TM TextilMitteilungen 06/2021

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Munich Fabric Start

Trends neu definieren Nachhaltigkeit stellt die gängige Praxis der Trendentwicklung infrage und fordert eine stärkere inhaltliche Auseinanderset­zung. Wir haben Jo Baumgartner, Trends & Fabrics Consultant der Munich Fabric Start, gefragt, wie das neue, grüne Mindset die Zukunft der Mode prägt.

Interview Cynthia Blasberg

Nachhaltigkeit erfordert ein Umdenken. Wird sich auch die Auffassung und Auslegung von Trends langfristig ändern? Die Auffassung von Trends verändert sich bereits seit vielen Saisons. Grundsätzlich beschreiben Trends eine Zunahme von etwas – das bleibt natürlich erhalten. Aber mit Trends in der Mode hatten wir immer auch einen starken Begriff, der für etwas Sichtbares stand, für visuelle Modeerscheinungen durch Farben und Formen. Dies verändert sich nun grundlegend, denn viele unsichtbare Themen haben viel mehr zu erzählen als das herkömmliche ‚Gelb ist DIE Trendfarbe‘. Diese Entwicklung ist sehr komplex, was dem derzeitigen Streben nach Einfachheit ziemlich widerspricht. Daher ist die Auslegung von Trends wichtig: Man muss definieren, welche Parameter man verwendet hat. Natürlich kann ich mich wie in den frühen Zeiten des Trendscoutings nur auf Farben, Stoffe und Silhouetten beziehen. Das muss ich aber heute explizit benennen. Was zeichnet Trends in Zukunft aus? Woher kommen stilprägende Impulse?

Nehmen wir an, dass im Sinne von Green Fashion eine Reduktion in der Mode stattfindet. Welche Auswirkungen hätte das auf Business, Modedesign und Trends? Können Nachhaltigkeit und Trends gut koexistieren? Ich glaube, eine Auswirkung ist, dass es langfristig nicht auf Mehr, sondern auf eine andere Gleichförmigkeit hinausläuft. Wir betrachten dies auch in zwei Munich-Fabric-Start-Trends genauer. Zum einen haben wir ein Bedürfnis nach Gleichgesinntheit, was wir in unserem Thema ‚Same same but different‘ widerspiegeln. Dieses beinhaltet ökologische wie gesellschaftliche Ansätze. Zum anderen verfolgen wir mit unserem Thema ‚Radically Hopeful‘ genau diesen Ansatz, dass das System neu gedacht werden muss und sich dies in der Mode und den Styles abbildet. Dahinter liegen Multifunktionalität, Langlebigkeit und faire Löhne als Antrieb und Inspiration. Die Frage, ob Nachhaltigkeit und Trends koexistieren können, kann ich daher nur mit ‚Ja‘ beantworten, weil sie sich bedingen und nur auf einem anderen Level eine Faszination ausstrahlen, von etwas Neuem, etwas ‚Gutem‘. ▶ munichfabricstart.com

Man kann nie genau vorhersagen, wo die stilprägenden Impulse und Trends herkommen und was sie auszeichnet – und durch das Verschmelzen zu phygitalen Welten wird es noch komplexer. Ein Beispiel: Dass wir eine Pandemie und dadurch einen Digitalisierungsschub erlebt haben, durch den wir uns nun von Gaming-Welten, digitalen 3D-Styles und filmischen Szenenbildern inspirieren lassen, war nicht vorhersehbar. Daher sollten wir meiner Meinung nach Trends in Zukunft auf unterschiedlichen Ebenen definieren und sagen: Dieser Trend ist trans-seasonal, jener kurzfristig, ein anderer ist macro, mega oder micro.

Jo Baumgartner


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