Newsletter Portfolio 1/23

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EDITORIAL

2023: Willkommen im Metaversum?

Seit eineinhalb Jahren stellt der Meta-Konzern (ehemals Facebook) seinen Business-Usern ungewöhnliche Arbeitsplätze zur Verfügung – genauer gesagt Work rooms im Metaversum. In den werberischen Worten der Meta-Website: «Workrooms ist eine immersive Möglichkeit, sich mit Teamkolleg*innen zu treffen, Ideen auszutauschen, Präsentationen zu teilen und gemeinsam Aufgaben zu erledigen – ganz gleich, ob du dabei ein Virtual-Reality-Headset trägst oder über einen normalen Videoanruf teilnimmst».1

Das Metaversum – ein unwirtlicher Ort? Zunächst einmal benötigt es einige Übung, sich im Workroom bzw. der virtuellen Realität zu bewegen. Hinzu kommt, dass gewisse Funktionen wenig intuitiv sind und die Umgebung nicht dem aktuellen Stand der Computergrafik entspricht. Schliesslich lassen sich die marktüblichen VRHeadsets nur über kurze Zeit bequem tragen.

Schwerer als gedacht …

Das spornte uns an! Im Herbst lag die ersehnte VR-Brille auf dem Bürotisch – und in unserem Geist planten wir bereits die ersten Unterrichtslektionen im Metaversum. Doch schon bald realisierten wir, dass der Aufenthalt im virtuellen Schulzimmer weit fordernder ist, als zunächst angenommen …

Quelle: 1 https://bit.ly/3Wuw6oM.

Und doch bleiben wir dabei! Wenig überraschend kommt das Metaversum daher kaum bei den Usern an. Gemäss eines Berichts des Wall Street Journals (15.10.22) bewegen sich monatlich 200 000 Nutzer im Metaversum, wovon die meisten nach einem Besuch nicht zurückkehren. Dennoch halten wir es für verfehlt, das Metaversum gänzlich zu meiden. Denn sein Spassfaktor ist höher als bei einer üblichen Videokonferenz. Wir sind weiterhin entschlossen, die eine oder andere Lektion im Metaversum abzuhalten – und üben unbeirrt weiter.

Herzliche Grüsse Ivo Hajnal und Franco Item

Newsletter der Text Akademie und der Fachstelle für Schreiben und Publizieren an der HWZ. JANUAR 2023

Oft belächelt, immer wieder kritisiert: Floskeln und Phrasen, die in grossen Unternehmen vor allem auf der Leitungsebene beliebt sind. Allerdings wird Managementjargon in seiner schädlichen Wirkung unterschätzt.

«Wir brauchen 2023 ein neues Mindset, um allen Challenges zu begegnen und einen Impact zu erzielen.» – Solches Managementdeutsch ist gerade zu Jahresbeginn beliebt, wenn es gilt, die Mitarbeitenden auf das neue Geschäftsjahr und die Unternehmensziele einzuschwören. Die übelsten Beispiele landen in der Folge in Stilblütensammlungen und werden meist belächelt.

'Bullshit' – ein Fachbegriff Bullshit ist im Übrigen durchaus ein anerkannter Begriff. Er geht auf eine Wortschöpfung des amerikanischen Philosophen Harry G. Frankfurt bzw. seinen 1986 erschienenen Aufsatz zurück und ist in die Organisationsforschung eingegangen. Inzwischen kursiert in den USA ein «Organizational Bullshit Perception Scale» – ein Fragebogen, der die folgenden drei Dimensionen misst: mangelnde Wahrheitsnähe, hierarchische Strukturen und eine ausgrenzende Sprache.2

Schädlicher als gedacht Allerdings hat jüngst eine deutsche Masterarbeit nachgewiesen, dass allzu häufige Floskeln und Leerphrasen seitens der Unternehmensführung die Mitarbeitenden im Arbeitsalltag psychisch belasten und demotivieren.1 Der Autor, Alexander Elia, untersuchte mittels Fragebogen das sogenante 'Bullshit-Level' einzelner Unternehmen. In der Folge verglich er dieses mit Engagement und Irritation der Mitarbeitenden. Es zeigte sich hierbei eine eindeutige Korrelation: Bei überdurchschnittlichem 'Bullshit-Level' stieg die Irritation und sank das Engagement.

Wo steht Ihr Unternehmen auf der Bullshit-Skala?

In der Praxis lassen sich diese drei Dimensionen anhand der folgenden Fragen veranschaulichen: Wahrheitsnähe: Werden Entscheidungen auf Leitungsebene nicht auf Grundlage gesicherter Argumente, sondern einzig anhand persönlicher Überzeugungen getroffen?

Hierarchie: Sind Ansichten von Führungspersonen im Unternehmen automatisch akzeptiert?

Ausgrenzung: Werden im Arbeitsalltag auffällig viele Abkürzungen und Managementbegriffe verwendet – und die mit dem Jargon nicht vertrauten Mitarbeitenden ausgegrenzt?

Je überzeugter Sie einzelne Fragen mit «Ja» beantworten, desto anfälliger ist Ihr Unternehmen für die negativen Wirkungen von Bullshit …

Quellen: 1 https://bit.ly/3G4RcTz; 2 https://bit.ly/3WSlIXD.

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CAS CORPORATE WRITER – CONTENT CREATOR
Phrasendrescherei und hohles Managementdeutsch: eine unterschätzte Gefahr für das Betriebsklima

Corporate Influencing: ein immer komplexeres Rollenspiel

Noch vor einigen Jahren waren Influencer reine Werbefiguren. Doch immer häufiger besitzen sie heute für Marken strategische Bedeutung. Ganz klar: Das Rollenspiel der Influencer hat sich professionalisiert.

Die Bedeutung des Influencer Marketing ist ungebrochen. Für viele Marken sind Influencer inzwischen gar der einzige Weg, ihre Zielgruppen zu erreichen. Eines hat sich in den letzten beiden Jahren aber deutlich verändert: Influencer Marketing hat sich als Kommunikationsdisziplin etabliert und professionalisiert.

3. Miteigentümer Influencer hat mittlere bis hohe Freiheiten bei der ContentErstellung

3a. Alleininhaber

Der Influencer kontrolliert die Produktgestaltung; die Marke ist eine Weiterentwicklung seines Personal Brands.

3b. Vermittler Der Influencer besitzt einen engen Bezug zum Besitzer der Marke und dient als Vermittler zu seinen Followern.

3c. Partner Der Influencer gestaltet das Produkt zusammen mit einem Partner.

Ein immer komplexeres Rollenspiel

So haben sich die Funktionen der Influencer ausdifferenziert. K. Rundin/J. Colliander unterscheiden die folgenden drei Hauptrollen bzw. acht Unterrollen, die Influencer-Persönlichkeiten gegenwärtig in Markenkooperationen einnehmen1:

Hauptrolle Unterrolle Funktion

1. Sprecher Influencer hat geringe Freiheiten bei der ContentErstellung

1a. Werbetafel

Die Marke kontrolliert die Produktpäsentation durch den Influencer.

1b. Stylist Der Influencer inszeniert das Produkt relativ frei nach eigenem stilistischem Empfinden.

1c. Botschafter

2. Mitgestalter Influencer hat geringe bis mittlere Freiheiten bei der ContentErstellung

2a. Co-Designer

Der Influencer ist langfristig an Marke gebunden, die sich wiederum an seinen Personal Brand anlehnt.

Der Influencer arbeitet an der Produktgestaltung mit und besitzt Freiheiten bei der Weiterentwicklung der Marke.

Das Produkt muss zum Influencer passen Unternehmen tun also gut daran, Influencern im Vorfeld klare Rollen zuzuweisen. Dass dabei die Influencer-Persönlichkeit zum Produkt passen muss, war in der Praxis längst Voraussetzung und ist nunmehr in einem Experiment von L. Janssen/A.P. Schouten/E.A.J. Croes nachgewiesen.2 Die Autoren untersuchen das Verhältnis des sog. «Product-influencer fit» (Übereinstimmung des Produkts mit dem Profil des Influencers) zur Follower-Anzahl, die als Mass der Attraktivität eines Influencers gilt. Die Ergebnisse sind klar: Influencer, die zu ihnen passende Produkte präsentieren, wirken glaubwürdig und überzeugend. Im entgegengesetzten Fall droht die InfluencerKampagne, selbst bei Influencer-Persönlichkeiten mit hoher Follower-Anzahl, zu scheitern.

Quellen:

1 K. Rundin/J. Colliander, «Multifaceted Influencers: Toward a New Typology for Influencer Roles in Advertising», Journal of Advertising, 50:5 (2021), 548–564

2b. Berater

Der Influencer bringt seine Erfahrungen und Ideen in die Produktgestaltung ein, ohne aktiv daran mitzuwirken

2 L. Janssen/A.P.Schouten/ E.A.J. Croes, «Influencer advertising on Instagram: product-influencer fit and number of followers affect advertising outcomes and influencer evaluations via credibility and identification», Int. Journal of Advertising, 41:1 (2022), 101–127.

CAS INFLUENCER MANAGEMENT

Gut gemeint

doch Zweck verfehlt Immer die anderen …

Sprachleitfäden sollen dazu dienen, verletzende Formulierungen zu vermeiden. Doch es ist möglich, dass sie genau das Gegenteil erreichen?

Ist eine Ihrer Äusserungen bei Ihrem Gesprächspartner in den falschen Hals geraten? – Wenn ja, haben Sie sich sicher vorgenommen, Ihre Botschaft das nächste Mal sprachlich sensibler zu formulieren. Exakt aus diesem Grund setzen Unternehmen und Institutionen auf Sprachleitfäden und wollen dadurch bestimmte Lesergruppen vor verletzenden Formulierungen schützen.

Fehlinformationen durchziehen unsere Informationskanäle, und oft fällt es uns schwer, Richtig von Falsch zu unterscheiden.

Sind Sie leichtgläubig und fallen gerne auf Fake News herein? – «Natürlich nicht», lautet wohl Ihre spontane Antwort. Allerdings könnten Sie in diesem Fall der sogenannten «Third-person-perception» (TPP) unterliegen.

Priming-Effekt zerstört gute Absicht Allerdings ist die Wirkung solcher Sprachregularien fraglich, wie A. Bleske-Rechek und ihr Team in einer aktuellen Forschungsarbeit zeigen.1 Denn wer zunächst auf die potentiell problematische Wirkung gewisser Formulierungen hingewiesen wird, neigt dazu, sich erst recht durch eine – allenfalls zweideutige – Äusserung verletzt zu fühlen. Durch diesen sog. «Priming-Effekt» könnten kommunizierte Sprachregelungen also einen unbeabsichtigten Effekt erzielen: Selbst unverdächtige Äusserungen würden vermehrt als problematisch eingestuft. Um dies mit einem Vergleich zu veranschaulichen: «Der Effekt gleicht jenem von Beipackzetteln: Die Warnung vor Nebenwirkungen eines Medikaments verfügt über die Macht, dass Patienten diese erst recht an sich beobachten.» (S. Hermann).2 Unternehmen sind also vermehrt gefordert, in ihren Sprachvorgaben das richtige Mass zu finden.

Quelle:

1 A. Bleske-Rechek et al., «In the eye of the beholder: Situational and dispositional predictors of perceiving harm in others’ words.», Personality and Individual Differences, 200 (2023).

2 https://bit.ly/3YQvewl (SZ, 28.11.2022).

3 S. Lee/K. Kim, «Perceived Influence of Partisan News and Online News Participation: Third-person Effect, Hostile Media Phenomenon, and Cognitive Elaboration», Communication Research, 2022, 1–25

«Die anderen» sind leichtgläubig Gemäss der TPP unterstellen wir Personen ausserhalb unseres Umfelds (etwa Angehörigen anderer sozialer Gruppen oder Anhängen anderer Meinungen), sich leichter als wir durch Medieninhalte leiten bzw. verführen zu lassen. Nun haben S. Lee/ K. Kim in einer aktuellen Studie die Rahmenbedingungen dieses Effekts präzisiert und einige dysfunktionale Wirkungen festgestellt.3 Beispielsweise kann TPP uns dazu bewegen, erst recht an Fehlmeinungen festzuhalten. Dabei tendieren wir dazu, die Qualität uns widersprechender Nachrichten abzuwerten und damit unsere Position zu überhöhen. Denn gemäss TPP lassen wir uns im Gegensatz zu «den anderen» ja nicht von Nachrichten geringer Qualität beeinflussen …

Impressum

Stiftung Schweizerische Text Akademie Technopark Zürich Technoparkstrasse 1 8005 Zürich www.textakademie.ch

Fachstelle Schreiben & Publizieren Hochschule für Wirtschaft in Zürich HWZ

ISSN 2297-5764
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