ZEITSCHRIFT DER FREIEN THEATERSZENE THÜRINGEN
AUSGABE 02.2016
INTERVIEWAUSGABE GESPRÄCHE * DEBATTEN * VISIONEN
THEMEN UND GÄSTE: KULTUR & GEBIET MIT PROF. DR. HOFF /// AVANT ART NOMINIERUNGEN 2016 /// FACHJURY IM GESPRÄCH /// BDAT IM WANDEL MIT JÖRG SOBECK /// WER KULTUR LIEBT ... MIT DR. GRISKO /// KULTUR BILDET WEITER:
HERAUSGEBER
THÜRINGER THEATERVERBAND
AUSGABE 02.2016
INHALT
IMPRESSUM HERAUSGEBER:
THÜRINGER THEATERVERBAND Mitglied im Bund Deutscher Amateurtheater Mitglied im Bundesverband Freie Darstellende Künste Mitglied im Kulturrat Thüringen
REDAKTION: Mathias Baier Kay Gürtzig Frank Grünert und Gastautoren
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EDITORIAL. AUF EIN WORT
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AVANT ART FESTIVAL. DAS PROGRAMM
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KULTUR & GEBIET. INTERVIEW MIT PROF. DR. HOFF
SATZ /LAYOUT: Christoph Hohmann TITELFOTO: Sascha Willms (Arturo Ui - Theater am Markt Eisenach)
Chef der Thüringer Staatskanzlei
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THÜRINGER THEATERPREIS. DIE NOMINIERUNGEN
AUFLAGE: 2000
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FACHTAG. THEATERUNDPÄDAGOGIK
GESCHÄFTSSTELLE THÜRINGER THEATERVERBAND
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THÜRINGER THEATERPREIS. JURY IM GESPRÄCH
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AVANT ART FESTIVAL. DIE GASTSPIELE
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WER KULTUR LIEBT .... INTERVIEW MIT DR. GRISKO
VORSITZENDER: Frank Grünert GESCHÄFTSFÜHRER: Mathias Baier
Projektreferent der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen
FSJ KULTUR: Felix Schölzel
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KULTUR BILDET WEITER: WEITERBILDUNGSVERBUND
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STRUKTUR & PERSPEKTIVE. INTERVIEW MIT JÖRG SOBECK Präsident Bund Deutscher Amateurtheater
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KURZ NOTIERT. NEUIGKEITEN & INFORMATIONEN
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IM BILD. SZENENKALEIDOSKOP
ANSCHRIFT: Thüringer Theaterverband Stadthaus / Platz der OdF 1 07407 Rudolstadt Telefon 03672/412072 Telefax 03672/414958 info@thueringer-theaterverband.de www.thueringer-theaterverband.de SPRECHZEITEN: Mo. bis Fr. von 9 bis 13 Uhr FÖRDERUNG Thüringer Staatskanzlei Abteilung Kultur und Kunst
GESPRÄCHE UND INTERVIEWS
EDITORIAL
Mathias Baier Geschäftsführer Thüringer Theaterverband
Auf ein Wort! Unserer Einladung zum Gespräch folgten in dieser Ausgabe zahlreiche Kulturschaffende und -politiker. Das von uns hierfür in der Regel gesuchte Interview (abgeleitet vom lateinischen inter videre), steht für das sich gegenseitig Sehen. Die Begegnung vis-à-vis und der geführte Dialog münden so im wechselseitigen Erkennen und Verstehen. Heute zumeist journalistisch - also aus der Perspektive eines Fragenden - geführt, bildet das Interview im Idealfall die Meinung und Haltung des Befragten ab. Die Chance, gesehen, erkannt und verstanden zu werden, besteht folglich vermehrt für den Antwortenden. Ob dieser FrageAntwort-Dialog dem Lesenden Erkenntnisse und Vergnügen verschafft, obliegt der thematischen Aktualität und der Hartnäckigkeit des Fragenstellers in gleicher Weise wie dem Auskunftswillen und dem Wissen der befragten Personen.
sierung und deren Folgen; über kulturellen Aktionismus und integrative Notwendigkeiten; über die Freiheit der Kunst und die Verantwortung zur Entscheidung; über die Perspektiven des Amateurtheaters; von Segen und Last der Professionalisierung; über den Anspruch in der Theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen; vom Umgang mit dem Sterben; über das Verhältnis von Mensch und Maschine und über das Smartphone als Bombe mit Bewusstsein. Diese thematische Vielfalt spiegelt die aktuellen Anforderungen an das Theater in gleicher Weise wie gesellschaftliche Fragen in Deutschland und Europa wider. Unsere Gesprächspartner bekunden damit zugleich, dass das Theater - heute vielleicht nicht mehr als moralische Anstalt - noch immer aber als Ort zur Verhandlung aktueller, gesellschaftlicher Situationen und Nöte fungiert und genutzt wird.
Zu Wort gekommen, thematisieren unsere Gesprächspartner - zumeist ohne drängende Nachfragen - kulturelle und aktuelle gesellschaftliche Fragen und Probleme. Sie sprechen über Kulturförderung und die geplante Gebietsreform in Thüringen; über Zinspolitik und kommunale Kulturaufgaben; über das Ehrenamt und prekäre Arbeitsverhältnisse in der Kultur; über Flucht und Flüchtlingsprojekte; von Fremdenfeindlichkeit, Populismus, Radikali-
Der Diskurs dieser Ausgabe der Theatrium basiert auf dem Dialog. Der Diskurs von der Bühne wird aktuell von zahlreichen der genannten Themen und Fragen geprägt. Auch auf dem diesjährigen Avant Art Festival in Jena wird dies zu erleben sein. Die nominierten Ensembles aus Thüringen und die geladenen Gastspiele verhandeln akute gesellschaftliche Themen und Fragen. Die freie Theaterszene zeigt auf ihrem Festival, dass die Kunst der Darstellung im Kontext des Diskurses der Verteilung (und Vergrößerung) jener Informationen dient, deren Gehalt heute von gesellschaftlichen Grundfragen und so genannten Krisen geprägt ist. So befördern diese Theater mit ihren Inszenierungen gleichsam den öffentlichen Dialog. Dieser wird auch auf
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dem diesjährigen Festival vom 20. bis 22. Oktober ein eigenes Format erhalten. Im „Basislager“ wird - über die Dauer des gesamten Festivals - der Dialog zu den sechs Inszenierungen und den Inhalten ermöglicht und gefördert. Die Kultur des Gespräches soll gepflegt und der Austausch über das Gesehene und Wahrgenommene stattfinden. Innerhalb gesellschaftlicher Veränderungen und Prozesse unterliegen auch die Theater selbst (unabhängig von ihrer institutionellen oder freien Form) einer Veränderung und unterziehen sich einem Wandel. Dies betrifft u.a. die gefundenen Ausdrucksformen und -weisen. So ist Theater nicht mehr nur ein diskursives Medium, sondern findet auch dialogische Formen - in dem nur die Kommunikation mit dem Publikum den Fortgang der performativen Handlung absichert und bestimmt. Es ändert sich vielfach auch der Blick des Theatermachers auf das Publikum. Theater sind, so sie sich nicht allein auf den kreativmarktwirtschaftlichen Wettbewerb und auf die Versuchungen einer touristischen Popularität einlassen und wenn sie die Ansprache „bildungsbenachteiligter“ Zielgruppen oder der „Experten des Alltags“ nicht als Instrument der Finanzierung und Publikumsauslastung begreifen, im besten Sinne Kommunikationsanstifter. Der Diskurs muss dazu führen, dass das Theater - um den Dialog zu ermöglichen - der Marktplatz seiner Bürger wird. Denn letztlich ist uns bewusst: „Die menschliche Kommunikation ist ein Kunstgriff, dessen Absicht es ist, uns die brutale Sinnlosigkeit eines zum Tode verurteilten Lebens vergessen zu lassen.“ (Vilém Flusser)
2016
AVANT 20I10_22I10_2016 ART FESTIVAL IM THEATERHAUS JENA
DAS PROGRAMM Das Thüringer Avant Art Festival findet 2016 zum dritten Mal in Verbindung mit der Vergabe des Thüringer Theaterpreises statt. Dies ist das vorläufige Festivalprogramm. Insgesamt sechs Inszenierungen - davon zwei Gastspiele aus Hessen und Sachsen - sind auf dem Festival im Theaterhaus Jena zu erleben. Das Festival bietet für seine Teilnehmer zudem eine fachliche und kommunikative Begleitung und eine Plattform für das „Basislager“ (Theatrium Ausgabe 01/2016) sowie Jurybegegnungen und Austauschformate. Schirmherr des Festivals ist der Chef der Thüringer Staatskanzlei und Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten Prof. Dr. BenjaminImmanuel Hoff.
20I10_17:00 UHR Schlafen Fische? the@rt Frankfurt/Main /// Kindertheater /// Stückinformationen auf Seite 21
20I10_19:30 UHR /// Festivaleröffnung 20I10_20:00 UHR Antigone die Schotte Erfurt /// Schauspiel /// Stückinformationen auf Seite 10
21I10_09:30 UHR
[11:30 Uhr zweite Aufführung] Abräumen stellwerk - das junge Theater Weimar /// Kindertheater ab 2 Jahren /// Stückinformationen auf Seite 9
21I10_14:30 UHR Und das so kurz vor dem Fest theater der stadt Gotha /// Puppentheater /// Stückinformationen auf Seite 14
21I10_19:30 UHR /// Kulturpolitisches Podium 22I10_13:00 UHR THÜRINGER Dark Star DAS ÜZ & pipidasdas Leipzig /// THEATERVERBAND Durational Performance /// Stückinformationen auf Seite 20 Das Festival wird vom Thüringer Theaterverband gemeinsam mit dem Theaterhaus Jena ausgerichtet. Weitere Partner des Festivals sind die LAG Spiel und Theater in Thüringen und JenaKultur. Das Festival wird gefördert von der Thüringer Staatskanzlei, von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und von JenaKultur. Medienpartner ist die Thüringer Landeszeitung.
22I10_18:00 UHR Taxi Driver Theaterhaus Jena /// Schauspiel /// Stückinformationen auf Seite 12/13
22I10_21:21 UHR Thüringer Theaterpreis Preisverleihung anschließende Abschlussfeier
Aktuelle Informationen unter:
www.avantartfestival.de
Programmänderungen vorbehalten!
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KULTUR & GEBIET
Interview mit Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff zu Kulturfördergesetz und Gebietsreform in Thüringen. im Gespräch mit Mathias Baier
Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff Chef der Thüringer Staatskanzlei und Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten Foto: Thüringer Staatskanzlei
Die Thüringer Landesregierung plant eine Verwaltungs-, Struktur- und Gebietsreform. Diese sieht u.a. eine Neuordnung vor, die die bestehenden 17 Thüringer Landkreise und sechs kreisfreien Städten in 10 vergrößerte Landkreise und in zwei kreisfreie Städte überführt. Ausführlich und regelmäßig informiert auch das Thüringer Innenministerium über das Vorhaben und die Stimmen und Stimmungen hierzu.
www.thueringen.de/th3/gebietsreform/ Die geplante Reform in Thüringen ist ein höchst komplexes Vorhaben mit Einfluss und Auswirkungen in nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche. Dass sie nicht allein die Verwaltungen und Kommunalparlamente bewegt, zeigen zahlreiche Wortmeldungen sowie Bürgerumfragen in der Thüringer Presse. Uns interessieren insbesondere jene Auswirkungen und Einflüsse auf die kulturelle Landschaft in Thüringen. Anlass genug, den Thüringer Kulturminister um ein Gespräch zu bitten.
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Gleich zu Beginn: Es formieren sich Widerstände gegen gefürchtete Verluste kommunaler und regionaler Eigenständigkeit und eine aktuelle Mehrheit der Thüringer Bevölkerung scheint der Reform gegenüber eher skeptisch eingestellt. Was überzeugt Sie dennoch von dieser Reform und worin bestehen ihre Notwendigkeit bzw. Chancen? Der Freistaat Thüringen wurde vor nunmehr 25 Jahren gegründet. Viele Annahmen, auch diejenigen der Gebietsreform des Jahres 1994 haben sich seitdem verändert. Durch demographische Entwicklungen, technologischen Fortschritt aber auch durch Herausforderungen, die damals noch gar nicht absehbar waren. Aus diesem Grunde ist es sinnvoll, dass im Freistaat Thüringen, der sich in den vergangenen Jahren im Hinblick auf die Arbeitsmarktentwicklung spürbar positiv entwickelt hat, dort renoviert wird, wo es notwendig ist. Ich halte nicht viel davon, die Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform nur unter dem negativ konnotierten und mit Befürchtungen besetzten Begriff der demographischen Entwicklung zu diskutieren. Es trifft zwar zu, dass wir im Vergleich zu 1990 mit
einem Geburtenrückgang, einer älter werdenden Bevölkerung und einer abnehmenden Zahl von Einwohnern konfrontiert sind. Es trifft ebenfalls zu, dass dieser demografische Aspekt auch unmittelbare Auswirkungen auf den Landeshaushalt hat. Weniger Einwohner führen auch zu sinkenden Einnahmen des Landes. Zudem bestimmen weitere Faktoren die künftige Handlungsfähigkeit unseres Freistaats: dies sind insbesondere das Auslaufen des Solidarpakts II und die Verringerung der Fördermittel der Europäischen Union. Bis zum Jahr 2020 greift zudem die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für die Länder. Im Mittelpunkt steht für mich jedoch, dass wir mit dieser Reform die Rahmenbedingungen dafür verbessern, dass sich Thüringen weiterhin positiv entwickelt. Zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat schauen positiv auf die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung. Auch die eigene wirtschaftliche Lage wird positiv beurteilt. Wir haben derzeit noch steigende Steuereinnahmen. Kurzum: Jetzt ist die richtige Zeit, um längst überfällige Reformen anzugehen und zwar in einer Weise, in der wir selbst gestalten können und nicht durch externe Ereignisse wie eine
ICH WÜRDE MICH FREUEN, WENN KÜNFTIG IN JEDEM LANDKREIS UND JEDER KREISFREIEN STADT WIEDER KULTURDEZERNENTEN TÄTIG SIND, DIE KULTUR NICHT ALS EIN NACHRANGIGES THEMENFELD NEBEN VIELEN ANDEREN AUFGABEN WAHRNEHMBAR IST.
Finanz- oder Wirtschaftskrise gezwungen sind, nur fiskalpolitisch zu denken und zu handeln. Ich bin überzeugt davon, dass Thüringen auf allen Ebenen eine funktionsund leistungsfähige, finanzierbare öffentliche Verwaltung braucht. Die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich klare Verantwortlichkeiten, professionelles Personal mit guter Bezahlung, Bürgernähe und eine starke kommunale Selbstverwaltung. Diese Aspekte stehen bei der Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform im Mittelpunkt. Man hat jedoch den Eindruck, das Vorhaben kollidiert mit der tradierten Vorliebe des Thüringers für seine kleinen Fürstentümer und Residenzen. Ihr Hinweis auf die früheren Fürstentümer ist meines Erachtens sehr wichtig. Es wird ja oft der Eindruck erweckt, die Thüringer würden nur ihre eigene Kirchturmspitze im Blick haben. Aus meinem Erleben trifft dies nicht zu. Zumindest nicht stärker als in anderen Ländern. Die angestrebte Reform sollte aus meiner Sicht auch genutzt werden, um die Stärken unseres Freistaates in den Blick zu nehmen und mit beliebten Irrtümern aufzuräumen. Es gibt die Vorstellung, dass Thüringen vorrangig von der Städteachse an der A4 geprägt sei. Darüber vergessen wir oft die Potentiale, die jenseits der A4 liegen. Die Region um Saalfeld beispielsweise ist ein industrieller Wachstumskern. Der fränkische Teil Thüringens hat das Potential einer wichtigen Museumsregion. Kulturtouristisch weist Ostthüringen durch seine Nähe zum Leipziger Metropolenraum enorme Potentiale auf. Weitere Beispiele lassen sich finden. Und Thüringens Rückgrat könnte seine polyzentrische Struktur von Mittel- und Kleinstädten sein, die gut miteinander vernetzt sind und fälschlicherweise als „ländlicher Raum“ gering geschätzt werden. Hier drückt sich kulturpolitisch die reichhaltige Residenztradition aus. Diese Traditionen erhalten wir, statt sie zu schwächen. Haben Sie eine langfristige „Strategie der Überzeugung“ gegenüber den Skeptikern?
Wie Sie sehen, besteht unsere Überzeugungsstrategie darin, an den tatsächlichen Herausforderungen anzusetzen, statt abstrakte Ziele wie Einsparungen im Landeshaushalt zu formulieren. Es geht nicht darum, dass wir weniger für die Bürgerinnen und Bürger mit weniger Geld machen wollen, sondern wie wir die öffentlichen Ressourcen so optimal einsetzen, dass ein Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger entsteht. Klar ist aber, dass der alte Satz „Wer will, dass alles so bleibt wie es ist, nicht will, dass es bleibt“ weiterhin zutrifft. Wir sind als rot-rot-grüne Landesregierung angetreten, um unseren Freistaat zukunftsfähig aufzustellen. Wir machen keine Reform der Reform wegen. Dreh- und Angelpunkt ist für uns die Leistungsfähigkeit der Gemeinden und Landkreise, die wir für unsere Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft sicherstellen wollen. Welche kulturpolitischen Überlegungen oder auch perspektivischen Entscheidungen stehen hinter den neu geplanten Thüringer Verwaltungseinheiten? Kulturpolitik in Thüringen ist überwiegend kommunale Kulturpolitik. Bedauerlicherweise stellen wir fest, dass sich mehr als 100 Kommunen im Freistaat in einer extremen Haushaltsnotlage befinden, also auf Haushaltssicherungsprogramme angewiesen sind. Dies schränkt die Gestaltungsfähigkeit in diesen Gebietskörperschaften enorm ein. Das spüren auch die Kulturschaffenden, denn viele wichtige Kulturkommunen sind von der Haushaltsnotlage betroffen. Wenn wir also die Leistungsfähigkeit der Kommunen verbessern wollen, wenn wir über neue Aufgabenverteilungen zwischen Land und Kommunen sprechen, dann soll dies auch dazu beitragen, die kulturelle Gestaltungskompetenz der Kommunen zu verbessern. Ein Beispiel: Ich würde mich freuen, wenn künftig in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt wieder Kulturdezernenten tätig sind, die Kultur nicht als ein nachrangiges Themenfeld neben vielen anderen Aufgaben wahrnehmbar ist.
Neben der Debatte zur Gebietsreform wird jene zu einem Thüringer Kulturfördergesetz geführt. Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen den Vorhaben und welche Herausforderungen ergeben sich daraus? Die Koalition hat sich vorgenommen, die Kulturentwicklung Thüringens auf gesetzliche Füße zu stellen. Dies ist ein Beispiel für die eingangs von mir genannten Renovierungen. Bislang geschieht viel Gutes in der Kulturpolitik im Freistaat auf der Basis von Verordnungen oder Richtlinien. Dies systematisch in einem Gesetz zusammenzuführen, kann sinnvoll sein. Zunächst prüfen wir dabei aber die Erfahrungen in anderen Ländern, wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen oder Sachsen. Diese Erfahrungen kann man nicht 1:1 auf Thüringen übertragen und ich bin auch skeptisch, ob das Gesetz aus NRW ein gutes Vorbild oder nur ein Papiertiger ist. Gebietsreform und Kulturfördergesetz, da ergibt sich zwangsläufig die Frage: Wird es auch ein Thüringer Kulturraumgesetz geben? Ich habe ja bereits darauf hingewiesen, dass wir das Kulturraumgesetz aus Sachsen auf Anwendbarkeit für Thüringen prüfen. Auch hier bin ich skeptisch. Thüringen hat nicht diese Kulturräume, wie sie in Sachsen bestehen. Deshalb würde ich auf den Fokus Kulturräume verzichten wollen. Darüber hinaus scheint mir im sächsischen System die Rolle des Landes in der Kulturpolitik sehr zurückgezogen zu sein. Ich vertrete jedoch eher den Ansatz einer gestaltenden Kulturpolitik des Landes. Zumal wir in Thüringen zum Beispiel keine Landesmuseen haben, sondern überregional wichtige Museen, an denen sich das Land neben den kommunalen Trägern beteiligt ähnlich wie bei den Theatern, bei denen es nur zwei Staatstheater gibt. Kurzum: wir müssen einen Thüringer Weg beschreiben und danach beschreiten.
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DAMIT WIR KÜNFTIG NICHT RADIKALE EINSCHNITTE IM FINANZBEREICH VORNEHMEN MÜSSEN, ... ,MÜSSEN WIR HEUTE DIE ENTSCHEIDUNGEN TREFFEN, DIE UNS MORGEN DABEI HELFEN, THÜRINGEN WEITERHIN SO POSITIV ZU ENTWICKELN.
Gibt es auf diesem Weg auch Überlegungen, die regionale Kulturfinanzierung in Thüringen neu zu ordnen? Welche Vorhaben hierzu können Sie bereits skizzieren oder sich vorstellen?
der Förderung beteiligen. Kann und wird man Stadt, Umland und Regionen in eine gemeinsame Verantwortung nehmen und wie schafft man das hierfür nötige gemeinsame Bewusstsein?
Kulturentwicklung ist grundsätzlich und vor allem eine Kulturfinanzierungsfrage. Deshalb haben wir uns für dieses Jahr vorgenommen, bei der kommunalen Kulturfinanzierung einen Schritt vorwärts zu kommen. Der bisherige Kulturlastenausgleich im Kulturhaushalt gehört meines Erachtens systematisch in den Kommunalen Finanzausgleich und es sollten sich auch Kommunen an der Kulturfinanzierung beteiligen, die zwar von der Wertschöpfung der Kultur und des Kulturtourismus profitieren, sich aber nicht an deren Finanzierung beteiligen. Dies habe ich in der Theaterdebatte deutlich vertreten und nun hat das Kabinett die Finanzministerin, den Innenminister und mich verpflichtet, einen Vorschlag für einen Sonderlastenausgleich Kommunale Kulturfinanzierung im Kommunalen Finanzausgleich vorzulegen.
Ich denke, dass wir über dieses Thema insbesondere im Kontext des Kulturentwicklungsgesetzes sprechen werden. Ich verweise aber noch einmal darauf, dass wenn wir über Städte in Thüringen sprechen, weniger Erfurt, Weimar oder Jena im Blick haben müssen, sondern die große Zahl an Mittelund Kleinstädten, die unser Land prägen und die vielfach über Kultureinrichtungen verfügen, die weit über die Größe der Kommune hinausstrahlen. Diese Kultureinrichtungen zu vernetzen, aufeinander zu beziehen und daraus Strategien für Kulturentwicklung und Kulturtourismus zu entwickeln, erscheint mir wichtig. Das ist auch die Lehre aus den vom Land finanzierten Kulturentwicklungskonzeptionen in Nord- und in Südthüringen. Nicht ohne Grund wünscht sich Ostthüringen einen vergleichbaren Kulturentwicklungskonzeptionsprozess. Die Landrätin von Ostthüringen und ich werden uns in absehbarer Zeit mit der neuen Kulturbürgermeisterin aus Leipzig treffen - vergleichbare Gespräche würde ich gern für den Harzraum oder beispielsweise für die Achse SonnebergCoburg-Nürnberg vorschlagen. Denn Kulturentwicklung jenseits von Mittelthüringen ist oft auch länderübergreifende Zusammenarbeit mit SachsenAnhalt, Niedersachsen, Sachsen, Hessen oder Bayern. Ich verweise nur auf die Grenzmuseen. Das Bewusstsein dafür ist meines Erachtens vielfach bereits vorhanden.
Wird die Gebietsreform also auch die öffentlichen Kulturförderstrukturen in Thüringen verändern? Ich sehe nicht, dass neben der beschriebenen Änderung im Hinblick auf die kommunale Kulturfinanzierung ein gänzlich neues Finanzierungssystem erforderlich ist. Es wird darauf ankommen, unsere Landesentwicklung so positiv zu gestalten, dass die Kommunen besser als bislang in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erledigen und dabei insbesondere die Kultur als Wachstumsfeld der Wirtschafts- und Landesentwicklung zu befördern. Die Bevölkerung und die Kultur konzentrieren sich in den Thüringer Städten. Die Praxis zeigt, dass die Förderung dieser Kultur i.d.R. allein den Kommunen (oft flankiert von Landesförderung) obliegt, die zugehörigen Landkreise sich jedoch nur selten an
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Einige Kommunen entwerfen Szenarien in Folge der geplanten Gebietsreform. So wird die Finanzierungssicherheit der so genannten freiwilligen Leistungen in Frage gestellt. Auch an Träger der freien Kultur- und Theaterszene wird diese Ungewissheit der künftigen kommunalen Förderung weitergegeben. Was möchten Sie den so in Sorge versetzten freien Kulturträgern vermitteln?
Noch einmal: Der Dreh- und Angelpunkt der kommunalen Kulturpolitik ist die Finanzkraft der Thüringer Kommunen. Oftmals sind unsere Kommunen nur noch eingeschränkt handlungsfähig. Deshalb macht es Sinn, auf der Ebene der Städte und Gemeinden zu prüfen, welche Gebietskörperschaften in leistungsstärkeren Gemeinden aufgehen können. Die Stadt Eisenach wiederum wünscht sich die Rückeinkreisung, um auf diesem Wege durch Aufgabenentlastung wieder Spielraum für die Kulturentwicklung zu erhalten. Ich verstehe einen wesentlichen Teil meiner Aufgabe auch darin, im direkten Gespräch mit der freien Kulturund Theaterszene ebenso wie mit den Jugendkunst- und Musikschulen Entwicklungswege zu diskutieren. Der Begriff „Reform“ gilt in der Politik oft als Euphemismus für „Einschnitte“. Birgt diese Reform für die Freie Kultur- und Theaterszene Thüringens eher Chancen oder sind auch Einschnitte zu erwarten? Mit der Gebietsreform sollen leistungsfähigere Strukturen entstehen. Insbesondere dadurch wird die Kulturfinanzierung auf breitere Sockel gestellt. Es gibt derzeit auch viele Kommunen ohne nennenswerte Kulturausgaben (und ohne Schulden), die dann je nach Struktur der künftigen Gemeinden und Landkreise, möglicherweise auch an der Kulturfinanzierung beteiligt werden. Insofern bietet diese Reform eine Chance für die Kultur. Es ist nicht geplant, aufgrund der Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform Einsparungen vorzunehmen. Im Gegenteil, das Land nimmt für die Gebietsreform z.B. für Entschuldungshilfen Geld in die Hand. Abschließend kann ich aber nur noch einmal wiederholen: Damit wir künftig nicht radikale Einschnitte im Finanzbereich vornehmen müssen, weil wir als Freistaat eine rückläufige Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung haben, müssen wir heute die Entscheidungen treffen, die uns morgen dabei helfen, Thüringen weiterhin so positiv zu entwickeln.
DIE NOMINIERUNGEN ZUM AVANT ART FESTIVAL 2016 spricht, und sich dann Spielformen zu überlegen, die auf die Sehgewohnheiten der jungen Zuschauer abgestimmt sind. Zu Probenbeginn haben wir viel mit Formen experimentiert und improvisiert und natürlich war da auch eine Portion eigene „kindliche Spielfreude“ dabei, die durch das Spiel mit den riesigen Bauklötzen angeregt wurde. Fünf Inszenierungen wurden von der diesjährigen Fachjury für das Avant Art Festival im Oktober in Jena nominiert. Wir haben die Ensembles zu ihrer Arbeit, den Inszenierungsprozessen und den Besonderheiten der Erarbeitung befragt und hoffen damit eine Anregung zu geben, diese Stücke zu besuchen oder spätestens auf dem Festival vom 20.-22.10.2016 im Theaterhaus Jena zu erleben.
Inwieweit gelten für diese Arbeit die Regeln und die Formensprache des Theaters? Wo ergeben sich andere Herangehens- und Spielweisen?
Bauklötzen. Und ihr spielt das Spiel den Kindern vor. Das klingt (für Erwachsene) nicht sehr spannend. Wieso funktioniert das Prinzip dennoch? Wie schon gesagt, spielen wir viel mit den Themen Neugier und Entdeckung und experimentieren mit den Formen. Die anfänglich leere Bühne füllt sich immer mehr mit Bausteinen und die Kinder können mitverfolgen, wie die Formen immer wieder neu bespielt werden. Stets passiert etwas Neues, ständig wird etwas um-, aufoder abgebaut und es gibt wieder eine xxx
ABRÄUMEN stellwerk - das junge Theater Weimar
Regie: Steffi Heiner „Abräumen“ ist ein Theaterstück für ein ungewöhnlich junges Publikum. Welche Altersgruppe sprecht ihr mit dieser Inszenierung an und mit welcher Motivation und Intention habt ihr euch an diese Arbeit begeben? Die Inszenierung richtet sich an Kinder im Alter von 2 bis 6 Jahren. Seit mehreren Jahren bieten wir Stücke für diese Altersgruppe an, um schon die Jüngsten an Theater spielerisch heranzuführen und um die eigene Lust der Kinder auf phantasievolles Spielen und Entdecken anzuregen. Ausgangspunkt dafür sind, wie auch bei „Abräumen“, Themen oder Dinge, die den Kindern im Alltag begegnen, wie in diesem Fall Farben und Formen. Wir wollen die Kinder durch unser Spiel mit Farben und Formen einladen, ihre Umwelt neugierig und auch auf neue Art zu entdecken.
Foto: Marius Luhn
Wie viel an theoretischer Vorarbeit, Spieldidaktik und ggf. bewahrter Kindlichkeit steckt in dieser Arbeit?
Tatsächlich ist der Ansatz, den wir verfolgt haben, eher ein performativer. Die Figuren auf der Bühne entdecken, forschen, probieren mit den Formen und bleiben (wie auch der Spielort) in ihrer Charakterisierung eher offen. Eine klassische Dramaturgie oder Geschichte verfolgten wir nicht, da es für jüngere Kinder tatsächlich nicht so eine große Bedeutung hat, wer die Figuren auf der Bühne sind, wo sie herkommen oder warum sie eine bestimmte Handlung vollziehen. Jüngere Kinder lassen sich leicht darauf ein, das Geschehen auf der Bühne zu beobachten und gemeinsam mit den Spielern auf Entdeckungsreise zu gehen. Sie hinterfragen weniger und sind dafür offener für die gebotenen sinnlichen Eindrücke.
Die Vorarbeit bestand hauptsächlich darin, ein Thema zu finden, das der Lebenswelt der Altersgruppe ent-
Das Material, die Bausteine, sind zentrales Mittel dieser Arbeit. Anders gesagt: Ihr spielt (als Erwachsene) mit
neue Figur oder Form zu entschlüsseln, so bleibt es für Kinder spannend. Natürlich ist es wichtig, dass die Spieler mit einer hohen Energie und eigenen Spielfreude dabei sind und jedes mal wieder die Formen neu für sich entdecken, damit es spannend bleibt. Weshalb gehören das Mitspielen der Kinder oder Interaktionen offenkundig nicht in euer Konzept? Tatsächlich hatten wir über eine direkte Interaktion mit den Kindern zum Ende des Stückes nachgedacht, da wir aber zumeist vor 80 bis 100 Kindern spielen, ist dies leider nicht realisierbar. Allerdings interagieren die Kinder dennoch und auf ihre Weise mit den
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Spielern, da sie es in diesem Alter noch nicht gewohnt sind, still und leise auf ihren Plätzen zu sitzen, und sie alles, was sie sehen, oft direkt kommentieren. Das ist absolut gewünscht und etwas, worauf sich die Spieler einstellen. Die Darsteller agieren die ganze Zeit, sprechen jedoch wenig. Vor welche Herausforderungen hat dies die beiden Spieler und die Regie gestellt? In den Proben mussten wir immer wieder abgleichen, wo und wieviel Sprache notwendig ist, um die Handlung begreifbar zu machen. Wieviel „Geschichte“ braucht es dann doch, um die Spannung für die Kinder zu erhalten? Das ist für die Spieler ein ziemlicher Balanceakt und anfänglich sehr ungewohnt, da sie sich auf eine eher kindliche Spielweise einlassen mussten. Eine unterstützende Rolle spielt dabei die Musik, die einzelne Szenen untermalt und atmosphärisch begleitet. Diese entstand parallel zum Probenprozess. Der Komponist hat sich immer wieder einzelne Szenen angeschaut und wir haben dann darüber gesprochen, was diese atmosphärisch braucht. So entstanden nach und nach die einzelnen Musikstücke. Wie musstet ihr das Schauspiel als Erwachsene angehen, um im positiven Sinne infantil - also kindlich - und nicht kindisch zu agieren? Wie erzeugt ihr diese Balance (zumal ja auch immer Erwachsene mit im Publikum sitzen)? Die Spieler müssen mit einer gewissen kindlichen Neugier an die Szenen herangehen und trotzdem soll das Spiel auch etwas sehr Ernsthaftes und Konzentriertes haben. Letztlich ist der Ansatz mehr ein performativer und die Spieler sind Forscher und Entdecker in diesem Spiel. Und das sind Kinder, die die Welt entdecken, letztlich auch. Auch als Erwachsener schafft man es ja, sich eine gewisse Neugier zu bewahren und kann so Freude am Zuschauen entwickeln und Neues entdecken.
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ANTIGONE die Schotte Erfurt
Regie: Uta Wanitschke, Juliane Kolata
„Antigone“ - eine der klassischen, griechischen Tragödien - bietet auf den ersten Blick wenige Bezüge zur heutigen Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Weshalb entschied sich das Kinder- und Jugendensemble für diesen Klassiker? Zunächst interessierte uns die Problematik zwischen gesetztem Recht und individuell gefühltem Recht (Menschenrecht). Jeder Entscheidung wohnt die Verantwortung inne. Diese muss dann auch individuell getragen werden. Das betrifft jeden Menschen jedes Alters. In der Schotte spielen zudem sehr viele Jugendliche. Deshalb sind wir immer auf der Suche nach Stoffen, die viele Jugendliche ins Spiel bringen. Eine chorische Arbeit schien uns eine Möglichkeit zu sein. Einige der Spieler fanden den Stoff auch deshalb interessant, weil sie das Stück in der Schule behandeln. Welche Textfassungen liegen der Inszenierung zu Grunde? Wie viel eigene Handschrift habt ihr an dieses Werk von Sophokles gelegt? Wir haben parallel vier Textfassungen gelesen und uns eine eigene gebaut, die unseren Intentionen entsprach. In den Proben sind dann aus der Improvisation kleinere Texte hinzugekommen. Trotz der gefundenen endgültigen Textfassung, bleibt die Sprache zumeist fern von jugendlicher Umgangssprache. Ist diese Sprache eher eine Stütze oder eine Herausforderung für die Inszenierungsarbeit? Die Sprache ist für die Standbilder der Chorarbeit eher eine Stütze gewesen. Diese sollte nicht an eine bestimmte Zeit gebunden sein. Herausforderung ist diese bildreiche Sprache sowieso und es bedurfte
reichlich Untertextarbeit, diese verständig und im Maß zu sprechen. Außerdem muss ja jede Sprache decodiert werden. Die Inszenierung konzentriert sich auf zentrale Handlungen und dampft fünf Akte zu einem etwa 90-minütigen Schauspiel ein. Nicht jeder Suizid ist zu erleben, nicht jeder Konflikt wird ausgetragen. Auf welcher Grundlage und unter welchen Maximen haben Regie und Dramaturgie hier agiert? Wie schon gesagt, bot die Grundlage für die Inszenierung die Frage nach den unterschiedlichen Rechten. Es geht um Verantwortung und den Willen einer jeden Figur, das Richtige zu tun. Diese Handlungsmaximen sind für jeden nachvollziehbar. Themen, die uns dafür nicht relevant schienen, haben wir heraus gestrichen. Nebenbei sind die handelnden Figuren in bestimmte Familienverhältnisse geworfen, die ihr Tun nicht vereinfachen, den Figuren aber genügend „Fleisch“ geben. Ein klassischer Stoff und eine weitestgehend klassische Theaterform dennoch wirkt die Inszenierung weder tradiert noch antiquiert. Worin steckt das Geheimnis der Erarbeitung? Wir leben jetzt und haben versucht, die Problematik als unsere zu begreifen. Der Chor von Thebanischen Alten ist bei euch der Chor von Erfurter Jungen. Die Synchronität und Intensität dieses Chores spielt eine tragende und prägende Rolle in der Aufführung. Wie ist es gelungen, diesen Chor von über 20 Köpfen in solch einen harmonischen Einklang zu bringen? Bei der Stückvorstellung vor ca. 60 Interessierten haben wir hauptsächlich auf die harte Chorarbeit hingewiesen,
WIR HATTEN WENIG ZEIT, UND DAHER GENUG DRUCK INTENSIV UND KONSTRUKTIV ZU ARBEITEN.
Foto: Lutz Edelhoff
aber auch auf die großen Kraft, die dieser innewohnen kann. Insgesamt spielen (nach Umbesetzungen) 35 Chorspieler in einem Pool und haben die harte Arbeit auf sich genommen. Diese Anforderung muss mit Spaß einhergehen und bringt den Stolz eines jeden Chor-Spielers, ohne „Anatmer“ auszukommen. So viel wie möglich, haben wir gemeinsam erarbeitet, gerade die Bewegungsbilder sind als Einheit zwischen Spielern und Regie entstanden. Die Standbilder der Chöre werden methodisch in der Erarbeitung nach Absprachen dirigiert und sehr streng gearbeitet. Acht Monate wurde drei Stunden wöchentlich - unterbrochen von der Arbeit an den Bewegungschören - daran gearbeitet und geprobt. Wir haben versucht, Sprechen als lustvolles Tun zu vermitteln. In verschiedenen Szenen mischen sich Chor und Protagonisten mit dem Publikum. Welche Absicht verfolgt ihr mit dieser offenkundigen Nähe zu euren Gästen und welche Reaktionen und Erfahrungen ergeben sich aus dieser Annäherung? Der Chor hat zumeist die Funktion des Volkes. Als solches mischt er sich dann auch darunter. Das Zuschauer-Volk ist Teil der Inszenierung. Alles geschieht jetzt mit mir und durch mich. Die Spieler sind der Meinung, mit allen Sinnen wahrgenommen zu werden. Manche Zuschauer sind ob der Nähe peinlich berührt.
inhaltlichen Hintergrund - man könnte sagen: wir haben uns etwas dabei gedacht. Jedoch ist auch das nicht „richtiger“ als jede Lesart jedes Zuschauers. Generell waren die Reaktionen sehr positiv. Viele berichteten von der Fülle der Eindrücke und der Komplexität des Stücks - ohne davon überfordert, sondern eher inspiriert zu sein. Was allerdings auffällig ist, ist die Vielzahl an „Schlüsseln“, die von den Zuschauern gefunden werder um sich einen Zugang zum Stück zu schaffen - Text, Bewegung, Grafiken, Videos, Ansagen, alles ist dabei.
FLUCHTEN theater der stadt Gotha
Regie: Constantin von Thun Eigenproduktionen, wie „Fluchten“ sind dramaturgisch immer herausfordernde Projekte. Wie gestaltete sich die kollektive Erarbeitung dieses Stückes? Wir hatten wenig Zeit, und daher genug Druck intensiv und konstruktiv zu arbeiten. Große Teile des Materials wurden von den Darstellern eingebracht und mit der Unterstützung und Anleitung des Regisseurs und der Choreografin entstand das Stück. Wir fanden das Thema gemeinsam, generierten und bearbeiteten eigene Texte bzw. wählten gemeinsam fremdes Material aus und machten sogar zwischenmenschliche Dynamiken innerhalb unserer Gruppe zum Material. Auch bei der Entwicklung der Choreographien erwuchs viel aus den Vorstellungen der Darsteller. Die Inszenierung bietet einen starken Assoziationsraum. Er ermöglicht diverse Betrachtungsweisen und Interpretationen. Sind dennoch Lesarten durch das Publikum erwünscht und welche Reaktionen gibt es auf diese Darbietung? Ein klares Nein auf die erste Frage. Eine erwünschte, eine „richtige“ Lesart gibt es nicht. Natürlich verfügt alles, was auf der Bühne passiert über einen
In der Stückbeschreibung ist von „der Befreiung vom Anspruch auf Vollständigkeit“ die Rede. Steht also der Prozess über dem Produkt oder kann eine jugendliche Eigenproduktion dem Anspruch auf Vollständigkeit nicht genügen? Hier wurden wir missverstanden. Wenn wir vom „Anspruch auf Vollständigkeit“ sprechen, so reden wir über die inhaltliche Vollständigkeit. Über das Thema Fluchten gibt es mit Sicherheit mehr zu sagen und zu tanzen, als unser Stück liefert; vieles, was man erwarten könnte, findet gar keine Erwähnung. Wir haben sozusagen ein Fragment vor uns, welches die Gedanken beinhaltet, die für uns von Bedeutung waren. Ob es einer jugendlichen Eigenproduktion möglich ist, diesem Anspruch auf Vollständigkeit gerecht zu werden, oder nicht, vermögen wir nicht zu sagen, wir haben es ja auch gar nicht versucht. Ferner können wir von unserer Arbeit sagen, dass der Prozess nicht über dem Produkt steht, genauso wenig andersherum, beides ist gleichwertig. Ein erkenntnisreicher Prozess schließt nach unserer Auffassung ein qualitativ
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hochwertiges Produkt nicht aus und umgekehrt.
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Wie groß war der Anteil des Ensembles an der Befreiung vom szenischen Spiel zu Gunsten der performativen Darbietung? Erzeugte diese Befreiung an anderer Stelle Beschränkungen? Wir mussten uns als Ensemble weder vom szenischen Spiel befreien noch kamen in uns solche Überlegungen auf. Wir fanden einen Ansatz, ohne uns dieser theoretischen Kategorien zu bedienen und folglich ohne abzuwägen, welcher dieser vorgedachten Ansätze in xxx
welchem Grad der performativen Darbietung dienlich oder hinderlich sei. Der Einsatz von Musik und Video, von Licht- und Soundeffekten geht über eine akzentuierende Rolle deutlich hinaus. Mit welchem Fokus wurde das Verhältnis zwischen Performance und gewählter Mittel gefunden? Der Inhalt bestimmt die Form. Dem Stück liegt ein gedankliches, inhaltliches Konstrukt zugrunde, eines, das in den verschiedenen Ebenen verwirklicht wurde - in der Darstellung der Akteure sowie in Video, Musik, Licht usw. - der Fokus lag so auf dem gewinnbringenden Miteinander der medialen Erzähl-ebenen. In einzelnen Bildern arrangiert bietet der permanente, begleitende Einsatz von Klang, Musik und Video dem Stück auch Brücken und Übergänge. Wie wesentlich ist der Einsatz der Mittel für die Vereinigung des Stücks und wie groß war der Aufwand hierzu? Wesentlich und mit großem Aufwand verknüpft. Die Erarbeitung der
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Foto: Bernd Seydel
verschiedenen Ebenen geschah parallel und so wirkten diese ohnehin stets in Wechselwirkung miteinander. Welche Intention verfolgt ihr mit der gelegentlichen Mehrsprachigkeit des Stücks? Wir Teilnehmer schrieben Texte, die nicht bzw. nicht ausschließlich deutsche Sprache enthalten. Antrieb dafür war das Bild der Flucht in eine andere Sprache. Es ist beispielsweise leichter, etwas zu sagen, wenn man es in einer anderen Sprache sagt oder im Dialekt. Fremdsprachliche Ausflüchte, sozusagen. Wie wurde das Thema des Stückes gefunden? In der Gruppe sammelten wir Themen und Begriffe, denen wir uns widmen wollten. Die Wahl fiel schließlich auf „Fluchten“. Unsere weitere Auseinandersetzung mit diesem Begriff bewegte sich im Assoziationsraum dessen; wir suchten nach einer Vielzahl an Perspektiven, u.a. im persönlichen und architektonischen Feld.
AdR: Leider musste das Gothaer Ensemble von „Fluchten“ seine Teilnahme am Avant Art Festival im Oktober in Jena absagen.
TAXI DRIVER Theaterhaus Jena
Regie: Sebastian Martin Vorlage der Inszenierung „Taxi Driver“ ist der gleichnamige Film von Martin Scorsese (Drehbuch: Paul Schrader) aus dem Jahre 1976. Wie nahe steht das Stück dem Original? Wir haben den Film sowie das Originaldrehbuch als Ausgangspunkt der Recherche genutzt. Einige Szenen haben wir herausgefiltert und diese neu übersetzt. Dieses Skelett war quasi der Rohschnitt für eine freie Bearbeitung der Vorlage. Weiterhin haben wir im Laufe der Arbeit Szenen, Motive und Situationen hinzu montiert und das mosaikartige Material zu einem Gesamtabend verwoben.
DAS WASSER BIETET EINE SPIEGELGLATTE OBERFLÄCHE - JE HÖHER DER STAND, DESTO MEHR RUTSCHGEFAHR. TRAVIS SCHLITTERT IN SEIN VERDERBEN. . Welche Rollen spielten die aktuelle gesellschaftliche Situation und die persönliche Haltung des Inszenierungsteams bei der Auswahl, Gestaltung und Erarbeitung der Inszenierung? Eine große Rolle. Das Team war v.a. an der Frage interessiert, wieso ein bislang unauffälliger Bürger aus der „Mitte der Gesellschaft“ heraus tritt, sich radikalisiert und zum Attentäter wird. Während der Vorbereitung gab es in Köln das Attentat auf die Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker, die durch ein Messerattentat schwer verletzt wurde. Der Täter, der noch nie straffällig war, soll bei seiner Verhaftung gerufen haben: „Ich habe es für euch getan!“ Und so standen wir mitten im Heute und wir fragten uns, was im Kopf eines Einzeltäters geschieht? Darsteller, Handlungen und Maximen erscheinen facettiert, zerissen und gebrochen. Welche Fragen, wie viel innere Zerrissenheit seiner Schöpfer spiegeln sich im Stück?
terschiedliche Wege anschauen, die zu dem Attentat, welches uns der Film vorgibt, führen. Wir haben uns drei unterschiedliche Figuren erschaffen, die alle zwar zu der Gewalttat führen, aber über unterschiedliche Wege.
Der Bühnenbau und die Bühnentechnik sind für ein Bühnenwerk - sehr aufwendig. Worin lag die größte Herausforderung und wie groß ist der personelle und technische Aufwand schon in der Vorbereitung?
„Der ganze Dreck“ soll weggespült werden - bildlich und tatsächlich. Viel Wasser rinnt über die glatte Bühnenfläche. Welche Bedeutung und Funktionen übertragt ihr diesem Element?
Vor allem das Theaterhaus und die Unterbühne trocken zu halten und alles dicht zu versiegeln war eine große Herausforderung. Zudem benötigen Auf- und Abbau enorm viel Manpower und Zeit. Allein das Abpumpen des Wassers dauert etwa zwei Stunden. Das ist sicherlich ein großer Aufwand für so ein kleines Haus, aber alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hoch motiviert und haben das Regieteam und das Spielerensemble großartig unterstützt und stehen absolut hinter dem Abend.
Wasser bietet viele Assoziationsmöglichkeiten, beispielsweise: 1. Filmzitat: Travis fährt durch die nassen nächtlichen Straßen New Yorks. 2. Der Dreck, den Travis um sich zu erkennen glaubt, wird wortwörtlich von der Bühne gespült. 3. Im Verlauf der Radikalisierung der Travisfiguren und ihrer Sprache beginnt ein Gulli im Bühnenbild überzulaufen. Gedanklicher „Schmutz“ tritt an die Oberfläche. Das Gesagte führt zu einer „Überschwemmung“.
Welche deutschen Politiker der heutigen Zeit kommen der Rolle des nationalkonservativen „Charles Palantine“ nahe? Gibt es lebende Vorbilder?
Wieso glaubt unser Travis, dass er allein die Macht hat, das Recht in die Hand zu nehmen? Wieso endet seine Sinnsuche in einem Massaker? Was muss vorher geschehen, damit er diexxx
sen Weg als den einzig richtigen empfindet? Und hinter all den Fragen immer wieder die Einsicht: Es gibt nicht die eine Erklärung. Es gibt jedoch ungünstige Faktoren, die Radikalisierung provozieren können. Beispielsweise wenn geistige Brandstiftung auf fruchtbaren Boden fällt. Ist die Mehrfachbesetzung der Hauptrolle „Travis“ mit seinem Geisteszustand zu erklären bzw. welche anderen Intentionen verfolgt die Regie damit? Die Aufspaltung unseres Travis ist weniger eine Frage seines Geisteszustandes, als das Untersuchen seiner Möglichkeiten. Wir wollten uns drei un-
Foto: Joachim Dette
4. Das Wasser bietet eine spiegelglatte Oberfläche - je höher der Stand, desto mehr Rutschgefahr. Travis schlittert in sein Verderben.
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Da sich der gesamte Abend aus Originalzitaten zusammensetzt, hat jeder Satz, der auf der Bühne gesagt wird, ein Vorbild. Der Text ist eine Komposition aus zahllosen Mosaiktextsteinen, der zu einem Ganzen gewachsen ist. Es wurde nichts hinzu erfunden. Alles wurde einmal gesagt oder geschrieben. Auch die Figur Charles Palantine ist ein solches Mosaik. Sein Text ist eine Collage aus Äußerungen von Björn Höcke, Jürgen Elsässer, Programmen der Reichsbürgerbewegung und Zitaten aus Breiviks Manifest „2083“. Wieso schlüpft Travis plötzlich in die Rolle des Politikers? Travis kommt wie im Film auch durch seine Begegnung mit Betsy in Kontakt mit dem Politiker Charles Palantine. Dieser beeindruckt ihn zutiefst. Ein Mann, dem die Massen zuhören. Ein Mann, der es in der Hand hätte, etwas in „diesem Land“ zu verändern. Dieser Gedanke scheint Travis mehr zu beeindrucken, als der Inhalt des Gesagten. So stellt er sich vor, wie es wäre, selber Politiker zu sein. Er übernimmt die Gesten des übergroßen Wahlplakates und seine Reden bekommen im Laufe der Inszenierung einen immer schärferen Ton, bis er offen gegen den vermeintlichen Schmutz und alles Fremde hetzt.
Form der Fabel eignet sich, ob des moralischen, lehrhaften Charakters, aber auch, weil eine Fabel auf Vorurteilen basiert. Taucht ein Löwe in einer Fabel auf, werden wir rasch eine Erwartung bezüglich seiner Handlungsmuster haben. Die Tiere in unserem Stück widersprechen nun ihren Vorurteilen; zudem rekrutiert sich nur die Einwohnerschaft des Handlungsortes aus dem Fabeltieralphabet, der flüchtende Protagonist passt nicht in dieses System und wird schnell Opfer von - man ahnt es - Vorurteilen. Das Reimen des Erzählers dient der sprachlichen Trennung von Erzähl- und Sprechtheatersequenzen und ist zugleich in Verbindung mit den Bildern des Buches eine Anspielung an die Moritat. Zudem findet sich im Reim eine verdichtete, eingängige Vermittlungsform, was auch der Zielgruppe zu Gute kommt. Die Inszenierung für Kinder ab 3 Jahren vermittelt eine einfache Moral: „Willkommen Fremder. Fühl dich daheim!“. Die Charaktere und Konflikte sind plakativ gestaltet und gewählt. Welche Intentionen stehen hinter der gefundenen Sprache und Form? Das Stück beschäftigt sich mit gesellschaftlichen Vorgängen und versucht diese greifbar zu machen, da drängt sich eine Vereinfachung auf. Die
Wir sollten erwähnen, dass es zwei Versionen des Stückes gibt: eine lange für Abendvorstellungen oder Kinder ab 5 Jahren und eine für die Kleineren. Vor Kindergärten spielen wir eine reduzierte, verkürzte Version. Wir bemühen uns dann, den Wortschatz anzupassen oder korrigieren Bertha Seidenhaars Wortverdrehungen häufiger. Die Aufnahme dessen ist selbstverständlich sehr unterschiedlich, manchmal brauchen die Kinder etwas länger, um den Witz der Wortdrervehungen zu begreifen, oft stellt sich das aber während der Vorstellung ein. Manchmal sind wir auch erstaunt, wie gut manche Momente aufgehen. Was reizte euch grundsätzlich an der Theaterform des Puppenspiels für dieses Stück? Die Form des Puppenstücks stand bereits ein halbes Jahr zuvor fest, es war ein Feld, das wir bis dato noch nicht sonderlich häufig betreten hatten und in dem wir uns ausprobieren wollten. Bei den ersten Besprechungen sahen wir uns mit jener anfänglich beschriebenen Not konfrontiert. So fielen formaler und inhaltlicher Ansatz fast zufällig zusammen. Fortsetzung: Seite 19
UND DAS SO KURZ VOR DEM FEST theater der stadt Gotha
Regie: Constantin von Thun Das Puppenspiel thematisiert Flucht und Fremdsein im Gewand einer Fabel. Was motivierte euch zur Bearbeitung des Themas und zur Wahl dieser textlichen Form? Das Thema ergab sich aus der gefühlten Unmöglichkeit, die aktuelle politische Situation unkommentiert zu lassen, wir mussten den zu Tage kommenden Ressentiments irgendetwas entgegensetzen. Die von uns zitierte
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Lösung bzw. die Moral ist vielleicht einfach oder plakativ, aber sie ist auch gemeint. Sie lässt bewusst die Schwierigkeiten, die ja durchaus auftauchen, außer acht, weil es um diese nicht geht, es geht um eine Einstellung, die ermöglicht, nicht verhindert. Wenn man dieses missverstandene Wort benutzen möchte, so kann man sagen das Stück fordere auf zum Gutmenschsein. Der Text bietet auch einige „schwere“ Begriffe und Wortspielereien. Welche Erfahrungen habt ihr damit beim jungen Publikum gesammelt? Foto: Bernd Seydel
FACHTAG THEATERUNDPÄDAGOGIK UND
WORKSHOP 1 Theater als Intervention Leitung: Kerstin Lenhart Kerstin Lenhart leitet seit 2011 das Jugendhaus am Theaterhaus Jena. Zwischen 2008 und 2011 war sie Co-Leiterin des Reuterkieztheaters in Berlin Neukölln. Seit 2005 führte sie Regiearbeiten u.a. am schauspielfrankfurt, am Maxim Gorki Theater, am HAU Berlin und am brut wien. 2001 erfolgte ihr Abschluss MA Theaterwissenschaft und Sozialpädagogik an der Universität Leipzig.
FACHTAG 20.10.2016 09:30 Uhr - 16:30 Uhr Volkshochschule Jena Paradiesstraße 6 Kosten: 30,- € / 20,- € (ermäßigt*) * für Mitglieder der LAG Spiel und Theater Thüringen und des Thüringer Theaterverbandes
ANMELDEFRIST: 22.08.2016 ANMELDUNG: LAG Spiel und Theater Thüringen e.V. Unter der Linde 7 99974 Mühlhausen Fon 03601.816690 Fax 03601.816691 spiel-und-theater@lag-thueringen.de Seit 2012 richten die LAG Spiel und Theater Thüringen und der Thüringer Theaterverband gemeinsam jährlich einen Fachtag aus. Diese Fortbildungstage sind jeweils mit dem „Treff Junges Theater in Thüringen“ und dem „Avant Art Festival“ verbunden. In diesem Jahr bildet der Fachtag THEATERUND PÄDAGOGIK den Startschuss für das Avant Art Festival in Jena. Der Fachtag mit vier Workshopangeboten richtet sich an Pädagogen, Multiplikatoren und Akteure der freien Theaterszene, an Spielleiter und all jene Kultur- und Bildungsvermittler, die in ihrer Arbeit theaterpädagogisch agieren oder die Mittel des Theaters nutzen. Die stark praxisorientierten Workshops behandeln die Themen „Theater als Intervention“, die Regiearbeit unter dem Leitmotiv „Fokus Wirkung“, „Gruppe und Dynamik“ im therapeutischen und sozialen Kontext sowie unter dem Titel „Alle flüchten gleich“ die performativen Zugänge und den Umgang mit Flucht, Ein- und Ausgrenzung.
WORKSHOP 2 Fokus Wirkung Leitung: Christian Weiß Christian Weiß (aka C.W. Olafson) ist freischaffender Theaterregisseur, Theaterpädagoge und Kulturmanager mit Fokus auf dem Off- und Amateurtheaterbereich. 2013/14 war er im Leitungsteam der Landesbühne Oberfranken. Seit 7 Jahren ist er Ausbilder in der Theaterpädagogischen Ausbildung des KiJuPA der evangelischen Kirche Mitteldeutschlands.
WORKSHOP 3 Gruppe und Dynamik Leitung: Aline Menz Aline Menz ist Pädagogin (Staatsexamen), Theaterpädagogin (MA) und Psychodrama-Praktikerin. Sie führt national und international theaterpädagogische Projekte in sozialen Einrichtungen, therapeutischen Institutionen und in künstlerisch-ästhetischen Feldern durch. Sie arbeitete u.a. für das Deutsche Theater, das Theater an der Parkaue, das Thalia Kinder- und Jugendtheater Halle und das Beratungszentrum für Folteropfer Berlin.
WORKSHOP 4 Alle flüchten gleich Leitung: Marcel Sparmann Marcel Sparmann wurde in Gera geboren und studierte Szenische Künste (Schwerpunkt Theater und Performance Kunst) an der Uni Hildesheim und Environmental Art an der Glasgow School of Art. Als Künstler und Dozent war er in Nordamerika, Asien und Europa in Einzel- und Gemeinschaftsprojekten tätig. Aktuell ist er neben seiner Tätigkeit am stellwerk Weimar, u.a. als Gastdozent an der Ernst-Busch-Hochschule für Schauspiel und Regie und der Universität zu Köln tätig.
Mit Mitteln des Bewegungstheaters und des performativen Theaters spielt der Workshop mit der Vorstellung des Menschen als egoistisches Wesen und stellt dieser eine altruistische Vorstellung gegenüber. Im ersten Teil wird das Wölfische entdeckt und mit Dogmen und populistischen Parolen gefüttert. Im zweiten Teil werden Lämmer kreiert: Gute Ideen, Anstand und der Heldenmut des Alltags. Wie begegnen sich diese Eigenschaften und Wesen? Wie kann die theaterpädagogische Arbeit sozialen Einfluss nehmen und intervenieren?
Der Regieworkshop befasst sich mit den Fragen: Welche Mittel werden im Entstehungsprozess von Theater eingesetzt, um bestimmte Wirkungen zu erreichen? Wie gelangt man vom Ideennetz zu linearen oder verschachtelten Bühnenabläufen? Welche dramaturgischen Eckpunkte und dramatischen Bögen geben einer Geschichte ihre Spannung? Der Workshop vermittelt theoretische Impulse und mündet in zahlreichen praktischen Erarbeitungen und Umsetzungen.
„Spielen ist der Windstoß, der den Hut vom Kopf bläst, bevor die Hutschnur platzt“. - Wer kennt sie nicht? Herausfordernde Arbeitssituation in pädagogischen Kontexten. Welche Möglichkeiten bietet das Spiel/Theater? Wie kann ich Beziehungen damit gestalten? Im Workshop geht es um das Erforschen spielerischer Interventionen und der Gruppendynamik. Über Methoden des Psychodramas, des Playback-Theaters und des Theaters der Unterdrückten wird der Tag zum Experiment. Alle flüchten gleich, überall auf der Welt, zu jeder Zeit! Flucht ist ein Urinstinkt. Dieser Workshop soll dem Flüchten dienen. Er soll sich mit dem Phänomen des Fliehens beschäftigen und dabei den eigenen Körper und dessen Potentiale als Ausgangspunkt der Forschung nutzen. Um zu verstehen, was es heißt, auf der Flucht zu sein, muss man sich auf eine Flucht begeben oder sich den „zur Flucht treibenden Momenten“ aussetzen. Nach einer thematischen Einführung und Vorstellung performativer Strategien werden im Workshop körperliche und objektbasierte Testreihen gestartet.
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DREI FRAGEN AN DIE JURY DES AVANT ART FESTIVALS Universität Hildesheim. Sie arbeitet als Theaterpädagogin und Regisseurin im Kinder- und Jugendtheater. Zu ihren Wirkungsstätten zählten u.a. die TheaterFABRIK Gera und der 3K e.V. Mühlhausen.
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Die Nominierungen zum Thüringer Theaterpreis 2016 (Seiten 9 bis 14) wurden auch in diesem Jahr durch eine unabhängige, fünfköpfige Fachjury ausgesprochen. Mit ihrem Votum wurden fünf Inszenierungen zur Teilnahme am Avant Art Festival vom 20.-22.10. 2016 nach Jena eingeladen. Die Entscheidung über die Preisvergabe wird 2016 erstmalig in einer weiteren Jurysitzung auf dem Festival selbst erfolgen. Wir möchten die Jurymitglieder vorstellen und haben ihnen dazu die drei folgenden Fragen gestellt.
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Welches theatralische Thema (Format, Konzept) bewegt dich und deine Arbeit aktuell in besonderer Hinsicht?
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Welche kulturpolitische Aufgabe bzw. Herausforderung siehst du heute oder perspektivisch für dich bzw. an die freie Theaterszene gerichtet?
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Was bewegt dich in dieser Zeit gesellschaftlich am stärksten? Wie ist deine persönliche Meinung hierzu und wie beeinflusst bzw. fließt dies ggf. in deine künstlerische Arbeit ein?
Mich begeistert und beschäftigt am Stärksten das „physical theatre" - in seiner Kombination aus modernem Tanz, Schauspiel, performance art und Akrobatik. Ich finde diese Kombination nicht nur sinnlich-ästhetisch sehr ansprechend, sondern sehe hier auch große Chancen, für und mit unterschiedlichen Menschen Theater zu erfahren. Eine Theatersprache, die für die Allerkleinsten, für Geflüchtete, für professionelle und nichtprofessionelle DarstellerInnen einen Ankerpunkt bieten kann - das zieht und treibt mich in meiner Arbeit an.
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Eine schwierige Frage - ich glaube, für mich ist die größte kulturpolitische Aufgabe und Herausforderung, verantwortungsbewusst mit meinem Beruf umzugehen. Als Regisseurin und als Theaterpädagogin habe ich die Verantwortung, Kinder und Jugendliche altersgerecht künstlerisch herauszufordern und anzuregen; sie mit Themen und Ästhetiken zu konfrontieren, sie zu einer Auseinandersetzung zu ermutigen und sie einzuladen. Häufig erlebe ich, wie aufgrund von wirtschaftlichen Nöten oder unqualifiziertem Personal Theater mit und auch für Kinder/Jugendliche umgesetzt wird, welches sich dieser Verantworxxx
KAREN BECKER Leiterin der tjg. theaterakademie Dresden
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Ich glaube, Theater sind immer auch gesellschaftliche Begegnungsstätten für Austausch und Diskussion, und ich wünsche mir für die deutsche Theaterlandschaft eine umtriebige Auseinandersetzung damit, wie man nicht nur die Geschichten und Erlebnisse von Geflüchteten thematisiert und ihnen eine Öffentlichkeit schenken kann, sondern auch Formate findet, die sich an Geflüchtete als ein Publikum wenden und sie als Familien, Kinder und Erwachsene theatral einlädt und anspricht. Das begeistert mich an meinem Beruf, dass ich mir immer wieder neu Inszenierungen, Formen, Themen und Formate ausdenken kann und muss, weil sich mein Gegenüber ständig verändert - so haben wir beispielsweise in Deutschland den Zweijährigen als ein Theaterpublikum entdeckt und Theater für Kleinkinder gedacht und gemacht. Jetzt denke ich über Inszenierungen nach, die ebenfalls ohne Sprache sind (jenseits des Tanztheaters) sich aber in Themen und Form adäquat an ein Publikum ab 14 Jahren richtet. Im günstigsten Fall beeinflussen sich also Gesellschaft und Theater immer gegenseitig und bringen so Veränderungen und Neuerungen auf den Weg.
NINA BIRKNER Professorin für Drama und Theater an der Friedrich Schiller Universität Jena
Karen Becker, geboren 1977 in Bad Soden im Taunus, studierte Germanistik und Anglistik an der Universität Mannheim. Anschließend Kulturwissenschaften, Szenische Künste an der
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tung für die DarstellerInnen und auch für das Publikum nicht bewusst ist das finde ich gefährlich, denn es trägt dazu bei, dass sich Geschlechterrollenstereotype und andere Zuschreibungen beharrlich halten. In Hinblick auf eine kulturpolitische Forderung würd ich mir also eine bessere Aus- und Weiterbildungslandschaft in diesem Bereich und einen geschützten Berufsabschluss wünschen.
Nina Birkner arbeitete nach dem Studium der Schauspieldramaturgie und der Neueren deutschen Literatur an der Bayerischen Theaterakademie „August Everding“ und der LudwigMaximilians-Universität München zwei Jahre als Dramaturgin in Wuppertal.
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Danach zog es sie an die Universität zurück, wo sie zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Philipps Universität Marburg arbeitete, bevor sie als Professorin an die Universität Jena berufen wurde.
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Als Professorin für Drama und Theater setze ich mich in Forschung und Lehre jedes Semester mit ganz verschiedenen theatralischen Themen und Formen von der Aufklärung bis in die Gegenwart auseinander. Zuletzt habe ich etwa eine Vorlesung über das Drama und Theater des 20. und 21. Jahrhunderts gehalten, außerdem Seminare zum Dokumentartheater, zu aktuellen (Jugend-)Theaterstücken sowie zum Bürgerlichen Trauerspiel angeboten. Gerade befasse ich mich mit Bühnenbearbeitungen des 18. Jahrhunderts und mit der Rezeption von Shakespeares „Richard III.“ All das interessiert mich gleichermaßen.
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Die freie Szene gewährleistet Theater an Orten, an denen es keine Stadtund Staatstheater (mehr) gibt. Hier werden oftmals künstlerisch neue Wege gegangen, während dem Repertoiretheater zumindest auch die Aufgabe der Traditionspflege zukommt. Aus diesem Grund halte ich es für unbedingt notwendig, die freie Theaterszene adäquat zu unterstützen und zu stärken durch finanzielle Zuwendungen, Preise und Stipendien.
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Am meisten beschäftigt mich der zu beobachtende Rechtsruck - der große Zulauf, den die AfD und Pegida haben, die gesunkene Hemmschwelle im Hinblick auf die Äußerung rechtspopulistischer Gedanken und die Zunahme fremdenfeindlich motivierter Straftaten. Mir ist es wichtig, Lösungen zu entwickeln, wie sich die Angst vor dem Fremden abbauen lässt, zumal es in absehbarer Zeit weitere große Fluchtbewegungen geben wird, allein wegen des Klimawandels und in Folge von Seuchen und Epidemien.
ULRICH SCHWARZ Künstlerischer Leiter Spielbrett Dresden
Ulrich Schwarz, geboren in Babelsberg, absolvierte sein Schauspielstudium an der Hochschule für Theater „Hans Otto“ Leipzig. Er arbeitete als Schauspieler und Regisseur an verschiedenen Theatern, u.a. in Freiberg, Neustrelitz, Berlin und Dresden. Er war Künstlerischer Leiter der TU Bühne von 1975 bis 1983. 1985 erfolgte der Ausstieg aus dem Stadttheaterbetrieb und die Gründung des Ensembles „Spielbrett-Dresden“. Er arbeitet u.a. für Film-,TV- und Hörspiel und als Dozent an der Musikhochschule Dresden und als Workshopleiter im BDAT.
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Mich interessiert als Konzept „intelligentes Volkstheater“ - kein intellektuelles. Theater für Leute, die wenig oder gar nicht ins Theater gehen. Sie sollen sich unterhalten, aber klüger rausgehen als sie reingekommen sind. Politisch, kritisch, unterhaltsam- aber vor allem: SPIEL! Es heißt ja auch Schau-SPIEL, nicht Schau-SPRECHEN. Momentan versuchen wir uns am „Sommernachtstraum“ und wollen ihn aus der Liebes-wirr-warr-Ecke herausholen.
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Momentan empfinde ich den Kulturverfall vor allem auf dem „flachen Land“ als beunruhigend. Unzählige Kleinkunstspielstätten mußten schließen oder ihr Programm auf billige Comedy umstellen. Diese Art des „Publi-
Foto: privat
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Foto: Tanja Kirsten
kumhinterherrennens“, damit das „Unternehmen wirtschaftlich“ wird, führt in eine zunehmende Verblödung breiter Schichten. Kultur ist und bleibt eine Subventionssache für die Gesellschaft. Förderung schafft Freiheit für künstlerische Projekte - weg vom Mainstream. Wenn sich Amateure und „Freie“ der Diktatur des Geldes beugen müssen, führt das zur Unfreiheit in den Ausrichtungen. Es bleibt nur noch Unterhaltung mit wenig Anspruch. Für Kultur- und Regionalpolitiker sei gesagt: Seht euch öfter Amateuroder freie Produktionen an - das schärft den kritischen Blick und verschafft Einsichten!
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Tja, natürlich der Satire-Streit und die damit verbundenen Gefahren. Und auch daher: was ist deutsch, Deutschland? Wir haben dazu gerade unser Projekt „Heimatabend“ abgeschlossen. Und wenn man aus Dresden kommt - ich bin kein Dresdner, aber irgendwie ist es seit langer Zeit mein Zuhause - da empfindete ich die Pegida-Aktionen so, als wenn mir jemand einen Eimer Gülle über den Kopf schüttet! Also: arbeiten gegen diesen Gestank! Und wie geh ich auf die „neuen Gäste“ zu.
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erster Schritt dazu war die Analyse der Fördersituation in Deutschland auf kommunaler und Landesebene durch die Kulturministerien der Länder im Auftrag vom Bundesverband. Ein weiterer Aspekt wird die Diskussion über die Überarbeitung der Förderinstrumente des Fonds Darstellende Künste sein, einer der wichtigsten Bundesförderer für freie Darstellende Kunst in Deutschland. Auch hierbei werde ich als Vorstand des Bundesverbandes aktiv den Prozess begleiten.
ANNE-CATHRIN LESSEL Produktionsleitung am LOFFT Leipzig
Anne-Cathrin Lessel studierte Theaterwissenschaft, Psychologie und Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig. Seit ihrer Studienzeit und bis heute ist sie für die inhaltliche und organisatorische Leitung des Nachwuchsprogramms „Werkstatt“ am LOFFT in Leipzig verantwortlich. Sie arbeitete u.a. freischaffend in Projekten am Theater an der Parkaue Berlin, bis sie wieder nach Leipzig zurückkehrte und dort die Produktionsleitung des LOFFT übernahm. Seit 2012 ist sie Vorstandsmitglied und seit 2015 stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes Freie Darstellende Künste.
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Foto: Anja Beutler
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In meiner täglichen Arbeit mit internationalen Künstlern wird die Frage: wie noch Theater machen? - vor dem Hintergrund politischer und gesellschaftlicher Veränderungen immer eindringlicher. Im letzten Jahr veranstaltete unser Theater LOFFT eine Residenz im Rahmen der Jüdischen Woche zum Schwerpunkt 50 Jahre DeutschIsraelische Beziehungen. Ein israelischer Choreograf und ein israelischer bildender Künstler haben in Leipzig mehrere Wochen zum Thema, wie Deutsch-Israelische Freunschaft in 100 Jahren aussehen kann, zusammengearbeitet. Neben künstlerischen Erfahrungen, wie unterschiedlich die Bildende und Darstellende Kunst arbeiten, haben mich die Konzeptionsgespräche über die aktuelle politische Lage in Israel und die verschiedenen und oft kontroversen Sichtweisen der Künstler sehr bewegt, die wiederum in den künstlerischen Schaffensprozess eingeflossen sind ohne dabei plakativ zu wirken. Eine solche intensive Begegnung und Austausch wünsche ich mir auch für andere künstlerische Projekte.
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Die Grenzen zwischen freier Darstellender Kunst und Kunst an städtischen Bühnen werden sowohl künstlerisch als auch strukturell immer durchlässiger. Beispiele dafür zeigen diverse Doppelpass-Projekte (in denen freie Künstler und freie oder städtische Bühnen über einen längeren Zeitraum miteinander arbeiten) sehr deutlich. Immer mehr Künstler arbeiten erfolgreich in beiden Strukturen. Dennoch gibt es einen großen Unterschied: die finanzielle Ausstattung von freier und städtischer Bühnenkunst ist an sehr vielen Stellen noch verbesserungsfähig. Sowohl die Entlohnung von freischaffenden Kunst- und Kulturschaffenden, als auch längerfristig finanziell ausgestattete Arbeitszusammenhänge sind bis auf vereinzelte Konzeptionsförderungen noch selten. Dort gilt es dringend in den Dialog mit Kulturverwaltung und -politik zu kommen und einen Veränderungsprozess in der häufig projektorientierten Kulturförderung anzustoßen. Als Mitglied des Vorstandes des Bundesverband Freie Darstellende Künste ist es eines unserer zentralen Themen, Veränderungen und Vereinfachungen von Förderinstrumenten auf kommunaler, Landes- und Bundesebene zu diskutieren und Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Ein
In Zeiten politischer und gesellschaftlicher Umbrüche und Fluchtbewegungen wird die Frage, was Kultur in solchen Phasen leisten kann, immer offensichtlicher. Die vielen aktuellen Kunstprojekte mit Geflüchteten sind ein Indiz dafür, dass künstlerische Prozesse helfen sollen, zu vermitteln und Vertrauen mit Unbekanntem aufzubauen. Auch wenn diese (Kultur-)Arbeit essentiell ist, sehe ich den Umgang mit Kulturprojekten, die sich mit Flüchtlingen beschäftigen, auch kritisch, da persönliche Geschichten und Erlebnisse als Material benutzt werden, um künstlerischen Output zu generieren. Aus persönlichen Gesprächen mit Geflüchteten habe ich erfahren, dass sie selbst diesen künstlerischen Ambitionismus kritisch betrachten und vordergründig andere Probleme lösen müssen, als künstlerische Projekte mitzugestalten. Es ist immer auch eine Gratwanderung, wie man diese Projekte bewerten soll, nach künstlerischen oder anderen Kriterien? In meiner täglichen Arbeit war ich auch Veranstalter von Projekten mit Geflüchteten und habe immer versucht, die Arbeit unter künstlerischen Gesichtspunkten einzuordnen und zu bewerten, um eine gleichberechtigte Zusammenarbeit auf Augenhöhe gewährleisten zu können. Ein weiteres Beispiel für diesen Umgang ist unsere Zusammenarbeit im LOFFT mit dem Tanzlabor Leipzig, einer inklusiven Tanzcompagnie, die sowohl mit behinderten und nicht-behinderten TänzerInnen arbeitet. Es gelingt diesem Ensemble, eine Atmosphäre auf der Bühne und im Zuschauerraum zu erschaffen, die weder moralisierend noch sozialpädaFoto: Bernd Seydel
DIE GRENZEN ZWISCHEN FREIER DARSTELLENDER KUNST UND KUNST AN STÄDTISCHEN BÜHNEN WERDEN SOWOHL KÜNSTLERISCH ALS AUCH STRUKTURELL IMMER DURCHLÄSSIGER.
gogisch daherkommt. Und so auch eine Bewertung nach künstlerischen Kriterien und qualitativen Diskurs auf Augenhöhe aller Beteiligten möglich macht. Das ist für mich ein Beispiel von gleichberechtigter Teilhabe, welche ich mir für die Bewertung der künstlerischen Projekte mit Geflüchteten auch wünsche, denn nur wer mit gleichen Maßstäben misst, kann Gleichberechtigung schaffen.
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Und das so kurz vor dem Fest.
DR. MICHAEL GRISKO Projektreferent der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen
Dr. Michael Grisko ist, nach Stationen an der Universität, beim Fernsehen und an einem Museum, seit 2010 Referent für Projektentwicklung und -förderung bei der SparkassenKulturstiftung Hessen-Thüringen.
Foto: Mathias Baier
Ein ausführliches Gespräch mit unserem fünften Jurymitglied zu seiner Arbeit und der Arbeit der SparkassenKulturstiftung Hessen-Thüringen befindet sich auf den Seiten 22 - 24.
Foto: Bernd Seydel
Fortsetzung von Seite 14 Die weitere Gestaltung der Form folgte allerdings auf die Konstruktion der Geschichte und der Figuren. Die Form des Puppenstücks ermöglichte uns wechselseitig auch eine andere Gestaltung der Figuren.
schön gestaltet. Die Gestaltung spricht zudem für den geplanten, mobilen Einsatz des Stücks. Gastiert ihr regelmäßig in Kindertagesstätten und Grundschulen? Wie sind eure Erfahrungen damit?
Nach welchen Kriterien wurde die Gestalt und Gestaltung der Puppen bestimmt und wer hat diese individuell bemerkenswerten Puppen angefertigt?
Von einer Regelmäßigkeit lässt sich nicht sprechen, Ende letzten Jahres und in diesem Frühjahr hatten wir geballt sehr viele Auftritte vor und in Kindergärten oder Grundschulen. Mittlerweile reagieren wir nur noch auf Anfragen, weil auch unsere Darsteller bereits wieder mit anderen Projekten beschäftigt sind und wohl die meisten Kindergärten in unserer Umgebung bereits in den Genuss einer Aufführung gekommen sind. Es ist immer wieder erstaunlich, wie verschieden die Kinder das Geschehen aufnehmen, einige scheinen alles zu verstehen und sind an einigen Stellen richtig gerührt, andere nehmen anscheinend einfach jeden Lacher mit, der sich ihnen bietet, und wieder andere streiten sich nach der Vorstellung, ob es sich da jetzt nun um einen Specht, einen Storch oder doch einen Strauß gehandelt hat. Ausschlaggebend sind hier aber auch immer die Erwachsenen im Raum, je konzentrierter sie sind, desto konzentrierter sind die Kinder.
Die Figuren stammen von Franziska Schnauß und Thomas Offhaus, einem Gothaer Künstler, der auch für die Gestaltung des Buches mitsamt Illustrationen verantwortlich ist. Der grundlegende Gedanke war der, dass die Tiere des Dorfes alle etwas Schräges, Skurriles und fabelhaft Überspitztes an sich haben (die Ratte sitzt im Rollstuhl, die Schildkröte führt eine Schnecke an der Leine), während der Protagonist aus der Fremde vergleichsweise „normal“ bzw. humanoid wirken soll, trotzdem er kein Mensch sein durfte. Aus dieser Überlegung entstanden die leichten Irritationen in seiner Gestalt. Bei den Bleibheimern wurde sich an Tieren orientiert, was die grundsätzliche Form und Anatomie anbelangt. Das Bühnenbild, als großformatiges Buch, ist - gleich den Puppen einfach, aber sehr detailverliebt und
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KOMMENDE GASTSPIELE IN THÜRINGEN Maschinen gesteuert werden oder von ihnen abhängig sind. Unsere Weltraumreisenden sind sprachlos ob der Größe des Weltalls und verneigen sich kichernd vor der göttlichen Leere.
Auf dem Programm des Avant Art Festivals, des Festivals der freien Theaterszene in Thüringen, stehen in diesem Jahr erneut Gastspiele aus Sachsen und Hessen - in Kooperation mit unseren dortigen Partnerverbänden. Beide Ensembles haben wir zu ihren im Oktober im Theaterhaus Jena zu erlebenden Stücken befragt.
Im Film wird die Bombe von Descartes’ methodischem Zweifel „Ich denke, also bin ich“ an der Explosion gehindert. Final reift jedoch ihre explosive Erkenntnis: „Es werde Licht!“ Welche Erkenntnisse hattet ihr während der Entwicklung der Performance und gewinnt ihr während der Darbietung?
den. Wunderbare, einmalige Momente in der Interaktion mit dem Publikum entstehen dann. „Die Bombe mit Bewusstsein“ - wofür steht sie für euch metaphorisch und wofür in der Realität? Im übertragenen Sinne wohl für die technische Zukunft, in der Maschinen uns Menschen überlegen sein könnten. Das ist ein Kontrollverlust, der spannend ist, aber auch Angst machen kann. In der Realität? Das intelligente xxx
DARK STAR DAS ÜZ & pipidasdas Leipzig Preisträger: Leipziger Bewegungskunstpreis 22.10.2016 im Theaterhaus Jena / www.avantartfestival.de
„DARK STAR - fight the bomb, fight the crisis“ ist u.a. von John Carpenters Science-Fiction-Klassiker „Dark Star“ inspiriert - ein Werk zwischen Parodie und Philosophie. Wie tief seid ihr in die Phänomenologie und deren Erkenntnisgewinn eingedrungen und wie viel Parodie ergab sich ggf. daraus? Im Film ist das natürlich das große Finale, eine sprechende Atombombe davon zu überzeugen, nicht zu zünden – mittels Erkenntnistheorie. Wie genial absurd! Carpenters Film persifliert ja Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“, in dem die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine auch eine große Rolle spielt. Das parodistische und komische Element entsteht von ganz allein bei der Konstellation Mensch – oder besser: Alltag – im Weltall. Alle bekannten menschlichen Kategorien werden unbedeutend und sind nur in der Abhängigkeit von Maschinen zu denken. In diesem Geiste haben wir auch unsere Performance entwickelt: Alltägliche, zwischenmenschliche Ereignisse werden absurd, weil sie von
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Foto: Sebastian Schimmel
Puh! Schon wieder Erkenntnis!? Wir haben uns eher an die Parameter Partizipation, Spiel und Unterhaltung gehalten. Aber auch daraus entstehen ja Erkenntnisse. Im Probenprozess ist uns die Konsequenz der Konzeption erst richtig bewusst geworden: Das Publikum ist Co-Spieler und der Verlauf des Abends ist von ihm abhängig. Übrigens muss auch das Publikum zu der Erkenntnis kommen, dass es unverzichtbarer Teil der Performance ist. Bringen sich die Zuschauer nicht ein, geht die Bombe hoch. Heißt: Wenn keiner mitmacht, ist auch die Performance vorbei. Die bisherigen Aufführungen zeigen jedoch, dass das Angebot angenommen und mit großer Freude durchgespielt wird. Mitunter gibt sich das Publikum eigene Rollen und schreibt so an einer ganz eigenen Geschichte mit. Die Zuschauer identifizieren sich mit den Protagonisten und wollen ihnen helfen, sie aufmuntern, mit ihnen re-
Auto, der Chip der Geldkarte, Schachcomputer, Chatbots, früher die Tamagotchis. Kleine Maschinchen, mit denen wir interagieren (müssen) und die bei uns in verschiedenen Formen Emotionen erzeugen. Die Bombe mit Bewusstsein ist letztlich ein Smartphone! Welchen inneren Regeln folgt eure Durational-Performance und welchen Einfluss üben die Zuschauer auf die Handlung aus? Um den Alltag auf einem Raumschiff zu simulieren, haben wir uns eine Abfolge von Routinen ausgedacht. Mehrere Sci-Fi-Filme und -bücher haben uns inspiriert. Wir haben sie MANRoutine genannt: Ein Akronym aus „Morning“, „Afternoon“ und „Night“. Sie strukturieren die Performance. Dazwischen gibt es regelmäßig Krisen, also Probleme, die den Fortbestand des Abends und natürlich das „Überleben“
SCHLAFEN FISCHE? the@art Frankfurt/Main 20.10.2016 im Theaterhaus Jena / www.avantartfestival.de
der Performer gefährden. Das Publikum ist als Retter gefragt. Die Performer suchen auch zwischendurch immer wieder den Kontakt zu den Zuschauern. Dabei gilt: Ohne Hilfe und Kommunikation ist alles vorbei. Natürlich ist auch das eine spielerische Option: Das Publikum kann die Bombe auch einfach mal hochgehen lassen! Ihr betreibt einen recht hohen technischen Aufwand. Wie viel davon ist theatralisch notwendig und wie viel gewünschter, ästhetischer Effekt? Eigentlich ist jedes Kabel und jeder Projektor zwingend. Die Vorgabe ist die erhöhte Bereitschaft zur Interaktion beim Publikum durch die Abwesenheit der Performer und deren Bildübertragung. Am Ende ist es für eine freie Produktion schon ganz schön aufwendig geworden. Theater wird zum Live-Kinoerlebnis gepaart mit George Orwells Überwachungsdystopie „1984“ und dem Fernseh-Voyeurismus der Neuzeit. Ist dies eine Vision und ein grundsätzlicher Entwurf für eine zeitgenössische und zukünftige Theaterarbeit? Als Kinoerlebnis würden wir den Abend nicht unbedingt bezeichnen. Dafür ist die Unmittelbarkeit des Geschehens einfach zu hoch. Natürlich verstehen wir die Performance als einmalige Versuchsanordnung, in der es um die Demokratisierung des Theaterraums ganz allgemein geht. Alle sind Teil der Aufführung, also Autor, Spieler und Publikum zugleich. Das Theater kann wieder Forum sein und den Austausch von Inhalten bei körperlicher Anwesenheit gewähren. Klar ist das eine Art Mitmachtheater, nur dass bei uns die Leute nicht auf die Bühne - die es ja gar nicht gibt - und ins Rampenlicht gezerrt werden, sondern sich freiwillig und mit großer Lust hinein begeben. Freut ihr euch darauf, im Oktober nach Jena zu kommen? Und wie!
Jens Raschkes Stück „Schlafen Fische?“ fügt sich ein in einen Fundus von Literatur für Kinder zum Thema Sterben und Tod. Was bewog euch zur Wahl des Themas und dieses Stücks? Weil es doch noch ein Tabuthema ist, über das man nicht gern spricht und schon gar nicht mit Kindern. Wenn nicht gerade im eigenen Umfeld jemand stirbt, so beschäftigt man sich nicht freiwillig damit, oder? Ich denke, der Mensch strebt nach dem Leben und das ist gut so, aber er vergisst manchmal, dass es zerbrechlich und endlich ist ... und dann stellt sich doch die Frage, wie geht man damit um, wenn ein Todesfall eintritt, sei es in der Familie oder im Freundeskreis. Wie tröstet man über Verluste hinweg und was macht man mit der eigenen Angst? Diesen Fragen wollten wir nachgehen. Das Inszenierungsprojekt ist ursprünglich eine Kooperation mit dem Teatr Polski Poznan. Worin bestand diese deutsch-polnische Kooperation? Die Idee zu dieser Arbeit resultierte aus einem anderen gemeinsamen Projekt. „Schlafen Fische?“ wurde von beiden Partnern koproduziert. Pawel Szkotaks Gesamtkonzept war das gleiche. Es gab eine polnische und eine deutsche Spielerin, die das Stück parallel probten. Es gab MusikerInnen beider Länder, die im Austausch standen. Es wurden Proben sowohl in Polen als auch in Deutschland durchgeführt. Man kann sagen, dass aus einer Arbeit zwei Stücke entstanden. Gibt es einen Austausch zwischen den beiden Ensembles zu den Erfahrungen mit dem Stück in Deutschland und Polen? Unterscheiden sich diese? Die Reaktionen der Kinder in Polen und Deutschland sind ähnlich. Sie finden viele Szenen witzig und andere sehr traurig, aber reagieren auf ganz andere Elemente als der erwachsene Zuschauer. Während die Kinder lachen, schniefen die Erwachsenen in ihre Taschentücher. Inwiefern Religion oder soziokultureller Rucksack eine Rolle spielen, müsste genauer untersucht werden.
Monologe stellen höchste Ansprüche an die Darsteller. Worin bestanden die Herausforderungen an die Schauspielerin für dieses Stück? Die Herausforderung besteht darin, der Jette die Leichtigkeit zu geben, die Raschke in den Text legte, und diese trotz des schweren Sujets auch im Spiel zu transportieren. Wenn eine Stunde lang das Thema Tod durch die Augen eines Kindes verhandelt wird, gilt es als Erwachsene einen Weg zu finden, dem gerecht zu werden, ohne in Melancholie abzudriften. Denn Kinder gehen anders damit um als Erwachsene. Jette schafft es immer wieder, gegen die Widrigkeiten des Momentes anzukämpfen. So schwer für sie die Situation auch ist, stets findet sie einen Weg, diese ins Positive zu wenden. Das ist eine Gabe. Die Musikerin Elvira Plenar begleitet das Stück klanglich und musikalisch. Welche Bedeutung hat die Musikalität für die Inszenierung? Regisseurs Pawel Szkotak wollte eine Gesamtkomposition gestalten, die aus den Ebenen Spiel, Musik und Bild besteht. Die Musik ist ein durchgehendes atmosphärisches Element. Sie ist immer zu hören, doch derart gestaltet, dass man sie nach einer Weile „überhört“. Sie legt einen emotionalen Teppich aus, gegen den es anzuspielen gilt. An anderen Stellen ist sie gewollt hörbar und begleitet den Gesang. Animationen sind die dritte Komponente der Inszenierung. Wer zeigt sich für diese verantwortlich? Die Animationen sollen eine weitere Ebene von Leichtigkeit und anderer Perspektive kreieren. Die Projektionen wurden von Mateusz Kokot geschaffen und sind über den gesamten Probenprozess mitentwickelt worden. Schlafen Fische nun eigentlich? Ja, Fische schlafen wirklich. Wann sollten sie auch sonst träumen.
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WER KULTUR LIEBT ...
Interview mit Dr. Michael Grisko zum kulturellen Engagement der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen. im Gespräch mit Mathias Baier
Dr. Michael Grisko Referent für Projektentwicklung und -förderung bei der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen Foto: Mathias Baier
Die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen ist ein wichtiger Akteur auf der Ebene der Förderung und Initialisierung von kulturellen Projekten in Hessen und Thüringen. Auch der Thüringer Theaterverband und seine Mitglieder finden hier regelmäßig Unterstützung in der Kulturarbeit. Im Gespräch mit Dr. Michael Grisko, Referent für Projektentwicklung und -förderung bei der Sparkassen-Kulturstiftung, wird diese näher vorgestellt.
www.sparkassen-kulturstiftung.de/ Wann erfolgte die Gründung der Sparkassen-Kulturstiftung HessenThüringen und welche Intentionen führten zur dieser? Die Gründung unserer Stiftung erfolgte in zwei Schritten. Am 9. November 1989 wurde die Hessische Sparkassenstiftung gegründet. Im Jahr 1992 entstand im Zuge des deutsch-deutschen Einigungsprozesses der Sparkassen-Giroverband Hessen-Thüringen und in dessen Folge auch die Spar-
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kassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen. Ihre Stifter sind die Sparkassen in Hessen und Thüringen, die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) und die heutige SVSparkassen-Versicherung. Ziel der Stiftung war und ist es, Projekte mit überregionalem Charakter zu fördern und selbst zu initiieren. Die Stiftung fördert Veranstaltungen und Projekte, vergibt Stipendien und lobt Preise aus. Wo liegen ihre thematischen Schwerpunkte und gibt es „hauseigene“ Initiativen? In der Antragsförderung liegen die thematischen Schwerpunkte im Bereich der bildenden Kunst, des Denkmalschutzes, der Literatur und der Musik - und in den letzten Jahren ist der Bereich der Medien verstärkt hinzugekommen. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, dass die Stiftung über die Sparkassen eng mit den kommunal getragenen Bibliotheken und den Museen zusammen arbeitet. Die Zusammenarbeit mit unseren Stiftern, den Sparkassen, ist auch ein Stück gelebter Regionalität in der ganzen Fläche. Die Stiftung fördert und ermöglicht Lernprozesse. Neben der Bildungsarbeit und der Frage, welcher inhaltliche und
strukturelle Mehrwert am Ende eines Projektes steht, sind es vor allem solche Projekte, die sonst keine Chance am „Markt“ hätten, dazu gehören durchaus auch unbequeme historische Themen. Sie fördern auch den Thüringer Theaterpreis und saßen in diesem Jahr erneut in der Nominierungsjury für das Avant Art Festival in Jena. Welche Rolle spielen Preise innerhalb der Stiftungsaufgaben? Der Thüringer Theaterpreis ist ein gutes Beispiel eines gemeinsam mit einem Landesverband vergebenen Preises, an dessen Ende es immer um die Fortschreibung einer qualitativen Entwicklung - hier im Bereich des Freien und Amateurtheaters - geht. Der transparente landesweite Wettbewerb der Institutionen und Projekte ermöglicht Einblicke in die aktuelle Theaterlandschaft. Und nicht zuletzt ist die öffentliche und mediale Aufmerksamkeit, die bei den Trägern der Institutionen erreicht wird, für die Institutionen aber auch die Kulturlandschaft insgesamt nicht zu unterschätzen.
KULTURPOLITIK, DAS MUSS ALLEN BETEILIGTEN BEWUSST SEIN, IST EBEN KEINE SPARPOLITIK, WEIL AM ENDE KEIN GREIFBARES GUTHABEN EXISTIERT. KULTURPOLITIK BEDEUTET AKTIVE GESTALTUNG UNSERER DEMOKRATIE. ...
Wie gestaltet sich das grundsätzliche Verfahren für Fördersuchende, welche Kriterien legen Sie zur Beurteilung an und mit welchem Auftrag verknüpfen Sie ggf. eine Förderung? Neben dem Anspruch an Qualität und dem zu realisierenden kulturellen und gesellschaftlichen Mehrwert ist die in der Satzung verankerte Überregionalität und Dezentralität ein zentrales Förderkriterium. Ziel ist es, mit den Projekten in die Fläche, in die Region, in das Geschäftsgebiet der Stifter, der Sparkassen in Hessen und Thüringen zu kommen, d.h. auch wir fördern in der Regel gemeinsam mit Sparkassen vor Ort oder deren Stiftungen, um so auch die regionale Verankerung und Akzeptanz der Projekte zu unterstützen. Andererseits wollen wir Projekte auf den Weg bringen, die in Qualität, Struktur, Anspruch und Thema über die Region hinausweisen. Die Stiftung möchte im besten Falle Projekte auch gemeinsam umsetzen. Wie viele Anträge werden im Jahr an die Kulturstiftung gerichtet? Das ist von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Die Stiftung hat zudem eine Reihe von Partnern, mit denen sie langfristig zusammenarbeitet. Das ist auch eines unserer Prinzipien. Die Anzahl der Anträge hat auch immer etwas mit der Finanzkraft der Kommunen und des Landes zu tun. Denn wir verstehen uns - außer bei unseren eigenen Projekten - immer nur als Co-Finanzierer. Als Kooperationspartner finanzieren wir in der Regel nicht mehr als 50%. Insofern kann ich Ihre Frage vielleicht in der Art beantworten, als dass wir in den letzten Jahren sehr kontinuierlich bis zu 3 Millionen Euro für Projekte in Hessen und Thüringen und deren Realisierung bereitgestellt haben. Die Finanzierung der Stiftungsarbeit erfolgt im Kern aus Erträgen/Zinsen des Stiftungskapitals. Die aktuelle Zinspolitik und -situation wirft die Frage auf: Ist die finanzielle Zukunft der Kulturstiftung gesichert und wie verändert sich ggf. das Finanzierungsmodell und damit auch eine solche Stiftung?
Die Zinsen betreffen zurzeit alle Stiftungen, die auf ihre Zinserträge angewiesen sind. Schon jetzt gibt es eine Diskussion darüber, wie diese Stiftungen in Zukunft ihren Stiftungszweck erfüllen werden. Das gilt vor allem für kleinere Stiftungen. Auch die Stiftungen der Sparkassen-Finanzgruppe haben sich mit den Folgen des Zinstiefes beschäftigt und gemeinsam Lösungen, Konzepte und Zukunftsmodelle entwickelt, bei denen wir vor allem mit langjährigen Partnern in einen verantwortlichen Dialog treten. Wir wollen darüber hinaus inhaltliche und qualitative Kriterien im Gespräch halten, die der Maßstab einer gestaltenden Förderung bleiben sollen. Es ist nicht nur eine schwierige Zeit für Stiftungen. Auch zahlreiche Kommunen in Thüringen klagen, dass sie Ihren Aufgaben finanziell nicht mehr gerecht werden können. Die Kultur, als haushälterisch freiwillige Leistung, sieht sich mancherorts bedroht. Verspüren Sie Auswirkungen hiervon? Stehen Sie heute vor einer deutlich höheren Anzahl von Anträgen? Ich würde es als eine „sowohl-alsauch-Situation“ bezeichnen. Es sind einerseits andere Antragssteller, die auftauchen. Antragssteller, die früher selbstverständlich und auskömmlich Geld von der Kommune oder dem Land erhielten. Es sind aber auch weniger Antragssteller, weil die Komplementärmittel für die Gegenfinanzierung fehlen. Tatsache ist aber, dass bei den Kollegen der Sparkassen und Stiftungen vor Ort ein deutlich gestiegenes Antragsvolumen zu beobachten ist. Ergeben sich daraus ggf. neue Aufgaben für die öffentliche und private Kulturförderung? Treten Sie hierzu in einen Austausch mit Gesellschaft und Kulturpolitik? Die Stiftung unterstützt in Thüringen eine Reihe mit der „Kulturpolitischen Gesellschaft“, die Kulturpolitik als Solches wieder ins allgemeine Gespräch und das Bewusstsein bringen soll. Kulturpolitik, das muss allen Beteiligten bewusst sein, ist eben keine
Sparpolitik, weil am Ende kein greifbares Guthaben existiert. Kulturpolitik bedeutet aktive Gestaltung unserer Demokratie. Und sparen, besser gesagt kürzen, ist eben nicht gestalten. Das gilt auch für unsere Förderpolitik. Wie schätzen Sie die kulturellen Landschaften in Hessen und Thüringen ein? Gibt es Vergleichbares, markante Eigenheiten oder aktuelle Veränderungen in diesen Ländern? Generell kann man sagen, dass sich die Fördererstrukturen in Hessen und Thüringen unterscheiden. Das hat etwas damit zu tun, dass in Hessen eine historisch anders gewachsene Struktur der Privatwirtschaft und der Förderstiftungen exisitiert. In Thüringen sind kaum neue Förderstiftungen gegründet worden. Hier gibt es eine Konzentration auf weniger Akteure, die in der Förderung unterwegs sind. „Kultur ist kein Hauptstadtprivileg, sondern wächst aus der Gemeinschaft heraus.“ Dieser Satz findet sich auf der Internetseite der Kulturstiftung. Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Kulturstiftung das Wachsen der Kultur aus der Gemeinschaft und ist dies der selbst gewählte gesellschaftliche Auftrag für die Kulturstiftung? Die Stiftungen der Sparkassen-Finanzgruppe haben einen besonderen gesellschaftlichen Auftrag, der uns vor 200 Jahren mit der Gründung der Sparkassen in die Wiege gelegt wurde: gemeinwohlorientiertes Wirken vor Ort. Insofern ist das Agieren der Sparkassen auch eine Form lokalorientierter Wirtschaftspolitik. Damit geht es auch um die Gemeinschaft und deren Entwicklung. Denn die Förderinstrumente der Sparkassen-Finanzgruppe wollen den jeweiligen Initiativen, dem Förderverein oder der kleineren Stiftung vor Ort ermöglichen, ihre Projekte zu realisieren, ihre regionale Wirkkraft auszubilden.
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FLEXIBILITÄT, AUFMERKSAMKEIT, DAS EINFORDERN VON QUALITÄT UND AUCH DIE BEREITSCHAFT, GEWOHNTE FÖRDERPFADE ZU VERLASSEN, SIND WOHL DIE WICHTIGSTEN FÖRDERTUGENDEN DER ZUKUNFT.
Bilden kulturelle Teilhabe und kulturelle Bildung einen besonderen Fokus für die Kulturstiftung? Das mit der kulturellen Teilhabe ergibt sich aus dem, was ich eben gesagt habe, ganz automatisch. Und die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen fördert innerhalb des weiten Feldes „kulturelle Bildung“ Lernprozesse mit einem bleibenden Mehrwert. Dr. Grisko, Sie haben nicht allein in Deutschland, sondern auch eine Zeit lang in Dijon in Frankreich studiert. Worin unterscheiden sich die Kulturpolitik in Frankreich und Deutschland? Gibt es Instrumente, die für uns interessant und übertragbar wären? Ich halte den föderalen Gedanken der Bundesrepublik Deutschland für eine der größten Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Wir haben in Deutschland zahlreiche Großstädte mit eigenen kulturellen und wirtschaftlichen Biografien und einem weiten Umland. Kulturelle Vielfalt auf der einen Seite und die Gleichartigkeit der Lebensverhältnisse auf der anderen Seite stützen wiederum diesen föderalen Gedanken, der im demokratischen Prozess ganz wichtig ist und für einen Ausgleich der Meinungen und Interessen sorgt. Kulturpolitik ist eben auch Demokratiepolitik. Darüber hinaus hat die Bundesregierung erkannt, dass sie über die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien und auch die Kulturstiftung des Bundes wichtige Akzente setzen kann. Für welche Aufgaben sind Sie persönlich bei der Sparkassen-Kulturstiftung zuständig? Wir sind ein kleines Team und insofern heißt es: „Einer für alles und alles für einen.“ Schon aus Zeitgründen gibt es aber eine territoriale Zuordnung, die für mich am Standort Erfurt eine Konzentration auf Thüringen bedeutet. Konkret heißt das, mir obliegt die
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Antragsbearbeitung, der Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen bei den Sparkassen und deren Stiftungen, aber auch zu den Förderpartnern im Freistaat. Vor allem legen wir Wert auf eine Kenntnis der Aufführungs-, Arbeits-, Produktionsverhältnisse vor Ort, denn erst das Wissen um diese Rahmenbedingungen ergibt letztlich ein Bild, welches die Möglichkeit schafft, Anträge in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Gab es innerhalb Ihrer Tätigkeit ein Ereignis oder eine Begegnung, welche Sie bleibend bewegten? Was ich jedes Jahr wieder sehr schön finde, sind die Eindrücke im Rahmen unserer Reihe „Hör mal im Denkmal“, die über das ganze Land verteilt stattfindet. Wenn man sieht, mit wie viel Engagement die Macher ihr regionales Lebensumfeld gestalten und eben ihr Denkmal vor Ort mit Leben erfüllen, ist das schon etwas ganz Besonderes. Aber auch die Aussage eines Regelschülers wird mir wohl ewig im Gedächtnis bleiben, der am Ende einer Veranstaltung zu seinem Lehrer stolz feststellte, dass die Klasse nun auch einmal Besuch von einem „Krawattenträger“ hatte (es waren gleich zwei!), der sich für sie und ihre Projektergebnisse interessierte. Insofern kann Förderung auch den Respekt vor der Leistung anderer bezeugen. „Tue Gutes und rede darüber“ Wie bewältigt ihre Stiftung den Spagat zwischen dem - in idealer Weise - altruistischen Handeln und den Maximen der Selbstdarstellung und des Marketings eines Unternehmens? Wir sind eine Stiftung mit lebenden Stiftern. Das sagt schon der Name, das findet sich in unserem Logo wieder. Und wir leben sehr konkret den Unterschied zwischen Stiftung und Sponsoring. Im Vordergrund stehen aber immer die Projekte. Wir haben auch schon erlebt, dass unser Logo und unsere Beteiligung eine Qualitätsauszeichnung für ein Projekt war, das macht uns besonders stolz. Im Vordergrund stehen „Qualität, Seriosität, Vertrauen und Langfristigkeit“, um zu einer Partner-
schaft zu kommen, die beiden Seiten zu gute kommt und nicht zuletzt auch auf die Stifterinnen und Stifter abstrahlt. Haben sich die Aufgaben und Absichten der Stiftung seit ihrer Gründung verändert und welche perspektivische und inhaltliche Entwicklung sehen Sie? Die Themen Medien und die Mobilität von Kultureinrichtungen beschäftigen die Kulturlandschaft und damit auch uns, ebenso wie die Überlegungen zu flexibleren Finanzierungsmodellen. Der Bereich Medien ist in den letzten Jahren deutlich stärker geworden. Auch das Thema Migration und Kultur wird nicht spurlos an uns vorüber gehen - da sind wir aber noch ganz am Anfang. Flexibilität, Aufmerksamkeit, das Einfordern von Qualität und auch die Bereitschaft, gewohnte Förderpfade zu verlassen, sind wohl die wichtigsten Fördertugenden der Zukunft.
Buchtipps B. K. Tragelehn - 13 x Heiner Müller / Hrg: C. und G. Ahrens, Akademie der Künste Berlin / Verlag: Theater der Zeit / ISBN 978-3-95749-067-4 Die Rückkehr von Dionysos / Autor: Theodoros Terzopoulos / Verlag: Theater der Zeit / ISBN 978-3-95749047-6 Pina Bausch und das Tanztheater Wuppertal - Kalender 2017 / Fotos: Ursula Kaufmann / Verlag: DuMont / ISBN 978-3-83203-434-4 Theater der Dinge: Puppen-, Figuren- und Objekttheater (Lektionen) Hrg: M. Joss. und J. Lehmann / Verlag: Theater der Zeit / ISBN 978-3-95749069-8 Vorschau: Aufführungsanalyse: Eine Einführung (Dez. 2016) / Autor: Christel Weiler / Verlag: UTB / ISBN 978-3-82523-523-9
DREI VERBÄNDE - EIN FORTBILDUNGSPROGRAMM
Kulturarbeit braucht qualifizierte Akteure und Engagierte. Bedarfsgerechte Weiterbildungen und fachliche Beratung der freien Szene sind Kernaufgaben der kulturellen Fachverbände. Gemeinsam haben der Thüringer Theaterverband, die LAG Soziokultur Thüringen und die LAG Spiel und Theater in Thüringen den Verbund KULTUR BILDET WEITER: gegründet. Damit können zukünftig die Weiterbildungsangebote für Vereine und freie Kulturakteure besser aufeinander abgestimmt und bedarfsgerechter gestaltet werden. Die Qualität und Aktualität der Angebote wird erhöht.
Das erste gemeinsam gestaltete Weiterbildungsprogramm bietet im Wintersemester 1016/17 sechs Seminare und Workshops zur Praxis der Kulturarbeit. Mit dabei sind thematische „Dauerbrenner“ zum Veranstaltungsrecht, zu Finanzen und Steuerrecht sowie zur Veranstaltungssicherheit. Mit dem Seminar „Interkulturelle Kompetenz in der Kulturarbeit“ reagieren wir auf den gestiegenen Bedarf in diesem Bereich. Gerade in ehrenamtlich geführten Kulturvereinen spielt die Motivation der Engagierten und das Bewahren von Wissen eine wichtige Rolle. In zwei Seminaren werden hierzu grundlegende Methoden und Praxis-Tipps vermittelt. Den Auftakt zum Fortbildungsprogramm bot der bildungskulturelle Sommerempfang, den die drei Verbände am 06. Juni 2016 in Erfurt ausrichteten. Über 60 Kulturmacher sowie Vertreter aus Politik und Verwaltung aus ganz Thüringen erlebten ein
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Thomas Krüger (Präsident bpb), Minister BenjaminImmanuel Hoff und Ministerin Birgit Klaubert im Gespräch mit Michael Plote / Foto: Boris Hajdukovic
unterhaltsames Programm. Kompetente Gesprächsgäste in Sachen Kultur und Bildung waren Ministerin Klaubert und Minister Hoff. Im Impulsvortrag betonte Thomas Krüger, im Bezug auf die Akteure der freien Kulturszene: „Sie leiten als non-profit Manager kleine Betriebe, die professionell agieren müssen. Eine Qualifizierung durch Experten ist deshalb umso wichtiger“.
Seminar 1
Seminar 2
Seminar 3
17. und 18.09.2016
07. und 08.10.2016
14. und 15.11.2016
Sa. 09:30 - 18:30 / So. 09:30 -15:00 Uhr Jugendgästehaus Ettersberg Weimar
Fr. 09:30 - 18:30 / Sa. 09:30 -16:00 Uhr Tanztenne Petersberg Erfurt
Mo. 09:30 - 18:00 / Di. 09:30 - 18:00 Uhr Jugend- und Kulturzentrum mon ami Weimar
Motivation und Leitung im Ehrenamt Leitung: Ulrike Gringmuth-Dallmer
Interkulturelle Kompetenz in der Kulturarbeit Leitung: Skadi Gless
Sicherheit geht vor.
Akademie für Ehrenamtlichkeit www.ehrenamt.de
Wie mache ich meine Veranstaltung sicher?
Leitung: Frank Witte
Interkulturelle Trainerin www.kreativzentrale.net
Thüringer Event Akademie www.thueringer-event-akademie.de
Kosten: 75,- €/50,- € (ermäßigt) inkl. Seminarunterlagen
Kosten: 75,- €/50,- € (ermäßigt) inkl. Seminarunterlagen
ANMELDESCHLUSS: 18.07.2016
ANMELDESCHLUSS: 08.09.2016
ANMELDESCHLUSS: 14.10.2016
Seminar 4
Seminar 5
Seminar 6
23. und 24.11.2016
21. und 22.01.2017
04. und 05.02.2017
Mi. 16:30 - 20:30 / Do. 16:30 - 20:30 Uhr LERNplatz Radio F.R.E.I. Erfurt
Sa. 09:30 - 17:30 / So. 09:30 -17:30 Uhr Other Music Acadamy Weimar
Sa. 09:30 - 18:30 / So. 09:30 - 16:00 Uhr Theaterhaus Jena
Steuerrecht und Finanzen für gemeinnützige Organisationen Leitung: Annette Sachse
Wissensmanagement und und -transfer in der Kulturarbeit Leitung: Agnes Wörner
Wusste ich nicht, gilt nicht.
Steuerberaterin www.ruschel-kollegen.de
Organisationsberaterin www.agneswoerner.det
Unternehmensberaterin www.kreacon.de
Kosten: 45,- €/30,- € (ermäßigt) inkl. Seminarunterlagen
Kosten: 75,- €/50,- € (ermäßigt) inkl. Seminarunterlagen
Kosten: 75,- €/50,- € (ermäßigt) inkl. Seminarunterlagen
ANMELDESCHLUSS: 24.10.2016
ANMELDESCHLUSS: 22.12.2016
ANMELDESCHLUSS: 05.01.2017
Kosten: 125,- €/100,- € (ermäßigt) inkl. Übernachtung und Vollverpflegung (90,- € / 65,- € ohne Übernachtung)
Veranstaltungen rechtssicher gestalten
Leitung: Barbara Rauthe-Reichenbach
ONLINE-ANMELDUNGEN: über LAG Soziokultur Thüringen / www.soziokultur-thueringen.de
STRUKTUR & PERSPEKTIVE
Interview mit Jörg Sobeck zu Präsidiumsarbeit und Projekten im Bund Deutscher Amateurtheater im Gespräch mit Mathias Baier
Jörg Sobeck Präsident des Bundes Deutscher Amateurtheater und Vorsitzender des Berliner Amateurbühnen e.V. Foto: Christian Müller
Der Bund Deutscher Amateurtheater (BDAT) ist die bundesweite Interessenvertretung für das Deutsche Amateurtheater. In ihm sind die entsprechenden Landesverbände - unter ihnen auch der Thüringer Theaterverband versammelt und organisiert. Im Präsidium des Bundesverbandes vollzieht sich aktuell ein personeller Wechsel, nachdem Norbert Radermacher seine Ära als Präsident beendete, führt Jörg Sobeck als Interimspräsident den Verband, bis am 24. September 2016 in Offenbach (am Rande des amarena Festivals) die Mitgliederversammlung in einer Wahl über die neue Präsidentschaft sowie zwei Vizepräsidenten entscheidet. Diese Wahl wie auch die Überlegungen zu Umstruktierung bzw. Arbeitsteilungen im Präsidium sowie das in 2017 anstehende 125jährige Jubiläum des Bundesverbandes waren uns Anlässe genug, um ein ausführliches Gespräch mit dem aktuellen Präsidenten Jörg Sobeck zu führen .
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Seit September 2015 stehst Du dem Präsidium des BDAT vor, in welchem Du aber schon zuvor über Jahre aktiv warst. Welchen Perspektivwechsel hast Du erfahren bzw. was waren und sind neue Herausforderungen für dich? Es ist in diesem Zusammenhang immer von den großen Fußstapfen die Rede, die mein Vorgänger, der von mir sehr geschätzte Norbert Radermacher, hinterlassen hat. Das ist ganz sicher so. Das ist aber nicht per Urgewalt geboren, sondern unter Anderem auch der Struktur und den beteiligten Personen im (Bundes-)Präsidium, in den Bundesarbeitskreisen, den Landesverbänden und den MitarbeiterInnen der Bundesgeschäftsstelle und nicht zu vergessen: den in über 15 Jahren gewachsenen Gewohnheiten bei allen Beteiligten geschuldet. Ich bin seit Anfang der achtziger Jahre im BDAT auf den verschiedensten Ebenen präsent und habe diesen „meinen“ Amateurtheaterverband sehr gut von innen und aussen kennen, aber vor allem schätzen und „lieben“ gelernt. Das fand ich von Anbeginn an Klasse, was dieser Verband tut. Was er für seine Mitgliedsverbände und die Mitgliedsbühnen dieser Verbände leistet.
Er brachte Menschen zusammen, aus ganz Deutschland, aus Europa, Menschen von hinter dem damals sogenannten „eiserenen Vorhang“ bis hin zu Kindern und Jugendlichen aus der ganzen Welt beim ersten Kinder- und Jugendtheaterfestival in Lingen im Jahr 1990. Und diese hatten und haben alle ein gemeinsames Interesse: das Amateurtheater. Seit 2012 nahm ich die Funktion eines der vier Vizepräsidenten an der Seite von Norbert Radermacher wahr. Nach meiner Wahl zum Präsidenten im September 2015 musste ich mich erst einmal an den Gedanken gewöhnen, nun auf meine ganz persönliche Art gestalten zu können, auch wenn ich mir dafür lediglich ein Jahr Zeit ins Stammbuch geschrieben hatte. Wenn Du von „Perspektivwechsel“ sprichst, war das Schlüsselerlebnis das „Treffen der Verbände“ im Frühjahr 2016 für mich. Da erkannte ich, dass ich mich in einer Rolle befand, die der meines Vorgängers glich, die ich aber vom Zeitaufwand und auch inhaltlich nicht würde allein ausfüllen können. Die ich so auch gar nicht ausfüllen wollte. Das geschäftsführende Präsidium des BDAT besteht aus einem Präsidenten und vier Vizepräsidenten,
EINE ... SCHWIERIGE ENTWICKLUNG IST DIE ZUNEHMENDE TENDENZ WEG VOM EHRENAMT IM AMATEURTHEATER. DIE EHRENAMTLICHE STRUKTUR IST EIN WESENTLICHES ... ELEMENT BEI DER GENERATIONENÜBERGREIFENDEN ARBEIT IN VIELEN MITGLIEDSBÜHNEN.
die juristisch gesehen gleichberechtigt, aber ihrem Amt auch gleich verpflichtet sind. Das Bundespräsidium steuert über die Sprecher der Bundesarbeitskreise den fachlichen Input bei. Die Struktur stimmt also. Sie muss nur noch mehr mit Leben gefüllt werden. Wir müssen beginnen, uns dessen bewusst zu werden und sollten nicht vor großen Fußstapfen erstarren, wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange. Du bist der neue Besen, dem diese Rolle nach der erfolgreichen Ära von Norbert Radermacher - nicht ganz freiwillig - zufiel. Solch ein Wechsel bietet jedoch einen guten Anlass für ein Fazit und einen Ausblick. Wie lautet Dein Fazit zum BDAT in der Vergangenheit? Welche Ziele hast Du Dir für das Heute und Morgen gesetzt? Zunächst möchte ich mit dem Missverständnis aufräumen, die Rolle sei mir „nicht ganz freiwillig zugefallen“. Ich bin ein relativ erwachsener Mensch und kann in allen Lebensbereichen „ja“ oder „nein“ sagen. Sicher haben pragmatische Beweggründe, z. B. meine örtliche Nähe als Berliner zur Bundesgeschäftsstelle, das schließlich formulierte „Ja“ begünstigt. Gleichwohl betone ich, dass ich die Entscheidung, das Amt zu übernehmen, inklusive des Wissens um dessen Gewicht, aber auch unter Inkaufnahme aller zeitlichen Belastungen, sehenden Auges traf. Nicht zuletzt mein persönliches positives Fazit zur Arbeit des BDAT hat mich dorthin gebracht, 2012 als Vizepräsident zu kandidieren. Nimm die großen Theaterfestivals wie amarena, Theaterwelten, Wurzelwerk oder wie sie in früheren Jahren alle hießen, nimm Projekte wie „Kultur macht stark“, unser Programm im „Bundesfreiwilligendienst“, aber auch Themen wie die Zusammenarbeit der deutschsprachigen Theaterverbände in der AddA, die jährlichen Begegnungen im Kinderund Jugentheater in Wetzlar oder im Seniorentheater im bayrischen Scheinfeld. Das alles sind Aktivitäten, die strahlen aus und hätten es noch viel mehr verdient Beachtung zu finden, als sie es ohnehin schon tun. Und damit
diese „Leuchttürme“ noch viel weiter über das „Amateurtheatermeer“ strahlen können, müssen wir vielleicht lernen, unsere reichlich vorhandene Kraft im Sinne des Amateurtheaters und im Sinne des Ehrenamtes zu bündeln, anstatt anbiedernd mit der Professionalisierung des Amateurtheaters zu flirten. Wir haben das Glück, nein: Wir haben es uns über Jahrzehnte erarbeitet, aus Mitteln der Staatsministerin für Kultur & Medien ausdrücklich auch für unsere Kulturarbeit im Bereich der darstellenden Künste gefördert zu werden. Das ist für viele andere Verbände und Einrichtungen, die in diesem Sektor arbeiten, nicht selbstverständlich. Auch darüber sollten wir uns immer wieder mal bewusst werden und ich denke, wir können auch ein wenig stolz darauf sein. Welche zentralen Aufgaben und Projekte soll der BDAT aus deiner Sicht auch zukünftig wahrnehmen und weiterentwickeln? Worauf soll sich dabei die zukünftige Arbeit des Verbandes konzentrieren? Abstrakt formuliert wünsche ich mir noch viel mehr Möglichkeiten und Gelegenheiten für unsere Mitgliedsverbände und deren Mitglieder, sich mit aktivem Theaterspiel zu präsentieren und auszutauschen: Zu zeigen, was wir mit welcher Vielfalt zu leisten vermögen. Und selbstbewusst vertreten, dass die Finanzierung eines Amateurtheaterfestivals nicht eine „Party mit öffentlichen Mitteln“ darstellt, sondern in meinen Augen Kulturpolitik bis in die kleinste Zelle, den Verein, ja die Familie darstellt. Dies offensiv bis in alle Rathäuser und Parlamente zu tragen und dafür zu kämpfen, ist in meinen Augen eine lohnende Vision im Sinne unserer „Mitglieds-Mitglieder“. In diesem Zusammenhang - ein schöner Impuls wurde diesbezüglich im Rahmen der 40. Multiplikatorenschulung in diesem Jahr in Wetzlar gesetzt, die unter dem Titel „Festivaltheater“ eine „Gebrauchsanleitung“ für die Erstellung von festivalreifen Produktionen vermittelt hat. Die Bewerbung um eine Festivalteilnahme ist oft eine Hürde für Gruppen, die mit dem Be-
such von Festivals logistische und inhaltliche Probleme haben. Welche Veränderungen kommen auf den Bundesverband zu oder sind wünschenswert? Welche neuen Aufgaben ergeben sich? Gibt es eine Vision, eine Strategie für einen BDAT im Jahr 2030? Eine in meinen Augen schwierige Entwicklung ist die zunehmende Tendenz weg vom Ehrenamt im Amateurtheater. Die ehrenamtliche Struktur ist ein wesentliches und wichtiges Element bei der generationenübergreifenden Arbeit in sehr vielen Mitgliedsbühnen. Es gibt Studien, die das Eine oder das Andere prognostizieren, ich halte es aber für bedenklich, wenn wir im Verband mit vorauseilendem Gehorsam heute den Tod sämtlicher Amateurtheatervereine in wenigen Jahren prognostizieren. Der Zwang für „professionelle“, wie „freie“ wie auch Amateurtheatergruppen zur Geldbeschaffung als Lebensgrundlage für die eigene Kulturarbeit, die früher mit öffentlichen Mitteln an der einen oder an-deren Stelle unterstützt wurde - gerade um unabhängige Kulturarbeit zu gewährleisten rückt auch für die Amateurbühnen immer mehr in den Vordergrund, was ich im Ergebnis sehr bedauere. Prägnantes Beispiel für diesen Geldbeschaffungswahn bei professionellen Bühnen und dessen bislang nicht abzusehenden Auswirkungen auf die Amateurtheater ist die Einrichtung der sogenannten „Bürgerbühnen“ an professionellen Häusern, die mit Ihren „Experten des Alltags“ potentielle Amateurdarsteller abschöpfen, die danach eher selten der Amateurtheaterszene zur Verfügung stehen. Dementsprechend: Visionen 2030? Eine spannende Frage, die sicher ein gutes Thema für die Klausur des BDATPräsidiums 2017 wäre und/oder auf dem Treffen der Verbände 2017 für lebhafte Diskussionen sorgen könnte. Wünschen würde ich mir - und vielleicht ist dieser Wunsch ja visionär -
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DIE EINEN NENNEN ES JUBILÄUM, DIE ANDEREN DAGEGEN DAS LÄNGSTE THEATERFEST IN DER GESCHICHTE DES ORGANISIERTEN AMATEURTHEATERS.
dass die Arbeit des BDAT nicht gefördert wird, o b w o h l er das Amateurtheater befördert, in der Hauptsache aber einem kulturpolitischen Bildungsauftrag nachzukommen hat, sondern das Amateurtheater als s o l c h e s mit allen ehrenamtlichen Grundstrukturen und seinen vielfältigen Facetten. Dass das Ganze als förderwürdig anerkannt und bis in die tiefsten Ebenen unserer Gesellschaft als breitenkultureller Beitrag unserer Kulturlandschaft akzeptiert und gewürdigt wird! Eines deiner Herzensprojekte steht im Zusammenhang mit dem 125jährigen Jubiläum des BDAT im kommenden Jahr. Was dürfen wir von diesem Jubiläum erwarten? Welche Erwartungen hast Du aus diesem Anlass gegenüber den Landesverbänden und den Amateurbühnen in Deutschland? Hier möchte ich noch einmal Norbert Radermacher zitieren, dem ich diesbezüglich nur beipflichten kann: Das Jubiläum ist ein Fest von und für alle Mitglieder im BDAT, also sowohl für die Landesverbände als auch für die Mitglieder der Landesverbände. Dieses Jubiläum kann nicht „der BDAT“, „das Präsidium“, „die Geschäftsstelle“, die „Arbeitsgruppe 125-Jahre“ stemmen. Vielmehr wünschen wir uns, dass unsere Theaterschaffenden mit all ihrer Kreativität, Vielfalt, Lust und Laune dem BDAT ein Geburtstags-Geschenk zu seinem 125. Geburtstag machen, in dem sie uns und dem Rest der Welt im Zuge der geplanten Veranstaltungen zeigen, was Amateurtheater ist. Eine wichtiger Impuls für uns ist es, dass wir seit wenigen Wochen die Zusage der Bundesstaatsministerin für Kultur & Medien, Frau Prof. Monika Grütters, als Schirmherrin über die Gesamtveranstaltung erhalten haben und Frau Grütters ihre Zusage mit der Ankündigung unserer Eröffnungsveranstaltung verknüpft hat. Die Rahmenbedingungen sind also bestens. Für den Startschuss am 12. und 13. Mai 2017 bzw. für das Finale
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vom 14. - 16. September 2017 sind ausreichend Betten in Berlin vorbestellt. Uns erreichen die ersten Meldungen für Aktionen auf dem IGA-Gelände sowie der Zitadelle in Spandau für das Startwochenende. Für den Schlusspunkt ist die renommierte Akademie der Künste gebucht, in der die Festveranstaltung des BDAT zum Abschluss der 125 Jubiläumstage mit Gästen aus dem Verband, mit Partnern, Förderern, Politik und Medien stattfinden wird. Die einfachste und schnellste Möglichkeit am Fest teilzunehmen ist es, die eigene Gruppe oder den eigenen Landesverband mit besonders wichtigen Veranstaltungen oder auch nur mit einem „ganz normalen“ Premierentermin in unseren 125-Tage-Veranstaltungskalender einzutragen. Die Einen nennen es Jubiläum, die Anderen dagegen das längste Theaterfest in der Geschichte des organisierten Amateurtheaters. Da heißt es doch wohl dabei zu sein? Alle Informationen zum Wann, Wie und Wo unter: www.125-jahre.bdat.info/ Welche Impulse, Initiativen und Projekte werden aktuell im BDAT und in seinen Arbeitskreisen entwickelt? Ich gebe hierzu kurze Stichworte: Bundesarbeitskreis (BAK) Mundart und Sprachen > 2. Mundartfestival „Wurzelwerk 2017“ in Schleswig BAK Geschichte, Kultur und Bildung > Erarbeitung eines Jahrbuches 2017 zur Geschichte des BDAT und seiner Landesverbände vor dem Hintergrund des 125-jährigen Verbandsjubiläums. BAK Seniorentheater > Europäisches Seniorentheater-Forum im Oktober 2016 und Internationales Seniorentheaterfestival in 2019 In Vorbereitung ist zudem das internationale Festival „Theaterwelten 2017“ in Rudolstadt. Aber auch das Flüchlingsthema ist seit Menschen aus aller Welt bei uns vor der Haustür stehen und nicht nur weit weg in Gummibooten treiben - in unserem Verband ein präsentes Thema, das uns über Jahre beschäftigen wird. Hier wünschen wir uns, dass sich noch viel mehr Gruppen öffnen und uns von ihrer Arbeit berichten.
Welche Anforderungen stellen sich an einen zukünftigen Präsidenten/ eine Präsidentin des BDAT? Welche Stärken sollten die Kandidaten besitzen? Du meinst „den“ Präsidenten bzw. „die“ Präsidentin? Damit geht's ja eigentlich schon los, denn nach meinem Verständnis müssen sich die präsidialen Tätigkeiten auf die derzeit fünf Präsidenten entsprechend zuvor definierter Fachbereiche verteilen, auch wenn das an der einen oder anderen Stelle etwas mehr Verwaltungsaufwand bedeutet. Auch - und darüber besteht mit allen Beteiligten Einigkeit - auf die Geschäftsstelle wird sich Arbeit verlagern lassen. Fachbezogen sollen auch die Bundesarbeitskreise stärker eingebunden werden in den „Regierungsalltag“. Für Repräsentationszwecke wäre es sinnvoll, wenn „der/die“ oder „eine/r der“ PräsidentInnen im Einzugsbereich der hauptamtlichen Geschäftsstelle seinen Lebensmittelpunkt hätte. Denn die Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, dass es nötig ist, zu einem ggf. kurzfristig anberaumten Termin zu fahren und den BDAT persönlich zu vertreten. Ganz profan formuliert ist das auch eine Frage des Reisekostenbudgets. Gleichwohl ist das nur ein formeller Aspekt. Inhaltlich sollte dem/derjenigen aus meiner Sicht möglichst der Stallgeruch der Kulturpolitik - idealerweise des Theaterbereichs - anhaften, denn nur diese Kompetenz lässt auf Dauer eine Autorität im positiven Sinne nach innen und aussen entstehen. Führungsstärke, gepaart mit der Eigenschaft, teambezogen Entscheidungsprozesse zu moderieren, sollten im Sinne der neuen Arbeitsteilung in den Führungsstrukturen des BDAT wesentliches Element eines/r Präsidenten/in sein. Dabei ist es -übrigens auch ein diskutierter Punkt in diesen Tagen- letztlich egal, ob diese Person aus „unseren Reihen“ oder vielleicht frischen Wind aus anderen Regionen der Kulturlandschaft mitbringt. Zu guter Letzt: Als Interimspräsident bist Du mit den Anforderungen bestens vertraut und als Berliner befindest Du dich auch geografisch ganz nah an der
Geschäftsstelle. Weshalb hast du deinen Hut (bisher) nicht in den Ring geworfen?
FSJ Kultur im Thüringer Theaterverband
Ja, das ist eine Frage, die mir in letzter Zeit oft, sehr oft gestellt wurde. Ich darf noch rund 10 Jahre in meinem Hauptberuf tätig sein. Dieser Vollzeitberuf lässt sich nur sehr schwer -trotz optimaler Arbeitszeitregelungen meines Arbeitgebers- mit diesem Ehrenamt verbinden. Ich bin nicht der Mensch, der schnell und leichtfertig Entscheidungen trifft, und verfolge diesbezüglich einen gewissen Qualitätsanspruch, der sich unter den genannten Voraussetzungen nicht nachhaltig auf dem von mir angestrebten Niveau leben lässt. Ich bleibe dem BDAT dennoch eng verbunden, was nicht bedeutet, ihm unkritisch zu folgen. Ich hoffe und wünsche mir nichts mehr, als eine spannende Präsidentenwahl, denn es stehen ja neben „dem Präsidenten“ - das wird oft vergessen noch zwei Vizepräsidenten zur Neuwahl an. Vor diesem Hintergrund und wegen der damit verbundenen für den BDAT richtungsweisenden Bedeutung dieser Wahlen hoffe ich auf ein verantwortungsbewusstes Wahlgremium und auf eine multiple KandidatenKultur.
Dreizehn Freiwillige haben die Arbeit des Thüringer Theaterverbandes seit 2003 in der gleichen Anzahl vergangener Jahre unterstützt. Im FSJ Kultur hatten diese die Möglichkeit sich beruflich zu orientieren, Studienwünsche zu prüfen und kulturelle Praxiserfahrungen zu sammeln. Wieder ist ein FSJ-Jahr fast vergangen. Zeit für ein kurzes Fazit von Felix Schölzel, der unsere Arbeit noch bis Ende August unterstützen wird.
Jörg Sobeck wurde 1959 in Berlin, als Sohn eines leidenschaftlich fotografierenden Vaters und einer drei Kinder erziehenden Mutter geboren. Die Fotografenleidenschaft wurde an ihn samt erster Spiegelreflexkamera vererbt. Neben einem Studium an der juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin folgte er bereits 1982 dem Ruf in eine Theatergruppe nach BerlinSpandau (MAGMA Theater), deren Aufbau und Stärkung er vorantrieb und deren Vereinsvorsitz er seit 2002 übernommen hat. Seit den 1980er Jahren engagiert er sich im Berliner Amateurbühnen e.V., dessen Landesvorsitz er seit 2012 inne hat. Die Arbeit für den Berliner Landesverband und in den Gremien des BDAT führte schließlich zu seiner Wahl zum Vizepräsidenten des BDAT im Jahr 2012. Seit 2015 ist er Präsident des BDAT.
Felix Schölzel
Ein bemerkenswertes Phänomen zur Ich hatte das Glück in diesem Jahr, Einleitung von „Abschiedstexten“ sind fast durchweg, freundlichen und ange/ auf dem Wildwechsel-Festival vorangestellte Zitate. Sie sind voll derBASISLAGERFEUER nehmen Menschen zu begegnen. 2015 Ich Foto: Candy Welz Renner. Leider fand ich nichts Trefhatte Gelegenheit an meinen redaktiofendes zwischen: „Der Abschied von nellen Fähigkeiten zu arbeiten und die einer langen und wichtigen Arbeit ist Grundlagen der Öffentlichkeitsarbeit immer mehr traurig als erfreulich.“ zu erlernen. Außerdem entwickelte ich (Friedrich Schiller) und „Alles hat ein so etwas wie eine funktionierende Ende, nur die Wurst hat zwei.“ (StepSelbstorganisation. Eine Qualität die han Remmler). Man möchte ja nicht während meiner Schulzeit noch gänzinfantil und gleichermaßen nicht zu lich unentdeckt blieb. Was sich nicht nostalgisch oder dramatisch wirken. wirklich besserte, ist meine chronische Ein wenig von beidem sollte trotzdem Müdigkeit, für die der Kulturbereich jeerlaubt sein. doch auch eher einen befördernden Ich habe viel aus diesem Jahr FreiRahmen bietet. willigkeit im Thüringer Theaterverband Abschließend kann ich nur hoffen, mitgenommen und habe die Zeit sehr ein wenig mehr Arbeit erledigt, als vergenossen. Sowohl den Charme meiner ursacht zu haben und Mathias, Frank, leicht renovierungsbedürftigen WG als Kathrin und allen anderen zu danken auch meine Arbeit und Rudolstadt allund alles Gute zu wünschen. Ich komgemein werde ich schon ziemlich verme euch sicher einmal besuchen. missen. Es war sehr lehrreich in die Theaterlandschaft der professionellen Theater und der Thüringer Amateure Neu im hineinzuschnuppern und die hier geThüringer Theaterverband wonnen Eindrücke haben mich mehr als einmal positiv überrascht. Neues und damit das 38. Mitglied im Ob und wie stark sich das FSJ in der Thüringer Theaterverband sind die Kultur auf meinen weiteren WerdeGrabfelder Spielleut. Der Amateurgang auswirkt, wird sich noch zeigen. theaterverein aus dem Süden ThürinFalls nicht direkt, hinterlässt das Jahr gens mit seinen über 20 Mitgliedern wohl dennoch eine lebenslängliche wurde 2009 aus der Taufe gehoben. Schwäche für Theater und kulturpolitiNähere Informationen und Neuigkeische Streitereien. Dass es auch in der ten des Ensembles findet sich unter: nennen wir es jetzt mal Kreativwirtwww.grabfelder-spielleut.de schaft - am Ende darum geht, schwarze Zahlen zu schreiben und seinen politischen Einflussbereich zu vergrößern, war für mich zwar etwas entzaubernd, aber durchaus zu erwarten. 29 32
SZENEN.KALEIDOSKOP Roland-Bühne Saalfeld Foto: Bernd Hähnel Harald Töpfer 9 3/4 (Klatschmond Rudolstadt) Foto: Charlotte Ronas
Komisch (Theater am Markt Eisenach) Foto: Sascha Willms
Peter Struwwel und Dr. Schock (Tohuwabohu Meiningen) Foto: Janine Hoffmann
Haus des Schlafes (Theaterhaus Jena) Foto: Joachim Dette
Am Limit (Junge Bühne Hildburghausen) Foto: Patricia Hachtel
DNA (stellwerk Weimar) Foto: Marius Luhn
Der gestiefelte Kater (3K Theaterwerkstatt Mühlhausen) Foto: Andreas Bank
Reise um die Erde in 80 Tagen Theater Die Schotte Erfurt Foto: Lutz Edelhoff