und der Fachstelle für Schreiben und Publizieren an der HWZ.
EDITORIAL
Chatbots: nicht heiss geliebt, aber unverzichtbar Liebe Leserinnen und Leser In unseren Lehrgängen befassen wir uns bereits seit mehreren Jahren mit Chatbots und vor allem mit ihrer sprachlichen Realisierung. Haben zu Beginn objektive Erkenntnisse zur Gestaltung von Chatbots gefehlt, sind wir heute deutlich besser dokumentiert. Womit wir nicht gerechnet haben: Wie aktuelle Studien belegen, müssen sich Nutzer und Chatbots deutlich näher kommen … Nutzer begegnen Chatbots mit Vorbehalten Zunächst einmal zeigen Befragungen nämlich, dass Chatbots noch nicht vollumfänglich akzeptiert sind. Dabei gilt die Faustregel: Je älter die User, desto weniger Chatbot-affin … Gemäss einer Befragung von Userlike (August 2021) ziehen es etwa 60 % der Befragten vor, in der Warteschlange zu verweilen, um von einem ‹echten› Servicemitarbeiter beraten zu werden. Zudem erwarten mehr als die Hälfte der Befragten, dass ein Chatbot sich umgehend als solcher zu erkennen gibt. Chatbots sind soziale Akteure Trotz aller Vorbehalte: Wie aus der Nutzerpsychologie längst bekannt, nehmen wir Chatbots als vollwertige soziale Akteure wahr. Aktuelle Studien zeigen dabei Erstaunliches: Während die visuelle Gestaltung des Chatbots die Mensch-MaschineInteraktion kaum beeinflusst, ist der sprachliche Auftritt von grundlegender Bedeutung. Chatbots,
die umgangssprachlich auftreten – sich etwa mit «goodbye» statt «quit» verabschieden – erhöhen nachweislich die emotionale Bindung zum betreffenden Unternehmen. Gleiches gilt für Aufforderungen wie «viel Spass!»: Wenn Chatbots eine empathische Sprache pflegen, verbessern sie die Haltung der Nutzer gegenüber der jeweiligen Marke. Chatbots: in unseren Lehrgängen fixes Thema Diese und viele andere Erkenntnisse fliessen stetig in unsere Lehrgänge ein. Denn was in den 1990er Jahren für die Website galt, gilt heute für den Chatbot: Er gehört – aller offener Fragen zum Trotz – für Unternehmen längst zum Pflichtprogramm. Herzliche Grüsse Ivo Hajnal und Franco Item
FEBRUAR 2022
Newsletter der Text Akademie
CAS DIGITAL PUBLISHER
Digital Content-Trends 2022 – die wichtigsten Prognosen im Vergleich Regelmässig werden wir zu Jahresbeginn mit unzähligen Prognosen zur Entwicklung der sozialen Medien überhäuft. Da fällt es nicht einfach, die Übersicht zu bewahren. Wir haben immerhin fünf Trends erkannt, die allen prominenten Vorhersagen gemeinsam sind. Einmal mehr prasseln zu Beginn dieses Jahres Trendprognosen ein: Welche Digital Content-Trends sind angesagt? Welche Kanäle sind die nächsten Social-Media-Einhörner? – Dumm nur, dass man angesichts der vielen Bäume (sprich: Prognosen) rasch den Wald (nämlich das grosse Ganze) aus den Augen verliert. Wir haben uns deshalb drei prominente Prognosen vorgenommen und darin fünf wesentliche Trends erkannt.1
Trend 1: TikTok gibt den Takt vor Kein Zweifel, dass TikTok 2022 weiterhin an Bedeutung gewinnt. Denn das chinesische Netzwerk macht (fast) alles richtig: ein fairer Algorithmus, eine tolle Usability, die perfekte Anpassung an das mobile Nutzerverhalten … Kein Zweifel: TikTok wird den Trend zu Kurzvideos im Hochformat weiter beschleunigen. Trend 2: Social Commerce wird endlich wahr Social Commerce wird seit bald einem Jahrzehnt herbeigeredet, doch nun scheint seine Zeit endlich gekommen … Einzige Voraussetzung: Die Kaufhandlung sollte ganzheitlich innerhalb einer App möglich (In-App-Shopping) und natürlich von Content begleitet sein. Instagrams «Jetzt kaufen»Schaltfläche macht vor, wie einfach die Kundenreise der Zukunft sein könnte.
Trend 3: Social Audio ist immer beliebter Spätestens 2022 sollten Unternehmen in AudioContent investieren. Denn Podcasts oder AudioLiveformate auf Clubhouse, Twitter Spaces und künftig allenfalls Facebook (?) bleiben bei den Nutzern hoch im Kurs.
Trend 4: Influencer-Content wird erwachsen Die Pandemie hat den Trend des Influencer-Marketings zu «ungefilterten» Inhalten beschleunigt. Beliebt sind «Persons like me», die Produkte spontan-authentisch präsentieren und sich damit erfrischend von den inszenierten Beiträgen der Influencer der ersten Generation abheben. Trend 5: Ohne Vertrauensaufbau und Social Listening geht nichts Die Zukunft ist frei von Cookies – zumal Google das Tracking von Drittanbieter-Cookies 2023 abschafft. Unternehmen sind daher künftig darauf angewiesen, dass Leads ihnen freiwillig Daten überlassen. Hierzu müssen sie erstens bei Fragen wie Datensicherheit, Nachhaltigkeit usw. eine klare Haltung an den Tag legen und öffentliches Vertrauen erwerben; und zweitens über Social Listening stetig informiert sein, wo bei ihren Kunden der Schuh drückt. Quelle: 1
(die gesichteten Prognosen): https://t3n.de/news/socialmedia-trends-2022-1438972/, https://blog.hootsuite.com/ de/social-media-trends/ sowie https://www.talkwalker.com/ de/social-media-trends.
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CAS STORY TELLING
Geschichten, die Geschichte machen … Storytelling wird gerne auf ein Instrument von Content Marketing und Brand Journalism reduziert. Dabei geht rasch vergessen, wie stark Narrative grundlegende Entscheidungen prägen und damit unsere gesellschaftliche Zukunft beeinflussen. Anschauungsbeispiele liefert die Wirtschaftsgeschichte. In einem Interview in der NZZ vom 26. Januar 2022 illustrierte Nobelpreisträger Robert J. Shiller, wie stark Geschichten den Lauf der Wirtschaft beeinflussten.1 Dabei zog er klare Parallelen zur Gegenwart: «Die Geschichte von der Inflation ist schon sehr alt. Welche Bedeutung sie haben kann, sieht man an Deutschland. Dort kam es 1923 zu einer Hyperinflation. Die Erinnerung wirkt bis heute nach, die Deutschen sind immer noch stärker gegen Inflation eingestellt als die Bürger anderer Länder». Die Frage sei dabei, so Shiller, ob dieser «Erzählzyklus» in den nächsten Monaten wieder zum Leben erweckt werde.
«Narrative Economics» Robert J. Shiller weiss, wovon er spricht. 2019 erschien sein einflussreiches Buch «Narrative Economics: How Stories Go Viral and Drive Major Economic Events». Darin beschreibt Shiller seinen Forschungsgegenstand wie folgt (S. 3, in deutscher Übersetzung): «Ein wirtschaftliches Narrativ ist eine ansteckende Geschichte, die das Potenzial hat, die Art und Weise zu verändern, wie Menschen wirtschaftliche Entscheidungen treffen: z.B. die Entscheidung, einen Arbeitnehmer einzustellen oder auf bessere Zeiten zu warten, sich im Geschäft zu engagieren oder vorsichtig zu sein, ein Unternehmen zu gründen oder in einen volatilen spekulativen Vermögenswert zu investieren.» Als aktuelles Beispiel nennt Shiller die verlockende Bitcoin-Saga: eine Erzählung von inspirierten jungen Menschen, die im Gegensatz zu uninspirierten Bürokraten mittels fortschrittlicher Informations-
technologie und einer Prise Geheimnis das verkrustete Finanzsystem aufbrechen und gerechter machen wollen. Die Grosse Depression In seiner Forschung befasst sich Robert J. Shiller gerne mit der schädlichen Wirkung ökonomischer Erzählungen. So etwa während der Grossen Depression in den USA der 1930er Jahre: Damals habe sich das Narrativ der technologischen Arbeitslosigkeit durchgesetzt, wonach Maschinen unwiderruflich Arbeitsplätze ersetzten. Dies habe die Menschen veranlasst, ihre Investitionsausgaben und den Konsum einzuschränken. Gleichzeitig sei in den Köpfen der Menschen die Vorstellung gewachsen, in den 1920er Jahren auf zu grossem Fuss gelebt zu haben – und nun zu Werten wie Religiosität, Bescheidenheit und Mitgefühl zurückfinden zu müssen. Die Macht von Erzählungen brechen Aus heutiger Sicht heizten derartige Narrative die Grosse Depression erst recht an. Doch wie lassen sich solch schädliche Narrative aufhalten? – Den richtigen Weg beschritt US-Präsident Franklin Delano Roosevelt. Er richtete in seinem ersten Kamingespräch im März 1933 einen Appell an die Bevölkerung. Seine Mitbürger sollten bei der Wiedereröffnung der Banken nicht mehr Geld abheben, als sie benötigten. Wer sich nicht daran halte, verfüge über kein soziales Bewusstsein und schädige willentlich die Wirtschaft. Roosevelt entwickelte damit das ursprüngliche Narrativ weiter, wobei er sich weiter auf dessen Hauptmotiv – die Rückkehr zu Moral und Werten (s.o.) – stützte. Das probate Mittel, die Macht von Erzählungen zu brechen, lautet deshalb: Schreibe eine überzeugende Fortsetzungsgeschichte …
Quelle: 1
https://www.nzz.ch/finanzen/shiller-zu-tech-aktien-inflation-crash-gefahr-und-bitcoin-ld.1666342.
CAS CORPOR ATE WRITER
Gendergerechte Sprache: mehr als «*» und «:» Genderstern und Gender-Doppelpunkt stehen gegenwärtig hoch im Kurs. Viele Schweizer Unternehmen stehen daher einmal mehr vor der Frage, welche Gendermarkierung die geeignetste ist. Wie das Beispiel der Stellenanzeigen zeigt, greift die Frage jedoch zu kurz. In einer Weisung vom 15. Juni 2021 hält die Bundeskanzlei fest: «In jüngster Zeit sind ausserhalb der Texte des Bundes vermehrt neuere, noch stark experimentelle Schreibweisen zur Gendermarkierung anzutreffen, z.B. der Genderstern (Bürger*innen), der Genderdoppelpunkt (Bürger:innen)» u.a.m. Doch verursachten derlei typografische Mittel eine «ganze Reihe von sprachlichen Problemen.» Deshalb seien in den Texten des Bundes der Gender1 stern und ähnliche Schreibweisen nicht geduldet.
Die Folge: Die Versuchsteilnehmerinnen hätten die entsprechenden Stellenangebote meist Männern zugeschrieben und als deutlich weniger attraktiv eingeschätzt. Jüngere Studien bestätigen diesen Befund. So stuften die Teilnehmer einer Studie von Simone Braun Begriffe wie «analytisch, entscheidungsfreudig und durchsetzungsfähig» als 'männlich' ein. Auf entsprechende Stelleninserate waren deutlich weniger weibliche Studienteilnehmerin3 nen bereit, sich zu bewerben. Mehr Achtsamkeit bei Formulierungen Die Diskussion um die geschlechtergerechte Schreibung wird bleiben – doch mindestens ebenso wichtig ist es, gegen Gender Bias anzukämpfen und stereotype Formulierungen auf den Prüfstand zu stellen.
Gender Bias in Stelleninseraten Bestens erforscht sind die Zusammenhänge rund um Gender und Sprache bei Stelleninseraten. Für das sog. Gender Bias gilt die Studie von Danielle 2 Gaucher et al. immer noch als Massstab. Gemäss Gaucher verwendeten die untersuchten Stelleninserate für männerdominierte Berufe gerne männlich assoziierte Formulierungen (Begriffe wie «führend, wettbewerbsorientiert, dominant»).
Quelle: 1 https://www.bk.admin.ch/bk/de/home/dokumentation/ sprachen/hilfsmittel-textredaktion/leitfaden-zum-geschlechtergerechten-formulieren.html ; 2
D. Gaucher et al., «Evidence That Gendered Wording in Job Advertisements Exists and Sustains Gender Inequality», Journal of Personality and Social Psychology 101/1 (2011), 109–128;
3
S. Braun et al., «Geschlechtsunterschiede und Geschlechtsstereotype.» In: H.-W. Bierhoff/D. Frey (Hrsg.), Soziale Motive und soziale Einstellungen, Göttingen: Hogrefe 2016, 759–793.
Impressum Stiftung Schweizerische Text Akademie Technopark Zürich Technoparkstrasse 1 8005 Zürich www.textakademie.ch
Fachstelle Schreiben & Publizieren Hochschule für Wirtschaft in Zürich HWZ
ISSN 2297-5764
Kein Patentrezept ersichtlich Gleichgültig, wie man zur Stellungnahme der Bundeskanzlei steht: Im berechtigten Bestreben, geschlechtergerecht zu formulieren, tun sich Unternehmen schwer. Denn ein Patentrezept ist weit und breit nicht sichtbar. Zudem gerät bei der Diskussion um die vermeintlich ideale Genderformulierung rasch ein mindestens ebenso dringliches Problem vergessen: das sog. «Gender Bias» durch Formulierungen, die einseitige, meist an der männlichen Norm orientierte Sichtweisen transportieren.