Umnutzungskonzept einer ehemaligen Glühlampenfabrik in Soest
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Das Gebäude der ehemaligen Glühlampenfabrik vor den Toren der historischen Altstadt Soests soll umgenutzt werden. In der Turmlaterne, die über der mitgenommenen Fassade thront, sind noch die Reste des ikonischen Schriftzuges zu erkennen, der seit über acht Jahrzehnten stolz den Namen der Fabrik in alle vier Himmelsrichtungen zeigt. Mit dem vorliegenden Umnutzungskonzept soll nicht nur diesem Schriftzug, sondern vor allem dem Rest des einzigen Industriedenkmals Soests wieder Strahlkraft verliehen werden. In diesem Zusammenhang wird das gesamte Areal um die Fabrik umgestaltet und soll künftig dringend benötigten Wohnraum beherbergen. Für das Merkurquartier wird eine Bebauung mit vier- und fünfgeschossigen strengen, aber locker gesetzten Baukörpern vorgeschlagen, die sich im Grundgedanken an der Ausrichtung des vorhandenen Bebauungsplan orientieren. Jedoch wird insofern von der Vorgabe abgewichen, als dass einerseits die Orientierung der Baukörper sich nicht an der Flucht des Riga-Rings auffächert, sondern direkten Bezug auf die Richtung der restlichen Gebäude auf dem Gelände nimmt und so einen Zusammenhang mit der städtebaulichen Identität des Merkurgebäudes vermuten lässt. Hierdurch wird eine klarere städtebauliche Figur trotz größerer Flexibilität erreicht. Besonderes Augenmerk wurde bei der Positionierung der neun Körper auf die Schaffung von qualifizierten Freiflächen gelegt, welche sich mäandernd zwischen den Kuben aufspannen. Hierdurch werden immer drei Gebäude mit einem Nachbarschaftsplatz zusammengefasst, welcher eine Art Hoffläche für die Anwohner bildet. Die drei Nachbarschaftsplätze verbindet eine parkähnliche Grünfläche. Eine besondere Wichtung bei der Gestaltung der Wohngebäude lag auf der Ausbildung von flexiblen, barrierefreien Grundrissen, welche eine vielfältige Nutzerstruktur ermöglichen und einen Teil der Gebäude für verschiedene Konzepte von zeitgemäßem Seniorenwohnen prädestiniert. Dieser Fokus auf eine Bewohnerstruktur, welche auf die aktuellen demografischen Entwicklungen reagiert, wird beim Nutzungskonzept des restlichen Merkur-Quartieres noch deutlicher: Hierbei soll ein Synergieeffekt zwischen den ansässigen Ärztehäusern, den Bewohnern und dem Ensemble des Merkurgebäudes geschaffen werden. So steht den wohnungsnahen Erdgeschossnutzungen eine Reihe von Funktionen gegenüber, die das Quartier als Gesamtheit funktionieren lassen: denkbar ist der Strickwarenladen und die Gemeinschaftsräume für die Senioren, die Bäckerei, der Schreibwarenladen mit Poststation und der Zeitungskiosk, eine kleine Kita oder die lokale Apotheke. Getrennt durch eine gepflasterte Allee steht dem Wohnquartier das neue Merkur-Ensemble gegenüber. Auch das Nutzungskonzept für diese Baukörperkomposition bereichert das Wohnquartier und schafft einen überregionalen Anziehungspunkt. Neben dem eigentlichen Merkurgebäude bildet ein riegelförmiger Pavillon den Übergang zum Wohnquartier aus, behält aber durch seine Eingeschossigkeit die Blickbeziehung der Anwohner auf das Merkur-Gebäude bei. Hier kann kleines kulinarisches Gewerbe angesiedelt sein: der bekannte Fleischer oder die gut sortierte Weinhandlung, bei denen nach Feierabend auf dem Nachhauseweg kurz angehalten wird. Außerdem findet sich hier einer der vier Aufgänge der Tiefgarage, die unter dem gesamten Wohnquartier den ruhenden Verkehr der Anwohner und Besucher aufnimmt. Als größter Baukörper schließt ein Badehaus im Osten den neu entstehenden Stadtplatz. Hier kann ein ruhigeres und besinnlicheres Badeerlebnis geschaffen werden, als in Soests großem Spaßbad. Auch Therapie- und Wellnessangebote sind hier möglich, die in enger Zusammenarbeit mit den ansässigen Ärzten für Senioren, Schwangere oder Patienten der Ärzte- und Geburtshäuser angeboten werden. Der neu entstehende „Gebrüder-Rosenthal-Platz“ wird im Norden und Westen vom höchsten Gebäude des Ensembles flankiert: Die alte Glühlampenfabrik und das eigentliche Kernstück des Entwurfes, das durch eine vielfältige Funktionsmischung einer dem Denkmal angemessenen Nutzung zugeführt
wird. Grundgedanke und titelgebendes Konzept war das stetige Zitat der historischen und ideellen Substanz des Merkurgebäudes nicht nur durch die Verwendung von Ziegeln als Fassadenmaterial für alle neuen Gebäudeteile. In Anlehnung an die ehemalige Funktion des Gebäudes als Produktionsstätte soll im Gebäude wieder produziert werden, wenngleich auch nur in ideellem Maßstab. Hierzu wird im Erdgeschoss des Bauteils von 1951 eine kulinarische Produktion vorgesehen, die im hier gezeigten Projekt als Schaubrauerei mit großer Glasfassade neugierige Besucher oder wartende Angehörige anzieht, das nebenliegende Restaurant versorgt und darüber hinaus die bekannte Wortmarke „Merkur“ in ein ebenfalls golden leuchtendes Produkt verwandeln soll und die Fabrik so auch wieder überregional bekannt machen kann. Denkbar wären auch andere Produkte, wie die Kaffeerösterei oder ähnliches. Jedoch findet ein „Merkur-Pils“ aus Soests nunmehr zweiter Brauerei sicher einen Platz auf dem aufstrebenden Craft-Beer-Markt. Das nebenliegende Restaurant, das seinen Gastraum zum Stadtplatz hin öffnet, versorgt mit seiner kleinen Schauküche tagsüber Mitarbeiter aus der Umgebung, Nutzer des neues Radweges, Senioren und Anwohner, lädt nach dem Besuch des Badehauses zum Verweilen ein und belebt abends den neuen Stadtplatz. Weiterhin sind die oberen Geschosse der Bauteile von 1908 und 1954 für kreative Büronutzungen, wie Architekturbüros, Designstudios oder das innovative IT-Startup auch ohne große bauliche Eingriffe ideal. Lediglich der neu eingestellte Treppenkern sichert die Fluchtwege und interne Erschließung und ermöglicht eine Teilung der Etage des Gebäudes von 1908 in zwei flexible Nutzungseinheiten. Der neue Dachaufbau, der mit sichtbarem Zeitgeist die Lücke schließt, die der Anbau von 1954 ganz bewusst geschaffen hat, um das Gebäude später zu vervollständigen, soll Arbeitsräume enthalten, die weniger Fensterfläche benötigen, Handwerkstätten oder Ateliers wären hier denkbar. Als provokantes, neues Element ruht ein geschlossen wirkender Baukörper auf dem historischen Gebäude, nimmt aber mit der einzigen Öffnung je Seite präzise die Flucht der historischen Fassadengliederung auf, rahmt gezielte Ausblicke auf den GebrüderRosenthal-Platz und das im Norden angrenzende Industriegelände. Außerdem zitiert der Aufbau im Inneren abstrakt durch sein expressives Aussteifungskonzept das abgebrochene Sprengwerk des Mansarddaches und schließt mit seiner Haut aus wiederverwerteten Ziegeln die offene Naht am benachbarten Gebäudeteil. Der Gebäudeteil von 1935 nimmt inklusive seiner Erweiterung ein kleines Gästehaus mit 25 Betten auf. Der Anbau schafft hierbei mit der massiven Fuge einen klaren Abschluss des Gebäudes. Die angrenzende Fassade wird zitiert und eigenständig interpretiert, was die gesamte bauliche Geschichte des Merkurgebäudes stringent weitererzählt. Dem Turm mit dem ikonischen Schriftzug wird bewusst keine spezielle Nutzung zugewiesen, sondern eignet sich als eigenständige, hochwertige Fläche auch ohne weitere bauliche Eingriffe als der behutsamen energetischen Ertüchtigung beispielsweise für die Vermietung von kleinen Tagungen, Workshops, lokalen Ausstellungen oder einer intimen Matinée mit Aussicht. Maßgeblich für die bauliche Umnutzung ist es, so viele Teile der Originalsubstanz zu erhalten, die denkmalwürdige Gliederung des Gebäudes wieder herzustellen und neue Teile vorsichtig einzufügen und wo möglich klar ablesbar zu machen. So werden die charakteristischen Holzeinbauten offensichtlich für die Dauer der Baustelle entnommen, aufgearbeitet und an teilweise neuer Stelle wieder eingebaut. Die Südfassade von 1908 wird in der historischen Gliederung wieder hergestellt und mit neuen Fenstern gefüllt. Der Umgang mit dem Denkmal folgt so nicht an allen Stellen der Doktrin der Chartae von Venedig und Athen, legt aber dadurch noch größeren Wert auf die Herausarbeitung der dem Gebäude innewohnenden, wichtigsten Charakteristika und ursprünglichen Entwurfsintentionen, die die ehemalige Glühlampenfabrik in Soest und Umgebung eine so herausragende Stellung einnehmen lassen.
1. Konzept Präsentation
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45
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15
45
Restaurant am Kattenturm 0
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Beef Club
Mensa Pizza Pizza
300
Freizeit und Erholung
Gastronomie
Bildung
Lebensmittel
Industrielles Gewerbe
Seniorenresidenzen
Kultur und Unterhaltung
Plangebiet
Rewe Pizza
Pizza Hotel Lindenhof
Pizza Pizza
2. Konzept Präsentation
Niederb ergheim se er Stras
Rennekamp
III
Gastronomie
III
III
Troyesweg
Gästehaus
I
Badehaus
I
Gewerbepavillon
Zum neuen Rennekamp
V
Seniorenresidenz
V
IV
Apotheke
V
V
Waren d. tägl. Bed.
IV
IV
Gemeinschaftsraum
Friseur
IV
Rigaring Christophorusweg
Ring
imer Strasse
Niederberghe
Lübecker
itz-Weg
Otto-Boel
rusweg
Christopho
Textilgewerbe
Bäckerei
IV
Kiosk
Kita
Hotel
Brauerei
Badehaus
Arzt
Arzt
Arzt Gewerbe
S e n io re n S e ni ore n
S e n io re n
Nutzungsmischung
P P
P
P
Erschliessungsfigur
Stadtplatz I
Allee
Stadtplatz II
Primärstadtraum - Stadtplatz Sekundärstadtraum - Nachbarschaftsplatz Ter tiärst adtraum - N ac hbarsc haf tsgar t en
3. Konzept Präsentation
OG 2
OG 1
EG
Axometrie Merkurplatz mit Badehaus und Gewerbepavillon
Ergänzte Tragwerke als Zitate der historischen Substanz
Bauzeitliche Zusammengehörigkeit wird durch Fassaden ablesbar
Fassadenstrategie
Ansicht Nord
Endpräsentation
61
32 33
60 59
34 35
58 57 56
36 37
55 54
38 40
53 52
41 42
51
44
49
45
48
43
III
GEBRÜDER-ROSENTHAL-PLATZ III
47
46
III III
50
39
26 19 17
18
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MERKURWEG
P
I
I 01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
12
13
14
15
P
16
Zufahrt TG
RENNEKAMP
V
V
V
P V NIEDERBER
IV
GHEIMER STR
IV IV
IV
IV
ASSE Riga-Ring
g
Lübecker Rin
GHEIMER STR
NIEDERBER ASSE
ca. 150 qm 4 Zimmer 2 Bäder geeignet für -Familie mit älterem Kind -Paar mit Home-Office -Senioren-WG
ca. 150 qm 6 Zimmer 1 Bad, 2 Duschbäder geeignet für -betreute Wohngruppe -Familie mit 2 Kindern -Studenten-WG
ca. 75 qm 3 Zimmer 2 Duschbäder geeignet für -junges Paar mit Kind -betreute Wohngruppe -Single mit Home-Office
ca. 50 qm 2 Zimmer ca. 35 qm 1,5 Zimmer 1 Duschbad geeignet für -Singles -junges Paar -Seniorenwohnung
2 WE je Geschoss
2 WE je Geschoss
4 WE je Geschoss
6 WE je Geschoss
BGFWohn: ca.17.000 qm GFWohn: ca. 15.500 qm GFZ: 1,1 GRZ: 0,24 71x Wohntyp 01 71x Wohntyp 02 142x Wohntyp 03 213x Wohntyp 04
Bestandsituation
Fuge
Öffnung
Nahtstelle
Kopie
Füllung
Vorhang
Eingriffe in den Bestand
Kopie des benachbarten Tragwerkes
Zitat des Tragwerks
Neuinterpretation des historischen Sprengwerks
Nutzungseinheiten teilbar durch doppelte Erschließung
Innere Erschließung
Neuer Quartiersplatz „Gebrüder-Rosenthal“
Ergänzung und Aktivierung des Ensembles
Schnittansicht Süd M 1:250
Grundriss EG M 1:250
Längsschnitt M 1:250
Grundriss 1.OG M 1:250
Ansicht Nord M 1:250
Grundriss 2.OG M 1:250
CAFE
Schnittansicht Ost M 1:250
GAESTEHAUS
Ansicht West M 1:250
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Dach: Plattenbelag, im Sandbett verlegt, Abdichtung, doppellagig Gefälledämmung min 2%, Wärmedämmung, Dampfsperre, Aufbeton nach stat. Erfordernis Fertigteilrippendecke, Trägerhöhe nach stat. Erfordernis, betonsichtig
Aussenwand: Lehmoberputz Hintermauerwerk als Innendämmung, Porotonstein, Perlitfüllung, kapillaraktiv, diffusionsoffen Hinterfüllung, Vormauerwerk, Altziegel, wiederverwertet 240mm zur Vermeidung von Dehnungsfugen, Normalformat, im Kreuzverband gemauert
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Decke: Nutzschicht Estrich, geschliffen und poliert, Grünsandsteinsplit als Zuschlagsstoff Tragschicht Estrich Trennlage Wärmedämmung druckfest Trittschalldämmung Deckenplatte Ortbeton Dimensionierung nach stat. Erfordernis, auf Bestandsträger mit angeschweißten Kopfbolzen gelagert Mineralwolle und Gipskartonbeplankung als feuerhemmende Schicht
Aussenwand: Lehmoberputz Hintermauerwerk als Innendämmung, Porotonstein, Perlitfüllung, kapillaraktiv, diffusionsoffen Hinterfüllung Vormauerwerk Bestand, altes Reichsformat, im Kreuzverband gemauert Fenster hinter Bestandsfenster, Stahlrahmen, thermisch getrennt, Bestandsfenster, aufgearbeitet und mit Hinterlüftung an Originalposition wieder eingebaut
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Bodenplatte: Nutzschicht Estrich, geschliffen und poliert, Grünsandsteinsplit als Zuschlagsstoff Tragschicht Estrich Trennlage Wärmedämmung druckfest Trittschalldämmung neue Bodenplatte, Dimensionierung nach stat. Erfordernis Sauberkeitsschicht Schaumglasschotter Grund und Boden
Decke: Bestandsparkett Tragschicht Estrich Trennlage Wärmedämmung druckfest Trittschalldämmung, auf Bestandsschüttung verlegt Bestandsdecke (vermutlich Stahlsteindecke, z.B. ‚Kleinesche Decke‘) Mineralwolle und Gipskartonbeplankung als feuerhemmende Schicht, gespachtelt und gestrichen
Aussenwand: Lehmoberputz Dämmputz als Leichtputz, Wandflächenheizung, in Unterputz verlegt Vormauerwerk Bestand, altes Reichsformat, im Kreuzverband gemauert Fenster hinter Bestandsfenster, Stahlrahmen, thermisch getrennt, Bestandsfenster, aufgearbeitet und mit offener Fugenlüftung an Originalposition wieder eingebaut, wo nötig neue Stahlfenster mit Sprossung dem Bestand nachgebildet
© Tobias Rabold B.A. 2017 MSA | Münster School of Architecture Prof. Kirsten Schemel Department Entwerfen Tutoren: Aldis Pahl Maximilian Steverding