour divers autres aspects du dimensionnement, tels que les lieux et types d’injection et la granulométrie des sédiments (cf. Mörtl & De Cesare, 2021). Une combinaison de réinjection en continu à différents endroits clés le long de la Petite Sarine et de recharge sédimentaire au pied du barrage peut être efficace. La granulométrie des apports doit non seulement être choisie en considérant la capacité de mobili-

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sation du cours d’eau mais aussi en tenant compte du déficit identifié dans la gamme granulométrique présente, soit des graviers et des pierres. En complément des apports, la stimulation de l’érosion des berges à certains endroit clés de la zone alluviale vieillissante permettrait de redynamiser le lit majeur et réactiver des alluvions figées. 5. Conclusion La restauration de la zone alluviale de la Petite Sarine est un enjeu à long terme et de plus en plus urgent. Cet enjeu demande des interventions stratégiques, guidées par les processus hydrologiques et géomorphologiques naturels. La crue artificielle de 2020 était importante dans la préparation de cette démarche. Elle a notamment permis d’étudier le potentiel et les limites relatifs à son impact morphologique, facilitant ainsi le dimensionnement de futures mesures. Les effets de la crue sur la morphologie des tronçons d’étude étaient modérés et se concentraient à proximité immédiate des dépôts de sédiments de 2016. La crue de 2020 sans apports de sédiments a accentué l’incision existante du fond du lit et conduit à l’appauvrissement systématique de la diversité hydromorphologique. Le déficit de matériaux charriés, la disponibilité restreinte de surfaces de graviers et pierres propices à la reproduction piscicole et le déclin continu de la surface de frayères sont préoccupants d’un point de vue écologique. Les résultats soulignent qu’un changement de paradigme est nécessaire. Les crues artificielles étant des mesures clés pour la restauration de la zone alluviale, elles doivent être accompagnées d’une recharge sédimentaire suffisante. Ceci afin de remettre en marche une évolution dynamique du lit majeur, rétablir une mosaïque des habitats plus diversifiée et permettre la régénération et le bon fonctionnement de la zone alluviale. Idéalement, les crues artificielles respectent le temps de retour et la variabilité de la magnitude des crues naturelles. Entre les crues artificielles, une variabilité hydraulique naturelle au fil des saisons et des intempéries peut être réalisée à l’aide d’un DEF pour améliorer le fonctionnement des écosystèmes aquatiques et alluviaux. Si la continuité sédimentaire à travers le réservoir ne peut pas être restaurée, des apports de sédiments externes au pied du barrage ainsi qu’à des endroits clés le long de la Petite Sarine sont nécessaires pour recharger le système épuisé. La prise en 83


considération des exigences écologiques concernant la granulométrie des sédiments est importante. Le volume des apports externes doit surcompenser la capacité de transport du débit déversé pour contrer de manière efficace l’incision du lit et permettre un développement favorable de l’état éco-morphologique. A l’aide d’une série de mesures efficaces, la Petite Sarine et sa zone alluviale peuvent être redynamisées de manière durable.

Remerciements

Références: Döring, M., Tonolla, D., Robinson, C. T., Schleiss, A., Stähly, S., Gufler, C., Geilhausen, M., Di Cugno, N. (2018). Künstliches Hochwasser an der Saane – Eine Massnahme zum nachhaltigen Auenmanagement. Wasser Energie Luft, 110(2), 119–127. Gostner, W., Alp, M., Schleiss, A. J., Robinson, C. T. (2013). The hydro-morphological index of diversity: A tool for describing habitat heterogeneity in river engineering projects. Hydrobiologia, 712(1), 43–60. https://doi.org/10.1007/s10750-012-1288-5 Hunzinger, L., Schälchli, U., Nitsche, M., Kirchhofer, A., Pfaundler, M., Rüesch, T., Roulier, C. (2018, in Anhörung). Geschiebehaushalt – Massnahmen. Ein Modul der Vollzugshilfe Renaturierung der Gewässer (Umwelt-Vollzug Nr. X, p. X). Bundesamt für Umwelt. Mörtl, C., De Cesare, G. (2021). Sediment Augmentation for River Rehabilitation and Management – A Review. Land, 10(12), 1309. https://doi.org/10.3390/ land10121309 Niayifar, A., Perona, P. (2017). Dynamic water allocation policies improve the global efficiency of storage systems. Advances in Water Resources, 104, 55–64. https://doi.org/10.1016/j.advwatres.2017.03.004 OFEV (éd.). (2019). Jeu d’indicateurs 1 – Diversité des habitats. Dans: Contrôle des effets des revitalisations de cours d’eau – Apprendre ensemble pour l’avenir. Office

fédéral de l’environnement (OFEV), Berne. Fiche technique 1, V1.04. Perona, P., Dürrenmatt, D. J., Characklis, G. W. (2013). Obtaining natural-like flow releases in diverted river reaches from simple riparian benefit economic models. Journal of Environmental Management, 118, 161–169. https://doi.org/10.1016/j.jenvman.2013.01.010 Perona, P., Niayifar, A., Schwemmle, R., Razurel, P., Flury, R., Winz, E., Barry, D. A. (2021). Frontiers of (Pareto) Optimal and Sustainable Water Management for Hydropower and Ecology. Frontiers in Environmental Science, 9, 703433. https://doi.org/10.3389/ fenvs.2021.703433 Poff, N. L., Allan, J. D., Bain, M. B., Karr, J. R., Prestegaard, K. L., Richter, B. D., Sparks, R. E., Stromberg, J. C. (1997). The Natural Flow Regime. BioScience, 47(11), 769–784. https://doi. org/10.2307/1313099 Schroff, R., Mörtl, C., De Cesare, G. (2021). Wirkungskontrolle einer Sedimentzugabe: Habitatvielfalt und Kolmation | Eco-morphological evaluation of a sediment augmentation measure. WASSERWIRTSCHAFT, 111(9–10), 68–76. https://doi. org/10.1007/s35147-021-0896-2 Stähly, S., Franca, M. J., Robinson, C. T., Schleiss, A. J. (2019). Sediment replenishment combined with an artificial flood improves river habitats downstream of a

84

Cette étude a été cofinancée par l’Office fédéral de l’environnement (OFEV) dans le cadre du programme de recherche « Amé­ na­gement et écologie des cours d’eau ». Nous tenons à remercier l’association La Frayère, le groupe de recherche Öko­hydro­ logie de la Haute école des sciences appliquées de Zurich (ZHAW) et la société Groupe E SA pour la mise à disposition de

données. Des remerciements s’adressent également au Service des forêts et de la nature (SFN) de l’Etat de Fribourg, à Groupe E SA ainsi qu’à Francis Terreaux pour leur collaboration, nous permettant l’accès à la zone d’étude et aux infrastructures. Nous remercions toutes les collaboratrices et tous les collaborateurs de la PL-LCH ayant contribué au succès de l’étude et à la qualité de l’article.

dam. Scientific Reports, 9:5176. https://doi. org/10.1038/s41598-019-41575-6 Stähly, S., Tonolla, D., Franca, M. J., Robinson, C. T., Döring, M., Schleiss, A. J. (2021). Künstliche Hochwasser in Restwasserstrecken unter Berücksichtigung von Geschiebevorkommen, hydromorphologischer und ökologischer Indikatoren. Korrespondenz Wasserwirtschaft, 2021(8), 492–502. https://doi.org/10.3243/kwe2021.08.002 Weber, C., Sprecher, L., Åberg, U., Thomas, G., Baumgartner, S., Haertel-Borer, S. (2019). Contrôle des effets STANDARD – Déroulement et organisation. Dans: Contrôle des effets des revitalisations de cours d’eau – Apprendre ensemble pour l’avenir. Office fédéral de l’environnement (OFEV). Auteurs: Robin Schroff, robin.schroff@epfl.ch Christian Mörtl, christian.moertl@epfl.ch Giovanni De Cesare, giovanni.decesare@epfl.ch EPFL, Plateforme de Constructions Hydrauliques PL-LCH, CH-1015 Lausanne Pascal Vonlanthen, p.vonlanthen@aquabios.ch Aquabios Sàrl, Les Fermes 57, CH-1792 Cordast

Cours de formation continue CIPC 5.7

KOHS-Weiter­ bildungskurs Wasserbau 5.8

Cours de formation continue CIPC 5ème série: Développement prospectif des projets d’aménagement des eaux

KOHS-Weiterbildungskurse 5. Serie: Vorausschauende Entwicklung von Wasserbauprojekten

26/27 octobre 2022, Hôtel-Restaurant Port-Conty à St-Aubin-Sauges

15. / 16. November 2022, Focus Hotel, Sursee

www.swv.ch/fr/detail/cipc-57

www.swv.ch/detail/kohs-58

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Unwetterschäden in der Schweiz 2021 Hochwasser, Murgänge, Rutschungen und Sturzprozesse Katharina Liechti, David Matter, Florian Lustenberger, Alexandre Badoux

Zusammenfassung Im Jahr 2021 verursachten Hochwasser, Murgänge, Rutschungen und Sturz­er­eig­ nis­se schweizweit Schäden in der Höhe von rund 450 Mio. CHF. Die Schadenskosten sind somit mehr als elf Mal höher als im Vorjahr und belegen in der 50-jährigen Be­ ob­achtungsreihe den neunten Rang. Sie liegen erstmals seit dem Jahr 2007 deutlich über dem teuerungsbereinigten Mittel der Jahre 1972 bis 2020 von rund 300 Mio. CHF. Im Jahr 2021 war ein Todesfall infolge Hochwasser zu beklagen. Die Schäden konzentrierten sich auf die äusserst gewitterhaften und nassen Monate Juni und Juli und betrafen die gesamte Alpennordseite und das Tessin. Mehrheitlich verschont blieben die Kantone Wallis und Graubünden. Der weitaus grösste Teil der Schäden entstand durch Überschwemmungen infolge ausufernder Gewässer und Oberflächenabfluss. Ab Mitte Juli stiegen die Pegel vieler Flüsse und Seen über die Hochwassermarken. Nicht berücksichtigt in der vorliegenden Aus­ wertung sind Hagelschäden, welche im Jahr 2021 regional ein sehr grosses Aus­ mass erreichten. Résumé En 2021, les crues, les laves torrentielles, les glissements de terrain et les chutes de pierres et de blocs ont causé des dommages à hauteur d’environ CHF 450 millions dans toute la Suisse. Les dommages sont donc plus de onze fois plus élevés que l’année précédente et occupent le neuvième rang dans la série de données sur 50 ans. Pour la première fois depuis 2007, ils sont nettement supérieurs à la moyenne des années 1972 à 2020 d’environ CHF 300 millions en francs constants. En 2021, on a déploré un décès suite à une crue. Les dommages se sont concentrés sur les mois très orageux et humides de juin et juillet et ont touché l’ensemble du nord des Alpes et le Tessin. Les cantons du Valais et des Grisons ont été largement épargnés. La grande majorité des dommages a été causée par des inondations dues aux débordements de lac et de cours d’eau et au ruissellement de surface. A partir de la mi-juillet, le niveau de nombreuses rivières et lacs a dépassé les limites de crue. La présente analyse ne tient pas compte des dommages causés par la grêle, qui ont atteint une très grande ampleur dans certaines régions en 2021.

1. Einleitung Medien berichten regelmässig von Schä­ den, welche durch Naturgefahrenprozesse verursacht werden. An der Eidge­nös­si­schen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL werden diese Schadens­ informationen seit 1972 in einer Datenbank systematisch erfasst und analysiert. Diese lange Zeitreihe ermöglicht einen Vergleich der Schäden in den letzten 50 Jahren. Im vorliegenden Bericht werden die Aus­wer­ tun­gen der Ereignisse aus dem Jahr 2021 präsentiert (Kapitel 2) und die schaden-

reichsten Ereignisse in einem chronologi­ schen Jahresrückblick kurz beschrie­ben (Kapitel 3). 2.  Erfassung und Auswertung von Unwetterschadensdaten Basierend auf Meldungen von rund 3400 Schweizer Printmedien sowie zusätzlichen Informationen aus dem Internet werden Schäden, welche durch natürlich ausge­ löste Rutschungen, Murgänge, Hoch­was­ ser und (seit 2002) Sturzprozesse in die Datenbank aufgenommen und analysiert.

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Schäden als Folge von Lawinen, Schnee­ druck, Erdbeben, Blitzschlag, Hagel, Sturm und Trockenheit werden in den Auswer­ tun­gen nicht berücksichtigt. In Kapitel 4 werden einige dieser Schadensereignisse aus dem Jahr 2021 ohne Anspruch auf Voll­ständigkeit kurz beschrieben. 2.1 Schadenskosten Abschätzungen zu Sach-, Infrastruktur-, Wald- und Landwirtschaftsschäden sowie zu Interventionskosten beruhen grundsätz­ lich auf Informationen aus den Me­di­en. Er­ fol­ gen dort keine monetären Angaben, wer­den die Schadenskosten auf Basis von Erfahrungswerten abgeschätzt. Im Falle von folgenschweren Ereignissen werden zusätzliche Informationen von Versiche­ run­gen, Krisenstäben und amtlichen Stel­ len von Gemeinden, Kantonen und vom Bund beigezogen. In den Schadenskosten werden sowohl versicherte Sach- und Per­ sonenschäden (Gebäude- und Privat­ver­ si­cherungen) als auch nicht versicherte und nicht versicherbare Schäden berücksich­tigt. Indirekte Schäden, spätere Sanie­rungs­ mass­nahmen und Folgeprojekte, Betriebs­ ausfallskosten sowie ideelle Schäden (z. B. irreparable Schäden an Natur und Umwelt) werden hingegen nicht aufgenommen. Die seit vielen Jahren publizierten jährlichen Un­wetterschadenszahlen werden jeweils unter Berücksichtigung der Teuerung normalisiert. Im Jahr 2021 folgten viele Ereignisse zeit­lich nah aufeinander und betrafen weite Teile des Landes, sodass die Bericht­er­ stat­tung in den Medien die Ereignisse nur bruchstückhaft abzudecken vermochte. Aus diesem Grund wurden für die Aus­ wer­tung der Unwetterschäden 2021 zusätzlich Daten der kantonalen Gebäude­ ver­sicherungen und von Privatversicherern beigezogen. Aus den bis im April 2022 vor­ liegenden Daten wurden für das Jahr 2021 Schäden in der Höhe von rund 450 Mio. CHF geschätzt. Diese Jahresschadenssumme liegt deutlich über dem langjährigen Mittel­ wert von knapp 300 Mio. CHF. Damit belegt 85


Schneeschmelze und Regen: Die Kombi­ na­tion von Schneeschmelze und Regen führte 2021 nur zu geringen Schadens­kos­ ten. Die 1,5 Mio. CHF machten einen verschwindend kleinen Teil (< 0,5 Prozent) der Gesamtschäden aus. Unbekannte oder andere Ursachen: Knapp ein Prozent der Gesamtschadenskosten konn­ten nicht eindeutig einem bestimmten Witterungsverhältnis zugeordnet werden. 2.3 Schadensprozesse Die erfassten Schadensprozesse werden in drei Kategorien eingeteilt, wobei die Gren­ zen zwischen diesen Kategorien flies­send sein können (Bild 3 und Bild 4 oben).

Bild 1: Jährliche Schadenssummen der verschiedenen Prozesse für die Periode 1972 – 2021 (teuerungsbereinigt, Basis 2021). Arithmetisches Mittel (grün, 298 Mio. CHF) und Median (rot, 96 Mio. CHF) sind mit horizontalen Linien gekennzeichnet. das Jahr 2021 den neunten Rang in der 50-jährigen Datenreihe und verbucht die höchsten Schadenskosten seit 2007 (Bild 1). 2.2  Meteorologische Ursachen der Schadensprozesse Die Ursachen für die jeweiligen Scha­dens­ prozesse werden gemäss den vorher­r­ schen­den Witterungsverhältnissen in vier verschiedene Gruppen aufgeteilt (Bild 2, Bild 4 unten).

es viele lang andauernde Niederschlags­ phasen mit eingelagerten Gewittern gab. Der grösste Teil der infolge Dauerregen aus­ gelösten Schäden ereignete sich im Juli. Dazu werden auch die Schäden gezählt, welche durch die hohen Seepegel entstanden.

Hochwasser/Murgänge: In dieser Ereig­nis­ kategorie werden finanzielle Schäden erfasst, die durch stehendes oder fliessendes Wasser hervorgerufen werden. Sie um­ fasst Murgänge sowie durch Oberflächen­ abfluss und über die Ufer getretene Ge­ wässer verursachte Überschwemmungen. Solche Ereignisse können Geschiebe und/ oder Schwemmholz mitführen und zu Über­sarungen und Übermurungen führen. Mit 436 Mio. CHF konnte der grösste Teil der Schäden des Jahres 2021 (97 Prozent) dieser Kategorie zugeordnet werden. Der Anteil liegt damit im Bereich des langjäh­

Gewitter und intensive Regen: Rund 81 Pro­ zent (362 Mio. CHF) der gesamten Scha­ dens­kosten des Jahres 2021 sind auf Ge­ witter und intensive Regenfälle zurückzuführen. Dieser Anteil ist deutlich grösser als der langjährige Durchschnitt (1972 bis 2020) von 47 Prozent. Im Jahr 2021 waren viele Gewitter verbunden mit ausserge­ wöhnlich starken Hagelschauern von teils zerstörerischem Ausmass. So etwa jener Gewitterzug am 28. Juni, der in Wolhusen LU innert zehn Minuten über 200 Dächer zer­störte. Zusätzlich führte der Hagel vie­ler­ orts zu verstopften Dolen und Abläufen, was in Kombination mit den intensiven Re­ gen­fällen zu Überschwemmungen führte. Dauerregen: Lang andauernde Nieder­ schlä­ge führten 2021 zu Schäden von gut 82 Mio. CHF. Dies entspricht 18 Prozent der Gesamtschadenssumme 2021 (langjähriges Mittel 48 Prozent). Eine genaue Zuordnung des meteorologischen Auslö­ sers (Gewitter/Dauerregen) war für Ereig­ nis­se im Sommer 2021 teils schwierig, da 86

Bild 2: Anteile der verschiedenen Ursachen der Schadensprozesse an den Gesamtkosten für die Periode 1972 bis 2020 (teuerungsbereinigt) und für 2021.

Bild 3: Anteile der verschiedenen Schadensprozesse an den Gesamtkosten für die Periode 2002 bis 2020 (teuerungsbereinigt) und für 2021 (bis 2001 wurden Sturzprozesse in der Datenbank nicht erfasst).

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rigen Mittelwerts (1972 bis 2020). Eine Dif­ fe­renzierung der Schäden, verursacht durch Oberflächenabfluss und Gerinneausufe­run­ gen, auf der Basis von Medienberichten ist sehr schwierig. Oberflächenabfluss spielt vor allem in Siedlungsgebieten bei intensi­ ven Niederschlagsereignissen eine wich­ tige Rolle. Eine grobe Abschätzung für das Jahr 2021 ergab, dass Oberflächenabfluss für rund 50 Prozent der Schadenskosten der Kategorie Hochwasser /Murgänge verantwortlich war. Rutschungen: In dieser Kategorie werden sämtliche Arten von Rutschungsprozessen erfasst, die sich ausserhalb des unmittelbaren Gewässerbereichs ereignen. Der An­ teil der Schäden dieser Kategorie liegt mit gut 9 Mio. CHF bei 2 Prozent der Jah­res­ schadenssumme. Dieser Wert liegt somit deutlich unter dem langjährigen Mittelwert von 7 Prozent. Sturzprozesse: Dieser Kategorie werden Schäden zugeordnet, die durch Stein­schlag, Fels- oder Bergsturz entstehen. Weniger als 1 Prozent der 2021 aufge­zeichneten Ge­ samtschäden wurden durch Sturzpro­zes­se verursacht. 2.4  Räumliche Verteilung und Ausmass der Schäden Falls ein Unwetterereignis mehrere Ge­ mein­den betrifft, wird jeweils für jede Ge­ meinde ein Datensatz erstellt. Für den Scha­ dens­schwerpunkt, beziehungsweise den Ort des am besten lokalisierbaren Scha­ dens jeder betroffenen Gemeinde, werden die Koordinaten ermittelt. In Bild 4 (oben) sind die Schadensorte, -prozesse und -aus­ mas­se gemäss der in Tabelle 1 beschrie­ benen Kategorien für das Jahr 2021 dargestellt. Bild 4 (unten) veranschaulicht die damit ver­bundenen meteorologischen Ur­ sachen. Zwischen Genfersee und Bodensee gab es im Jura, im Mittelland und entlang der Voralpen wohl nur wenige Orte, die nicht durch einen der vielen aufeinanderfolgenden Gewitterzüge im Juni oder Juli betroffen waren. Das Ausmass der Schä­ den blieb zwar in den meisten betroffenen Gemeinden gering, die Anzahl der Scha­ densereignisse war jedoch aussergewöhn­ lich. Die grössten Schäden von durch Ge­ witter ausgelösten Hochwassern entstan­ den in Cressier NE am 22. Juni (Bild 7), im Berner Jura und den basellandschaftlichen Bezirken Waldenburg und Sissach am 23. Juni, im aargauischen Vordemwald am 24. Juni (Bild 8) und im schwyzerischen Bezirk March am 25. Juli.

Bild 4: Oben: Ort, Ausmass und Prozesstyp der Schadensereignisse im Jahr 2021. Unten: Ort, Jahreszeit und meteorologische Ursache der Schadensereig­ nisse im Jahr 2021 (Kartengrundlage: BFS GEOSTAT / Bundesamt für Landes­ topographie). Ereigniskategorie

Beschreibung

Schadenskosten

Geringes Ausmass Einzelne lokale Schäden, deren Wirkung vorübergehend ist und < 0,4 Mio. CHF die unschwer behoben werden können Mittleres Ausmass Grössere, möglicherweise über längere Zeit wirksame Schäden 0,4 bis 2 Mio. CHF oder mehrere geringe Schäden Starkes Ausmass

Schwer und nachhaltig beschädigte oder gar zerstörte Objekte > 2 Mio. CHF und Kulturflächen bzw. viele geringe und/oder mittlere Schäden sowie Ereignisse mit Todesfällen

Tabelle 1: Ereigniskategorien entsprechend den geschätzten Schadenskosten pro Gemeinde (vgl. Bild 4). Ein folgenschweres Unwetter ereig­ne­te sich in der Nacht auf den 13. Juli. Eine Superzelle bewegte sich von Südwesten her über das ganze Mittelland bis zum Bo­ den­see. Heftige Niederschläge, Sturm­

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wind und Hagel richteten vor allem in der Region Zürich grossen Schaden an und liessen schweizweit viele Bäche hochge­ hen. Dies wurde einer Person zum Ver­ häng­nis, die aus ungeklärten Gründen in 87


den Diegterbach gefallen war und Stun­ den später in Augst BL nur noch tot aus dem Rhein geborgen werden konnte. Die darauffolgenden Tage wiesen anhaltende Niederschläge auf. Aufgrund der bereits gesättigten Böden reagierten die Fliessge­ wässer stark auf die erneuten, teils intensiven Niederschläge. So auch die Bäche im schaffhausischen Randental, welche am 15. Juli die Dorfkerne von Schleitheim und Beggingen SH verwüsteten. Ab Mitte Juli traten auch grössere Flüsse und Seen über die Ufer. In der Folge wurden beträcht­ liche Schäden vermeldet, insbesondere aus den Anliegergemeinden der Jurarand­ seen (Bild 7) und aus Thun BE. Eine weite­ re Gewitterserie Ende Juli und anhaltende Niederschläge Anfang August betrafen haupt­sächlich das Tessin. Grossen Scha­ den richtete im Mendrisiotto am 27. Juli und am 4. August die hochgehende Breggia an. Auffallend ruhig blieb die Unwetter­si­ tua­tion 2021 im Wallis und in Graubünden. 2.5  Jahreszeitliche Verteilung der Schäden Die Schäden konzentrierten sich im Jahr 2021 auf die beiden Sommermonate Juni und Juli. Ihre Anteile an der Jahres­scha­ denssumme waren überdurchschnittlich und lagen bei 55 und 41 Prozent. Ursache dafür waren die vielen Gewitter mit intensiven Regenfällen, welche fast täglich auftraten. Viele dieser Gewitter waren verbunden mit gewaltigen Hagelmengen und grossen Hagelkörnern. Die direkten Schä­ den durch Hagelschlag an Kulturen, Ge­ bäu­den und Fahrzeugen werden in dieser Statistik nicht berücksichtigt. Allerdings ver­stopfte der viele Hagel mancherorts die Ab­ flüsse und führte so indirekt zu Über­schwem­mungsschäden. Die grössten Schä­­ den im Juni traten am 22. in Cressier NE auf (Bild 7). Hier schwoll nach einem heftigen Gewitter am Abend der Bach Le Ruhaut stark an. Aufgrund einer Verklausung oberhalb des Dorfes trat der Bach über die Ufer, bahnte sich seinen Weg durchs Dorf und riss mit, was nicht niet- und nagelfest war. Grosse Mengen Schlamm, Schwemmholz und grobes Geschiebe wurden im Dorf abgelagert. Ab Mitte Juli stiegen viele Seepegel über die Hochwassermarken und führten in den Uferbereichen zu Überflutungsschäden. Ende des Monats (25.) verursachte ein wei­ terer heftiger Gewitterzug Über­schwem­ mungen mit sehr hohen Schäden vor allem im Bezirk March (SZ). Die Schäden im August (2 Prozent der Schäden 2021) entstanden überwiegend im Tessin. Anhal­ten­ de Niederschläge mit heftigen, einge­la­ger­ 88

Bild 5: Monatliche Anteile der Schadenskosten für das Jahr 2021 (Gesamt­kosten rund 450 Mio. CHF). Die Kreuze geben die monatlichen Anteile der teuerungs­ bereinigten Schäden (alle Prozesse) für die Periode 1972 bis 2020 an. ten Gewittern liessen Bäche über die Ufer treten. In Giubiasco (Gemeinde Bellinzona TI) versagte am 7. August der seitliche Damm eines Rückhaltebeckens, worauf sich die Wasser- und Schlammmassen des Riale Fossato in eine Schulanlage ergos­ sen (Bild 9). In den übrigen Monaten entstanden nur geringe Schäden, die insge­ samt weniger als 2 Prozent der Jah­res­ schadenssumme ausmachten (Bild 5). Vor allem Ende Januar und Anfang Februar er­ eigneten sich aufgrund von Schnee­ schmel­ze in Kombination mit Regen einige Überschwemmungen und Rutschungen, wie zum Beispiel in Ollon VD am 31. Januar. 3.  Chronologischer Jahresrückblick über die Ereignisse Witterung des Jahres 2021: Das Jahr 2021 war bezüglich Temperatur ausgeglichen. Die landesweite Jahresmitteltemperatur lag 0,3 °C höher als in der Normperiode 1981 bis 2010 (im Folgenden «Norm» oder langjähriges Mittel genannt). Die Jahres­ niederschläge lagen grösstenteils bei 90 bis 115 Prozent der Norm. Lokal lagen die Werte in den Alpen und auf der Alpen­süd­ seite bei 80 bis 90 Prozent (MeteoSchweiz, 2022). Der Januar begann kalt mit Werten unterhalb des langjährigen Mittels. Ab Mit­ te Monat führten intensive Nieder­schläge

zu überdurchschnittlichen Schneemengen bis in tiefe Lagen. Der Februar zeigte sich sehr warm mit lokalen Temperaturrekorden gegen Ende Monat und fiel eher trocken aus. Der Winter 2021 zählte zu den zehn mildesten Wintern seit Messbeginn 1864. Der Frühling hingegen war der kälteste der letzten 30 Jahre und lag 1,1 °C unter dem langjährigen Mittel. Im März und April wurden unterdurchschnittliche Niederschlags­ mengen gemessen. Der Mai zeigte sich dann aber von der nassen Seite. Der Som­ mer war an den meisten Standorten der Schweiz einer der nassesten. Im Juni dominierten, vor allem gegen Ende Monat hin, heftige Gewitter das Wetterge­sche­hen. Der Juli brachte erneut viel Niederschlag (170 bis 240 Prozent der Norm) und war der nasseste seit Messbeginn. An manchen Standorten war es sogar der nasseste Mo­ nat überhaupt. Die grossen Wasser­men­ gen führten ab Mitte Monat nördlich der Alpen in Flüssen und Seen zu Hochwasser und Überschwemmungen. Der Herbst fiel niederschlagsarm, da­ für überdurchschnittlich sonnig aus. Schnee fiel bereits Ende November/Anfang Dezem­ ber beidseits der Alpen bis in tiefe Lagen. Ab Mitte Dezember wurde es milder und gegen Ende des Jahres fiel in weiten Tei­len des Landes kräftiger Regen bis auf rund 2500 m ü. M. (MeteoSchweiz, 2022). Die Beschreibungen des monatlichen Wettergeschehens, jeweils zu Beginn der folgenden Abschnitte, basieren auf den mo­ natlichen Klimabulletins von MeteoSchweiz (MeteoSchweiz, 2021). Januar Der Januar war in der ganzen Schweiz durch mehrere intensive Schneefälle geprägt. Ab dem 12. Januar erreichten die Neu­schnee­ summen ihren Höhepunkt. In den meisten Re­gionen der Schweiz wurden Nieder­ schlags­mengen von 200 bis 300 Pro­zent im Vergleich zur Norm gemessen und vie­le Standorte verzeichneten einen der schneereichsten Januarmonate seit 60 Jahren. In tieferen Lagen führte Ende Monat der viele Schnee in Kombination mit stei­ gen­den Temperaturen und ergiebigen Re­ gen­fällen zu erheblicher Schneeschmelze, was mancherorts Überschwemmungen oder Hanginstabilitäten nach sich zog. So musste am 28. in Bottenwil AG aufgrund einer Rutschung ein Haus evakuiert werden. In Kirchberg SG riss am 29. eine Rutschung eine Strassenböschung und die Haupt­lei­ tung eines Wasserreservoirs mit. In Lufingen und Oberembrach ZH traten am 29. verschiedene Zuflüsse des Wildbachs über die Ufer, worauf mehrere Keller und Tief­ga­ra­gen

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ausgepumpt werden mussten. In Reiden LU wurde am 30. das Bachbett des eben erst renaturierten Seitelbachs erodiert und stark beschädigt. Schliesslich ereignete sich am 30. in Ollon VD eine grössere Hangmure, welche die Strasse nach Verschiez zerstör­ te und einen Rebberg beschädigte. Meh­ rere tausend Kubikmeter Material muss­ ten weggeführt werden. Die Strasse wurde auf Geheiss des Gemeinderats in weiser Voraussicht bereits am 29. gesperrt. Februar Die Februartemperatur lag in weiten Teilen der Schweiz mehr als 3 °C über der Norm. Somit war der Februar 2021 einer der zehn mildesten seit Messbeginn 1864. Auf der Alpennordseite sowie in den Alpen wurden unterdurchschnittliche Nieder­schlags­­men­ gen gemessen, auf der Alpen­südseite waren diese verbreitet überdurch­schnittlich. In Adliswil ZH rutschten am 1. des Mo­ nats 300 bis 400 Kubikmeter des von Schmelz- und Regenwasser durchnässten Hanges unmittelbar unterhalb des Ausflugs­ restaurants Felsenegg ab. Ein Wanderweg blieb bis im Mai gesperrt und der Hang musste mit 30 Ankern im Sandsteinfels ge­ sichert werden. Auch in Berneck SG muss­ te nach einem Steinschlag am 5. ein beliebter Wanderweg geschlossen werden. Die Felsräumungs- und Sicherungsarbei­ ten dauerten mehrere Wochen. Am 11. ereignete sich in Felsberg GR ein Felssturz von etwa 20 000 bis 30 000 Kubikmetern Gestein, das sich aus der Gamsplatta löste. Ein Splitterstein von etwa einem halben Ku­ bikmeter flog in die bebaute Zone und be­ schädigte eine Hausfassade. Drei Häuser wurden in der Folge vorsorglich für zwei Tage evakuiert. Personen kamen keine zu Schaden. Am Fronalpstock oberhalb von Morschach SZ lösten sich am 25. fünf Fels­ blöcke, jeweils von der Grösse eines Per­so­ nenwagens, und stürzten in die Ort­schaft Degenbalm. Ein Block kam erst in einer Ga­ rageneinfahrt zum Stehen und blockierte diese komplett (Bild 6). Ein Wohnhaus wur­de vorsorglich evakuiert, Schäden an Ge­bäu­den entstanden jedoch keine.

Im März gab es nur wenige Schadens­ ereignisse, grösstenteils handelte es sich um Rutschungen und Stürze. In Belmontsur-Lausanne VD kam es am 12. zu einer Rutschung von etwa 150 Kubikmeter Erd­ material, welche die Geleise der Eisen­ bahn­hauptlinie Bern-Lausanne bis zum 14. blockierte. Am 15. löste sich zwischen Gäns­brunnen und Binzberg (Gemeinde Wel­schen­rohr-Gänsbrunnen SO) eine Fels­plat­te und bedeckte die halbe Fahr­ bahn. Binzberg und Subigerberg waren mit dem Auto nur noch über Court BE erreichbar. Die Strasse zwischen Ingenbohl und Gers­au SZ blieb ab dem 18. für mehrere Wochen ge­sperrt. Im Bereich der Ga­ le­rie Fallen­bach waren 40 bis 50 Kubik­ meter Geröll herunter­gestürzt. Auf einer Breite von 40 Metern wurden die Kantons­ strasse, die beste­hen­den Schutzbauwerke und der Felswander­weg massiv beschä­ digt. Glück im Unglück hatte in Zernez GR am 26. ein Autofahrer, der auf der Ofen­ passstrasse unterwegs war. Ein sieben Kilo­ gramm schwerer Stein durch­schlug die Windschutzscheibe seines Autos und verletzte ihn an Kopf und Arm. April Der April war mit 1,0 °C unter der Norm der kälteste seit 20 Jahren. Polarluft und zahlreiche Bisenlagen dominierten das Wetter bis Mitte Monat. Bis zum 26. fiel kaum Nie­ derschlag. In grossen Teilen der Schweiz lagen die Niederschlagssummen im April bei 40 bis 60 Prozent der Norm. Im April wurden nur einige wenige Rutsch- und Sturzereignisse mit geringen Schäden registriert. So löste sich in BrigGlis VS an der Ostseite des Glishorns im Gitziwald ein Felspaket und verschüttete den darunter verlaufenden Wanderweg durch die Saltinaschlucht und den «Ketten­ weg». Ob letzterer je wieder instandgesetzt

März Anfang März war es schweizweit sonnig und mild. Auf der Alpennordseite wurde es ab dem 11. März stürmisch, dann winterlich mit Schneefall bis in tiefe Lagen. Gegen En­de Mo­nat stiegen die Temperaturen schweiz­ weit verbreitet auf über 20 °C. Auf der Alpen­ nordseite und im Wallis lagen die Nieder­ schlags­mengen bei nur 70 bis 80 Pro­zent der Norm, auf der Alpensüdseite und im En­ga­ din sogar meist unter 30 Pro­zent der Norm. «Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

werden wird, ist unklar, da weitere grössere Felstürme absturzgefährdet seien. Mai Der Mai zeigte sich schweizweit sehr kalt (2,3 °C unter der Norm). Das Maiwetter war durch eine Tiefdrucklage bestimmt, was im Grossteil der Schweiz fast täglich zu Nie­derschlag führte. An einigen Mess­stand­ orten wurde der nasseste Mai seit Mess­ be­ginn verzeichnet. Auf der Alpennord­ seite lagen die Niederschlagssummen bei 120 bis 170 Prozent der Norm, im Wallis teilweise bei 150 bis 250 Prozent. Auf der Alpensüdseite blieben die Niederschlags­ mengen unterdurchschnittlich. Die ausgiebigen Regenfälle lösten im Mai einige Rutschungen aus. So musste am 2. in Malters LU die Hellbühlstrasse zum zwei­ ten Mal innerhalb von zwei Wochen wegen einer Rutschung für zwei Tage gesperrt werden. Ebenfalls zum zweiten Mal in diesem Jahr wurde die Strasse zwischen Gänsbrunnen SO und Court BE verschüt­ tet und für mehrere Wochen gesperrt. In Innerferrera GR stürzten zwischen dem 25. und 28. rund 50 Kubikmeter Fels aus einer steilen Felswand vor dem Starlera­ tunnel der Averserstrasse. Nach der Ab­ tragung von weiteren 100 Kubikmetern lo­ sem Felsmaterial konnte die Strasse am 31. wieder freigegeben werden. Juni Der Juni zeigte sich in weiten Teilen der Schweiz warm und nass. Die Temperatur lag 2,5 °C über der Norm. Seit Messbeginn 1864 war dies der viertwärmste Juni. Ab dem 18. dominierte eine Südwestströmung das Wettergeschehen und brachte kräftige Gewitter mit sich. Nördlich der Alpen la­gen die Niederschlagssummen bei 130 bis 190 Prozent der Norm, lokal sogar bei 200 bis 250 Prozent. Im Engadin und auf Bild 6: Mehrere riesige Felsblöcke stürzten am 25. Februar 2021 vom Fronalpstock nach Degenbalm (Gemein­de Morschach SZ) herunter. Eines der Exemplare parkiert in einer Garageneinfahrt. Die Schäden blieben glückli­ cherweise gering (Foto: Leserbild/ PilatusToday). 89


der Alpensüdseite blieb es trocken (20 bis 40 Prozent der Norm). Im Juni begann eine scheinbar nicht enden wollende Serie von Gewitterzügen und von mit Gewittern durchsetzten anhaltenden Niederschlägen. Mit rund 55 Pro­ zent der Gesamtschadenssumme war der Juni mit Abstand der schadenreichste Mo­ nat des Jahres 2021 (Bild 5). Den Auftakt machten am 3. heftige Gewitter im Jura. Wasser floss von den Feldern ins Dorf Alle JU, überflutete Strassen und Häuser bis zu einem Meter hoch und hinterliess viel Schlamm. Im weiteren Verlauf der Monate Juni und Juli wurde Alle noch fünf weitere Male von Unwettern heimgesucht. Die Auswirkungen einer ersten Gewit­ terserie forderten vom 7. bis 9. hauptsächlich die Feuerwehren im Zürcher Oberland und am Thurgauer Seerücken. Am 7. führte der intensive Niederschlag, vor allem im Kanton Zürich, zu überschwemmten Stras­ ­sen und Wassereinbrüchen in Kellern. Die Feuerwehren führten auf dem Kantons­ gebiet rund 160 Einsätze durch. In IllnauEffretikon ZH wurden Strassen, Unterfüh­ rungen, Keller, Wohnungen und Tiefgara­ gen inklusive Autos, überschwemmt. Auch in Kemmental TG wüteten die Ge­ witter und es kam zu Schäden in ähnli­ chem Aus­mass. Am 8. kam es über das ganze Mittel­ land verteilt zu Schadens­ ereignissen. In Langenhard in der Gemein­ de Zell ZH stand das Wasser auf dem Dorfplatz zeitweise knietief. Es floss ins benachbarte Rikon (Zell ZH), wo der eingedolte Dorfbach über die Ufer trat. Keller standen kopfhoch un­ter Wasser, Autos in Tiefgaragen erlitten Totalschaden, Stras­ sen wurden wegen ver­stopften Abflüssen geflutet und Wege wur­den beschädigt. In Wagenhausen TG floss Wasser von der Hauptstrasse auf den Cam­pingplatz und hinterliess Schmutz und Ge­röll. Es entstand erheblicher Schaden an Wohnun­ gen. Am 9. war erneut das ganze Mittel­ land betroffen. In Schüpfheim LU tra­ten Bäche über die Ufer, Bahngeleise wurden unterspült, Strassen überflutet und Keller überschwemmt. Am Zugerberg in Zug rutschte eine Hangmure samt Wander­weg in den Rosstobelbach. Daraufhin kam es zu einem Murgang, der die Strasse über mehrere Hundert Meter verschüttete. Am 17. und 18. zogen Gewitterzüge von Westen her über den Jura und das Mittel­ land. Am 17. entstanden gewitterbedingte Schäden vor allem in den Kantonen Waadt und Freiburg. Zum Beispiel war die Feuer­ wehr Glâne-Sud zu verschiedenen Einsät­ zen wegen Überschwemmungen in Ursy, Rue und Ecublens (alle FR) unterwegs. Am 90

Bild 7: Nach einem intensiven Gewitterregen trat am Abend des 22. Juni 2021 in Cressier NE der Bach Le Ruhaut über die Ufer, über­flutete weite Bereiche des Dorfes und lagerte grobes Geschie­ be, Schwemmholz und Feinmaterial ab (Foto: Christophe Dénervaud). 18. entstanden Schäden durch Hoch­was­ ser, vorwiegend im Kanton Bern. Eine weitere Serie von intensiven Ge­ wit­tern zog vom 20. bis am 25. über die Schweiz. Am 20. drang Wasser in zahlrei­ che Keller, insbesondere in den Kantonen Freiburg und Bern. Am 21. überzog ein star­kes Hagelgewitter den Kanton Zug. In Risch, Hünenberg, Cham, Zug, Baar und Neuheim (alle ZG) wurden etliche Keller, Tiefgaragen und Strassen geflutet. Es entstanden Schäden im zweistelligen Millionen­ bereich. In Estavayer-le-Lac FR flossen die Wassermassen in die Keller der Alt­stadt, in Unternehmensgebäude sowie in das Spital. Wegen eines Erdrutsches mussten acht Personen evakuiert werden. Am 22. waren die Kantone Neuenburg, Waadt und Bern am stärksten betroffen. In Cressier NE trat der Bach Le Ruhaut über die Ufer, überflutete und übersarte das Dorf mit Wasser, Schlamm, Schwemmholz sowie grobem Ge­schiebe (Bild 7). Was den Was­ser­mas­ sen im Weg stand, wurde mitge­rissen. Zahl­ reiche Gebäude und Fahr­zeu­ge nahmen gros­sen Schaden. Feuerwehr, Polizei, Armee und Zivilschutz waren im Einsatz. Mehrere Familien wurden evakuiert, verletzt wurde jedoch niemand. Es entstan­den Schäden im zweistelligen Mil­lio­nenbe­reich. Am 23. führten die Gewitter vor allem in der Jura­ region sowie in grossen Teilen des deutsch­ sprachigen Mittel­lands zu Über­schwem­ mungen. Die höchs­ten Schäden ent­stan­den in den Gemein­den Moutier BE, Zunzgen BL, Tenniken BL, Sonceboz-Som­beval BE, Hölstein BL, Villeret BE und Schinz­nach AG. An den meisten Orten konnten schnell anschwel­lende Bäche die Wassermassen

nicht mehr halten und traten über die Ufer. Teilweise kam es auch zu Rutschungen. In Moutier BE setzte die Birs bereits wenige Minuten nach Einset­zen des Regens Stras­ sen und Felder unter Wasser. Diverse Ein­ kaufs­läd­en waren betroffen und deren Be­ treiber noch am Fol­ge­tag mit Aufräum­ar­ bei­ten beschäf­tigt. Eben­falls überschwemmt wurden das Schwimm­bad, die Tennis­plätze und die Se­kundar­schule. Der Tennisclub musste für den Rest des Jahres schliessen. Insge­samt entstan­den Schäden im hohen einstelligen Millio­nen­bereich. In Zunzgen BL stand das Was­ser in den Gebäuden teil­ weise bis zu zwei Meter hoch. Ein Gebäude wurde bis zur Un­bewohnbarkeit verwüstet. Die darin wohnende Familie musste für drei Monate umgesiedelt werden. Am 24. kam es vor allem in den Kantonen Aargau, Luzern, Bern und Solothurn zu Hoch­was­ ser. In Vordemwald AG stieg das Wasser in der Pfaffern (Bild 8) schwall­artig an und über­ schwemmte grosse Teile des Dorfes. Eine Person, die gerade mit dem Auto unterwegs war, wurde ver­letzt. Viele Haushalte wurden wegen der Zerstö­rung durch das Unwetter unbewohn­bar und einige Perso­ nen mussten umge­sie­delt werden. Auch hier entstanden Schäden im zweistelligen Millio­ nenbereich. Ebenfalls stark betroffen mit Schäden in Millionen­höhe waren die Ge­ meinden Rüegsau BE, Reiden LU, Roth­rist AG, Pfaffnau LU, Aarau AG, Britt­nau AG und Erlinsbach SO /AG. Am 25. waren Ge­ meinden im gesamten Mit­tel­land von den Ge­wittern betroffen. Das Scha­dens­aus­ mass war jedoch vergleichsweise gering. Die letzte Serie von Juni-Gewittern durch­­zog das Schweizer Mittelland zwi-

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Bild 8: Am 24. Juni 2022 trat in Vor­dem­wald AG die Pfaffern über die Ufer und führte zu grossflächiger Überschwemmung im Siedlungsgebiet (Foto: Markus Schneitter). schen dem 28. und 30. Am 28. entstanden wiederum in zahlreichen Gemeinden Hoch­ wasserschäden. Viele Ereignisse mit ho­hen Schadensmeldungen wurden im Kanton Solothurn verzeichnet. So sprach man in Messen SO z. B. von einem «JahrhundertUnwetter», das Sturzbäche entfesselte und vor allem die Schulanlage stark in Mitlei­ den­schaft zog. Das Beheben der Schäden dauerte bis Ende Jahr. In Küttigkofen SO floss der Mülibach durch den Dorfkern und beschädigte zahlreiche Liegenschaf­ten. In Bulle FR leisteten Feuerwehr und Polizei rund 300 Einsätze, hauptsächlich wegen Überschwemmungen und Wasser­eintrit­ ten. Hochwasserbedingte Schäden gab es auch am 29. im gesamten Mittelland. Stras­ sen, Keller und Garagen standen erneut unter Wasser. Am 30. kam es vereinzelt zu kleinen Schäden, vor allem im Kanton Bern. Juli Die erste Monatshälfte zeigte sich erneut sehr niederschlagsreich. Dies führte ab Mitte Monat zu Überschwemmungen an mehreren Flüssen und Seen. Besonders in­ tensiv waren die Niederschläge am 7. und 8. sowie zwischen dem 12. und 16. Juli. In der Nacht vom 12. auf den 13. Juli zog ei­ne grosse Gewitterzelle über die Schweiz. Zum Monatsende hin kam es erneut zu heftigen Gewittern. Weite Teile in der Schweiz verzeichneten im Juli Nieder­schlagssummen von 170 bis 240 Prozent der Norm. Die Juli­ temperatur lag 0,3 °C unter der Norm. Wie bereits im Juni gingen im Juli gross­e Schäden mit den ergiebigen Nieder­ schlägen einher. Gewitter dominierten das Wetter am Anfang des Monats im Mittel­ land und Tessin. Betroffen war am 8. Juli vor allem der Kanton Thurgau. In Wohlen

bei Bern BE löste die nasse Witterung am 6. eine Rutschung am Hang zwischen der Hofenstrasse und der Aare aus. Dieses Er­ eignis führte zu Schäden an einigen Wohn­ häusern, eines davon blieb rund zehn Tage lang unbewohnbar. In Oberwald VS staute am Abend des 8. das Material einer Hang­ mu­re den Rätischbach. Dies löste einen Murgang aus, der viel Material bis ins Dorf hinunterbrachte. Das Ereignis beschädigte die Bahnlinie und etwa 20 Häuser im west­ lichen Dorfteil. Keller wurden geflutet und mit Schlamm gefüllt. Das Geschiebe­ma­te­ rial türmte sich auf den Strassen bis zu ei­ nem Meter hoch auf. 14 Anwohner wurden evakuiert und in der Mehrzweckhalle un­ter­ gebracht. Am 10. trat bei Wolfen­schiessen NW der Eltschenbach über die Ufer. Das mitgeführte Geschiebe bedeckte die Kan­ tons­strasse bis zu drei Meter hoch und ver­ schob die Bahngeleise in Richtung Engel­ berger Aa. Engelberg OW war deshalb bis am Morgen des 11. von der Aussenwelt ab­ geschnitten. Mehrere Wohnungen und ein Pfadilager mussten in der Nacht evakuiert werden. In der Nacht auf den 13. bewegte sich ein gewaltiger Gewittercluster von Süd­ wes­ten her über das ganze Mittelland und den Voralpen entlang. Hagel, Sturmböen und Starkregen hinterliessen ein Bild der Verwüstung und unzählige vollgelaufene Keller und Garagen. Seinen Höhepunkt er­ reichte das Gewitter kurz vor 2 Uhr morgens über der Stadt Zürich. Innert einer Stunde gingen bei der Einsatzzentrale über 1000 Notrufe ein. Diese betrafen hauptsächlich umgestürzte Bäume, abgedeckte Hausdächer, heruntergerissene Fahrlei­tun­ gen und mit Wasser vollgelaufene Keller. Im Einsatz standen über 250 Hilfskräfte

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der Feuerwehren, des Zivilschutzes und der Polizei. Viele Bäche reagierten aufgrund der bereits gesättigten Böden stark auf die erneut heftigen Niederschläge und führten Hochwasser. Infolgedessen kam es im Be­ zirk Sissach BL zu einem Todesfall. Eine Person fiel aus ungeklärten Gründen in den Diegterbach und konnte Stunden später in Augst BL nur noch tot aus dem Rhein geborgen werden. Die anhaltend nasse Witterung liess ab Mitte Juli die Pegel vieler grösserer Flüsse und Seen über die Hochwasser­mar­ken stei­­gen. Stark betroffen von den hohen Pe­ geln waren die Stadt Thun sowie die An­ lieger­ge­­meinden der Jurarandseen (Neuen­ ­burger-, Bieler- und Murtensee). In Biel BE entstan­den durch den Anstieg von Seeund Grund­­ wasserpegel hohe Schäden (Titelbild). Allein am 15. wurden über 100 geflutete Keller und Garagen gemeldet. Stark betroffen war das frisch erneuerte Gym­na­sium. Wasser lief unter anderem in die Sporthallen und die un­ terirdischen Ge­schos­­se, wo sich auch die elektrischen An­lagen befanden. Die Was­serschäden an der Schule liegen im Millionenbereich. Allein das Ersetzen der Un­terrichts­ma­ terialien kostete rund eine halbe Million Schweizer Franken. Auch am Vierwald­ stät­ter- und Sarnersee gab es Schäden, dies haupt­ sächlich in den Gemeinden Stans­stad NW und Sachseln OW. Nachdem am 15. starker Niederschlag über das Schaffhauser Randental fiel, schwollen die Bäche im oberen Talkessel rasch an, traten massiv über die Ufer und richteten in den Dorfkernen von Beggingen und Schleitheim SH grosse Verwüstung an. An manchen Stellen wurde der Stras­ sen­belag aufgerissen, unzählige Garagen, Keller und Hauseingänge wurden mit Was­ ser und Schlamm gefüllt, Autos und Con­ tainer mitgerissen und Brücken beschädigt. Im Einsatz standen rund 140 Feuerwehr­ leute von mehreren Verbänden. Am 16. fie­ len in Trasadingen SH 17 000 Hühner dem Hochwasser zum Opfer, als ein Maststall rund 20 cm hoch mit Wasser volllief. Nach den anhaltenden Niederschlä­gen Mitte Monat dominierten ab dem 24. wieder Gewitter das Wettergeschehen in der Schweiz. Die intensiven Niederschläge hin­ terliessen ihre Spuren hauptsächlich in der Zentralschweiz, insbesondere der schwyzerische Bezirk March wurde hart getrof­fen. Am 25. traten in Galgenen SZ der Fisibach und der Mosenbach über die Ufer und brach­ten grosse Mengen an Wasser und Schlamm ins Dorf. Im Quartier um den Nördlingerhof wurden Keller und Gärten überschwemmt. In der angrenzenden Tief­ 91


garage erlitten alle Autos Totalschaden. In Schübelbach SZ verstopfte vom Hagel nie­ dergeschlagenes Laub und Geäst die Ab­ flüsse, wodurch etliche Keller, Tiefga­ra­gen, Wohnungen und Produktionsstätten überschwemmt wurden. Am 26. waren vor allem die Kantone Solothurn, Baselland, Aargau, Bern und Schwyz von Gewittern betrof­fen. Grosse Schäden entstanden in den Solo­ thurner Gemeinden Lostorf, Stüsslingen, Trimbach und Schönenwerd. In Lostorf trat der Lostorfer Bach über die Ufer und flutete Strassen, Keller und Tiefgaragen. Das Untergeschoss des Feuerwehrdepots wur­ de bis zur Decke mit Wasser gefüllt. Im Tessin führten am 27. und 28. Ge­ wit­ter zu Überschwemmungen und zahlreichen Rutschungen. Die Unwetter vom 27. betrafen insbesondere das Mendrisiotto. Die Breggia führte so viel Wasser wie seit 40 Jahren nicht mehr. Im Park «Gole della Breggia» kam es durch Hochwasser und Rutschungen zu erheblichen Schäden am Wegnetz und an Brücken. In Bruzella (Ge­ meinde Breggia TI) wurde die Mühle und eine wichtige Wasserfassung erheblich be­ schädigt. In der Folge musste für einige Ort­ schaften im Valle di Muggio das Trink­was­ ser in Tankwagen bereitgestellt werden. Am 28. brachte ein Gewitter enorme Wasser­ massen über die Scairolo-Ebene südlich von Lugano, was zu zahlreichen Über­ schwem­mungsschäden an Industrie- und Gewerbebetrieben führte. August Die Temperaturen (0,7 °C unter der Norm) und Niederschlagsmengen (50 bis 80 Pro­ zent der Norm) blieben in grossen Teilen der Schweiz unterdurchschnittlich. Am 3., 4. und 7. August kam es auf der Alpen­süd­ seite zu heftigen Gewittern mit lokalen Ta­ ges­werten bis über 100 mm. Am Abend des 4. ereigneten sich im Bezirk Mendrisiotto TI an diversen Orten

Überschwemmungen, Rutschungen und Übersarungen. Am stärksten betroffen war Morbio Inferiore TI, wo die hochgehende Breggia viel Schwemmholz und Geschiebe führte, welches sich an diversen Stellen ablagerte (15 000 Kubikmeter Sediment). Am 7. versagte in Giubiasco (Gemeinde Bellinzona TI) die seitliche Mauer eines Rück­haltebeckens des hochwasserfüh­ren­ den Riale Fossato (Bild 9). Wasser, Geschie­ be und Schlamm überschwemmten darauf­ hin Siedlungsgebiet und eine Primar­schu­le. In der Schule wurden über 200 000 Liter Wasser und 200 Kubikmeter Schlamm aus dem Erd- und Untergeschoss abgepumpt. Schäden entstanden in Millionenhöhe. Am 16. ereigneten sich nach einem starken Ge­ witter mehrere Murgänge und Erdrutsche im Calfeisental in der Gemeinde Pfäfers SG. In der Folge kam es auch zu Überschwem­ mun­gen. Strassen im Tal wurden beschä­ digt, unterspült und verschüttet. Eine Stras­ senbrücke über den Tellerbach wurde komp­lett mitgerissen. Total mussten 25 Personen durch die Feuerwehr aus dem Tal gebracht werden. In Valchava (Gemein­ de Val Müstair GR) kam es nach einem Gewitter in der Aua da Vau zu einem Mur­ gang. Auf der Hauptstrasse H28 erfasste dieser ein Auto und riss es 200 Meter mit. Der Lenker konnte sich unverletzt retten. Herbst (September bis November) Die Monate September, Oktober und No­ vem­ ber waren ausgesprochen nieder­ schlags­arm. Auf der Alpennordseite lagen die Werte regional unter 45 Prozent und verbreitet unter 65 Prozent der Normwerte. Auch auf der Alpensüdseite blieben die Niederschlagsmengen unterdurchschnittlich. Ende November schneite es beidseits der Alpen bis in tiefe Lagen. Aufgrund der trockenen Witterung blieben auch Schä­den durch Hochwasser, Murgänge, Rut­schun­ gen und Steinschläge fast gänzlich aus.

Bild 9: In Giubiasco (Gemeinde Bellinzona TI) führte am 7. August 2021 das Versagen einer seitlichen Mauer des Rückhaltebeckens des Riale Fossato (links) zur grossräumigen Überschwemmung eines Schulareals (rechts) (Foto: Ufficio dei corsi d’acqua, Dipartimento del territorio, TI). 92

Dezember Anfang Dezember fiel häufig Schnee, teilweise bis in tiefe Lagen. Die Zeit um Weih­ nachten war an vielen Orten regnerisch. Zum Monatsende hin fielen kräftige Nie­ der­schläge. Der Dezember war überdurch­ schnittlich warm (1,0 °C über der Norm). In Brot-Dessous NE ging am 14. ein Stein­ schlag auf die Hauptstrasse H10, welche ins Val de Travers führt, nieder. Da­bei kam es zu einem Verkehrsunfall mit drei Leichtverletzten. Nach der Räumung von rund 30 Kubikmetern Gesteinsmaterial und zeitweiliger einspuriger Streckenfüh­rung konnte die Strasse am 16. wieder ganz geöffnet werden. Andauernde Regen­fälle und die damit verbundene Schnee­schmelze liessen am 29. zwischen Leuggel­bach und Luchsingen GL den Steiniger­bach über die Ufer treten. Schlamm und Geröll bedeck­ ten die Hauptstrasse H17 auf einer Länge von 100 Metern und führten zu einer Stras­ sensperrung bis am Mittag des 30. 4.  Schäden durch weitere Naturgefahrenprozesse Der Winter 2020/21 war schneereich. Die Anzahl der Schadenlawinen lag mit 129 über dem Durchschnitt der letzten 20 Jahre. Erfreulicherweise gab es trotz dieser hohen Zahl keine Opfer auf Verkehrs­ wegen und in Siedlungen. Dies weist darauf hin, dass der Lawinenschutz in der Schweiz und die Arbeit der lokalen La­wi­ nendienste auf einem hohen Niveau stehen. Das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) zählte 46 verschüttete Strassen, zehn Skipisten, ein Skilifttrassee, fünf geräumte Fusswege, zwei Bahnlinien und eine Langlaufloipe. Zu­ dem gab es elf Lawinen mit Schäden an zwölf Gebäuden. Darunter war die Trift­ hüt­te (SAC) im Berner Oberland, welche schwer beschädigt wurde. In 31 Fällen wur­ den Wald- und Flurschäden mit meist geringem Schaden verzeichnet. Zudem kam es zu 53 Such- und Räumungs­ak­tio­nen (Zweifel et al., 2021). Auch im Flachland lag vielerorts reichlich Schnee, dessen Last teils zu erheblichen Schäden führte. So wurden in der Stadt Zürich durch die grosse Schneelast im Januar 14 000 Stadtbäume beschädigt. 400 Bäume stürzten um oder mussten gefällt werden, 300 weitere wurden so stark beschädigt, dass sie kaum eine Überle­ bens­chance haben. Die in der Folge nötigen Aufräum- und Sicherungsarbeiten kos­­ teten gemäss Medienmitteilung der Stadt Zürich 1,8 Mio. CHF (Grün Stadt Zürich, 2021).

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bäu­den und Infrastruktur entstanden, lagen jedoch schweizweit im Milliardenbereich. In Erinnerung bleiben auch die Bilder der Verwüstung aus der Region Zürich nach der Sturmnacht vom 12. auf den 13. Juli. Der Gewittercluster zog von der Gen­ fer­see­region her Richtung Nordosten und entwickelte sehr starke Windböen. In der Re­gion Zürich wurden durch den Ha­gel und durch Sturmholz viele Wald­stücke, Fas­sa­den und Fahrleitungen beschädigt oder zer­ stört. Am 26. Juli forderte ein Hagel­ge­witter mit starken Sturmböen in Flums SG ein Todesopfer und mehrere Verletzte. Da­bei trafen herabfallende Äste Spazier­gänger. Mehrere Brände waren im Jahr 2021 auf Blitzschläge zurückzuführen. Am 19. Juni brannte in Wädenswil ZH der Dach­ stock eines Mehrfamilienhauses aus. In einer Sägerei in Wolhusen LU entwickelte sich am 20. Juni nach einem Blitzschlag ein Glimmbrand zu einem offenen Feuer, das grossen Schaden anrichtete. Im Juli waren es am 20. ein Einfamilienhaus in Ober­­ helfenschwil SG und am 30. ein Ferien­haus in Nesslau SG, die nach ei­ nem Blitz­schlag Feuer fingen. Verletzte gab es bei die­sen Ereignissen glückli­cher­wei­ se keine.

Danksagung Wir bedanken uns beim Bundesamt für Um­ welt (BAFU) für die langjährige und massgebliche Unterstützung bei der Erfassung der Unwetterschäden. Der Dank gilt auch den Kantonalen Gebäudeversicherungen, der Vereinigung Kantonaler Gebäudever­ si­cherungen (VKG) und dem Schweize­ri­ schen Versicherungsverband (SVV), die uns mit Schadensschätzungen und wertvollen Kommentaren unterstützten.

Quellen: MeteoSchweiz 2021: Klimabulletin Januar bis Dezember 2021. Zürich. MeteoSchweiz 2022: Klimabulletin Jahr 2021. Zürich. Zweifel, B.; Pielmeier, C.; Techel, F.; Marty, C.; Stucki, T. 2021: Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen. Hydrologisches Jahr 2020/21. WSL Ber. 116: 108 S. Grün Stadt Zürich 2021: Medienkonferenz Schneeschäden an den Stadtbäumen vom Januar. Schadenbilanz. Zürich, 13. April 2021. Schweizer Hagel 2022: https://www.hagel.ch/de/ medien/jahresergebnis-2021/, Zugriff: 27.4.2022. Autorinnen und Autoren: Katharina Liechti, David Matter, Florian Lusten­berger, Alexandre Badoux, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Zür­cherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, kaethi.liechti@wsl.ch

© NÜRNBERG LUF TBILD, HA JO DIE TZ

Der Sommer 2021 war geprägt von vie­len aufeinanderfolgenden Gewitterfronten mit verheerenden Hagelschlägen. Allein der Juni zählte 13 Hageltage, welche vor allem auf der Alpennordseite ihre Spuren hinterliessen. Die Korngrössen erreichten zum Teil sechs bis sieben Zentimeter (in Ein­ zelfällen sogar mehr) und zerstörten Treib­ häuser, Ziegeldächer, Gärten und gan­ze Ernten. Unzählige Autos wurden beschä­ digt und manche blieben in den Hagel­ massen stecken. Ausserordentlich war et­ wa das Hagelgewitter, welches am 28. Juni über die Region Wolhusen LU zog und in ganzen Quartieren die Ziegeldächer komplett zerstörte. Der Juli wartete mit weiteren zehn Hageltagen auf und richtete auch auf der Alpensüdseite Schäden an Kulturen an. Bei Reben und Gemüse kam es dadurch gebietsweise zu Totalausfällen. Wei­tere vier Hageltage brachte der Au­gust. Die Versicherung Schweizer Hagel ver­ bucht ein Rekordschadenjahr mit 14 000 Scha­dens­meldungen aufgrund von Frost und vor allem Hagel und Nässe. Die Ge­ samt­schadenssumme betrug rund 115 Mio. CHF, wovon 85 Prozent den Hagelschäden in den Monaten Juni und Juli zugeschrie­ ben wurde (Schweizer Hagel, 2022). Die Hagel­schäden, welche an Fahrzeugen, Ge­

19. Deutsches Talsperrensymposium Mit Talsperren nachhaltig in die Zukunft 04.–06. Juli 2023 Inselhalle Lindau www.talsperrensymposium.de «Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

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Wasserhaushalt der Schweiz 2021 Einordnung und Besonderheiten, Einführung der Normperiode 1991 bis 2020 Florian Lustenberger, Katharina Liechti, Martin Barben, Massimiliano Zappa

Wasserhaushalt der Schweiz Das Jahr 2021 begann mit einem milden, niederschlagsreichen Winter, gefolgt von einem kalten und gegen Ende hin nassen Frühling. Der Sommer brachte nördlich der Alpen sehr viel Niederschlag, der vie­ler­orts zu Hochwasser führte. Der Herbst war dann vermehrt niederschlagsarm (MeteoSchweiz, 2022). Der Jahresniederschlag war 9 Pro­ zent höher als während der Normperiode 1991 bis 2020 (die Normperiode wird im Folgenden auch als langjähriges Mittel oder Durchschnitt bezeichnet). Die Ver­duns­tung war um rund 6 Prozent höher. Der Abfluss überstieg den Normwert um rund 8 Pro­ zent (Tabelle 1). Die Speicheränderung im Vergleich zum Vorjahr war nur leicht negativ, und somit war der Verlust geringer als in der Normperiode. Der Anteil der Eis­ schmel­ze am gesamtschweizerischen Jah­ ­resab­fluss lag bei rund 2 Pro­zent. Regionale Unterschiede Der Jahresniederschlag fiel in den meisten Regionen der Schweiz überdurchschnittlich aus. In den Einzugsgebieten der Aare, der Glatt, der Töss, der Thur sowie in der Genferseeregion, in grossen Teilen des Juras und des Hochrheins lagen die Werte um 15 bis 25 Pro­zent über der Norm. In der Zentralschweiz (Limmat, Reuss) und im Wallis (Rhone) waren die Werte leicht überdurchschnittlich. Dies lag vor allem am sehr niederschlagsreichen Sommer, der nördlich der Alpen zu den nassesten seit Messbeginn zählt (MeteoSchweiz, 2022). Im Tessin sowie im Engadin lag der Jahres­ niederschlag bei 90 bis 95 Pro­zent der Norm (Bild 1). Beim Jahresabfluss zeichnete sich ein sehr ähnliches Muster ab. Überdurch­ schnitt­liche Abflüsse dominierten im Mit­ telland, im Jura und in der Genfersee­ region. Sie lagen zwischen 10 und 40 Pro­ zent über der Norm. Im Wallis, Tessin und Grau­bün­den lagen die Abflüsse im Be­ reich des langjährigen Mittelwerts. Nur im 94

Bild 1: Prozentuale Abweichungen von 2021 gegenüber der Normperiode 1991 bis 2020 der Grosseinzugsgebiete für den mittleren Niederschlag, die mittlere Verdunstung und den mittleren Abfluss sowie die absolute Speicheränderung von Ende 2021 gegenüber Ende 2020 (in mm). Flussgebiet

P [mm/a] 1981 1991 2021 – – 2010 2020 Rhein – Domat/Ems 1516 1530 1516 Thur – Andelfingen 1416 1414 1631 Birs – Münchenstein 1076 1039 1196 Aare – Bern 1708 1694 1964 Aare – Bern bis Brügg 1414 1396 1625 Aare – Brügg bis Brugg 1337 1319 1525 Reuss – Mellingen 1743 1761 1974 Limmat – Zürich 1869 1866 2136 Rhône – Porte du Scex 1395 1321 1403 Ticino – Bellinzona 1694 1691 1543 Tresa – Ponte Tresa 1553 1560 1444 Inn/En – Martina 1129 1173 1090 Politische Schweiz – Inland 1392 1382 1508 Zufluss aus dem Ausland Gesamtabfluss Hydrologische Schweiz 1426 1426 1555

R [mm/a] 1981 1991 2021 – – 2010 2020 1171 1173 1156 890 862 1012 564 517 652 1333 1003 1477 939 900 1046 838 800 940 1298 1296 1420 1404 1377 1518 1176 1155 1110 1322 1313 1278 1058 1047 986 881 907 875 979 960 1035 295 297 325 1274 1257 1360 983 969 1048

E [mm/a] dS [mm/a] 1981 1991 2021 1981 1991 2021 – – – – 2010 2020 2010 2020 349 370 389 -4 -14 -28 528 555 584 -2 -3 34 513 521 540 -2 2 5 400 430 453 -25 -39 34 484 511 548 -10 -14 30 506 528 563 -7 -10 23 460 489 517 -16 -23 36 468 496 532 -3 -7 85 335 345 343 -117 -179 -49 367 389 94 5 -11 -129 485 512 523 10 2 -66 276 302 350 -29 -36 -135 434 455 481 -21 -33 -9

459 482 510

-15

-25

-3

Tabelle 1: Natürlicher Wasserhaushalt der ganzen Schweiz und bedeutender Gross­ einzugsgebiete für 2021 im Vergleich mit der alten Normperiode 1981 bis 2010 sowie der neuen 1991 bis 2020 (mm pro Jahr). Dargestellt sind Niederschlag (P), Abfluss (R), Verdunstung (E) und Speicheränderungen (dS, siehe Zappa et al., 2017). «Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden


Südtessin war der Jahresabfluss leicht un­ terdurchschnittlich (Bild 1). Nördlich der Alpen war die Verduns­ tung grösstenteils leicht überdurchschnitt­ lich. Im Wallis, Tessin, Nord- und Mittel­ bünden lagen die Werte im Bereich der Norm. Eine Ausnahme bildet das Engadin und die Bündner Südtäler mit Werten von 25 bis 50 Pro­zent darüber (Bild 1). Die Speicheränderung war nördlich der Alpen sowie in Nord- und Mittel­bün­ den leicht positiv oder nahe bei null. Die grössere Speicherzunahme im Einzugs­ gebiet der Limmat liegt an der Zunahme der Schneedecke, verursacht durch intensiven Niederschlag im Dezember. Demge­ gen­über stehen grössere Speicherverluste im Wallis, Tessin und Engadin (Bild 1), allerdings fiel die Gletscherschmelze dort geringer aus als im Vorjahr. Jahresverlauf und Besonderheiten

Bild 2: Prozentuale Abweichung der Monatsmittelwerte gegenüber der Norm­ periode 1991 bis 2020 von Niederschlag, Abfluss und Verdunstung. In den Wintermonaten führen bei der Verdunstung schon kleine Abweichungen von den Normwerten zu grossen prozentualen Unterschieden, da die absolute Verdunstung in den Wintermonaten gering ausfällt. «Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

Der Januar war schweizweit geprägt von überdurchschnittlich hohen Nieder­schlags­ summen. Der Schneespeicher in hohen Lagen füllte sich und die Abflüsse auf der Al­pennordseite und im Südtessin lagen über dem langjährigen Mittelwert. Ein sehr warmer Februar führte durch erhöhte Schnee­ schmelze schweizweit zu stark überdurch­ schnittlichen Abflüssen und zu erhöhter Verdunstung, obwohl kaum Niederschlag fiel (Bild 2). März und April fielen trocken aus, was sich auch im unterdurchschnittli­ chen Abfluss wiederspiegelte. Die Schnee­ speicher nahmen kontinuierlich ab (Bild 3). Von Mai bis Ende Juli fiel schweizweit überdurchschnittlich viel Niederschlag. In­ tensive Gewitter, oft mit Hagel, dominierten das Wettergeschehen im Juni; weitgehend verschont blieben Graubünden und die Alpensüdseite. Im Juli waren es langanhaltende Regenfälle mit einge­la­ger­ ten Gewittern, die für rekordhohe Nieder­ schlagssummen sorgten. Diese lagen verbreitet bei Werten zwischen 200 und 300 Pro­zent der Norm (MeteoSchweiz, 2021). Dies führte im Juni und vor allem im Juli zu stark erhöhten Abflüssen. Ab Mitte Juli kam es nördlich der Alpen in Flüssen und Seen zu Hochwasser. In den meisten Re­ gio­nen blieben die Abflüsse auch im Au­ gust noch überdurchschnittlich hoch, obwohl die Niederschläge unterdurchschnitt­ lich ausfielen (Bild 2, Bild 3). Von Sep­tem­ ber bis November blieb es schweizweit sonnig und trocken. Auf der Alpennord­sei­ te wurde regional einer der niederschlagsärmsten Herbste seit Messbeginn 1864 aufgezeichnet (MeteoSchweiz, 2022). Dies führte zu Abflüssen unter der Norm. 95


Bild 3: Monats­werte (mm/Monat oder mm) der hy­drologischen Schweiz für den Abfluss, die Ver­dunstung, den Schnee­ speicher und die Boden­feuchte. Die Box­plots fassen die Da­ten der Norm­periode 1991 bis 2020 zusammen. Die grauen Boxen beinhalten 50 Prozent der Da­ten­punkte, die brei­te horizontale Linie in den Boxen markiert den Me­di­an aus 30 Jahren. Die blaue und rote Linie re­präsentieren die Werte für die Jahre 2020 und 2021. Infolge dieser Trockenphase fiel im Ok­to­ ber und November auch die Bodenfeuchte unter die Norm, was ebenfalls die Ver­ dunstung reduzierte. Der Dezember zeigte sich wieder niederschlagsreicher und die Werte waren, mit Ausnahme von Tessin und Graubünden, überdurchschnittlich. Für den Abfluss sowie die Verdunstung waren die Abweichungen von der Norm gering (Bild 3). Normperiode Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) definiert und koordiniert seit 1935 die Publikation von Klimanormwerten (Begert et al., 2013). Diese beziehen sich auf Klimanormperioden, welche jeweils aus einem Zeitraum von 30 aufeinanderfolgenden Jahren bestehen (WMO, 2017, WMO, 2021). Zur Berücksichtigung der langfristigen klimatischen Veränderungen wird diese Periode regelmässig ange­ passt. In der Vergangenheit geschah dies alle 30 Jahre. Die beschleunigte Klimaver­ änderung der letzten Jahrzehnte bewog die WMO jedoch dazu, eine Aktualisierung der Referenzperiode alle zehn Jahre zu empfehlen. Dieser Empfehlung folgt die MeteoSchweiz seit 2013 und verwendet seither die jeweils jüngste abgeschlossene 30-Jahresperiode, um die aktuelle Wit­te­ rung einzuordnen (Begert et al., 2013). Seit Vollendung des Jahres 2020 liegen des96

halb die Werte der neuen Normperiode (1991 bis 2020) vor. Auch die Kenngrössen des schweizerischen Wasserhaushalts, welche wir jährlich in dieser Zeitschrift publizieren (siehe z. B. Liechti et al., 2021), werden deshalb neu auf der Grundlage der neuen Norm­ periode eingeordnet. Zur Veranschau­li­ chung der Unterschiede, welche durch die Wahl der Normperiode entstehen, wurden in Tabelle 1 und Bild 4 sowohl die alte, wie auch die neue Normperiode dargestellt. Die Abweichungen zwischen den Kenn­ werten des Jahres 2021 und den Norm­ werten fallen bei Verwendung der neuen Normperiode erwartungsgemäss geringer aus. Die Richtung der Abwei­chungen (über-/ unterdurchschnittlich) bleibt jedoch bis auf wenige Ausnahmen gleich (Tabelle 1). Beim Abfluss decken die Daten der beiden Perioden einen ähnlichen Bereich ab. Der Hauptunterschied besteht in den Wintermonaten, wo die Mediane der neuen Normperiode höher liegen und die Spann­ weite der Monatswerte etwas grösser ist. Im Sommer liegen die Mediane neu etwas tiefer (Bild 4). Beim Niederschlag liegen in der neuen Normperiode die Mediane von August bis Dezember höher. Ausserdem ist die Spannweite im November und De­ zember grösser. Im Sommer sind die Ver­ dunstungswerte der neuen Periode höher. Der Schneespeicher sowie auch die Bo­ den­feuchte sind in allen Monaten in der

neuen Normperiode tiefer. Beim Niedrig­ wasserspeicher, dem dynamischen Teil des Grundwasserspeichers, der mit den Fliessgewässern in aktivem Austausch ist (siehe auch Zappa et al., 2019), liegen die Werte von April bis Dezember ebenfalls leicht tiefer. Die Gletscherschmelze ist hin­ gegen zwischen Juni und Oktober grösser. Hier zeigt sich der Einfluss des Klima­wan­ dels deutlich.

Quellen: Begert, M., Frei, C., Abbt, M. (2013): Einführung der Norm­periode 1981 – 2010, Fachbericht MeteoSchweiz, 245. Liechti, K., Barben, M., Zappa, M. (2021): Wasser­ haushalt der Schweiz 2020 – Einordnung und Be­sonderheiten. Wasser Energie Luft, 113(2), 87 – 88. MeteoSchweiz (2021): Klimabulletin Juli 2021. Zürich. MeteoSchweiz (2022): Klimabulletin Jahr 2021. Zürich. World Meteorological Organization, WMO, (2017): WMO Guidelines on the Calculation of Climate Normals. Geneva. ISBN: 978-92-63-11203-3. World Meteorological Organization, WMO (2021): Technical Regulations, Volume I: General Meteorological Standards and Recommended Practices. Geneva. ISBN: 978-92-63-10049-8. Zappa, M., Liechti, K., Barben, M. (2017): Wasserhaushalt der Schweiz 2.0 – Eine validierte, modellgestützte Methode für die Bilanzierung der Wasserressourcen der Schweiz. Wasser Energie Luft, 109(3), 203 – 212. Zappa, M., Liechti, K., Winstral A., Barben, M. (2019): Trockenheit in der Schweiz: Vergleich der Jahre 2003, 2015 und 2018. Wasser Energie Luft, 111(2), 95 – 100.

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Bild 4: Monatswerte (mm/Monat oder mm) der hydrologischen Schweiz für den Abfluss, den Niederschlag, die Verdunstung, den Schneespeicher, die Boden­feuchte, den Niedrigwasserspeicher und die Gletscherschmelze. Die grauen Boxplots fassen die Daten der alten Normperiode 1981 bis 2010 zusammen, die roten Boxplots diejenigen der neuen Normperiode 1991 bis 2020. Die Boxen beinhalten 50 Prozent der Datenpunkte, die breite horizontale Linie in den Boxen markiert den Median aus 30 Jahren.

Autorinnen und Autoren: Florian Lustenberger Katharina Liechti, kaethi.liechti@wsl.ch

Massimiliano Zappa Eidg. Forschungsanstalt WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf

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Martin Barben, Bundesamt für Umwelt, Abteilung Hydrologie, CH-3003 Bern-Ittigen

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Vorhersage und Warnung von Unwettern in der Schweiz Das Zusammenwirken von Bund und Kantonen anhand von zwei Fallbeispielen im Jahr 2020 Nicolas Steeb, Alexandre Badoux, Roland Bialek, Konrad Bogner, Dorothea Hug Peter, Elke Kellner, Christophe Lienert, Saskia Willemse, Massimiliano Zappa, Manfred Stähli

1. Ausgangslage und Ziele

Zusammenfassung Ende August und Anfang Oktober 2020 waren die Südschweiz und angrenzende Bergkantone von zwei Unwettern betroffen, welche teils zu beträchtlichen Abflüssen, jedoch verhältnismässig geringen Schäden führten. Im Sinne einer Stand­ort­be­ stimmung wurden die beiden Unwetterereignisse zum Anlass genommen, das Funktionieren der Warnkette an der Schnittstelle zwischen den Bundesfachstellen und den Kantonen zu überprüfen. Zu diesem Zweck wurden die hydrometeorolo­gi­ schen Vorhersagen vor und während den beiden Unwettern sowie die daraus abge­ leiteten Warnungen auf ihre Qualität und gegenseitige Abstimmung analysiert. Des Weiteren wurden mit Verantwortlichen der betroffenen Kantone Interviews geführt, um ihren Umgang mit den Warnungen und ihre Einschätzung zum Funktionieren der Warnkette zu erfahren. Schliesslich wurden in einem gemeinsamen Workshop poten­tielle Optimierungsmassnahmen erarbeitet. Die Analysen und Rückmeldungen haben aufgezeigt, dass die Warnkette während den beiden Unwetterereignissen grundsätzlich gut funktioniert hat. In beiden Fällen war das Vorgehen der einzelnen Kantone bezüglich Informationsempfang, in­terner Beurteilung und Massnahmenentscheidungen sowie der Kontakt mit den Bundes­­stellen sehr unterschiedlich. Insgesamt wurde der Informationsfluss des Bundes während der beiden Ereignisse von den Kantonen als zielführend einge­ schätzt. Die Analyse der Unwetter im August und Oktober 2020 hat aber auch punktuelle Opti­mierungsmöglichkeiten aufgezeigt und beispielsweise beim kommunikativen Zu­sam­menspiel der Starkniederschlags- und Hochwasserwarnungen Fragen aufgeworfen. Résumé A la fin août et au début octobre 2020, le sud de la Suisse et les cantons voisins ont été touchés par deux intempéries qui ont entraîné des débits parfois considérables, mais relativement peu de dégâts. Dans l’optique d’un état des lieux, ces deux événements ont été l’occasion de vérifier le fonctionnement de la chaîne d’alerte à l’interface entre les services spécialisés de la Confédération et les cantons. A cet effet, les prévisions hydrométéorologiques avant et pendant les deux intempéries, ainsi que les alertes qui en ont découlé, ont été analysées quant à leur qualité et leur coordination mutuelle. Par ailleurs, des entretiens ont été menés avec des responsables des cantons concernés afin de connaître leur gestion des alertes et leur évaluation du fonctionnement de la chaîne d’alerte. Enfin, des mesures d’optimisation potentielles ont été élaborées dans le cadre d’un séminaire commun. Les analyses et les retours d’information ont montré que la chaîne d’alerte avait en principe bien fonctionné pendant les deux événements. Dans les deux cas, la procédure des différents cantons concernant la réception des informations, l’évaluation interne et les décisions relatives aux mesures, ainsi que le contact avec les services fédéraux, étaient très différents. Dans l’ensemble, les cantons ont estimé que le flux d’informations de la Confédération pendant les deux événements était conforme aux objectifs. Cependant, l’analyse des intempéries d’août et d’octobre 2020 a également montré des possibilités d’optimisation et soulevé des questions, par exemple concernant l’interaction en matière de communication entre les alertes aux fortes précipitations et aux crues.

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Nach dem schadensreichen Unwetter im August 2005 (Bezzola und Hegg, 2007) be­ schloss der Bundesrat, die planeri­schen, organisatorischen und technischen Mass­ nahmen zum Schutz vor Naturgefahren zu überprüfen. Als Folge wurde im Rahmen ei­­nes Projektes zur Optimierung der War­ nung und Alarmierung vor Naturge­fahren (OWARNA) das Ziel angestrebt, eine verbesserte Warn­kette für Naturgefah­ren­er­ eig­nisse zu etablieren. Insbesondere sollten frühzeitige Warnungen für die Kantone und Einsatz­kräfte herausgegeben werden können (BABS, 2006). Als Folge wurde im Jahr 2008 der Lenkungsausschuss Inter­ ven­tion Na­tur­gefahren LAINAT gegründet, mit dem allgemeinen Ziel, die Vorsorge für ausser­ gewöhnliche Naturereignisse zu för­dern und Warnung und Alarmierung zu koor­di­nieren. Eine erfolgreiche Intervention im Falle eines Naturgefahrenereignisses setzt eine funktionierende Warnkette voraus, um Zeit für die Einleitung von geeigneten Mass­ nahmen zu gewinnen. Die Warnkette hat ei­ ne grösstmögliche Vermeidung von Opfern und finanziellen Sachschäden zum Ziel. Dies erfordert ein reibungsloses Funktio­ nie­ren diverser Schnittstellen, was jedoch eine Herausforderung ist, besonders bei Übergängen zwischen verschiedenen Fach­ stellen auf Stufe Bund, bei Schnittstellen von Bund und Kantonen und beim Über­ gang von Führungsorganisationen zu Ein­ satzkräften. In einem zusammenfassen­ den Bericht (BAFU/BABS, 2010) wird die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen für die Vorsorge und Intervention bei aus­ sergewöhnlichen Naturereignissen detailliert beschrieben. Im Fall von Starkniederschlag und Hoch­wasser beginnt die Warnkette mit der Erfassung von meteorologischen Daten, mit denen MeteoSchweiz Nieder­schlags­ prognosen erstellt. Bei Bedarf erfolgt darauf eine Starkniederschlags­war­nung. Bei der Abteilung Hydrologie des BAFU flies-

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sen diese Nie­der­schlags­vorhersagen anschliessend in die hydrologi­ schen Ab­ fluss­­prognosen ein, und auch hier wird bei Bedarf eine Hochwasser­warnung herausgegeben. Die Kantone haben wiederum die Möglichkeit, selbst kleinräumigere Ein­ schätzungen der Situa­tion durchzuführen und Warnungen auf kan­tonaler/regionaler Ebene herauszuge­ben sowie Mass­nah­ men zu ergreifen. Wenn ein Ereignis bereits eingetroffen ist und sofortiger Hand­ lungsbedarf besteht, werden auf kantonaler Ebene Alarmierungen mit entsprechen­ den Verhaltensanweisun­gen herausge­ge­ ben. Zwei markante Starkniederschlags- und Hochwasserereignisse im Jahr 2020 (28. bis 31. August und 1. bis 3. Oktober) mit Schwerpunkt über der Südschweiz boten eine Gelegenheit, das Zusammenwirken zwischen Bund und Kantonen im Rahmen der Warnkette an konkreten Beispielen zu analysieren. Betroffen waren jeweils vor allem topographisch und administrativ relativ klar abgegrenzte Kopfeinzugsgebiete in Bergkantonen (z. B. Leventina, Maggia­ tal, Reusstal, Goms). Die Unwetter führten zu erheblichem Hochwasser an verschie­ denen Flüssen und zu Behinderungen des

Verkehrs durch Rutschungen und Hang­ muren (Bild 1). Obwohl die beiden Ereig­ nisse in ihrer räumlichen Ausdehnung und im Anteil der betroffenen Bevölkerung mit dem Hochwasser von 2005 nicht ver­gleich­ bar waren, sind sie für eine Analyse hilfreich. Beim ersten Ereignis im August 2020 wurde zum ersten Mal seit der Gründung des LAINAT die Warnstufe 5 für Stark­nie­ derschlag ausgegeben. Beim zweiten Er­ e­ignis im Oktober 2020 war das Funk­tio­ nieren der Warnkette neben dem Kanton Tessin insbesondere im Reusstal und im Oberwallis wegen hohen und unsicheren Abflüssen auf dem Prüfstand. Der Geschäftsführende Ausschuss GFA des LAINAT beauftragte Ende 2020 die Eidg. Forschungsanstalt WSL, anhand der zwei genannten Ereignisse eine Analyse (1) der Vorhersage und Warnaktivitäten der zuständigen Fachstellen des Bundes so­ wie eine Analyse (2) der Aktivitäten der Fach- und Führungsstellen als auch der Einsatzkräfte auf kantonaler Ebene in Be­ zug auf die vom Bund erhaltenen Informa­ tionen und Warnungen durchzuführen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen zum Funk­ tionieren der Warnkette sollten schliesslich mögliche Optimierungsmassnahmen

für die Warntätigkeit bei Starknieder­schlag/ Hochwasser zusammen mit kantonalen Ver­treterinnen und Vertretern erarbeitet wer­den. Die Resultate dieser Studie wurden in einem internen Bericht zuhanden des GFA LAINAT zusammengefasst (Steeb et al., 2021) und bilden die Grundlage des hier vorliegenden Artikels. 2. Methodisches Vorgehen Für die Analyse wurden einerseits vorhan­ dene Berichte, Blogs und Bulletins von MeteoSchweiz und BAFU sowie AlertswissMeldungen des BABS gesammelt, welche die Abläufe, Vorhersagen und Warnungen dokumentieren. Für die Analyse der hydro­ meteorologischen Vorhersagen währ­end der beiden Ereignisse wurden Grundlagen verwendet, welche auf der Gemeinsamen Informationsplattform Naturgefahren GIN publiziert sind (www.gin.admin.ch). Um die genauen Abläufe in den Kan­ tonen und insbesondere an der Schnitt­ stelle zu den Bundesinstitutionen zu analysieren, wurden zwischen März und April 2021 zehn halbstrukturierte persönliche Interviews mit Vertreterinnen und Vertre­ tern der Kantone Uri, Tessin, Graubünden,

Bild 1: Links: Tosende Wassermassen am Wasserfall Piumogna (Leventina TI) nach den Regenfällen von Ende August 2020. Foto: Luca Nisi, MeteoSchweiz. Rechts: Anfang Oktober 2020 war die Autobahn A2 zwischen Beckenried NW und Erstfeld UR wegen des Hochwassers an der Reuss gesperrt. Die Überflutung der A2 fand, wie im Notfallplan vorgesehen und baulich geplant, statt. Foto: Stefan Arnold, Urner Wochenblatt. «Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

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Bild 2: Workshop mit kantonalen Fach- und Führungspersonen und Vertreterinnen und Vertretern des Bundes vom 11. Juni 2021. Foto: Christophe Lienert, GS LAINAT. Wallis und Glarus durchgeführt. Dabei wur­ de das kantonsspezifische Vorgehen entlang der Warnkette erfasst, wobei kan­tons­ interne Aspekte sowie der Austausch zwi­ schen Kanton und Gemeinden nicht im Fo­ kus standen. Es wurden pro Kanton jeweils eine Fach- und eine Führungsperson befragt. Diese Experteninterviews lieferten detaillierte Informationen über die Wahr­neh­ mung und den Umgang mit den War­nun­gen im Rahmen der beiden Ereignisse 2020. Darauf aufbauend fand am 11. Juni 2021 in Zürich ein Workshop statt (Bild 2). Die Teilnehmenden setzten sich aus den befragten kantonalen Fach- und Füh­rungs­ personen zusammen (bzw. deren Vertre­ tung) sowie aus Vertreterinnen und Ver­ tretern von MeteoSchweiz, BAFU, BABS, den Geschäftsstellen (GS) GIN und LAINAT und der WSL. Dabei ging es um den Er­ fah­rungsaustausch aus den beiden Hoch­ wasserereignissen sowie um die Identi­fi­ zie­rung von Optimierungspotential und die Erarbeitung von möglichen Optimierungs­ massnahmen hinsicht­lich der Warnkette.

zum Morgen des 30. August 2020 an ei­ nigen Messstandorten über 150 mm, im Maggia­gebiet lokal über 260 mm (Bild 3). In den an­grenzenden Gebieten von Nordund Mit­telbünden gab es 90 bis 140 mm. Am östli­chen Alpennordhang gab es 2-Ta­ ges­sum­men von 80 bis 100 mm und lokal 120 bis 135 mm. Die grössten 1-Tagessum­ men fie­len am 29. August 2020 mit maximalen Wer­ten im westlichen Tessin von lo­ kal über 220 mm (Wiederkehrperiode ge­mäss Ex­trem­wert­analyse zwischen 10 und 20 Jah­ren). Das globale Vorhersagesystem IFS sowie das Ensemble-Vorhersagesystem von MeteoSchweiz, COSMO-2E, haben das Eintreten eines durch Südstaulauge verursachten Starkregenereignisses mit lokal auftretenden Gewittern und kumulierten Niederschlagssummen von über 300 mm innerhalb von 72 Stunden frühzei­ tig prognostiziert. Differenzen zeigten sich

jedoch bei der Prognose der räumlichen Ausdehnung und bei den Niederschlags­ mengen. Insbesondere die nördliche Aus­ dehnung des Niederschlags wurde von den Modellen unterschätzt. Die bei der Niederschlagsvorhersage er­wähnten Unsicherheiten wurden teilwei­ se auch bei der Abflussvorhersage (hy­dro­ logisches Vorhersagemodell WaSiM-ETH des BAFU) ersichtlich. Die Abfluss­pro­g­no­ sen für das Einzugsgebiet der Maggia wa­ ren generell zu niedrig. Bei anderen Sta­tio­ nen im Tessin, wie z. B. in Ticino-Bell­in­zona, wurden die Abfluss­spitzen jedoch sowohl zeitlich wie auch in Bezug auf die Höhe gut vorhergesagt. Auf der Alpen­nordseite un­ ter­schätzten die Abflussprog­no­sen die ge­ messenen Ab­flussspitzen deutlich und erreichten im Vorhersage­zeitraum keine Ge­ fah­renstufe, obwohl an mehreren Orten die Grenzwerte der Ge­fahrenstufen 2 und 3 überschritten wurden.

3.  Analyse zweier Unwetter­ ereignisse im Jahr 2020 3.1  Hochwasser vom August 2020 Eine ausführliche hydrometeorologische Analyse des Hochwassers vom August 2020 findet sich in Bader et al. (2021). An dieser Stelle werden diese Informationen in aller Kürze zusammengefasst: Vom 27. bis zum 30. August 2020 prägte das Tief­druck­ gebiet «Lynn» über West- und Nord­west­ europa das Wettergeschehen in den Alpen. Dabei stellte sich eine markante Süd­stau­ lage mit intensiven, von konvektiven Schau­ ern durchsetzten Niederschlä­gen ein. Am stärksten betroffen waren die Alpen­süd­ seite, Graubünden sowie die Ost­schweiz. Auf der Alpensüdseite erreichten die 2-Tagessummen vom Morgen des 28. bis 100

Bild 3: Niederschlagssumme für den Zeitraum vom 28. bis zum 30. August 2020, berechnet aus Radardaten und Bodenmessstationen (CombiPrecip). Die Fläche mit Regenmengen über 120 mm/72 h ist in Violett, die Fläche mit Regenmengen über 100 mm/72 h in Rot dargestellt. Quelle: Bader et al., 2021, © MeteoSchweiz. «Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden


Bild 4: Chronologie der Starknieder­schlags- und Hochwasserwarnungen während des August-Ereignisses 2020. Die Nieder­ schlagswarnungen sind immer auf die Niederschlagssumme des ganzen Ereignisses bezogen. Quelle: MeteoSchweiz, BAFU. MeteoSchweiz setzte für Teile der Alpen­ süd­ seite am Samstag 29. August eine Stark­­niederschlagswarnung der Stu­fe 5 ab. Die Hochwasserwarnung des BAFU hingegen erreichte für das gesamte Er­ eignis nur Warnstufe 2 und für einzelne Flüsse (Ticino, Alpenrhein und Thur) Warn­ stufe 3. Grund dafür war die sehr trockene Ausgangslage mit tiefen Grund­was­­­ser­ ständen und Seepegeln. Die Chro­no­logie der Warnungen ist in Bild 4 illustriert. 3.2 Hochwasser vom Oktober 2020 Eine ausführliche hydrometeorologische Analyse des Hochwassers vom Oktober 2020 findet sich in Murer et al. (2021). An dieser Stelle werden diese Informationen in aller Kürze zusammengefasst: Durch das Sturmtief «Brigitte» setzten im Laufe des Freitags 2. Oktober 2020 sowohl auf der Al­ pensüdseite wie auch in den alpen­kamm­ nahen Regionen starke Nieder­schlä­ge ein. Das Niederschlagsereignis dauerte je nach Gebiet zwischen 27 und 36 Stun­den. In den Hauptniederschlags­gebieten der Alpen­ süd­seite und in den angren­zen­den Gebie­ ten des Kantons Wallis (Alpen­hauptkamm,

Oberwallis) über das Gott­hard­gebiet bis nach Nordbünden erreich­ten die 1-Tages­ summen vom 2. Oktober ver­breitet 100 bis 250 mm. Im westlichen Tessin wurden so­gar Niederschlags­men­gen von bis zu 400 mm in 24 Stunden registriert (Jährlichkeit von etwa 10 bis 30 Jahren; Bild 5).

Sowohl das globale Vorhersagesystem IFS sowie das Ensemble-Vorhersage­sys­tem von MeteoSchweiz, COSMO-2E, ha­ben die Gefahrensituation durch Stark­nie­der­schlag mehrere Tage im Voraus erkannt. Beide Vor­hersagesysteme zeigten sehr ähn­liche räumliche Verteilungen des Nie­derschlags.

Bild 5: 36-Stundensumme des Niederschlags vom 2. (00:00 UTC) bis 3. (12:00 UTC) Oktober 2020, berechnet aus Radardaten und Bodenmess­ stationen (CombiPrecip). Quelle: Murer et al., 2021, © MeteoSchweiz.

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Bild 6: Chronologie der Stark­nieder­schlags- und Hoch­wasser­warnungen während des Oktober-Ereignisses 2020. Die Nieder­­ schlags­warnungen sind immer auf die Nieder­schlags­summe des ganzem Ereignisses bezogen. Quelle: MeteoSchweiz, BAFU. Obwohl COSMO-2E lokal beträchtliche Niederschlagsmengen vorhergesagt hatte, wurden diese in gewis­sen Regionen noch deutlich übertroffen. So fiel im Südtessin teilweise zwischen 50 und 70 Prozent und im westlichen Tessin 20 bis 30 Prozent mehr Niederschlag als prog­nostiziert. Auch die Niederschlags­men­gen auf der Alpen­ nordseite wurden eher unter­schätzt, lokal sogar deutlich. Allerdings war in diesen Be­reichen die räumliche Variabi­li­tät der Modell­läufe sehr hoch und entsprechend die Un­sicherheit der Progno­sen gross. Die grossen Niederschlagsmengen führ­­ten zu Hochwasser an Flüssen und Seen auf der Alpensüdseite, in den Zen­tral­ alpen so­wie in den angrenzenden Re­gio­ nen. Ins­ge­samt verzeichneten 22 Abfluss­ mess­stationen des BAFU während des Hoch­ wasserereignisses neue OktoberHöchst­werte (Jährlichkeiten mancherorts 30 bis 50 Jahren). Auch bei diesem Ereignis widerspie­ gelte das hydrologische Vorhersagemodell des BAFU (WaSiM-ETH) den Ausgangs­ zu­stand der Abflüsse anfangs Oktober gut und lieferte frühzeitig (per 30. September) 102

klare Hinweise auf ansteigende Pegel­wer­ te über die Gefahrenstufe 2 hinaus in den Fliessgewässern des Tessins, Oberwallis und Hinterrheins. Je kürzer die Vorlaufzeit der Vorhersage, also der zeitliche Abstand zwischen Vorhersageberechnung und dem tatsächlichen Ereignisbeginn, desto zuverlässiger wurden auch die Prognosen der Abflüsse, da auch die vorhergesagten COSMO-2E Niederschlagsmengen kor­ rek­terweise anstiegen. Auf der Alpen­nord­ seite waren die Abflussprognosen un­ter­ schiedlich. So wurde die Abfluss­spitze an der Station Reuss-Seedorf klar unterschätzt. Für den Alpenrhein hingegen über­schätz­ ten die Mo­delle den Abfluss leicht. Der erste Warnausblick Stufe 3 für starken Regen wurde durch MeteoSchweiz am 29. September herausgegeben und ei­ nen Tag später bekamen die Behörden ei­ne Vorwarnung (ebenfalls Stufe 3). Die ersten Starkniederschlagswarnungen erfolgten an­schliessend am Donnerstag, 1. Oktober (Bild 6). Für den Simplon, das Mittel- und Nord­tessin, das Oberengadin und den Al­ pen­hauptkamm wurde die Stufe 4 ausge­ sprochen, für das Südtessin und den übri­

gen Alpenkamm die Stufe 3. Die regionale Hochwasserwarnung des BAFU war für das gesamte Ereignis auf Warnstufe 2 gesetzt. In den betroffenen Gebieten traten zahlreiche Flüsse über die Ufer. Im Kanton Uri musste die Reuss zwischen Atting­hausen und Flüelen zum ersten Mal – wie in der Not­ fallplanung vorgesehen – über die Auto­bahn A2 abgeleitet werden, was zu ei­nem tempo­ rären Verkehrsunterbruch führ­te (Bild 1; Liechti & Badoux, 2021). An mehreren hy­ dro­­logi­schen Messstationen wurde die Ge­­­fahrenstufe 4, im Wallis an der Goneri sogar die Ge­fahrenstufe 5 erreicht. 4.  Erkenntnisse zum Funktionieren der Warnkette 4.1  Hydrometeorologische Vorhersagen Die beiden Unwetterereignisse von Au­gust und Oktober 2020 wurden in den Vorher­ sagemodellen frühzeitig erkannt und spä­ testens 24 Stunden vor Ereignisbeginn in ihrer Grössenordnung richtig einge­schätzt. Wegen der schwierigen, durch eingelager­te Gewitter geprägten Wettersituation wur­den

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beim August-Ereignis Nieder­schlag und Abfluss in einzelnen Einzugsgebieten des Tessins (z. B. Maggia) und der umliegen­den Regionen zu niedrig vorhergesagt. Aus­ serdem unterschätzten die Vorher­sage­ modelle gegen Ende des Ereignisses die Ver­lagerung des Niederschlags­schwer­ punkts in die Nordostschweiz massiv. Da­ raus resultierten auch zu tiefe Abfluss­vor­ hersagen in den entsprechenden Gebieten. Das Oktober-Ereignis wurde durch die Vorhersagemodelle insgesamt (auf 1 bis 2 Tage hinaus) recht gut vorhergesagt. Auch bei diesem Ereignis wurde die Aus­deh­ nung des Starkniederschlags auf die an das Tessin angrenzende Alpennordseite (Uri, Oberwallis) teilweise unterschätzt. 4.2  Zusammenarbeit der Fachstellen des Bundes Während beider Ereignisse waren die Warn­­stellen von MeteoSchweiz und BAFU in regelmässigem Austausch und gegen­ sei­tig gut informiert. Die ausgestellten War­ nungen für Starkniederschlag und Hoch­ wasser folgten den aktuellen Richtlinien von MeteoSchweiz und BAFU und wurden zeitgerecht kommuniziert. Die Ausgabe einer Starknieder­schlags­ warnung Stufe 5 (erstmals seit Gründung LAINAT im Jahr 2008) am Samstag, 29. August mittags für Teile des Tessins, Südund Mittelbünden sowie das Urserental, wurde in Absprache mit dem Kanton Tessin ausgegeben (Bild 4). Das damit ausge­sen­ dete Signal unterschied sich aber massgeblich vom Signal, welches die Hoch­ was­serwarnungen kommunizierten (Stufe 2 und 3). Ausserdem war der späte Zeit­ punkt der Aufstufung auf Stufe 5 für Kan­ tonsvertreterinnen und -vertreter, welche nicht mit MeteoSchweiz in direktem Aus­ tausch standen, sowie für die breite Be­ völkerung schwierig nachvollziehbar. 4.3  Empfang der Warnungen in den Kantonen Die Interviews und der Workshop im Nach­ gang zu den Unwetterereignissen 2020 haben aufgezeigt, dass die Bundes­war­nun­ gen in der Regel zuerst bei der Einsatz­ zentrale der Polizei sowie bei den kantonalen Fachpersonen eintreffen. Die kantonalen Führungspersonen (Bevölkerungs­ schutz) werden je nach Warnstufe meist erst nachfolgend intern auf erfolgte War­ nungen hingewiesen. Die verschiedenen Verbreitungskanäle für Naturgefahren-relevante Informationen wurden von den befragten Kantonen sehr unterschiedlich genutzt. Während einzelne Kantone von Bundesfachstellen proaktiv

ge­warnt wurden (beispielsweise Kanton Tessin), empfingen andere Kanto­ne die War­nun­gen über etablierte Kommu­nika­ tions­kanäle (Natio­nale Alarmzentrale NAZ, Meldungsvermittlungssystem VULPUS, MeteoSchweiz-App, Bulletins, GIN, Tele­ fonate, Naturgefahrenportal). Die an­ schlies­sende interne Kommunikation erfolgt je nach Kanton gewöhnlich über SMS, WhatsApp-Gruppen, E-Mail oder Te­lefon. Die Alarmierung und Aufgebote der Alarmstellen (beispielsweise Feuer­ wehr) erfolgen in der Regel mittels Kon­ ferenzgespräch. Die befragten kantonalen Fach- und Führungspersonen waren mit dem Infor­ mationsfluss vom Bund in Bezug auf die Naturgefahrenlage generell zufrieden und die ausgestellten Warnungen wurden als geeignet beurteilt. Es wurden keine konkreten Beispiele von mangelnder Infor­ma­ tion genannt. Im Gegenteil scheint die Fülle der Informationen von Bund, privaten Wetterdiensten und den kantonseigenen Systemen eher beträchtlich zu sein und darum teilweise schwierig zu überblicken und zu filtern. Der bilaterale Austausch einzelner Kantone mit den Prognoseteams von MeteoSchweiz wurde als hilfreich im Umgang mit Unsicherheiten bezeichnet, weil dadurch eine bessere Einschätzung der Lage möglich war. Gemäss Interviews bestand mit dem BAFU-Vorhersageteam wenig oder kein Austausch. 4.4  Entscheidungsprozesse in den Kantonen Die beiden Unwetterereignisse haben aufgezeigt, dass sich die Entscheidungspro­ zesse in den betrachteten Kantonen stark unterscheiden. Das Zusammenwirken von Fach- und Führungspersonen reicht von ei­ ner ganz engen Zusammenarbeit bis hin zu fast keinem Kontakt. Dasselbe gilt auch für die Zusammenarbeit mit der Polizei oder den Gemeinden. Die Gründe für die unterschiedlichen Entscheidungsprozesse lassen sich unter anderem mit der An­wen­ dung kantonsinterner Tools zur Über­wa­ chung der Ereignisse erklären sowie am Grad der Formalisierung der Prozesse (von exakten Notfallkonzepten bis hin zu eher situativem Handeln und Austausch via informellen Kanälen). 4.5  Abgeleitete Massnahmen in den Kantonen Die Analysen zeigten, dass Warnungen pri­ mär genutzt werden, um den Be­reit­schafts­ grad zu erhöhen. Einige Kantone bespre­ chen Warnungen zuerst mit dem Prognose­ team von MeteoSchweiz, bevor sie weitere

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kantonsinterne Schritte einlei­ten. Dieser Aus­­tausch wird als sehr wichtig und hilfreich für die regionale Ein­schätzung erachtet. Bei den Ereignissen im Jahr 2020 wa­ren die einen Kantone eher proaktiv und leiteten sofort (Kom­mu­nikations-) Mass­ nah­­men ein, während andere Kantone sich eher reaktiv verhielten und zuwarteten, wie sich das Ereignis weiter­entwickeln würde. Hier­bei wurden die kantonsinterne Be­ob­ ach­­tungs­­mög­lich­­kei­ten (eigene Mess­stel­len, Videoüber­wa­chung, Überwachung durch Fachpers­o­nen etc.) verstärkt eingesetzt. 5.  Optimierungspotential für die Warnkette Die allgemeine Einschätzung der Kan­tons­ vertreterinnen und -vertreter sowie des Projektteams ist, dass die Bewältigung der beiden Unwetterereignisse im August und Oktober 2020 entlang der Warnkette weitgehend problemlos funktioniert hat. Gleichwohl wurden Aspekte genannt (auch in Bezug auf frühere Unwetter­situationen), welche allenfalls vereinheitlicht oder ver­ bessert werden könnten: • Es wurde angeregt, dass der Umgang mit Unsicherheiten und Abweichungen bei Vorhersagen und Warnungen trans­ parenter gehandhabt werden sollte. • Einzelne Kantone sehen Optimie­rungs­ potential bei den Hoch­wasser­war­nun­ gen des BAFU. Dabei geht es weniger darum, zusätzliche Informa­tionen zu liefern, sondern dass be­stehende Infor­ma­ tionen genauer erläutert werden sollten. • Zusätzliche BAFU-Abflussvorhersagen für kleinere und mittelgrosse Fliess­ge­ wässer könnten einen Mehrwert bieten. • Der Informationsfluss von den Kan­to­ nen zurück an die Bundes­stellen wurde als wichtig und aus­baufähig erkannt. • Bei der Nachbearbeitung von Un­wetter­ ereignissen sehen die Kantone ebenfalls Optimierungspotential. Bei­spiels­ weise wird ein gemeinsames institutionalisiertes Debriefing vorgeschlagen. Am Workshop vom 11. Juni 2021 wurden po­tentielle Optimierungsmassnahmen für die Warnkette erarbeitet. Dabei wurde ins­ be­sondere der Wunsch nach einem Aus­ bau von Video-Briefings geäussert. Vor und während eines Ereignisses soll somit der Informationsfluss zwischen den Fach­ stel­len von Bund und Kantonen verbes­ sert werden, damit auch Unsicher­heiten in den Progno­sen effizienter diskutiert werden kön­nen. Video-Debriefings helfen wie­ de­rum, aus einem Ereignis zu lernen, Pro­ zesse anzupas­sen, Rollen zu klären und die Koordination zu verbessern. 103


Als weitere wichtige Optimierungs­mass­­ nahme betonten die Workshop-Teil­neh­ men­den, regelmässige kantonsorien­tierte Work­shops durchzuführen, um den Aus­ tausch mit Fokus auf operationelle Tätig­ keiten zu fördern. Klärungsbedarf wurde weiter bei der Interpretation der Starkniederschlags­war­ nun­gen geäussert, insbesondere bei der Unterscheidung der Stufen 4 und 5. Eben­ falls wurde das Thema der Anzahl Ge­fah­ ren­stufen diskutiert, um die Prüfung einer mög­lichen Reduktion auf 4 Stufen zu ver­ an­las­sen, was auch die internationale Ver­ gleich­barkeit erhöhe. 6. Erkenntnisse und Ausblick Die beiden Unwetterereignisse vom Au­ gust und Oktober 2020 auf der Alpen­ südseite und im Alpenraum waren interessante Lehrstücke für das NaturgefahrenManagement der betroffenen Kantone und der Warninstitutionen des Bundes und ha­ben nützliche Erkenntnisse in Bezug auf die Warnkette hervorgebracht. Aus der Sicht des Projektteams sind insbesondere die folgenden Erkenntnisse zu erwähnen: • Der Umgang mit Bundeswarnungen ist bei den Kantonen sehr heterogen und hängt von vielen Faktoren ab. Die indivi­ duellen Ansätze der Kantone haben sich bei diesen Ereignissen nicht als Prob­lem erwiesen. Die verschiedenen Verbrei­ tungs­kanäle des Bundes ermöglichen die­ se kantonsspezifischen Vor­ge­hensweisen. • Die beiden Ereignisse wurden mehrere Tage im Voraus erkannt und von den Bun­ ­desinstitutionen vorgewarnt. Die Früh­­er­ ­kennung ist für gewisse Kantone ebenso wichtig wie die zeitnahe genaue Ein­ stu­fung des Ereignisses. Die Ver­schär­ f­ung der Warnung Starknieder­schlag von Stufe 4 auf 5 während des AugustEreignisses löste bei den Kan­to­nen nur

Quellen: BABS 2006. Optimierung von Warnung und Alarmierung. Schlussbericht in Erfüllung des VBS-Auftrages 1/53 vom 1. November 2005. Referenz/Aktenzeichen BABSFST/402-OWA. Bader S., Gaia M., Galliker B., Graf U., Giroud M., Murer D., Zanini S., 2021. Die Unwettersituation 28.– 30. August 2020. Interner Bericht MeteoSchweiz, 28 S. BAFU, BABS 2010. Erfolgreiche Intervention bei ausser­ge­ wöhn­lichen Naturereignissen. Zusammenarbeit von Bund und Kantonen. Zusammenfassender Bericht. Referenz/Akten­zeichen 231/2006–01704/17/11/01/08/02/J051–2622. Bezzola G.R., Hegg C. (Hrsg.) 2007. Ereignisanalyse Hochwasser 2005, Teil 1 – Prozesse, Schäden und erste Einordnung, Umwelt-Wissen Nr. 0707, Bundesamt für Umwelt BAFU & Eidg. Forschungsanstalt WSL, Bern, 215 S. Liechti K., Badoux A., 2021. Unwetterschäden in der Schweiz 2020. Hochwasser, Murgänge, Rutschungen und Sturzprozesse. Wasser Energie Luft 113 (2), 79–86.

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wenig aus. Zu diesem Zeit­punkt spielten kantonsinterne Instru­men­te und lokale Beurteilungen eine grössere Rolle. • Aus den Interviews ging hervor, dass die Verwendung der Gemeinsamen Infor­ma­ tionsplattform Naturgefahren GIN in den befragten Kantonen teilweise noch nicht sehr etabliert scheint (bzw. wurde GIN kaum explizit erwähnt). Abklä­run­gen über die Gründe dafür könnten helfen, um Stra­ tegien zu finden, damit GIN als Grund­la­ ge zur Früherkennung und Bewältigung von Naturgefahren weiter gefördert wird. • Die Starkniederschlagswarnungen von MeteoSchweiz (in den betroffenen Ge­ bie­ten Stufen 4 bis 5) und die Hochwas­ ser­warnungen des BAFU (in den betrof­ fenen Gebieten Stufen 2 bis 3) haben während des Ereignisses im August in den Medien für Verwirrung gesorgt; die Kantone konnten hingegen besser da­ mit umgehen. Da aber eine bestimmte Niederschlagsmenge nicht a priori mit einem entsprechenden, fest definierten Abfluss und Pegelstand verbunden ist, sind Unterschiede in der Warnstufe für Starkniederschlag und Hochwasser unvermeidbar. Da dieser Sachverhalt für die Öffentlichkeit schwierig zu verste­ hen ist, sollte ein Weg gesucht werden, um die beiden Warnungen kommunikativ besser miteinander zu verbinden und damit Missverständnissen und Un­sicher­ ­heiten vorzubeugen. Im Hinblick auf die Einführung der neuen Warnung vor Mas­ senbewegungen ist diese Erkenntnis zu verallgemeinern: Alle Warnungen entlang des hydrometeorologischen Pro­ zes­ses, vom Starkniederschlag über die verschiedenen Arten von Hochwasser bis zu den Massenbewegungen, sollten kommunikativ gezielter aufeinander abgestimmt werden. • Bei Niederschlagsereignissen mit eingelagerten Gewittern besteht eine He­

raus­forderung aufgrund der Klein­räu­ migkeit der Auswirkungen. In diesem Fall kann es äusserst schwierig sein, aus sehr lokalen Niederschlags­prog­no­sen verlässliche Abflussprognosen für kleine (Teil-) Einzugsgebiete abzuleiten. Das stellt auch eine Herausforderung für die Warnkette dar, was den engen Aus­tausch zwischen Bundes- und Kan­tonsfach­stel­ len im Ereignisfall erfordert und rechtfertigt. • Die beiden Ereignisse 2020 waren von ihrer hydrometeorologischen und räumlichen Ausprägung ähnlich und somit exemplarisch für die Alpensüdseite und die anliegenden Bergkantone. Die vorlie­ genden Erkenntnisse und Aussagen las­ sen sich demnach nicht auf die ganze Schweiz übertragen. • Für den LAINAT ergibt sich aus der vorliegenden Analyse sowie den Rück­mel­ dungen der Kantone kein dringender Handlungsbedarf in Bezug auf Inhalt und Ausgabe der Warnungen. Die Er­ eig­nisse wurden im Allgemeinen gut bewältigt und die Warnkette hat funktioniert. Es besteht jedoch durchaus Po­tential für prozessuale und kommunikative Ver­ bes­ ­ serungen. Ein verstärkter praxisorientierter Austausch zwischen Bund und Kantonen im Nachgang zu solchen Ereignissen kann weitere Optimierungen in allen Bereichen entlang der Warnkette ermöglichen.

Murer D., Galliker B., Schlegel Th., Graf U. 2021. Un­wet­terbericht des Niederschlagereignisses vom 2. und 3. Oktober 2020. Interner Bericht MeteoSchweiz, 34 S. Steeb N., Badoux A., Kellner E., Bogner K., Hug Peter D., Zappa M., Stähli M., 2021. Analyse der Vorhersage und Warnkette anhand von zwei Unwetterereignissen im Jahr 2020. Starkniederschlagsereignisse vom 28.–31. August und 1.–3. Oktober 2020. Eidg. Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf, 51 S.

Konrad Bogner, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf Dorothea Hug Peter, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf Elke Kellner, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf Christophe Lienert, Geschäftsstelle Lenkungs­ausschuss Intervention Naturgefahren LAINAT, c/o Bundesamt für Umwelt BAFU, CH-3003 Bern Saskia Willemse, Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz, Operation Center 1, Postfach, CH-8058 Zürich-Flughafen Massimiliano Zappa, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Zürcherstr. 111, CH-8903 Birmensdorf Manfred Stähli, manfred.staehli@wsl.ch, Eidg. Forschungs­ anstalt WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf

Autorinnen und Autoren: Nicolas Steeb, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf Alexandre Badoux, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf Roland Bialek, Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS, Nationale Alarmzentrale, Guisanplatz 1B, CH-3003 Bern

Danksagung Wir bedanken uns beim Auftraggeber GFA LAINAT sowie den Fachstellen des BAFU, BABS und MeteoSchweiz für den fachl­i­ chen Austausch und die Unterstützung bei der Informationsbeschaffung. Ein grosser Dank gilt auch den kantonalen Fach- und Führungspersonen für die konstruktive Teil­ nahme an den Interviews und am Work­ shop vom 11. Juni 2021.

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Betriebs- und Unterhaltsoptimierung von beschichteten Peltonturbinen mit hydro-abrasivem Verschleiss Erkenntnisse aus einem Forschungsprojekt am KW Fieschertal André Abgottspon, David Felix, Thomas Staubli, Robert Boes

Zusammenfassung Turbinen von Hoch- und Mitteldruck-Wasserkraftanlagen können bekanntlich durch Schwebstoffpartikel im Wasser stark abgenutzt werden, was zu erheblichen Un­ter­ haltskosten, Wirkungsgradabnahmen, Minderproduktion und somit zu Ertrags­ein­ bussen führt. Diese Problematik wurde am Hochdruck-Laufwasserkraftwerk Fiescher­ tal (Wallis) in einem Forschungsprojekt untersucht. Mit einer innovativen Methodenkombination wurden die Schwebstoffbelastung, die Abrasion an den Peltonturbinen und deren Wirkungsgradänderungen in den Jahren von 2012 bis 2020 detailliert gemessen und analysiert. Die neunjährige Mess­reihe wurde für die Optimierung des Betriebs und des Unterhalts verwendet: Um die Turbinen vor übermässigem Verschleiss zu schützen, wurde ein System für vorüberge­hende Ausserbetriebnahmen der Anlage aufgebaut und in Ereignissen mit hohen Schweb­ stoffkonzentrationen (Hochwasser) getestet. Weiter wurde aufgrund der Wir­kungs­ gradhistorie untersucht, wann ein Laufradwechsel am wirtschaftlichsten ist. Die Erkenntnisse aus diesem Projekt können auf andere Wasserkraftanlagen an sedimentreichen Fliessgewässern übertragen werden, um deren Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz in Bezug auf den Umgang mit Feinsedimenten zu verbessern. Résumé Les turbines des centrales hydroélectriques à haute et moyenne chute peuvent être fortement usées par des particules des sédiments fins transportées en suspension dans les eaux. Ceci entraîne des coûts de maintenance, des réductions des rendements, des pertes de production et une diminution des recettes. Cette problématique a été étudiée dans un projet de recherche à l’aménagement au fil de l’eau à haute chute de Fieschertal (Valais). En utilisant une combinaison innovatrice de méthodes, la charge en sédiments fins, l’abrasion des turbines Pelton et les changements de leurs rendements ont été mesurés et analysés en détail de 2012 à 2020. La série de mesures sur neuf ans a été utilisée pour optimiser l’exploitation et l’entretien : Afin de protéger les turbines d’une usure excessive, un système pour la mise hors service temporaire de l’aménagement a été établi et testé lors des événements à hautes concentrations de sédiments. Sur la base de l’historique des rendements, on a examiné à quel moment il est plus économique de changer de roue. Les connaissances acquises dans ce projet peuvent être appliquées à d’autres aménagements afin de contribuer à augmenter leur rentabilité et efficacité énergétique concernant la gestion des sédiment fins.

1. Einleitung 1.1  Hydro-abrasiver Verschleiss Im Triebwasser von Wasserkraft­an­lagen können mineralische Schwebstoffe ent­ hal­ten sein, welche an exponierten An­la­ ge­tei­len zu hydro-abrasivem Verschleiss führen. Turbinenbauteile von Hoch- und Mitteldruckanlagen sind speziell betrof­ fen, da diese hohen Strömungs­ge­schwin­ dig­kei­ten ausgesetzt sind. Die Ein­fluss­

grös­sen wie die Geschwindigkeit so­­wie die Ei­gen­schaften der Partikel und der Tur­bi­ nen­­bauteile sind in der IEC-Richtlinie 62364 (2013/2019) bzw. in der zugrundelie­gen­ den Literatur näher beschrieben. Sol­­cher Ver­schleiss reduziert den Wir­kungs­­grad der Turbinen und somit die Elektri­zi­täts­­ pro­duk­tion (z. B. Hassler & Schnabl­egger, 2006; Maldet, 2008). Weiter führt dieser zu er­höh­ten Betriebskosten durch häufigere und umfangreichere Revisionsarbeiten und

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durch vorzeitig erforderliche Ersatzin­ves­ ti­tionen. Zudem können Ertragseinbussen an­fallen, wenn Turbineneinheiten aufgrund von hydro-abrasivem Verschleiss nicht für den Betrieb verfügbar sind. Durch die Ab­ ra­­sion an den Turbinen werden demnach die Energieeffizienz und die Wirtschaft­ lich­­keit solcher Wasserkraftanlagen be­ ein­träch­tigt. Besonders betroffen sind: • Anlagen in Einzugsgebieten mit aktuell oder früher hohem Vergletscherungs­ grad, insbesondere, falls Wasser tur­bi­niert wird, welches nicht einem Speicher­see entnommen wurde. • Peltonturbinen, da bei diesem Turbinen­typ die höchsten Geschwindigkeiten zwischen der Strömung und den Turbinenbauteilen auftreten und die Strömung am stärksten umgelenkt wird. Die Thematik der Turbinenabrasion gewinnt aus folgenden Gründen an Bedeutung: • Infolge des Rückzugs von Gletschern und Permafrost im alpinen Raum und der zunehmenden Variabilität der Niederschläge werden tendenziell mehr Sedimente in Fliessgewässer eingetragen. • Der langjährige Kostendruck in der Wasserkraftbranche fordert weitere wirtschaftliche Optimierungen wie die automatische Überwachung des Sedimentaufkommens und des Wirkungs­grads sowie zustandsbasierte Instandhaltungsprogramme. • Aufgrund der energiepolitischen Zielsetzungen (Energiestrategie 2050) der Schweiz soll das bestehende Wasserkraftpotential bestmöglich genutzt werden, d. h. es sind im zeitlichen Mittel möglichst hohe Turbinenwirkungsgrade anzustreben. • Bei Stauanlagen mit aktuellen Verlandungsproblemen oder zum Reduzieren von Schwebstoffkonzentrationsspitzen während Spülungen wird auch die Möglichkeit des kontinuierlichen Weiterleitens von Feinsedimenten über den Triebwasserweg vermehrt geprüft (Felix et al., 2017). 105


1.2 Gegenmassnahmen Um Wirkungsgradreduktionen zu begren­ zen und die Betriebssicherheit zu erhalten, werden Turbinenbauteile regelmässig revidiert oder ersetzt. Zur Erhöhung des Ab­ rasionswiderstands der Bauteile werden vermehrt Hartbeschichtungen angewen­ det, welche allerdings durch grosse Fein­ sedimentfrachten, Kavitation oder hohe lo­kale Beanspruchung durch ausnahmsweise im Triebwasser enthaltene Steine auch beschädigt werden können. Da das Schwebstoffaufkommen im Wasser abhängig von der Gletscher­ent­ wicklung, der Jahreszeit, der hydrolo­gi­ schen Situation und dem Wetter stark vari­iert, bietet sich als weitere Möglichkeit an, den Betrieb solcher Wasserkraft­an­la­ gen vorübergehend einzustellen, z. B. wäh­rend Hochwasser nach Gewittern im Som­mer (Boes et al., 2013; Felix, 2017). Die Ein­flussfaktoren des hydro-abrasiven Ver­schleis­ses und seine Auswirkungen, so­wie Massnahmen zur Optimierung des Be­­triebs und des Unterhalts von betrof­ fenen Wasserkraftanlagen, sind in Bild 1 schema­tisch dargestellt. Die Zusam­men­ hänge sind qualitativ bekannt, aber für die Optimierung des Betriebs und der Pla­ nung sind zusätzliche, praktisch anwendbare Messmethoden und bessere quantitative Kenntnisse der Zusammenhänge erforderlich. 1.3 Forschungsprojekt Um die Thematik der Turbinenabrasion und entsprechende Gegenmassnahmen weiter zu untersuchen, initiierten die Ver­ suchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich und das Kompetenzzentrum Fluidmechanik und Hydromaschinen der Hochschule Luzern (HSLU) im Jahr 2011 ein langjäh­ri­ges For­ schungsprojekt am Kraftwerk (KW) Fie­ scher­tal im Oberwallis. Das Projekt basierte auf Vorarbeiten der HSLU (Abgott­spon,

Bild 2: Blick vom Ende des Fiescher­gletschers talauswärts (Drohnenaufnahme 21. Juli 2020, VAW). 2011) und Erfahrungen am KW Dor­ferbach im Tirol (Boes, 2010). Die Untersuchungen am KW Fieschertal wurden in mehreren Teilprojekten massgeblich durch das BFE gefördert: In den Jahren 2012 – 2017 im Rah­men des Forschungsprogramms Was­ serkraft und von 2018 – 2021 im Rahmen eines Pilotprojekts. Das KW Fieschertal wird durch die Gommerkraftwerke AG (gkw) betrieben. Es nutzt Wasser des Gebirgsflusses Wyss­ wasser, der dem Fieschergletscher, dem zweitlängsten Gletscher der Alpen, entspringt. Durch die Erosion im Einzugsge­ biet, insbesondere am Gletscherbett, sind Sedimentpartikel in allen Fraktionen reichlich vorhanden (Bild 2). Da der Grossteil

Bild 1: Einflussfaktoren, Auswirkungen und Handlungsmöglichkeiten (orange) betreffend hydro-abrasivem Verschleiss an hydraulischen Maschinen. 106

der Sedimentpartikel kleiner ist als das Bemessungsgrenzkorn des Entsanders (0,3 mm), ist im Triebwasser die Schweb­ stoff­belastung im Sommerhalbjahr hoch. Das KW Fieschertal verfügt über einen Speicherstollen zum Ausgleich tageszeitlicher Zuflussschwankungen und für den stundenweisen Teillastbetrieb im Winter. Aufgrund des relativ kleinen Speicher­vo­lu­ mens handelt es sich aber praktisch um ein Laufwasserkraftwerk. Mit der er­wähnten Feinsedimentbelastung und einer Brutto­ fallhöhe von 520 m trat an den Peltontur­bi­ nen seit deren Inbetriebnahme 1975 ausgeprägter hydro-abrasiver Verschleiss auf. Es handelt sich um zwei horizontalachsige Maschinen mit je zwei Düsen, je einem Laufrad mit 2,8 m Durchmesser und einer Nennleistung von je 32 MW. Als Mass­ nahme gegen Ab­rasionsschäden werden bei den Düsen Bauteile aus Stellit mit Wolframkarbid-Beschichtung verwendet, und seit 2005 sind Laufräder im Einsatz, deren Becher­innenseiten mit Wolfram­kar­ bid beschich­tet sind. Trotz dieser Mass­ nah­men sind in der Regel in jedem Winter Revisions­ar­bei­ten erforderlich. Das KW Fieschertal mit seinen An­la­ ge­­­ teilen sowie die verwendeten Mess­ metho­den und die Resultate der Jahre 2012 – 2014 wurden bereits in einem früheren WEL-Artikel beschrieben (Abgottspon et al., 2016). Der vorliegende Beitrag fasst

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Bild 3: Zeitliche Übersicht über den Laufradeinsatz, die Revisionsarbeiten und die Messungen am KW Fieschertal. die Resultate bis 2020 und die wesentli­ chen Punkte aus dem Schlussbericht (Felix et al., 2022) zusammen. Diese wurden auch am 26. August 2021 an einer Fachtagung in Naters präsentiert. Im Bild 3 sind die durchgeführten Mes­ sungen zur Turbinenabrasion und Wir­ kungs­­gradveränderungen über die neun untersuchten Jahre 2012 – 2020 für beide Maschinengruppen (MG) zusammenge­ stellt. Weiter ist angegeben, wann welche Laufräder im Einsatz waren und welche Revisionsarbeiten an den Laufrädern und Düsen durchgeführt wurden. Parallel zu den in Bild 3 dargestellten periodischen Messungen wurden die Schwebstoff­be­ lastung während jeder Schwebstoffsaison und der Wirkungsgrad der beiden Tur­bi­ nen kontinuierlich gemessen. 2. Schwebstoffbelastung 2.1  Relevante Grössen und Messmethoden Die Partikelbelastung der Turbinen hängt ge­­mäss IEC 62364 (2013 /2019) nebst den Be­­triebsstunden von folgenden Grössen ab: • Schwebstoffkonzentration (Suspended Sediment Concentration SSC), • Partikelgrösse bzw. mittlerer Durch­ messer, • Partikelhärte, • Partikelform. Die SSC und die Partikelgrössen können im Lauf der Zeit stark und rasch variieren.

Die primäre Methode für die Messung der SSC ist die Laboranalyse von Wasser­pro­ ben mittels Wägung des getrockneten Rück­standes. Damit die SSC in Echtzeit und mit weniger Aufwand gemessen werden kann, stehen verschiedene indirekte Messmethoden wie Trübung, Akustik und Dichtemessung zur Verfügung (Abgott­spon et al., 2016; Felix 2017). Die Grössen­ver­ teilung der Partikel kann mit Laser­dif­frak­ tometrie ebenfalls in Echtzeit gemessen werden, wobei die geotechnischen Grös­ sen­klassen Ton (<2 μm), Silt (2 – 63 μm) und Feinsand (63 − 200 μm) unterschieden wer­ den. Gröbere Partikel verursachen mehr Abrasion, insbesondere an beschichteten Bauteilen. Auf die Messung der SSC und der Partikelgrössen im KW Fieschertal wird im Abschnitt 2.2 näher eingegangen. Die Härte und die Form der Partikel sind vorwiegend Eigenschaften des Ein­ zugsgebiets und wurden als konstant angenommen. Laboranalysen zeigten, dass die Schwebstoffe im Triebwasser des KW Fieschertal im Mittel 31 Prozent Quarz (Mohshärte 7) ent­halten. Dieser Anteil der Sedimente ist abrasiv für die hartbeschich­ teten Turbinen­bauteile. Für den üblichen Turbinenchrom­stahl sind Partikel mit einer Mohshärte > 4,5 abrasiv (z. B. Feldspat). Im KW Fieschertal beträgt dieser Anteil 75 Prozent. Der Rest (vor allem Glimmer) ist für Turbinen nicht abrasiv. Mikroskop-Bilder zeigten wie er­wartet, dass die harten Partikel kantig und daher besonders abrasiv sind. Nebst der Partikelbelastung gemäss IEC 62364 (2013/ 2019) können aus der

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SSC und der turbinierten Wassermenge über die Zeit Schwebstofffrachten (Sus­ pended Sediment Loads SSL) berechnet werden. 2.2  Echtzeit-Schwebstoffmonitoring In den ersten zwei Jahren des Forschungs­ projekts (2012 – 2013) wurden in der Schie­ berkammer – am Übergang vom Speicher­ stollen zur Druckleitung – mehrere Mess­ wert­aufnehmer installiert, um die SSC und die Partikelgrössen im Triebwasser laufend und in Echtzeit zu messen (Abgottspon et al., 2016). Um die Sedimentdynamik des Gesamtsystems besser zu verstehen und als Grundlage für vorübergehende Aus­ ser­betriebnahmen des Kraftwerks während hoher Schwebstoffbelastung, wurden danach auch an der Wasserfassung (Bild 4) und im Entsander Instrumente für die SSC-Messung installiert. Trübungssonden und akustische Me­ thoden eignen sich für tiefe bis mittlere SSC, d. h. mit den dort üblicherweise vorhandenen Siltpartikeln bis maximal 6 g/l. Für mittlere und höhere SSC sind an der Wasserfassung und in der Schieber­kam­ mer je ein Coriolis Durchfluss- und Dichte­ messgerät (CFDM) im Einsatz. Die Partikelgrössen wurden während des Forschungsprojekts in der Schieber­ kammer mit einem Laserdiffraktometer im Minutentakt in detaillierten Grössenklas­ sen gemessen. Da dieses Messgerät aber nur bis zu SSC von wenigen g/l funktioniert sowie unterhaltsintensiv und kostspielig ist, wurden diese Messungen für 107


Bild 4: Wasserfassung des KW Fieschertal mit Instrumentierung für das Schwebstoffmonitoring in Echtzeit (Visualisierung: VAW, Plangrundlage: gkw). den Langzeitbetrieb der Anlage nicht wei­ tergeführt. 2.3  Schwebstoffkonzentrationen und -frachten Das Bild 5 zeigt die SSC in der Schieber­ kam­mer des KW Fieschertal von Januar bis Dezember jeweils für die Jahre 2012 – 2020. Der Mittelwert über die neun Jahre betrug 0,53 g/l. Wie erwartet sind die SSC von Mitte November bis Mitte April tief (< 0,05 g/l). Der Rest des Jahres, mit erhöhten SSC vor allem im Juli und August, wird als Schwebstoffsaison bezeichnet. Diese entspricht beim Laufwasserkraft­ werk Fieschertal den Monaten mit hohen An­teilen an der Jahreserzeugung (hellblaue Flächen). Im Bild 5 sind SSC-Spitzenwerte von drei Hochwasserereignissen gekennzeich­ net. Während des Hochwassers vom 2. bis 3. Juli 2012 mit einer Wiederkehrperiode von ca. 20 Jahren wurden 50 g/l erreicht (Abgottspon et al., 2016). Der Höchstwert in den neun Jahren von ca. 110 g/l wurde durch das Gewitter vom 29. Juli 2017 verursacht, welches im Abschnitt 2.6 näher beschrieben wird. Anfangs Oktober 2020, erstaunlich spät im Jahr, gab es ein weiteres natürliches Schwebstofftransport-Er­ eignis, auf welches im Abschnitt 2.7 eingegangen wird. Weitere SSC-Spitzen in der Druck­ leitung traten vor allem aus betrieblichen Gründen auf: In Perioden mit Volllast­be­ trieb, also im Sommer, ist der Speicher­ stollen stets mit Wasser gefüllt und die gröberen Anteile der Schwebstoffe (Grob­ silt und Feinsand) setzen sich ab. Wenn der Wasserspiegel danach stark abge­ senkt wird, um das Speichervolumen mög­ lichst vollständig zu nutzen, können abgelagerte Sedimentpartikel resuspendiert wer­den. Dann treten im Triebwasser hohe 108

SSC auf (Abgottspon et al., 2016; Felix 2017). Solche Resuspensions-Ereignisse dauern allerdings meist nur 5 bis 15 Mi­ nuten, seltener bis 60 Minuten, da der tur-

binierte Abfluss beim Erreichen des minimalen Betriebswasserspiegels gedros­selt wird, um den Speicher wieder füllen zu lassen. Der Speicherstollen kann auf der Hälfte seiner Länge periodisch gespült werden. Für den Erhalt des Nutz­volumens lassen sich aber solche Re­sus­pensionsEreignisse nicht vollständig vermeiden und sind aus Sicht des Turbinen­unterhalts vertretbar. Basierend auf den SSC-Ganglinien in Bild 5 und der Ganglinie des Volumen­ stroms (Durchfluss) in der Druckleitung wurde die Schwebstofftransportrate berechnet. Bei Volllastbetrieb (16 m3 /s) und der mittleren SSC (0,53 g/l) werden in der Druckleitung gut 8 kg Silt pro Sekunde transportiert, das sind ca. 700 t an einem typischen Sommertag. Die Schwebstoff­ transportrate wurde jeweils von anfangs Januar bis Ende Dezember zur jährlichen Schwebstoff­fracht SSL integriert.

Bild 5: Schwebstoffkonzentration SSC gemessen in der Druckleitung (Schieber­ kammer) sowie mittlere monatliche Anteile an der Jahresproduktion des KW Fieschertal (Betriebsdaten: gkw).

Bild 6: Jährlich turbinierte Schwebstofffrachten in Funktion der entsprechenden Wasservolumina im KW Fieschertal (Betriebsdaten: gkw). «Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden


Das Bild 6 zeigt die jährlichen SSL der beiden Turbinen in Funktion der turbinierten Wasservolumina von 2012 – 2020 (Punk­te) sowie deren Mittelwerte (horizontale und vertikale Linien). Im Jahr 2012 mit dem etwa 20-jährlichen Hochwasser lag die SSL 43 Prozent über dem Mittelwert, hingegen im Jahr 2014 (ohne Hochwasser) 42 Prozent unter dem Mittelwert. Im Jahr 2018 mit der höchsten mittleren Jahres­ temperatur der neun Jahre war das Was­ servolumen besonders hoch (Gletscher­ schmelze). Die Standardabweichung der Wasservolumina betrug 7 Prozent ihres Mittelwerts; bei der SSL betrug sie 25 Pro­ zent ihres Mittelwerts. An den geneigt­en Linien lassen sich mittleren jährlichen SSC ablesen, da diese aus dem Verhältnis der SSL und den Wasser­vo­lu­mina resultieren. In den einzelnen Jahren variierten die mittle­ ren SSC beträchtlich, da sich die Schweb­ stofffrachten stärker veränderten als die Was­servolumina. 2.4 Gebietsabtrag Im Mittel über die Untersuchungsperiode wurden 75 000 t Feinsediment pro Jahr turbiniert. Bezogen auf die Einzugsge­biets­ fläche von 58,6 km2 und mit einer Ge­steins­ dichte von 2,73 t/m3 entspricht dies einem Felsabtrag von 0,47 mm/Jahr. Witt­mann et al. (2007) schätzten den langfris­tigen Ge­ bietsabtrag (Denudationrate) in den kristallinen Zentralalpen auf 0,9 ± 0,3 mm/ Jahr. Da nicht die ganze Sedi­ment­fracht aus dem Einzugsgebiet durch die Druck­lei­tung transportiert wird (Geschiebe, Schweb­ stoffe im Überwasser und Spü­lungen), ist der Mittelwert der SSL in der Druckleitung plausibel.

Kamera bei der Wasserfassung zeigte Re­ gen, einen erhöhten Abfluss und eine sehr starke Wassertrübung (Bild 7a). Der Abfluss im Wysswasser erreichte etwa 38 m3 /s, was nur etwa dem doppelten Ausbauabfluss der Fassung entspricht (Bild 8a). Dieser Spitzenabfluss war deutlich kleiner als jener des Hochwassers von 2012. Nach dem Gewitter nahm der Ab­ fluss rasch ab. An der Rhone in Brig (ca. 20 km südöstlich von Fieschertal, inklusive Wyss­wasser) wurde kein ausserordentlich hoher Abfluss gemessen. Es handelte sich demnach um einen sehr lokalen Nieder­ schlag. Da solche Gewitternieder­schläge kaum vorhersagbar sind, sind Messungen des Zuflusses und der SSC für den Be­ trieb von Wasserkraftanlagen wichtig. Das Bild 8b zeigt den Verlauf der SSC während des Ereignisses. Der Spitzenwert von 110 g/l (wie in Bild 5) und ein weiterer sehr hoher Wert von 77 g/l stammen von Wasserproben am Ende des Entsanders (Bild 7b). Bild 7c zeigt, wie viel Feinse­di­ ment sich in einer Wasser­pro­be von 0,5 Litern absetzte. Die Trü­bungs­sonden an der Wasserfassung und am Ende des Ent­ sanders zeigten während des Ereig­nisses SSC-Werte, die im Ver­gleich zu den Er­ geb­nissen der Wasser­pro­ben unplausibel tief sind. Diese ungültigen Trü­bungsmess­ werte wurden gestrichelt dargestellt. Bei hoher Trübung kommt es aufgrund von Mehrfachstreuung vor, dass Trübungs­son­ den irreführende, zu tie­fe Werte angezeigen (Voichick et al., 2018). Im Bild 8c zeigt die schwarze Linie, wie viele Tonnen Feinsediment im Lauf des Ereignisses in die Kraftwerksanlage ge­­ langt wären, wenn diese durchgehend (mit Volllast) betrieben worden wäre. Diese po­

ten­zielle Fracht von 14 600 t während des Ereignisses entspricht 19 Prozent der mit­ tleren jährlichen SSL (75 000 t). Während des Hochwassers 2017 wurden die Turbinen ausser Betrieb genom­ men, um übermässigen Verschleiss zu ver­meiden. Da damals an der Wasserfas­ sung noch keine Instrumentierung vorhan­ den war, mit welcher auch hohe SSC in Echtzeit gemessen und ins Kraftwerks­leit­ system übermittelt werden, wurde die An­ lage erst ausser Betrieb genommen, als das CFDM in der Schieberkammer anzeig­ te, dass die SSC dort 10 g/l überschritt. Es dauert etwa eine Stunde, bis Wasser von der Fassung durch den Speicher­stol­len zum Druckleitungseinlauf bei der Schie­ ber­kammer geflossen ist. Inklusive dieser Stunde Verzögerung gelangte trotz der vor­ übergehenden Ausserbetrieb­nah­me bereits ein Drittel der potenziellen Se­diment­ fracht des Ereignisses ins Kraft­werks­sys­ tem (Anstieg der schwarzen Kurve in Bild 8c). Um dies zukünftig zu vermei­den, wur­ de das CFDM an der Wasserfas­sung installiert (Bild 4). In den Bildern 8b und 8c sind weiter die durchgeführte Aus­ser­be­ trieb­nahme (hellbraun) sowie ein optimiertes Szenario mit früherer Ausser- und Wie­ derinbetriebnahme und angepasstem Wert für die Abschalt-SSC (rot) darge­stellt. Dies wird im Abschnitt 5 erläutert. 2.7  Sedimenttransportereignis 2020 In den neun untersuchten Jahren kam es, nebst 2012 und 2017, im Jahr 2020 zu einem nennenswerten, wenn auch kleineren Schwebstofftransportereignis. Dieses trat anfangs Oktober infolge eines ergie­ bigen Niederschlags auf. Da die Schnee­ fallgrenze unter die Höhe der Was­ser­fas­

2.5 Partikelgrössen Schwebstoffe weisen in der Regel eine brei­te Grössenverteilung auf. Als Kenn­ wert für die Grösse der Sedimentpartikel wurde der Median-Partikeldurchmesser d50 verwendet. Er gibt den Durchmesser an, welcher von 50 Prozent der Partikel­ masse über- bzw. unterschritten wird. Die­ ser Wert lag im zeitlichen Mittel bei 11 μm, d.h. im Bereich von mittlerem Silt. Ins­be­ sondere während der erwähnten Re­sus­ pensions-Ereignisse stieg d50 bis 120 μm. Während ca. 14 Tagen/Jahr lag d50 im Be­ reich von Mittelsilt (20 bis 60 μm) und während gut 1 Tag/Jahr im Bereich von Fein­ sand (60 bis 200 μm). 2.6 Hochwasserereignis 2017 Am Abend des 29. Juli 2017 trat am Wyss­ wasser ein Hochwasserereignis als Folge eines Gewitters auf (Felix et al., 2021). Die

Bild 7: a) Zufluss zur Wasserfassung des KW Fieschertal im Gewitter vom 29. Juli 2017 (Foto: gkw), b) Wasserproben (je 0,5 Liter) vor und während des Hochwassers und c) abgelagerte Feinsedimente in der Probe mit der höchsten SSC (Fotos: VAW).

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werden können. Im Schwebstofftrans­port­ er­eignis 2020 konn­ten dann mit dem CFDM erstmals hohe SSC an dieser Mess­stelle gemessen werden. 3.  Verschleiss an den Laufradbechern

Bild 8: Hochwasser vom 29./30. Juli 2017: a) Zufluss Q, b) Schwebstoff­ konzentration SSC bei der Wasserfassung und im Entsander, c) potenzielle Schwebstofffracht SSL im Kraftwerk, mit durchgeführter Ausserbetriebnahme (hellbraun) und optimiertem Szenario (rot). sung sank, kam es am Wyss­wasser zu kei­ ­nem ausserordentlich hohen Abfluss und der Spitzenabfluss erreichte lediglich die Ausbauwassermenge der Wasser­fas­sung. Solche Abflüsse kommen im Som­mer täglich vor. Die SSC war dagegen deut­lich höher als an Sommertagen. Das Bild 9 zeigt die SSC-Ganglinien, die mit verschiedenen Methoden während die­­ses Ereignisses gemessen wurden. An der Wasserfassung und am Ende des Ent­ sanders waren je eine Trübungssonde und ein automatischer Wasserproben­nehmer im Einsatz. Weiter wurde die SSC an der Fassung mit dem CFDM-Gerät via Dichte gemessen. Gemäss dem CFDM erreichte die SSC 17 g/l. Vom CFDM gemessene hohe Werte wurden durch zwei Wasserproben von ca. 12 g/l während abnehmender SSC bestätigt. Für SSC < ca. 6 g/l, d. h. vor und nach der SSC-Spitze, lieferten alle Mess­ methoden ähnliche Werte. Aber in der Phase, als die SSC gemäss dem CFDM 6 g/l überschritt, zeigten die Trübungs­son­ den tiefere Werte, die als ungültig einge­ stuft wurden (gestrichelte Linienab­schnit­ te). Wie für das Hochwasser 2017 erläu­tert, 110

können solche zu tiefen Werte auftreten, wenn Trübungssonden überlastet sind. Da dies am KW Fieschertal bereits in früheren Jahren beobachtet worden war, wurde die Trübungssonde an der Wasserfassung im Jahr 2018 mit ei­nem CFDM-Gerät ergänzt, mit welchem auch hohe SSC gemessen

3.1  Typische Schäden und Revisionen An den beschichteten Peltonlaufrädern des KW Fieschertal wurde meist im Lauf einer Schwebstoffsaison die Hartbe­schich­ tung auf den Mittelschneiden und an den Becherausschnitten stellenweise oder sys­ tematisch abgetragen. Nach dem lokalen Verlust der Beschichtung wird das weniger harte Grundmaterial mit einer höheren Abtragsrate erodiert, wodurch Geo­me­trie­ veränderungen in der Grössen­ord­nung von mehreren Millimetern auftreten können (Felix, 2017). Diese wirken sich negativ auf den Wirkungsgrad aus. Im Gegensatz zu unbeschichteten Pelton­bechern, in denen der hydro-abrasive Ver­schleiss zu einer wel­ligen bzw. schuppenförmigen Ober­ fläche führt (z. B. Rai et al., 2017), blieben die Becherinnenseiten mit Ausnahme von Sekundärschäden meist voll­ flächig beschichtet. An den Laufrädern des KW Fieschertal werden kleine und grosse Revisionen durchgeführt. Eine kleine Revision umfasst das Schleifen der Mittelschneiden und Becher­ausschnitte sowie meist das Nachbe­schich­ten von Stellen, an denen die Beschichtung vollständig abgetragen wurde. Diese Arbeiten werden in den Winter­monaten im Gehäuse einer Turbine durchgeführt, währenddessen die andere MG betriebsbereit bleibt. Bei einer grossen Revision wird die Beschichtung ent-

Bild 9: Schwebstofftransport-Ereignis von anfangs Oktober 2020: Schwebstoff­ konzentrationen SSC bei den Fassungsbauwerken, die mit mehreren Methoden gemessen wurden (ungültige Messwerte von überlasteten Trübungssonden strichliert). «Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden


fernt, fehlendes Material aufge­schweisst, die ursprüngliche Geometrie wiederhergestellt, und nach einer thermischen Be­ handlung und Prüfungen die Beschich­ tung wieder aufgetragen. Eine grosse Re­ vi­sion wird extern ausgeführt und bedingt den Ausbau des Laufrads und den Einbau eines Ersatzlaufrads. Das Bild 10 zeigt ein Beispiel eines Laufradbechers mit fortgeschrittener, systematischer Abrasion der Mittelschneide und am Ausschnitt. Dieses Laufrad wurde nach der Schweb­stoffsaison 2017 ausgebaut und in die gros­se Revision beim Laufradher­stel­ler gege­ben. Seit seiner vor­ herigen grossen Re­vision im Jahr 2011 war es während sechs Schwebstoff­saisons im Einsatz. Von 2011 bis 2017 wurden die Mit­ telschneiden und Becherausschnitte fünfmal geschliffen und viermal nachbe­schich­ tet (Bild 3).

Bild 10: Abgenutzter Becher eines beschichteten Peltonlaufrads (Foto: VAW). 3.2 Verschleiss-Messungen Um den Verschleiss an den Peltonturbinen im KW Fieschertal zu bestimmen, wurden

die Bechergeometrie und die Beschich­ tungsdicken jeweils an zwei Bechern pro Laufrad in der Regel vor und nach der Schwebstoffsaison gemessen. Dabei ka­ men optische 3D-Vermessungen und mag­­netisch-induktive Schichtdickenmes­ sun­gen zum Einsatz (Abgottspon et al., 2016). Durch Vergleich von zu verschie­de­ nen Zeit­punkten durchgeführten Mes­sun­ gen konn­ten Geometrieänderungen und Ma­te­rial­verluste (Volumen- bzw. Massen­ dif­fe­ren­zen) bestimmt werden. Nachfol­ gend werden Auswertungen der 3D-Ver­ mes­sun­gen an den Mittelschneiden diskutiert. Ent­spre­chende Auswertungen wur­ den auch für die Becherausschnitte durch­ ge­führt. 3.3  Veränderungen der Mittelschneidengeometrie Die geometrischen Veränderungen der Mittelschneiden wurden unter anderem in Längsschnitten in der Symmetrieebene des Laufrads untersucht (Bild 11a). Damit die Höhenunterschiede infolge der Ab­ rasion an den Mittelschneiden besser sicht­ bar sind, wurde in der Höhe ein grösserer Massstab als in der Länge gewählt. Die Veränderungen der Mittelschneidenhöhen zwischen jeweils zwei Messungen sind im oberen Bildteil dargestellt. Das Bild 11a zeigt die Auswertung für das Laufrad 1, das im Jahr 2012 nach ei­ ner grossen Revision neuwertig in die Ma­ schi­nengruppe (MG) 1 eingebaut wurde und bis Ende 2017 im Einsatz war (Bild 10). Anfangs war die Oberkante der Mittel­ schnei­de gerade; durch den Verschleiss wurde sie wellig. Der Materialabtrag ist

etwa auf halber Länge der Mittelschneide am ausgeprägtesten. In der Schwebstoff­ saison 2012, mit Betrieb der Turbinen wäh­rend des Hochwassers ohne Schlies­ sen der Fassung, wurde die Mittel­schnei­ denhöhe um bis zu ca. 7 mm reduziert (hell­­blau). In den folgenden zwei Jahren bis En­de 2014 mit eher geringen Schweb­ stoff­frachten blieb die Geometrie der Mit­ tel­schneide annähernd unverändert. Nach weiteren drei Betriebsjahren und Re­ vi­ sions­­­arbeiten vor Ort war die Mittel­schnei­ ­­den­oberkante am Ende der Schweb­stoff­ sai­son 2017 bis zu weiteren ca. 11 mm tiefer (violett). In sechs Jahren wurde also die Mittelschneide um bis zu 18 mm abge­tra­ gen. Die Bilder 11b und 11c zeigen beispielhaft Mittelschneidenquerschnitte auf halber Länge der Mittelschneiden. Die Achsen wurden mit der inneren Becher­breite B normiert. Zu Beginn der Schwebstoff­sai­ sons sind die Schneiden normalerweise gerundet. In Schwebstoffsaisons ohne nen­­nenswerte Abrasion blieb die gerun­ de­te Form erhalten. Im Anfangsstadium der Grundmaterialabrasion auf den Mit­ tel­ schneiden entsteht eine schmale Nut, welche breiter wird. Dann brechen die überstehenden Beschichtungsränder an der einen oder später oft an beiden Flan­ ken ab. In Jahren mit starker Abrasion resultierten abgeplattete Querschnitte mit beidseitig ausgeprägten Kanten. An solchen abgestumpften Schneiden kann es zu Strömungsablösungen kommen, die zu Sekundärschäden durch Kavitation an den Flanken der Mittelschneiden oder im Becher führen können.

Bild 11: Abrasion an Mittelschneiden a) im Längsschnitt sowie b) und c) im Querschnitt (nachgeführt von Abgottspon et al. 2016). «Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

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Bild 12: Veränderungen der Mittelschneidenbreite s und der Becherausschnitts­ tiefe c für die beiden MG über neun Jahre. 3.4  Charakteristische Verschleiss­ grössen Von den aus den 3D-Vermessungen gewonnenen detaillierten Informationen zur Abrasion an den Mittelschneiden und den Becherausschnitten wurden zwei charakteristische Grössen abgeleitet, die den Ab­ nutzungszustand eines Laufrads zu ei­nem gegebenen Zeitpunkt einfach beschrei­ ben: Für die Abrasion an den Mittelschnei­ den wurde die Mittelschneidenbreite gewählt, da diese für die Strömung im Becher und somit den Turbinenwirkungs­grad wich­ ti­ger ist als die Mittelschneiden­höhe. Da­ mit die Mittelschneidenbreite auch bei gerundeten Querschnitten bestimmt werden kann, wurden je eine Tangente mit einer Steigung von 2:1 (vertikal:horizontal) auf jeder Seite der Mit­telschneide angelegt und die Querdistanz von deren Berüh­rungs­ punkten als Mittel­schneidenbreite verwen­ det (Abgottspon et al., 2013). Der charakte­ ristische Wert der Mittelschnei­denbreite s wurde als Mittelwert entlang der Mittel­ schnei­­den­länge im Bereich der verfügba­ ren Auf­nah­men definiert. Für die Abrasion an den Becher­aus­ schnitten wurde deren Vertiefung in radialer Richtung als charakteristische Grösse gewählt. Diese widerspiegelt auch die Ab­ nahme des hydraulisch wirksamen Lauf­ raddurchmessers. Der charakteristische Wert der Zunahme der Ausschnittstiefe c wurde als Mittelwert über die Strahlbreite definiert. Bei der ersten verfügbaren Ver­ messung eines eingebauten Laufrads wur­ de c = 0 gesetzt. Die charakteristischen Verschleiss­ grös­sen s und c wurden als Mittelwerte der beiden vermessenen Becher pro Laufrad bestimmt. Bild 12 zeigt, wie sich diese Grös­sen über die untersuchten neun Jahre entwickelten. Da die Mittelschneiden auch bei einem neuwertigen Laufrad nicht mes­ serscharf sind, sondern im Quer­schnitt einen gewissen Minimalradius aufweisen, ist s stets >0, während c für jedes eingesetzte Laufrad definitionsgemäss bei 0 112

beginnt. Die Zunahmen von s, also die Δs, verlaufen in der Regel ähnlich wie Δc. Dabei ist Δc meist etwas grösser als Δs, da die Abrasion am Ausschnitt im vorliegenden Fall schneller voranschreitet als auf der Mittelschneide. 4. Wirkungsgradänderungen 4.1 Wirkungsgradhistorien Die Wirkungsgradhistorie jeder MG, also die zeitliche Entwicklung ihres Wirkungs­ grades bis zur Gegenwart, wurde mit zwei Verfahren bestimmt: Einerseits wurden so­ genannte Sliding-Needle-Messungen (SNM) zu bestimmten Zeitpunkten vor allem vor und nach der Schwebstoffsaison durchge­ führt (Abgottspon & Staubli, 2008; Abgott­ spon et al., 2016). Andererseits wur­de ein kontinuierliches Wirkungsgradmoni­toring entworfen, umgesetzt und laufend aus­ge­ wertet (Abgottspon et al., 2021). Das Bild 13 zeigt die Wirkungsgrad­ historie der MG 1 in den Jahren 2012 − 2020 aufgrund der zwei erwähnten Ver­fah­ren. Die Wirkungsgraddifferenzen sind abso­lu­

te Prozentwerte, die auf den Wirkungsgrad bei den ersten SNM der jeweiligen MG bezogen sind. Am oberen Bildrand ist angegeben, welche Laufräder eingebaut wa­ ren. Am unteren Bildrand sind die Zeit­ punkte der Revisionsarbeiten, Laufrad­ wech­ sel und Ersatz der Düsenbauteile ge­­kennzeichnet. Bei der MG 1 kam es in der zweiten Hälfte des Jahres 2012, im Nachgang zum Hoch­wasserereignis vom 2. bis 3. Juli 2012, zu einer Wirkungsgradreduktion von ca. 1,0 Prozent. Durch die Revisionsar­bei­ten im Winter stieg der Wirkungsgrad um ca. 0,6 Prozent an und blieb in den Jahren 2013 – 2015 nahezu konstant. In den Jahren 2016 und 2017, also im 5. und 6. Einsatz­jahr des Laufrads 1 seit dessen grosser Re­vi­sion, nahm der Wirkungsgrad um rund 1,0 Pro­ zent bzw. sogar ca. 1,3 Pro­zent ab. Durch den Laufradwechsel im Winter 2017/2018 resultierte ein beträchtlicher Wieder­ an­ stieg des Wirkungsgradniveaus von unge­ fähr 1,6 Prozent. In den Jahren 2018 – 2020 nahm der Wirkungsgrad leicht zu. Ein wahr­ ­scheinlicher Grund dafür ist, dass die anfangs raue Hartbeschichtung in den Bechern durch das zeitweise feinsedimenthaltige Wasser poliert wurde und durch die abnehmende Rauheit vor allem im Becher­ grund geringere hydraulische Reibungs­ ver­luste resultierten. Ein weiterer mögli­cher Grund ist, dass das Schleifen der Mit­tel­ schneiden und der Becher­aus­schnitte zu hydraulischen Profilen mit vor­übergehend leicht höherem Wirkungsgrad führte. Bei den SNM ist die zeitliche Auf­lö­sung nicht so hoch, da deren Durch­füh­rung mit einem gewissen Aufwand verbunden ist

Bild 13: Wirkungsgradhistorie der MG 1 mit Revisionsarbeiten (grün; G = Schleifen, C = Nachbeschichten) und Ersatz (orange; R = Laufrad, N = Düsenkomponenten). «Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden


und diese im KW Fieschertal aufgrund der vorhandenen Instrumentie­rung, mit einer akustischen Durch­fluss­messung an der Druckleitung oberstrom des Hosenrohrs, nur im Einmaschinen-Betrieb durchgeführt werden können. Um Produktionsverluste in diesem KW ohne grösseren Speicher zu vermeiden, wurden die SNM vor allem aus­ serhalb der Volllast-Produktionszeit, d. h. vor Juni/Juli und nach August/September durchgeführt. Das kon­tinuierliche Wirkungs­ gradmonitoring ermöglicht hingegen eine höhere zeitliche Auflösung, was insbe­son­ dere während der Sommermonate interessant ist (z. B. in den Jahren 2016 und 2017 in Bild 13); dafür ist die Unsicherheit in den Wirkungsgrad­differenzen grösser, da die Streuung der Punkte grösser ist. Die beiden Methoden ergänzen einander. Das kon­tinuierliche Wirkungsgradmoni­tor­ ing lie­fert Wirkungs­grade, die generell gut mit jenen von den SNM übereinstimmen. Die Abweichungen bewegen sich in der Grös­senordnung von ± 0,2 Prozent. Die gemessenen Wirkungsgradunter­ schiede im Prozentbereich sind wirt­schaft­ lich relevant: Mit einer Jahrespro­duktion des KW Fieschertal von ca. 160 GWh entspricht eine Wirkungsgradreduktion von 0,5 Prozent bis 1 Prozent einem Produk­ tionsverlust von 800 bis 1600 MWh/Jahr. Mit einem angenommenen Strompreis von 50 CHF/MWh entspricht dies Minder­ einnahmen von 40 bis 80 kCHF/Jahr. 4.2  Kennwerte aus den Wirkungsgradhistorien Als Grundlage für Wirtschaftlich­keits­be­ trachtungen wurden folgende Wir­kungs­­ gradunterschiede aus den Historien ausgewertet (Abgottspon et al., 2021): • Zunahme infolge kleiner Revisionen: Schleifen und Nachbeschichten in 8 Fällen im Mittel + 0,12 Prozent oder Schleifen in anderen 3 Fällen mit stumpferen Schneiden im Mittel +0,43 Prozent; je nach Ausmass des Verschleisses in der vorherigen Saison und Laufradzustand; erweiterte Mess­unsicherheit bisher so gross wie der Mittelwert oder grösser. • Abnahme während der Schwebstoff­ saisons: 0 bis − 1,3 Prozent, im Mittel −0,35 Prozent ± 0,22 Prozent (erweiterte Standardabweichung von 17 Werten) je nach Schwebstofffracht und Laufradzustand (Schneidengeo­ metrie und Nachbeschichtung) vor der Schwebstoffsaison, wobei der Wirkungsgrad mit zunehmender Schadens­entwicklung progressiv abnimmt.

Insbesondere bei den Wirkungsgrad­un­ ter­schieden infolge Revisionen ist die Un­ sicherheit wegen der wenigen bisher verfügbaren Werte hoch. Mit weiteren Beob­ achtungsjahren und entsprechender Aus­ wertung kann die Unsicherheit reduziert werden. 4.3  Wirkungsgradreduktionen je nach Verschleiss Aufgrund der Wirkungsgradhistorien wur­ de auch das sogenannte Wirkungs­grad­ defizit jeder MG betrachtet, d. h. um wie viel Prozent der aktuelle Wirkungsgrad tiefer liegt als der Referenzwirkungsgrad von der ersten SNM pro Laufradgeneration bei der entsprechenden MG. Im Bild 14 sind die Wirkungsgrad­de­ fizite in Funktion der relativen Mittelschnei­ den­breite im Lauf der Jahre dargestellt. Die relative Mittelschneidenbreite ist die absolute Mittelschneidenbreite s, normiert mit der inneren Becherbreite B. Diese di­ men­sionslose Grösse widerspiegelt den Ab­nutzungszustand eines Laufrads. Brekke et al. (2002) gaben als typische Grössen­ ordnung für unbeschichtete Becher an, dass der Turbinenwirkungsgrad bei Voll­ last um etwa 1 Prozent abnehme, wenn s/B = 1 Prozent beträgt (sogenannte Faust­ formel von Brekke). Beim Laufrad 5 mit einem neuen hydraulischen Design war die Mittelschneide bereits im fabrikneuen Zustand breiter als bei den Laufrädern der früheren Gene­ra­ tion (Laufräder 1 bis 4). Beim neuen Lauf­ rad-Design wurde offenbar die Robustheit gegenüber hydro-abrasivem Verschleiss höher gewichtet als der Spitzenwirkungs­ grad im Neuzustand. Im Lauf der vier Jah­

re, in denen dieses Laufrad in der Un­ter­ su­chungsperiode im Einsatz war, gab es eine leichte Mittelschneiden­ver­brei­te­rung, während der Wirkungsgrad leicht ab­ nahm. Die Datengrundlage ist aber noch zu wenig aussagekräftig. Für die Laufräder 1 und 3 kann hinge­ gen ein klarer Trend identifiziert werden. Es resultierte für diesen Laufradtyp eine Wirkungsgradabnahme, die gut der doppelten relativen Mittelschneiden­ver­brei­ terung entspricht. Die mittlere Wir­kungs­ gradreduktion im KW Fieschertal ist also etwa doppelt so gross wie gemäss der Faustformel von Brekke zu erwarten war. Weiter sind im Bild 14 entsprechende Re­sultate von mehreren unbeschichteten und beschichteten Laufrädern des KW Dorfer­bach dargestellt (Maldet, 2008; weitere Daten der TIWAG in Felix, 2017). In jenem KW sind die Laufräder bedeutend kleiner und die Becher nur etwa ein Drittel so breit wie im KW Fieschertal. Aufgrund der Normierung der Mittelschneidenbreite mit der Becherbreite können die Stei­gun­ gen der Trendlinien trotzdem verglichen wer­den. Für die Laufräder der älteren Ge­ ne­­ration im KW Fieschertal resultierte eine grössere Wirkungsgradreduktion als im Durchschnitt im KW Dorferbach. Dies und der Vergleich mit der Faustformel von Brek­ ke zeigt, dass für Prognosen be­ trächt­­ liche Unterschiede vorliegen. Um ein Prog­nosemodell zuverlässiger zu ge­ stal­ ten, sind jeweils anlagespezifische Mes­­sun­gen, weitere Untersuchungen in anderen Kraftwerksanlagen und systematische Untersuchungen im Labor mit ent­ spre­chen­­der Klassifizierung bzw. Parame­ tri­sie­rung erforderlich.

Bild 14: Wirkungsgradabnahme mit zunehmender relativer Mittelschneidenbreite.

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5.  Ausserbetriebnahmen während Hochwasser 5.1  Bestimmung der Abschalt­ konzentration Eine wichtige Möglichkeit zur Betriebs­ opti­mierung von Laufwasserkraftanlagen bezüglich Abrasion besteht darin, diese in Phasen mit ausserordentlich hohem Sedi­ mentaufkommen vorübergehend ausser Betrieb zu nehmen, d. h. die Wasser­fas­sung zu schliessen. Für die Umsetzung dieser Betriebsoption stellt sich die Frage, wie hoch der Schwellen­wert, die sogenannte Abschalt-SSC, gewählt werden soll. Bei zunehmender SSC steigen die Kosten, die durch die Fein­se­dimente verursacht werden. Wenn diese Kosten bezogen auf die produzierte kWh höher sind als der Strom­ preis, ist der Be­trieb unwirtschaftlich, da die Kosten den Erlös übersteigen. Aufgrund der Daten der ersten drei Pro­jektjahre (2012 – 2014) und mit einem Strom­preis von ca. 50 CHF/MWh (5 Rp./ kWh), der jahrelang üblich war, wurde die Ab­­schalt-SSC auf 10 g/l geschätzt (Abgott­ spon et al., 2016). Zum Schluss des Pro­ jekts wur­den die Berechnungen aufgrund der längeren Datenbasis der Jahre 2012 – 2020 wie folgt aktualisiert: • Die durch Feinsedimente bedingten Kosten an beiden MG beliefen sich im Mittel über die neun Jahre auf 290 kCHF/Jahr. • Die mittlere turbinierte Schweb­stoff­ fracht SSL betrug 75 000 t/Jahr (Bild 6). • Mit der vereinfachenden Annahme, dass die durch Feinsedimente verursachten Kosten proportional zur Schwebstofffracht sind, ergeben sich damit spezifische Kosten pro Tonne

Feinsediment von 290 kCHF/75 000 t ≈ 3.90 CHF/t = 0,39 Rp/kg (erste Schätzung ergab 0,66 Rp/kg). • Bei der mittleren SSC = 0,53 g/l resultieren durch Feinsedimente verursachte spezifische Kosten von 0,39 Rp/kg ∙ 0,53 kg/m3 = 0,21 Rp/m3 Wasser. • Mit dem Arbeitswert des Wassers im KW Fieschertal entspricht dies 0,21 Rp/m3 /1,2 kWh/m3 = 0,17 Rp/kWh = 1.70 CHF/MWh. • Bei einer ca. 30-mal höheren Konzentration als die mittlere SSC von 0,53 g/l sind die spezifischen Kosten entsprechend höher und erreichen den angenommenen Strompreis von 50 CHF/MWh. So wurde der typische Wert der AbschaltSSC auf 0,53 ∙ 30 ≈ 15 g/l geschätzt (Schnitt­ punkt der ansteigenden Kosten mit der horizontalen Linie des typischen Strom­ prei­ses im Bild 15). Bei höherem Strom­ preis – wie z. B. im Winter 2021/2022 und an­gedeutet durch den grünen Variations­ bereich – ist die wirtschaftliche AbschaltSSC entsprechend höher. Bei stark variierenden Strompreisen wäre prüfenswert, die Abschalt-SSC dynamisch in Ab­hän­ gig­keit des aktuellen Strompreises (und ggf. weiterer Aspekte, siehe Abschnitt 5.3) im Leitsystem zu implementieren. Die Abschalt-SSC ist anlagespezifisch, da der Wert von vielen Faktoren, welche die Abrasion und die Wirtschaftlichkeit be­ einflussen, abhängt (Fallhöhe; Typ, Bauart und Grösse der Turbine und deren spezifische Drehzahl; Eigenschaften der Sedi­ mentpartikel, Material und Beschichtung der wasserberührten Turbinenkom­po­nen­

Bild 15: Bestimmung der Abschalt-Schwebstoffkonzentration für das KW Fieschertal. 114

ten; Revisionsarbeiten). Gemäss den weni­ gen auffindbaren Literaturangaben liegen Abschalt-SSC bei andern Mittel- und Hoch­ druck-Wasserkraftanlagen im Be­reich von 1,1 bis 10 g/l (Felix, 2017). Die Abschalt-SSC im vorliegenden Fall ist also höher als die bisher in der Literatur vorhandenen Werte. Die SSC von 15 g/l wird im Mittel an nur ca. 3 h pro Jahr überschritten. Da in ei­ni­gen Jahren keine solchen Ereignisse vor­kom­ men, können in Jahren mit einem grös­se­ ren Hochwasser SSC >15 g/l während ei­ nes halben bis ganzen Tages pro Jahr vorkommen. Weil die Ausser- und Wiederinbetrieb­ nahme der Anlage mit einem gewissen Auf­ wand verbunden ist, wurde vorge­schla­gen, mit der Wiederinbetriebnahme zuzuwarten, bis die SSC an der Wasserfassung unter die halbe Abschalt-SSC gesunken ist. 5.2  Wirtschaftlichkeit von Ausserbetriebnahmen Im Hochwasser 2012 wurde das KW Fieschertal wie erwähnt durchgehend betrieben. An einem Laufrad, das anfangs der Schwebstoffsaison nicht in neuwer­ tigem Zustand war, trat so starker Ver­ schleiss auf, dass es während der Voll­last­ zeit ausgewechselt werden musste. Im Nachhinein wurde abgeschätzt, dass eine Abschaltung während ca. 16 h einen wirt­ schaft­lichen Vorteil in der Grössenordnung von 200 kCHF ergeben hätte (Abgottspon et al., 2016). In der Folge wurden automa­ti­ sche Alarme vor hohen SSC im Leit­sys­tem definiert. Die Betriebsorganisation wur­de so angepasst, dass der Pikett-Mitarbeiter die Kompetenz hat, die Anlage bei Über­ schreiten der Abschalt-SSC aus­ser Be­ trieb zu nehmen, nachdem er unter anderem die Messwerte als plausibel einge­ schätzt, den Wetterbericht berücksich­tigt und den Strombezüger informiert hat. Im Hochwasser 2017 wurde das KW Fieschertal wie im Abschnitt 2.6 beschrie­ ben abgestellt, nachdem die SSC in der Schieberkammer um 20 Uhr die dama­lige Abschalt-SSC von 10 g/l überschritt (Felix et al., 2021). Im Hochwasser 2017 war die maximale SSC höher als im Hoch­wasser 2012, obwohl die Abflussspitze kleiner war. Das Kriterium für die Wie­der­in­be­trieb­ nahme war bereits um zwei Uhr nachts, also 6 h nach der Abschaltung, erfüllt. Da die Kühlwasserentsandungsanlage während des Still­stands bei hoher SSC durch Fein­sedi­mente verstopft wurde, waren aber für die Wiederinbetriebnahme zusätzliche Mitar­beiter erforderlich, welche erst am Vor­ ­mit­tag jenes Sonntags verfügbar wa­ren. Da­her standen die Turbinen gut 11 Stun­den

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still. Mit der durchgeführten Abstellung kon­n­ten zwei Drittel der potenziellen Se­ di­mentfracht jenes Ereignisses vom Kraft­ werk ferngehalten werden und die Ab­ stellung war wirtschaftlich. Wenn bereits im Jahr 2017 ein CFDM an der Wasserfassung installiert gewesen wäre, hätte die Fassung aufgrund von des­ sen Messwerten bestenfalls eine Stunde früher geschlossen werden können. Mit ei­ner früheren Abstellung wäre weniger Feinsediment ins System gelangt, sodass die Wiederinbetriebnahme einfacher und im besten Fall, auch je nach Personal­ver­ fügbarkeit, schon während der Nacht­stun­ den möglich gewesen wäre. Mit dem in Bild 8 rot dargestellten optimierten Ab­ schalt-Szenario hätten 82 Prozent der po­ tenziellen Sedimentfracht jenes Ereig­nis­ ses vom Kraftwerk fernge­halten werden können. Mit den aktualisier­ten feinsedimentbedingten Kosten wurde geschätzt, dass bei einem Strompreis von 50 CHF/ MWh ein wirtschaftlicher Vorteil von ca. 26 kCHF resultiert hätte (Tabelle 1). Bei ei­ nem tieferen Strompreis (wie in ver­gan­ge­ nen Jahren im Sommer während der Nacht­ stunden insbesondere am Wochen­ende) wäre die Abschaltung noch wirt­schaft­li­ cher gewesen. Nur bei einem Strom­preis über 110 CHF/MWh hätte ein durchge­hen­ der Betrieb wirtschaftlich begründet werden können. Beim kleineren Schwebstofftransport­ er­eignis im Oktober 2020 (Abschnitt 2.7), mit moderatem Abfluss und nicht so ho­ her SSC-Spitze, wurde der Kraftwerks­be­ trieb während 15 Stunden eingestellt. Dies erwies sich im Nachhinein als leicht unwirtschaftlich. Solche Ergebnisse sind in Kauf zu nehmen, da zu Beginn und wäh­ rend der Er­eig­nisse unklar ist, wie sich das Wet­ter, der Abfluss und die SSC weiter ent­ ­­wickeln werden. Mit der aktualisierten Ab­ schalt-SSC von 15 g/l und einem leicht erhöhten Strompreis (>70 CHF/MWh) hät­te das KW Fieschertal in diesem Ereig­nis durchge­hend wirtschaftlich betrieben wer­ den können.

5.3 Weitere Aspekte Im vorherigen Abschnitt wurde aufgezeigt, wie wichtig der aktuelle Strompreis während solcher vorübergehenden Ausser­be­ triebnahmen ist. Im Folgenden werden zwei weitere Aspekte diskutiert, die einen Ein­ fluss auf die Abschalt-SSC haben. Falls gröbere Partikel als üblich im Triebwasser vorhanden sind, wird eine erhöhte Abrasionsrate erwartet und somit sind die feinsedimentbedingten Kosten zeit­ weise höher (grössere Steigung in Bild 15). Wenn also bei Hochwasser gröbere Par­ tikel im Triebwasser vorhanden sind als gewöhnlich, ist prinzipiell eine tiefere Ab­ schalt-SSC zu wählen. Dies wurde aber im KW Fieschertal aus folgenden Gründen bisher nicht umgesetzt und stattdessen eine konstante mittlere Partikelgrösse angenommen: • Mit der derzeit auf dem Markt erhältlichen Messtechnik können Partikel­ grössen nicht mit vertretbarem Auf­wand in Echtzeit und bei hohen SSC genügend zuverlässig gemessen werden. • Der Einfluss der Partikelgrössen auf die Abrasion an verschiedenen Stellen eines (beschichteten) Peltonbechers ist bisher in der Forschung nicht restlos geklärt. • Die Messungen im KW Fieschertal zeigten, dass gröbere Partikel in der Druckleitung vorwiegend infolge Resuspension bei tiefen Wasser­ ständen im Speicherstollen, also nicht infolge Hochwassers, auftraten. Einen weiteren Einfluss auf die AbschaltSSC hat die Resteinsatzdauer der Turbi­ nenbauteile bis zu ihrer nächsten grossen Revision bzw. ihrem Ersatz. So kann bei einem Laufrad, das im kommenden Winter sowieso in eine grosse Revision gegeben oder entsorgt wird, insbesondere gegen das Ende einer Schwebstoffsaison eine höhere Abschalt-SSC gewählt werden, da für wenige verbleibende Monate ein grösserer Verschleiss und entsprechende Min­

Angenommener Strompreis [CHF/MWh]

30

50

100

Mindereinnahmen infolge Stillstand während ca. 6.5 h in Volllastzeit (64 MW), Produktionsverlust 420 MWh

− 13 kCHF

− 21 kCHF

− 42 kCHF

Vermiedene feinsedimentbedingte Kosten (Revisionen, Wirkungsgrad) ca. 12'000 t à 3.90 CHF/t für beide MG

+ 47 kCHF

+ 47 kCHF

+ 47 kCHF

Total (ohne allfällige Pönale)

+ 34 kCHF

+ 26 kCHF

+ 5 kCHF

Tabelle 1: Wirtschaftlichkeit der Ausserbetriebnahme während des Hochwassers vom 29. Juli 2017 (Szenario von Bild 8). «Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

der­produktion eher toleriert werden können. 6.  Wirtschaftlichkeit von Unterhaltsmassnahmen 6.1 Kleine und grosse Revisionen Wie im Abschnitt 3.1 erwähnt, werden im KW Fieschertal an den Laufrädern kleine und grosse Revisionen durchgeführt. Die kleinen Revisionen werden in der Regel in jedem Winter durchgeführt. In Jahren mit unterdurchschnittlicher Schwebstofffracht und bei Laufrädern in gutem Zustand kann darauf verzichtet werden. Kleine Re­visio­ nen kosteten etwa 5 Prozent des An­schaf­ fungs­preises eines neuen beschich­teten Laufrads, wenn beide MG gleichzeitig nach­ zubeschichten waren. Darin sind auch die Kosten für die Revisions­arbeiten an weiteren Komponenten im Tur­binengehäuse wie die Düsenschutz­dächer und die Strahlab­ lenker enthalten. Die grossen Revisionen, d. h. General­ überholung des Laufrads mit Neube­schich­ tung in der Regel beim Hersteller, werden im KW Fieschertal etwa alle 6 Jahre fällig. Nach einer grossen Revision wird wieder etwa der anfängliche Wir­kungsgrad erreicht und das Laufrad kann bezüglich des Wirkungsgrads als neuwer­tig bezeichnet werden. Eine grosse Re­vision wird in der Regel nach einem Lauf­radwechsel einge­ leitet, ausser wenn das Laufrad nicht mehr verwendet werden soll (z. B. wegen Er­mü­ dung oder neuem hydrau­lischem Design). Die Kosten einer gros­sen Revision lagen in der Grössen­ordnung von 40 Prozent des Neupreises. Da die gros­sen Revisionen ein bedeutender Kos­ten­faktor sind, wurde der wirtschaftlichste Zeitpunkt eines Laufrad­ wechsels untersucht. 6.2  Optimaler Zeitpunkt eines Laufradwechsels Je länger das Intervall zwischen den grossen Revisionen ist, desto kleiner werden die dadurch verursachten jährlichen Kos­ ten (Annuität). Andererseits nimmt der Wir­kungs­grad progressiv ab, und dementsprechend nehmen die Produktions­ein­ bussen und Mindereinnahmen immer stär­ ­ker zu. Für den Kraftwerksbetreiber stellt sich daher jeweils im Spätherbst die Fra­ ge, ob im kommenden Winter • das Laufrad ausgebaut und ein neu­wertiges Ersatzlaufrad eingebaut werden (Variante A), oder • nur eine kleine Revision durchgeführt und das Laufrad im nächsten Winter ausgewechselt werden soll (Variante B). 115


Bild 16: Wirkungsgradhistorie der MG 1 mit erwarteten Wirkungsgradverläufen je nach Zeitpunkt des Laufradwechsels. Diese Frage nach dem optimalen Zeit­punkt eines Laufradwechsels wird im Fol­gen­den am Beispiel der MG 1 im Spät­herbst 2016 unter wirtschaftlichen Gesichts­ punkten un­ter­sucht. Das Laufrad 1 war damals seit sei­ner letzten grossen Re­vision fünf Schweb­ stoffsaisons im Einsatz und sein Wirkungs­ grad hatte um 1,4 Pro­zent abgenommen, wie der gelbe Punkt auf der schwarzen Linie in Bild 16 zeigt. Bei dieser Linie handelt es sich um die Aus­gleichskurve der Wirkungsgrad­ historie aus Bild 13. Weiter sind die in den Va­ri­an­ten A und B damals erwarteten Wir­ kungs­gradverläufe (gestrichelte Linien) dar­ ge­stellt. Wenn der Laufradwechsel im betrachteten Winter durchgeführt worden wäre (Variante A), wäre anfangs der folgenden Schwebstoffsaison kein Wirkungs­grad­ defizit mehr vorhanden gewesen (blaue Linie). Mit dem Laufradwechsel erst im nächsten Winter (Variante B, wie ausge­ führt), war eine weitere Abnahme des Wir­ kungsgrads zu erwarten (rote Linie). Die erwarteten Wirkungsgradverläufe wurden aufgrund des Wirkungsgradniveaus zum Betrachtungszeitpunkt (−1,4 Prozent), der Kennwerte aus Abschnitt 4.2 und der mittleren Erwartungswerte der progressiven Wirkungsgradabnahme prognostiziert. Kostenelement

6.3  Untersuchung der Wirtschaftlichkeit In Tabelle 2 werden die Kosten der beiden Varianten gegenübergestellt. In Variante B werden die Kosten der grossen Revision auf ein Jahr mehr verteilt und sind daher weniger hoch. Da die Düsenbauteile am einfachsten gleichzeitig mit dem Laufrad ersetzt werden, wurden auch deren Kos­ ten auf die entsprechenden Jahre verteilt. Eine kleine Revision wird in beiden Vari­an­ten fällig, entweder im betrachteten oder im nächsten Winter. Da im Winter 2016/2017 bei der anderen MG das Lauf­ rad gewechselt wurde, wurde auf das Nach­beschichten des betrachteten Lauf­ rads aus Kostengründen verzichtet. Des­ halb waren damals die Kost­en für die kleine Revision in Variante B tiefer. Der Hauptunterschied liegt bei den wirkungsgradbedingten Minderein­nah­men: Für das Jahr nach dem untersuchten Ent­ scheidungszeitpunkt war in Variante B ein mittleres Wirkungsgraddefizit von gut 1,6 Prozent zu erwarten (Mittelwert der roten ge­strichelten Linie in Bild 16), mit dem frühe­ ren Laufradwechsel hingegen nur knapp 0,2 Prozent (blau gestrichelte Linie), was zu ca. 60 kCHF höheren Einnahmen geführt hätte. In Summe wäre Variante A mit dem

Variante A: Laufradwechsel im betrachteten Winter

Variante B: Laufradwechsel im nächsten Winter

Annuität für grosse Laufradrevision und Ersatz der Düsenbauteile

79 kCHF

68 kCHF

Revisionsarbeiten vor Ort

46 kCHF

26 kCHF

Wirkungsgradbedingte Mindereinnahmen

7 kCHF

68 kCHF

Total

132 kCHF

162 kCHF

Tabelle 2: Wirtschaftlichkeit des in Bild 16 untersuchten Laufradwechsels zu zwei Zeitpunkten. 116

früheren Laufradwechsel um ca. 30 kCHF wirtschaftlicher gewesen (Tabelle 2). Selbstverständlich spielen für die Pla­ nung von Revisionen und Ersatzan­schaf­ fungen nebst der Wirtschaftlichkeit auch andere Aspekte wie die Verfügbarkeit von Personal und Partnern, akzeptable Be­ triebsunterbrüche, die Beschaffungs­stra­ tegie oder andere Projekte im Kraft­werks­ park eine Rolle. Zum Schluss wurde der erwartete und der tatsächliche Wirkungsgradverlauf im Jahr 2017 verglichen (rote und schwarze Linien in Bild 16). Durch das Schleifen der Mit­tel­schneiden und der Ausschnitte im Winter 2016/2017 stieg der Wirkungsgrad deutlich stärker als aufgrund des mittleren Erfahrungswerts erwartet wurde. Aber in der Schwebstoffsaison 2017 nahm der Wirkungsgrad rasch stark ab und sank etwa auf das erwartete Niveau. Die Prog­ nose des Wirkungsgrads am Ende der kommenden Schwebstoffsaison war also realistisch und hätte so die Wahl der wirt­ schaftlicheren Variante ermöglicht. 6.4  Nutzen des Wirkungsgrad­ monitorings Als Grundlage für die Planung und wirt­ schaftliche Begründung von Unterhaltsbzw. Revisionsmassnahmen sind die Wir­ kungsgradhistorien eine unabdingbare Grund­­lage. Einerseits geben sie das aktuelle Wirkungsgraddefizit an, welches u. a. für die Berechnung der erwarteten wir­ kungs­gradbedingten Mindereinnahmen er­ ­forderlich ist. Andererseits können aus den Wirkungsgradhistorien typische Werte und deren Bandbreite für jährliche Wir­kungs­ gradabnahmen oder bestimmte Re­vi­sions­ ­ar­beiten ermittelt werden, welche für die Prog­nose der wirtschaftlichen Aus­wir­kun­ gen von Revisionsmassnahmen nütz­lich sind. 7. Schlussfolgerungen Am KW Fieschertal konnte eine detaillierte Messreihe der Schwebstoffbelastung, der Turbinenabrasion und der Wirkungs­grad­ änderungen von zwei grossen, beschich­ teten Peltonturbinen über neun Jah­re zusammengestellt und unter Be­rücksich­ti­ gung wirtschaftlicher Aspekte analysiert werden. Zur Reduktion der Un­sicherheiten wurden mehrere Mess­me­tho­den, insbe­ sondere für die Messung der SSC, kombiniert. In der Literatur war eine vergleichba­ re Untersuchung bisher nicht verfügbar. Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Projekt lassen sich wie folgt zusammenfassen:

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• Die Messung der Schwebstoff­konzen­tra­ tion mit geeigneter, oft kombinierter In­strumentierung ist die Grundlage da­für, rechtzeitig und zu­verlässig Alarme auszulösen, um Wasser­kraft­anlagen wäh­rend hoher Schwebstoff­belastung vorübergehend ausser Betrieb zu neh­men und Turbinen vor übermässi­gem hydroabrasivem Verschleiss zu schützen. • Die Abschalt-Schwebstoffkon­zen­tra­ tion für solche vorübergehenden Aus­serbetriebnahmen liegt gemäss bisher bekannten Beispielen zwischen 1 bis 15 g/l und kann unter Berück­sichtigung des Strompreises für eine bestimmte Anlage rechnerisch abgeschätzt werden. • Das kontinuierliche Monitoring, ins­­besondere des Wirkungsgrads der einzelnen Maschinen, ist die wichtigste Grundlage für die wirtschaftliche Opti­mierung des Betriebs von Wasser­kraftanlagen an sedimentführenden Fliessgewässern. • Weil jedes Jahr bezüglich Hochwasser, Revisionsgeschichte der Laufräder etc. unterschiedlich ist, ist die Optimierung nur aufgrund von zuverlässigen Mess­daten über mehrere Jahre möglich. Nur so können aussagekräftige Werte bestimmt werden. • Für die Optimierung des Laufrad­unterhalts wurde aufgezeigt, wie der wirtschaftlichste Zeitpunkt für einen Laufradwechsel, der in der Regel eine grosse Revision auslöst, ermittelt werden kann.

Zahlreiche Erkenntnisse aus dem Projekt, beispielsweise betreffend das Monitoring der Schwebstoffe, die Abrasion der Tur­ binen und ihrer Wirkungsgrade oder die aufge­zeigten Methoden für die Ab­schät­ zung der Abschalt-SSC und der optimalen Revi­sions­zeitpunkte, lassen sich auf andere Wasserkraftanlagen übertragen. Um auf die Eigenheiten der entsprechenden Ein­zugsgebiete, Kraftwerksanlagen und Mess­ stellen einzugehen, sind fallweise Über­­legungen und Anpassungen erfor­ der­lich. Das systematische Schliessen von Fas­sungen bei einer Überschreitung eines SSC-Schwellenwerts kann nicht nur bei Laufwasserkraftwerken, sondern auch bei gewissen Wasserfassungen von Spei­cher­ kraftwerken angewandt werden, z. B. an Bachfassungen direkt am Triebwasser­ system oder Überleitungen zu Stauseen. Weiter sind die Erkenntnisse aus diesem Projekt auch für Speicher­ wasser­ kraft­werke, die bisher nicht von Turbi­nen­ abrasion betroffen waren, aus zwei Grün­ den relevant: Einerseits kann die fortschrei­ tende Speicherverlandung dazu führen, dass mehr Sedimentpartikel ins Trieb­was­ ser gelangen. Andererseits kann es für den langfristigen Erhalt der Nutz­vol­u­men mangels Alternativen erforderlich wer­den, Feinsedimente vermehrt über den Trieb­ wasserweg abzuleiten, wobei verstärkte Turbinenabrasion in Kauf zu nehmen und

Quellen: Abgottspon, A. (2011): Messung abrasiver Partikel in Wasserkraftanlagen. Masterarbeit (unveröffentlicht), Kompetenzzentrum Fluidmechanik und Hydro­maschinen, Hochschule Luzern. Abgottspon, A., Staubli, T. (2008): Index Tests of a Francis Unit using the Sliding Gate Method. Proc. 7th Intl. Conf. on Hydraulic Efficiency Measurements, IGHEM, Milano. Abgottspon, A., Stern, P., Staubli, T., Felix, D., Winkler, K. (2013): Measuring Turbine Abrasion and Efficiency Decrease: First Results of the Case Study at HPP Fieschertal. Proc. Hydro 2013, Innsbruck: paper no. 18.05. Abgottspon, A., Felix, D., Boes, R., Staubli, T. (2016): Schwebstoffe, hydro-abrasiver Verschleiss und Wirkungs­ gradänderungen an Peltonturbinen – Ein Forschungsprojekt am KW Fieschertal. Wasser Energie Luft, 108. Jahrgang, Heft 1: 9–24. Abgottspon, A., von Burg, M., Staubli, T., Felix, D. (2021): Analysis of hydro-abrasive erosion and efficiency changes measured on the coated Pelton turbines of HPP Fieschertal. Proc. 30th IAHR Symposium on Hydraulic Machinery and Systems, Lausanne. IOP Conf. Series: Earth Environ. Sci., 774, 012030. Boes, R. (2010): Kontinuierliche Messung von Schwebstoffkonzentration und -korngrössenverteilung im Triebwasser und Quantifizierung der Hydroabrasion an einer Peltonturbine. Wasser Energie Luft, 102. Jahrgang, Heft 2: 101–107. Boes, R. M., Felix, D., Albayrak, I. (2013): Schweb­ stoffmonitoring zum verschleissoptimierten Betrieb von Hochdruck-Wasserkraftanlagen. Wasser Energie Luft, 105. Jahrgang, Heft 1: 35–42.

Brekke, H., Wu, Y. L., Cai, B.Y. (2002): Design of Hydraulic Machinery Working in Sand Laden Water. In Duan C. G. & Karelin V. Y. (eds.), Abrasive Erosion & Corrosion of Hydraulic Machinery (pp. 155–233). Imperial College Press, London. Felix, D. (2017): Experimental investigation on suspended sediment, hydro-abrasive erosion and efficiency reductions of coated Pelton turbines. VAW-Mitteilungen 238 (Boes R., ed.) und Dissertation 24145, ETH Zürich. Felix, D., Albayrak, I., Boes, R. (2017): Weiterleitung von Feinsedimenten via Triebwasser als Massnahme gegen die Stauraumverlandung. Wasser Energie Luft, 109. Jahrgang, Heft 2: 85–90. Felix, D., Abgottspon, A., Albayrak, I., Boes, R. (2021): Tempo­rary shutdowns of the high-head run-of-river HPP Fieschertal to prevent excessive turbine erosion during floods. Proc. 30th IAHR Symposium on Hydraulic Machinery and Systems, Lausanne. IOP Conf. Series: Earth Environ. Sci., 774, 012029. Felix, D., Abgottspon, A., Staubli, T., von Burg, M., Kastinger, M., Albayrak, I., Boes, R. (2022): Unter­suchung der Schweb­stoffbelastung, der hydro-abrasiven Erosion und der Wirkungsgradänderungen an beschich­teten Pelton­turbinen in der Hochdruck­wasser­kraft­anlage Fieschertal. Schlussbericht vom 06.2022 an das BFE. VAW der ETH Zürich und Kompetenzzentrum Fluid­mechanik und Numerische Methoden der Hochschule Luzern. Hassler, P., Schnablegger, W. (2006): Pelton runner maintenance and its results at Verbund-Austrian Hydro Power AG. Proc. 14th Intl. Seminar on Hydropower Plants, Doujak E. (ed.), Vienna: 445–454. IEC 62364 (2013/2019): Guide for dealing with hydro-abrasive erosion in Kaplan, Francis, and Pelton turbines. 1st/2nd edition. International Electrotechnical Commission, Geneva.

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die maschinelle Ausrüstung entsprechend zu entwerfen bzw. anzupassen ist. Verdankung Das Forschungsprojekt wurde durch swiss­ electric research, das Schweizer Bundes­ amt für Energie (BFE) und die Gommer­ kraftwerke AG (gkw) finanziell unterstützt. Weiter arbeiteten an diesem Projekt zeitweise VAW-Mitarbeiter im Rahmen des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Energieforschung – Strombereitstellung (SCCER-SoE), welches durch Innosuisse gefördert wurde. Von den Firmen Sigrist Photometer, Endress+Hauser und Rittmeyer wurden Schwebstoffmessgeräte leihweise zur Verfügung gestellt. Die Autoren bedanken sich bei allen Projektbeteiligten, ins­besondere bei Bernhard Truffer und Martin Perren (gkw), Martin von Burg und Dr. Peter Gruber (HSLU) sowie Maximilian Kastinger und Dr. Ismail Albayrak (VAW) für ihre Mitarbeit bei den Untersuchungen. Dokumentation Der ausführliche Schlussbericht über die Untersuchung am KW Fieschertal (Felix et al., 2022) mit Details zu allen Messstellen und weiteren Ergebnissen wird auf ARAMIS, der Forschungsdatenbank des Bundes, publiziert: www.aramis.admin.ch/Texte/? ProjectID=40669.

Maldet, R. (2008): Pelton runner with high erosion caused by glacier sediment: assessment and measures. Proc. 15th Intl. Seminar on Hydropower Plants, Doujak E. (ed.), Vienna: 639–646. Rai, A. K., Kumar, A., Staubli, T. (2017): Hydro-abrasive erosion in Pelton buckets: Classification and field study. Wear, 392–393: 8–20. Voichick, N., Topping, D.J., Griffiths, R. E. (2018): False low turbidity readings from optical probes during high suspended-sediment concentrations. Hydrology and Earth System Sciences, 22(3): 1767–1773. Wittmann, H., von Blanckenburg, F., Kruesmann, T., Norton, K. P., Kubik, P. W. (2007): Relation between rock uplift and denudation from cosmogenic nuclides in river sediment in the Central Alps of Switzerland. Journal of Geophysical Research 112: F04010. Autoren: André Abgottspon, vormals Mitarbeiter am CC FMNM der Hochschule Luzern, etaeval GmbH, Altsagenstrasse 3, 6048 Horw, andre.abgottspon@etaeval.ch David Felix, vormals Mitarbeiter an der VAW der ETH Zürich, Beratender Ingenieur, Winzerstr. 79, 8408 Winterthur, david.felix@aquased.ch Thomas Staubli, Hochschule Luzern Technik & Architektur, Kompetenzzentrum Fluidmechanik und Numerische Methoden (CC FMNM), 6048 Horw, thomas.staubli@hslu.ch Robert Boes, ETH Zürich, Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW), 8093 Zürich, boes@vaw.baug.ethz.ch

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Gesamtverfahren für Wasserkraft­nutzung – ein Leitfaden Peter Gresch-Rovina

1. Einleitung

Zusammenfassung In diesem Artikel geht es um Anlagen zur Wasserkraftnutzung mit Speicherseen¹, um die Stromversorgung der Schweiz auch im Winter sicherstellen zu können. Gemäss der Botschaft des Bundesrates vom November 2020 zum Mantelerlass zur Revision der Energiegesetzgebung sollen zur Sicherung der Versorgung mit Strom im Winter die Speicherkapazität von Stauseen um 2 TWh angehoben werden. Daher wurde dem UVEK der Auftrag erteilt, auf nationaler Ebene eine Evaluation ge­eigneter Standorte vorzunehmen. Als Ergebnis sind 15 Standorte bezeichnet worden, die ein günstiges Verhältnis von Speicherkapazität und Landschaftsverträg­lichkeit aufweisen. Probleme bei der Realisierung grosser Infrastrukturanlagen ergeben sich häufig aus Verfahrensfehlern, die zu Verzögerungen führen. Dies gilt auch für Vorhaben der Wasserkraftnutzung, die eine Konzession und eine Plangenehmigung/Baube­wil­li­ gung brauchen. Gemäss Raumplanungsgesetz müssen der Konzessionserteilung aber Raumplanungsschritte vorausgehen. In diesem Sinne bildet das Ergebnis des Runden Tisches das nationale Konzept für die Nutzung von Wasserkraft aus Stauseen. In der Folge sind nun, der Systematik der Raumplanung folgend, auf der Ebene der Kantone für die 15 Vorhaben, bzw. Standorte/Gebiete die entsprechenden Sachplanungen und Richtplanungen an die Hand zu nehmen. Es muss im Interesse der beteiligten Kantone liegen, die Vor­ gehens­weise bzw. das Verfahren zu harmonisieren. Der vorliegende Artikel bildet das Grundgerüst eines entsprechenden Leitfadens. Resumé Cet article traite des ouvrages d’exploitation de la force hydraulique avec des lacs d’accumulation, afin de pouvoir garantir l’approvisionnement en électricité de la Suisse également en hiver. Selon le message du Conseil fédéral de novembre 2020 concernant l’acte modificateur unique relatif à la révision de la loi sur l’énergie, la capacité de stockage des lacs d’accumulation doit être augmentée de 2 TWh afin de garantir l’approvisionnement en électricité en hiver. Le DETEC a donc été chargé de procéder à une évaluation des sites appropriés au niveau national. En conséquence, 15 emplacements ayant une relation fa­vorable entre la capacité de stockage et la compatibilité avec le paysage ont été identifiés. Les problèmes liés à la réalisation de grandes infrastructures résultent souvent d’erreurs de procédure qui entraînent des retards. Cela vaut également pour les projets d’exploitation de la force hydraulique, qui nécessitent une concession et une approbation des plans/un permis de construire. Or, selon la loi sur l’aménagement du territoire, l’octroi d’une concession doit être précédé d’étapes d’aménagement du territoire. Dans ce sens, le résultat de la table ronde constitue le concept national pour l’utilisation de la force hydraulique issue des lacs d’accumulation. Par conséquent, conformément à la systématique de l’aménagement du territoire, les plans sectoriels et les plans directeurs correspondants doivent être mis en œuvre au niveau des cantons pour les 15 projets, respectivement sites ou zones. Il est maintenant dans l’intérêt des cantons concernés d’harmoniser la procédure. Le présent article constitue la structure de base d’une directive en la matière.

Die Planung und Projektierung derartiger Anlagen stellen hohe Anforderungen an die Beteiligten auch in der Phase der Pla­ nung und Projektierung. Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf jahrelanger Erfahrung des Au­tors mit den Instrumenten der Raum­pla­nung auf der Ebene des Bundes und der Kantone im Zusammenhang mit der Pla­nung und Projektierung von Wasser­kraft­projekten. Der Artikel soll einen Beitrag leisten zur zeitnahen Abwicklung von Projekten im Zusammenhang mit der Energiewende. Wesentliche Impulse zu den nachfol­ gen­den Ausführungen stammen aus Kon­ takten mit Verantwortlichen von Wasser­ kraf­twerken und dem Schweizerischen Was­serwirtschaftsverband. 2. Gesamtverfahren 2.1 Heutige rechtliche Grundlagen Die Verfahren haben sich nach den ein­ schlä­gigen rechtlichen Vorgaben zu richten, wo­bei es hier primär um die Ebenen Bund und Kantone geht. • Bundesverfassung (BV): – Wasserkraftnutzung: Art. 76; Abs. 4 BV: Über die Wasservorkommen verfügen die Kantone. • Raumplanung: Art. 75; Abs. 1 BV: – Der Bund legt Grundsätze der Raum­planung fest. Diese (die Raum­planung) obliegt den Kantonen und dient der zweckmässigen und haushälteri­ schen Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes. • Bundesgesetzgebung: – Wasserkraftnutzung: Wasserrechts­ gesetz: Art. 38 Abs. 1 WRG: Die Ver­leihung von Wasserrechten steht der zuständigen Behörde des­jenigen Kantons zu, in dessen Gebiet die in Anspruch genommene Gewässerstrecke liegt.

¹ Wenn im Artikel von Wasserkraftnutzung die Rede ist, dann sind immer Anlagen für die Nutzung von Wasserkraft aus Speicherseen gemeint.

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– Raumplanung: Richtplanung: Art. 8; Abs. 1; Bst. b: Jeder Kanton erstellt einen Richt­ plan, worin er mindestens festlegt, wie die raumwirksamen Tätigkeiten im Hinblick auf die anzustrebende Entwicklung aufeinander abge­ stimmt werden. – Raumplanung: Richtplanung: Art. 8; Abs. 2: Vorhaben mit gewichtigen Aus­wir­ kungen auf Raum und Umwelt be­dür­fen einer Grundlage im Richtplan. – Raumplanung: Sachplanung: Konzepte und Sachpläne: Art. 13; Abs. 1 RPG: Der Bund erarbeitet Grundlagen, um seine raumwirksamen Aufgaben er­füllen zu können; er erstellt die nötigen Konzepte und Sachpläne und stimmt sie aufeinander ab. – Umweltschutz: Umweltverträglich­ keitsprüfung (UVP): Art. 10a USG: Bevor eine Behörde über die Planung, Errichtung oder Änderung von Anlagen entscheidet, prüft sie

möglichst frühzeitig die Umwelt­ver­ träglichkeit. • Kantonale Gesetzgebung: – Kantonale Gesetze zur Wasser­kraft­ nutzung und zur Raumplanung (Sachplanung; Richtplanung)

Die Einhaltung der korrekten Abfolge ist also zentral, wenn Verfahren zügig voran­ ge­bracht werden sollen. Allgemeine Abfolge der Verfahrens­ schrit­te für raum- und umweltwirksame Vor­haben:

2.2  Allgemeines Drei-Stufen-Schema des Gesamtverfahrens für Vor­ haben mit gewichtigen Auswir­ kungen auf Raum und Umwelt Abgeleitet von den rechtlichen Vor­schrif­ten ergibt sich für die Vorhaben mit gewich­ti­gen Auswirkungen auf Raum und Umwelt eine stufenweise Abwicklung der einzelnen Ver­ fahrensschritte. Dabei ist wichtig zu beach­ ten, dass in die nächste Verfahrensstufe erst dann eingestiegen werden soll, wenn für die vorangehende Stufe alle notwendigen Genehmigungen/Bewilligungen usw. vorlie­ gen. Die einzelnen Stufen bilden so gewis­ sermassen Auffanglinien die verhindern, dass bei Einsprachen bzw. Beschwerden das ganze Verfahren nicht wieder ganz an den Anfang zurückgeworfen wird und man wieder von vorne beginnen muss.

Allgemeines Schema für Gesamtverfahren Stufe 1: Sachplanung * Stufe 2: Richtplanung Stufe 3: Projektierung und Baubewilligungen Entscheidend ist, dass auch bei Vorhaben der Wassernutzung über die präzise Ab­ fol­ge der Verfahrensschritte ganz zu Be­ ginn Klarheit geschaffen wird. Das entspre­ chende Gesamtverfahren muss den Be­ tei­ligten im Detail bekannt und als massgebend anerkannt sein.

Praxis der Sachplanung zeigt, dass die verschiedenen Ämter der öffentlichen Verwaltungen den Art. 13 unterschiedlich verstehen bzw. auslegen und einsetzen. Auch im vor­lie­gen­ den Fall der Wasserkraftnutzung ist es wichtig, dass alle Be­teiligten von einer einheitlichen Auffassung zu Kon­zep­ ten und Sachplänen ausgehen. In den nachfolgenden Aus­ führungen wird, basierend auf Erfahrungen in der Praxis, ein pragmatischer Ansatz für die Zwecke und Inhalte von

Konzepten und Sachplänen skizziert. Die persönlichen Er­ fahrungen im Zusammenhang mit der Realisierung von grossen Infrastrukturen zeigen, dass bei konsequentem Befolgen dieses Drei Stufen-Schemas keine groben Ver­ fah­rensfehler gemacht werden und die Verfahren zügig ab­gewickelt und zeitnah realisiert werden können.

2.3.  Drei-Stufen-Schema des Gesamt­verfahrens für Vorhaben der Wasserkraftnutzung In Bild 1 ist in Ableitung vom allgemeinen Drei-Stufen-Schema das Gesamtverfahren für Wasserkraftnutzung dargestellt.

Bild 1: Gesamtverfahren. *  Bemerkungen zu Art. 13 RPG: Konzepte und Sach­pläne des Bundes: Das Raumplanungsgesetz führte 1979 in Art. 13 die beiden Begriffe «Konzepte» und «Sachpläne» ein, ohne zu definieren, was unter «Konzepten» und was unter «Sachplänen» zu verstehen ist. Da es zwei Begriffe sind, muss es sich auch um zwei verschiedene Instrumente handeln. Erstaunlich ist, dass in keiner der späteren Re­vi­ sionen des RPG diese Unschärfe behoben worden ist. Die

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Für das Verfahren gelten folgende wichtige Grundsätze: 1. Die Abwägung von Nutzungsinteressen hat jeweils stufen­gerecht stattzufinden: – auf der Ebene des Bundes geht es um die nationalen Interessen; – auf kantonaler Ebene um die kantonalen Interessen; – auf der kommunalen Ebene um die kommunalen Interessen. 2. Was auf der vorhergehenden Stufe abschliessend festgelegt ist, gilt als erledigt und ist in den nachfolgenden Stufen nicht mehr Gegenstand wei­terer Bearbeitung. Die Ergebnisse und Erkenntnisse der vorgelagerten Untersuchungen sind jeweils integraler Bestandteil in den nachfolgenden Verfahrensschritten. Dies gilt insbe­ sondere bezüglich der Ergebnisse der Abwägung der verschiedenen Interessen auf den drei Stufen. 3. Pro Stufe legen die Beteiligten in ent­sprechenden Pflichtenheften fest, wel­che Themen zu bearbeiten und Ge­genstand der Berichterstattung sind. Stufe 1: Sachplanung – Ebene Bund Vorbemerkung: Nachdem in der Beratung des RPG 1979 klar war, dass die Koor­di­ na­tion/Abstimmung aller Tätigkeiten mit gewichtigen Auswirkungen auf Raum und Umwelt im Rahmen von Art. 8 RPG durch die Richtplanung der Kantone zu erfolgen hat, stellte sich dem Parlament die Frage, was dann der Bund im Bereich der Raum­ planung noch zu tun haben könnte. Da der Art. 13 damals offensichtlich unter Zeit­ druck ins Gesetz aufgenommen wurde, ist er nicht hinreichend präzis formuliert. Für den vorliegend zu behandelnden Fall der Wasserkraftnutzung wird das folgende Verständnis von «Konzepten» und «Sachplänen» zugrunde gelegt: Der Bund hat gemäss Gesetzgebung in festgelegten Bereichen die Kompetenz, über Vorhaben zu entscheiden, die von nationalem Interesse sind (z. B. Eisenbahn, Autobahnen, Übertragungsleitungen usw.). Dem Gesetzgeber war es wichtig, dass Ent­ scheidungen über Infrastrukturvor­ha­ben vor dem Hintergrund eines nationalen Kon­ zeptes beurteilt werden können. Daher hat der Bund bzw. das UVEK im Zusammen­ hang mit der Sicherstellung der Versor­ gung mit Energie, für die Wasserkraf­t­nut­ zung im Rahmen der Sachplanung ein ent­ sprechendes nationales Konzept «Was­ser­ kraftnutzung» zu erarbeiten. Da die Wasserkraftnutzung in der Kom­ petenz der Kantone liegt, haben die Kan­ 120

tone im nächsten Schritt, in Ableitung vom Bundes-Konzept «Wasserkraftnutzung» – im Rahmen der kantonalen Sachplanung – den entsprechenden kantonalen Sachplan »Wasserkraftnutzung» zu erarbeiten und zu erlassen. Bei der Erarbeitung des Konzeptes Was­serkraftnutzung des Bundes ist das Interesse an der Nutzung von Wasserkraft mit anderen Interessen auf nationaler Ebe­ ne abzugleichen, insbesondere mit anderen Konzepten, wo der Bund Bewil­ligungs­ kompetenz hat. (NB: Auf Bundesebene handelt es sich primär um eine politische Abwägung der Interessen.) Ebene

Bund

Raumpl.Konzept Wasser­kraft­nutzung (mit Instrument Speicher­seen) Zweck

Evaluation von Gebieten für Wasser­kraft­nutzung in Relation zu national be­deut­samen Ge­bieten des Land­schafts­schutzes

Inhalte

–  Bedarfs­­nach­weis; –  Be­zeich­nung der ge­eig­neten Ge­­biete, die auf kan­to­naler Ebene prioritär für Was­ser­kraft­ nutzung weiter zu be­arbeiten sind

Stufe 1: Sachplanung – Ebene Kantone Da die Kompetenz zur Nutzung von Ge­ wässern gemäss Art. 76 BV bei den Kan­ tonen liegt, ist es an ihnen, im Rahmen ihrer Sachplanung in einem entspre­chen­ den Sachplan «Wasserkraftnutzung» die Vorgaben aus dem Konzept des Bundes auf ihre Verträglichkeit mit den Sachplänen des Kantons zu überprüfen und – nach der entsprechenden Interessenabwägung – die geeigneten Gebiete als Vorranggebiete für Wasserkraftnutzung zu bezeichnen. Die Kantone verfügen bereits weitgehend über die notwendigen Grundlagen, sodass die entsprechende Synthese in relativ kurzer Zeit geleistet werden kann. Ebene

Kantone

Raumpl.Sachplan Wasserkraftnutzung Instrument Zweck

Bezeichnung der Vorranggebiete für Wasserkraftnutzung

Inhalte

Abgestützt auf die Vorgabe des nationalen Konzeptes und unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Infrastruktur der Elektrizität: Evaluation von ge­eigneten Gebieten unter Abwägung mit andern Sachplänen des Kantons

Stufe 2: Richtplanung Bereits in der Einführung des RPG 1979 war in Art. 8, Abs. 1 festgelegt, dass für Vor­haben, die bedeutende Auswirkungen auf den Raum haben, im Richtplan Aus­ kunft zu geben ist über den Stand der raum­planerischen Abstimmung eines Vor­ habens. Da nicht alle Beteiligten den Sinn dieser (etwas verschlüsselten) Formulie­ rung verstanden hatten, wurde sie in der Re­vision von 2014 Art. 8 Abs. 1 RPG mit ei­nem neuen Absatz 2 verdeutlicht. Dieser Absatz 2 verlangt, dass Vorhaben mit gewichtigen Auswirkungen auf Raum und Um­welt eines Eintrags im Richtplan bedürfen. Im Klartext heisst dies, dass das Vorhaben im Richtplan die Kategorie «Fest­ setzung» haben muss. Dies hat das Bun­ desgericht im Falle der Erhöhung der Grim­ selstaumauer (1C_356/2019; 4.November 2020) so auch bestätigt, indem es einen Richtplaneintrag «Vororientierung» bzw. «Zwischenergebnis» nicht als hinreichend zur Erfüllung von Art. 8 Abs. 2 RPG bezeichnet hat. In jenen Gebieten, wo gemäss kantonalem Sachplan der Wasserkraftnutzung Priorität zugewiesen ist (Vorranggebiet), können die Energieunternehmen die Pla­ nung von Möglichkeiten zur Wasser­nut­ zung aufnehmen bzw. weiterzuführen. Dabei interessieren auf dieser Stufe insbesondere die Projektelemente, die bedeutende Auswirkungen auf den Raum haben, z. B.: • Ort der Staumauer; Seeperimeter • weitere Orte von Wasserfassungen • Wasser-/Druckleitungen • Zufahrten zu den Baustellen • Deponien • usw. Auf der Stufe der kantonalen Richtplanung sind zu den Projektelementen Varianten zu erarbeiten und es ist zu prüfen, welche räumlichen Konflikte sich ergeben könnten: Nutzungen, die sich ausschliessen oder be­­hindern und welche Nut­zun­gen zu koordinieren sind, weil sie einander bedin­ gen oder ergänzen. Zur Beurteilung der Auswirkungen der verschiedenen Varianten auf die Raumund Umweltelemente im Projektperimeter braucht es Methoden, die geeignet sind, die Beteiligten nachvollziehbar die Vorund Nachteile der einzelnen Varianten erkennen zu lassen.

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Ebene Stufe 2, Richtplanung Raumpl.Richtplan Instrument Zweck –  Abstimmung/Koordination der Projektelemente mit andern Nutzungsinteressen und bestehenden Anlagen der Wassernutzung im Perimeter des Vorhabens; – Reservation der notwendigen Flächen und Räume für die künftigen Elemente der Anlage. Inhalte Die Abstimmung geschieht über folgende Schritte (Kategorien): – Vororientierung: Anmelden des Vorhabens im Richtplan; – Zwischenergebnis: Erarbeitung von Varianten des Projekts und Evaluation der BestVariante (mit hohem Nutzen und geringen negativen Auswirkungen auf Raum und Umwelt); – Festsetzung: Entscheid der zuständigen kantonalen Behörde für Best-Variante. Stufe 3: Konzession und Plangenehmigung/Baubewilligung Konzession: Wenn im Richtplan die massgebenden raum- und umweltwirksamen Elemente fest­gesetzt sind, ist der Weg frei für die Behandlung des Konzessionsgesuchs. Die Konzessionserteilung ist in der Gesetzgebung der jeweiligen Kantone geregelt. Teils sind die Gemeinden, teils die Kantone Konzessionsgeber. Stufe 3 Zweck Inhalte (z. B.)

Konzession mit UVP 1. Stufe Verleihung des Rechts zur Nutzung eines Gewässers –  Sperrstelle –  Restwassermengen gemäss GSchG –  Bewirtschaftung des Stausees (Winterenergie/Staureserven gegen Hochwasser) –  etc. UVP 1. Stufe: Inhalt gemäss entsprechendem Pflichtenheft

Plangenehmigung: Wenn die Konzession vorliegt, ist der Weg frei zur Behandlung des Plangenehmi­gungs­ gesuchs. Die Plangenehmigung wird entspre­ chend den kantonalen Vorschriften in der Regel auf der Ebene der Kantone erteilt. Feststellung: Mit heutigen Rechtsgrundlagen kann die Planung und Projektierung der Anlagen für

Ebene Zweck

Inhalte (z.B.)

Plangenehmigung (inkl. UVP 2. Stufe) Bewilligung zum Bau der Anlagen (durch die Leitbehörde, die gemäss dem Koordinationsgesetz alle notwendigen Bewilligungen erteilt) –  Speichersee und zugehörige Anlagen; –  Baubetrieb und temporäre Anlagen (Bauzeit): Installations­ plätze, Baustellenzufahrten etc. UVP 2. Stufe, worin nur noch zu behandeln ist, was noch nicht im Konzessionsgesuch in der UVP 1. Stufe abgehandelt werden konnte.

Wasserkraftnutzung zügig vorange­trie­ben werden. 3.  Initiativen des UVEK bezüglich der Wasserkraftnutzung 3.1  Initiative zur Verfahrens­ beschleunigung Das UVEK hat im Februar 2022 einen Ent­ wurf zur Änderung des Energiegesetzes (EnG) in die Vernehmlassung geschickt. Ziel der Änderungen ist es, die Verfahren zu beschleunigen. Der Entwurf sieht folgende Ände­run­gen vor: a) Das BFE erarbeitet ein Konzept für die erneuerbaren Energien Wasserkraft und Windenergie und setzt die Stand­orte fest; b) Die Kantone haben diese Standorte in ihre kantonalen Richtpläne zu übernehmen; c) Die bisherigen Konzessionsverfahren und die Plangenehmigungen werden neu in einem einzigen Verfahrens­ schritt, im konzentrierten Plan­geneh­ mi­gungsverfahren zusammengezogen; d) Bis alle notwenigen Änderungen in der Bundesverfassung und den kantonalen Wasserkraftgesetzen in Kraft sind, über­nimmt der Bund in der sogenann­ten «Übergangszeit» die Kompetenz zur Erteilung der Plangenehmigung (mitein­geschlossen die Konzessions­erteilung). Beurteilung der vorgeschlagenen Änderungen des EnG: • Grundsätzlich ist es eine gute Idee, wenn Verfahren beschleunigt werden sollen, doch bestehen berechtigte Zweifel, ob die vorgeschlagenen Änderungen des EnG zielführend sind. • Für die oben aufgeführten Änderungen des EnG fehlen einerseits die Grund­ lagen in der BV (Art. 75 Raumplanung und Art. 76 Wasserkraft) und andererseits in den kantonalen Wasserrechts­ gesetzen. Änderungen der kantonalen Wasserrechtsgesetze wären nötig, weil

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die beiden bisherigen separaten Ver­fahrensschritte Konzession und Plan­genehmigung in einem Schritt zusammengelegt werden möchten. Angesichts des hohen Zeitaufwandes für Änderungen der Bundesverfassung und der kantonalen Gesetzgebungen kann das Ziel der «Verfahrens­be­ schleunigung» wohl so eher nicht erreicht werden. • Im Entwurf zu den Änderungen des Energiegesetzes ist unklar, wie bei Wasserkraftvorhaben das Raum­ planungsinstrument Sachplanung eingesetzt würde und woher der Bund die Kompetenz nimmt, den Kantonen die Richtplanfestsetzung zu «diktieren». • Eine Vorgehensweise gemäss DreiStufen-Schema kommt demgegenüber ohne Änderungen von Artikeln in der Bundesverfassung und in Bundes­ gesetzen (RPG, WRG) und ohne Ände­rungen der kantonalen Wasser­ rechtsgesetze aus. 3.2  Initiative zur Zusammenarbeit der Akteure im Bereich Wasserkraft­ werke Das UVEK lud 2021 die bei Wasser­kraft­ werken Involvierten und Interessierten zu einem Runden Tisch ein, um die bishe­ri­ gen «Fronten» aufzuweichen. Im Dezem­ ber 2021 publizierte das UVEK eine «Ge­ meinsame Erklärung des Runden Tisches» zum Auftrag, wie das Ziel der zusätzlichen Speicherung von Wasser im Umfang von 2 TWh bis ins Jahr 2040 zu erreichen ist. Die Teilnehmer am Runden Tisch ha­ben für 33 potenzielle Standorte für Spei­cher­ seen eine Interessenabwägung zwischen dem Speicherpotenzial und den zu erwar­ ten­den Auswirkungen auf Natur und Land­ schaft vorgenommen. Daraus wurden die 15 Projekte der Speicher­was­ser­kraft mit dem besten Verhältnis zwischen Nutzen und Beeinträchtigungen bezeichnet. Beurteilung des Ergebnisses des Runden Tisches: Beim Resultat des Runden Tisches handelt es sich um eine beachtenswerte Leistung der beteiligten Akteure. Für die Nutzung der Wasserkraft liegt nun ein natio­nales Konzept für die Wasser­kraft­nut­zung mit Speicher­ seen vor. Damit ist die Grund­lage für die nächsten Schritte gelegt. Wichtig ist nun, dass mit den Instru­ men­ten der Raumplanung und den vorge­ ge­be­nen Kompetenzen gemäss Bild 1 (Drei-Stufen-Schema) vorgegangen wird und kei­ne Verfahrensfehler gemacht werden. 121


4.  Implementierung des Drei-Stu­ fen-Schemas für das Gesamt­ver­ fahren für Wasser­kraftnutzung Nach der Einführung in das Gesamt­ver­fah­ ­ren im Allgemeinen und für Wasser­kraft­ nutzung im Speziellen geht es nun darum zu skizzieren, wie die Ergebnisse des Run­ den Tisches des UVEK in die Sys­tematik der Raumplanung (gemäss Bild 1) überführt werden können und welches die nächs­ten Arbeiten sind. Schritt 1 Überführung der bisherigen Arbeiten des UVEK in ein nationales Konzept für Wasserkraftnutzung in die Systematik der Raumplanung Die Aktivitäten des UVEK (mit dem Run­ den Tisch 2021) entsprechen der Stufe Sachplanung auf Bundesebene gemäss dem Drei-Stufen-Schema. Das Ergebnis, die Bezeichnung von potenziellen Gebieten für Wasserkraftnut­zung auf nationaler Ebe­ ne, ist der Kern des Konzeptes des Bundes BFE/UVEK für künf­tige Wasserkraftnutzung. Die Evaluation erfolgte methodisch kor­ rekt, indem die Gebiete gesucht wurden, die – im Vergleich zu andern Gebieten – die geringsten Konflikte mit Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes zeigen, aber die besten Leistungen bezüglich Ener­ giespeicherung aufweisen. Die Zielvor­ga­ be von 2 TWh aus der Energiestrategie kann mit den 15 bestrangierten Standort­ gebieten erreicht werden. Schritt 2 Erarbeitung der Sachpläne der Kantone für Wasserkraftnutzung Die nächsten Schritte sind aus der Dar­ stellung des Gesamtverfahrens (Bild 1) zu

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entnehmen. Da die Kompetenz für die Was­ sernutzung gemäss Bundesver­fas­sung bei den Kantonen liegt, geht nun die Feder­ führung an die Kantone über. Ge­mäss Bild 1 haben die Kantone ihre Sach­pläne für Wasserkraftnutzung zu erar­bei­ten. Nächste Schritte Richtplanung, Konzession und Plangenehmigung Anschliessend folgen dann die Arbeiten auf den Stufen 2 Richtplanung und 3 Kon­ zession und Plangenehmigung entspre­ chend dem in Bild 1 gezeigten Gesamt­ verfahren für Wasserkraftnutzung. 5. Schlussbemerkungen Die positiven Erfahrungen mit dem Einsatz des Drei-Stufen-Schemas bei der Planung grosser Infrastrukturvorhaben in der Schweiz zeigen, dass die heutigen Artikel der Bundesverfassung und die heutige Ge­setzgebung des Bundes hinreichend klar sind, um auch die Planung und Pro­ jektierung von Anlagen der Wasserkraft­ nutzung zügig voranzubringen. Voraussetzung für ein zügiges Vor­an­ kommen ist, dass die einzelnen Stufen kon­ sequent und sorgfältig bearbeitet werden und erst dann zur nächsten Stufe überge­ gangen wird, wenn die vorangehende Stufe gesetzeskonform abgeschlossen wurde. Die Kompetenzen und Aufgaben von Bund und Kantonen sind heute schon hinreichend definiert. Bei den Vorschlägen zur Änderung des Energiegesetzes, welche die Kompe­ tenz­ordnung zwischen Bund und Kan­to­ nen verschieben würden, müssten nicht nur die kantonalen Wasserrechtsgesetze, sondern auch die Art. 75 (Raumplanung) und Art. 76 (Wasserkraft) der Bundesver­

fassung in langwierigen Verfahren geän­ dert werden. Auch angesichts der Risiken, dass entsprechende Änderungen in den Abstimmungen scheitern könnten, kann wohl nicht von Verfahrensbeschleunigung gesprochen werden. Gemäss dem Drei-Stufen-Schema zum Gesamtverfahren sind die Ergebnisse des Runden Tisches bezüglich der Eva­lua­tion der 15 Vorhaben nützlich und können in die Systematik der Raumplanung als «Natio­na­ les Konzept» für die Nutzung von Wasser­ kraft (mit Speicherseen) überführt werden. Gestützt darauf können dann auf kantonaler Ebene die nächsten Schritte gemäss Gesamtverfahren (kantonale Sach­ pla­nung und Richtplanung) in Angriff genommen werden. Da mehrere Kantone an der Um­set­ zung des Bundeskonzeptes für Was­ser­ kraft­nutzung beteiligt sind, kann eine Zu­ sammenarbeit der Kantone eine echte Be­ schleunigung für die einzelnen Vorhaben bringen. Die vorliegende Abhandlung kann da­ bei als Grundgerüst für einen Leitfaden be­ züg­lich des Gesamtverfahrens für die Pla­ nung und Projektierung von Anlagen zur Was­ser­kraftnutzung dienen. Die heutigen gesetzlichen Vorschriften sind hinreichend, um nun auf der Ebene der Kantone, mit entsprechender Raum­pla­nung die Voraussetzungen zu schaffen und den Weg für Konzessionen und Plan­genehmi­ gun­gen/Baubewilligungen zu ebnen.

Autor Peter Gresch-Rovina, PD Dr. phil. II, Raumplaner ETH/ NDS, Inhaber und Geschäftsführer der Beratungsfirma Gresch Partner; Raum+Umwelt; Privatdozent an der ETH Zürich für Raum-und Umweltplanung (1982–2015, pgresch@greschpartner.com

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Jahresbericht 2021

des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes

Rapport annuel 2021

de l’Association suisse pour l’aménagement des eaux Umfeld

Contexte

Beide Standbeine unseres Verbandes – der Hochwasserschutz und die Wasserkraft – waren im Geschäftsjahr zu unterschiedlichen Zeiten mit mehrheitlich positiven Meldungen in der Öffentlichkeit präsent. Die langandauernden Niederschläge im Sommer, teilweise stark durchzogen mit heftigen Gewittern, führten zu Höchstständen an einigen Seepegeln und zu ungewohnt hohen Abflussspitzen bei den grossen Mittellandflüssen. So erreichte der Rhein bei Basel am 15. Juli einen maximalen Abfluss von 3 729 m3 /s. Trotz überfluteten Ufern mit grossen Einschränkungen im Sommertourismus konnte positiv zur Kenntnis genommen werden, dass die früheren Schutzmassnahmen und Beseitigungen von Schwachstellen grossmehrheitlich erfolgreich waren. Auch wenn noch nicht alle Auswertungen zu den Ereignissen öffentlich aufliegen, so kann doch festgestellt werden, dass unsere verantwortlichen Stellen im Bereich der Hochwassersicherheit in den letzten Jahren die richtigen Lehren aus früheren Ereignissen zogen und mit den vorhandenen Mitteln effektive Massnahmen umsetzten. Im Bereich der Wasserkraft ist die kritische Frage einer ausreichenden Versorgungssicherheit mit Strom von den bisher wenigen «Propheten» auf die ganze Bevölkerung übergesprungen. Unter der Initiative der UVEK-Vorsteherin ist es einem Gremium aus Vertretern der Kantone, der Umweltschutzorganisationen und der Wasserkraftbranche gelungen, sich am dritten Runden Tisch auf eine Anzahl von Speichererweiterungs- und neubauprojekte zu einigen, damit bis im Jahr 2040 für die Verbesserung der Versorgungssicherheit im Winter die Speicherkapazität um 2 TWh gesteigert werden kann. Bereits in der Herbstsession konnte mit der Behandlung der parlamentarischen Initiative 19.443 sichergestellt werden, dass beim Zubau der erneuerbaren Energien keine Förderlücke entsteht. Bei den Rahmenbedingungen konnte somit ein weiterer Schritt auf dem langen Weg der Optimierungen vollzogen werden.

Les deux piliers de notre association – la protection contre les crues et l’énergie hydraulique – ont été présents dans l’opinion publique à des moments différents au cours de l’année écoulée, avec des messages majoritairement positifs. Les précipitations en continue de l’été, parfois fortement entrecoupées par de violents orages, ont mené certains lacs à des niveaux records et des pics de débit inhabituellement élevés sur les grands cours d’eau du Plateau. Ainsi, le 15 juillet, le Rhin près de Bâle a atteint un débit maximal de 3’729 m³/s. Malgré des rives inondées et des restrictions importantes pour le tourisme estival, il est positif de constater que les mesures de protection préalables et l’élimination des points faibles ont été en grande partie efficaces. Même si toutes les évaluations des événements ne sont pas encore disponibles publiquement, on peut constater que nos services responsables en matière de protection contre les crues ont tiré les bonnes leçons des événements passés et ont mis en œuvre des mesures efficaces avec les moyens disponibles. Dans le domaine de l’énergie hydraulique, la question critique d’une sécurité suffisante de l’approvisionnement en électricité est passé de quelques «prophètes» jusqu’à présent à l’ensemble de la population. Sous l’impulsion de la cheffe du DETEC, un comité composé de représentants des cantons, des organisations de protection de l’environnement et de la branche hydroélectrique a réussi à se mettre d’accord, lors de la troisième table ronde, sur un certain nombre de projets d’extension et de construction de réservoirs, afin d’augmenter la capacité de stockage de 2 TWh d’ici à 2040 pour améliorer la sécurité de l’approvisionnement en hiver. Lors de la session d’automne déjà, le traitement de l'initiative parlementaire 19.443 a permis de garantir qu’il n’y ait pas de lacune dans la promotion du développement des énergies renouvelables. En ce qui concerne les conditions-cadres, une nouvelle étape a ainsi pu être franchie sur le long chemin des optimisations.

Ausblick

Perspectives

Die kritische geopolitische Situation in Europa, bei welcher auch Themen rund um Energielieferungen eine grosse Bedeutung haben werden, steigert den Wert der einheimischen Ressourcen. Es liegt nun an uns, die Weichen bei den aktuellen politischen Beratungen zum Energie- und Stromversorgungsgesetz richtig zu stellen, damit die Versorgungssicherheit gestärkt werden kann.

La situation géopolitique critique en Europe, dans laquelle les thèmes liés à l’approvisionnement en énergie auront également une grande importance, augmente la valeur des ressources indigènes. Dès lors, il nous appartient à poser les bons jalons lors des consultations politiques actuelles sur la loi sur l’énergie et l’approvisionnement en électricité, afin de renforcer la sécurité de l’approvisionnement.

«Wasser Energie Jahresbericht 2021, Luft» www.swv.ch – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

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Tätigkeiten des Verbandes

Activités de l’Association

Hauptversammlung Mit über 100 Mitgliedern und Gästen fand die 110. Hauptversammlung in der Zentrale des Kraftwerks Lucendro in Airolo statt. Vorgängig führte der Verband die Jahrestagung mit sechs spannenden Referaten unter dem Titel «Wasserkraft für die Versorgungssicherheit» durch. Die Ansprache des Präsidenten Albert Rösti sowie das Protokoll der Versammlung sind in der Fachzeitschrift Wasser Energie Luft in der Ausgabe 4-2021, zusammen mit einigen Bildern (siehe auch Bilder links), abgedruckt. Die Versammlung wählte Markus Dietrich, BKW, in den Vorstand und Ausschuss sowie Alexandre Fournier, Andritz, als Ersatz für die Demission von Heinz Duner, Andritz, in den Vorstand.

Assemblée générale Plus de 100 membres et invités ont participé à la 110ème assemblée générale qui s’est tenue à la centrale de Lucendro à Airolo. Auparavant, l’Association a organisé son symposium annuel avec six exposés passionnants sous le titre «L’énergie hydraulique pour la sécurité d’approvisionnement». L’allocution du président Albert Rösti ainsi que le procès-verbal de l’assemblée sont publiés dans le numéro 4-2021 de la revue spécialisée Eau énergie air, accompagnés de quelques photos (voir également les photos à gauche). L’assemblée a élu Markus Dietrich, FMB, au comité et au bureau du comité, ainsi qu’Alexandre Fournier, Andritz, en remplacement de Heinz Duner, Andritz, au comité.

Die Jahrestagung des SWV unter dem Titel «Wasserkraft f r die Versorgungssicherheit» fand mit ber 100 Mitgliedern 2021 in Airolo statt.

Le symposium annuel 2021 de l ASAE, intitulØ « LØnergie hydraulique pour la sØcuritØ d approvisionnement » a eu lieu Airolo avec plus de 100 membres.

Vorstand Die einmal jährlich stattfindende Vorstandssitzung fand erstmalig im Kulturhof Schloss Köniz statt. Die Behandlung der statutarischen Geschäfte zu Händen der Hauptversammlung stand im ersten Teil auf der Traktandenliste. Mit der Wahl von Markus Dietrich, BKW, in die Kommission Hydrosuisse wurde der vakante Sitz wieder besetzt. Im zweiten Teil des Anlasses befasste sich der Vorstand in sechs Gruppen zu verschiedenen Entwicklungsrichtungen der Wasserwirtschaft. Dabei wurden zu folgenden Themen die Ausgangslage erfasst und mögliche Lösungsansätze zu offenen Punkten entwickelt: • Fehlendes Stromabkommen, Marktfähigkeit der Wasserkraft • Wasserbaugesetz • Heimfall • Abgaben und Steuern • Forschung im Bereich der Wasserkraft • Raumplanung und Umweltgesetzgebung

Comité La séance du comité, qui a lieu une fois par an, s’est tenue pour la première fois au Kulturhof Schloss Köniz. Le traitement des affaires statutaires à l’attention de l’assemblée générale figurait en première partie à l’ordre du jour. L’élection de Markus Dietrich, FMB, au sein de la commission Hydrosuisse a permis de repourvoir le siège vacant. En deuxième partie, le comité s’est penché en six groupes sur différents axes de développement de l’aménagement des eaux. Il s’agissait de faire le point sur les thèmes suivants et d’élaborer des solutions possibles pour des points en suspens: • Absence d’accord sur l’électricité, commercialisation de l’énergie hydraulique • Loi sur l’aménagement des eaux • Droit de retour • Redevances et impôts • Recherche dans le domaine de l’énergie hydraulique • Aménagement du territoire et législation environnementale

Die Ergebnisse dienten dem Ausschuss an seiner Klausur, sich mit der Weiterentwicklung des Verbandes auseinanderzusetzen.

Les résultats ont permis au bureau du comité, lors de son conclave, de se pencher sur le développement de l’Association.

Ausschuss Der Ausschuss traf sich einerseits zu seinen beiden ordentlichen Sitzungen im zweiten und vierten Quartal zur Behandlung der wiederkehrenden Geschäfte wie Jahresrechnung und Budget, Erstellen der Wahlvorschläge für die Kommissionen, Vorstand und Ausschuss, Aufnahme neuer Mitglieder und die Diskussion zu aktuellen politischen Aktivitäten. Andererseits nahm sich der Ausschuss im August in einer Klausur auf dem Grimselhospiz die Zeit, die parlamentarische Initiative 19.443 «Erneuerbare Energien einheitlich fördern. Einmalvergütung auch für Biogas, Kleinwasserkraft, Wind und Geothermie» im Hinblick auf die Anhörung in der UREK-S ausgiebig zu diskutieren. Zudem wurden die Ergebnisse der Gruppenarbeiten der Vorstandssitzung weiterentwickelt und für den Verband nächste Schritte ausgelöst. So wurde unter anderem beschlossen, sich der Forschung zu spezifischen Themen der Wasserkraft in einem gesonderten Workshop zu widmen, welcher mit 16 Teilnehmern im Dezember in Lenzburg stattfand.

Bureau du comité Le bureau du comité s’est réuni d’une part lors de ses deux séances ordinaires au deuxième et au quatrième trimestre pour traiter les affaires courantes telles que les comptes annuels et le budget, l’établissement des propositions d’élection pour les commissions, le comité et le bureau du comité, l’admission de nouveaux membres et la discussion sur les activités politiques actuelles. D’autre part, le bureau de comité a pris le temps, en août, lors d’un conclave à l’hospice du Grimsel, d’examiner l’initiative parlementaire 19.443 «Promouvoir les énergies renouvelables de manière uniforme. Accorder une rétribution unique également pour le biogaz, la petite hydraulique, l’éolien et la géothermie» en vue de l’audition au sein de la CEATE-E. En outre, les résultats des travaux de groupe de la séance du comité ont été développés et les prochaines étapes ont été déclenchées pour l’Association. Il a notamment été décidé de se consacrer à la recherche sur des thèmes spécifiques à l’énergie hydraulique dans le cadre d’un atelier séparé, qui s’est tenu en décembre à Lenzbourg avec 16 participants.

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Albert R sti, Pr sident Schweizer Wasserwirtschaftsverband und Nationalrat

Albert R sti, prØsident de l Association suisse pour l amØnagement des eaux et conseiller national

Versorgungssicherheit mit Strom hat oberste Priorität

La sécurité d’approvisionnement en électricité est une priorité absolue

Der Schweizerische Wasserwirtschaftsverband, SWV, kann positiv auf das Jahr 2021 zurückblicken. Die weltweit steigenden Energiepreise einerseits sowie die Entscheide im eidgenössischen Parlament andererseits zeigen unmissverständlich, wie bedeutend die Stromproduktion aus Wasserkraft heute und noch mehr in Zukunft für die Schweiz ist. In einer kaum vorher in der Energiepolitik beobachtbaren Einigkeit haben Ständerat und Nationalrat im Rahmen einer dem Mantelerlass, basierend auf der parlamentarischen Initiative Girod, vorgezogenen Teilrevision des Energiegesetzes die Fördermöglichkeiten von erneuerbaren Energien verlängert. Wir erwarten, dass dank dem Erhalt der Marktprämie als Absicherung gegen allenfalls auch mal wieder sinkende Strompreise und der Verbesserung der Fördersätze die Investitionsbereitschaft der Unternehmen steigt. Dazu sollte auch der «Runde Tisch Wasserkraft» beitragen, an dem sich die Stakeholder auf eine Prioritätenliste von Projekten, die den Zubau von 2 TWh Speicherkapazität aus Wasserkraft ermöglichen sollen, geeinigt haben. Von Seiten des SWV sind wir uns bewusst, dass vor der Realisierung dieser Projekte einerseits die Rentabilität gesichert werden muss und andererseits Verhandlungen mit den Schutzverbänden betr. die notwendigen Ausgleichsmassnahmen bevorstehen. Mit der Prioritätenordnung ist aber sichergestellt, dass man die Kräfte auf die richtigen Projekte konzentriert. Insofern stimmt uns das Resultat des Runden Tisches zuversichtlich. Denn, hört man die Elcom und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz an, hat die Schweiz ja keine andere Wahl, als massiv in Stromproduktionskapazitäten vor allem für die Wintermonate zu investieren, will sie nicht dereinst mit einer Strommangellage ihren ganzen Wohlstand aufs Spiel setzen. Der Verhinderung dieses Szenarios gilt es in den kommenden Jahren in der Energieund Umweltpolitik alles unterzuordnen. Dies beginnt konkret im neuen Jahr mit der Beratung des Mantelerlasses zur Revision des Energie- und Stromversorgungsgesetzes.

L’Association suisse pour l’aménagement des eaux (ASAE) peut regarder l’année 2021 de manière positive. La hausse mondiale des prix de l’énergie, d’une part, et les décisions prises par le Parlement fédéral d’autre part, montrent clairement l’importance pour la Suisse de la production électrique issue de la force hydraulique aujourd'hui et plus encore à l’avenir. Dans le cadre d’une révision partielle anticipée de la loi sur l’énergie en un acte modificateur unique, basée sur l’initiative parlementaire Girod, le Conseil des Etats et le Conseil national ont prolongé les possibilités de soutien des énergies renouvelables dans un esprit d’unité rarement observé auparavant dans la politique énergétique. Nous espérons que le maintien de la prime de marché comme garantie contre une éventuelle baisse des prix de l’électricité et l’amélioration des taux d’encouragement inciteront les entreprises à investir davantage. La «table ronde consacrée à l’énergie hydraulique» au cours de laquelle les parties prenantes se sont mises d’accord sur une liste de projets prioritaires devant permettre l’expansion d’une capacité de stockage de 2 TWh d’hydroélectricité, devrait également y contribuer. Du côté de l’ASAE, nous sommes conscients qu’avant de réaliser ces projets, il faut d’une part assurer leur rentabilité et d’autre part négocier avec les associations de protection les mesures de compensation nécessaires. L’ordre de priorité garantit toutefois que les forces seront concentrées sur les bons projets. En ce sens, le résultat de la table ronde nous rend confiants. Car, à entendre l’Elcom et l’Office fédéral de la protection de la population, la Suisse n’a pas d’autre choix que d’investir massivement dans des capacités de production d’électricité, surtout pour les mois d’hiver, si elle ne veut pas mettre un jour toute sa prospérité en péril avec une situation de pénurie d’électricité. Dans les années à venir, tout dans la politique énergétique et environnementale doit être subordonné à la prévention de ce scénario. Dans les années à venir, il faudra tout subordonner à la prévention de ce scénario en matière de politique énergétique et environnementale. Cela commencera concrètement au début de l’année avec les délibérations sur l’acte modificateur unique concernant la révision de la loi sur l’énergie et l’approvisionnement en électricité.

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© Thisisbossi

Kommissionen

Commissions

Die beiden Fachbereiche des SWV, die Wasserkraft und der Hochwasserschutz, werden je mit einer ständigen Kommission begleitet.

Les deux domaines spécialisés de l’ASAE, l’énergie hydraulique et la protection contre les crues, sont chacun accompagnés d’une commission permanente.

Hydrosuisse Die aus 13 Personen zusammengesetzte Kommission Hydrosuisse tagte wie gewohnt viermal jährlich. Die August-Sitzung ist jeweils mit einer Exkursion verbunden, auf welcher die Besichtigung der Spitallamm-Baustelle und der Standort der geplanten Triftstaumauer auf dem Programm standen. Die Kommission wird bei ihren Themen durch die Fachgruppe Umwelt und verschiedenen ad-hoc-Arbeitsgruppen unterstützt.

Hydrosuisse La commission Hydrosuisse, composée de 13 personnes, s’est réunie comme d’habitude quatre fois durant l’année. La séance du mois d’août est toujours couplée à une excursion, au cours de laquelle la visite du chantier du barrage de Spitallamm et de l’emplacement prévu du barrage sur le Trift était au programme. La commission est soutenue dans ses thèmes par le groupe spécialisé Environnement et différents groupes de travail ad hoc.

Die Besichtigung des Standorts der geplanten Triftstaumauer stand auf dem Programm der Exkursion der Kommission Hydrosuisse.

La visite du site du barrage prØvu sur le Trift Øtait au programme de l excursion de la commission Hydrosuisse.

Die Fachgruppe Umwelt sorgt mit Expertinnen und Experten für einen wertvollen Wissenstransfer unter den grössten Betreibern im Bereich der Ökologisierung der Wasserkraft und sucht bei neuen Herausforderungen nach umsetzbaren Lösungen. «Wasser Energie Jahresbericht 2021, Luft» www.swv.ch – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

Grâce à ses expertes et ses experts, le groupe spécialisé Environnement assure un transfert de connaissances précieux entre les plus grands exploitants dans le domaine de l’écologisation de l’énergie hydraulique et cherche des solutions réalisables en cas de nouveaux défis. 127 7


Wichtigste Sitzungsthemen

Principaux thèmes des séances

• Aktualisierung früherer Kosten- und Erlösstudien der Wasserkraftwerke • Ermitteln der offenen Fragen in Bezug auf den Heimfall • Begleitgruppenprozess zu Runder Tisch Wasserkraft • Analyse diverser Wasserzinsmodelle • Behandlung diverser Umweltthemen wie Sanierung Wasserkraft, Darstellung der Renaturierungsprojekte, Fischabstieg, Restwassersanierungen etc. • Erarbeitung von Stellungnahmen bei Vernehmlassungen • Positionsbezug zu laufenden politischen Geschäften • Vorbereiten der Fachtagung Wasserkraft • Umgang mit steigenden Herausforderungen auf dem Lieferantenmarkt • Informationsaustausch zu Aktivitäten der wichtigsten Partnerverbände und Stakeholdergruppen

• Mise à jour des études sur les coûts et les recettes des centrales hydroélectriques • Détermination des questions en suspens concernant le droit de retour • Processus du groupe d’accompagnement de la table ronde sur l’énergie hydraulique • Analyse de divers modèles de redevances hydrauliques • Traitement de divers thèmes sur l’environnement tels que l’assainissement de la force hydraulique, la présentation des projets de renaturation, la dévalaison des poissons, l’assainissement des débits résiduels, etc. • Élaboration de prises de position lors de consultations • Prise de position sur les affaires politiques en cours • Préparation du symposium sur l’énergie hydraulique • Gestion des défis croissants sur le marché des fournisseurs • Échange d’informations sur les activités des principales associations partenaires et des groupes de parties prenantes

KOHS Die Kommission für Hochwasserschutz, Wasserbau und Gewässerpflege besteht aus 23 Mitgliedern und tagte an ihren beiden Sitzungen in Form einer Videokonferenz und einer hybriden Sitzung. Ein Schwerpunktthema bildete die Organisation und Durchführung der hybriden Fachtagung mit filmischer Exkursion zu den alternden Schutzbauten an der Gürbe. Siehe hierzu mehr unter Organisierte Tagungen und Exkursionen. Nach 10-jähriger Mitarbeit in der Kommission wurde Markus Zimmermann, Uni Bern, infolge Pensionierung gebührend verabschiedet.

CIPC La commission pour la protection contre les crues, l’aménagement et l’entretien des cours d’eau, composée de 23 membres, s’est réunie lors de ses deux séances sous de vidéoconférence et d’une séance hybride. L’un des thèmes principaux a été l’organisation et la réalisation du symposium hybride avec excursion filmée sur les ouvrages de protection vieillissants de la Gürbe. Plus d’informations à ce sujet sous Symposiums et excursions organisés. Après 10 ans de collaboration au sein de la commission, Markus Zimmermann, Uni Berne, prend dûment congé suite à son départ à la retraite.

Wichtigste Sitzungsthemen

Principaux thèmes des séances

• Durchführung der KOHS-Weiterbildungskurse der Serie 5 • Vorbereitung der KOHS-Tagung 2022 zur dritten Rhonekorrektion • Präsentation und Diskussion zu Resultaten der verschiedenen Arbeitsgruppen, wie – Geschieberückhaltebecken – Hydrologische Grundlagen und Qualitätssicherung – Freibord bei grossen Flussaufweitungen • Erarbeitung der Stellungnahme zur Vernehmlassung Wasserbaugesetz • Informationsaustausch zu Aktivitäten der wichtigsten Partnerverbände und Stakeholdergruppen

• Réalisation des cours de formation continue CIPC de la 5ème série • Préparation du symposium CIPC 2022 sur la troisième correction du Rhône • Présentation et discussion sur les résultats des différents groupes de travail, tels que – Dépotoirs à alluvions – Bases hydrologiques et assurance qualité – Franc-bord lors de grands élargissements du fleuve • Élaboration de la prise de position sur la consultation relative à la loi sur l’aménagement des cours d’eau • Échange d’informations sur les activités des principales associations partenaires et des groupes d’intervenants

Vernehmlassungen Zusammen mit den Kommissionen und weiteren Vertretern der Mitgliedsunternehmungen erarbeitete der SWV zu relevanten Vernehmlassungen eine Verbandsposition, welche oft als Grundlage für die Stellungnahme seiner Mitglieder dient. Im Geschäftsjahr wurden zu folgenden Vernehmlassungen Stellungnahmen eingereicht:

Consultations En collaboration avec les commissions et d’autres représentants des entreprises membres, l’ASAE a élaboré une position de l’association sur les consultations pertinentes, servant souvent de base à la prise de position de ses membres. Au cours de l’exercice, des prises de position ont été déposées sur les consultations suivantes:

Stellungnahmen Vernehmlassungen

Prises de position sur les consultations

• Revision des «Reglements über Bau und Betrieb der nicht eidgenössisch konzessionierten Seilbahnen und Skilifte» (Reglement IKSS) • Revision des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG) als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)» • Revision Bundesgesetz über den Wasserbau • Verordnungsänderungen im Bereich des BFE (EnV, EnFV)

• Révision du «Règlement sur la construction et l’exploitation des téléphériques et des téléskis sans concession fédérale» (Règlement CITT) • Révision de la loi sur la protection de la nature et du paysage (LPN) en tant que contre-projet indirect à l’initiative populaire «Pour l’avenir de notre nature et de nos paysages (initiative sur la biodiversité)» • Révision de la loi fédérale sur l’aménagement des cours d’eau • Modifications d’ordonnances dans le domaine de l’OFEN (OEne, OEneR)

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Organisierte Tagungen und Exkursionen Mit etwas Glück konnten die verschiedenen Tagungen trotz mehrerer Coronawellen durchgeführt werden, teilweise auch in hybrider Form. Eine ganz besondere Herausforderung stellte die hybrid durchgeführte KOHS-Tagung in der Expo Thun dar, bei welcher eine Halle mit professioneller Unterstützung in ein grosses Film- und Tonstudio umfunktioniert wurde. Die geplante Exkursion an die Gürbe, wo infolge einer grossen Rutschung mit zahlreichen beschädigten Sperren Fragen zum Umgang mit alternden Schutzsystemen auftauchten, wurde anstelle einer Absage in Form eines 45-minütigen Films thematisiert. Diese einmalige Dokumentation kann für zukünftige Vorlesungs- und Weiterbildungszwecke beim SWV bestellt werden.

Symposiums et excursions organisées Avec un peu de chance, les différents symposiums ont pu être organisés malgré plusieurs vagues du coronavirus, parfois même sous forme hybride. Le symposium CIPC hybride organisé à l’Expo Thoune, où une halle a été transformée en un grand studio de cinéma et d’enregistrement avec l’aide de professionnels, a constitué un défi tout particulier. L’excursion prévue sur la Gürbe, où des questions sur la gestion des systèmes de protection vieillissants se sont posées à la suite d’un important glissement de terrain avec de nombreux barrages endommagés, a été thématisée sous la forme d’un film de 45 minutes au lieu d’être annulée. Cette documentation unique peut être commandée auprès de l’ASAE à des fins futures de cours et de formation continue.

Eine 45-min tige lmische Dokumentation ber die Schutzsysteme an der G rbe ersetzte die Exkursion an der letztj hrigen KOHS-Tagung.

Un documentaire de 45 minutes sur les systŁmes de protection sur la G rbe a remplacØ l excursion durant le dernier symposium CIPC.

Von den KOHS-Kursen der Serie 5 wurde der italienischsprachige Kurs in Serpiano durchgeführt. 28 Teilnehmende konnten unter der Leitung von Laurent Filippini und weiteren 14 Referierenden ihr Fachwissen zum Thema «Vorausschauende Entwicklung von Wasserbauprojekten» ergänzen.

Parmi les cours CIPC de la 5ème série, le cours en italien s’est déroulé à Serpiano. 28 participants ont pu compléter leurs connaissances techniques sur le thème du «Développement anticipé des projets d’aménagement hydraulique» sous la direction de Laurent Filippini et de 14 autres intervenants.

«Wasser Energie Jahresbericht 2021, Luft» www.swv.ch – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

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Referate KOHS-Tagung 2021

Présentations du symposium CIPC 2021

• Einführung Umgang mit alternden Schutzsystemen und Schutzbauten, Catherine Berger, geo7 und Adrian Schertenleib, Bundesamt für Umwelt • Schutzbaukataster und -management im Kanton Luzern, Marco Achermann, Kanton Luzern • Ein altes System von Schutzschwellen erprobt sich bei einem seltenen Hochwasser in Chamoson, Georges Rossier und Philippe Bianco, Idealp SA • Schutzsysteme mit ökologischem Ziel an der Bünz, Markus Zumsteg, ALG Kanton Aargau • Erfahrungen mit Integralen Wildbachentwicklungskonzepten (IWEK) aus Bayern, Christiane Mögele, Bayerisches Landesamt für Umwelt • Umgang mit alternden Schutzbauten an der Töss, Simone Messner und Thomas Hofmann, AWEL Kanton Zürich • Zustandsbeurteilung von Schutzbauten ganz konkret, Seppi Berwert, belop gmbh • Spreitgraben: eine alternde Sperre im Mittelpunkt, Daniel Bürki, Präsident Schwellenkorporation Guttannen • Filmische Exkursion Gürbe (Download für Vorlesungs- und Weiterbildungszwecke via info@swv.ch)

• Introduction à la gestion des systèmes de protection et des ouvrages de protection vieillissants, Catherine Berger, geo7 et Adrian Schertenleib, Office fédéral de l’environnement • Cadastre et gestion des ouvrages de protection dans le canton de Lucerne, Marco Achermann, canton de Lucerne • Un système de seuils de protection anciens à l’épreuve d’une crue rare à Chamoson, Georges Rossier et Philippe Bianco, Idealp SA • Systèmes de protection à but écologique sur la Bünz, Markus Zumsteg, ALG canton d’Argovie • Expériences de concepts intégraux de développement des torrents (IWEK) en Bavière, Christiane Mögele, Office bavarois de l’environnement • Gestion des ouvrages de protection vieillissants sur la Töss, Simone Messner et Thomas Hofmann, AWEL du canton de Zurich • Évaluation de l’état des ouvrages de protection très concrètement, Seppi Berwert, belop gmbh • Spreitgraben: un barrage vieillissant sous les feux de la rampe, Daniel Bürki, président de la corporation de digues de Guttannen • Excursion filmée sur la Gürbe (téléchargement à des fins de cours et de formation continue via info@swv.ch)

Referate Fachtagung Wasserkraft 2021

Présentations du symposium sur l’énergie hydraulique 2021

• Das digitale Kraftwerk Sarganserland zwei Jahre danach: was hat sich bewährt, Emil Bieri, Axpo • Fehlerbaumanalyse – ein Werkzeug für die Digitalisierung von Wasserkraftwerken, Benoit Géhant und Yann Le Cahain, Alpiq • Schwall-Sunk Sanierung mittels hybridem Ansatz aus Ausgleichsbecken und Grossbatterien, Benjamin Hohermuth, VAW, ETH Zürich • LORA-Sensorik in der Wasserkraft: Nachrüstung, Alarmieren und Auswertung, Michael Rey, Rey Automation • Hydro Guides leistet seit 10 Jahren einen wichtigen Beitrag zur Personensicherheit, Christian Constantin, HYDRO Exploitation • Das Potenzial von Satellitendaten für die Wasserkraft – Überblick Daten und Anwendung, Reik Leiterer, ExoLabs/Uni ZH • Modellierung Hydrologie und Geschiebe: veränderte Klima- und Umweltbedingungen sichtbar gemacht, Catherine Berger, geo7 • Pilotstudien Fischabstieg an den Kraftwerken Bannwil und Wildegg-Brugg: bisherige Erkenntnisse, Ricardo Mendez, Axpo, und Sandra Krähenbühl, BKW

• La centrale numérique de Sarganserland 2 ans après : qu'est-ce qui a fait ses preuves, Emil Bieri, Axpo • Les arbres de défaillance – un outil de la digitalisation des centrales hydrauliques, Benoit Géhant et Yann Le Cahain, Alpiq • Assainissement par éclusées par une approche hybride de bassins de compensation et de grandes batteries, Benjamin Hohermuth, VAW, ETH Zurich • Capteurs LORA dans la force hydraulique: mise à niveau, alarme et évaluation, Michael Rey, Rey Automation • Hydro Guides, contribution importante à la sécurité des personnes depuis 10 ans, Christian Constantin, HYDRO Exploitation • Le potentiel des données satellites pour l’énergie hydraulique – aperçu des données et de l’application, Reik Leiterer, ExoLabs/Uni ZH • Modélisation hydrologie et charriage: conditions climatiques et environnementales modifiées rendues visibles, Catherine Berger, geo7 • Etudes pilotes sur la dévalaison des poissons aux centrales de Bannwil et de Wildegg-Brugg : connaissances acquises à ce jour, Ricardo Mendez, Axpo, et Sandra Krähenbühl, BKW

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«Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, Jahresbericht 2022, Heft 2, 2021, CH-5401 www.swv.ch Baden


Mitarbeit in Projekten und externen Gremien Der Runde Tisch Wasserkraft hatte im Dezember zu zahlreichen positiven Berichterstattungen geführt, da es den drei Stakeholdergruppen Kantone, Umweltverbände und Strombranche gelang, sich auf eine Anzahl von Speichererweiterungen und Neubauten zu einigen mit dem Ziel, bis im Jahr 2040 die Speicherkapazität aus Wasserkraft um 2 TWh zu erhöhen. Für den SWV hat der Präsident, Albert Rösti, an den drei Sitzungen des Runden Tisches teilgenommen. Für die Mitarbeit in der Begleitgruppe beauftragte die Branche die Kommission Hydrosuisse, eine Delegation zu ernennen. Mit den drei Mitgliedern Peter Lustenberger, Marcel Ottenkamp und Andreas Stettler wurden die Interessen der Firmen und anderer Verbände vertreten. Der SWV ist mit Vertretern der Mitglieder oder der Geschäftsstelle auch in verschiedenen Partnerverbänden und Gremien ver treten, um das Know-how und die Interessen der Wasserkraft einzubringen.

Collaboration dans des projets et des organisations externes La table ronde sur l’énergie hydraulique a donné lieu à de nombreux rapports positifs en décembre, car les trois groupes d’acteurs – cantons, associations environnementales et branche de l’électricité – ont réussi à se mettre d’accord sur un certain nombre d’extensions de réservoirs et de nouvelles constructions, avec pour objectif d’augmenter de 2 TWh la capacité de stockage de l’énergie hydraulique d’ici 2040. Au nom de l’ASAE, son président, Albert Rösti, a participé aux trois réunions de la table ronde. Pour participer au groupe d’accompagnement, la branche a chargé la commission Hydrosuisse de nommer une délégation. Les trois membres, Peter Lustenberger, Marcel Ottenkamp et Andreas Stettler, ont représenté les intérêts des entreprises et autres associations. L’ASAE est également représentée par des délégués des membres ou du secrétariat de l’Association dans différentes associations partenaires et commissions afin de faire valoir le savoir-faire et les intérêts de l’énergie hydraulique.

Geschäftsstelle Ein Meilenstein konnte im Berichtsjahr mit der Digitalisierung und Veröffentlichung sämtlicher früherer Ausgaben der Fachzeitschrift «Wasser Energie Luft» und ihrer Vorgängertitel erreicht werden. Der Digitalisierungsservice der ETH-Bibliothek erhielt vom SWV vor zwei Jahren den Auftrag und führt nun die frei zugänglichen Ausgaben in ihrer Plattform E-Periodica. Wir sind überzeugt, dass wir mit dieser Veröffentlichung zahlreichen Forschenden und anderweitig interessierten Personen einen spannenden Einblick in die über 100-jährige Entwicklung der Wasser wirtschaft bieten können. Im Archiv des SWV wurde zudem in einer ersten Tranche der Kernbestand früherer Verbandsunterlagen durch eine spezialisierte Unternehmung neu erfasst, fachgerecht verpackt und in einem Verzeichnis digital erschlossen. Die weitere Erschliessung von Materialien, wie z. B. das umfangreiche Bildarchiv aus ca. 1000 Glasplatten, ist geplant. Mit den fünf Mitarbeitenden der Geschäftsstelle wurden nebst den oben erwähnten Tätigkeiten zahlreiche weitere Leistungen zugunsten unserer Mitglieder und der Öffentlichkeit erbracht. Meist ungeplant erfolgten Medienanfragen, welche in knapper Zeit beantwortet werden wollen. Hingegen ist das Halten von Referaten oder das Veröffentlichen von Publikationen und Berichten besser planbar. Mit den Vorbereitungsarbeiten für die Neugestaltung der Website wurden erste Pflöcke eingeschlagen.

Secrétariat de l’Association Une étape importante a pu être franchie au cours de l’année sous revue avec la numérisation et la publication de tous les anciens numéros de la revue spécialisée «Eau énergie air» et des titres qui l’ont précédés. Le service de numérisation de la bibliothèque de l’EPFZ a été mandaté par l’ASAE il y a deux ans et gère désormais les numéros en libre accès dans sa plate-forme E-Periodica. Nous sommes convaincus qu’avec cette publication, nous pouvons offrir à de nombreux chercheurs et autres personnes intéressées un aperçu passionnant de plus de 100 ans de développement de l’aménagement hydraulique. Dans les archives de l’ASAE, le noyau des anciens documents de l’Association a été recensé dans une première tranche par une entreprise spécialisée, emballé dans les règles de l’art et répertorié sous forme numérique. Il est prévu de poursuivre la mise en valeur de matériaux, comme par exemple les vastes archives photographiques constituées d’environ 1000 plaques de verre. En plus des activités susmentionnées, les cinq collaborateurs du secrétariat de l’Association ont fourni de nombreuses autres prestations en faveur de nos membres et du public. La plupart du temps, les demandes des médias ont été imprévues et il s’agissait d’y répondre en un temps limité. En revanche, il est plus facile de planifier la présentation d’exposés ou l’édition de publications et de rapports. Les premiers jalons ont été posés avec les travaux préparatoires pour la refonte du site internet.

Geschäftsführungen Die Geschäftsstelle des SWV führt ebenso die beiden Verbandsgruppen Verband Aare-Rheinwerke und Rheinverband. Zudem ist der SWV im Vorstand des Tessiner Verbandes ATEA vertreten. Eine kurze Zusammenfassung dieser Verbandsaktivitäten ist in diesem Geschäftsbericht separat aufgeführt.

Directions Le secrétariat de l'Association de l’ASAE gère également les deux groupes régionaux Verband Aare-Rheinwerke (VAR) et Rheinverband (RhV). En outre, l’ASAE est représentée au comité de l’Associazione ticinese di economia delle acque (ATEA). Un bref résumé de ces activités associatives est présenté séparément dans ce rapport annuel.

Mitgliedschaften aller Verbandsgruppen 2021 / Affiliations de tous les groupes régionaux en 2021 SWV VAR RhV ATEA Einzelmitglieder / Membres individuels 342 75 41 Öffentliche Körperschaften / Collectivités de droit public 32 39 20 Kraftwerksbetreiber / Exploitants de centrales 87 29 10 5 Verbände, Vereine / Fédérations, associations 18 4 3 Industrie, Ingenieurbüros / Industrie, bureaux d’ingénieurs 74 26 17 Forschungsinstitute / Institut de recherche 9 17 Total / Total 562 29 154 103 «Wasser Energie Jahresbericht 2021, Luft» www.swv.ch – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

Summe / somme 848 131 11


Bilanz per 31.12.2021 mit Vorjahresvergleich Bilan au 31.12.2021 avec comparaison à l’année précédente BIL ANZ PE R 31.12 . 2 0 21 / BIL AN AU 31.12 . 2 0 21

2021 CHF

2020 CHF

1’047.55 285’392.83 832’648.82 305’863.83

801.15 666’353.39 488’954.13 305’679.57

1’424’953.03

1’461’788.24

4’339.45 4’339.45

13’936.50 13’936.50

Mietzinskaution / Dépôt de loyer Übrige kurzfristige Forderungen / Charges à court terme

20’163.96 20’163.96

20’163.96 20’163.96

Aktive Rechnungsabgrenzung / Actives transitoires

23’471.47

56’271.28

1’472’927.91

1’552’159.98

2.00 2.00

2.00 2.00

1’472’929.91

1’552’161.98

PA S S I V E N / PA S S I F S Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen / Créditeurs Passive Rechnungsabgrenzung / Différés passifs Kurzfristiges Fremdkapital / Fonds étrangers à court terme

1’698.40 92’273.91 93’972.31

4’168.00 105’431.71 109’599.71

FREMDKAPITAL / FONDS ÉTRANGERS

93’972.31

109’599.71

Rückstellung Pensionskasse / Provisions caisse Rückstellung Verbandsschriften / Provisions publications Rückstellung Mobilien, EDV / Provisions meubles, IT Rückstellung Weiterbildung / Provisions éducation Rückstellung Öffentlichkeitsarbeit / Provisions relations publiques Rückstellung Hydrosuisse / Provisions Hydrosuisse Fonds Tagungen / Fonds Symposiums Fonds Zeitschriften / Fonds Publications Fonds «Bodensee» / Fonds «Lac de Constance» Reserven / Réserves Rückstellungen und Reserven / Provision et réserves

40’776.00 46’028.75 5’306.50 44’670.45 48’700.00 63’374.98 103’769.39 243’584.44 9’002.15 355’877.50 961’090,16

40’776.00 46’028.75 20’006.50 44’670.45 70’000.00 63’374.98 129’969.39 255’234.44 9’002.15 355’877.50 1’034’940.16

RÜCKSTELLUNGEN, RESERVEN UND FONDS / PROVISION, RÉSERVES ET FONDS

961’090.16

1’034’940.16

Vortrag vom Vorjahr / Report de l’année précédente Ertragsüberschuss / Excédent Vereinsvermögen / Solde

407’622.11 10’245.33 417’867.44

404’214.40 3’407.71 407’622.11

VEREINSVERMÖGEN / FONDS DE L’ASSOCIATION

417’867.44

407’622.11

1’472’929.91

1’552’161.98

A K T I V E N / AC T I F S Kassa / Caisse Postcheckguthaben / Chèque postal Bankguthaben / Compte courant Termingeldanlagen / Placement à terme Flüssige Mittel und kurzfristig gehaltene Aktiven mit Börsenkurs / Liquidités et actifs détenus à court terme avec cours de bourse Debitoren / Débiteurs Forderungen aus Lieferungen/Leistungen / Charges

UMLAUFVERMÖGEN / LES ACTIFS COURANTS Mobiliar und Bücher / Meubles, livres Sachanlagevermögen / Avoirs matériels AKTIVEN / ACTIFS

PASSIVEN / PASSIFS

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Erfolgsrechnung 2021 mit Vorjahresvergleich Compte de résultats 2021 avec comparaison à l’année précédente E RFOLGS RECHNUNG 2 0 21 / COMP TE 2 0 21

2021

2020

CHF

CHF

840’339.98 44’970.26 171’972.82 35’571.03 66’429.78 1’100.00 1’160’383.87

805’250.90 0.00 66’656.20 35’571.03 79’683.62 213.61 987’375.36

-762’944.61 -11’523.78 -27’247.06 -121’903.14 0.00 -51’986.76 -56’231.96 -44’179.95 -427.95 -15’460.00 -9’953.59 -38’224.98 -849.03 -1’140’932.81

-697’043.21 -6’051.67 0.00 -31’134.59 3’503.75 -46’808.77 -58’226.43 -65’630.70 -92.16 -15’645.29 -8’619.14 -52’386.09 -3’733.20 -981’867.50

ERGEBINS VOR FINANZIERUNG / RÉSULTAT AVANT FINANCEMENT

19’451.06

5’507.86

Finanzertrag / Recettes financières Finanzaufwand / Dépenses financières Finanzerfolg / Recettes financières

308.91 -1’847.64 -1’538.73

557.08 -2’657.23 -2’100.15

ORDENTLICHES ERGEBNIS / RÉSULTAT ORDINAIRE

17’912.33

3’407.71

Ertrag / Recettes Mitgliederbeiträge / Cotisations membres Hauptversammlung / Assemblée générale Tagungen, Kurse / Journées, cours Beiträge VAR+RhV / Contributions VAR+RhV Zeitschrift WEL / Revue WEL Verbandsschriften, Separata / Publications Ertrag / Recettes Aufwand / Dépenses Personalaufwand / Personnel Kommissionen / Commissions Hauptversammlung / Assemblée générale Tagungen, Kurse / Journées, cours Studien, Projekte / Etudes, projets Verbandsgremien / Comités Raumaufwand / Loyer, entretien Verwaltung, EDV / Administration, IT Fachbücher / Littérature Vereinsbeiträge / Cotisations divers Verschiedenes / Divers Zeitschrift WEL / Revue WEL Verbandsschriften / Publications Aufwand / Dépenses

Ausserordentlicher Aufwand / Charges extraordinaires Ausserordentliches Ergebnis / Résultat extraordinaire

-7’667.00

0.00

-7’667.00

0.00

ERTRAGSÜBERSCHUSS / EXCÉDENT DE PRODUITS

10’245.33

3’407.71

Anhang der Jahresrechnung 2021 In der Jahresrechnung angewandte Grundsätze: Die vorliegende Jahresrechnung wurde gemäss den Vorschriften des Schweizer Gesetzes, insbesondere der Artikel über die kaufmännische Buchführung und Rechnungslegung des Obligationenrechts (Art. 957 bis 962), erstellt. Weitere vom Gesetz verlangte Angaben: Vollzeitstellen: Die Anzahl der Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt lag im Berichtsjahr bei 3,7 (Vorjahr: 3,7); Verbindlichkeiten mit Laufzeiten von über einem Jahr: CHF 180’882.00 (Vorjahr: CHF 229’117.20) für Miete Büroräumlichkeiten (bis 30.9.2025).

«Wasser Energie Jahresbericht 2021, Luft» www.swv.ch – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

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Bericht der Revisionsstelle Rapport de l’organe de révision

Bericht der Revisionsstelle zur eingeschränkten Revision an die Hauptversammlung des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes (SWV) 5400 Baden

Als Revisionsstelle haben wir die Jahresrechnung (Bilanz, Erfolgsrechnung und Anhang) des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes (SWV) für das am 31. Dezember 2021 abgeschlossene Geschäftsjahr geprüft. Für die Jahresrechnung ist der geschäftsleitende Ausschuss verantwortlich, während unsere Aufgabe darin besteht, die Jahresrechnung zu prüfen. Wir bestätigen, dass wir die gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich Zulassung und Unabhängigkeit erfüllen. Unsere Revision erfolgte nach dem Schweizer Standard zur Eingeschränkten Revision. Danach ist diese Revision so zu planen und durchzuführen, dass wesentliche Fehlaussagen in der Jahresrechnung erkannt werden. Eine eingeschränkte Revision umfasst hauptsächlich Befragungen und analytische Prüfungshandlungen sowie den Umständen angemessene Detailprüfungen der beim geprüften Unternehmen vorhandenen Unterlagen. Dagegen sind Prüfungen der betrieblichen Abläufe und des internen Kontrollsystems sowie Befragungen und weitere Prüfungshandlungen zur Aufdeckung deliktischer Handlungen oder anderer Gesetzesverstösse nicht Bestandteil dieser Revision. Bei unserer Revision sind wir nicht auf Sachverhalte gestossen, aus denen wir schliessen müssten, dass die Jahresrechnung nicht Gesetz und Statuten entspricht.

OBT AG

Andreas Thut

Tanja Adank

zugelassener Revisionsexperte Leitender Revisor

zugelassene Revisionsexpertin

Brugg, 28. Februar 2022

-

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Jahresrechnung 2021 (Bilanz, Erfolgsrechnung und Anhang)

«Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, Jahresbericht 2022, Heft 2, 2021, CH-5401 www.swv.ch Baden


Zusammensetzung Gremien des Verbandes Membres des comités de l’ASAE

Vorstand und Vorstandsausschuss

Amtsperiode 2020–2023

Präsident: · Albert Rösti, Nationalrat, Uetendorf

Vizepräsident: · Jörg Huwyler, Axpo, Baden

Weitere Mitglieder Ausschuss: · Martin Eschle, IWB, Basel · Roberto Pronini, AET, Monte Carasso · Mauro Salvadori, Alpiq, Lausanne

· Jürg Speerli, Ing.büro Speerli GmbH, Willerzell

Weitere Mitglieder: · Jérôme Barras, SIG, Genève · Robert Boes, VAW-ETHZ, Zürich · Lionel Chapuis, Groupe E, Granges-Paccot · Laurent Filippini, Kt. Tessin, Bellinzona3 · Michelangelo Giovannini, V&P, Chur2 · Elmar Kämpfen, Hydro Exploitation, Sion · Boris Krey, EnDK, Aarau

· Sandro Pitozzi, RKGK, Bellinzona · Diego Pfammatter, EnAlpin, Visp · Michael Roth, EKW, Zernez · Anton Schleiss, EPFL, Lausanne · Alexander Schwery, GE, Birr · Oliver Steiger, Axpo, Döttingen1 · Michael Wieser, SBB Energie, Zollikofen

Kommission Hydrosuisse

Ab HV 2022: · Markus Dietrich, BKW, Bern

Bis HV 2022: · Heinz Duner, Andritz Hydro, Kriens Ab HV 2022: · Alexandre Fournier, Andritz Hydro, Kriens

Amtsperiode 2020–2023

Vorsitz: · Peter Lustenberger, Axpo, Baden Mitglieder: · Nadine Brauchli, VSE, Aarau · Guido Conrad, KHR, Thusis · Beat Imboden, Alpiq, Sion · Gian Paolo Lardi, Repower, Poschiavo

· Edy Losa, AET, Bellinzona · Christof Oertli, ewz, Sils i. D. · Marcel Ottenkamp, ewb, Bern · Michel Piot, SWV, Baden

Kommission Hochwasserschutz (KOHS)

· Michael Roth, EKW, Zernez · Mauro Salvadori, Alpiq, Lausanne · Andreas Stettler, SWV, Baden Amtsperiode 2020–2023

Vorsitz: · Jürg Speerli, Ing.büro Speerli GmbH, Willerzell Mitglieder: · Tony Arborino, Kanton Wallis, Sion · Robert Bänziger, Bänziger Kocher Ing. AG, Niederhasli · Catherine Berger, geo7 AG, Bern · Robert Boes, VAW-ETHZ, Zürich · Therese Bürgi, BAFU, Bern · Giovanni De Cesare, LCH-EPFL, Lausanne · Laurent Filippini, KantonTessin, Bellinzona · Lukas Hunzinger, Flussbau AG SAH, Bern · Mario Koksch, BAFU, Bern

· Dieter Rickenmann, WSL, Birmenstorf · Myriam Robert, Canton de Neuchâtel, Neuchâtel · Christoph Rüedlinger, Basler & Hofmann AG, Zürich · Simon Scherrer, Scherrer AG, Reinach · Roger Kolb, Niederer+Pozzi Umwelt AG, Uznach · Dieter Müller, HSLU, Luzern · Matthias Oplatka, Kt. Zürich, Zürich

· Adrian Schertenleib, BAFU, Bern · Stefania Soldati, Oikos Sagl, Bellinzona · Andreas Stettler, SWV, Baden · Benno Zarn, Hunziker, Zarn & Partner AG, Domat/Ems · Markus Zimmermann, NDR Consulting GmbH, Thun · Markus Zumsteg, Kanton Aargau, Aarau

AGAW, Vorstand: · Andreas Stettler, SWV STK, Technische Kommission und AG Talsperrenüberwachung: · Andreas Stettler, SWV

VUE Vorstand: · Michael Roth, EKW, Zernez Wasser­Agenda 21, Vorstand und Dialog Wasserkraft: · Andreas Stettler, SWV

Wasser­Agenda 21, Plattform Renaturierung: · Nadia Semadeni, Axpo, Baden

Ständige Geschäftsstelle

Rütistrasse 3a, CH-5401 Baden, Telefon 056 222 50 69, info@swv.ch

Geschäftsführer: · Andreas Stettler

Mitarbeitende: · Doris Hüsser, Abos/Buchhaltung/Personal · Michel Piot, Energiewirtschaft · Mathias Mäder, Layout/Inserate/Web · Sonja Ramer, Assistenz/Events

Kontrollstelle

OBT AG, Brugg, Andreas Thut

Vertretung in Organisationen

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VAR / 2 RhV / 3 ATEA

«Wasser Energie Jahresbericht 2021, Luft» www.swv.ch – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

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Zusammensetzung Gremien der Verbandsgruppen Membres des comités des groupes régionaux

Verband Aare-Rheinwerke Gruppe des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes

Ausschuss

Amtsperiode 2021 – 2024

Präsident: · Oliver Steiger, Axpo, Döttingen

Vizepräsident: · Tom Fürst, Alpiq Hydro Aare, Boningen

Weitere Mitglieder: · Beat Karrer, Energiedienst, Laufenburg · Walter Meyer, Eniwa, Aarau

· David Rhyner, BKW, Bern; · Jean-Philippe Royer, EdF, F-Mulhouse

· Norbert Schneiderhan, RADAG, D-Laufenburg

Mitglieder: · Manuel Fischer, BKW, Bern · Manuel Häfeli, Axpo, Baden · Sascha Jäger, KW Birsfelden, Birsfelden · Beat Karrer, Energiedienst, Laufenburg

· Christoph Schär, Alpiq, Olten · Norbert Schneiderhan, RADAG, D-Laufenburg · Oliver Steiger, Axpo, Döttingen

· Andreas Stettler, SWV, Baden · Hansjürg Tschannen, Eniwa, Aarau

Ständige Geschäftsstelle

Rütistrasse 3a, CH-5401 Baden, Telefon 056 222 50 69, info@swv.ch

Geschäftsführer: · Andreas Stettler

Sekretariat: · Sonja Ramer

Kontrollstelle

OBT AG, Brugg, Andreas Thut

Vorstand

Amtsperiode 2018 – 2022

Präsident: · Michelangelo Giovannini, V&P, Chur

Vizepräsident: · Manfred Trefalt, Stadtwerke, A-Feldkirch

Mitglieder: · Guido Conrad, KHR, Thusis · Daniel Dietsche, Amt für Wasser und Energie, St. Gallen

· Gian Jegher, Widmer Ingenieure, Chur · Elija Kind, AfU, FL-Vaduz · Peter Müller, AEV Graubünden, Chur

Ständige Geschäftsstelle

Rütistrasse 3a, CH-5401 Baden, Telefon 056 222 50 69, info@swv.ch

Geschäftsführer: · Andreas Stettler

Sekretariat: · Sonja Ramer

Kontrollstelle

Hansjürg Bollhalder, Chur

Comitato

Periodo 2020–2024

Kommission Betriebsfragen Vorsitz: · Christoph Busenhart, ewz, Zürich

· Dieter Vondrak, Landesverwaltung Voralberg · Reto Walser, Bänziger Partner, Oberriet

Presidente: Vice­presidente: · Laurent Filippini, Ufficio dei corsi d’acqua, · Carmelo Rossini, Mauri & Associati, Bellinzona Pregassona Membri: · Fabrizio Bazzuri, CMAPS, Lugano-Figino · Giovanni Ferretti, AIL, Lugano · David Grassi, OFIMA, Locarno

· Graziano Sangalli, AET, Bellinzona · Andreas Stettler, ASEA, Baden · Michele Tadè, AGE SA, Chiasso

Segretaria

Paola Spagnolatti c/o Ufficio corsi d’acqua, Via F. Zorzi 13, 6501 Bellinzona

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· Mauro Veronesi, Ufficio della protezione delle acque e dell’approvvigionamento idrico, DT, Bellinzona

«Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, Jahresbericht 2022, Heft 2, 2021, CH-5401 www.swv.ch Baden


Mitteilungen aus der Tätigkeit der Verbandsgruppen Informations sur les activités des groupes régionaux

Verband Aare-Rheinwerke Gruppe des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes

Der Verband Aare-Rheinwerke bezweckt die Wahrung und Förderung der gemeinsamen wasserwirtschaftlichen und betrieblichen Interessen der Wasserrechtsbesitzer an der Aare unterhalb des Bielersees, an der Reuss unterhalb des Vierwaldstättersees, an der Limmat unterhalb des Zürichsees und am Rhein vom Bodensee bis unterhalb Basel. In diesem Einzugsgebiet erzeugen 33 Flusskraftwerke eine durchschnittliche Jahresproduktion von 8 TWh. Der Verband umfasst 29 Mitglieder. Nebst den statutarischen Geschäfte, welche vom Ausschuss zu Händen der Generalversammlung vorbereitet werden, befasst sich die Kommission Betriebsfragen mit betrieblichen und ökologischen Herausforderungen und sorgt mit der Betriebsleiterversammlung und einer jährlichen Exkursion für den Austausch und die Weiterbildung seiner Mitglieder. Generalversammlung Die 103. Generalversammlung fand am 3. Juni im Kulturhof Schloss Köniz statt. Infolge Ablaufs der Amtsdauer fanden Gesamterneuerungswahlen für eine neue Periode bis 2024 statt. Der bisherige Ausschuss wurde unter Leitung von Oliver Steiger, Axpo, ohne Veränderungen für eine weitere Amtszeit von 4 Jahren wiedergewählt. Im Anschluss an den statutarischen Teil konnten die anwesenden Mitglieder einen vertieften Einblick in die beiden Pilotprojekte zum Thema Fischabstieg erlangen. Paul Kauz, BKW, und Julian Meister, Axpo, erläuterten den aktuellen Stand dieser vielbeachteten Forschungsprojekte. Kommission Betriebsfragen Im Geschäftsjahr fanden unter Leitung des Vorsitzenden Christoph Busenhart, ewz, drei Sitzungen statt. Nebst den betrieblichen Themen und der Umsetzung der Sanierung Wasserkraft, insbesondere der Fischgängigkeit, stand der Erfahrungsaustausch unter den Kraftwerksbetreibern im Zusammenhang mit den rasant gestiegenen Frequenzen von Schlauchbootfahrern im Vordergrund, welche vereinzelt den signalisierten Ausstieg verpassten und in gefährliche Situationen vor den Wehren gerieten. Betriebsleiterversammlung Nach einer coronabedingten Pause konnte die gut besuchte Betriebsleiterversammlung im Berichtsjahr am 13. September wieder durchgeführt werden. Sie stand unter dem Titel «Fischgängigkeit: Stand VAR-Pilotstudien und Erfahrungsberichte zum Betrieb». Die verschiedenen Referate vermittelten den aktuellen Stand der Pilotprojekte und weiterer Untersuchungen. Exkursion Die für das Vorjahr angedachte Exkursion konnte am 12. Juni mit grosser Beteiligung nachgeholt werden. Unter kundiger Führung des Projektleiters Silvio Zingg, BKW, wurden den Teilnehmenden beim Wasserkraftwerk Mühleberg die verschiedenen Bauten im Unterwasserbereich erläutert, mit welchen die Fische mittels Lockströmungen in die Aufstiegshilfen geleitet werden, um später zum Fuss des ca. 20 m hohen Fischlifts zu gelangen. Der eindrücklich hohe Abfluss der Aare vermittelte zudem die Komplexität einer solchen Anlage, welche bei verschiedensten Abfluss-Kubaturen und Unterwasserpegeln funktionieren muss.

Verbandsgremien Vorstand: Der Vorstand des Rheinverbandes trat im Berichtsjahr am 19. Februar und am 25. August zu je einer Sitzung zusammen. In der Wintersitzung wurden die Jahresrechnung 2020 und das Budget 2023 zu Händen der GV 2022 verabschiedet. In der Herbstsitzung wurde die Ausgestaltung des Vortragsprogramms Winter/Frühjahr 2022 behandelt. Geschäftsstelle: Die mit der Geschäftsführung betraute Geschäftsstelle des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes (SWV) hat in Absprache mit dem Vorstand die Verbandsgeschäfte vorangetrieben. «Wasser Energie Jahresbericht 2021, Luft» www.swv.ch – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

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Mitglieder Der Mitgliederbestand nahm im Geschäftsjahr leicht ab. Netto gab es zwei Austritte bei den Einzelmitgliedern und je eine bei den politischen Körperschaften und Verbänden. Vortragsreihe Im Winterhalbjahr 2021 wurden coronabedingt leider einige Veranstaltungen auf 2022 verschoben, ein zusätzlicher Vortrag eingebaut und sämtliche Vorträge virtuell durchgeführt. Die auf August 2021 verschobene Exkursion «Simmi bei Gams» konnte vor Ort durchgeführt werden. Durchgeführte Vorträge/Veranstaltungen • Gemeinschaftswerk Inn – Ein Projekt im österreichisch-schweizerischen Grenzgebiet: Heinz Gross, Engadiner Kraftwerke AG, Zernez • Hochwasserschutz im urbanen Raum, die Stadtstrecke der Ill in Feldkirch, Martin Netzer, Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abt. Wasserwirtschaft, Bregenz • Zukunft Wasserkraft angesichts politischen Gegenwindes: Michel Piot, Schweizerischer Wasserwirtschaftsverband, Baden • Exkursion Renaturierung Simmi bei Gams: Reto Walser/Remo Lüchinger, Bänziger Partner AG, Oberriet An dieser Stelle wird der Einsatz der Vorstandsmitglieder bezüglich der Zusammenstellung der Vortragsreihe verdankt. Gleiches gilt für die Patronatsträger sowie die Repower, die dem Rheinverband die Räumlichkeiten für die Referatsreihe kostenlos zur Verfügung stellt.

Assemblea generale La 106.ma Assemblea generale si è svolta mercoledì 9 giugno 2021 presso il Laboratorium 3D a Biasca. All’ordine del giorno, oltre ai temi ordinari e al rapporto finanziario, i soci e gli invitati hanno avuto l’opportunità di seguire la presentazione e la successiva visita al Laboratorio di ricerca idraulica a cura del Dott. Christian Tognacca e del suo team. Il Laboratorium 3D è frutto di un’iniziativa privata promossa da un gruppo di ingegneri idraulici che offre le sue competenze nel campo della sistemazione dei corsi d’acqua. I progetti riguardano la prevenzione contro i pericoli naturali, la valorizzazione dei corsi d’acqua e l’uso della forza idrica. Il laboratorio è stato fondato nel 2020 e collabora con gli Istituti di ricerca idraulica delle Scuole politecniche e delle Università professionali svizzere. Nel quadro della vista sono stati presentati i progetti in corso e i relativi modelli: • la sistemazione della Tresa a Madonna del Piano che prevede la realizzazione di due rampe dinamiche, di cui il Laboratorium 3D ha contributo a ottimizzare il dimensionamento per conto dell’Ufficio dei corsi d’acqua della Divisione delle costruzioni; • il consolidamento del ponte della strada principale alpina della Novena sul Ticino a Ronco Bedretto, ottimizzazione del dimensionamento della sistemazione e del consolidamento dell’alveo a seguito delle piene di agosto 2020, per conto dell’area dell’esercizio e della manutenzione della Divisione delle costruzioni; • la sistemazione dello scarico di piena a tulipano della diga di Malvaglia in funzione dei rischi di intasamento da legname, per conto delle Officine idroelettriche di Blenio. Comitato Il comitato è stato impegnato nell’organizzazione dell’Assemblea e della manifestazione. Le restanti normali attività del comitato sono state ostacolate dalla situazione sanitaria in relazione con la pandemia. Manifestazione 30 settembre 2021, presentazione del PCAI del Mendrisiotto e del progetto di captazione a lago a Riva San Vitale con visita all’impianto pilota della Membratec in zona Ronchi a Riva S. Vitale a cura di dell’ing. Silvia Prodam Tich, Ufficio protezione acque e approvvigionamento idrico e dell’ing. Umberto Ballabio dello Studio Holinger di Mendrisio. Le manifestazioni proposte hanno raccolto un buon successo con la partecipazione di numerosi membri e ospiti. 138 18

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Nachrichten Informationen aus der Wasser- und Energiewirtschaft

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser Anfang Mai konnten wir unsere neue Web­ site aufschalten. Diese basiert auf einer Standard-Software, welche es uns ermög­ licht, neue Inhalte mit signifikant geringerem Aufwand hochzuladen. Deshalb werden wir versuchen, Aktualitäten im Zusam­ men­hang mit der Wasserwirtschaft in weit höherer Kadenz als bisher zu veröffentlichen. Im Nachrichtenteil werden wir uns deshalb auf aktuelle Themen fokussieren und des öftern auch auf den Link zur Web­ site hinweisen, falls dort zusätzliche Infor­ mationen erhältlich sind. Gerne nehmen wir Ihre Hinweise auf spannende Themen oder Veranstaltungen entgegen, damit wir diese auch über un­ se­ren Kanal bekanntmachen können.

Politik Verfahrensbeschleunigung für Wasserkraft- und Wind­energie­ anlagen Die im Februar 2022 gestartete Vernehm­ lassung zur Revision des Energiegesetzes mit dem Ziel, den Ausbau der Wasser- und Windkraft zu beschleunigen, endete am 23. Mai 2022. Der SWV hat, wie viele andere betroffene Firmen, Verbände und Ins­ titutionen, eine Stellungnahme eingereicht. Im Grundsatz wird die Absicht, die teil­weise über 20 Jahre dauernden Verfah­ ren zu beschleunigen, allseits begrüsst. In der Ausgestaltung der Gesetzesanpas­sun­ gen gab es allerdings zahlreiche kritische Voten. So wird unter anderem moniert, dass die in den allgemeinen Empfehlungen zum Runden Tisch Wasserkraft geforderte Ur­ sa­chen­analyse nicht umfassend erfolgte, wes­ halb etliche Anpassungsvorschläge kaum zielführend seien. Auf der SWV-Website sind einige Stel­lung­ nahmen und Medienartikel zur Vernehm­ las­­sung publiziert. www.swv.ch/news

Wasserkraftpotenzial infolge neuer Gletscherseen Der Nationalrat hat im März 2022 das Pos­ tulat 21.3974 von NR Jacques Bourgois angenommen, mit welchem ein Bericht zum Wasserkraftpotenzial infolge der Gletscher­schmelze ausgearbeitet werden soll. Im Bericht soll der Bundesrat gestützt auf das neue Inventar des Wasserfor­ schungs­instituts Eawag das Potenzial der Wasser­kraftproduktion aufzeigen, ebenso welche Massnahmen, die zur Nutzung des Poten­zials der Gletscherseen zu ergreifen sind. NR Bourgois begründet sein Postulat folgendermassen: «Wie aus dem neuen Inventar, welches das Eawag in Zusam­ men­ arbeit mit Swisstopo erstellt hat, hervorgeht, sind in den ehemaligen Glet­ scher­regionen der Schweiz knapp 1200 neue Gletscherseen entstanden. Durch diese neuen Seen haben sich zuweilen gewal­ti­ge natürliche Dämme gebildet. In Anbetracht der Energiepolitik der Schweiz und des Ausbaus insbesondere der Was­ serkraft­produktion wäre es wichtig, gestützt auf das Inventar des Eawag zu analysieren, mit welchen Massnahmen die­ ses Wasser­kraftpotenzial genutzt werden kann.»

Energiewirtschaft Subventionsprüfung zur Marktprämie Grosswasserkraft Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) hat die angekündigte Subventionsprüfung der Marktprämie für Elektrizität aus Gross­ wasserkraftanlagen abgeschlossen. In einigen Bereichen hat sie in ihrem Bericht Optimierungen angeregt. Das Bundesamt für Energie (BFE) nimmt zu diesen Kri­ tikpunkten Stellung: «Währenddessen der Bundesrat im Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren

«Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

Energien vorgeschlagen hat, die Markt­ prämie Grosswasserkraft nicht weiterzuführen, hat das Parlament während der Herbstsession 2021 die Marktprämie für Grosswasserkraft um weitere 8 Jahre verlängert, ohne an den Gesetzes­be­stim­mun­ gen relevante Änderungen vorzunehmen. Dies kann als Auftrag gedeutet werden, den Vollzug der Marktprämie nicht grundsätzlich zu ändern. Das BFE wird im Sinne der EKF die Definition des Anlagenver­bun­ des bei Flusskraftwerken strenger aus­ legen. Auch wird das BFE in Zukunft genauer prüfen, ob die Erlöse aus der Markt­ prämie und die Verkäufe in der Grundver­ sorgung bei einzelnen Gesuchstellern nicht zu einer Überdeckung führen können. Hin­ gegen ist das BFE der Ansicht, dass die Berücksichtigung einer angemessenen Eigenkapitalrendite im Sinne des Gesetz­ ge­bers ist.» Wasserkraftstatistik 2021 aktualisiert Im Jahr 2021 wurden in der Schweiz fünf neue Kraftwerke mit einer Leistung > 300 kW in Betrieb genommen. Die jährliche Energie­ produktion steigt dadurch um 55 GWh auf 37172 GWh. Gemäss dem geltenden Energiegesetz soll die durchschnittliche jährliche Was­ ser­kraftproduktion bis 2035 auf den Richt­ wert von 37400 GWh ansteigen. Die Ent­ wicklung wird im Rahmen des «Moni­toring Energiestrategie 2050» beobachtet. Das Monitoring stützt sich auf die vorliegende Statistik der Wasserkraft. Für das Moni­ toring wird jedoch von der erwarteten Ener­gieproduktion gemäss Statistik der wirkungsgradbereinigte Verbrauch der Zu­ bringerpumpen abgezogen und danach die effektive Produktion der kleineren Was­serkraftwerke < 300 kW addiert. Die effektive Produktion der Wasserkraftwerke < 300 kW nahm 2021 um 4 GWh/Jahr ab. Für das Monitoring ergibt sich damit für 2021 eine durchschnittliche inländische Pro­duktion von 36 708 GWh/Jahr. 139


Wasserkraftnutzung

Nachrichten

Stollensanierung im Kraftwerk Göschenen abgeschlossen Die Stufe Göscheneralp im Kraftwerk Gö­ schenen ist seit April 2022 wieder vollum­ fänglich am Netz. Die umfangreichen Sa­ nie­rungsarbeiten in den Druckstollen konn­ ten erfolgreich abgeschlossen werden. Anfangs Januar 2022 wurden sämtliche Kraftwerksmaschinen bei der Kraft­ werk Göschenen AG stillgelegt. Der Grund waren einerseits die alle fünf Jahre stattfindenden Sanierungsarbeiten im Stollen Göscheneralp und andererseits die Sanie­ rungsarbeiten am Absperrschieber zum Verbindungsstollen ins Kraftwerk Wassen. Letztere wurden bis Mitte Februar 2022 abgeschlossen und die Stromproduktion auf der Stufe Andermatt – Göschenen wieder aufgenommen. Rund ein Dutzend Arbeiter haben un­ ter herausfordernden Bedingungen auf fünf verschiedenen Baustellen den Beton bis auf die Armierungseisen abgespitzt und die betreffenden Stellen wieder frisch betoniert. Erschlossen waren die Baustellen mit lediglich einem kleinen Radlader, mit welchem 90 Tonnen Material in den und aus dem Stollen bewegt wurde. Rund 900 000 Franken kosteten alle Massnahmen im Zusammenhang mit der Stollensanierung. «Es ist nicht nur eine In­ ves­tition ins Kraftwerk, sondern auch in die Energiezukunft», sagt Marc Rothen­ fluh, Leiter Geschäfts- und Betriebsfüh­ rungen bei CKW. «Gut 60 Prozent des Schwei­zer Stroms stammen aus der Was­ serkraft, sie ist eine enorm wichtige Stütze in der Schweizer Stromproduktion. Wir müs­sen zu ihr Sorge tragen und nicht nur den Ausbau forcieren, sondern beste­hen­ de Anlagen regelmässig sanieren, damit sie auch in Zukunft zuverlässig sauberen Strom produzieren.» Ende März 2022 konnten die Sanie­ rungs­arbeiten plangemäss abgeschlos­ sen werden. Nach umfangreichen Kontrol­ len wird der Stollen mit einem Durch­ messer von bis zu drei Metern wieder geflutet, so dass die Stromproduktion der Stufe Gösche­ner­alp – Göschenen am 8. April 2022 für die beiden Stromabnehmer SBB und CKW wieder aufgenommen werden kann. Nebst der Stollensanierung ersetzt das KWG in einem Mehrjahresprogramm die Mehrheit der Maschinenkomponenten. Da­ zu gehören Turbinenräder, Generato­ren, 140

Stollensanierung im Kraftwerk Göschenen. Bild: CKW. Transformatoren sowie verschiedene Sys­ teme der Leit-, Schutz- und Regeltechnik. Das KWG investiert hierzu rund 60 Mio. CHF. Revidierte Maschine zurück im Kraftwerk Niederried-Radelfingen Die BKW hat eine Maschine des Wasser­ kraftwerks Niederried-Radelfingen komplett revidiert. Damit ist diese für mindestens 30 weitere Jahre voll einsatzfähig. Mitte April konnte die Maschine wieder in Betrieb genommen werden. Beim Wasserkraftwerk Niederried-Ra­ delfingen wurde eine von zwei Maschinen generalrevidiert. Eine solche Revision findet nur rund alle 30 Jahre statt. Dabei prüft die BKW alle Turbinenteile, Lager und Dichtungen und erneuert diese wo nötig. Hinzu kommen Revisionsarbeiten am Lauf­ radmantel. Dafür musste die Ma­schine trockengelegt und der gesamte Ma­schinen­ strang einschliesslich des Ge­ne­rators ausgebaut werden. Nur so war es möglich, an die Maschinenwelle und Tur­bi­ne zu gelangen. Das Wasserkraftwerk Niederried-Ra­del­ fingen wurde in den Jahren 1959 bis 1963 neben dem bereits bestehenden Stauwehr des Kraftwerks Kallnach erbaut. Die letzte Generalrevision der Maschine fand 1990/

Kraftwerk Niederried-Radelfingen. Bild: BKW.

1991 statt. In den Jahren 2009 bis 2022 hat die BKW das Kraftwerk revidiert und erneuert. Die Teilerneuerung umfasste den Ersatz der Maschinenleittechnik, von Kom­ ponenten an Turbine und Generator sowie die Erneuerung von wasserführenden Tei­ len (Rechenreinigung). Die maschinelle Ausrüstung – zwei Ma­ schinengruppen mit Kaplan-Turbinen – ist praktisch baugleich mit dem Wasserkraft­ werk Aarberg, 3 Kilometer flussabwärts. Die Ener­gie deckt den Strombedarf von rund 22 000 Haushalten.

Gewässerschutz Pilotanlage zu Fischleitrechen beim Kraftwerk Herrentöbeli (Thur) Der neu entwickelte und zum Patent ange­ meldete Fischleitrechen wird derzeit in Kombina­tion mit einem Fisch-Bypass­ge­ rinne an der Kleinwasserkraftwerkanlage Herrentöbeli an der Thur im Toggenburg erstmals im Prototypmassstab installiert. Das Kraftwerk wird von der St. GallischAppenzellischen Kraftwerke AG betrieben und im Rahmen der ökologischen Sanie­ rung von Wasserkraftwerken zur Erfüllung der Ziele des Gewässerschutzgesetzes um­ gebaut. Das Pilotprojekt wird vom Bundes­ amt für Umwelt (BAFU) finanziell unterstützt, um Erfahrungen mit dem neuen Fisch­leit­ rechen-Bypass-System zu sammeln. Nach der Inbetriebsetzung werden umfangrei­ che hydraulische und fischbiologische Mo­ ni­toring-Kampagnen durchgeführt, um die Wirksamkeit des Systems auf den Fisch­ schutz und die Fischleitung bei der Ab­ wärts­wanderung zu untersuchen und mit den Ergebnissen von Fischversuchen im Labor zu vergleichen. Weitere Infos dazu auf unserer Website: www.swv.ch/news.

Pilotanlage zu Fischleitrechen beim Kraftwerk Herrentöbeli. Bild: sak.

«Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden


111. Hauptversammlung SWV / 111e Assemblé générale de l’ASAE Wasser! Mit oder ohne … / De l’eau ! Avec ou sans ... 1./2. September 2022 / 1/2 septembre 2022 Trauffer Erlebniswelt, Hofstetten bei Brienz

Freitag, 2. September 2022 / Vendredi, 2 septembre 2022 07:30  Start zur Exkursion / Départ de l’excursion 15:30  Ende der Exkursion / Fin de l’excursion Das detaillierte Tagungsprogramm ist diesem Heft als Flyer beigelegt bzw. kann der Website www.swv.ch/hv22 entnommen wer­den. / Pour les détails voir le programme adjoint dans la présente revue ou sur le site web www.swv.ch/ag22.

tigte Tarife / Membres de l’ASAE profitent des tarifs préférentiels: • Mitglieder SWV / Membres ASAE: 240.– • Nichtmitglieder / Non-membres 310.– • Studenten / Étudiants: 120.– • HV / AG (für Mitglieder und Gäste): 0.– • Exkursion / Excursion: 110.– zzgl. MwSt., in CHF / hors TVA, prix en CHF. Anmeldung / Inscription Bis zum 31. Juli 2022 über www.swv.ch. / Par www.swv.ch jusqu’au 31 juillet 2022. Berücksichtigung der Anmeldungen nach Eingang (mit Vorzug für Mitglie­der). / Les inscriptions seront considerées par ordre d’arrivée (préférence pour les membres).

Traktanden

Der Schweizerische Wasserwirtschafts­ ver­band (SWV) lädt Mitglieder, Gäste und Interessierte ganz herzlich zur Tagung und 111. Hauptversammlung ins Grimselgebiet ein. Der Tagungsteil in der Trauffer Erleb­ nis­welt am Holzkuhplatz in Hofstetten bei Brienz steht unter dem Titel «Wasser! Mit oder ohne …» und widmet sich den Chan­ cen und Gefahren, welche die Kraft des Wassers im alpinen Raum zur Nutzung, aber auch als Beeinträchtigung mit sich bringt. Im Anschluss an die Tagung findet die ei­ gentliche Hauptversammlung mit den statutarischen Geschäften statt. Nach ei­ner Verschiebung ins Alpinhotel Grimsel Hos­ piz lassen wir den Tag bei einem Apéro und Abendessen gemütlich ausklingen. An der Exkursion am zweiten Tag werden wir die Bauarbeiten der neuen Spital­ lammsperre, die Kraftwerke an der Hand­ eck und ökologische Massnahmen beim Gelmersee besichtigen. Programm / Programme Donnerstag, 1. September 2022 / Jeudi, 1 septembre 2022 12:00  Eintreffen in der Trauffer Erlebniswelt / Arrivée à la Trauffer Erlebniswelt 13:00  Start zur Tagung / Début du symposium 16:00  Ende Tagungsteil / Fin du symposium 16:15  Hauptversammlung SWV / Assemblée générale ASAE 18:30  Apéro und Abendessen / Apéritif et dîner 22:00  Transfer in die Hotels / Retour aux hôtels

1. Präsidialansprache 2. Begrüssung, Traktanden 3. Protokoll der 110. Hauptver­sam­mlung vom 2.9.2021 4. Jahresbericht 2021 5. Jahresrechnung 2021, Revisions­ bericht, Entlastung der Organe 6. Budget 2023 7. Nächste Hauptversammlung 8. Mitteilungen, Verschiedenes Ordre du jour 1. Allocution du président 2. Accueil, Ordre du jour 3. Procès-verbal de la 110e Assemblée générale du 2.9.2021 4. Rapport annuel 2021 5. Comptes annuels 2021, rapport de révision, décharge aux organes 6. Budget 2023 7. Prochaine Assemblée générale 8. Communications, divers Die Unterlagen für die Hauptversam­m­ lung werden den stimmberechtigten Mit­ gliedern nach der Anmeldung zuge­stellt bzw. können von interessierten Mitglie­ dern auch auf dem Sekretariat bestellt werden. / Les documents pour l‘assemblée seront envoyés aux membres avec droit de vote après l’inscription et peuvent être commandés par tous les membres intéressés au secrétariat. Tagungssprachen / Langues Die Referate werden in Deutsch gehalten. Es ist keine Simultanübersetzung vorge­ sehen. / Les présentations se dérouleront en allemand. La traduction n’est pas prévue. Kosten / Frais Für Einzelmitglieder und Vertreter von Kol­ lek­tivmitgliedern des SWV gelten vergüns­

«Wasser Energie Luft» – 114. Jahrgang, 2022, Heft 2, CH-5401 Baden

Hotelreservation / Réservation hôtel Zimmer sind durch die Teilnehmenden zu buchen. Ein Kontingent ist bis zum 31. Juli 2022 vorreserviert. / Un certain nombre de chambre est pré-réservé jusqu'au 31 juillet 2022. Fachtagung Wasserkraft 2022 / Journée Force hydraulique 2022 «Bau, Betrieb und Instandhaltung von Wasserkraftwerken X / Construction, exploitation et entretien des centrales hydroélectriques X» 2.11.2022, Hotel Arte, Olten Die von der Kommission Hydrosuisse des SWV durchge­führte Ta­gung bezweckt den Austausch aktueller technischer Entwick­ lungen rund um die Was­serkraft­nutzung. / Sur l’initiative de la commission Hydrosuisse de l’ASAE, le symposium a pour objectif de faciliter les échanges en matière de développements techniques liés à l’utilisation de l’énergie hydraulique. Zielpublikum / Publique cible Angesprochen werden insbesondere Inge­ nieure und technische Fachleute von Was­ ser­kraftbetreibern, Beratungsbüros und der Zu­lieferindustrie. / Le symposium est desti­né en particulier aux ingénieurs et aux spécialistes des exploitations hydrauliques, des bureaux de conseil et des activités induites. Zielsetzung, Inhalt / But, contenu Die Fachtagung bezweckt den Austausch zu aktuellen Entwicklungen aus Forschung und Praxis – und ist ein exzellenter Treff­ punkt der Fachwelt. Das Ta­gungs­pro­gramm kann unter www.swv.ch heruntergeladen werden. / La journée téchnique a pour objectif de faciliter les échanges en matière de développements techniques actuels. Pour les détails voir le programme sur le site web. 141

Nachrichten

Veranstaltungen


Nachrichten

KOHS-Weiterbildungskurs 5. Serie, 6. Kurs Vorausschauende Entwicklung von Wasserbauprojekten Mittwoch/Donnerstag, 17./18. August 2022, Gais Die Kommission Hochwasserschutz (KOHS) des SWV führt zusammen mit dem Bun­des­ amt für Umwelt (BAFU) diese fünfte Serie der erfolgreichen wasserbaulichen Weiter­ bildungskurse durch. Zielpublikum Der Kurs richtet sich an aktive oder künftige Verantwortliche von wasserbaulichen Gesamtprojekten.

Zielsetzung, Inhalt Der praxisorientierte zweitägige Kurs soll einen fundierten Einblick in die verschie­ de­nen Aspekte der Entwicklung von Was­ serbauprojekten geben und dabei auch Verständnis für die heute notwendige Inter­ disziplinarität schaffen. Die Teil­neh­men­ den wissen nach dem Kurs, wie man ein zukunftsfähiges Wasserbauprojekt entwickelt und haben dazu verschiedene Werk­ zeuge praxisnah kennengelernt. Zudem haben sie Gelegenheit, sich an Work­shops und der Exkursion mit ausgewie­ senen Fach­leuten auszutauschen. Aus dem Inhalt 1. Tag: • Einführung und Übersicht • Erfolgsfaktoren für den Projektstart • Umfeld und Randbedingungen von Wasserbauprojekten • Workshop: Risikobasierte Planung von Wasserbauprojekten 2. Tag: • Ökologische Ansprüche • Erhaltungsmanagement • Gewässerunterhalt und Instand­haltung von Schutzbauten im Alltag • Besichtigung eines konkreten Wasser­ bauprojekts in der Region Für Details siehe Kursprogramm auf der Website www.swv.ch Anmeldung Über www.swv.ch. Dieser Kurs ist ausge­ bucht. Es gibt noch freie Plätze für den Wei­ 142

terbildungskurs in französischer Sprache am 26./27.10.2022 in Saint-Aubin oder den deutschsprachi­gen Kurs am 15./16.11.2022 in Sursee (letzte Kurse dieser Serie).

Agenda

Publikationen Wasserbau – Grundlagen, Gestaltung von wasserbaulichen Bauwerken und Anlagen

29./30.6.2022, Meiringen STK Fachtagung Schweizerisches Talsperrenkomitee www.swissdams.ch 17./18.8.2022, Gais KOHS-Weiterbildungskurs Wasserbau 5.6: Vorausschauende Entwicklung von Wasserbauprojekten (d) Kommission KOHS des SWV www.swv.ch 24.8.2022, Zweisimmen Stufen-Becken Tagung 2022 Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW), Bundesamt für Umwelt (BAFU) www.vaw.ethz.ch/veranstaltungen 1./2.9.2022, Region Grimsel SWV-Tagung mit Exkursion und 111. SWV-Hauptversammlung SWV www.swv.ch 22./23.9.2022, Horw 29.9.2022, Vierwaldstättersee Weiterbildungskurs Seeufer­ revitalisierung – Grundlagen und Massnahmen HSLU www.hslu.ch  seeuferrevitalisierung 26./27.10.2022, Saint-Aubin KOHS-Weiterbildungskurs Wasserbau 5.7 (f) Kommission KOHS des SWV www.swv.ch 2.11.2022, Olten Hydrosuisse-Fachtagung Wasserkraft 2022: Bau, Betrieb und Instandhaltung von Wasserkraftwerken X (d/f) Kommission Hydrosuisse des SWV www.swv.ch 15./16.11.2022, Sursee KOHS-Weiterbildungskurs Wasserbau 5.8 (d) Kommission KOHS des SWV www.swv.ch

Publikation: 2021; Detlef Aigner, Gerhard Bollrich; Springer Vieweg, Berlin, Heidel­ berg; 8. Auflage; 476 Seiten, 230 Abb.; ISBN 978-3-658-30550-5 Beschrieb: 2021 ist im Springer Vieweg Ver­lag die 8. Auflage des Fachbuchs «Was­ ser­bau» mit teilweise neuer Autorenschaft erschienen. Das ursprünglich von Prof. Dr. D. Vischer und Dr. A. Huber, seinerzeit Do­ zen­ten an der ETH Zürich, verfasste Lehr­ buch stellt seit den 1970er-Jahren das deutsch­sprachige Standardwerk auf dem Gebiet des konstruktiven Wasserbaus dar. Die heutigen Autoren Prof. Dr. H. Patt, Emeritus für Wasserbau und Wasser­wirt­ schaft an der Universität Duisburg-Essen, und Prof. Dr. P. Gonswoski, Emeritus für Wasserbau der Fachhochschule Nord­west­ schweiz, haben im Jahr 2009 die Autoren­ schaft übernommen und 2011 die 7. Auf­ lage publiziert. In der aktuellen 8. Auflage ist neu Dr. J. Speerli, ehemals Professor für Hydraulik und Wasserbau an der HSR Hoch­ schule für Technik, Rapperswil, als Mitau­ tor hinzugekommen. An den Kapiteln 7 und 8 haben weitere Autoren mitgewirkt (Dipl.Ing. U. Fitzthum und Prof. Dr. J. Stamm), wel­che aber nicht Buchautoren sind. Auch international gibt es vermutlich nur wenige Publikationen, in welchen die Vielfalt des Wasserbaus derart umfassend von den hydrologischen Grundlagen über den Flussbau und die Wasserkraft bis zum Verkehrswasserbau behandelt werden. Am ehesten zu nennen sind nach meiner

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Kennt­nis das englischsprachige «Hydraulic Struc­tures» von P. Novak et al. von 2007, das französischsprachige «Constructions hydrau­liques» von W. H. Hager und A. J. Schleiss von 2009 sowie das deutschspra­ chige Fachbuch «Wasserbau» von T. Strobl und F. Zunic aus dem Jahr 2006. Ein noch ausführlicherer Einbezug der internationa­ len Literatur wäre im vorliegenden Fach­ buch einerseits wünschenswert, andererseits könnte dies den Rahmen aber auch sprengen und der Übersichtlichkeit zuwiderlaufen. Eine der Stärken des Buches liegt nämlich im mit knapp 500 Seiten im­ mer noch kompakten Format und einer guten Balance zwischen Breite und Tiefe der behandelten Materie. Die Autoren stellen ihr reichhaltiges Wissen in der Forschung, Planung und Aus­führung von Wasserbauten in Deutsch­ land, der Schweiz und international einer Leserschaft dar, die von Bauingenieur- und Umweltingenieurstudenten bis zu Fach­ex­ perten reicht. Das Buch ist in einer didaktisch guten und logischen Reihenfolge in 8 Hauptkapitel gegliedert. Nach einer kurzen und knappen Einleitung (6 Seiten) inklusive eines Überblicks über die Zielset­ zun­gen und Teilgebiete des Wasserbaus werden in Kapitel 2 (60 Seiten) die hydrologischen, hydrometrischen und wasserwirtschaftlichen Grundlagen behandelt, deren Anwendung die Eingangsgrössen für wasserbauliche Bemessungen liefern. Kapitel 3 (38 Seiten) wird dem Feststoff­ trans­port und einer Typologisierung von Fliessgewässern gewidmet als wichtige Grundlage für Kapitel 4 (83 Seiten) zu fluss­baulichen Aspekten inklusive Wehre und Fischaufstiegsanlagen. Thematisch hätten alternativ die Kapitel 3 und 4 (teilweise) verschmolzen, und stattdessen die Thematik der Wehre mit Fischwanderhilfen in einem eigenen Kapi­ tel zusammengefasst werden können. Der Umfang wäre dann rund 77 Seiten für Kapitel 3 gegenüber 44 Seiten für Kapitel 4. Im Ka­pi­tel 5 wird der technische Hochwasser­schutz auf 23 Seiten behandelt. Die Was­ser­kraft­ nutzung ist Thema des Kapitels 6, wobei neben den verschiedenen Wasser­kraft­ werktypen auch Fassungen, Entsan­der, offene und geschlossene Triebwas­ ser­ wege, Speicher und Talsperren inklusive Nebenanlagen sowie hydraulische Ma­ schi­nen behandelt werden. Wegen der Themenbreite ist dies mit 177 Seiten das umfangreichste Kapitel. Kapitel 7 (28 Sei­ ten) ist dem landwirtschaftlichen Wasser­ bau, auch als Kulturwasserbau bekannt, gewidmet. Und schliesslich wird die Bin­ nenschifffahrt in Kapitel 8 auf 46 Seiten

behandelt. Ein Stichwortverzeichnis am Buchende und ein Symbolverzeichnis am Anfang runden das Fachbuch ab, während die Literaturangaben am Ende der jeweiligen Kapitel angeordnet sind. Neben den Kapitelverzeichnissen wäre auch ein Ge­ samt­literaturverzeichnis wünschenswert, um die relevante Fachliteratur noch schnel­ ler und unabhängig von Fachthemen zu finden. Das Buch ist mit 230, mehrheitlich Schwarzweissabbildungen, Tabellen und Grafiken reich und qualitativ hochstehend bebildert. Teilweise werden von den Autoren auch wirtschaftliche und gesetzliche Aspekte diskutiert, wobei letztere mehrheitlich auf deutsche und EU-Richtlinien und Regel­ werke abzielen, was ich als in der Schweiz ansässiger Verfasser dieser Buchbespre­ chung bedauere. Ein grosser Pluspunkt und vermutlich ein Grund für die Neuauflage ist einerseits die Aktualisierung dieser mitunter schnell ändernden Rahmenbedin­ gungen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Gesetzgebung, andererseits aber auch die Berücksichtigung des technischen Fortschritts. So sind beispielsweise gerade im Bereich der Umweltauflagen sowie der ingenieurbiologischen Bauweisen laufend Neuerungen aus Wissenschaft und Praxis zu beobachten. Während einige von diesen noch unsicher in ihrem Erfolg sind, haben sich andere technische Entwicklun­ gen zwischenzeitlich etabliert und zu Recht Aufnahme in das vorliegende Fachbuch gefunden, z. B. Coanda-Rechen an Sohl­ ent­nah­men und Spülsysteme mit Wirbel­ röh­ren in Entsanderanlagen. Andere neuere Literatur, z. B. zur Bemessung von Ent­ sanderbecken unter Berücksichtigung von Zuströmbedingungen und Einbauten so­ wie zur Bestimmung von hydraulischen Verlusten an Einlaufrechen, wurde hinge­ gen leider (noch) nicht aufgenommen, und auch das wichtige Thema der Durch­gän­ gigkeit für Fische an Wehren und Kraft­ werken ist für meinen Geschmack eher kurz gehalten. Hier wäre ein Hinweis auf neue Entwicklungen zum Fischschutz und zur Leitung abwärtswandernder Fische wünschenswert. Es darf hier jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass diese genannten Themen aufgrund ihrer Komplexität nur in eigenen Fachpublikationen vertieft und umfassend behandelt werden können, während dies im Rahmen eines allge­mei­ nen Wasserbau-Fachbuchs nur oberfläch­ lich geschehen kann. Besonders gefallen mir neben der klaren und verständlichen Struktur dieses Fach­buchs die speziell gekennzeichneten Rechen- und Anschauungsbeispiele, wel-

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che den Inhalt erläutern und verständli­cher machen. Obwohl die mitteleuropäische Entwurfs- und Bemessungsphilosophien im Fokus der Betrachtungen in diesem Fachbuch stehen, so lassen sich auch für international tätige Ingenieure wegen der meist grossen Parallelen zu anderen Län­ derspezifikationen viele wertvolle Anre­ gun­gen für Planung, Projektierung, Bau, Betrieb und Überwachung von Wasser­ bauten finden. Den Autoren sei mein Glückwunsch für dieses sehr gelungene Fachbuch ausge­ sprochen! Prof. Dr. Robert Boes, Professor für Wasserbau und Direktor der Versuchsanstalt für Wasserbau an der ETH Zürich

Die Thur und das untere Thurtal in den Kantonen Zürich und Thurgau. Die Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart

Publikation: Meinrad Suter. Die Thur und das untere Thurtal in den Kantonen Zürich und Thurgau. Die Geschichte von den An­ fängen bis zur Gegenwart. Mit einem Bei­ trag von Christian Göldi und Robert Bän­ ziger über das Projekt «Hochwasserschutz und Auenlandschaft Thurmündung». Hrsg. von der Baudirektion des Kantons Zürich. Zürich 2022. ISBN 978-3-033-08967-9. 604 Seiten, zahlreiche Illustrationen, 230 x 280mm, fester Einband. Vertrieb: cube media AG, Binzstrasse 9, CH-8045 Zürich, www.cubemedia.ch/shop. Preis: Fr. 74.-. Beschrieb: Im Zusammenhang mit dem Projekt «Hochwasserschutz und Auen­ land­schaft Thurmündung», das 2017 abgeschlossen worden ist, hat die Baudi­rek­ tion des Kantons Zürich ein Forschungs­ projekt zur Geschichte der Thur, zum Was­serbau an der Thur und zu den Be­ zieh­ungen zwischen Mensch und Fluss im 143


unteren Thurtal von Weinfelden bis Flaach in Auftrag gegeben. An der Finanzierung be­teiligten sich private Geldgeber und der Kanton Thurgau, der in den kommenden Jahrzehnten das umfangreiche Hochwas­ ser­schutz- und Flussrevitalisierungs­pro­ jekt «Thur+» umzusetzen gedenkt. Die Re­ sultate des Forschungsprojektes liegen nun in einem 600-seitigen, reich illustrierten Buch vor. Es handelt von der eiszeitli­ chen Entstehung des Thurtales, von der Aus­bildung politischer Räume und Gren­zen, von Wirtschaft, Verkehr, Krieg und Kriegs­ sorgen im Lauf der vergangenen Jahr­hun­ derte und was der Fluss dabei für eine Rolle spielte. Ein wichtiges Thema sind die Fluss­ bauten, die seit dem 14./15. Jahrhundert fassbar sind, und die grossen Korrektio­ nen des 19. und 20. Jahrhun­derts. Aus­ge­ wertet wurden die Quellen in den Staats­ archiven Zürich und Thurgau sowie in den Archiven der Thurgemeinden. Die soge­ nann­ten «Thurbriefe», die zwischen den Gemeinden abgeschlossen wur­den, handeln von den Wuhren und vom Lauf (dem «Gewässerraum»), den die Thur haben sollte. Sie zeugen von einer regelbasierten Wasserbauordnung und von ei­nem Wuhr­ recht, das sich bis ins 17./18. Jahrundert in eine «Wuhrpflicht» verwan­delte, nämlich zur Pflicht, die Thur einander von oben nach unten «an die Hand zu geben». Hydro-abrasion processes and modelling at hydraulic structures and steep bedrock rivers

Beschrieb: Hydraulic structures exposed to bedload-laden flows may experience significant hydro-abrasive wear of their inverts, putting their sustainable use at risk. There are mechanistic abrasion prediction models to forecast the expected abrasion rates of rocky riverbeds or inverts of hydraulic structures exposed to hydro-abrasion. However, these models feature large uncertainties, mainly due to the fact that not all parameters relevant for hydro-abrasion are accounted for. The hardness of the sediment material, for instance, was not in-corporated into these models up until now. In addition, the effect of supercritical flow over hydraulically smooth to rough fixed beds had hardly been analyzed systematically, so that the model uncertainty further increases for such hydraulic conditions, which are frequent in steep bedrock rivers and at many hydraulic structures like flushing channels and sediment bypass tunnels. This research project conducted by Dr. Demiral Yüzügüllü deals with an experimental hydraulic investigation of supercritical sediment-laden flow over fixed beds as typically found in the mentioned hydraulic structures and rivers. Her findings are a step forward in fixed bed narrow open channel flow hydraulics including particle motion and sediment transport, and the modelling of hydro-abrasion. The main output of her research is an enhanced mechanistic abrasion model, allowing for the prediction of hydro-abrasive wear of cementitious and natural stone material exposed to bedload transport in supercritical narrow open channel flow over fixed beds. The model is thus an important tool for the design of adequate invert liners for sustainable hydraulic infrastructure exposed to severe bedload transport, and for the geomorphic process understanding of bedrock rivers. Sediment Supply Control on River Widening Morphodynamics and Refugia Availability

Publikation: 2021; Autor: Dr. Dila Demiral Yüzügüllü; Herausgeber: Prof. Dr. Robert Boes, VAW – ETH Zürich, VAW-Mitteilung 261, A5-Format, 325 Seiten, kostenloser Download unter: www.vaw.ethz.ch/dasinstitut/vaw-mitteilungen.html. 144

Publikation: 2021; Autor: Dr. Cristina Rachelly; Herausgeber: Prof. Dr. Robert Boes, VAW – ETH Zürich, VAW-Mitteilung 265, A5-Format, 325 Seiten, kostenloser Download unter: www.vaw.ethz.ch/dasinstitut/vaw-mitteilungen.html. Beschrieb: Anthropogenic impacts have led to the deterioration of rivers and natural watercourses. As a result, river morphology and aquatic habitats for flora and fauna have commonly developed towards a less natural state. Water protection leg-

islation demands measures to counter these phenomena and give more space to rivers where possible to develop a more natural planform and morphology. River widenings are a common river restoration approach by increasing a river’s width on a local or river reach scale. Mechanically excavated widenings can be distinguished from river sections that are dynamically widened by the flow. Still today, the longterm effect of the sediment supply level on the morphodynamic behavior of a widening and the upstream river reach, both in planform and in river bed elevation, remains poorly understood. Dr. Rachelly’s research deals with an experimental and numerical investigation of sediment supply control on the morphodynamics of a river widening. Among the most important findings is the distinction between morphodynamically active and inactive widenings, depending on the level of sediment supply with reference to the channel’s transport capacity or on structural bank initiation measures. Widenings can be classified as active for supply levels of 80% and 100% of the initial channel’s transport capacity or for a structural initiation that causes local flow deceleration with subsequent sediment deposition. In contrast, widenings remain morphodynamically inactive for sediment supplies of 60% of the transport capacity or lower, or for measures that purely deflect the flow without causing sediment deposition. It should be noted that these findings refer to longitudinal slopes of about 1%, i.e. to relatively steep gravel-bed rivers as found in perialpine regions.

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Fachtagung Wasserkraft 2022

Mittwoch, 2. November 2022, Olten

Journée d’étude Force hydraulique 2022

Anmeldung www.swv.ch.

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Auf dem Wasser sind wir zu Hause

Unsere Seen, vorallem dicht besiedelte Seeregionen werden als direkteste Anbingung von Elektro- oder Kommunikationsnetzen, Wasser-, Luft und Gasleitungen genutzt. Es sind verschiedene Seeleitungen in unseren Gewässern vorhanden: Seekabel: z.B. Internet-, Telefon-, Fernsehempfang sowie Stromversorung Stahlleitungen: z.B. Seewasserfassungen, ARA Ausläufen, Gasund Trinkwasserleitungen, Seewasser zum Kühlen und Heizen sowie Schmutzwasserleitungen und Kabeldükern. PE-Leitungen: z.B. analog Stahlleitungen sowie Druckleitungen und Kabelschutzrohre für Hochspannungs- und Belüftungsleitungen.

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Die Bedingungen unter Wasser können oft kompliziert und anspruchsvoll sein. Typische Merkmale sind sehr grosse Wassertiefen, etwa im alpinen Bereich, oder sehr geringe Wassertiefen in Verbindung mit schmalen Uferstreifen. Daneben sind meist umwelttechnische Auflagen zu erfüllen. Schweres, schwimmendes Gerät lässt sich häufig nur eingeschränkt oder überhaupt nicht einsetzen. Seeleitungsvorhaben erfordern daher stets detaillierte Planungen von meist sehr individuell ausgestalteten Verlegeverfahren. Daneben ist auch der Betrieb der Leitungen inklusive Wartungs- und Reparaturarbeiten zu berücksichtigen. Unser Unternehmen ist seit über 20 Jahren im Seeleitungsbau tätig. Dank unserer erfahrenen Tauchern sowie technisch hochwertigen und modernen Maschinenpark können wir alle Arbeiten rund um Seeleitungen unter höchstem Sicherheitsstandard ausführen. Wir als Profis stellen uns dieser Herausforderungen und sind Ihr Partner für ein gelungenes Projekt.

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Glarus, eine einzigartig vielseitige Gemeinde und attraktive Arbeitgeberin Wir sind eine dynamische, weltoffene und kulturell interessante Gemeinde, in der es sich gut leben, arbeiten und geniessen lässt. Die Hauptabteilung Wald und Landwirtschaft bewirtschaftet eine Waldfläche von 3500 ha. Sie besteht aus zwei Forstrevieren und der Fachstelle Landwirtschaft. Zur Ergänzung unseres Teams suchen wir per 1. August 2022 oder nach Vereinbarung eine engagierte und umsichtige Persönlichkeit als

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Kanton Zürich Baudirektion Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft

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Gegen 3‘500 km Bäche und Flüsse sowie zahlreiche Seen prägen den Lebensraum im Kanton Zürich. Die 6 Gebietsingenieure/innen Wasserbau der Sektion Beratung + Bewilligung unterstützen die Gemeinden, Planer, Architekten und Private bei deren Vorhaben die Gewässer hochwassersicher und naturnah zu gestalten. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Bei der Bewilligung und Begleitung der Wasserbauvorhaben der Gemeinden profitieren Sie von Ihrer mehrjährigen Erfahrung in der Erarbeitung und Ausführung von Projekten im Bereich Gewässer / Wasserbau und zählen auf Ihre Ausbildung als Bau-, Forst-, Umwelt-, Kulturingenieur/in oder Landschaftsarchitekt/-in oder einer ähnlichen Fachrichtung. Dabei besitzen Sie Kenntnisse des integralen Hochwasserschutzes und des naturnahen Wasserbaus. Die Unterstützung der Gemeinden und ihrer Planungsbüros bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Hochwasserschutzund Revitalisierungsprojekten ist anspruchsvoll und verlangt Geschick und strukturiertes Vorgehen, Kommunikation und Moderation im Umgang mit unterschiedlichen Anspruchsgruppen. Wollen Sie Spuren hinterlassen? Wenn Sie sich mit uns bei der Baudirektion engagieren, prägen Sie das Gesicht des Kantons Zürich mit. Dabei können wir Ihnen ein spannendes Umfeld anbieten – und das 2 Minuten vom Hauptbahnhof entfernt. Martin Schmidt ist Sektionsleiter Beratung + Bewilligung und vielleicht Ihr künftiger Chef. Er ist für Ihre konkreten Fragen da: 043 259 31 48. Wir freuen uns auf Ihre Online-Bewerbung unter www.zh.ch/jobs. Ihr neues Umfeld: www.zh.ch/awel. hinschauen - entwickeln - handeln

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Abdichtungen

Gewässerökologie www.oeplan.ch | 071 722 57 22 | info@oeplan.ch

OePlan

Schweizerische Fachzeitschrift für Wasser­­wirt­schaft / Revue suisse spécialisée sur l’aménagement des eaux

Revitalisierung

an Fliessgewässern und Seeufern Varianten- und Machbarkeitsstudien Ausführungsplanung und Umsetzung

Gegründet 1908 / Fondée 1908 Bis 1930 «Schweizerische Wasser­wirtschaft»; 1931–1934 «Schweizerische Wasser- und Energiewirtschaft»; 1935 –1975 «Wasser- und Energie­wirtschaft»; ab 1975 «Wasser Energie Luft»

Gewässerentwicklung

Entwicklungsziele und Initiierung Unterhaltskonzepte und Pflegepläne Erfolgskontrolle und Monitoring

Begleitplanungen

Landschaftsgestaltung Aquatisch, terrestrische Ökologie (UBB, UVB) Boden (Bodenschutzkonzepte, BBB) Naherholung und Besucherlenkung

Herausgeber / Éditeur Schweizerischer Wasserwirtschafts­verband (SWV) / Association suisse pour l’aménagement des eaux (ASAE) Redaktionsleitung / Direction de la rédaction Andreas Stettler, andreas.stettler@swv.ch Layout, Anzeigen, Redaktion / Mise en page, annonce, rédaction Mathias Mäder, mathias.maeder@swv.ch

Armaturen

Wir arbeiten in einem interdisziplinären Team aus Kulturingenieuren, Landschaftsarchitekten und Umweltfachleuten. Mit über 30 Jahren Erfahrung bieten wir ihnen kreative und nachhaltige Lösungen.

Gewässerpflege

ISSN 0377-905X Verlag, Administration / Édition, administration SWV, Rütistrasse 3 a, CH-5401 Baden Telefon +41 56 222 50 69, info@swv.ch, www.swv.ch Postkonto Zürich: 80-1846-5 Mehrwertsteuer-Nr.: CHE-115.506.846 Abonnement / Abonnement Das Abonnement ist in der Mitgliedschaft SWV ent­halten. / L’abonnement est compris dans l’affiliation ASAE.

Bautenschutz

Preise / Prix Jahresabonnement CHF 120.–, zzgl. MwSt.; für das Ausland CHF 140.–; Einzelpreis Heft CHF 30.–, zzgl. MwSt. und Porto; erscheint 4 × pro Jahr. / Abonnement annuel CHF 120.–, plus TVA; pour l’étranger CHF 140.–; Prix au numéro: CHF 30.–, plus TVA et frais de port; paraît 4 fois par an.

Gewässervermessung

«Wasser Energie Luft» ist offizielles Organ des SWV und seiner Gruppen: / «Eau énergie air» est l’organe officiel de publication de l’ASAE est ses groupes régionaux: Associazione Ticinese di Economia delle Acque (ATEA), Verband Aare-Rheinwerke (VAR), Rheinverband (RhV). Die publizierten Beiträge geben die Meinung der jeweiligen Autoren wieder. Diese muss sich nicht mit derjenigen der Redaktion oder der Verbände decken. / Les articles publiés reflètent les avis des auteurs et ne correspondent pas forcément à ceux de la rédaction ou des associations. Druck, Lektorat / Production, Correction Horisberger Regensdorf AG

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