TC_Doggy Telegraph_22019

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KOLUMNE

WILLST DU MIT MIR GEHEN?

Wir Menschen dagegen neigen dazu, zu kritisieren, dem Hund mit Unverständnis, Ungeduld und Misslaune zu begegnen oder ihn im nächsten Moment mit übersteigerter Fürsorge oder einem Zuviel an Liebe zu überhäufen. Viel zu oft wollen wir mit unseren Hunden irgendwelche Ziele erreichen. Ziele, die uns vorgesagt werden,

An erster und wichtigster Stelle stehen Akzeptanz und der Respekt vor dem Wesen des Hundes. Ihm gebührt der gleiche Respekt, den der Hund unserem Wesen gegenüber zeigt. Egal, ob wir schlecht gelaunt, wütend, traurig, depressiv, behindert, entstellt oder genervt sind, unser Hund schenkt uns vorerst sein uneingeschränktes Ja!

absoluter Gehorsam, Freundlichkeit allem und

uneingeschränkt Ihr Leben mit Ihnen teilen. Sollten Sie auf Ihren Spaziergängen doch das Handy zücken, telefonieren, Nachrichten tippen, mit Freunden quatschen oder darüber nachdenken, wie Sie das nächste Meeting organisieren, dann vergessen Sie dabei nicht, dass dies Ihre

Ziele, die wir hören, Ziele die wir uns wünschen. Perfekte Leinenführigkeit, kein Jagdverhalten,

Sie vom Einkaufen zurück sind. Er wird weiter

TEXT: JULIA HÖHN

Entscheidung war. Sie überlassen Ihren Hund sich selbst. Aus gemeinsam wird einsam. Und

nen. Erinnern Sie sich immer wieder daran, wie

wir verpassen jede Möglichkeit der Interaktion

oft Ihr Hund sich Ihnen anpasst. Wird er jemals

und Einflussnahme in unvorhersehbaren Situa-

Worum geht es also? Reden wir aneinander vorbei?

allein bleiben können? Hört er irgendwann auf,

tionen. Wir verpassen die wirklich gemeinsame

Eichhörnchen zu jagen? Wird er jemals andere

Zeit mit unseren Hunden und die Möglichkeit,

Der eine möchte erziehen und bestimmte Ziele

Hunde lieben? Mein Hund kann nicht an der

ihnen unterwegs ein kompetenter Begleiter zu

verfolgen, der andere möchte sich wahrhaft und

Leine gehen. Machen Sie sich all die Verände-

sein. Er wird in der Zukunft seine Entschei-

authentisch binden. Verbindend geht es Mensch

rungswünsche und Hoffnungen, die Sie täglich

dungen ohne Sie treffen, was sich im Umkehr-

wie Hund im Herzen gleichermaßen um Freund-

an Ihren Hund stellen, bewusst. Und tauschen

schluss in seinem uns verhassten Fehlverhalten

schaft, um Geborgenheit, um Vertrauen und um

Sie sie gegen Empathie, Vertrauen, Stärke und

zeigen wird.

das Gefühl, geliebt zu werden, so, wie man eben

Durchhaltevermögen ein.

jedem gegenüber etc.

Möchten Sie unerwünschtes Verhalten ändern,

ist, ohne verändern zu wollen, Vorstellungen oder Illusionen erfüllen zu müssen. In dieser Hoff-

Nutzen Sie gemeinsame Spaziergänge in der Na-

seien Sie fair und fragen Sie sich, in welchen Si-

nung findet sich ein gemeinsamer Weg zu einer

tur. Dies ist für Ihren Hund die wichtigste, inter-

tuationen sich dieses Verhalten bei Ihrem Hund

harmonischen Beziehung.

essanteste und spannendste Zeit mit Ihnen. Das

zeigt. Haben Sie Ihren Hund vielleicht doch hier

ist seine Welt. Hier können Sie mit ihm lernen,

und dort sich selbst überlassen? Ist Ihr Anspruch

Um jedoch in unserer Menschenwelt mit all ih-

verstehen und bewältigen. Für den Rest des Ta-

an ihn überhaupt leistbar für Ihren Hund? Wis-

ren Gefahren und Regeln derart frei und unein-

ges wird er wieder ruhig auf seinem Platz im Büro

sen Sie wirklich über sein Wesen und seine Wün-

geschränkt miteinander leben zu können, bedarf

liegen oder er wartet allein zu Hause, bis Sie wie-

sche Bescheid?

es natürlich einer gewissen Struktur – gewissen

derkommen, begleitet Sie auf geschäftliche Mee-

Regeln und Grenzen. Ergo: professioneller Er-

tings, durch Ihren Alltag oder sitzt im Auto, bis

Das Geheimnis einer guten Bindung und Be-

ziehungsarbeit an unseren Hunden. Hierbei ist

ziehung liegt in der gemeinsamen Zeit, die Sie

es unsere Aufgabe, den Vierbeinern geduldig zu

wahrhaftig und wirklich mit Ihrem Hund verbrin-

erklären, wie dieses Ziel im Zusammenleben mit

gen. Beobachten, erleben und fühlen Sie Ihren

uns erreicht werden kann.

Hund, um zu verstehen, warum er vielleicht ein – in Ihren Augen – falsches Verhalten zeigt.

Dem gegenüber steht, was unsere Hunde moti-

Ich kann Ihnen versprechen, er tut das nicht mit

viert, mit uns in Beziehung zu treten. Respekt,

Absicht! Hinterfragen Sie Ihre Kommunikation.

Vertrauen, Kompetenz und Sicherheit in der Füh-

Versuchen Sie, seine „Sprache“, seine Signale

rung. Ein liebevoller Umgang, ein Bewusstsein

zu verstehen. Finden Sie heraus, was ihm Freude

für den Hund und dafür, was er seinem Wesen

bereitet, was ihn ängstigt oder worin er eine po-

und seinen genetischen Anlagen entsprechend leisten kann. Hier zeigt sich für mich der Weg in ein harmonisches Zusammenleben. Finden Sie ©SolodkayaMari / gettyimages

die Ursache und helfen Sie Ihrem Hund, sich in unserer Welt zurechtzufinden. Er weiß schlicht und ergreifend nicht, dass uns sein Verhalten stört. Wir haben unseren Alltag mit Stress, Zeitdruck, Job, Familie usw. Unsere Hunde haben nur uns

JULIA HÖHN schreibt an dieser Stelle regelmäßig zu Themen rund um Verhalten, Kommunikation und Erziehung unserer Hunde. Die Münchnerin ist zertifizierte Hundetrainerin mit Zusatzqualifikation im Bereich Tierheilpraktik und Assistenzhundeausbildung. www.leinenlos-hundetraining.de

tentielle Gefahr vermutet. Gehen Sie mit Ihrem Hund in eine gemeinsame Welt. Unsere Hunde sind – genau wie wir – sozial motivierte Lebewesen. Das ist ausreichend für eine wunderbare Gemeinschaft und ein Zusammenleben mit ihm. Geben Sie Ihrem Hund die Möglichkeit, seine Treue und Anhänglichkeit Ihnen gegenüber zu entfalten. Binden Sie ihn fair und aufrichtig in Ihr Leben ein, dann steht einer schönen Bindung und Beziehung nichts mehr im Wege.

und das, was wir ihnen im Alltag anbieten kön53


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