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BRACHLAND
from WiSe 21/22_hellwig
BRACHLAND
Was ist Brachland?
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Der Begriff Brache bezeichnete früher ein ungenutztes, nicht-bestelltes Feld. Um die Landstriche weitläufig fruchtbar zu halten, wurde im Mittelalter nur Zweidrittel der Ackerflächen bestellt. Dadurch, dass es „brach“ lag, konnte sich dieses übrige Drittel erholen und wichtige Nährstoffe erhalten und regenerieren. Dieses Prinzip nennt man Dreifelderwirtschaft. Außerdem kann der Begriff Brachland auch für ein unfruchtbares Areal benutzt werden. Im natürlichen Sinne ist ein Areal nicht oder wenig fruchtbar, wenn das Areal entweder zu steil oder zu feucht ist oder die Bodenentwicklung sich erst im Initialstadium befindet. Das bedeutet, dass es kaum Humus auf den Sand- oder Gesteinsflächen gibt. Für die meisten Gewächse stellt dies einen suboptimalen Lebensraum dar. Tatsächlich ergibt sich aber häufig durch und auf Brachflächen ein Biotop, welches einen wichtigen Rückzugsort auch für seltene Pflanzen- und Tierarten darstellt. Auf Brachflächen im landwirtschaftlichen Raum gibt es häufig sogar eine deutlich höhere Artenvielfalt als auf den umliegenden Feldern. Anthropogene Brachen sind auch kein neuzeitliches Phänomen, sondern existieren schon seitdem Ackerbau und Viehzucht betrieben wird, also mindestens seit 11.000 Jahren.83 Als Synonym zum Begriff Brachland wird das englische urban wasteland verwendet.
Typologien von Brachen
Das Brachland kann je nach Entstehungsart oder Struktur in unterschiedliche Kategorien eingeordnet werden. Eine agrarische Nutzung scheidet bei der Naturbrache in aller Regel aus. Die natürliche und nährstoffarme Bodenbeschaffenheit lässt nur sehr eingeschränkt ein Pflanzenwachstum zu. Felsen bieten hauptsächlich in Spalten passende Bedingungen, ansonsten werden sie größtenteils von Flechten und Moosen bewachsen. Tiere und Insekten finden in den felsigen Arealen einen Lebensraum. Wichtige Arten umfassen zum Beispiel Großschmetterlinge wie den Apollofalter (Parnassius apollo) oder sogar die größte Eule, den Uhu (Bubo bubo). Eine Strukturbrache beschreibt eine Fläche, die nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden kann. Das kann zum einen gesellschaftliche Gründe haben, wie die Zersplitterung von Höfen auf dem Land. Durch das Vererben von Feldern und Hofanlagen kann es passieren, dass es sich für den einzelnen Betreiber nicht mehr lohnt, die immer kleiner werdenden Flächen zu bewirtschaften. Diese Art von Strukturbrache wird auch Sozialbrache genannt. Spekulationsbrachen ergeben sich meistens daraus, dass ein bestimmtes Grundstück temporär nicht genutzt wird, da sich in der Zukunft eine wirtschaftlich-lohnendere Nutzung ergeben könnte. Eine typische Form von Spekulationsbrachen findet sich in Industrie- und Gewerbegebieten. Nach der Erschließung aus Ackerland wird gewartet, bis ein Unternehmen einen angemessenen Preis für das Grundstück zahlt.84 Bauland ist zudem in Wohngebieten besonders wertvoll, so gibt es auch hier häufig Strukturwandel oder Abrisse, um eine effizientere Nutzung zu etablieren. Die Pionierbrache entsteht meist nach anthropogenen Eingriffen in die natürliche Bodenoberfläche. Das ist unter anderem bei Deponien, Ge-
bäude- oder Straßenbau der Fall. Auf diese Weise können in der Erde ruhende Samen sprießen oder in die umliegende Vegetation kann sich ausbreiten.85 Die sich darauf findende Flora besteht meist aus den sogenannten Pionierpflanzen. In urbanen Räumen entstehen Brachen oder das urban wasteland, meistens aus verlassenen Industriearealen und Verkehrsflächen, Kiesgruben und Baulücken.
Abb. 26: Parkplatz auf Spekulationsbrache am Stadthafen 1_Münster, Deutschland_2020
Flora und Fauna einer Brache
Die Pflanzenwelt ist geprägt von der sogenannten Sukzession. Das bedeutet, dass sich der Lebensraum stetig verändern kann und es ein „zeitliches Nacheinander“ ([83], S.13) von Organismen gibt.86 Grob lässt sich die Flora in vier verschiedene Abschnitte einteilen. Dabei herrschen jeweils vier unterschiedliche Gruppen von Pflanzen vor. Die Samen der Pionierpflanzen werden häufig über den Wind verbreitet. Sie keimen und wachsen schnell und tragen bald Früchte. Diese Gewächse eint, dass sie nur sehr wenig Nährstoffe zum Leben benötigen und hauptsächlich auf eine große Sonneneinstrahlung angewiesen sind. Sträucher und Buschwerk etablieren sich meistens erst nach der ersten Pflanzensaison, wenn sich ein Mindestmaß an fruchtbarerer Erde gebildet hat. Diese Pflanzen nehmen den ersten Pionierpflanzen einen großen Teil an Licht und verdrängen diese. Auf diesen sehr niedrigen Bewuchs folgt der sogenannte Pionierwald. Pappeln und Weiden sind schnell wachsende Bäume, die, durch die natürliche Humusproduktion durch herabfallende Blätter, den Weg zu der letzten Entwicklungsstufe, den Wald, bereiten.87
Nutzbares Unkraut Der Mensch strebt danach, die Natur unterzuordnen. Die Gärten der Einfamilienhäuser und die Parks der Siedlungsräume haben eine klare Struktur und lassen wenig Spielraum für die unkontrollierte Ausbreitung von Pflanzen und Insekten. Insbesondere schnellwachsende Pflanzen von wenig ‚optischem Wert‘ werden von den meisten Freizeit- und Berufsgärtnern bekämpft. Die Blumen und Kräuter werden sogar als Un-Kraut bezeichnet. Was die meisten dabei übersehen, auch diese eher ungeliebten Gewächse können von großem Wert für die Insektenwelt sein und viele sind als Heilpflanze oder sogar zum Verzehr geeignet.
„Unkraut ist die Opposition der Natur gegen die Regierung der Gärter.“ - O. Kokoschka
Es gibt diverse Unkrautarten, die gerade auf Brachland gut gedeihen. Der Kompasslattich (Lactuca serriola) (Abb. 27) stellt eine Urform des Salates dar. Er benötigt wenig Wasser und kann auch an sehr heißen Standorten sprießen. Die Blätter sind vom Frühling bis zur Blütezeit, etwa vier Monate lang, essbar. Die Wilde Möhre (Daucus carota) (Abb. 28) bevorzugt ebenfalls eine warme und trockene Erdoberfläche. Vom Herbst bis in den Frühling hinein kann die weiße Wurzel geerntet und verzehrt werden. Dafür wird sie optimalerweise gekocht oder gedünstet. Außerdem stark unterschätzt ist der Löwenzahn (Taraxum officinale) (Abb. 29). Er hat die Eigenschaft, auf vielen Böden und Grundstücksarten gedeihen zu können. Die Blätter, die Blütenknospen und die Blüten sind essbar und können unter anderem als roh im Salat verzehrt werden. Abgesehen vom kulinarischen Nutzen, kann er auch unterstützend als Heilpflanze genutzt werden. Es gibt Wirkungen bei einigen inneren Erkrankungen. Weitere vergleichbare Pflanzenarten, mit zum Teil heilenden Eigenschaften sind Beifuss (Artemesia vulgaris), Johanniskraut (Hypericum perforatum) (Abb. 30)und die Brennnessel (Urtica dioeca) (Abb. 31).88 Die Brennnessel kommt in vielen Regionen auf der ganzen Welt vor. Sie ist ein Indikator für einen hohen Stickstoffgehalt im Erdreich. Neben dem Verzehr in Gerichten oder den Aufguss als Tee, wird die Pflanze mit den feinen Brennhaaren gegen Gift oder auch als natürliches Dünge- und Pflanzenschutzmittel im Garten eingesetzt.89
Abb. 27 Abb. 28
Abb. 29 Abb. 30
Abb. 27: Kompasslattich (Lactuca serriola); Abb. 28: Wilde Möhre (Daucus carota); Abb. 29: Löwenzahn (Taraxum officinale); Abb. 30: Johanniskraut (Hypericum perforatum)
Abb. 31 Abb. 32
Abb. 33 Abb. 34
Abb. 31: Brennnessel (Urtica dioeca); Abb. 32: Beifußblättrige Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia); Abb. 33: Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum); Abb. 34: Rotfuchs (Vulpes vulpes)
Invasive Neophyten Der Name der invasiven Neophyten bedeutet invasive neue Pflanze. Invasiv insofern, als dass sie in den Lebensraum der einheimischen Pflanzen eindringen und diese verdrängen können. Der karge Boden einer Pionierfläche bietet den perfekten Nährboden für eine invasive Art. Sie stammen generell aus anderen Kontinenten und manchmal auch Klimazonen, können sich aber auch in ihrer neuen Heimat schnell vermehren. Sie können auf verschiedene Arten und Weisen Schaden anrichten. Die Beifußblättrige Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) (Abb. 32) ist eigentlich in Nordamerika heimisch und kann beispielsweise auch für Menschen gefährlich sein. Ihr Pollen, der erst im August und September fliegt, löst teilweise schwere Allergien aus. Auch der Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum) (Abb. 33) kann gesundheitlichen Schaden anrichten. Er stammt aus dem Kaukasus und ruft über ihre Pflanzensäfte phototoxische Hautreaktionen hervor. Die Verbrennungen können bereits bei einer einfachen Berührung unter Sonneneinstrahlung entstehen. Der Riesenbärenklau und der aus Ostasien stammende Staudenknöterich (Reynoutria japonica) teilen die Eigenschaft, dass sie über drei Meter hoch werden. Letzterer wächst sogar bis zu 30 cm am Tag. Dieses enorme Wachstum trägt zur Verschattung und zur Verdrängung von anderen Arten bei. Der Sommerflieder (Buddleja davidii) hingegen ist ein Pionierstrauch. Er kann sich auf trockenem Areal ausbreiten und lockt durch seine Blüten die einheimischen Schmetterlinge an. Diese Fliederart taugt allerdings nicht als Futterpflanze für die Schmetterlingsraupen. Deshalb ist auch er als problematisch anzusehen. Invasive Neophyten sollten generell nicht im normalen Grünabfall entsorgt werden. Dabei ist die Gefahr zu groß, dass Samen überleben und weiter verbreitet werden. Außerdem ist es wichtig auf angemessene Schutzkleidung zu achten, um sich nicht selbst gesundheitlichen Schaden zuzufügen.90
Fauna einer Brache Auf einer Brache leben nicht selten mehr Tiere als im städtischen oder ländlichen Umfeld oder im Wald. Brachen sind zum einen ein wichtiger Rückzugsort für größere Säugetiere, wie Rotfüchse (Vulpes vulpes) (Abb. 34). Diese gibt es in ganz Deutschland, vor allem auch Großstädte wie Berlin ziehen die (dann nicht mehr ganz so) scheuen Tiere durch ihre zahlreichen Futterquellen
an. Eine Analyse des Magensinhalts von Füchsen in Zürich hat ergeben, dass Dreiviertel der aufgenommenen Nahrung aus Abfällen vom Menschen stammt. Sie ernähren sich sonst unter anderem von Mäusen und Ratten und suchen auf Brachflächen hauptsächlich Ruhe oder nach einem Ort für den Fuchsbau. Abgesehen von kleineren Säugetieren, leben auch Amphibien auf Brachflächen. Beispielsweise der zu den Schwanzlurchen gehörende Bergmolch (Ichthyosaura alpestris) bewohnt größere und kleinere fischfreie Wasseransammlungen in Mitteleuropa.91 Die Kreuzkröte (Bufo calamita) bevorzugt trockene und vegetationsarme Areale. Deshalb ist sie häufig in Bergbaufolgelandschaften heimisch. Ein sandiger Boden und vegetationsarme Gewässer sind für eine erfolgreiche Ausbreitung des bis zu acht Zentimeter großen Kröte notwenig.92 Auf Brachland sind außerdem unterschiedlichste Arten von Insekten zu finden. Typische Vertreter sind zum Beispiel die Bienen. Neben den Wildbienen sind vor allem die Honigbienen (Apis mellifera) vertreten. Die Tiere leben in der Stadt in einer pflanzenschutzmittelarmen Umgebung. Das verschafft ihnen einen Vorteil gegenüber den Artgenossen auf dem Land. Die größten Gefahren von Bienenvölkern sind neben dem Befall mit Varoa-Milben der großflächige Einsatz von Pestiziden. Auf der Industriebrache der Zeche Zollverein im Ruhrgebiet wurden sowohl sogenannte Bienen-Hotels für Wildbienen eingerichtet, als auch Honigbienen-Völker angesiedelt.93 Letztere leben in Völkern von bis zu 20.000 Tieren. Sie überleben selbst kalte Winter, da das Volk durch die Flugmuskulatur in der sogenannten ‚Wintertraube‘ Wärme erzeugt. 94 Brachflächen bieten als große, meist unversiegelte Flächen, einen optimalen Lebensraum für viele Tierarten.
Terrain vague und die Fotografie
Terrain vague ist ein Begriff aus dem gleichnamigen Text des spanischen Philosophen und Architekten I. de Solà-Morales Rubió. Terrain sei grob mit „Land“, „Boden“ oder „Fläche“ zu übersetzen, auch wenn die direkte Übersetzung der erweiterten Bedeutung des Wortes nicht gerecht würde. Das französische vague lasse auch mehrere kombinierte Übersetzungen zu. Es könne entweder nach germanischen Ursprung als „Woge“, „Welle“ oder „Bewegung“ verstanden werden. Möglich sei außerdem „Instabilität“ oder „Fluktuation“. Nach romanischem Ursprung könne vague so viel wie Leere oder Vakuum bedeuten. In seiner 1995 veröffentlichen Abhandlung über ebendiese „vagen Flächen“ legt De Solà-Morales Rubió einen besonderen Fokus auf die Fotografie. Die Fotografie sei zeitgleich mit der Entstehung unserer modernen Weltstädte, wie Berlin, London oder Tokio, populär geworden und habe von Beginn an unser Verständnis und Sichtweise auf den urbanen Raum geprägt. Fotografen würden also eine verbindende Rolle zwischen der Stadt und den Menschen spielen. Dieser Abhängigkeit könnte man selbst im direkten physischen Kontakt mit der Stadt nicht entkommen. Sie würde auf einer visuellen Erfahrung begründen, die Menschen durch das Betrachten von Fotografien von Orten erleben. Das generelle Verständnis von urbanen Orten stehe in Differenz zu der eigentlichen Lebenswirklichkeit. Diese könne man nur durch jahrelanges Leben in Stadt erfahren. Wenn man eine Fotografie betrachten würde, dann sehe man ausschließlich ein statisches, gerahmtes Bild, bloß einen Ausschnitt. Dieser lasse sich nicht formal in eine andere Ausdrucksweise übersetzen. Dem Betrachter eröffne sich ein visueller Impuls, welchen er mit bereits bekannten Narrativen verbinde.
Die Existenz der terrain vagues konfrontierten den Betrachter mit der Abwesenheit von wirtschaftlichen Nutzen und Aktivität. Wenn man alleine von der übersetzten Bezeichnung her auf ein Zusammenspiel aus „Welle“, „vage“ und „frei-verfügbar“ schließe, dann verstehe man, dass es sich um ökonomisch gesehen bedeutungslose Orte außerhalb der sonst produktiven Strukturen einer Stadt handelt. Das Auge des Fotografen weiche also hier vom physischen Objekt ab. Wenn man terrain vagues also beschreiben müsste, würden wahrscheinlich die Adjektive „unproduktiv“, „unbewohnt“ und „unsicher“ zutreffen. Menschen nähmen urbane und nicht von Architektur ausgefüllte Orte als unsicher war, das sei ein Spiegel ihrer eigenen Unsicherheit. Auch wenn ein freier Ort alternative und utopische Vorstellungen produziere, würden diese möglichen Veränderungen in unserer post-europäischen, post-kapitalistischen, post-konventionellen Welt immer auch eine gewisse Fremdheit mit sich bringen. Das läge nach De Solà-Morales Rubió daran, dass wir (d.h. die Menschen) in unserer Gesellschaft und in unseren großen Städten unsere Erfahrungen aus Negativität konstruierten. Unsere Sicherheit stehe einem riskanten Leben, die Machthoheit des Staates der Anarchie und die städtische Ordnung dem terrain vague gegenüber. Ein Paradoxon, da den Menschen diese Zwänge und Vorgaben vor denen sich auch viele fürchten würden, erst befreiten und lebensfähig machten. De Solà-Morales Rubió führte weiter aus, dass es in dieser Welt einen Graben zwischen Erfahrung und Kontrolle und genauso zwischen Ästhetik und Ethik gebe. Der Autor leitet über zu dem Text Étrangers à nous-mêmes von Julia Kristeva. Diese sehe eine Parallele zu Sigmund Freud, welcher die Ansicht vertrat, dass auch die Menschen einen unüberwindbaren Graben in sich trügen, da sie ihre Identität häufig ausschließlich über ihr Inneres definierten. Individualität stehe also auch immer im inneren Konflikt mit Hilflosigkeit und Angst.
Laut De Solà-Morales Rubió stellen terrain vagues ästhetische und ethische Probleme des zeitgenössischen Lebens dar. Diese bringen ein tiefes Unverständnis zwischen der freien Kunst und der Architektur mit sich. Die Kunst wolle diese Motive und Orte erhalten. Die Architektur an sich habe allerdings die problematische Rolle an sich, dass die das Unkultivierte kultivieren, das Unproduktive produktiv machen und die Leere zum Objekt formen wolle. Das berge die Eigenschaft, dass sie immer auf der Suche nach dem Figurativen und Optischen sei und nicht nach dem Haptischen und Unzusammenhängenden.
Die Architektur könne aber auch in Bezug auf freies oder zerstörtes Land als Machtinstrument eingesetzt werden, das eine Leitkultur vorgebe. Der Autor führt als Beispiel den Alexanderplatz in Berlin an. Anhand einer Collage von Mies van der Rohe von 1928 könne man die ursprüngliche Platzstruktur erkennen. 1945 sei der Ort dann durch den zweiten Weltkrieg vollständig zerstört gewesen. In der post-stalinistishen Ära habe man dann die Leere passend der sozialistischen Staatsdoktrin umgestaltet. Geteerte Oberflächen und Geometrie implizierten absolute Staatsgewalt.95
Abb. 35: Terrain vague Am Mittelhafen_Münster, Deutschland_2019
„stadtentwicklung: immer dichter“
Die Autoren Sabine Tschäppeler, Sabine Gresch und Martin Beutler legen das Brachland als bedeutende Fläche innerhalb der Stadt aus. In dem Buch brachland: urbane Freiräume neu entdecken führen sie an, dass es Produkt und gleichzeitig ein Gegenentwurf gegen die städtische Zersiedelung sei. In unseren Städten würden immer mehr Gebäude auf immer weniger Platz errichtet werden. Das habe zur Folge, dass ein größerer Druck auf den Parkanlagen und Grünflächen laste. Die innerstädtischen Anlagen unterlägen diversen planerischen und gestalterischen Anforderungen, wie einer gewissen Repräsentativität, der sozialen Kontrolle und der Aufenthaltsqualität. Der öffentliche Raum in den Siedlungen sei meist auf eine „Strasse, Parkplatz und Norm-Spielplatz reduziert“ ([96], S.19). Daraus folge, dass sich der Druck auf die Naherholungsgebiete erhöhe, was wiederum zu Konflikten mit dem Naturschutz und der Landwirtschaft führe.96
Abb. 36: Skatepark auf Brachfläche_Münster, Deutschland_2017
Brachen als Gegenentwurf
Die städtische Verdichtung nimmt in vielen Metropolregionen in ganz Deutschland zu. In München wohnten im Januar 2000 1.232.000 Personen mit ihrem Hauptwohnsitz. Im Januar 2021 belief sich diese Zahl auf bereits 1.562.000 Menschen. Gerechnet auf 310,7 km² macht das 3.965 gegenüber aktuell 5.027 Einwohner pro Quadratkilometer.97 In vielen Agglomerationen wird es versäumt, dass anteilsmäßig eine gewisse Größe an Grünflächen zur Verfügung stehen sollte. Einwohnern hochverdichteter Räume stehen meist nur 46 m² Grünfläche zur Verfügung, in sozial-schwachen Gegenden sieht es noch prekärer aus. Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gehören auch Brachflächen per definitionem zu den Grünanlagen. Diese hätten einen positiven Einfluss auf die Sozioökonomie und die Ökologie einer Stadt. Die deutschen Stadtbäume speichern etwa 62 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid. Außerdem fördern Grünanlagen das Entstehen von Verdunstungskälte, was einen wichtigen Faktor zur Bekämpfung von Wärmeinseln im urbanen Raum darstellt. Die Temperaturdifferenzen zwischen Stadt und Land können bisweilen über 10°C betragen. Interessanterweise gibt es deutschlandweit derzeit über 100.000 Hektar unbebaute Brachflächen, für welche auch in Zukunft keine Bebauung geplant ist.98
Außerdem stellen Freiflächen jeder Art, im Speziellen auch Brachland, eine Art offenen und gleichberechtigten Raum für die Bürger dar. Diese Orte sind in der Regel für alle Einkommens- und Sozialstrukturen gleichermaßen zugänglich. Sie liegen häufig außerhalb der Gebiete, die einem städtischen Masterplan unterliegenden. Sie gehören im übertragenden Sinne allen Stadtbewohnern gleich, was deren Selbstverständnis und Gemeinschaftsgefühl steigern kann. Die Urbanität unserer Großstädte ist von Hierarchien dominiert. Welches Fortbewegungsmittel man nutzt, ob zum Beispiel S-Bahn oder Taxi, in welcher Wohngegend man wohnt, in welchem Lebensmittelmarkt man einkaufen geht und in welchem Park man spazieren geht, verrät meist mehr über die sozioökonomische Situation eines Menschen, als man auf den ersten Blick denken würde. Das Brachland hingegen ist für alle Bürger gleich unerschlossen.
Tempelhofer Feld
Das Tempelhofer Feld erstreckt sich über 300 Hektar im südlichen Teil von Berlin. Es entspricht der Brachlandtypologie einer ehemaligen Verkehrsfläche und stellt eine Strukturbrache dar. Das Areal war für fast 100 Jahre lang ein Flughafen, 1928 wurde hier das erste Flughafengebäude gebaut. Das auch heute noch vorhandene Flughafengebäude wurde Ende der 1930er Jahre vom Naziregime errichtet. Es hat die Form eines Viertelkreises und ist 1,2 km lang. Während der NS-Diktatur mussten hier Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten, direkt neben einem Konzentrationslager. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Berlin in vier Zonen geteilt, wobei die amerikanische, britische und französische Zone von der Sowjetunion ab 1948 für eine längere Zeit blockiert wurde. Zu der Zeit wurde der Westteil der Stadt über den Flughafen Tempelhof versorgt. 1972 hatte der Flughafen 5,5 Millionen Passagiere, im Jahre 2008 waren es immerhin noch knapp 280.000. In diesem Jahr wurde aufgrund vieler Faktoren (z.B. Fluglärm, Flugsicherheit, Kapazität) der Flugbetrieb eingestellt und bereits zwei Jahre später konnte die Öffentlichkeit das Areal zu Freizeitzwecken nutzen. Das Flughafengebäude steht seit 1995 unter Denkmalschutz.99 100 Die Berliner nutzen das Feld heute auf vielfältige Arten und Weisen. Die große, weitläufige Fläche, die zum großen Teil geteert ist, bietet sich zum Fahrrad fahren, Skaten, Joggen oder Drachen steigen an. Zu diesen Zwecken kann sie, je nach Jahreszeit, bis mindestens 17 Uhr und spätestens 22.30 Uhr betreten werden. Abgesehen von der individuellen Freizeitnutzung, gibt es noch mehrere Gemeinschaftsgärten. Einer davon ist der Allmende Kontor. Seit 2011 entstanden auf 5.000 m² 250 Hochbeete. Diese werden von über 500 ehrenamtlichen Gärtnern bewirtschaftet. Außerdem sind hier acht Bienenvölker angesiedelt.101 Landwirtschaftlich gesehen gibt es, abgesehen von Urban Gardening und der Honigproduktion, auch noch Schafe. 80 Skuddenschafe beweiden zu Landschaftsschutzzwecken die ausgedehnten Grasflächen.102 Ein Volksentscheid von 2014 begründet den Schutz des ehemaligen Flughafens. Viele Berliner sprachen sich für den Erhalt der Freiflächen und gegen eine Bebauung aus. 2020 befürworteten allerdings schon über 63% der Bürger mindestens eine Randbebauung. Es könnten so mindestens 5.000 bis 12.000 Wohnungen entstehen. Da in Berlin Wohnraum knapp bemessen ist, handelt es sich bei innerstädtischen Wohnungen um ein äußerst wertvolles Gut. Es steht also das Interesse
des vollständigen Erhalts einer in dieser Art einmaligen zentralen Freizeitfläche gegen den sozialen Druck des Wohnraummangels.103
Kurzer persönlicher Ortsbesuch: Das Tempelhofer Feld besuche ich das letzte Mal an einem wolkenbedeckten Tag im September. Wir gehen über die B96 und betreten das Gelände ganz im Westen, über den Eingang Peter-Strasser-Weg. Zu unserer Linken türmt sich das mächtige Flughafengebäude auf. Zu unserer Rechten wächst Unkraut und Betonreste sind aufgeschichtet. Menschen auf Fahrrädern kommen uns entgegen und im Hintergrund sieht man einige Drachenflieger. Das Kopfsteinpflaster auf dem Boden geht in einen ebeneren Belag über, unterbrochen nur von Betonplatten. Der schneidende Wind fährt in unsere viel zu dünnen Jacken und auch der Hund fröstelt. Die grauen und schweren Wolken hängen tief und ihre Farbe verbindet sich am Horizont mit der der Stadt. Wir gehen einige hundert Meter über den monotonen Bodenbelag und fühlen uns frei. An wenigen Orten ist das Berlin unserer Vorstellung noch so präsent, wie auf dieser gewaltigen Verkehrsbrache. Die Leere und die Dimension lässt den Besucher sich klein und machtlos fühlen. Gleichzeitig sind hier so viele Möglichkeiten. Jede Einmischung der kommerzialisierten Außenwelt scheint wie ein kleiner Nadelstich in die Seele des Ortes.
Abb. 37
Abb. 37: Schäfer auf dem Tempelhofer Feld
Manifesto Market
Viele Städte des ehemaligen sozialistischen ‚Ostens‘ machten ab den 1990er Jahre tiefgreifende Veränderungen durch. Sehenswerte Altstädte wurden mit internationalen Förderprogrammen saniert, die Verkehrsinfrastruktur wurde instand gesetzt und Attraktionen touristisch erschlossen. Mit dem Wandel gingen aber auch viele marode Betriebe in die Pleite, was zu großem Leerstand und dem Entstehen von vielen Verkehrs- und Industriebrachen führte. Der Manifesto Market in Prag liegt in dem Viertel Florenc, unmittelbar östlich der Altstadt und fußläufig zur Karlsbrücke und zur Moldau. Auch wenn sich hier heute viele Hotelbauten ansiedeln, so war das Viertel doch lange industriell geprägt. Der große Regionalbahnhof Praha Masarykovo nádraží, eine Stadtautobahn, der zentrale Omnibusbahnhof und der U-Bahnhof Florenc liegen weniger als 500 Meter voneinander entfernt. Die Non-Profit-Organisation reSITE installierte 27 Container mit unterschiedlichen Funktionen auf einer Spekulations- und Verkehrsbrache neben einer Autobahnbrücke. Damit wird ein neuer Treffpunkt für die Prager und Touristen geschaffen mit vielen innovativen und fortschrittlichen Aspekten. Hier finden sich lokale Kleinstbrauereien, internationale Essensstände, Boutiquen, Performances und ein Sommernacht-Freilichtkino. Der Eintritt ist frei und der Manifesto Market bezeichnet sich selbst als ersten ausschließlich bargeldlosen Marktplatz Europas. Für das Revitalisierungsprojekt, ist auch eine modulare Bauweise typisch. Das Grundstück ist lediglich ‚geliehen’, so konnte schnell und nicht-permanent eine passende Infrastruktur geschaffen werden. Außerdem können die Container recycelt werden. Die Stromversorgung kommt zu 100% von erneuerbaren Energien.104 105
Abb. 38
Abb. 38: Container auf dem Manifesto Market
Kurzer persönlicher Ortsbesuch: Der Manifesto Market wirkt auf mich wie ein Gegenpol zu der barocken Innenstadt von Prag. Nach einem langen Städtetrip gehen wir vom malerischen Stadtviertel Kleinseite über die Karlsbrücke. Hier tummeln sich, selbst in Corona-Zeiten, die Touristen und schießen Fotos von der historischen Stadtkulisse, der Prager Burg und der Moldau. Nach weiteren zehn Minuten Fußweg geht man durch den mittelalterlichen Pulverturm, an der Nationalbank und an dem bekannten Versammlungshaus Obecni Dum vorbei. Die Straßen werden breiter und bekommen Parkstreifen, Bürgersteige und Fahrradwege. Die Masse der Touristen nimmt ab und die der eigentlichen Prager Bewohner nimmt zu. Menschen in Uniformen oder Anzügen wechseln hektisch die Straßenseiten oder steigen in eine U-BahnStation. Nach weiteren fünf Minuten wird die Bebauung offener und man hört das Rauschen der Stadtautobahn. Die Graffiti nehmen zu und ich sehe die schwarzen Container des Manifesto Market vor mir. Der Markt ist auf Straßenniveau und es gibt mehrere Eingänge. Nachdem wir eines der Tore durchschritten haben, schaue ich mich um und mir fällt direkt ein mexikanischer Imbiss auf. Wir bestellen uns eine Quesadilla und stellen uns in die Mitte. Von dem Punkt aus sehe ich im Hintergrund die historischen Fassaden der Blockrandbebauung, davor den schwarzen Stahl des Konglomerates von Containern und Metallskeletten und darüber die herbstliche Sonne. Im Hintergrund spielt leichte House-Musik und viele Menschen tragen lange schwarze Mäntel, dazu saubere Sneaker oder klobige Lederstiefel. Wir setzen uns auf Holzbänke unter Heizpilze und einer holt frische Obstsäfte. Da ich mit Bezahlen an der Reihe bin, gebe ich meine Kreditkarte mit. Es wird hier nämlich kein Bargeld akzeptiert. Trotzdem sollte man immer daran denken, sich den Betrag nicht in Euro umrechnen zu lassen. Nachdem wir Obstsäfte und darauf noch schwarzen Kaffee getrunken haben, machen wir uns auf den Rückweg. Schlussendlich beobachteten wir über zwei Stunden das zunehmende Treiben von jungen Menschen und gut angezogenen Älteren. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen, da der Prager Hauptbahnhof weniger als 750 m entfernt ist.
Hawerkamp 31
Der Hawerkamp ist eine Institution in der Münsteraner Kulturszene. An diesem Ort finden Kultur- und Kunstschaffende, sowie Kreative aus jedem Bereich zusammen. Die Anlage befindet sich auf dem Gelände und in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Baufirma. 1988 wurde die Beton-Firma Peter Büscher und Sohn aufgegeben. Die Firmengeschichte ist am Hawerkamp trotzdem immer noch sehr präsent. Ein Lokschuppen, die komplett erhaltene Halle B und diverse Betonüberreste zeugen von der industriellen Vergangenheit. Das Grundstück befindet sich südlich der Messehalle Süd des Messe und Congress Centrum Halle Münsterland. Es ist durch öffentliche Verkehrsmittel zu erreichen und grenzt unmittelbar an das Hafenbecken 2. Insgesamt finden sich hier fünf Musikclubs, Galerien, Ateliers von 50 bildenden Künstlern, Proberäume, Büros, Architekten, Vereine und Werkstätten. Es wird für aufstrebende Künstler ein Stipendienprogramm angeboten, mit welchem ein Atelier und die Ausstellungsinfrastruktur genutzt werden kann. Die Verwaltung obliegt dem Verein Hawerkamp 31 e.V., welcher das Areal als „Biotop“ betrachtet und als Bollwerk gegen Gentrifizierung. Die Einnahmen durch die Miete tragen zum Erhalt der Industriebrache bei und fließen außerdem in kulturelle Aktivitäten. Mittlerweile, nach gut 25 Jahren der autonomen Nutzung, ist der Hawerkamp überregional bekannt und wird unter anderem bereits von der internationalen Musik- und Kunstszene wahrgenommen.106
Kurzer persönlicher Ortsbesuch: Der Hawerkamp ist für viele Münsteraner Jugendliche ein wichtiger Ort. Hier waren viele von uns das erste Mal in einem richtigen Club feiern oder in lauen Sommernächten beim Kamp-Flimmern im Open-Air-Kino. Ein ‚Kamp-Abend‘ beginnt um frühestens 0 Uhr und endet häufig erst mit dem Morgengrauen. Es gibt Abende an denen Veranstaltungen wie „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ stattfinden. Dabei bezahlt man nur einmal Eintritt und hat die gesamte Nacht Zugang zu allen Clubs. Nachdem man vor dem Favela in der Schlange stand, geht man hoch und verbringt ein paar Stunden im Innen- und Außenbereich. Hier laufen häufig basslastige Techno-Decks. Danach geht es für mich meist ins Fusion oder in den Keller ins Triptychon. Wenn es zwischen drei und vier am vollsten wird, holt man sich eine Pizza bei dem kleinen Stand in der Nähe der Sputnikhalle. Abgesehen von Clubnächten lohnt es sich auch immer wieder tagsüber einen kleinen Ausflug an den Hawerkamp zu machen. Hier stolpert man über interessante Ausstellungen oder auch schonmal über ein Wrestlingturnier. Die Wände des ehemaligen Industriegeländes sind von Graffiti übersäht und überall ist die bedingungslose Toleranz spürbar, für die der Hawerkamp steht. Für mich, so wie für viele andere Münsteraner, ist der Hawerkamp Bestand der Seele der Stadt, gleichwertig neben dem Prinzipalmarkt und dem Aasee.
Abb. 39: Docklands Festival auf dem Hawerkamp-Gelände_Münster, Deutschland_2015
High Line Park
Der High Line Park in New York City ist ein Park auf einer stillgelegten Hochbahnlinie, also einer Verkehrsbrache. Im Gegensatz zum Hawerkamp in Münster ist er erst durch die fortschreitende Gentrifizierung entstanden. Er erstreckt sich im Südwesten von Manhattan zwischen Hudson Yards im Norden und dem Meatpacking District im Süden. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Lower Manhattan von Güterzügen auf Straßenniveau beliefert. Das stellte sich als signifikante Gefahrenquelle für die Fußgänger heraus, ca. 540 Menschen starben bei Unfällen bis 1910. Die hier verlaufende 10th Avenue wurde zu dieser Zeit auch „Death Avenue“ genannt. Die Stadt reagierte zunächst durch berittene Verkehrspolizisten, ab 1933 war dann die „West Side Elevated Line“ fertiggestellt. Wegen des steigenden Individualverkehrs und der immer stärker werdenden Nutzung von Lastkraftwagen wurde der Zugbetrieb zunächst unrentabel und dann 1980 eingestellt. Nach dem Aufkeimen von diversen Initiativen und dem jahrelangen Brachliegen der Anlage entwickelten sich ab 2006 drei der Öffentlichkeit zugängliche Teile. 2009, 2011 und 2014 wurden nacheinander die Abschnitte eröffnet, ab 2019 außerdem ein restauriertes Stück mit den originalen Schienen. Mit der Planung wurden die Landschaftsarchitekten von James Corner Field Operations und die Designer von Scofidio + Renfro beauftragt. Die ungenutzten Gleisanlagen wurden zunächst gesandstrahlt und später Wege, Beete, Aussichtsplattformen und sogar ein Amphitheater angelegt. Die Parkbesucher laufen teilweise durch höhere oder tiefere Vegetation. Diese ist nach nachhaltigen Kriterien angelegt. Sie besteht aus lokalen, trockenheitsresistenten Pflanzenarten, welche die heimischen Insekten und das Stadtklima positiv beeinflussen. Abgesehen von Pflanzen finden sich auf der Strecke von 2,3 Kilometern verschiedene Arten von Kunst. Von Performance-, über Videokunst und Skulpturen erwartet den Besucher kostenlose Kultur. Die gesamte Parkanlage wird von einer fast vollständig spendenfinanzierten Initiative instand gehalten. Die dafür benötigten Materialien kommen zu einem großen Teil aus höchstens 100 Meilen Entfernung.107 108 109 110
Kurzer persönlicher Ortsbesuch: Den High Line Park besuche ich an einem schwül-heißen Sommertag. Der Weg von der U-Bahn-Station 14St/8Av ist ungefähr fünf Minuten lang. Auf dem High Line Park angekommen wirkt es, als wenn man von der Stadt abgekoppelt ist. Die Geräusche, wie Sirenen, Stimmengewirr und das Hupen der Feuerwehrautos, kommen gedämpft bei uns an. Insgesamt verbringen wir eine Stunde auf der ehemaligen Hochbahntrasse. Wir unterqueren mehrere Hochhäuser und bewundern die hölzernen Bänke und dazu passende Gräser. Die Atmosphäre kann man als lässig und unaufgeregt beschreiben, auch wenn das Umfeld schon sehr „angelegt“ wirkt. Als besonders harmonisch empfinde ich die Materialien im städtischen Kontext. Das Holz, teilweise in den Boden eingelassene Steine oder Betonoberflächen und die Vegetation korrespondieren mit den umliegenden Backstein- und Glasfassaden und dem Himmel. Der leichte, salzige Wind vom Hudson River macht die von der Sonne aufgeheizte Stadt für einen kurzen Moment etwas erträglicher. Nach den obligatorischen Fotos verlassen wir zwei Kilometer weiter den Park, mit einer gewissen Neugier auf den (damals noch nicht eröffneten) letzten Teil.
Abb. 40
Abb. 40: High Line Park mit Bepflanzungen und urbaner Umgebung