Koreana Winter 2008 (German)

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J a h rg a n g 3, Nr. 4 Win t er 2008

Jahrgang 3, Nr. 4 Winter 2008

Kimchi ISSN 1975-0617




KOREANISCHER SCHÖNHEITSSINN

Byeoru

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er Byeoru (Tuschereibstein) gehört zu den so genannten „Munbangsau“, den „Vier Freunden des Literaten“ (Tuschestab, Tuschereibstein, Pinsel und Papier). Der Tuschestab aus gepresstem Ruß wird auf dem Byeoru gerieben, wobei unter Zusatz von Wasser Tusche entsteht. Der Byeoru ist einerseits eine für Kalligraphie und Malerei unentbehrliche Utensilie, andererseits war es aber auch ein Kunstgegenstand von ästhetischer Schönheit, den die Gelehrten im Alltag stets zum Gebrauch in ihrer Nähe behielten. Der Byeoru besteht aus dem Yeondang, dem Teil, in dem man die Tusche reibt, und aus dem Yeonji, einer Vertiefung, in der sich die flüssige Tusche sammelt. Es gibt viele verschiedene Formen wie runde oder eckige Tuschereibsteine, aber auch Reibsteine in Schildkröten- oder Lotusblumenform. Außerdem wurden Tiere wie Drachen, Kraniche, Schildkröten, chinesische Wundervögel und Fische oder Pflanzen wie Trauben, Japanische Pflaumen, Orchideen, Chrysanthemen und Bambus, oder verschiedene Schriftzeichen in den Stein graviert. Zudem gab es auch Reibsteine mit Deckel, der aufgesetzt werden konnte, wenn der Stein nicht benutzt wurde.

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Als Material wird Stein, Jade, Quarz, Ton, Porzellan, Stahl usw. verwendet, wobei Stein am häufigsten ist. Die Reibfläche hat glatt zu sein, so dass die Tusche beim Anreiben nicht klebt. Zudem darf die flüssige Tusche im Yeonji nicht austrocknen, selbst wenn man sie mehr als zehn Tage stehen lässt. In Korea gilt seit alter Zeit der Nampo-Stein aus der Region Nampo in Boryeong in der Provinz Chungcheongnam-do als das beste Material für Tuschereibsteine. Die Tradition des aus Nampo-Stein gefertigten NampoByeoru wurde von der Frühen Joseon-Zeit bis zum heutigen Tag von Generation zu Generation weitergegeben. Der NampoTuschereibstein ist wegen seiner hohen Qualität und Technik auch in Japan und China weit bekannt. Der Tuschereibstein auf der Abbildung oben hat eine runde Grundform, Yeondang und Yeonji werden von Trauben und Traubenranken eingerahmt. Trauben waren der am häufigsten verwendete Dekor für Tuschereibsteine. Sie beinhalten die Geisteshaltung der Gelehrten, ihr Wissen wie die Weinbeeren, die dicht an dicht an der Traube hängen, bereichern zu wollen. Dieses schöne Kunstwerk erhält gut die äußere Form des Steins und bringt Trauben und Weinranke im Detail zum Ausdruck.


Koreanische Kunst und Kultur

Jahrgang 3, Nr. 4 Winter 2008

Kimchi, ein traditionelles Gericht, das bereits in alter Zeit entwickelt wurde, ist heute das Aushängeschild der koreanischen Küche und Kultur. Auch heute noch kann sich kaum ein Koreaner eine Mahlzeit ohne Kimchi vorstellen. In letzter Zeit ist Kimchi als eins der gesündesten Lebensmittel der Welt ins Rampenlicht des internationalen Interesses gerückt. Auf der Kimchi-Webseite www.kimchi. or.kr finden sich zahlreiche Informationen über das koreanische Nationalgericht.

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Kimchi 8

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Die Entwicklung von Kimchi Jo Jae-sun

12 Kimchi: Ein gesundes Nahrungsmittel Park Kun Young

16 Kimchi schmeckt in jeder Region anders

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Han Bokryeo

26 Kimchi: Gaumenfreude für die ganze Welt Nam Sang-won

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FOKUS

IMPRESSUM

XXII. Weltkongress der Philosophie: WCP 2008 Olympiade der Philosophie in Seoul

Herausgeber The Korea Foundation 2558 Nambusunhwanno, Seocho-gu Seoul 137-863, Korea

| Lee Myung-hyun

PRÄSIDENT Yim Sung-joon REDAKTIONSDIREKTOR Hahn Young-hee CHEFREDAKTEURIN Ahn In-kyoung KUNSTDIREKTOR Kim Ji-yeon DESIGNER Han Su-hee REDAKTIONSMITGLIEDER Heo Jae-hoon, Yi Jun-sung REDAKTIONSBEIRAT Cho Sung-taek, Han Kyung-koo, Han Myung-hee, Jung Joong-hun, Kim Hwa-young, Kim Moon-hwan, Kim Youngna

INTERVIEW Dichter Ko Un

„Ich bin meine Zukunft“

| Choi Jae-bong

KUNSTHANDWERKER

Exquisite Harmonie von Flexibilität und Sanftheit: Bogenbau-Meister Yoo Young-ki | Park Hyun Sook

Herausgabezweck: ideell

MEISTERWERKE

Reiter auf dem Schlachtross: Relikt, das den Geist Sillas atmet Song Yi-chung

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KUNSTKRITIK

MAGNUM Korea : Korea und die Koreaner aus der Sicht von MAGNUM Sohn Young-sil

60 64 68 76 80 82 87

KOREA ENTDECKEN Kevin O’Rourke

Ein leidenschaftlicher Übersetzer der koreanischen Literatur

| Lee Soo Jin

AUF DER WELTBÜHNE Sung Shi-yeon

DRUCK Samsung Moonwha Printing Co. 274-34, Seongsu-dong 2-ga, Seongdong-gu, Seoul 133-121, Korea Tel: +82-2-468-0361/5 Fax: +82-2-461-6798 WERBUNG CNC Boom co,. Ltd Towercrystal Building, 1008-1, Daechi 3-dong, Gangnam-gu, Seoul, Korea Tel: +82-2-512-8928 Fax: +82-2-512-8676 SUBSKRIPTION Vierteljährlich herausgegeben Preis für Jahresabonnement: Korea 18.000 Won, Luftpost in Deutschland und Österreich 32 EUR (einschließlich Porto) Preis für Einzelheft: Korea 4.500 Won, Deutschland und Österreich 8 EUR (einschließlich Porto) Subskription/Korrespondenzanschrift:

Eine bescheidene Wahrheitssucherin auf dem Podium

| Anna S. Roh

UNTERWEGS

Jeongseon: Die zeitlose Schönheit von Bergen und Flüssen

| Lee Yong-han

KÜCHE

Yaksik: Süßer Reis wird Medizin

LAYOUT & DESIGN Kim’s Communication Associates 398-1 Seogyo-dong, Mapo-gu, Seoul 121-840, Korea Tel: +82-2-335-4741 Fax: +82-2-335-4743 www.gegd.co.kr

| Paik Jae-eun

Deutschland und Österreich The Korea Foundation Berlin Office c/o Botschaft der Republik Korea Stülerstraße 8-10, 10787 Berlin, Germany Tel: +49-(0)30-260-65-458 Fax: +49-(0)30-260-65-52 E-mail: koreana@kf.or.kr Andere Gebiete inkl. Korea The Korea Foundation Diplomatic Center Building, 2558 Nambusunhwanno, Seocho-gu, Seoul 137-863, Korea Tel: +82-2-2046-8583 Fax: +82-2-3463-6086

BLICK AUS DER FERNE

Ich verspreche, demnächst einen Essay zu schreiben

| Werner Sasse

LEBEN

Prompter und schneller Lieferservice: Eine Kultur für sich

| Song Doyoung

Koo Hyo-seo Die Salzsäcke

| Übersetzung: Ahn In-kyoung, Anneliese Stern-Ko

http://www.koreana.or.kr

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REISEN IN DIE KOREANISCHE LITERATUR

Überleben auf der durchlässigen Grenzlinie des Lebens

Koreana Internet Webseite

| Kim Young-chan

Koreana ist als Vierteljahresmagazin beim Ministerium für Kultur und Tourismus registriert (Reg. Nr. Ba-1033 vom 8.8.1997) und erscheint auch auf Englisch, Chinesisch, Französisch, Spanisch, Arabisch, Japanisch und Russisch.


Kimchi Kimchi ist das repräsentativste und beliebteste fermentierte Nahrungsmittel der Koreaner und daher ein Nationalgericht, das Korea symbolisiert. Neben Baechu-Kimchi (Chinakohl-Kimchi), der üblichsten Sorte, gibt es noch unzählbar viele Varianten wie z.B. Yeolmu-Kimchi (Sommerrettich-Kimchi), Oi-Kimchi (Gurken-Kimchi) und Pa-Kimchi (Lauch-Kimchi). In jüngster Zeit gewinnt Kimchi auf Basis einer Reihe von Forschungsergebnissen Anerkennung als äußerst gesundes Nahrungsmittel und zieht damit die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich. Erfahren Sie mehr über dieses typisch koreanische Gericht, das auf engste Weise mit dem Leben der Koreaner verbunden ist.

In der Vergangenheit wurde Kimchi im Herbst eingelegt, in großen Vorratskrügen gelagert und den ganzen Winter über gegessen. In den irdenen Vorratskrügen setzte ein Fermentierungsprozess ein, der für den einzigartigen Geschmack und den hohen Nährstoffgehalt des Kimchi, der reich an Laktobazillen und Vitaminen ist, sorgt. © Eurocreon

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Die Entwicklung von Kimchi Kimchi war ursprünglich eine Art in Salz eingelegtes Gemüsegericht. Mit der Zeit wurden verschiedene Gewürze hinzugefügt und dementsprechend weniger Salz verwendet, was eine effektivere Milchsäuregärung und eine Geschmacksvertiefung bewirkte, so dass schließlich Kimchi im heutigen Sinne entstand. Jo Jae-sun Ehrenprofessorin für Lebensmittel und Ernährung, Kyung Hee University

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icht nur in Korea, sondern in den meisten Ländern, in denen die Winter kalt sind und daher kein Gemüse angebaut werden kann, hat sich die Tradition entwickelt, Gemüse in Salz einzulegen und so zu konservieren. Jedoch findet man nicht oft ein Gericht, das aus so vielen verschiedenen Zutaten zubereitet wird und einen so besonderen Geschmack aufweist wie der koreanische Kimchi. Ursprünglich ein einfaches Gericht Salz ist ein Gewürz, das die Menschheit bereits seit prähistorischer Zeit verwendet. Kimchi wird durch natürliche Milchsäuregärung, eine seit Beginn der Agrarkultur gängige Methode der Konservierung, haltbar gemacht. Kimchi war ursprünglich ein Gericht, bei dem Gemüse einfach in Salz eingelegt wurde und nicht wie heute mit verschiedenen Gewürzzutaten wie Chilipulver, fermentierte Fischpasten oder Fleisch im Geschmack verfeinert wurde. In den drei nordostasiatischen Ländern Korea, China und Japan sind die Winter sehr kalt. Daher haben sich in diesen Ländern schon von frühester Zeit an in Salz eingelegte Gerichte entwickelt, die auch während der Winterzeit haltbar sind. Alte Schriften belegen, dass zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert in den drei Ländern eingelegte Nahrungsmittel zur alltäglichen Mahlzeit gehörten. In chinesischen Argrarbüchern des 5. Jahrhunderts werden verschiedene Arten von eingelegten Gerichten ausführlich beschrieben und auf einem japanischen Mokgan (gravierte Holzetikette; eine Art Frachtbrief oder Rechnung) aus dem 8. Jahrhundert sind eingelegte Gurken und eingelegtes Gemüse mit Reiskleie aufgelistet. Interessanterweise war die Rechnung auf den Namen eines Bewoh-

ners des Baekje-Reiches (18 v.Chr.-660 n.Chr.) ausgestellt. Man kann daher vermuten, dass die Tradition der in Salz eingelegten Gerichte von China durch das Reich Goguryeo (37 v.Chr.-668 n.Chr.), das an China angrenzte, über Baekje und Silla (57 v.Chr.-935 n.Chr.) bis nach Japan weitergeleitet wurde. Betrachtet man alle historischen Gegebenheiten, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die Geschichte von Kimchi bis in die Zeit der Drei Königreiche (57 v.Chr.-668 n.Chr.) reicht. Im Buch Wei Zhi der Chroniken der Drei Reiche , historischen Aufzeichnungen aus China, die die Zeit von 189 bis 280 umfassen, heißt es, dass „die Einwohner von Goguryeo über fortgeschrittene Techniken für die Herstellung von Wein, Jang (fermentierte Gewürzpasten) und Jeotgal (fermentierte Fische oder Meeresfrüchte), d.h. entwickelte Methoden der Fermentierung, verfügt haben“ und „Goguryeo Fisch und Salz von DongOkjeo (Ost-Okjeo; Nachbarland von Goguryeo) erbeutet hat“. Laut dieser Chronik wurde bereits zur Zeit von Goguryeo bei der Herstellung von Kimchi Salz als Hauptzutat verwendet und als Fermentierungsmethode angewendet. Das Samguksagi , die 1145 erschienene koreanische Geschichte der Drei Königreiche , berichtet ebenfalls über in Salz eingelegte Gerichte, die zu der Zeit äußerst üblich waren: „Im Jahr 683, also zur Zeit des Vereinigten Silla-Reichs (676-935), gehörten alkoholische Getränke, fermentierte Gewürzpasten, Fische und Meeresfrüchte zu den Gerichten, die die Braut am Hochzeitstag ihren künftigen Schwiegereltern darbrachte.“ Im Tempel Beopju-sa ist als Relikt auch heute noch ein irdener Bottich zu sehen, der auf das Jahr 720, also die Zeit der Drei Königreiche datiert, und höchst-

Heutzutage wird Kimchi mit seinem intensiven Rotton verbunden, der auf die großzügige Verwendung von Chilipulver zurückgeht. Früher war Kimchi ein einfaches fermentiertes Gemüsegericht, das nur wenig gewürzt wurde, wie dieser weiße Chinakohl-Kimchi. © Kimchi Gyeonmunnok , Designhouse

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Salzbrühe“ bezeichnet, entwickelte sich allmählig zu „Kimchi“. Der Ursprung des Wortes „Kimchi“ spiegelt die Besonderheit dieses Gerichts wider, nämlich dass es sich im Gegensatz zu den eingesalzenen Gerichten anderer Länder um ein Gericht handelt, das in Salzbrühe eingelegt wird und bei dem das Gemüse mit der Sole zusammen verspeist wird. In dem Kochbuch Yorok , das um 1680 erschien, sind elf Kimchi-Arten registriert. Auch hier findet sich noch kein Hinweis auf die Verwendung von Chili. Das Buch stellt lediglich Kimchi aus Rettich, Chinakohl, Wachskürbis, Adlerfarn und Sojabohnen vor sowie Dongchimi, eine Art Kimchi aus jungem Rettich, der in reichlich Salzwasser eingelegt wird. Die Entwicklung von Kimchi Heutzutage gelten Chinakohl, Chili und Jeotgal als die wichtigsten KimchiZutaten. Während Chinakohl die Hauptzutat ist, dienen Chili und Jeotgal als Gewürze. Allerdings zählten sie noch im 17. Jahrhundert nicht zu den Hauptbestandteilen von Kimchi. Kimchi, eine ursprünglich in Salz eingelegte, einfache Speise, erlebte während der rund 200 Jahre zwischen Ende des 17. und Ende des 19. Jahrhunderts einen grundlegenden Wandel in der Zubereitung, indem Gewürze wie Chili, Lauch, Knoblauch und Ingwer sowie Jeotgal hinzugefügt wurden.

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Kimchi in alten Schriften Die ersten schriftlichen Spuren des Begriffs „Kimchi“ findet man in den Schriften der Goryeo-Zeit (918-1392). Im Buch Yeji , das 983 erschien und Gerichte für die Ahnenverehrungszeremonien vorstellt, heißt es, dass Minari-Kimchi (Wasserfenchel-Kimchi), Juksun-Kimchi (BambussprossenKimchi), Sunmu-Kimchi (RübenKimchi) und Buchu-Kimchi (Kimchi aus Knoblauch-Schnittlauch) bei Ahnenverehrungszeremonien auf dem Altar als Opfergaben dargebracht wurden. Darüber hinaus findet man in der Gedichtsammlung Donggugisanggukjip des Gelehrten Yi Kyu-bo (1168-1241) ein Werk, in dem es heißt, dass man aus Rüben Jangajji (in Sojasoße, Bohnen- oder Chilipaste eingelegte Beilage) und Kimchi von mildem Geschmack zubereitete. In dem alten Medizinbuch Hyangyakgugeupbang aus der GoryeoZeit werden als Hauptzutaten von Kimchi Gemüse wie Gurken, Wachskürbisse, Knoblauch-Schnittlauch, Gemüsemalven, Römersalat, Lauch, Rettich usw. aufgezählt. Viele andere Gedichte, die zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert erschienen sind, erwähnen Jangajji und Kimchi und weisen somit darauf hin, dass zur Goryeo-Zeit Kim-

chi ein Alltagsgericht der Koreaner war. Jedoch war zu dieser Zeit Kimchi noch ein einfaches Gericht aus Gemüse, das lediglich in reichlich Salz eingelegt wurde und dem keine zusätzlichen Zutaten oder Gewürze hinzugefügt wurden. Während der Joseon-Zeit (1392-1910) brach in Korea eine allgemeine Rennaissance des Wissens an und es wurden in den verschiedensten Bereichen eifrig Bücher verfasst, darunter auch viele Kochbücher und Werke zur Landwirtschaft, die einen genauen Blick auf die Entwicklung von Kimchi erlauben. In einem Gedicht von Seo Geo-jeong (1420-1488), einem großen Gelehrten der frühen Joseon-Zeit, werden zum ersten Mal Kimchi-Zutaten erwähnt. Darin beschreibt er, dass im Hintergarten Rüben, Rettich, Römersalat und Wasserfenchel angebaut werden, aus denen Kimchi mit den fünf grundlegenden Geschmacksnoten (bitter, süß, sauer, salzig, scharf ) zubereitet wird. Unter diesen Zutaten ist Knoblauch ein Gewürz, das seit frühester Zeit ein wichtiger Bestandteil der koreanischen Küche ist und bereits im Gründungsmythos von Dangun, der 2333 v.Chr. das erste koreanische Reich Gojoseon gründete, erscheint. In einem Medizinbuch aus dem Jahre 1525 findet sich erstmals der Begriff „Dimchae“. Das Wort „Dimchae“, das „Chimchae“ (沈菜), also „Gemüse in

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wahrscheinlich zur Aufbewahrung von Kimchi verwendet wurde.


In alten Medizinbüchern wird Chinakohl als Gemüse mit heilender Wirkung beschrieben. Dieser Kohl wird auf koreanischem Boden seit Mitte des 16. Jahrhunderts angebaut, woraus sich schließen lässt, dass seit dieser Zeit auch Chinakohl-Kimchi zubereitet wurde. Chili kam vermutlich erstmals zur Zeit der japanischen Invasion (Imjinwaeran: 1592-1598) aus Japan nach Korea. Eine Schrift aus dem Jahr 1613 berichtet, dass „Chili aus Japan stammt und Giftstoffe beinhaltet“. Es dauerte geraume Zeit, bis Chili bei der Zubereitung von Kimchi eingesetzt wurde. Denn Chili war im Gegensatz zu Chinakohl, Kürbissen, Kartoffeln oder Süßkartoffeln ein Gewürz. Faktoren, die entscheidend dazu beitrugen, dass Chili schließlich bei der Kimchi-Zubereitung Verwendung fand, waren die Entwicklung der landwirtschaftlichen Technik, der Wandel des natürlichen Umfelds durch Überflutung und Dürre und die dadurch verursachten häufigen Hungersnöte. In einem Bericht aus dem Jahr 1765 heißt es: „Chili wird derzeit in großen Mengen angebaut und häufig auf dem Markt angeboten“. Das belegt, dass Chili im 18. Jahrhundert in Korea weit verbreitet gewesen war. Über die Verwendung von Chinakohl und Chili bei der Zubereitung von Kimchi wird in dem Agrarbuch JeungboSallimgyeonje (1766) zum ersten Mal

berichtet. Das Buch stellt neben BaechuKimchi (Chinakohl-Kimchi) Rezepte für rund zwanzig verschiedene KimchiSor ten vor. Im Gyuhapchongseo (1749), einer Art Haushaltslexikon, wird erläutert, wie man Kimchi mit Jeotgal herstellt. Jeotgal, ein Oberbegriff für in Salz eingelegten, fermentierten Fisch und Meeresfrüchte aller Art, war bereits seit der Zeit der Drei Königreiche eine alltägliche Beilage. Jeotgal wurde jedoch bei der Kimchi-Zubereitung erst um die Zeit der Veröffentlichung des Gyuhapchongseo eingesetzt. Vermutlich hat man mit dem Einsatz von Chilipulver angefangen, auch Jeotgal zu verwenden. Seitdem wird Kimchi nicht nur mit Salz, sondern an dessen Stelle auch mit der salzigen Gewürzzutat Jeotgal abgeschmeckt. Erst im 18. Jahrhundert, als man begann, bei der Zubereitung Chinakohl, Chili, Knoblauch und Jeotgal zu verwenden, erhielt Kimchi seine heutige Gestalt und seine heutige Geschmacksnote. Kimchi wird heute je nach Zutaten und Region in unendlich vielen Varianten zubereitet und erfährt trotzdem immer noch beständig Veränderungen. Es bleibt daher mit großer Spannung abzuwarten, wie sich Kimchi mit dem Wandel des Ess- und Lebensstils, der technischen Entwicklung und im Zuge seiner Internationalisierung in Zukunft fortentwickelt.

Allgemein wird angenommen, dass der Begriff „Kimchi“ von dem chinesischen Wort „Chimchae“ (沈菜) abgeleitet wurde. Chimchae, das so viel wie „Gemüse in Salzbrühe einlegen“ bedeutet, bringt gut die Besonderheit von Kimchi zum Ausdruck, bei dem es sich im Gegensatz zu den eingesalzenen Gerichten anderer Länder um ein Gericht handelt, das in Salzbrühe eingelegt wird und bei dem das Gemüse mit der Sole zusammen verspeist wird. Die Aussprache Chimchae veränderte sich mit der Zeit zu Dimchae und letztendlich zu Kimchi .

2 Eumsikdimibang, das erste, im koreanischen Alphabet Hangeul verfasste Kochbuch, stammt von der Dame Jang (1598-1680) und enthält Rezepte für verschiedene Arten von Kimchi, darunter Kimchi der Alltagsküche und Kimchi für spezielle Anlässe, für den besonders hochwertige Zutaten verwendet wurden. 3 Die irdenen Vorratskrüge für die Fermentierung und Aufbewahrung von Kimchi haben sich je nach Region mit eigenen Besonderheiten entwickelt. Im Süden sind die Krüge nicht besonders hoch und gehen dafür mehr in die Breite, während die Krüge immer schlanker werden, je weiter man nach Norden kommt, wo wegen den kalten und langen Wintern größere Vorräte angelegt werden mussten.

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1 Die Gedichtsammlung Donggugisanggukjip des Gelehrten Yi Kyu-bo (1168-1241) aus der Goryeo-Zeit enthält auch Informationen über die Zubereitung von weißem Rettich-Kimchi. Man nimmt an, dass es sich um die erste schriftliche Erwähnung von Kimchi handelt.

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Kimchi Ein gesundes Nahrungsmittel Mit der Veröffentlichung verschiedener Studien über seinen gesundheitsfördernden Effekt zieht Kimchi erneut Interesse als gesundes Gericht auf sich. Da Kimchi Laktobazillen und verschiedene Nährstoffe enthält, wirkt er vorbeugend gegen Krebs, Arterienverkalkung und Alterungserscheinungen. Im Folgenden stellen wir Ihnen die wissenschaftlich nachgewiesenen Wirkungen von Kimchi und die Vorzüge, die seinen Ruf als gesunde Speise begründen, vor. Park Kun Young Professor für Lebensmittel und Ernährung, Pusan National University

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ie amerikanische Zeitschrift Health berichtete 2006, dass neben Olivenöl, Sojabohnen bzw. SojabohnenProdukten, Linsen und Jogurt Kimchi zu den fünf gesündesten Lebensmitteln zählt. Laut dieser Zeitschrift ist der ballaststoffreiche Kimchi ein ideales Diätgericht und enthält reichlich Vitamin A, B und C sowie gesundheitsfördernde Laktobazillen. Außerdem beugt er Krebs vor. Die positiven Wirkungen von Kimchi werden durch verschiedene Forschungsergebnisse wissenschaftlich belegt. Nährstoffreiche Substanzen Je nach Zutaten gibt es zwar verschiedene Sorten von Kimchi, jedoch wird unter „Kimchi“ allgemein „BaechuKimchi“ (Chinakohl-Kimchi) verstanden. Baechu-Kimchi ist ein Nahrungsmittel mit niedrigem Kaloriengehalt (18 kcal/100g) und eine Hauptquelle für Ballaststoffe. Ballaststoffe, die Verstopfung vorbeugen und den Cholesteringehalt im Blut senken, dienen zur Reinigung des Körpers. Darüber hinaus ist Kimchi auch einer der wichtigsten Vitamin- und Mineralienlieferanten. Er ist reich an Vitamin C und ß-Karotin; während des Fermentierungsprozesses entstehen zudem weitere Vitamine wie z.B. Vitamin B. Außerdem ist er reich an Kalzium, Eisen und Phosphor, so dass er eine gesunde Knochenbeschaffenheit fördert und Anämie vorbeugt. Vor allem Knoblauch, der in keiner Kimchi-Sorte fehlt, enthält Allizin, das eine starke keimtötende Wirkung aufweist. Kimchi zog das Interesse der Medien auf sich, als bekannt wurde, dass Korea von der Atemwegserkrankung SARS und von der Vogelgrippe, die in den letzten Jahren in Asien grassierten, weitgehend verschont blieb und als

einer der Gründe dafür der reichliche Verzehr von Kimchi mit seinem hohen Knoblauchgehalt genannt wurde. Knoblauch bewirkt, dass Vitamin B1, das für die Steigerung der Vitalität und für die psychische Ausgeglichenheit eine wichtige Rolle spielt, im Körper über längere Zeit gespeichert wird. Zudem enthält die Gewürzzutat Chili, die in kaum einer Kimchi-Sorte fehlt, mehr Vitamin C als jede andere Obst- oder Gemüsesorte und unterbindet die Aktivitäten schädlicher Mikroorganismen, so dass der Gärungsprozess der Laktobazillen effektiv durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass mit dem Einsatz von Chili bei der Kimchi-Zubereitung sich die Wirkung des Kimchi erhöht hat. Knoblauch und Chili sind Zutaten, die für ihre krebsvorbeugenden Effekte bekannt sind. Mit der zunehmenden Verwendung von Knoblauch als Kimchi-Zutat wurde die antikarzinogene Wirkung des Kimchi erhöht und bei gleichzeitiger Erhöhung der Knoblauch- und Chilipulvermenge wurde sie noch weiter gesteigert. Kimchi ist auch ein hervorragendes Diätgericht, da es sich bei den verschiedenen Zutaten um kalorienarme und ballaststoffreiche Gemüsearten handelt. Vor allem regt der Hauptbestandteil des Chili, das Capsaicin, den Kreislauf und somit die Fettverbrennung an. Das Chilipulver im Kimchi weist eine effektivere gewichtsreduzierende Wirkung als die gleiche Chili-Menge in anderen Gerichten auf. Dies wird durch das Ergebnis eines Experiments belegt, bei dem Mäuse, die neben fettreichem Futter auch Kimchi erhielten, fast nicht an Gewicht zunahmen. Kimchi besitzt darüber hinaus weitere Bestandteile mit besonderen Funktionen, von denen viele biologisch aktive

Je nach Zutaten und regionaler Herkunft des Kimchi lassen sich zwar unzählig viele Kimchi-Varianten unterscheiden, der repräsentativste und am meisten gegessene Kimchi ist jedoch der aus Chinakohl hergestellte Baechu-Kimchi . © Imageclick

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Das Wunder der Gärung Kimchi ist ein Nahrungsmittel, das durch natürliche Milchsäuregärung hergestellt wird. Seine besondere Geschmacks- und Geruchstnote gewinnt er durch die Fermentierung, deren Intensität den Geschmack des Kimchi in entscheidender Weise bestimmt. Die Kimchi-Zutaten an sich sind bereits nährstoffreich, aber während des Gärungsprozesses entstehen darüber hinaus noch durch Mikroorganismen Laktobazillen und verschiedene wirksame Substanzen. Außerdem bildet sich organische Säure, während Vitamin B und C sowie Aminosäuren durch den Eingriff der Laktobazillen neue Verbindungen eingehen, so dass sich deren Gesamtmenge auf wundersam anmutende Weise erhöht. In jedem Gramm Kimchi können bis zu hundert Millionen Laktobazillen, also Milchsäurebakterien, entstehen, ein Vierfaches im Vergleich zu Jogurt. Laktobazillen und organische Säuren

wie Milchsäure und Salpetersäure, die vor allem im Darmtrakt wirken, helfen Verstopfungen lösen und beugen Dickdarmkrebs vor, indem sie die Entwicklung von mutierten Zellen und Tumoren unterdrücken. Überdies unterstützen Laktobazillen und organische Säuren die Bildung einer schönen und gesunden Haut, indem sie bewirken, dass die Oberhaut dicker und Kollagen produziert wird, während sie gleichzeitig die Zellen vor freien Sauerstoffradikalen schützen und die Hautalterung verlangsamen. Sie entgiften zudem den Körper von Schadstoffen, die von außerhalb eingedrungen sind, und stärken somit die Immunkraft. Die Laktobazillen und die weiteren Nährstoffe sind am wirksamsten, wenn der Fermentierungsprozess des Kimchi seinen Höhepunkt erreicht, danach lässt ihre Wirksamkeit allmählich nach. Deshalb wird empfohlen, den Kimchi nicht zu lange stehen zu lassen, sondern zu verspeisen, wenn er gerade richtig gereift ist; dann schmeckt er am besten und ist am gesündesten. Harmonie von Reis und Kimchi Normalerweise wird Kimichi als Beilage zu Reis gegessen. Da Reis in Korea ohne Beigabe von Gewürzen gekocht wird,

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Wichtigste Kimchi-Zutaten und deren Wirkung Chinakohl - Chinakohl, die repräsentativste Kimchi-Hauptzutat, besteht zu etwa 95% aus Wasser und enthält wenig Kalorien. Neben reichlich Vitaminen und Mineralien weist Chinakohl auch verschiedene medizinisch wirksame Bestandteile auf. Zum Beispiel wurde berichtet, dass Methylmethionin, die biologisch aktive Form von Methionin, gegen Arterienverkalkung wirkt und Methylcysteinsulfoxid den Cholesterinspiegel im Blut senkt.

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Rettich - Rettich gehört zu den alkalisierenden Nahrungsmitteln und hält die Alkalität des Bluts aufrecht. Er besteht hauptsächlich aus Wasser, die anderen Bestandteile machen nur einen äußerst geringen Anteil aus. Der Vitamin-C-reiche Rettich enthält auch Verdauungsenzyme und fördert daher, wenn er roh gegessen wird, den Verdauungsprozess. Die Schale des Rettichs enthält doppelt so viel Vitamin C wie das Innere, weshalb man Rettich nicht schälen, sondern nur waschen sollte.

Chili - Chili, der dem Kimchi seine intensive Schärfe verleiht und konservierend wirkt, enthält Capsaicin, den Stoff, der die Chilischote scharf macht. Capsaicin tötet Keime ab, blockiert deren Vermehrung und fördert die Absonderung von Speichel und Magensaft. Außerdem stimuliert es verschiedene Metabolismen. Knoblauch - Die Allylsulfide, Hauptbestandteile des Knoblauchs, die für den intensiven Geschmack verantwort-

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Substanzen jedoch wissenschaftlich noch nicht identifiziert sind, so dass abzuwarten bleibt, welche neuen Wirkungen im Zuge der weiteren Forschung entdeckt werden.


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© Kimchi Gyeonmunnok , Designhouse

1 Für optimalen Geschmack und Nährwert sollte Kimchi bei etwa 5ºC gelagert werden. Um diese Idealtemperatur den ganzen Winter hindurch zu bewahren, wurden die Kimchi-Vorratskrüge früher in einer Art Strohzelt aufbewahrt.

2 In einem traditionellen koreanischen Haushalt gab es früher einen eigenen Bereich für die Lagerung von Kimchi, wo die Vorratskrüge in der Erde vergraben und mit Strohmatten zugedeckt wurden, um sie vor Frost zu schützen und die Gärung zu befördern.

lich sind, weisen eine etwa fünfzehnfach stärkere keimtötende Wirkung als Kohlensäure auf, fördern den Stoffwechsel und wirken bei verschiedenen Störungen wie z.B. Schmerzen, Verstopfung und Vergiftung. Knoblauch ist dafür bekannt, die Ausbreitung von Krankheiten wie Tuberkulose, Lebensmittelvergiftung, Staphylokokkeninfektion und Typhus stoppen zu helfen, und hat neben hoher antikarzinogener Wirkung auch die Funktion, Arterienverkalkung vorzubeugen. Lauch - Lauch besteht zu 80% aus Wasser. Er ist besonders reich an Kalzium, Phosphor, Eisen und auch Vitaminen. Der grüne Teil des Lauchs

isst man dazu würzige Beilagen wie Kimchi. Kimchi ist eine hervorragende Beilage mit besonderer Geschmacksund Geruchsnote. Für jeden Koreaner ist der pikante und erfrischende Kimchi eine Gaumenfreude. Gut gereifter Kimchi und Reis – das ist schon eine vollständige und wertvolle Mahlzeit. Jeotgal, fermentierte Fische oder Meeresfrüchte, sind eine Kimchi-Zutat, die tierisches Eiweiß liefert, das im Reis nicht vorhanden ist. Die Proteine im Jeotgal zerlegen sich während des Gärungsprozesses in Aminosäuren, die als Kalziumquelle dienen. Außerdem sind die Gemüse, die Hauptzutaten von Kimchi, reich an anorganischen Substanzen wie z.B. Kalzium, Kupfer, Eisen und Salz, die die Aufnahme von Vitamin C und vor allem Vitamin B befördern, das für alle, die sich hauptsächlich von Reis ernähren, besonders wichtig ist. Vorbeugung von Krankheiten Der an organischen Säuren, Laktobazillen und Ballaststoffen reiche Kimchi beugt Verstopfung und Dickdarmkrebs vor. Die Antikrebswirkung ist am höchsten, wenn der Kimchi einen angemessenen Reifegrad erreicht hat. Die Entwicklung krebserregender Substan-

enthält viel Vitamin A und C. Seine stechend scharfe Geschmacks- und Geruchsnote geht auf die schwefelhaltige Aminosäure Alliin zurück, die gegen Bakterien und Parasiten wirkt. Ingwer - Ingwer, der zu 80% aus Wasser besteht, ist reich an anorganischen Substanzen. Er besitzt e i n besonderes Aroma sowie einen brennend scharfen Geschmack, die von dem Ingwerbestandteil Gingerol bewirkt werden. Ingwer stärkt den Magen, fördert die Schweißbildung und ist

zen im Darm wird vermindert und der Säuregehalt des Dickdarms reduziert, wodurch zwei Ursachen von Dickdarmkrebs blockiert werden. Verspeist man reichlich Kimchi, vermehrt sich die Laktobazillenzahl hundert- bis tausendfach. Diese Milchsäurebakterien zerlegen im Zuge der Gärung Ballaststoffe und fördern somit die Apoptose, die Selbstvernichtung von Krebszellen. Verschiedene Experimente mit Kimchi-Extrakt haben ergeben, dass Kimchi die Vermehrung von Krebszellen unterdrückt und Immunzellen aktiviert. Außerdem wurde berichtet, dass das Capsaicin des Chili die Immunabwehr stärkt, Krebs vorbeugt und Entzündungen hemmt. Kimchi ist auch für seine vorbeugende Wirkung gegen durch Viren übertragene Infektionskrankheiten wie z.B. SARS und Vogelgrippe bekannt. Derzeit sind verschiedene Forschungen im Gange, um die bislang noch rätselhafte Wirkung des Kimchi bzw. der KimchiLaktobazillen auf die krankheitserregenden Viren aufzuklären. Nicht zuletzt reduziert Kimchi den Cholesteringehalt im Blut und fördert die Zerlegung von Fibrin, das zur Bildung von Thromben führen kann, und beugt somit Arterienverkalkung vor.

empfehlenswert bei Diäten. Salz - Salz besitzt eine in Bezug auf Nährstoffe und physiologische Funktion besondere Eigenschaft und ist deshalb unersetzbar. Im menschlichen Körper zerlegt es sich in Natrium und Chlor und dringt in Blut, Verdauungssäfte und Gewebeflüssigkeit ein, wo es osmotischen Druck, Säuregrad oder Empfindlichkeit von Muskeln und Nerven reguliert. Welche Salzsorte man bei der Kimchi-Zubereitung verwendet, entscheidet über den Grad der antikarzinogenen Wirkung. Kimchi, mit Bambussalz oder „gebackenem Salz“, das durch„Backen“ bei über 400 Grad hergestellt wird, verhindert besonders effektiv Zellmutationen und die Entstehung von Krebs.

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Kimchi schmeckt in jeder Region anders Kimchi, dessen grundlegende Zubereitungsmethode darin besteht, die Zutaten einzulegen und zum Fermentieren zu bringen, kann mit den unterschiedlichsten GemĂźsen zubereitet werden. Auf der koreanischen Halbinsel, die sich in Nord-SĂźd-Richtung erstreckt und daher regional unterschiedliche klimatische Voraussetzungen und kulturelle Traditionen aufweist, haben sich je nach Region entsprechend unterschiedliche Methoden der Kimchi-Zubereitung entwickelt. Erfahren Sie mehr Ăźber die regionalen Kimchi-Varianten, ihre besonderen Zutaten und Fermentierungsmethoden. Han Bokryeo Leiterin des Institute of Korean Royal Cuisine

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Die einzelnen Kimchi-Sorten unterscheiden sich je nach Grundzutaten, Gewßrzen und Region. Š Timespace

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imchi schmeckt selbst innerhalb Koreas in jeder Region anders. Kimchi im Süden der koreanischen Halbinsel ist rot, schmeckt intensiv und enthält kaum Flüssigkeit. Im mittleren Teil der Halbinsel enthält er mehr Flüssigkeit und weniger Chilipulver, was den Rotton weniger kräftig und den Geschmack saftiger macht. Kimchi in den nördlichen Regionen ist dafür bekannt, dass er reichlich Brühe enthält und prickelnd frisch von Geschmack ist. Diese Unterschiede rühren von den geographischen Besonderheiten der koreanischen Halbinsel her, die sich in Nord-Süd-Richtung erstreckt. Die unterschiedlichen Temperaturen und geographischen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der koreanischen Halbinsel führten zur Entwicklung unterschiedlicher Würzmethoden und Fermentierungsarten und so zu einer breiten Palette verschiedener Kimchi-Sorten. Da die Temperaturen im Südteil der Halbinsel vergleichsweise höher als im Norden sind, wird Kimchi in den südlichen Gebieten mit mehr Salz zubereitet, um eine schnellen Fermentierung vorzubeugen. Im Gegensatz dazu werden im Norden weniger Salz bzw. Gewürze hinzugefügt, so dass der Kimchi dort eine mildere Geschmacksnote besitzt und die natürliche Frische des Gemüses bewahrt wird. In den mittleren Regionen der Halbinsel werden bei der Zubereitung aufwändig hergestellte Würzzutaten verwendet, der Geschmack des Kimchi ist aber weder zu fade noch zu scharf. Spiegel der regionalen Besonderheiten Neben Salz zum Einlegen sowie Chilipulver, das für die Schärfe und den schönen Rotton sorgt, sind für den Geschmack noch verschiedene andere Faktoren entscheidend. Hier ist v.a. Jeotgal zu nennen, eine einzigartige Würzzutat, für die Meeresfrüchte oder Fische einer langen natürlichen Gärung unterzogen werden, wobei der Geschmack je nach Erzeuger oder Herkunft variiert. 18 Koreana | Winter 2008

Die Jeotgal-Arten, die in den Kimchi kommen, sind je nach Region unterschiedlich: in den südlichen Gebieten werden hauptsächlich fermentierte Anschovis, an der Ostküste fermentierte Degenfische und Makrelen und in den Regionen der Landesmitte fermentierte Gelbfische und Garnelen verwendet. Jeotgal aus fermentierten Anschovis (Myeolchijeot) wird zubereitet, indem man die vor der Südküste frisch gefangenen Anschovis in Salz einlegt und fermentieren lässt. Nach zwei bis drei Monaten Fermentierung entsteht Myeolchijeot, während nach sechs Monaten Myeolchigukjeot, eine Art Fischsoße, gewonnen wird. Für Jeotgal aus fermentierten Degenfischen (Galchijeot) werden ganze Degenfische über ein Jahr lang eingelegt, so dass die daraus entstehende Würze einen intensiven Braunton aufweist. Sie befördert den Gärungsprozess während der Kimchi-Herstellung. Dass je nach Region verschiedene Jeotgal-Sorten Verwendung finden, hängt damit zusammen, dass Kimchi als Alltagsgericht des kleinen Mannes mit Zutaten zubereitet wird, die lokal einfach zu besorgen sind. Jeotgal, dessen Zutaten je nach Region variieren, verhindert ein zu starkes Fermentieren des Kimchi und verleiht ihm eine tiefe und klare Geschmacksnote. Allerdings sollte man sparsam mit Jeotgal sein, um einen unangenehmen Fischgeruch zu vermeiden. Zutaten wie Knoblauch, Ingwer, Chilipulver usw. mildern den aufdringlichen Fischgeruch von Jeotgal, eine Hauptzutat für Gimjang-Kimchi (Kimchi, der vor Wintereinbruch als Vorrat eingelegt wird), ab. Außerdem werden auch auf Küstenfelsen wachsende Grünalgen hinzugefügt, die wegen ihres hohen Kalzium- und Phosphorgehalts nicht nur besonders gesund sind, sondern den Gimjang-Kimchi auch angenehm bissfest halten. In Goheung in der Provinz Jeollanamdo werden bei der Kimchi-Zubereitung neben den oben genannten grundlegenden Gimjang-Kimchi-Zutaten auch reichlich ortstypische Nahrungsmittel

Zu den Grundgewürzen für Kimchi gehören Salz und Jeotgal aus fermentiertem Fisch oder Meeresfrüchten wie Anschovis-, Degenfisch-, Gelbfisch- oder Garnelen-Jeotgal. Jeotgal befördert die Geschmacksbildung und sorgt für Proteine, Kalzium und Fett, die in den Gemüse-Zutaten nicht enthalten sind, und als alkalische Nährstoffe die Blutsäure neutralisieren.


© Kimchi Gyeonmunnok , Designhouse

wie Austern und Archenmuscheln hinzugegeben, um Kimchi mit dem Duft frischer Meeresfrüchte herzustellen. Und die Zitrusfrucht Yuja (Citrus Junos; japanisch: Yuzu) wird verwendet, um dem Kimchi über die pikante Geschmacksnote hinaus den zarten Duft der Yuja-Frucht zu verleihen. In der an der Ostküste in der Provinz Gangwon-do gelegenen Stadt Donghae kann man auch Kimchi mit TintenfischStreifen kosten. In den Ostküstengebieten wird während der Hochsaison des Tintenfischfangs Kimchi aus in dünne Streifen geschnittenem Rettich und Tintenfisch zubereitet. Diese Kimchi-Art bereitet beim Kauen des gummiartigen Tintenfischfleischs und des knackigen Rettichs eine besondere Gaumenfreude. Der Bossam-Kimchi von Gaeseong

(Nordkorea), der für seine optische Pracht und seinen natürlich-reinen Geschmack bekannt ist, wird mit über 35 Zutaten wie Äpfeln, Birnen, Pinienkernen, Jujuben, Gingkonüssen, Kraken, Seeohren usw. zubereitet. Kimchi aus Chinakohl (Baechu-Kimchi) wird in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang mit gesundheitsfördernden Pilzen wie Shiitaken oder Nabelflechten hergestellt, ist nicht salzig und enthält reichlich Brühe. Die Besonderheiten des Kimchi, die von Region zu Region stark variieren, traten mit den Fortschritten in Infrastruktur und Transport immer weiter in den Hintergrund, so dass man heutzutage unabhängig davon, wo man lebt, Kimchi fast nur noch nach den persönlichen Geschmacksvorlieben zubereitet. Vor

allem in und um die Hauptstadt Seoul, wo etwa 25% der gesamten Bevölkerung des Landes konzentriert ist, haben sich verschiedene Methoden der KimchiHerstellung, die die Zugezogenen aus allen Gebieten der Halbinsel mitgebracht haben, vermischt, so dass nun Kimchi anstatt lokaler Besonderheiten eine universale Geschmacksnote aufweist. Außerdem haben sich auch die Methoden für die Zubereitung von Jeotgal, ein maßgebliches Kennzeichen für die Bestimmung der regionalen Zugehörigkeit von Kimchi, vermischt, was es heutzutage schwierig macht, eine bestimmte Kimchi-Geschmacksnote einer bestimmten Lokalität zuzuordnen. Allerdings sind die lokalen Traditionen nicht völlig verloren gegangen, sondern werden weiter bewahrt. Winter 2008 | Koreana 19


Dongji-Kimchi © Institute of Korean Royal Cuisine

Jeolla-do Jeolla-do-Kimchi schmeckt intensiv scharf, salzig und wohlschmeckend würzig. In Jeollado wird bei der Kimchi-Zubereitung ein dünner Brei aus Reisstärke hinzugefügt, um dem Kimchi eine süßliche Note zu verleihen. Da Gewürze in reichlicher Menge verwendet werden, ist der Kimchi in dieser Gegend im Vergleich zum Kimchi anderer Gebiete schärfer und salziger. Der intensive Geschmack wird allerdings durch die Hinzufügung von Stärke-Brei aus Klebreis abgemildert und zugleich vertieft, was Jeollado-Kimchi in charakteristischer Weise von Kimchi anderer Regionen unterscheidet.

Chongak-Kimchi aus jungen Rettichen © Pulmuone Kimchi Museum

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Jejudo Auf Jeju-do, der am südlichsten gelegenen Insel Koreas, ist das Klima mild, weshalb dort auch nicht die Notwendigkeit besteht, GimjangKimchi als Vorrat für die Winterzeit einzulegen. Auf Grund der klimatischen Besonderheit gibt es auf der Insel Jejudo nur vergleichsweise wenige Kimchi-Sorten, die zudem für den zügigen Verzehr gedacht sind, so dass ihre Haltbarkeit begrenzt ist.

Die für Jeju-do repräsentativste KimchiSorte Dongji-Kimchi wird mit Chinakohlköpfen hergestellt, die noch zu Jahresanfang nach Lunarkalender (Ende Januar/Anfang Februar) auf den Feldern wachsen. Wenn der Chinakohl in Blüte schießt, wird er geerntet, eingesalzen, mit Anschovis-Jeotgal, Knoblauch und Chilipulver gut vermischt und kurze Zeit reifen gelassen. Der Geschmack ist entsprechend erfrischend und spritzig.

In Jeolla-do, einer Provinz, die vom Südund Ostmeer umgeben ist und in der die verschiedensten Arten von Meeresfrüchten und Jeotgal reichlich zur Verfügung stehen, wird Kimchi zwar auch mit Gelbfisch- und Garnelen-Jeotgal gewürzt, aber hauptsächlich mit Anschovis-Fischsoße. Kimchi in Jeolla-do wird mit großen Mengen von Chilipulver zubereitet und zuletzt mit Sesamkörnern und dünnen Kastanienscheiben garniert. Zu beachten ist dabei, dass das Chilipulver nicht direkt verwendet wird, sondern dass man das in einem Mörser fein zerstoßene Chilipulver mit reichlich Jeotgal mischt und diese im Voraus zubereitete Würzpaste erst später zusetzt.

Frischer, scharfer Gimjang-Kimchi, bitterer Godeulppaegi-Kimchi (Youngia SonchifoliaKimchi), Dongchimi (Kimchi aus jungen Rettichen in reichlich Brühe) aus Naju und Gat-Kimchi (Senfblätter-Kimchi) aus Haenam sind die bekanntesten Kimchi-Sorten der Provinz Jeolla-do.

Gyeongsang-do In den Küstenregionen am Südmeer wird bei der Kimchi-Zubereitung an Knoblauch und Chili nicht gespart, jedoch Ingwer in lediglich geringer Menge verwendet. Die Hauptzutat Chinakohl wird im Vergleich zu anderen Regionen intensiver gesalzen und die Salzbrühe danach herausgepresst. Anschließend wird Füllung mit reichlich Meeresfrüchte-Soße zwischen die einzelnen Kohlblätter gegeben und der Chinakohl ordentlich aufeinander gestapelt zum Reifen in ein Gefäß gelegt. Es ist typisch für Gyeongsang-do, dass bei der Kimchi-Zubereitung reichlich Jeotgal verwendet wird und zwar vor allem Anschovis-Jeotgal. Anschovis-Jeotgal nach Gyeong-

sang-do-Art ist nicht so trüb wie in Seoul, sondern besitzt einen klaren Rotton, da sie mit besonders gut gegorenen Anschovis hergestellt wird. Sie erinnert etwas an klare Sojasoße. Aekjeot, eine Soße aus fermentierten Meeresfrüchten, die auch als Myeoljang oder Eoja bekannt ist, wird in Gyeongsang-do neben Sojasoße auch für das Abschmecken von Gerichten aller Art verwendet. Auch frischer Degenfisch ist eine häufige Kimchi-Zutat, wobei der rohe, in kleine Stücke geschnittene und mit Chilipulver und Salz gewürzte Fisch hinzugefügt wird, wenn man die Zutaten der Kimchi-Füllung mischt.

Gul Kkakdugi: Rettich-Kimchi mit Austern © Institute of Korean Royal Cuisine


Kimchi im Süden der koreanischen Halbinsel ist rot, schmeckt intensiv und enthält kaum Flüssigkeit. Im mittleren Teil der Halbinsel enthält er mehr Flüssigkeit und weniger Chilipulver, was den Rotton weniger kräftig und den Geschmack saftiger macht. Kimchi in den nördlichen Regionen ist dafür bekannt, dass er reichlich Brühe enthält und natürlich und prickelnd frisch von Geschmack ist.

Gat-Kimchi aus Senfblättern ist eine beliebte Beilage in der Region Jeolla-do. Großzügige Mengen von Chilipulver sorgen für einen pikant-scharfen Geschmack, während das spezifische Aroma und der leicht bitter-stechende Geschmack der Senfblätter den Appetit anregen sollen. © Topic Photo

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Kkakdugi ist ein Kimchi für jeden Tag, für den große Rettiche in Würfel geschnitten werden. Im Herbst geernteter Rettich ist besonders süß und fest, was ihn ideal für die Zubereitung von Kkakdugi macht. In den Küstengebieten werden auch oft Austern hinzugefügt. © Topic Photo

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Chungcheong-do Im Vergleich zu den anderen Regionen des Landes schmeckt der Kimchi in Chungcheongdo milder und ist in der Zubereitung weniger aufwändig als der Kimchi von Seoul und der umgebenden Provinz Gyeonggi-do. Er wird mit Senfblättern, Wasserfenchel, Porree, fermentierten Chilis und Grünalgen (Grüner Leuchter: Codium fragile) zubereitet. Chinakohl und Rettich werden als Ganzes eingelegt, wobei zwischen die einzelnen Chinakohl- und Rettichschichten Salz ge-

Bossam-Kimchi: Chinakohl-Kimchi in Bündelform © Timespace

Gangwon-do Kimchi aus der Provinz Gangwon-do, wo bei der KimchiHerstellung statt Fischsoße eher der vor der Ostküste gefangene frische AlaskaPollack oder Tintenfisch eingesetzt wird, ist für seinen frischen Geschmack und sein Meeresfrüchte-Aroma bekannt. Bei der Zubereitung von Chinakohl-Kimchi wird

geben wird. Man legt gleich mehrere irdene Vorratstöpfe voller Kimchi ein. Seokbakji, für den Chinakohl und große Rettichstücke zu gleichen Teilen eingelegt werden, wird wie Kkakdugi (Kimchi aus Rettich-Würfeln) zubereitet, indem die Gemüse gut mit den Gewürzen vermischt und zuletzt mit Fischsoße abgeschmeckt werden. Verschiedene Sorten Gelbfisch-Jeotgal und Garnelen-Jeotgal werden am häufigsten verwendet. In der Provinz Chungcheong-do wird auch gerne ChonggakKimchi (Kimchi aus jungem Rettich) zubereitet, jedoch mit weniger Gewürzen als in Seoul, so dass er milder und erfrischender schmeckt.

Seoul / Gyeonggi-do Der Kimchi in Seoul und der umgebenden Provinz Gyeonggi-do spiegelt die Besonderheiten der Hauptstadtregion wider, wo ein Großteil der Bevölkerung des Landes konzentriert ist, und weist daher keine starke oder typische Geschmacksnote auf. Der Kimchi ist im Geschmack weder salzig noch fade, sondern quasi ein geschmacksmäßiger Kompromiss für den universalen Gaumen. In der Hauptstadtregion kann man alle möglichen Arten von Kimchi kosten, unter denen vor allem Seokbakji (Chinakohl-RettichKimchi mit Gelbfisch-Soße abgeschmeckt), Bossam-Kimchi (Chinakohl-Kimchi in Form von Bündeln), Chonggak-Kimchi (Kimchi aus jungem Rettich) und Kkakdugi (Kimchi aus Rettich-Würfeln) repräsentativ sind. Bekannt sind außerdem das Hofgericht

zwar wie in der mittleren Region des Landes Füllung zwischen die einzelnen Chinakohlblätter gegeben, in Gangwon-do besteht diese Füllung jedoch aus Tintenfischstreifen sowie getrocknetem und in kleine Stücke geschnittenem Alaska-Pollack. Diese Zutaten erhöhen den Kalzium- und Nährstoffgehalt des Kimchi. Typisch ist weiterhin, dass man in große Scheiben geschnittenen Rettich mit Chilipulver mischt und zwischen die einzelnen Chinakohlschichten legt.

Seokbakji: Kombination aus Kohl- und Rettich-Kimchi © Pulmuone Kimchi Museum

Jang-Kimchi (Kimchi eingelegt in Sojasoße), Sukkkakdugi aus gekochtem und mit Gewürzen gemischtem Rettich, Oi-Kimchi aus Gurken sowie Bineul-Kimchi aus Rettich, dessen Oberfläche mit dem Messer eingeritzt wird, so dass ein fischschuppenartiges Muster (Bineul: Schuppe) entsteht. Als Jeotguk, mit der der Kimchi abgeschmeckt wird, werden klare und milde Sorten wie Garnelen-Jeotguk und GelbfischJeotguk-Arten bevorzugt. Auch Frischfisch wie Alaska-Pollack, Degenfisch und Garnelen werden gerne hinzugefügt, was auf den Zustrom von Menschen aus den verschiedenen Regionen des Landes zurückzuführen ist. Anschovis-Jeotgal sind ebenfalls eine übliche Zutat.

Deodeok-Kimchi: Kimchi aus den Wurzeln der Codonopsis lanceolata, einem Glockenblumengewächs © Kimchi Gyeonmunnok , Designhouse

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© Institute of Korean Royal Cuisine

Pyeongan-do Typisch für Kimchi aus der nordkoreanischen Provinz Pyeongan-do ist, dass er viel Brühe enthält und relativ mild gewürzt wird. Chinakohl-Kimchi und Rettich-Kimchi werden getrennt eingelegt, hin und wieder aber auch gemeinsam und in irdenen Vorratstöpfen konserviert. Die Füllung für beide Kimchi-Sorten besteht aus in dünne Steifen geschnittenem Rettich, Lauch, Knoblauch, Ingwer, Chilipulver und in hauchdünne Streifen geschnittenen getrockneten Chilischoten, frischem Alaska-Pollack,

4Sunmumul-Kimchi:

Wasser-Kimchi mit Rüben © Institute of Korean Royal Cuisine

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man zu, indem man Kürbisscheiben und gesalzene Chinakohlstücke mischt, mit Salz abschmeckt und gären lässt. Hobak-Kimchi kann wie Kimchi-Jjigae (Kimchi-Eintopf ) auch gekocht serviert werden. Der Kimchi in Hwanghae-do, bei dessen Zubereitung von den verschiedenen MeeresfrüchteSoßen vor allem Garnelen-Jeotgal und Gelbfisch-Jeotgal verwendet werden, wird mäßig gewürzt und mit nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Brühe zubereitet, so dass er leicht wässrig ist.

frischem Degenfisch, frischen Muscheln und Garnelen. Abgeschmeckt wird mit Jeotgal aus jungem Degenfisch, Gelbfisch-Jeotgal und Garnelen-Jeotgal, wobei kaum Chilipulver verwendet wird. Im Gegensatz zur Provinz Hamgyeong-do, wo die Kimchi-Brühe aus Salzwasser zubereitet wird, fügt man in Pyeongan-do kalte, leicht gesalzene Rindfleischbrühe hinzu, bei der die Fettschicht, die sich beim Abkühlen auf der Oberfläche bildet, entfernt wird. Nachdem die Gewürze des Kimchi in die Brühe eingedrungen sind und diese so einen erfrischenden Geschmack erhalten hat, wird 3sie auch als Zutat für Naengmyeon (kalte Buchweizennudeln) verwendet. Unter den Spezialitäten von Pyeongan-do sind daher vor allem Naengmyeon-

Dongchimi (kalte Nudeln mit Kimchi aus jungem Rettich) und Baek-Kimchi (weißer Kimchi) bekannt.

Hamgyeong-do Kimchi in der nordkoreanischen Provinz Hamgyeong-do wird scharf, jedoch nicht salzig und mit reichlich Flüssigkeit zubereitet, so dass die Brühe nach angemessener Gärung ihren typisch frischen und leicht sauren Geschmack erhält. Bei Chinakohl-Kimchi, bei dessen Zubereitung die Würzfüllung5zwischen die einzelnen Chinakohlblätter gegeben wird, ist das Rot

der Gewürze nur hier und da sichtbar, wenn man den Kimchi zum Servieren schneidet. Außerdem wird Kimchi in Hamgyeong-do nicht mit Jeotgal gewürzt, sondern mit frischem Alaska-Pollack oder Butte gefüllt, die in Stücke geschnitten und mit Chilipulver vermischt werden.

© KnJ Entertainment

Hobak-Kimchi aus Kürbis

Hwanghae-do Hwanghae-do ist eine Provinz in Nordkorea, die wie Seoul, Gyeonggi-do und Chungcheong-do am Westmeer liegt und daher ähnliche klimatische Bedingungen wie diese aufweist. Deshalb sind auch Zutaten und Geschmack des dortigen Kimchi entsprechend ähnlich. Ein Unterschied ist allerdings, dass in Hwanghae-do Gewürze wie Bundi (Frucht des koreanischen Szechuanpfeffers Sancho) und Koriander verwendet werden, und zwar Bundi hauptsächlich bei der Zubereitung von HobakKimchi (Kürbis-Kimchi) und Koriander bei der von Baechu-Kimchi (ChinakohlKimchi). Hobak-Kimchi, ebenfalls eine Spezialität von Chungcheong-do, bereitet

Baek-Kimchi: Schwach gewürzter, weißer Chinakohl-Kimchi © Korea Agro-Fisheries Trade Corporation


Für Dongchimi werden ganze Rettiche oder große Rettichstücke kurz eingesalzen und mit viel Brühe eingelegt, was eine mildere Geschmacksnote ergibt. Der Kimchi wird im Winter in der Erde gelagert und wenigstens einen Monat reifen gelassen, bevor er serviert wird. © Timespace

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Kimchi Gaumenfreude für die ganze Welt Auf Grund des derzeit wachsenden Interesses an fermentierten Nahrungsmitteln, deren Wirkung gleichzeitig durch verschiedene Forschungsergebnisse belegt wurde, profiliert sich Kimchi auch im Ausland als gesundes Lebensmittel. Parallel dazu werden neue Gerichte auf Kimchi-Basis entwickelt, die auch für nicht-koreanische Gaumen bekömmlich sind. Erfahren Sie mehr über den Wandel und die Entwicklung von Kimchi. Nam Sang-won Leiter des Export Strategy Team, Korea Agro-Fisheries Trade Corporation

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s ist nun nicht mehr daran zu zweifeln, dass Kimchi weltweit als das repräsentativste Nahrungsmittel Koreas gilt. Auch wer Kimchi noch nie gekostet hat, denkt sofort daran, wenn von der koreanischen Küche die Rede ist. Koreanischer Kimchi wird derzeit in rund 40 Ländern konsumiert. Auf Grund des steigenden weltweiten Interesses hat Korea im Jahr 1994 mit der internationalen Standardisierung von Kimchi begonnen. Im Juli 2001 wurden auf der Generalversammlung der Codex Alimentarius Commission (CODEX) Standards für Kimchi festgelegt und aufgenommen, wobei Baechu-Kimchi (Chinakohl-Kimchi) als Maßstab gilt. Kimchi ist damit das erste traditionelle Gericht Koreas, das international offiziell anerkannt wurde, wodurch Korea auch seinen Status als ursprüngliches Herkunftsland des Kimchi gesichert hat. Danach wurde Kimchi international immer stärker zum Begriff und im März 2006 wurde er sogar von der amerikanischen Zeitschrift Health zu einem der fünf weltweit gesündesten Nahrungsmittel gekürt sowie im Februar 2008 als Astronautennahrung ausgewählt. Volumen des weltweiten Kimchi-Marktes In Südkorea werden pro Jahr 1,5 Millionen Tonnen Kimchi produziert und verbraucht. 70% davon, also rund eine Million Tonnen, sind Baechu-Kimchi. So beliebt ist diese repräsentativste und zugleich weltweit bekannteste KimchiSorte unter den Koreanern. Die restlichen 30% der jährlichen KimchiProduktion werden aus verschiedenen Gemüsearten wie Rettich, Gurken, Senfblättern und jungem Sommerrettich zubereitet. Das Volumen des koreanischen Kimchi-Marktes entspricht

Fusion-Gerichte, die Kimchi und französische Küche kombinieren, wie Waffeln, Pudding und Käse sind auf dem Global Food Marketplace (SIAL) in Paris zu sehen. © Korea Agro-Fisheries Trade Corporation

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nach Verbraucherpreis gerechnet rund fünf Billionen Won (rund fünf Milliarden Dollar). Die Zahl der koreanischen Kimchi-Hersteller beträgt etwa 600. Laut des Untersuchungsergebnisses der Korea Agro-Fisheries Trade Corporation (KATI) hat der Kimchi-Markt außerhalb Koreas einen Wert von rund einer Milliarde Dollar. Korea besitzt mit hundert Millionen Dollar rund 10% Marktanteil, wobei der Löwenanteil der Exporte nach Japan geht. Der japanische Kimchi-Markt wurde für das Jahr 2008 auf rund 6,6 Milliarden Yen geschätzt, der koreanische Anteil daran macht allerdings lediglich 20% aus. Es gibt etwa 300 japanische Kimchi-Unternehmen, darunter ca. 50, die ihre Produkte an die großen Distributionsunternehmen liefern. Dies beweist, dass der aus Korea nach Japan gebrachte Kimchi in Japan bereits zur Bildung eines eigenen Industriezweigs geführt hat. Außer in Japan hat sich Kimchi auch in Taiwan, den USA und China verbreitet. Das Marktvolumen in den einzelnen Ländern beträgt jeweils rund hundert Millionen Dollar. Der Marktanteil koreanischer Hersteller in Tawain und den USA beläuft sich aber lediglich auf

jeweils 10% bzw. 5%. China dagegen exportiert 95% Kimchi aus eigener Herstellung nach Korea und Japan. Der weltweite Kimchi-Markt wird von Jahr zu Jahr größer. Jedoch ist der Marktanteil von Korea äußerst gering, so dass sich Korea als Mutterland des Kimchi sogar klein vorkommt. Vermarktung von Kimchi koreanischer Herstellung In Korea finden jährlich große und kleine Kimchi-Festivals und Veranstaltungen statt. Darunter sind das Kimchi Love Festival , das in der Hauptstadt Seoul abgehalten wird, und das in der Provinzhauptstadt Gwangju stattfindende Gwangju Kimchi Festival am repräsentativsten. Auf diesen Veranstaltungen können die Besucher nicht nur etwas über die Kimchi-Entwicklung je nach Zeitalter, angefangen von der Zeit der Drei Königreiche (57 v.Chr.-668 n.Chr.) bis zur Joseon-Zeit (1392-1910), erfahren, sondern auch seltene bzw. hochwertige Kimchi-Sorten wie z.B. Kimchi der buddhistischen Tempel, der Ahnenverehrungszeremonie Jesa und der königlichen Hofküche kosten, die man im Alltag normalerweise kaum

Kommerzielle Kimchi-Herstellung

Der Chinakohl wird zugeschnitten, gewaschen und 20 Stunden in einer Lösung mit niedrigem Salzgehalt ziehen gelassen.

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Der gesalzene Chinakohl wird mechanisch und manuell mehrmals in Wasser gespült.

probieren kann. Außerdem werden auch Fusion-Gerichte aus Kimchi präsentiert, die weltweit auf jeden Esstisch passen, um die ausländischen Besucher für Kimchi zu interessieren und zu gewinnen. Auch auf den zahlreichen internationalen Nahrungsmittelausstellungen, die in Korea eröffnet werden, wird den Besuchern ohne Ausnahme Kimchi vorgestellt. Es geht dabei nicht nur um das Kosten und Ausstellen von Kimchi, sondern auch um die Vorstellung der Zubereitungsmethoden und Gerichte aus Kimchi. Es locken also verschiedene Erlebnisveranstaltungen, die Koreanern und ausländischen Gästen die Gelegenheit bieten, mehr über die Besonderheiten des Kimchi, die seinen Ruf begründen, zu erfahren. Auch die koreanische Regierung bemüht sich mit verschiedenen Maßnahmen darum, Kimchi international bekannter zu machen, indem sie z.B. Werbe- und Marketingstrategien erstellt, die den Kimchi-Export unmittelbar beeinflussen können. Das Ministerium für Nahrungsmittel, Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei hat im Jahr 2007 ein Projekt zur Internationalisierung des Kimchi auf den Weg gebracht.

© Hansung Food Coporation

Die einzelnen Kohlblätter werden sorgfältig geprüft.

Der Kohl wird mit einer Würzmischung aus fermentierten Meeresfrüchten, Chilipulver, Knoblauch und anderen Zutaten versehen.


© Kimchi Love Festival

Kimchi, ein fermentiertes Gericht aus verschiedenen Gemüsearten als Hauptzutat, passt gut zu den unterschiedlichsten Nahrungsmitteln und Speisen auf der Welt. Kimchi ist zudem ein hervorragendes Esskulturerbe mit einem hohen Potential, in anderen Kulturkreisen neue Formen und Geschmacksnoten anzunehmen, wodurch es auch die heimische Lebensmittelindustrie beleben könnte.

Als erstes Ergebnis wurde ein Kochbuch mit 300 standardisierten Rezepten veröffentlicht, die jeder leicht nachkochen kann. Das Buch enthält 14 traditionelle Kimchi-Rezepte. Für die Bekanntmachung des Kimchi wird auch das Internet vielseitig genutzt. Die meisten diesbezüglichen OnlineInformationen finden sich dabei auf der Seite der Korea Agro-Fisheries Trade Corporation (KATI) www.kimchi.or.kr. Dort finden sich ausführliche Tipps wie z.B., dass man bei der Zubereitung von Chonggak-Kimchi (Kimchi aus jungem Rettich) Klebreisbrei aus drei Bechern Wasser und vier Esslöffeln Klebreis hinzufügen sollte oder dass es am idealsten ist, die eingesalzenen Gemüse drei bis vier Stunden ziehen zu lassen. Außerdem werden auch verschiedene Rezepte für Gerichte aus Kimchi wie KimchiShabu-Shabu (eine Art Fondue) oder Kimchi-Tortillas vorgestellt. Für die PR-Aktivitäten werden auch die herkömmlichen Medien genutzt, so werden z.B. im Ausland TV-Sondersendungen über Kimchi ausgestrahlt, was äußerst erfolgreich ist, da man den Zielmarkt auf diese Weise aus mehreren Richtungen erreichen kann. Der Kimchi-Boom in Japan entstand

beispielsweise zum großen Teil dadurch, dass in TV-Sendungen die kosmetische und vitalisierende Wirkung des Kimchi vorgestellt und betont wurde. Derzeit sind nachhaltige Anstrengungen im Gange, um aus dem Kimchi-Boom einen Boom für alle fermentierten Nahrungsmittel Koreas wie Doenjang (Sojabohnenpaste) und Gochujang (rote Chilipaste) zu machen. Überdies werden auch diverse Maßnahmen wie Verkaufsförderungsaktionen in Zusammenarbeit mit großen Distributionsunternehmen im Ausland entwickelt, um verschiedene Märkte wie z.B. Russland und Südostasien zu erschließen und den bislang auf Japan konzentrierten Kimchi-Exportmarkt auszubauen. Standardisierung des Kimchi Kimchi wird je nach den Geschmacksvorlieben der einzelnen Familien und Regionen mit unterschiedlichen Jeotgal (fermentierte Fische oder Meeresfrüchte) zubereitet, deren Mengenbemessung zudem nicht einheitlich ist. Auch ergeben sich vielfältige Geschmacksvarianten je nach dem, welche Gewürze man verwendet. Der scharfe Geschmack des Chilipulvers und die saure Note, die durch die Fermentierung entsteht, sind

Die Gattinnen der ausländischen Botschafter in Korea präsentieren ihre Kimchi-Fusion-Gerichte auf dem 2008 Kimchi Love Festival, das im Volkskundedorf Namsangol in Seoul abgehalten wurde.

sehr wichtig für den Geschmack des Kimchi. Da der Geschmack von verschiedenen Einzelkomponenten abhängig ist, sind Farbe und Geschmack bei jeder Zubereitung etwas anders, was es bei der Vermarktung schwierig macht, den individuellen Geschmack und die Erwartungen des Verbrauchers vollständig zu befriedigen. Dieses Problem lässt sich allerdings lösen, wenn man im Voraus Schärfe- und Fermentierungsgrad genau bestimmen kann. Hierin liegt der Grund, warum die Standardisierung des Kimchi notwendig war. Die koreanische Regierung hat diese Notwendigkeit erkannt und nach jahrelangen Forschungen einen Vorschlag zur Standardisierung von Schärfe- und Fermentierungsgrad vorgelegt. In diesem Vorschlag wird die Schärfe je nach Anteil von Capsaicin, das den scharfen Geschmack verursacht, und Intensität der Schärfe (nach Scoville-Skala) in fünf Kategorien eingeteilt: „mild, etwas scharf, normal scharf, scharf, sehr scharf.“ Der Fermentierungsgrad verändert sich nach der Fertigung des Kimchi im Laufe der Zeit ständig. Heutzutage ist jedoch mit dem Einsatz der entwickelten Niedrigtemperatur-Konservierungstechnik bei Distribution und Verkauf Winter 2008 | Koreana 29


© Kimchi Love Festival © Kimchi Love Festival

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© Lim Dong-jun

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© Hansung Food Coporation

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das Management dieser Prozesse einfacher geworden. Der Fermentierungsgrad wird anhand der Konzentration des Wasserstoffions (pH-Grad) und des Gesamtsäuerungsgrads in die drei Stufen „noch nicht reif, angemessen reif und überreif“ eingeteilt, um den sauren Geschmack genau identifizierbar zu machen. Den Verbrauchern ist es so möglich geworden, sich je nach Schärfe und Fermentierungsgrad für eine Sorte unter verschiedenen Kimchi mit insgesamt 15 unterschiedlichen Geschmacksnoten zu entscheiden. Die Standardisierung der Schärfe und des Fermentierungsgrads wird die Basis dafür schaffen, für Kimchi als repräsentativstem Gericht Koreas im In- und Ausland neue Verbrauchergruppen zu erschließen. Es wird erwartet, dass die Kimchi-Standardisierung der internationalen Verbreitung und der Entwicklung der Kimchi-Industrie zum Durchbruch verhelfen kann. Kimchi-Fusion-Gerichte Der beste Weg, Menschen aus anderen Ländern, die mit dem KimchiGeschmack nicht vertraut sind, Kimchi auf natürliche Weise näher zu bringen, ist, je nach Land Fusion-Gerichte auf Kimchi-Basis zu entwickeln und verschiedene Kimchi-Produkte vorzustellen. Diesbezügliche Bestrebungen laufen derzeit in- und außerhalb Koreas auf vollen Touren. Die Kombination aus Kimchi und westlicher Küche ist bereits für viele eine beliebte Gaumenfreude. Gerichte wie Spaghetti, Gratins und Tortillas, die mit Käse, der repräsentativsten fermentierten Zutat der westlichen Küche, zubereitet werden, verlieren in Kombination mit Kimchi ihren dicken Geschmack und erhalten eine leichtere, bekömmlichere Note. Darüber hinaus gibt es auch Kimchi-Fusion-Gerichte wie Kimchi-Reis-Kroketten, Kimchi-Frühlingsrollen, Tofu-Kimchi-Hamburger usw. Würde man Kimchi als Soße nutzen, würde die Zahl der Kimchi-basierten Gerichte stark ansteigen. Dank der Be-

mühungen der professionellen Ernährungswissenschaftler erscheinen bereits neue Kimchi-Varianten mit völlig neuen Geschmacksnoten, Formen und Farben auf dem Markt, weshalb sich auch die gängige Vorstellung von Kimchi ändert. Als Beispiel könnte man hier WellbeingKimchi wie Brokkoli-Kimchi, ObstKimchi und Ginseng-Kimchi aufzählen, zudem exotisch anmutende KimchiProdukte wie Kimchi-Schokolade, Kimchi-Kuchen und Kimchi-Pudding. Nicht nur in Korea, sondern auch außerhalb des Landes erfährt Kimchi verschiedene Metamorphosen. In Japan, wo der Bekanntheitsgrad von Kimchi am höchsten ist, wurde Kimchi mit traditionellen japanischen Gerichten zu völlig neuen Speisen fusioniert. So kann man in vielen Restaurants KimchiFusion-Gerichte wie Kimchi-Norimaki, Kimchi-Sushi, Kimchi-Soba, KimchiMisoshiru, Kimchi-Nabe und KimchiAal-Eintopf auf der Speisekarte finden. Da die Entwicklung von Gerichten mit Kimchi kontinuierlich voranschreitet, ist zu erwarten, dass ihre Zahl auch weiterhin ansteigen wird. Bemerkenswert ist auch, dass in der französischen Kochschule Le Cordon Bleu, eine der anerkanntesten Kochschulen der Welt, Rezepte entwickelt wurden, die eine Kombination aus französischer Küche und Kimchi aufweisen. Es wurden 20 verschiedene französische Kimchi-Gerichte wie z.B. fritierter Kimchi-Camembert, Kimchi-Lachs-Canneloni und Kimchi-Blumenkohlsuppe entwickelt. Die Rezepte wurden in einem Buch veröffentlicht, das in den 26 Le Cordon Bleu Schulen in 15 Ländern als Lehrbuch eingesetzt wird. Die Entwicklung von Kimchi mit Wirkung bei verschiedenen Krankheiten ist ebenfalls im Gange. Das Korea Food Research Institute treibt die diesbezügliche Forschung und Entwicklung in Kooperation mit Forschungsteams koreanischer Universitäten unermüdlich voran. Im November 2007 wurde die Entwicklung einer Kimchi-Sorte bekannt gegeben, die dreimal so viel


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S-adenosylmethionine (SAM), einen physiologischen Aktivierungsstoff, enthält als normaler Kimchi. S-adenosylmethionine ist ein in Lebewesen entdeckter natürlicher Stoff, der dafür bekannt ist, die Leber zu entgiften und heilende Wirkungen bei Depressionen, durch Gehirnerkrankungen verursachte Erwachsenenkrankheiten, Demenz, Gelenkentzündung, Cholesterinproblemen usw. zu besitzen. Im März 2008 wurde auch eine Kimchi-Variante vorgestellt, deren Gehalt an GammaAminobuttersäure (GABA) erhöht wurde. GABA, eine Art Aminosäure, die als Nervenbotenstoff fungiert, aktiviert den Blutkreislauf des Gehirns, beseitigt Stress, stärkt die Gedächtniskraft, senkt den Blutdruck, verringert Depressionen und hilft bei Schlafstörungen. Die internationale Verbreitung von Kimchi Der internationale Kimchi-Markt wird weiterhin wachsen. Das bedeutet aber auch, dass der Erwartungsgrad der Verbraucher weltweit umso höher steigt, je bekannter Kimchi wird. Um diese Erwartungen zu befriedigen, müssen diversifiziertere Kimchi-Produkte sowie

Kimchi-Rezepte entwickelt werden. Es ist zwar äußerst wichtig, die traditionellen Kimchi-Rezepte zu hüten, aber es sollte auch unablässig danach gestrebt werden, Kimchi im Namen der internationalen Verbreitung weiter zu entwickeln und zu verbessern. Es ist z.B. notwendig, für diejenigen, die den scharfen Gemschack und den Fermentierungsgeruch des Kimchi nicht mögen, durch Forschung und Entwicklung verschiedene Kimchi-Sorten zu präsentieren, die milder sind und erfrischend und süß-sauer schmecken. Dadurch können Menschen überall auf der Welt Kimchi leichter kennen lernen und aus einem breiteren Angebot auswählen. Kimchi ist ein hervorragendes Esskulturerbe, mit einem hohen Potential, in anderen Kulturkreisen neue Formen und Geschmacksnoten anzunehmen, wodurch es auch die heimische Lebensmittelindustrie beleben könnte. Kimchi passt zudem gut zu den unterschiedlichsten Nahrungsmitteln und Speisen auf der Welt und es ist die Aufgabe und zugleich das Recht des KimchiUrsprungslands Korea, neue KimchiRezepte zu entwickeln und die KimchiKultur weiterzuentwicklen.

1 Zu den neuen Fusion-Gerichten mit Kimchi gehört auch dieser Kuchen. 2 Pudding mit Kimchi-Extrakt 3 Schokolade mit Kimchi-Geschmack ist bei den Besuchern von Duty-free Shops besonders beliebt. 4 Brokkoli-Kimchi, entwickelt von der Hansung Food Corporation, wurde im April 2007 auf der 35th International Exhibition of Inventions, New Techniques and Products mit zwei Preisen ausgezeichnet. 5 Internationale Chefköche präsentieren ihre Kimchi-Fusion-Gerichte auf einer Werbeveranstaltung, die in Kooperation mit Le Cordon Bleu, einer der renommiertesten Kochschulen der Welt, veranstaltet wurde.

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FOKUS

XXII. Weltkongress der Philosophie: WCP 2008 Olympiade der Philosophie in Seoul Der 22. Weltkongress der Philosophie wurde eine Woche lang, vom 30. Juli bis zum 5. August 2008, in Seoul veranstaltet. Rund 2.600 Philosophen aus ca. 100 Ländern diskutierten rege in 479 Sitzungen und präsentierten an die 1.700 wissenschaftliche Arbeiten über die verschiedensten philosophische Themen. An der Seoul National University fand im wahrsten Sinne des Wortes ein Mega-Feuerwerk der Gedanken statt.

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Lee Myung-hyun Ehrenprofessor für Philosophie, Seoul National University, Vorsitzender des koreanischen Organisationskomitees des Weltkongresses der Philosophie 2008 Fotos: Korea Philosophy Association

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er 22. Weltkongress der Philosophie wurde vom 30. Juli bis zum 5. August 2008 in Seoul ausgerichtet. Der erste Weltkongress der Philosophie wurde im Jahr 1900 in Paris veranstaltet und seitdem findet diese größte Zusammenkunft der internationalen Philosophiekreise alle fünf Jahre statt. Einhundert Jahre lang wurde diese Olympiade der Philosophie hauptsächlich in verschiedenen europäischen Ländern abgehalten, es war in diesem Jahr das erste Mal, dass sie in Asien eröffnet wurde. Korea konkurrierte auf dem 21. Weltkongress der Philosophie, der in Istanbul in der Türkei stattfand, mit Griechenland,

der Wiege der westlichen Philosophie, und konnte sich dort die Austragung des nächsten Kongresses sichern. Die Entscheidung für Seoul war nicht nur eine räumliche Verlagerung von West nach Ost, der Kongress brachte auch inhaltlich westliche und östliche Philosphie unter dem passenden Motto „Weltphilosophie“ zusammen. Es ist eine Tatsache, dass im landläufigen Verständnis bislang „Philosophie“ mit „westlicher Philosphie“ gleichgesetzt wurde. Vor diesem Hintergrund machte der WCP 2008 in Seoul klar, dass das fernöstliche Gedankengut eine grundlegende Komponente der Weltphiloso-

1~2 An der am 30. Juli 2008 abgehaltenen Eröffnungszeremonie des XXII. Weltkongresses der Philosophie hielten Lee Myung-hyun, der Vorsitzende des koreanischen Organisationskomitees des Kongresses, und Peter Kemp, Präsident des Weltverbandes der Philosophischen Gesellschaften (FISP), eine Ansprache. 32 Koreana | Winter 2008

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1 Cho Kah Kyung von der State University of New York, eine der führenden Autoritäten auf dem Gebiet der Phänomenologie, nahm am Weltphilosophenkongress in Seoul teil.

2 Professor Allan Gibbard von der University of Michigan gilt als einer der herausragendsten Ethiker von heute.

3 Professor Vittorio Hösle von der University of Notre Dame betonte die Notwendigkeit für eine erneute Betonung der kritischen Vernunft.

phie ist. Dies spiegelte sich auch direkt darin wider, dass zum ersten Mal in der Kongressgeschichte Sektionen zu Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus eingerichtet wurden. Bis heute ist es Realität, dass die Studiengänge für Philosophie, die an den westlichen Universitäten angeboten werden, kaum Veranstaltungen zur östlichen Philosophie im Curriculum vorsehen. Wenn man diese Umstände bedenkt, bot der WCP 2008 in Seoul die Gelegenheit zu einem „Treffen von östlichen und westlichen Gedanken“ und stellte einen Wendepunkt in der philosophischen Strömung hin zur Ausbalancierung von westlicher und östlicher Philosophie dar.

Ausbalancieren von westlicher und östlicher Philosophie Auf dem 22. Weltphilosophenkongress in Seoul waren die USA mit 174 Teilnehmern am stärksten vertreten, gefolgt von Russland (166), Japan (134), China (126), Indien (64), Deutschland (53) usw. Besonders auffallend war die hohe Zahl von Philosophen aus Asien. Das Wort „Philosophie“ kommt von dem griechischen Wort „Philosophia“, das 34 Koreana | Winter 2008

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4 Professor Timothy Scanlon von der Harvard

„Liebe zur Weisheit“ bedeutet. Als das Wort entstand, gab es noch keine Teilung in einzelne Wissenschaftsdisziplinen, weshalb Philosophia alle theoretischen Disziplinen umfasste. Erst mit der Neuzeit begann die Verzweigung in einzelne Wissenschaftsbereiche und es wurden in jedem Bereich eigene Forschungen vorangetrieben, so dass letztendlich die einzelnen Fachrichtungen entstanden, wie sie heute an den Universitäten angeboten werden. Dieser Teilungsprozess in verschiedene Wissenschaften brachte unweigerlich verschiedene Veränderungen innerhalb der Philosophie mit sich. Aber trotzdem beruht die philosophische Forschung nach wie vor - auf der Basis einer umfangreichen, fundamentalen und kritischen Methodologie - auf dem Studium des grundlegenden Wesens von Mensch und Welt. Die menschliche Zivilisation steht derzeit vor einem großen Wendepunkt. Bislang hat der Mensch verschiedene Beziehungen mit der Natur geknüpft und sein Leben innerhalb dieses Rahmens verändert. Die Art und Weise, wie der Mensch sich in Bezug zur Natur setzt, hat vielfache Veränderungen erfahren, die

University, ein Ethiker und Politikphilosoph, konzentriert sich auf die Erforschung zwischenmenschlicher Beziehungen.

5 Peter Kemp, Präsident des Weltverbandes der Philosophischen Gesellschaften (FISP)

den Wandel von der Argrarzivilisation zur Industriezivilisation umfassen. Entsprechend erschien auch die Philosophie in unterschiedlichen Formen. Das Motto des diesmaligen Weltkongresses der Philosophie war „Überdenken der Philosophie von heute“. Die Menschheit steht am Scheideweg, weshalb das philosophische Erbe nochmals überprüft und über die Notwendigkeit einer neuen Blaupause für die zukünftige Richtung der Menschheit nachgedacht werden muss. Die Erfolge des Kongresses sind natürlich nicht sofort konkret mit den Händen als Dokumente greifbar. Die diesmalige Veranstaltung war aber insofern bedeutsam, als dass man Betrachtungen über die kommende neue Zivilisation angestellt hat und eine Gelegenheit geboten wurde, im Hinblick darauf noch einmal den grundlegenden Rahmen menschlichen Denkens neu zu justieren.

Wichtige Diskussionspunkte und Philosophen Die Vorträge des 22. Weltkongresses der Philosophie waren in folgende vier Hauptsektoren unterteilt: „Überdenken von Moralphilosophie, Sozialphilosophie und


politischer Philosophie“, „Überdenken von Methaphysik und Ästhetik“, „Überdenken von Erkenntnistheorie, Wissenschaftsphilosophie und Technikphilosophie“ und „Überdenken von Philosophiegeschichte und Vergleichender Philosophie“. Außerdem unterteilte man nochmals in folgende fünf Themen: „Konflikt und Toleranz“, „Globalisierung und Kosmopolitanismus“, „Bioethik, Umweltethik und die zukünftigen Generationen“, „Tradition, Modernismus und Postmodernismus“ und „Philosophie in Korea“. Zu den einzelnen Themen wurden Symposien mit prominenten Vertretern des jeweiligen Bereichs sowie Vorlesungen, Tischrunden usw. veranstaltet, in denen die neuesten akademischen Trends und Diskussionsthemen vorgestellt wurden. Die Teilnehmerliste las sich sehr international: Vittorio Hösle, der weltbekannte deutsche Philosoph und Professor an der University of Notre Dame in Indiana/USA; Timothy Williamson, eine Größe der amerikanischen und britischen Literatur aus England; Judith Butler, Professorin an der University of California, Berkeley, die eine entscheidende Rolle für die Entwicklung des modernen Feminismus gespielt hat

und als eine der größten Theoretikerinnen des Feminismus gilt; Jaegwon Kim, Professor an der Brown University in Amerika und eine weltweit anerkannte Autoriät in der Metaphysik; Tanella Boni, Professorin an der Universität Cocody in der Elfenbeinküste, die die afrikanische Kunst und Kultur weltweit bekannt gemacht hat usw. Insgesamt nahmen ca. 2.600 Philosophen aus rund 100 Ländern teil und etwa 1.700 wissenschaftliche Arbeiten wurden vorgestellt. Alain Badiou, der einen Vortrag über das Thema „Überdenken von Philosophiegeschichte und Vergleichender Philosophie Tradition, Kritik und Dialog“ hielt, ist einer der einflussreichsten Philosophen der modernen Philosophie in Frankreich. Slavoj Zizek bezeichnete ihn einmal als den größten Philosophen nach Jacques Derrida und Gilles Deleuze. Badiou, der auch einen Doktortitel in Mathematik besitzt, wird im Philosophenkreisen verehrt, weil seine Gedankensysteme ein breites Spektrum verschiedener Disziplinen erfassen wie Mathematik, Politik, Religion, Dramen im Kunstbereich usw. Peter Sloterdijk, der als „Nietzsche des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet wird, ist ein Philosoph, der

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weltweit Aufmerksamkeit auf sich zieht, weil er mit gewagten neuen Theorien die herkömmlichen Ikonen der Philosophie herausfordert. Sein 1983 erschienenes Werk Kritik der zynischen Vernunft ist das meistverkaufte, auf Deutsch verfasste Philosophiebuch nach dem 2. Weltkrieg. Weitere Teilnehmer, die den Diskussionen noch mehr Tiefe und Umfang verliehen, waren Luc Ferry, der unter der ChiracRegierung z weimal hintereinander Bildungsminister war und als einer der repräsentativsten modernen Politikphilosophen Frankreichs gilt, sowie Jaegwon Kim, ein renommierter Professor an der amerikanischen Brown University.

Großer Schritt zu Versöhnung und Kommunikation Die Gedankenwelt der Menschheit – und hier insbesondere die westliche Philosophie - hat in den vergangenen 2.500 Jahren hartnäckig an der Präsenz des „Absoluten“ festgehalten. Aber in letzter Zeit kommt das Bewusstsein auf, dass der Mensch unfähig ist, dieses „Absolute“ zu fassen, was viele in Hoffnungslosigkeit und Nihilismus gestürzt hat. Dieses psychische Pendeln zwischen Winter 2008 | Koreana 35


1 Verlage aus verschiedenen Ländern veranstalteten im Rahmen des Weltkongresses eine Ausstellung von Neuerscheinungen.

2 Professor Timothy Scanlon hält eine Rede auf dem von der Stadt Seoul am 4. August veranstalteten Kongress-Bankett.

3 Die Abschlusszeremonie des 22. Weltkongresses der Philosophie am 5. August 2008.

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den Extremen des „Absoluten“ und des „Nichts“ beherrscht die Gedanken der Menschheit. Was für eine Existenz hat der Mensch innerhalb des Universums? Dieser Weltkongress der Philosophie war eine Gelegenheit, den Platz des Menschen im Universum noch einmal zu überprüfen und einen Rahmen zu schaffen, der dem Leben des Menschen genau entspricht. Auch bot er denjenigen, die sich um das Heute und Morgen der Menschheit sorgen, eine Gelegenheit, philosophische Aufgaben zu lösen. Die jetzige Menschheit steht vor der zivilisationsgeschichtlichen Herausforderung, ob der Mensch auch weiterhin auf dem Planeten Erde leben kann oder nicht. Mit anderen Worten: Die Menschheit ist nicht nur in der integrativen Kommunikation mit der Natur am Scheitern, sondern auch in der Kommunikation mit anderen, weil die Kluft zwischen den verschiedenen Kulturkreisen zu tief ist, so dass letztendlich die Zivilisation der ganzen Weltgemeinschaft gefährdet ist. Wir müssen uns bemühen, uns mit der Natur zu versöhnen und einen Weg zu finden, durch Förderung einer inte grierenden Perspektive und geistigen 36 Koreana | Winter 2008

Offenheit mit anderen zu kommunizieren, die innerhalb der Barrieren der Kultur eingeschlossen sind. Wenn der Weltkongress der Philosophie die verschiedenen Probleme, denen wir uns gegenübersehen, bewusst gemacht und eine Gelegenheit geboten hat, die Samen der Reflektion zu säen, die den notwendigen neuen Denk- und Handlungsrahmen hervorbringen können, dann kann das als das wertvollste Ergebnis des WCP 2008 bezeichnet werden. Wenn das Herz nicht frei von Arroganz und Gier ist, kann keine neue und nachhaltige Zivilisation geboren werden und der Samen der neuen Philosophie kann nicht gedeihen. Die Denker und Philsophen von heute müssen sich Gedanken darüber machen, auf welche Weise sie bei der Geburt einer neuen Zivilisation, in der die Menschen auf friedliche Weise miteinander kommunizieren, behilflich sein können. Eine neue Zivilisation benötigt eine neue Philosophie. Der Weltphilosophenkongress in Seoul bot eine wertvolle Gelegenheit, darüber nachzusinnen, wie wir auf die Herausforderungen der Zivilisation reagieren sollten.

Der 22. Weltkongress der Philosophie, der in Seoul eröffnet wurde, ist ein bedeutsames Ereignis, weil er zum einen die Gelegenheit zu einem „Treffen von östlichen und westlichen Gedanken“ bot und zum anderen damit einen Wendepunkt in der philosophischen Strömung darstellte, deren Schwerpunkt bislang auf der westlichen Philosophie lag: in Seoul kam es zu einer Ausbalancierung zwischen westlicher und östlicher Philosophie.


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INTERVIEW

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Dichter Ko Un „Ich bin meine Zukunft“ Der Lyriker Ko Un, der zwei Mal für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen wurde, ist ein glücklicher Schriftsteller, der in der ganzen Welt Anerkennung und Beliebtheit genießt. Er ist zwar schon über 70, doch er wagt es, die Zeit herauszufordern und nach einem neuen Objekt des Widerstands und Kampfs zu suchen; dabei sind seine Werke immer noch voller jugendlicher Frische und Leidenschaft. Choi Jae-bong Literaturjournalist, Tageszeitung The Hankyoreh Fotos: Ahn Hong-beom

Der Dichter Ko Un verbringt einen großen Teil seiner Zeit in der Bibliothek seines Hauses, das in dem ruhigen Städtchen Anseong in der Provinz Gyeonggi-do liegt. Winter 2008 | Koreana 39


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m 10. September 2008 fand in der Cultural Center Gallery der Korea Foundation eine ganz besondere Veranstaltung statt: Eine Rezitation, bei der ausländische Diplomaten die Gedichte des koreanischen Schriftstellers Ko Un in ihrer jeweiligen Muttersprache vorlasen. An dieser Veranstaltung, die die Seoul Literary Society unter Leitung des schwedischen Botschafters Lars Vargö organisiert hatte, nahmen die Botschafter von Schweden, Kolumbien, Tschechien, Irland, Israel, Italien, Mexiko, Katar, der Schweiz und der Türkei teil und rezitierten jeweils zwei bis vier Gedichte von Ko Un.

Der weltweit beliebte koreanische Poet Lars Vargö, Präsident der Seoul Literary Society, der im Jahr 2006 Ko Un anlässlich der Gründungszeremonie der Gesellschaft zu einem Literturvortrag eingeladen hatte, eröffnete die Rezitationsveranstaltung mit folgenden Worten: „Die Gedichte des Poeten Ko Un liegen natürlich auch in englischer Übersetzung vor, doch heute werden sie nicht in Englisch, sondern in zehn verschiedenen Sprachen vorgetragen, damit Sie sehen können, wie sehr sein poetisches Werk von der ganzen Welt geliebt wird.“ Der kolumbische Botschafter und sein mexikanischer Amtskollege trugen die Gedichte auf Spanisch vor, aber da der schweizerische Botschafter Französisch und Deutsch spricht und daher in beiden Sprachen rezitierte, wurden die Gedichte in insgesamt zehn Sprachen vorgetragen. Besonders erwähnenswert ist, dass der irländische Botschafter die Gedichte Supe Deureogaseo (Im Wald ) und Sudongine Jebi (Sudongs Schwalben ) in der irischen Landessprache Gaeilge vortrug, was mit großem Applaus bedacht wurde. Parallel zu den Rezitationen fand am Veranstaltungsort auch eine Ausstellung statt, in der selbst gemalte Bilder des Dichters zu sehen waren. Die Ausstellung mit dem Titel Verben malen (Drawing of the Verbs ) gedachte des 50. Jubiläums seines dichterischen Schaffens. Ko Un gab zur Feier dieses Anlasses die neue Gedichtsammlung Heogong (Der leere Himmel ) heraus. Bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung dieses neuen Werks erläuterte er seine Gefühle: „Jedes Mal, wenn ich einen neuen Gedichtband publiziere, kommt es mir so vor, als ob ich gerade als Dichter geboren worden sei, es ist quasi jedes mal wie eine Hochzeitsnacht. Ich befreie mich von der modernen koreanischen Poesie mit ihrer 100-jährigen Tradition und empfinde sogar meine Muttersprache, mit der in den letzten 50 Jahren Art und Weise meines Ausdrucks schicksalhaft verbunden waren, wie eine neue Fremdsprache.“

Unendlicher Durst nach Neuem Seine Geisteshaltung, auf alles Gewöhnte und Bequeme zu verzichten und immer Erneuerung und Neugeburt anzustreben, ist die zentrale Antriebskraft, die Ko Un zu dem gemacht hat, was er heute ist. Seine literarische Welt, die vom nihilistischen Ästhetizismus zu Beginn seiner dichterischen Laufbahn über das politische Engagement in der mittleren Schaffensphase schließlich in die meditative Welt der vollständig harmonischen Einheit vor40 Koreana | Winter 2008

stieß, bleibt auch an diesem Punkt nicht länger stehen, sondern wandelt und entwickelt sich auch heute weiter. In der Einführung seiner Sammlung Neujeun Norae (Späte Lieder ) von 2002 schrieb er: „Ich bin meine Zukunft“. Mit diesem Satz äußerte Ko Un seine Entschlossenheit, nicht als „Ich“ der Gegenwart stehen zu bleiben, sondern sich unablässig auf das „Ich“ der Zukunft, das noch nicht ist, zuzubewegen. Es gibt noch einen weiteren, viel älteren berühmten Ausspruch von ihm: „Ich trage mehr zum Verschwinden als zum Schöpfen.“ Dies wird zwar allgemein als Ausdruck der Weltsicht seiner nihilistischen Schaffensperiode interpretiert, doch man sollte es eher als seine Willensäußerung verstehen, sich auf der Basis des Verzichts von bereits Errungenem für den Aufbau von etwas Neuem einsetzen zu wollen. Salsaeng (Töten)

Erstecht Eltern! Erstecht Kinder! Erstecht jeden, Und alles andere auch. Macht alles nieder mit der scharfen Klinge der Finsternis. Am Morgen danach Sind Himmel und Erde bedeckt von Totem. Es wird unsere Aufgabe sein, Es einen ganzen Tag lang zu begraben Und darauf eine neue Welt zu schaffen. Das Gedicht Salsaeng (Töten ) aus dem Sammelwerk Munuimaeure Gaseo (In dem Dorf Munui ) aus dem Jahr 1974 stellt in Essenz Ursprung und Richtung von Ko Uns Nihilismus dar. In den Zeiten des Koreakriegs, als überall Mord und Zerstörung herrschten, erlitt Ko Un einen schweren psychischen Schock und beschloss, der Welt und allen menschlichen Bindungen zu entsagen und ein buddhistischer Mönch zu werden. Es war das Jahr 1952, als er sich auf diesen Weg aufmachte. Die erste Zeile „Erstecht Eltern! Erstecht Kinder!“ erinnert an die charakteristische Lehre des Zen-Buddhismus: „Triffst du den Stifter einer Religion, so töte den Religionstifter; triffst du Buddha, so töte Buddha.“ Aber die letzte Zeile „eine neue Welt zu schaffen“, die nach den vorausgehenden Zeilen einen neuen Vers bildet, erklärt, dass Nichts und Zerstörung nichts anderes als der Entschluss zum Aufbau einer neuen Welt bedeuten. Es ist nicht zu leugnen, dass die Selbstverbrennung des 22-jährigen Gewerkschaftsaktivisten Jeon Tae-il, der 1970 mit dieser tödlichen Protestaktion auf die Lage der Arbeiter hinwies, die zu niedrigen Löhnen unter unmenschlichen Bedingungen schufteten, Ko Uns literarische Welt und Weltauffassung grundsätztlich veränderte, doch hier ist noch unklar, was „eine neue Welt“ genau bedeutet. Die Beschreibung der neuen Welt wird erst in seinem 1978 erschienen Sammelband Saebyeokgil (Der Weg am frühen Morgen ) konkreter und erhält eine kämpferischere Note. Repräsentativ für diese Zeit ist das Gedicht Hwasal (Pfeile).


© Organisationskomitee der Feier zum Gedenken von Ko Uns 50-jährigem literarischem Schaffen

In der Cultural Center Gallery der Korea Foundation wurden 35 Gemälde und 19 Kalligraphien des Dichters Ko Un ausgestellt (4.-12. September). Auf einer Sonderlesung trugen ausländische Botschafter in Korea ausgewählte Gedichte von Ko Un in ihrer jeweiligen Landessprache vor. Ko Un rezitierte eins seiner neueren Gedichte.

In der Einführung seines 2002 erschienenen Gedichtbands Neujeun Norae (Späte Lieder ) erklärte er: „Ich bin meine Zukunft“. Mit diesem Satz äußerte Ko Un seine Entschlossenheit, nicht als „Ich“ der Gegenwart stehen zu bleiben, sondern sich unablässig auf das „Ich“ der Zukunft, das noch nicht ist, zuzubewegen.

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Hwasal (Pfeile)

Lasst uns Pfeile werden, Lasst uns voranschreiten, Mit ganzem Körper voranschreiten, Die Luft durchbrechend, Mit ganzem Körper voranschreiten. Und einmal angekommen, Lasst uns nicht zurückkehren. Stecken wir einmal im Ziel, Dann lasst uns im Schmerz verfaulen Und nicht wieder zurückkehren. [ ... ] Wenn die Zielscheibe endlich blutüberströmt zu Boden fällt, Dann lasst uns alle Nur ein einziges Mal Als Pfeile bluten. Lasst uns nie wieder zurückkehren! Lasst uns nie wieder zurückkehren! Heil ihr! Des Vaterlandes Pfeile, Kämpfer, edle Seelen!

Während Ko Un in der Frühzeit seines Schaffens Nihilismus und Vergänglichkeit ästhetisierte, sind seine Gedichte ab den 1970er Jahren in Verzahnung mit der düsteren gesellschaftspolitischen Atmosphäre der Zeit von leidenschaftlichem politischen Aktivismus und Geschichtsbewusstsein geprägt. Seine Gedichte gleiten jedoch nie in Heroismus ab, sondern beschreiben die Realitäten des Lebens der Zeit.

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Auch in Hwasal (Pfeile ) lässt sich die Identität des Ziels nicht eindeutig ausmachen. Doch wenn man berücksichtigt, dass dieses Gedicht Mitte bzw. Ende der 1970er Jahre geschrieben wurde und an den Universitäten und anderen Schauplätzen des Kampfes für Demokratie große Beliebtheit gewann, ist deutlich zu erkennen, dass sich Ko Un vom nihilistischen Ästhetizismus seiner dichterischen Frühzeit abkehrte und sich einer neuen, politisch orientierten Welt zuwandte. Diese Art seiner Literatur entsprach in den 1980er Jahren seiner Realität, und politisches Engagement sowie der Wille zur Umsetzung gingen Hand in Hand und erzielten einen Synergieeffekt. Es ist zwar wahr, dass Ko Un sich in den 1980er Jahren mit seiner Dichtung sowie mit seinen Aktivitäten in der politischen Avantgarde befand, doch gleichzeitig suchte er auch nach Wegen der Vertiefung und Verbreiterung. Im Zeitraum von 1987 bis 1994 schrieb er das 7-bändige Epos Baekdusan (Baekdu-Gebirge ), das den lang gehegten Wunsch nach Befreiung der unterdrückten Bevölkerung und Einheit der Nation thematisiert. 1986, als die Literatur der Demokratiebewegung noch nicht nach klassenkämpferischen oder nationalistischen Gesichtspunkten differenziert wurde, erschien sein anderes voluminöses Werk: Maninbo (Zehntausend Leben ). Während die meisten Schriftsteller der Zeit der Demokratiebewegung um Klarheit miteinander wetteiferten, kam Ko Un bereits zu der Einsicht, dass der Dichter Avantgarde und Intensität mit der Konkretheit des Lebens des unterdrückten Volkes unterstützen muss.


Einleitendes Gedicht von Maninbo (Zehntausend Leben)

Ein Moment, der zwischen dir und mir geboren wird! Dort geht der entfernteste aller Sterne auf. Auf den Hunderttausenden von Meilen des Buyeo-Reichs, In den vierundfünfzig Dörfern des alten Mahan Kommen Menschen zusammen. Die Zusammenkunft, die seitdem ein Vaterland bildet. Auf diesem alten Boden Bedeutet Trennung eine Erweiterung. Der endlose Zug des Lebens, In dem niemand ohne den anderen sein kann. Oh Morgen! Der Mensch! Er kann nur unter Menschen ein Mensch sein, die Welt sein. Den Gedichtzyklus Maninbo , den Ko Un mit dem ambitionierten Plan zu schreiben begann, 10.000 Menschen zu porträtieren, will er im Jahr 2009 mit der Veröffentlichung des 30. Bandes vollenden. Zwar verringerte der Dichter den geplanten Umfang auf 3.000 Personenporträts, doch die Vollendung dieser Serie wird ein wertvoller Beweis eines beispiellosen literarischen Wagnisses und dessen Erfolgs sein.

Intuition und Durchblick Obwohl Ko Uns Gedichte der letzten 50 Jahre extreme Brüche und Transformationen erfahren haben, haben die ihnen zugrunde liegende meditative Intuition und Klarsicht nicht im Geringsten an Schärfe verloren. Alle seine dichterischen Werke weisen unabhängig von der zeitlichen Zuordnung extreme inhaltliche Brüche und Sprünge, die übliche Gedankengänge sprengen, sowie Ableitungen paradoxer Bedeutungen auf. Solche Besonderheiten, die in Zusammenhang mit den rund zehn Jahren, die Ko Un als buddhistischer Mönch verbracht hat, stehen, treten in seinen Werken ab Ende der 1990er Jahre noch deutlicher in Erscheinung. Das Interesse und die Zuneigung, die Ko Uns Poesie im Ausland gegenübergebracht wird, ist zum großen Teil auch auf die asiatisch-meditative Stimmung seiner Werke zurückzuführen, der man sich mit der westlichen Weltanschauung nicht leicht nähern kann. Der Schriftsteller Yi Mun-gu, den bis zu seinem Tode im Jahr 2003 eine besonders enge Freundschaft mit Ko Un verband, beschrieb den Dichter einmal mit folgenden Worten: „Auf einen kurzen Nenner gebracht, besteht Ko Euns Identität in der Umfassendheit.“ In erster Linie bezieht sich diese Beschreibung auf die Quantität seiner die Genre-Grenzen überspringenden literarischen Aktivitäten mit 150 Veröffentlichungen, die nicht nur aus Gedichtbänden und Romanen, sondern auch aus Essays, Reisebeschreibungen, Biographien, Kritiken usw. bestehen. Man kann dahinter aber durchaus auch die Aufforderung sehen, Ko Uns Erfolge in anderen Genres, die im Schatten seiner berühmten Gedichte stehen und denen daher leicht die gebührende Anerkennung versagt wird, entsprechend zu würdigen. Ko Uns intensive Neugier und Leidenschaft, die die Grenzen literarischer Genres überspringen, verwischten schließlich auch die Grenze zwischen Sprache und Form. Mit den 37 Acrylbildern, die er in der

Sommerhitze 17 Tage lang gemalt hatte, den Kalligraphien und Strichzeichnungen zeigte er, dass er kein einfacher Hobbymaler ist, sondern über ein außergewöhnliches Talent verfügt, mit dem er allseits überraschte. Bedeutet das, dass literarisches und malerisches Talent nicht getrennt, sondern eins sind? Vielleicht trifft aber auch eher zu, dass alle Künste letztendlich ineinander fließen. Noch erstaunlicher aber ist, dass Ko Uns Bilder, die auf eine nicht kleine Leinwand gemalt sind, von Farben und Formen geradezu überflutet scheinen, so dass nicht die geringste leere Fläche mehr übrig bleibt. Die meisten Bilder von Literaten-Amateurmalern zeichnen sich durch die Äthestik der Ungeschicktheit und die Schönheit der Leere aus. Doch Ko Un äußerte bei einem Gespräch mit Journalisten, dass er die Welt der orientalischen Leere ablehne. „Mir gefällt das materielle Völlegefühl und die Sinnlichkeit der Ölgemälde, die von abscheulichen Farben ohne ein Fleckchen leere Leinwand strotzen.“ Für ihn gilt das nicht nur in Bezug auf die Malerei. „Ich will mein Leben nicht einfach damit zu Ende gehen lassen, dass ich mich damit abfinde, Toleranz und Großzügigkeit zu üben, auch wenn das mir auf Grund meiner langen Lebenserfahrungen nicht mehr schwer fällt. Ich kann schon mein restliches Leben vorausahnen, das keine abgeschlossene Bilanz, keine Antwort, sondern ein neuer Sturm und Drang ist.“ Auch bei der Rezitationsveranstaltung am 10. September 2008 beteuerte er, dass er nicht leben wolle, um die vergangenen 50 Jahre zu feiern, sondern leiden, um die künftige Zeit zu erleuchten. Das ist sein wahrer, unnachgiebiger Wille zur Erneuerung und Neugeburt.

Ewig aufwärts strebende Jugendlichkeit Nach der für 2009 geplanten Veröffentlichung der letzten vier Ausgaben von Maninbo (Zehntausend Leben ) möchte Ko Un neue Herausforderungen angehen. Er bereitet neue große Werke vor wie Cheonyeo (Jungfrau ), ein Langgedicht über die Hauptfigur des koreanischen Märchens Simcheong , bei dem er durch die Handlungsführung auf den doppelten Ebenen der oberirdischen Welt und der unterirdischen des Palastes des Meereskönigs eine metaphysische Welt darstellt, und Unmyeong (Schicksal ), ein literarisches Werk, bei dem er orientalische und westliche Vorstellungen, Ideologien und Konzepte zusammenbringt und nach neuen Möglichkeiten des Denkens sucht. Aber wie er sagt, besteht bei solchen Plänen immer die Möglichkeit des Verrats. Er hält nämlich „das schicksalhafte, automatische Schreiben“ für sehr wichtig. Ko Un dürfte derjenige koreanische Schriftsteller sein, der auf der internationalen Literaturbühne und unter den Lesern der Welt am bekanntesten ist. Natürlich ist das ein Ergebnis seines unermüdlichen schriftstellerischen Schaffens, das ein halbes Jahrhundert umspannt. Aber vielleicht wurde der Höhepunkt dieses Schaffens noch gar nicht erreicht, wie der Literaturkritiker Yom Moo-ung denkt, der eine Interpretation zu Ko Uns Sammelband Heogong (Der leere Himmel ) verfasste. Denn seine Erklärung „Ich bin meine Zukunft“ scheint keine leeren Worte zu sein. Winter 2008 | Koreana 43


KUNSTHANDWERKER

Exquisite Harmonie von Flexibilität und Sanftheit:

Bogenbaumeister Yoo Young-ki Seit alten Zeiten nannte man die Koreaner „Dongi“, was soviel wie „Ostvolk mit hervorragendem Geschick im Bogenschießen“ bedeutet. In der Joseon-Zeit (1392-1910) gehörte das Bogenschießen als Training für Körper und Geist zum festen Bestandteil des Alltags des Königs, seiner Gefolgschaft und aller Untertanen. Meister Yoo Young-ki (Träger des Wichtigen Immateriellen Kulturguts Nr. 47), dessen Familie sich schon in der 5. Generation der Herstellung von Pfeilen und Bögen widmet, übt sein Handwerk mit einer Liebe aus, deren Wurzeln so tief reichen wie die Geschichte von Pfeil und Bogen in Korea. Park Hyun Sook Freiberufliche Schriftstellerin | Fotos: Seo Heun-kang

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Traditionelle Pfeile von Bogenbaumeister Yoo Young-ki. Im Hintergrund ist eine Wandmalerei aus der Goguryeo-Zeit (37 v. Chr.-668 n. Chr.) zu sehen, die im Grab Muyongchong (Grab der Tanzenden Figuren) entdeckt wurde.

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in Kunstwerk ist ein Gefäß, in das der Künstler seine Seele ergießt, weshalb der Künstler dem Werk, das er mit konzentrierter Hingabe schafft, ähnelt. Die klaren Augen, die das Innerste des Menschen lesen zu können scheinen, und der schlanke, gerade Körperbau von Yoo Young-ki erinnern an einen Pfeil, der die Zielscheibe durchbohrt. In seiner Kindheit half er seinem Vater, indem er ihm Bambusrohr und Fasanenfedern reichte, und spielte mit Pfeilen. Bis zum heutigen Tag, an dem er schon über 70 Jahre alt ist, hat er die Pfeile nie aus der Hand gelegt. „Als ich 14 Jahre alt war, brach der Koreakrieg (1950-1953) aus. Mein Vater ließ alle Hausbesitzurkunden und Haushaltsgegenstände zurück und nahm nur sein Werkzeug, das er fürs Pfeilemachen brauchte, mit auf die Flucht. Damals konnte ich meinen Vater nicht verstehen, aber mit zunehmendem Alter konnte ich ihn verstehen. Für einen Pfeil- und Bogenbaumeister bedeutet sein Handwerkszeug das Leben. Während meiner 70 Jahre habe ich noch nie einen Pfeil angefertigt, mit dem ich völlig zufrieden gewesen wäre. Bei einem Pfeil kann es leicht passieren, dass man entgegen seiner Absicht etwas zu viel lässt oder etwas zu viel

wegnimmt. Ich kann mit dem Pfeilemachen nicht aufhören, bevor ich einen Pfeil gefertigt habe, mit dem ich völlig zufrieden bin.“

Volltreffer: Harmonie von Pfeil, Bogen und Schütze Die Heimat von Meister Yoo Young-ki ist ein Dorf in der Provinz Gyeonggi-do, in dem bereits seit der Joseon-Zeit die die Pfeilherstellung blühte. Dort übernahm sein Vater Yoo Bok-sam die Pfeilwerkstatt des Urgroßvaters, der zu seiner Zeit den Ruf genoss, einer der besten Pfeilemacher zu sein und alle berühmten Bogenschießplätze des Landes mit Pfeilen versorgte. Sein Ruf breitete sich aus, so dass viele Leute aus dem ganzen Land anreisten, um Pfeile zu kaufen. „Es heißt, dass Qualitätsware aus Qualitätsmaterial kommt. Bei Pfeilen muss der Pfeilemacher darüber hinaus noch den Bogenschützen gut kennen. Der Meister muss ihn persönlich treffen und sich ein Bild machen von seiner Statur, von Armlänge, Armstärke und auch Charakter. Der Bogen muss also dem Schützen angepasst werden. Der Pfeil kann nur ins Ziel treffen, wenn Bogen, Stärke des Schützen und Gewicht des Pfeils in Harmonie miteinander stehen. Ein Meister kann keinen guten Bogen anfertigen, wenn er den Schützen nur ein oder zwei Mal trifft. Er muss ihn öfters treffen und ihn genau in Augenschein nehmen. Menschen, die Bogenschießen lieben und einen kultivierten Geschmack haben, sind gute Lehrer für mich, weil sie erzählen, was sie empfinden, wenn sie mit dem Bogen umgehen, und mir helfen, noch bessere Pfeile zu machen. Der Meister, der den Pfeil fertigt, und der Schütze, der ihn abschießt, müssen quasi im selben Rhythmus atmen.“ Die Bogenschützen, die früher in Scharen zu Yoo kamen, waren für den Meister Lehrer und zugleich auch Freunde. Er kannte ihre Begabung und Fähigkeiten und sie seine. Heute hat ihre Zahl zwar abgenommen, aber immer noch kommen Schützen, die sich vom Meister eine Lösung für ihre Probleme erbitten, sei es, dass der Pfeil vielleicht zu leicht ist oder zu schwer. Für Yoo bedeutet die erfolgreiche Lösung dieser Aufgaben dieselbe Freude wie ein Volltreffer – die Erinnerung bringt ein Lächeln auf seine Lippen. In der traditionellen koreanischen Gesellschaft war Bogenschießen mehr als eine einfache Waffenkunst. Das Bogenschießen gehörte zusammen mit Etikette(禮), Musik(樂), Reiten(御), Kalligraphie(書) und Mathematik(數) zu den so genannten Sechs Hohen Gesellschaftlichen Künsten. Bogenschießen wurde auch in den Schriften des Konfuzianismus als Schulung für Körper und Geist vorgestellt. Menzius (372? v.Chr.-289? n.Chr.) sagte einmal: „Gütig und barmherzig sein ist gleich wie Bogenschießen. Man kann einen Pfeil nur schießen, nachdem man sich in Selbstdisziplin geübt hat.“ Im Buch der Riten , einem der Fünf Klassiker des konfuzianischen Kanons, heißt es: “Seit alter Zeit sagt man, dass man beim Bogenschießen die Tugend erkennen kann, die nur durch das Herz zu gewinnen ist. Daher ist für den Edelmann das Bogenschießen sein Herz bewahren.“ Daraus geht hervor, dass das Ziel des Bogenschießens in der Schulung der Geisteshaltung liegt. In Korea hat man von der Altsteinzeit bis zur Joseon-Zeit Winter 2008 | Koreana 45


die Kunst des Bogenschießens ausgeübt. Aber in der Joseon-Zeit gewann das Bogenschießen besonders stark an Verbreitung und erfreute sich bei König und Untertanen gleichermaßen Beliebtheit. Meister Yoo Young-ki erinnert sich noch daran, dass bis in die 1960er, 1970er Jahre in jedem Dorf Bogenschießwettbewerbe ausgetragen wurden. „Man sagt, dass man genau ins Schwarze treffen kann, wenn Bogen und Körper gerade sind. Ein Schütze braucht die Harmonie einer geraden Körper- und einer geraden Geisteshaltung. Daher ist das Bogenschießen ein gutes Training für Körper und Geist. Um das Bogenschießen, das immer mehr in Vergessenheit gerät, weiter zu verbreiten, habe ich ein Museum eingerichtet. Manchmal kommen Kinder, um Bogenschießen zu lernen, und fragen: Ist hier Jumong (reg. 58 v.Chr.-19 v.Chr.; Gründer des GoguryeoReichs. Er war ein guter Bogenschütze.) Die Unschuld der Kinder ist einfach süß! Es gibt zwar keinen Jumong mehr, aber diese Kinder, in deren Adern sein Blut fließt, sind alle Jumong. Deswegen sage ich zu ihnen: Du selbst bist Jumong.“ Meister Yoo Young-ki eröffnete im Mai 2001 das Young Jip Bows & Arrows Museum. In diesem Museum sind etwa 200 Bögen und Pfeile aus Ost und West ausgestellt. Auch ein Singijeon-Modell, eine raketenartige Artilleriewaffe, mit der man über 100 Pfeile auf einmal schießen kann, ist im Museum zu sehen.

Kompromisslose Ausdauer und Hingabe Traditionelle koreanische Pfeile werden grob in zwei Sorten unterschieden: Jukjeon, aus Bambus gefertigte Pfeile, und Moksi, aus verschiedenen anderen Hölzern gefertigte Pfeile. Im Königreich Goguryeo (37 v.Chr.-668 n.Chr.), das im nördlichen Teil der koreanischen Halbinsel lag, wurden die Pfeile meistens aus dem Holz von Japanischem Buschklee (Lespedeza maximowiczii), Weide oder Birke hergestellt. Es wird berichtet, dass die Pfeile aus Japanischem Buschklee sehr gut waren. Die in der GoguryeoZeit (918-1392) üblichen Holzpfeile waren insgesamt komplizierter in der Herstellung und auch etwas schwerer, weshalb sie im Vergleich zu Bambuspfeilen eine geringere Reichweite hatten. Wegen dieser Nachteile ging in der Frühen Joseon-Zeit (1392-1910) die Holzpfeil-Produktion zurück, so dass heute in Korea hauptsächlich Bambuspfeile gefertigt werden. Bambus ist stark und zugleich auch flexibel, was dem Schützen eine präzise

Kontrolle seiner Kraft und der Flugrichtung erlaubt. Das macht Bambus zum idealen Material für Pfeile. Die Herstellung eines traditionellen Pfeils ist ein langwieriger und schwieriger Arbeitsprozess. Jedes Jahr sucht Yoo ab Ende November einen Monat lang im ganzen Land nach Bambus, der sich für die Fertigung von Pfeilen eignet. Der Bambus wird 50 Tage im Schatten getrocknet und dann bis in die Nacht hinein die Rinde entfernt. Danach wird der Bambus über Feuer erhitzt, die Enden beschnitten und anschließend die besten Stücke ausgewählt. „Bambus, der am Meer gewachsen ist, ist viel besser als Bambus aus den Bergen. Ein zwei Jahre alter Bambus, der im Schatten gewachsen ist, eine gleichmäßige Dicke aufweist und an den Knoten keine Blattknospen hat, gibt gutes Material ab. Man wählt solchen Bambus aus und schneidet ihn in ca. 90cm lange Stücke. Beim Schneiden muss man darauf achten, dass sich in jedem Stück drei Knoten in regelmäßen Abständen befinden. Es gibt so gut wie keinen Ort, an dem ich nicht schon nach geeignetem Bambus gesucht hätte, von der Provinz Gangwon-do im Norden bis zur Insel Jeju-do im Süden. Von 100.000 Bambushalmen eignen sich nur ca. 5.000 als Pfeil-Material. Manches Mal habe ich ganze Tage mit der Suche nach geeignetem Bambus für Pfeile, deren Herstellung ich zugesagt hatte, verbracht. Als ich in den Vierzigern war, also in den 70er Jahren, hat man mich einmal für einen nordkoreanischen Spion gehalten, als ich einen Bambuswald an der Küste durchkämmte. Damals kannte ich noch keine Müdigkeit, wenn es darum ging, guten Bambus zu finden. Wenn ich dann endlich welchen gefunden hatte und beim Herunterschleppen einen Moment stehen blieb, um Atem zu holen und dabei den Sonnenuntergang betrachtete, dachte ich, dass es nichts auf der Welt gibt, das ich beneiden müsste.“ Wenn der Bambus vorbereitet ist, wird der Pfeil mit weiteren Materialien wie Stahl, Rindersehnen, Japanischem Buschklee, Fischleim und Fasanenfedern gefertigt. Dabei werden die Einzelteile in folgender Reihenfolge hergestellt: Schaft, Pfeilspitze, Nocke, in die man die Bogensehne klemmt, und Steuerfedern zur Verbesserung der Fluggenauigkeit. Die Federn eines ganzen Fasans reichen etwa für drei Pfeile. Für den Fischleim, mit dem die Pfeilspitze angeklebt wird, müssen in einer komplizierten Prozedur Fischblasen gekocht werden. Der fertige Pfeil muss mehr-

1 In dem von Yoo Young-ki eingerichteten Young Jip Bows & Arrows Museum sind verschiedene Arten von Pfeilen zu sehen wie Signalpfeile, die beim Schießen Geräusche von sich geben, kurze Kriegspfeile, Feuerpfeile, Pfeile für die Übermittlung von Nachrichten und Jagdpfeile.

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2 Abschließende Überprüfung des fertigen Pfeiles.


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„Ich habe zwar mein Leben lang Pfeile angefertigt, aber ich selbst bin nicht gut im Schießen von Pfeilen. Während meiner Arbeit mit Pfeilen habe ich trotzdem manche Lektion über das Leben gelernt. Man sagt, dass ein guter Bogenschütze die Körperhaltung eines Tänzers haben muss, d.h. er muss mit Flexibilität die Stärke kontrollieren können. Danach, denke ich, sollten wir auch in unserem Leben streben.“


1 Nachdem der Bambus für 50 Tage im Schatten trocknen gelassen wurde, wird er über Kohlefeuer erhitzt und begradigt.

3 Die beiden Enden des Schaftes werden mit Fischleim eingestrichen und mit Rindersehnen umwickelt, um Risse zu vermeiden.

5 Am vorderen Ende des Pfeilschaftes wird eine Pfeilspitze angebracht, die auf Gewicht und Länge des Schaftes abgestimmt ist.

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2 Alle Unebenheiten an den Knoten werden beseitigt und der Bogen als Ganzes geglättet.

4 Eine Fasanenfeder wird zugeschnitten und am hinteren Ende des Pfeilschaftes angebracht.

6 Der fertige Pfeil wird auf etwaige Mängel hin überprüft und gegebenenfalls verbessert .


Meister Yoo Young-ki testet alle Pfeile, die er herstellt, mit einem Schuss. Die Fertigung eines einzigen Pfeils umfasst an die 130 Arbeitsschritte.

mals gewogen werden, um das richtige Gewicht auszutaxieren. Die Pfeilspitze befestigen und dem Bambus den letzten Schliff geben sind zwar einfache Arbeitsvorgänge, aber ein einziger Pfeil verlangt 130 einzelne Arbeitsschritte. Deswegen schafft Yoo, selbst wenn er den ganzen Tag in der Werkstatt verbringt, pro Tag nicht mehr als drei Pfeile. Heutzutage werden die traditionellen handgefertigten Bambuspfeile von maschinell massengefertigten Pfeilen aus billigem Plastik verdrängt. Meister Yoo, der diesen Trend sehr bedauert, rekonstruierte verschiedene Arten von traditionellen Pfeilen, um das Interesse für traditionelle Pfeile zu wecken. 1977 veröffentlichte er ein Buch über traditionelle Pfeilsorten, in dem er Herstellungsmethoden, Materialien, Werkzeuge usw. vorstellte und spezifizierte. Yoo Young-ki zeigt in seinem Museum verschiedene Pfeiltypen wie den Signalpfeil Hyosi, der beim Abschießen ein Geräusch von sich gibt, Pyeonjeon, einen Kriegspfeil, der mit 30cm nur halb so lang ist wie reguläre Pfeile und als Doppelpfeil abgeschossen wird, den Feuerpfeil Hwajeon, den Nachrichtenpfeil Sejeon, Sinjeon, einen Pfeil, mit dem Befehle des Königs weitergegeben wurden, den Jagdpfeil Jusal usw. 1996 wurden seine handwerkliche Fertigkeit und seine Hingabe mit der Verleihung des Ehrentitels „Träger des Wichtigen Immateriellen Kulturguts Nr. 47“ anerkannt. Es war das erste Mal, dass einem Pfeilemacher diese besondere Ehre zuteil wurde.

Fünf Generationen traditionelles Handwerk Die Besonderheit des traditionellen koreanischen Bogens besteht in der Harmonie aus Stärke und Flexibilität. Als Material werden Bambus, Eiche, Maulbeerbaum, Wasserbüffelhorn und Rindersehnen verwendet. Am Griffbereich und an beiden Enden wird Eiche und Maulbeerbaum benutzt, aber um maximale Flexibilität

zu gewährleisten, muss der mittlere Teil des Bogens aus Bambus bestehen. Schichten aus Wasserbüffelhorn und Rindersehnen werden mit Fischleim aus der Blase des Braunen Adlerfischs angebracht. Dieser Fischleim verliert bei hohen Temperaturen und Feuchtigkeit an Klebkraft, weshalb im Sommer keine qualitativ hochwertigen Bögen gefertigt werden. Meister Yoo erklärt, dass die Vorteile des flexiblen Bambus und des starken Maulbeer- und Eichenbaums mit den Vorteilen anderer Materialien kombiniert werden, um eine höchstmögliche Dehnstärke des Bogens zu erzielen. „Charakteristisch für den traditionellen koreanischen Bogen ist, dass für seine Herstellung Wasserbüffelhorn und Rindersehnen verwendet werden. Er gehört zur Katergorie der sog. starken Bögen. Die Stärke der traditionellen koreanischen Bögen ist von Weltniveau.“ Meister Yoo Young-ki hat seine Handwerkskunst an seinen Sohn weitergegeben, der sie damit in 5. Generation bewahrt. Yoo Se-hyeon (43), der zweitälteste Sohn, der genau wie Yoo mit den Pfeilen seines Vaters aufgewachsen ist, gab seinen sicheren Arbeitsplatz auf, um die Familientradition fortzuführen, erzählt Meister Yoo Young-ki. „Ich habe zwar mein Leben lang Pfeile angefertigt, aber ich selbst bin nicht gut im Schießen von Pfeilen. Während meiner Arbeit mit Pfeilen habe ich trotzdem manche Lektion über das Leben gelernt. Man sagt, dass ein guter Bogenschütze die Körperhaltung eines Tänzers haben muss, d.h. er muss mit Flexibilität die Stärke kontrollieren können. Danach, denke ich, sollten wir auch in unserem Leben streben.“ An diesem windigen Winternachmittag spannt Meister Yoo auf meine Bitte hin nach langer Zeit einen seiner Bögen. Seine aufrechte Gestalt ähnelt einem Fluss, den niemand auf seinem Weg aufhalten kann. Winter 2008 | Koreana 49


MEISTERWERKE

Reiters auf dem Schlachtross: Relikt, das den Geist Silla atmet Die zwei Kultgefäße in Form eines Reiters auf dem Schlachtross (Nationalschatz Nr. 91) zählen auf Grund ihrer Schönheit und ihres wissenschaftlichen Werts zu den wertvollsten Relikten aus Steinzeug in Korea. Die realistische Darstellung von Reiter, Pferd, Kleidung und Ornamenten gibt Aufschluss über Kleidung und Schmuckwerk sowie die Geisteswelt der Menschen aus der Silla-Zeit (57 v. Chr. – 935 n.Chr.). Song Yi-chung Direktor der Abteilung Archäologie, National Museum of Korea Fotos: National Museum of Korea

B

ei der Ausgrabung von Silla-Gräbern werden Dutzende bis Tausende von Tongefäßen, eisernen Waffen und Pferdegeschirren entdeckt. Darunter geben vor allem die zahlreichen, in der Form vielfältigen Steingefäße Hinweise auf das Alter des Grabes und die Lebensweise jener Zeit. Die zwei Kultgefäße in Form eines Reiters auf dem Schlachtross, die aus dem Grab Geumnyeongchong, dem Goldglockengrab in der Stadt Gyeongju in der Provinz Gyeongsangbuk-do gefunden wurden, sind entsprechend ihrer außergewöhnlichen Form von besonderer Bedeutung. Anders als Steinzeug für den Alltagsgebrauch wie Geschirr und Krüge präsentieren sie sich in der Gestalt eines Reiters auf dem Schlachtross. Die realistische Darstellung von Ross und Reiter, die sich zu bewegen scheinen, ist auf Grund ihrer Minutiösität und Subtilität besonders beachtenswert.

Schatztruhe der prächtigen Silla-Zeit In der Stadt Gyeongju, die einst über tausend Jahre lang Hauptstadt des Königsreichs Silla war, gibt es etwa 200 Grabhügel mit einem Durchmesser von 20 bis 60 Metern. Von diesen Silla-Grabstätten sind etwa 40 so gut wie unbeschädigt in ihrer ursprünglichen Form erhalten. Aus den Silla-Gräbern, bei denen es sich meistens um Grabstätten für Könige oder Angehörige der Königsfamilie handeln dürfte, wurden zahlreiche goldene Schmuckstücke wie Kronen, Zeremonialgürtel, Halsketten, Armreifen, Ringe usw.

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ausgegraben. Sie geben Zeugnis von der prachtvollen GoldKultur des Silla-Reichs. Im Goldglockengrab wurden ebenfalls goldene Schmuckstücke wie Krone und Zeremonialgürtel entdeckt, die für die glänzende Gold-Kultur von Silla sprechen. Anhand der Grabfunde lässt sich darauf schließen, dass das Grab aus der Zeit zwischen Ende des 5. und Anfang des 6. Jahrhunderts stammt. An der Goldkrone hängen zwei kleine Goldglocken, daher die Bezeichnung „Goldglockengrab“. Im Vergleich zu den Funden aus anderen Silla-Gräbern sind die Schmuckstücke aus dem Goldglockengrab relativ klein und wurden dicht nebeneinander entdeckt. Daher gehen die Wissenschaftler davon aus, dass der in diesem Grab zur letzten Ruhe gebettete Verstorbene kein Erwachsener, sondern ein Kind war, wahrscheinlich ein Prinz des Silla-Reichs. Das Goldglockengrab verdankt seinen Namen zwar den beiden Goldglocken an der Krone, doch unter den Fundstücken sind die vier Gefäße von außergewöhnlicher Form bekannter als die Goldschmuckstücke. Zwei davon weisen die Form von Pferd und Reiter auf, die anderen beiden die Form eines Ruderers in einem Boot. Bei den Boot-Gefäßen ruht das Boot auf einem kegelförmigen Fuß, im Boot sitzt ein Ruderer mit nacktem Oberkörper. Warum stellten die Menschen der Silla-Zeit solche Tongefäße her und gaben sie ihren Toten mit ins Grab?


Seitenansicht des Herr-Gefäßes, das zusammen mit einem Diener-Gefäß im Goldglockengrab aus der Silla-Zeit gefunden wurde. Die detailgenaue Wiedergabe der Bekleidung des Herrn und des dekorativen Pferde-Zaumzeugs vermittelt wertvolle Einblicke in das Leben während der Silla-Zeit. (Höhe: 23,4, Länge: 29,4cm)

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Der Körper des Pferdes, eines stämmigen Steppenponys, ist hohl, auf seiner Hinterhand ist ein runter Trichter zum Eingießen von Flüssigkeiten wie Alkohol angebracht und vorne aus der Brust ragt eine Tülle heraus. Aus den Gegebenheiten am Fundort lässt sich schließen, dass dieses Steinzeug als Zeremonialgefäß beim Ritual, das bei der Bestattung vor der Aufschüttung des Grabes durchgeführt wurde, zum Einsatz kam.

Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod Bei den vier Kultgefäßen aus dem Goldglockengrab handelt es sich um figürliche Steingefäße, die Menschen, Tiere oder bestimmte Objekte darstellen. Es wird vermutet, dass figürliche Steingefäße, die für das Zeitalter der Königreiche Silla und Gaya (42 - 562) typisch sind, um das 4. Jahrhundert zunächst in Gaya hergestellt wurden und sich dann Fertigungstechnik und Gebräuche allmählich in Silla verbreiteten. Solche Gefäße sind innen hohl oder haben einen hornförmigen Becher, damit man sie wie eine Kanne oder einen Becher verwenden kann. Durch ihren Gefäßcharakter unterscheiden sie sich von Tonpuppen, bei denen man aus einer soliden Tonmasse Figuren formte, von Steinzeug für den Alltagsgebrauch oder von Ton-Särgen. Die figürlichen Gefäße waren nicht für den Alltagsgebrauch gedacht. Wahrscheinlich wurden sie bei Bestattungsritualen als Behälter für Wasser oder Alkohol verwendet oder waren Kultgefäße, die die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod zum Ausdruck brachten, darunter den Wunsch nach ewiger Ruhe und Eingang ins Reich der Seelen. Nach der Zeremonie wurden sie normalerweise ins Grab gelegt. In dieser Hinsicht sind die im Goldglockengrab gefundenen Kultgefäße in Reiterform von besonderer Bedeutung, da sie für die Geisteswelt der Menschen jener Zeit stehen und Einblick in die damaligen Bestattungszeremonien sowie in die Auffassung von der Welt nach dem Tode geben.

Herr und Diener Die beiden Reiter der zwei Zeremonialgefäße unterscheiden sich in Haltung und Kleidung und stehen offenbar in einem Herr-Diener-Verhältnis zueinander. Das Herr-Gefäß ist mit einer Höhe von 23,4 cm und Länge von 29,4 cm etwas größer als das Diener-Gefäß, das 21,3 hoch und 26,8 cm lang ist. Die äußerst detaillierte Darstellung des Herrn, der einen spitzen Hut und ein Schwert an der Seite trägt, verraten

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1

seine adlige Herkunft ebenso wie das minutiös gearbeitete Zaumzeug des Pferdes. Im Gegensatz dazu ist die Figur des Dieners einfacher bekleidet und weist kaum Ornamente auf, was zusammen mit dem über die Schulter geschlungenen Reisegepäck das Herr-Diener-Verhältnis zwischen den beiden Reitern deutlich erkennbar macht. Im Grab lag das Diener-Gefäß vor dem Herren-Gefäß. Diese Positionierung legt den Schluss nahe, dass dem Diener die Aufgabe zukam, dem Herren den Weg in die jenseitige Welt zu weisen. Betrachten wir zunächst das HerrGefäß etwas genauer. Auf dem Kopf trägt der Herr einen dreieckigen Hut mit Spitze, den zwei Schnüre, die links und rechts an den Ohren herunterhängen, mit einem Knoten unter dem Kinn befestigen. Am unteren Rand des Huts ist ein Band angebracht, das mit Ornamenten geschmückt ist, die runden Knöpfen ähneln. Dieser Hut hat dieselbe Form wie der goldene Hut, der in einem anderen Silla-Grab gefunden wurde. Aus der Tatsache, dass im Goldglockengrab kein echter Hut in dieser Form entdeckt wurde, lässt sich schließen, dass diese Art Hut damals nicht von jungen Menschen getragen wurde, sondern dass er zur Amtsrobe eines Erwachsenen gehörte. Das Tongefäß birgt also den Wunsch in sich, dass der früh 1


1 Das Diener-Gefäß, das etwas kleiner als das Herr-Gefäß ist, ist in Bezug auf Kleidung und Zaumzeug wesentlich einfacher gestaltet. Der Diener hält eine Yoryeong-Glocke in der rechten Hand, die bei traditionellen Trauerzügen dem Geleit der Seele des Verstorbenen diente. (Höhe: 21,3cm, Länge: 26,8cm)

2 Bei der Ausgrabung fand man

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Verstorbene in der jenseitigen Welt gesund aufwachsen möge. Die Jacke des Herren ist bis hin zu den Verzierungen an Kragen und Gürtel mit höchster Genauigkeit dargestellt. Als Beinkleider trägt der Herr eine Pumphose und darüber einen lammellenartigen Beinschutz. Die Füße stecken in Schuhen mit aufgebogenen Spitzen, die an die traditionellen wattierten Stoffsocken Beoseon erinnern. An der linken Hüfte trägt er ein Schwert mit Ringgriff. Das Pferd des Herren erscheint in vollem goldenen Zaumzeug, wie es in dieser Art tatsächlich in Silla-Gräbern entdeckt wurde. Am Zaum ist das Gebiss befestigt, am Stirnriemen baumeln zahlreiche Ornamente, die Stirnmähne ist ordentlich nach vorne zusammengebunden. Die Brust schmücken zwei große Glocken und die Flanke ein herzförmiges Gehänge. Auch an den Riemen, mit denen das Sattelzeug befestigt ist, hängen verschiedene Ornamente. Am Sattel ist ein Ring angebracht, der den Sattel mit den Sattelriemen verbindet, und selbst die Satteldecke ist mit Mustern geschmückt. Die Steigbügel hängen an Sattel und Sattelblatt herunter, dessen Rand mit Schrägstrichen verziert ist, was an das Sattelblatt aus dem Cheonmachong, dem Grab des Himmlischen Pferdes, erinnert. Das Ende des runden Trichters auf der Hinterhand des Pferdes ist mit Ornamenten in Federform geschmückt. Im Gegensatz zum Herren trägt der Diener keine Kopfbedeckung. Seinen Kopf, um den ein Stirnband geschlungen ist, schmückt lediglich ein auf dem Scheitel zusammengebundener Haarknoten, an dem zu erkennen ist, dass es sich um einen verheirateten Mann handelt. Sein Oberkörper ist unbekleidet, von der rechten Schulter bis zur linken Hüfte hat er lediglich eine Art Sack mit dem Reisegepäck geschlungen. In der rechten Hand hält er eine Yoryeong, eine Handglocke. Yoryeong ist eine kleine Handglocke, die bei traditionellen Bestattungszeremonien derjenige, der dem Trauerzug voranging, schlug und so die Leichenträger und die Seele des Verstorbenen geleitete. Das Reiter-Gefäß

das Diener-Gefäß vor dem Herren-Gefäß positioniert, was darauf hinweist, dass dem Diener die Rolle zukam, seinen Herren ins Jenseits zu geleiten.

beweist damit, dass die Yoryeong-Tradition auch bei Bestattungen im Zeitalter des Silla-Reichs existierte. Die Hose des Dieners ähnelt der des Herren, doch trägt der Diener keinen Beinschutz und seine Schuhe laufen in flachen Spitzen zu. Sein Pferd hat zwar einen Sattel, aber keinen Zaum, kein Gebiss, keine Gehänge an den Sattelriemen und die Stirnmähne ist auch nicht zusammengebunden. Das Sattelzeug des Dieners ist im Vergleich zu dem seines Herren viel einfacher gestaltet.

Symbol für Wünsche und Hoffnungen Silla-Gräber sind wertvolle Schatztruhen, die Kultur und Gedankengut der Zeit widerspiegeln. Während die goldenen Schmuckstücke wie Goldkronen und Goldgürtel, die in mehreren Silla-Grabhügeln gefunden wurden, die prächtige Außenseite der Silla-Kultur präsentieren, geben die beiden Reiter-Gefäße aus dem Goldglockengrab Aufschluss über die innere Dimension der geistigen Kultur, i.e. über die gesellschaftliche Hierarchie und die Kluft zwischen den einzelnen Schichten, wie sie in den Unterschieden in Kleidung und Pferdeschmuck zum Ausdruck kommt, über Bestattungsrituale und Zeremonien zum Geleit der Seele des Verstorbenen ins Jenseits. Vor kurzem wurde in Gyeongju und der benachbarten Stadt Gyeongsan in der Provinz Gyeongsangbuk-do ein Gefäß in Form eines Reiters entdeckt, das dem Gefäß aus dem Goldglockengrab zwar ähnelt, aber keine so große Feinheit aufweist. Reiter-Kultgefäße werden also nicht nur in Königsgräbern gefunden, sondern auch in Gräbern von Angehörigen anderer Gesellschaftsschichten. Das bedeutet, dass die Kultgefäße aus dem Goldglockengrab einen Einblick in Bestattungszeremonien und Vorstellungen vom Jenseits gestatten, die unabhängig von der Schichtzugehörigkeit allgemein für das Silla-Volk galten, und Hoffnungen und Wünsche des Volkes, die über die Grenze zwischen Leben und Tod hinausgehen, widerspiegeln.

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KUNSTKRITIK

MAGNUM Korea Korea und die Koreaner aus der Sicht von MAGNUM Im Hangaram Art Museum im Seoul Art Center fand vom 4. Juli bis zum 24. August 2008 die Ausstellung MAGNUM Korea statt. Wie werden Korea und die Koreaner von heute von den Fotografen dieser weltweit renommierten Fotoagentur dargestellt? Viele wollten die Antwort auf diese Frage mit eigenen Augen sehen und haben dafĂźr gern lange Wartezeiten in der Schlange am Eingang zur Ausstellung auf sich genommen. Sohn Young-sil Fotografiekritikerin

Ein Foto des N Seoul Tower, aufgenommen von dem renommierten Fotografen Thomas Hoepker, dessen einzigartige farbigen Feature-Fotos und Reportagefotografie ihm weltweite Anerkennung verschafft haben. Š Thomas Hoepker, Magnum Photos, Euro Photo-Magnum Korea

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A

uch wenn im künstlerischen Bereich allgemein eine Flaute herrscht, so besitzt eine Ausstellung mit hervorragenden Exponaten doch immer noch die Kraft, die Besucher zu begeistern und anzuziehen. 2005 fand im Seoul Art Center eine Ausstellung des französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson statt. Obwohl damals in Korea Fotografie-Ausstellungen noch nicht allgemein verbreitet waren, stieß sie beim Publikum, das den Werken von Cartier-Bresson große Zuneigung und Verehrung entgegenbrachte, auf enorme Resonanz. Die Ausstellung MAGNUM Korea , die vom 4. Juli bis zum 24. August 2008 das Bild des Korea von heute durch die Werke der internationalen Reportage-Fotografengruppe Magnum präsentierte, besaß ebenfalls eine frische Kraft und Attraktivität, die Korea und die Koreaner in Staunen versetzte. Das koreanische Publikum versank in den Werken und entdeckte ein neues Bild von sich selbst. Sie blieben vor jedem einzelnen Ausstellungsstück lange stehen, die Antwort auf die Frage „Warum Magnum?“ suchend und findend.

Vor Ort, in die Nähe der Wahrheit Magnum, 1947 von Robert Capa und seinen Freunden Henri Cartier-Bresson, George Rodger und David Chim Seymour gegründet, ist die erste Fotoagentur, die von Fotografen organisiert wurde. Die Magnum-Fotografen, die nach dem Grundprinzip arbeiten, Entscheidungen bezüglich der Art und Weise sowie Dauer ihrer Arbeit frei zu treffen, teilen die Philosophie, „völlig unabhängig von Ideologien und vom Kapital das Bild des Zeitalters und der Geschichte umfassend zu dokumentieren und dabei eine Betrachtungsweise an den Tag zu legen, die es ermöglicht, über das prototypische Dokumentieren eines Ereignisses hinauszugehen.“ Magnum besteht aus Mitgliedsanwärtern, assoziierten Mitgliedern und ordentlichen Mitgliedern, wobei die Aufnahme ordentlicher Mitglieder streng reglementiert ist. So gilt als Voraussetzung, dass eine Zwei-Drittel-Zustimmung der ordentlichen Mitglieder erreicht werden muss, wenn ein assoziiertes Mitglied als ordentliches aufgenommen werden möchte. Derzeit zählt Magnum ca. 50 Mitglieder. „Dokumentation“ ist ein umfassender Begriff, der die Gesamtheit aller Aufnahmen umfasst, die durch Fotoapparate aufgenommen werden. Im Rahmen des Fotografieprojekts der Farm Security Administration (FSA) wurden in den 1930er Jahren die ersten fotografischen Dokumentationen unternommen. Die amerikanische Regierung wollte damals Farmer im mittleren Süden der USA, die seit der Wirtschaftskrise von 1929 zunehmend verarmt waren und unter Missernten litten, umsiedeln. Im Jahr 1937 beauftragte das FSA Fotografen Bilder zu schießen, um Winter 2008 | Koreana 55


© Chris Steele-Perkins, Magnum Photos, Euro Photo-Magnum Korea

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1 Chris Steele-Perkins, ein Fotograf, der den Schwerpunkt seines Schaffens auf humanitäre und gesellschaftliche Fragen legt, erfasste die Realität der Teilung der koreanischen Halbinsel durch seine Fotografien von südkoreanischen Marineinfantristen.

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© Harry Gruyaert, Magnum Photos, Euro Photo-Magnum Korea

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© Ian Berrys, Magnum Photos, Euro Photo-Magnum Korea

2 Harry Gruyaert zieht der einfachen

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Abbildung von Objekten die verschwommene Darstellung als Ausdrucksweise vor, wie hier zu sehen am Beispiel der esoterisch wirkenden Aufnahme von Menschen, die im Internationalen Flughafen Incheon auf Bänken sitzen.

3 Ian Berry, der als„stets präsenter aber anscheinend unsichtbarer Fotograf“ bekannt ist, hat Bilder von Koreas Nationalschatz Nr. 1, dem Tor Sungnyemun (Südtor), und Einwohnern Seouls geschossen.


das Ausmaß der Verarmung seit der Wirtschaftskrise bekannt zu machen. Durch diesen Versuch, objektive und reale BildAufzeichnungen zu machen, entstand die fotografische Dokumentation. Die Fotos der beauftragten Fotografen, die die tragische Realität festhielten, entstanden zwar auf Grund politischer Überlegungen, sie hatten allerdings den Nebeneffekt, die gesellschaftliche Wirkungskraft des Mediums Fotografie zu erhöhen. Die Magnum-Fotografen, die der Tradition der Dokumentationsfotografie, die von verschiedenen Gruppen und Magazinen weitergepflegt wurde, folgten, stärkten und bewahrten ihren weltweiten Ruf durch ihre typisch kritischen und unabhängigen Fotodokumentationen. Mit der Gründung junger Fotoagenturen wie Gamma und Sygma entwickelte sich die Dokumentationsfotografie allmählich zu einer Art Autor-orientierter Reportage. Diese Tendenz zeigt sich auch oft bei Magnum-Fotografen der neuen Generation wie Luc Delahayer, die nicht nur durch Magazine, sondern auch durch Ausstellungen in Kunstmuseen bzw. Galerien und das Internet den Dialog mit dem Publikum aufnehmen. Dieser Wandel, den Magnum heute erfährt, begleitet die Statusentwicklung der Dokumentationsfotografie.

Das Bild des heutigen Koreas, das das Land selber nicht kannte Die Ausstellung MAGNUM Korea ist das Ergebnis eines Projekts, für das zwanzig Fotografen, etwa die Hälfte der Magnum-Mitglieder, im Jahr 2007 einen halben Monat lang Korea besucht und die verschiedenen Gesichter des Landes aufgenommen haben. Namhafte Fotografen wie Harry Gruayaert, Alex Web, Guerogui Pinkhassov, Eliott Erwitt, Steve McCurry und Hiroji Kubota haben daran teilgenommen. Die Ausstellung bestand aus der Gesamtausstellung der 20 Autoren , die dem Publikum den individuellen Charakter der einzelnen Fotografen vorstellte, und der Thema-Ausstellung , bei der Werke nach acht Themen präsentiert wurden. Auf der Gesamtausstellung der 20 Autoren konnte man den persönlichen Stil der einzelnen Fotografen entdecken, nach dem sie ihre Fotografien konsequent gestalten. So war z.B. zu erkennen, wie die Fotografin Lise Sarfati mit der selben Blickweise, mit der sie in ihrer American Series amerikanische Teenager, deren Selbständigkeit gefährdet ist, betrachtet hatte, im Jahr 2007 in Korea Schülerinnen und junge Frauen erfasste. Jean Gaumy, der die Landschaften von Korea, das an drei Seiten vom Meer umgeben ist, mit dem von ihm gerne behandelten Themen Meer und Leben der Fischer verbunden hat, zeigt in seinen Fotos das blaue Wasser des koreanischen Ost-, West- und Südmeers und das Leben der dortigen Fischer. Die Werke von Steve McCurry enthalten eine kontemplative Betrachtungsweise, die auf der Kenntnis der buddhistischen Lehre basiert. Ian Berry, der das Tor Sungnyemun (auch als Namdaemun- oder Südtor bekannt), den koreanischen Nationalschatz Nr. 1, aufgenommen hat, ist es gelungen, den Moment, in dem Vergangenheit und Gegenwart Koreas auf-

einander treffen, genial zu fassen, indem er überschneidend das Bild der Parade der Wächter vor dem Tor Sungnyemun, die die Tradition pflegen, und der vorbei gehenden Passanten zeigt. Thomas Höpker hat den N Seoul Tower innerhalb einer überschneidenden Frame-Struktur vereinfacht und gefühlvoll dargestellt; Gueorgui Pinkhassov hat koreanische Städte im Dämmerlicht, in dem Menschen und Formen nur vage erscheinen, aufgenommen und so durch minimale Wahrnehmung in seinen verschwommenen Fotos bewusst zu machen versucht; Alex Majoli schuf durch den Kontrast von menschlicher Gestalt und Landschaft koreanische Landschaftsfotos mit einer surrealistischen Note: Sie alle haben auf der Basis visueller Ästhetik das verborgene Bild und Image von Korea, das für die Koreaner längst in der Gewohnheit versunken und vergessen ist, ausgezeichnet zum Ausdruck gebracht. Martin Parr, der den Koreanern unter den Magnum-Fotografen am vertrautesten ist, verfolgt ein Konzept, das man als Kritik und Satire gegenüber der Konsumgesellschaft und globalisierten Kultur definieren kann. Parr hat auf der Ausstellung alltägliche Konsumprodukte der Koreaner wie Ramen-Instantnudeln und Bungeoppang (mit roten Bohnen gefüllter Pfannkuchen in Goldfischform) mit Makrolinse und Close-up-Technik genau ins Visier genommen, was als eine weitere Folge seines Werks Common Sense von 1999 verstanden werden kann. Es ist ihm gelungen, die eigentlich unbedeutenden Szenen des Alltags, die voller Spaß und Humor sind, durch die für ihn typische Aufnahmetechnik einzufangen und damit das Interesse des Publikums zu gewinnen. Die Thema-Ausstellung bestand aus den acht Themen „Religionen in Korea“, „Koreanische Kultur“, „Seoul und die Stadt“, „Natur und Leben“, „Genieß, Korea!“, „Liebe und Heirat“, „Aufstieg und Ruhm“ sowie „Bild der koreanischen Gesellschaft“. Unter dem Thema „Religionen in Korea“ wurde die Toleranz und Leidenschaft der Koreaner dargestellt, in deren Gesellschaft verschiedene Religionen wie Schamanismus, Buddhismus und Christentum harmonisch koexistieren. Der aus dem Iran stammende Fotograf Abbas, der an einem Projekt über islamische Kultur gearbeitet hat, schien vom Phänomen der Koexistenz verschiedener Religionen wie Schamanismus mit seinem Exorzismusritual Gut, Buddhismus und Katholizismus künstlerisch inspiriert zu sein. Hiroji Kubota hat versucht, durch das Bild der Koreaner, die ihrer Vorfahren gedenken und die Ahnenverehrungszeremonie Jesa abhalten, die koreanische Kultur zu verstehen. Thomas Höpker fotografierte eine Studentin, die voller Begeisterung die koreanische Sanduhrtrommel Janggo schlägt, während Eliott Erwitt humorvoll Tänzer porträtierte, die einen modernen Tanz aufführen. Diese Fotografen haben dem koreanischen Publikum die Vielschichtigkeit der koreanischen Kultur bewusst gemacht, die sich durch Koexistenz, Kollision und Fusion der traditionellen koreanischen mit der westlichen Kultur diversifiziert entwickelt hat. Die Exponate unter dem Thema „Natur und Leben“ ließen die Winter 2008 | Koreana 57


© Abbas, Magnum Photos, Euro Photo-Magnum Korea

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Abbas, dessen Fotos häufig auf religiöse Themen fokussieren, bemerkte:„Ich finde es wirklich erstaunlich, dass trotz der weiten Verbreitung von Buddhismus und Christentum der Schamanismus in Korea nach wie vor so viele Anhänger hat.“ Die Fotos sind Aufnahmen eines Mansin Gut, eines schamanistischen Exorzismusrituals, das von der Schamanin Kim Keum Hwa aufgeführt wurde.

Naturverbundenheit der Koreaner erkennen, die tief in der Mentalität des Volkes wurzelt. In den Werken erscheinen die lebendig wirkenden Gestalten von Bauern und Fischern, die auf dem Land in einfachen Verhältnissen ein arbeitsames und schweigsames Leben führen. Das Thema „Genieß, Korea!“ spiegelt anhand der Vergnügungs- und Freizeitkultur der Koreaner ihre Freuden und ihre Gelassenheit wider. Steve McCurry hatte auf dem SchlammFestival in Boryeong Bilder von jungen Frauen geschossen, die ihre Gesichter und Körper mit Schlamm eingeschmiert hatten, was - in Kontrast zu seinem Bild eines afghanischen Mädchens in einem Flüchtlingslager, das auf der Titelseite der Zeitschrift National Geographic erschien und weltweit bekannt wurde - Leidenschaft und Freiheit sowie ein helles und heiteres Bild junger Koreaner zeichnet. Koreaner, die sich in Aquaparks oder Skiresorts amüsieren, sind auf den natürlich wirkenden Fotos von Ian Berry zu sehen. David Alan Harvey, Autor von Living Proof , einem 58 Koreana | Winter 2008

Buch über die Hip-hop-Kultur, befasste sich mit den Clubs im Universitätsviertel Hongdae (Hongik Universität), wo Live-Konzerte veranstaltet werden. „Liebe und Heirat“ ist ein Thema, das die Einstellung der Koreaner gegenüber Heirat und Ehe darstellt und damit das sich rasch verändernde Wertebewusstsein widerspiegelt. Chen Chi Chang, der vor kurzem in seinem Bildband Double Happiness Bilder veröffentlichte, die zeigen, wie ein junges vietnamesisches Mädchen vom Dorf und ein älterer taiwanesischer Mann eine vermittelte Ehe eingehen, zeigt durch seine Bilder von multikulturellen Ehepaaren in Korea, deren Zahl derzeit rasch zunimmt, wie sich die Einstellung gegenüber Heirat und Ehe wandelt. Das Bildungsfieber der Koreaner, die alles für die Erziehung ihrer Kinder tun, um ihnen Erfolg und Karriere zu sichern, wurde unter dem Thema „Aufstieg und Ruhm“ behandelt. Thomas Höpker hat z.B. die ernsten Gesichter der Schüler der Eliteschule Korean Minjok Leadership Academy und von Studenten der Eliteuniversi-


© Elliott Erwitt, Magnum Photos, Euro Photo-Magnum Korea

Elliot Erwitt ist bekannt für seine humoristischen und geistreichen Porträts, hier von der koreanischen Schauspielerin Moon So-ry.

tät Seoul National University in Bildern festgehalten. Für das Thema „Bild der koreanischen Gesellschaft“ hat der als Kriegsfotograf bekannte Bruno Barbey mit scharfem Auge das Bild der sozial benachteiligten Schicht gezeichnet, die durch den Wandel zur Industriegesellschaft, der die Kluft zwischen Armen und Reichen weiter vertiefte, immer stärker isoliert wird. Außerdem wurde die Spannung auf der koreanischen Halbinsel, die immer noch Ort der ideologischen Konfrontation ist, von Chen Chi Chang mit Fotos von den Wachsoldaten in der Demilitarisierten Zone (DMZ) eingefangen.

Was MAGNUM Korea hinterließ Die Ausstellung MAGNUM Korea war ein aus Anlass des 60-jährigen Gründungsjubiläums der Republik Korea von Südkorea selbst organisiertes Großprojekt. Die Ausstellung thematisierte „Korea im Jahr 2007“ als Objekt der historischen Dokumentation. Das Image Koreas, wie es sich in der koreanischen Gesellschaft

und Kultur widerspiegelt, wurde durch die Werke der MagnumFotografen einer reflektierenden Betrachtung unterzogen. Im Vergleich zu den anderen Magnum-Projekten, die sich über vergleichsweise längere Zeiträume erstreckten, haben die Fotografen das ihnen äußerst fremde Land Korea zwar innerhalb kurzer Zeit in Bildern eingefangen, den Koreanern damit aber die Gelegenheit geschenkt, ein dynamisches sowie vielfältiges, fremdes und zugleich gewohntes Bild von sich selbst zu betrachten. Heutzutage ist das Interesse der Gesellschaft an Fotografie dank der steil ansteigenden Zahl der Digitalfotografie-Anhänger und der heißen Begeisterung für Fotos, die als moderne Kunst angesehen werden, höher denn je. Die Ausstellung MAGNUM Korea wird als bedeutungsvolle Veranstaltung in Erinnerung bleiben, weil sie durch Themen, die dem allgemeinen Publikum vertraut sind, seine Aufmerksamkeit gewonnen und den Umfang des Begriffs „Dokumentationsbilder“, die bislang lediglich als journalistische Fotos galten, erweitert hat. Winter 2008 | Koreana 59


KOREA ENTDECKEN

Kevin O’Rourke Ein leidenschaftlicher Übersetzer der koreanischen Literatur Kevin O’Rourke ist ein Experte in der Übersetzung koreanischer Literatur ins Englische. Heute kann er auf Koreanisch, das er einmal schwieriger als irgendeine andere Sprache fand, von seinem Leben und seinen Träumen erzählen. Betrachten wir seinen Lebensweg, der von seiner Heimat Irland bis nach Korea und zur Anerkennung als Übersetzer koreanischer Literatur führte und voller enthusiastischer Versuche und Erfolge ist. Lee Soo Jin Freiberufliche Schriftstellerin | Fotos: Ahn Hong-beom

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ie koreanische Kultur erfreut sich unter der Bezeichnung „Hallyu“ (Koreawelle) im Ausland, besonders in der asiatischen Region, großer Beliebtheit. Die Koreawelle wird hauptsächlich von Film und Musik getragen, also von Genren der Populärkultur, deren Verbreitung und Aufnahme v.a. über die Sinne geschieht, was sie leicht zugänglich für die Konsumenten macht. Möglicherweise hat die koreanische Literatur unter den „Hallyu-Contents“ deshalb eher ein Schattendasein geführt. Denn anders als bei Populärkulturarten wie Musik und Kunst ist die Sprachbarriere zu hoch und um Literatur weltweit den Lesern mit anderen Muttersprachen zu vermitteln, bedarf es der zusätzlichen Mühe eines Prozesses der Re-Kreation, also der Übersetzung.

Übersetzen ist Re-kreieren Auf den bekannten Webseiten gibt es automatische Übersetzungsprogramme. Wenn man einen Satz eingibt, erhält man eine grobe Übersetzung, deren Bedeutung ungefähr verständlich ist. Es ist ein sehr erstaunliches und dankbares Programm, das es ermöglicht, ohne die Hilfe eines Übersetzers die Bedeutung eines Satzes zu verstehen. Aber ist dieses automatische Übersetzungsprogramm in der Lage, die eigentlichen Bedeutungen und Gefühlsnuancen des koreanischen Originals zu erfassen, zu bewahren und an den ausländischen Leser weiterzugeben, so dass dieser entsprechend bewegt ist? Der Grund, warum ich diese Frage stelle, ist keine nostalgische Sehnsucht nach dem analogen Zeitalter, das größtenteils auf manuellen Arbeitsprozessen basierte. Übersetzen bedeutet nicht mechanisches Übertragen der Wörter einer Sprache in die einer anderen. Ein Text, der Kultur, Geschichte und Vorstellungswelt eines Landes umfasst, muss so überarbeitet werden, dass er den Leser mit einem völlig anderen kulturellen und geschichtlichen Hintergrund in überzeugender Weise bewegen kann. Deswegen ist der springende Punkt bei einer Literaturübersetzung nicht „das Trans-ferieren“, sondern das„Re-kreieren“. Der Koreanist und Experte für die Übersetzung koreanischer Literatur Professor Kevin O’Rourke (68, Ehrenprofessor der Fakultät für Englische Literatur der Kyung Hee Universität) übersetzt moderne koreanische Literatur, klassische Literatur, Gedichte und Romane ins Englische. Zu seinen Veröffentlichungen gehören: Tilting the Jar, Spilling the Moon (Gedichte aus der Goryeound Joseon-Zeit und moderne koreanische Gedichte), The Dream Goes Home (Gedichte von Cho Byung-hwa), Poems of a Wanderer (Ausgewählte Gedichte von So Chong-ju, 1915~2000), Mirrored Minds, a Thousand Years of Korean Verse (Sammlung von klassischen und modernen koreanischen Gedichten), The Book of Korean Shijo (Sijo-Gedichtsammlung aus der Joseon-Zeit), The Book of Korean Poetry (Hyangga-Gedichte aus der Silla-Zeit, 57 v.Chr.~935 n.Chr. und Gayo-Gedichte aus der Goryeo-Zeit, 918~1392), Singing Like a Cricket, Hooting Like an Owl (ausgewählte Gedichte von Yi Kyu-bo), Looking for the Cow (umfassende Anthologie zeitgenössischer koreanischer Poesie), The Pine River Songs (Sijo und Kasa-Gedichte von Chong Chol [Jeong Cheol]),

sowie die Romane Our Twisted Hero von Yi Mun-yol (Der entstellte Held) und The Square von Choi In-hun (Der Platz). Es gibt nur sehr wenige Übersetzer, die die koreanische Literatur vom Koreanischen ins Englische übersetzen. Das Übersetzungswerk von Professor Kevin O’Rourke zeichnet sich schon alleine durch die jahrzehntelange Erfahrung, die dahinter steht, vor denen anderer Übersetzer aus. Seine Übersetzungen haben so hohe Anerkennung gewonnen, dass er im Bereich der Übersetzung von Poesie, wo man die Gefühlswelt des Autors und die Kompaktheit der Sprache perfekt verstehen und vermitteln können muss, von der britischen Poetry Society in London mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde. „Schon als Student der Philosophie und Theologie galt meine besondere Liebe der Literatur. Außerdem glaube ich, dass das reiche literarische Erbe meiner Heimat Irland großen Einfluss auf mich hatte. So wie es in Korea im Kunstbereich hervorragende traditionelle Gemälde und Keramiken gibt, gibt es in Irland bedeutende Autoren wie James Joyce, William Yeats, Oscar Wilde und Samual Beckett, die unauslöschliche Spuren in der westlichen Literatur des 20. Jahrhunderts hinterlassen haben.“ Kevin O’Rourke kam 1964 mit der irischen Missionary Society of St. Columban als Priester nach Korea. Damals war er 24 Jahre alt. Er hat also zweimal so lange in Korea wie in seiner Heimat Irland gelebt. Der junge irische Priester landete in einem Flugzeug in Korea, einem kleinen Land in Ostasien – es war seine erste Flugreise überhaupt. Vielleicht erinnert er sich gerade deshalb heute noch genau an den Flughafen in Gimpo. Überall waren bewaffnete Soldaten zu sehen und die Straße nach Seoul war nicht befestigt, weshalb der Wagen endlose Staubwolken aufwirbelte. Die Landschaft dieses fremden Landes Korea war kahl und auf Grund der Militärdiktatur herrschte eine bedrückende Atmosphäre. Aber Kevin O’Rourke bereiteten diese ersten Eindrücke keine Furcht, er war eher aufgeregt und voller Erwartungen. Er war zwar Priester, aber auch ein 24-jähriger junger Mann voller Neugier und Enthusiasmus. Die Welt war groß und er glaubte damals, dass Korea die ideale Herausforderung sei, an der er seine leidenschaftliche Begeisterung und seine Überzeugungen messen könne.

The Book of Korean Poetry (University of Iowa Press, 2006) ist eine Sammlung von Hyangga-Gedichten aus der Silla- und Gayo-Gedichten aus der Goryeo-Zeit, die Kevin O’Rourke ins Englische übersetzt hat.

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Wenn Kevin O’Rourke kein Priester geworden wäre, hätte ihn sein Lebensweg wahrscheinlich nie nach Korea geführt. Was stand hinter der Entscheidung, Priester zu werden? „In meiner Heimat Irland war man stolz, wenn es in der Familie einen Priester gab. Außerdem lösten sich so alle Fragen in Bezug auf Studium und Partnerwahl von alleine. Also, war es da nicht etwa eine recht gute Entscheidung, Priester zu werden?“ Seine humorvolle Erklärung enstpricht seinem optimistischen Naturell.

Student der koreanischen Literatur mit blauen Augen Kevin O’Rourke machte seinen ersten Schritt als Priester in der Columban Kirche in Donam-dong in Seoul. Er schrieb sich im Koreanisch-Institut der Yonsei Universität ein, um die Landessprache zu lernen. Im ersten Jahr stellte er mit dem Gedanken „Warum ist Koreanisch nur so schwer?“ seinen Koreanischlehrern ununterbrochen Fragen und vertiefte sich ins Lernen. Er hatte Latein und Griechisch gelernt und dachte, er besäße durchaus Talent für Sprachen und Literatur. Aber es war nicht leicht, die Sprache zu meistern. Kevin O’Rourke war damals kein einfacher Student für seine Koreanischlehrer, denn er nervte die Lehrer mit seinen tausend „Warum?“ und monopolisierte fast den ganzen Unterricht für sich allein. Da es zu dieser Zeit kaum Lehrmaterialien für Koreanisch als Fremdsprache gab und es an der notwendigen Didaktisierung mangelte, bestand der Sprachunterricht hauptsächlich aus Auswendiglernen, einer Methode, mit der sich Kevin O’Rourke nicht anfreunden konnte. „Am Anfang war Koreanisch sehr schwer für mich. Ich fragte mich immer wieder, warum Koreanisch so schwer sei und beklagte mich sogar über die koreanischen Linguisten, die sich nicht um die Entwicklung einfacherer Lehrmethoden bemühten.“ Kevin O’Rourke erinnert sich mit einem Lächeln an diese Zeit. Aber nachdem er drei Jahre am Sprachinstitut der Yonsei Universität gelernt hatte, empfand er eine besondere Zuneigung zum Koreanischen und beschloss, ein reguläres Studium der koreanischen Literatur aufzunehmen. 1968 begann er mit dem Studium der Koreanischen Literatur an der Graduate School der Yonsei Universität. Zur damaligen Zeit war es noch ein Ereignis, dass ein westlicher Student Koreanistik im M.A.-Aufbaustudiengang der Graduate School studierte. Ja, alleine die Anwesenheit eines ausländischen Studenten in irgendeinem Fach an irgendeiner koreanischen Universität war schon spektakulär genug, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aber Kevin O’Rourke überwand alle Voreingenommenheiten und sprachlichen Hindernisse. Er erhielt seinen Magister-Titel mit einer Arbeit über den Einfluss des französischen Naturalismus auf die Kurzgeschichten der 1920er Jahre des koreanischen Autors Kim Dong-in (1900-1951). Dies war für ihn Anlass, die koreanische Literatur zu seiner Lebensaufgabe zu machen. Anschließend begann er sein Promotionsstudium. 1982 wurde ihm die Doktorwürde für seine Dissertation über den Einfluss der englischen Poesie auf die koreanische Poesie der 1920er Jahre verliehen. Kevin O’Rourke war damit der 62 Koreana | Winter 2008

erste Ausländer, der an einer koreanischen Universität in koreanischer Literatur promovierte. Nach seiner Promotion redigierte er an der Yonsei Universität wissenschaftliche Zeitschriften und lehrte an der Fakultät für Englische Literatur an der Kyung Hee Universität. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2005 unterrichtete er dort moderne englische Literatur, wobei er unter den Studenten für seine ausgesprochene Gründlichkeit bekannt war.

Unwiderstehlicher Charme der klassischen Literatur Die erste veröffentlichte Übersetzung von Kevin O’Rourke war die Kurzgeschichtensammlung Ten Korean Short Stories (1974). Obwohl er koreanische Literatur der unterschiedlichsten Genres wie moderne koreanische Gedichte und Romane übersetzte, gilt seine besondere Liebe der klassischen Poesie wie den GoryeoGayo und den Silla-Hyangga. „Die wirklichen Schätze der koreanischen Literatur sind die Werke aus der Silla- und Goryeo-Zeit. Meiner Meinung nach ist der Goryeo-Dichter Yi Kyu-bo (1168-1241) der herausragendste Schriftsteller in der koreanischen Literaturgeschichte. Yi Kyu-bo ist ein Dichter mit weltumfassendem Blick und Stimme, d.h. ein Autor von globaler Kraft, der sich mit den großen chinesischen Dichtern Li Bai (701-762), Du Fu (712-770) und Su Shi (1036-1101) messen kann. Ich liebe seine Gedichte, weil sie voller Fantasie sind und Yi dort ohne Umschweife gesteht, dass der Dichter selbst nur ein schwacher Mensch ist.“ Yi hat eingesehen, dass ein Dichter, der sein Ideal nicht erreicht, ein schwacher Mensch ist. Je größer der Abstand zu einem Ideal wird, desto größer auch seine Verzweiflung, die aber wiederum als künstlerische Inspiration dient. Kevin O’Rourke meint, dass der Konfuzianismus, die Hauptideologie der Joseon-Zeit, einen eher negativen Einfluss auf die koreanische Literatur hatte. Der Konfuzianismus, der den Einfluss des Buddhismus, der die Geisteswelt des Landes für über tausend Jahre geprägt hatte, ignorierte, unterdrückte Lyrizismus und Leidenschaft, die den Kern der Literatur darstellen. Aber hervorragende Dichter der Joseon-Zeit wie Kim Si-seup (1435-1493) und Seo Geo-jeong (1420-1488) schrieben weiterhin Werke im alten Stil, was den Lyrizismus wieder zu neuem Leben erweckte. In der Gegenwartsliteratur spielten Dichter wie Park Mok-wol (1917-1978) und Seo Jeong-ju eine entscheidende Rolle dabei, die Identität der koreanischen Literatur wiederzufinden, indem sie aus dem Schatten der westlichen Literatur heraustraten. Diesen beiden Dichtern ist gemeinsam, dass sie die koreanische Literatur wieder an ihren ursprünglichen Lebenspuls anschlossen, indem sie den alten Geist von Silla wieder auferstehen ließen. Kevin O’Rourke ist zwar ein katholischer Priester, aber ihn faszinieren an der koreanischen Poesie vor allem die buddhistischen Züge, mit denen die Gedichte durchwoben sind. Von den zeitgenössischen koreanischen Dichtern hat es ihm Seo Jeong-ju besonders angetan, dessen Werke aus der mittleren und späten Schaffensperiode er im Vergleich zum Frühwerk als bewegender und von größerer Tiefe bewertet.


nung treten, und gibt damit einen guten Querschnitt von und Einblick in die koreanische Gesellschaft. Das Buch wurde 2003 in Kevin O’Rourkes englischer Übersetzung veröffentlicht und danach ins Französische, Spanische, Deutsche usw. übersetzt. Kevin O’Rourke bezeichnet das Übersetzen als „eine Arbeit, die Spaß macht“. Obwohl er manchmal einen ganzen Monat nach der passenden Übersetzung für ein einziges Wort sucht, bleibt das Übersetzen von Gedichten für ihn immer noch eine mit Spaß verbundene Herausforderung, ähnlich einem angenehmen Zeitvertreib. Es heißt, dass man wenigstens zehn Jahre braucht, um ein kompetenter Übersetzer zu werden. Wer sich zu sehr beeilt, kann keine Perfektion erreichen.

Unendlicher Enthusiasmus

Kevin O’Rourke war der erste Ausländer, der an einer koreanischen Universität in koreanischer Literatur promovierte. Nach dem Erhalt seines Doktortitels redigierte er an der Yonsei Universität wissenschaftliche Zeitschriften und lehrte an der Fakultät für Englische Literatur an der Kyung Hee Universität. Bis zu seiner Eremitierung unterrichtete er dort moderne englische Literatur und setzte sich leidenschaftlich dafür ein, den koreanischen Literaturstudenten eine weltumfassende Sichtweise und literarischen Enthusiasmus zu vermitteln.

Ausländischen Literaturliebhabern, die noch nicht mit der koreanischen Literatur vertraut sind, würde Professor O’Rourke aus der koreanischen Gegenwartsliteratur den Roman Der entstellte Held von Li Mun-yol empfehlen. Im Vergleich zu den anderen Werken des Autors hat dieser Roman zwar weniger Aufmerksamkeit auf sich gezogen, aber Kevin O’Rourke war schon vor zwanzig Jahren, als er das Buch zum ersten Mal las, von seiner Einzigartigkeit und besonderen Kraft tief bewegt. Die Handlung, die sich stets nahe am Hauptthema entlang bewegt, thematisiert bis in die Tiefe verschiedene Beziehungen der Macht, wie sie in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft ähnlich in Erschei-

Kevin O’Rourke, der nun schon über vierzig Jahre in Korea, das sich in dieser Zeit rasant entwickelt hat, lebt, wurde 2006 zum Ehrenbürger der Stadt Seoul gewählt. Er lacht und meint, das Beste daran sei, dass man als Ehrenbürger umsonst mit der U-Bahn fahren darf. Aber er drückt auch sein Bedauern über die weniger guten Seiten der schnellen Entwicklung Koreas aus. „Früher hatten die Koreaner ein sehr warmes Herz. Heute scheinen mir die Menschen im Vergleich zu früher schneller ärgerlich zu werden. Auch scheint mir das Streben nach Materiellem größer zu werden.“ Kevin O’Rourke fragt zurück ob man zur Zeit das Wort „geulpi“, das „zwei Tage nach morgen“ bedeutet, noch oft höre. Er sagt, dass dieses Wort vor zwanzig Jahren verloren gegangen sei. Das bedeutet, dass die Koreaner ein so hektisches Leben unter ständigem Zeitdruck führen, dass sie das rein koreanische Wort für „überübermorgen“ nicht mehr verwenden, weil die Zeit für nie notwendige Kontemplation von „überübermorgen“ fehlt. Der Professor sehnt sich auch heute noch nach den Zeiten vor ca. dreißig Jahren zurück, als er in den kleinen Dörfern in der Provinz Gangwon-do herumreiste und die Schönheit Koreas in der Ruhe und Beschaulichkeit lag. Kevin O’Rourke verbringt jedes Jahr ein paar Monate in Irland und den Rest der Zeit in Korea. Seine Tage sind ausgefüllt mit Lesen, Schreiben und Übersetzen, im Moment arbeitet er an Übersetzungen von Gedichten aus der Silla- und Goryeo-Zeit. Vor ein paar Jahren wurde er von der National University of Ireland mit einem Ehrendoktortitel für Literatur ausgezeichnet. Das heißt, seine Verdienste um die Literatur werden sowohl in seiner Heimat Irland als auch in seiner Wahlheimat Korea anerkannt. Kevin O’Rourke liebt die schöne klassische Poesie Koreas mehr als manch ein Koreaner. Koreanisch und die koreanische Literatur sind für ihn Alltag und als Gegenstand seiner Leidenschaft auch Quelle der Freude. Bis wann wird seine Liebe zur koreanischen Literatur und seine Übersetzungsleidenschaft anhalten? Als er nach dem Interview aufsteht, ist in seinem Blick etwas zu spüren, das an einen Jüngling erinnert, der frisch in heißer Liebe entbrannt ist. Winter 2008 | Koreana 63


AUF DER WELTBÜHNE

Am 9. Januar 2008 gab Sung Shi-yeon im Sejong Center for the Performing Arts mit einem von ihr dirigierten Konzert des Seoul Philharmonic Orchestra ihr Debüt in Korea.

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Sung Shi-yeon Eine bescheidene Wahrheitssucherin auf dem Podium Sung Shi-yeon ist eine junge koreanische Dirigentin. Da im Dirigentenbereich kaum Koreaner vertreten sind, sticht sie besonders hervor. Im Folgenden wird der musikalische Werdegang von Sung vorgestellt, die vor kurzem die großen amerikanischen Orchester wie das Los Angeles Philharmonic Orchestra und das Boston Symphony Orchestra dirigierte und damit die Aufmerksamkeit der Musikwelt auf sich zog. Anna S. Roh Musik-Kolumnistin Fotos: Seoul Philharmonic Orchestra

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ung Shi-yeon, geboren im Jahr 1976, ist ruhig, zurückhaltend und ausgesprochen weiblich. Aber wenn sie auf dem Podium steht, streift sie dieses Ich ab. Sobald sie den Dirigentenstab in die Hand nimmt, gewinnt sie an Größe und ihre entschlossenen Handgesten, Bewegungen und Anweisungen, ihr scharfer Gesichtsausdruck und ihre genaue Dirigiertechnik schlagen Dutzende von großen Musikern von einem Augenblick auf den anderen in ihren Bann. Die Zuhörer hören nicht nur die Musik des Orchesters, das auf Sungs einzelne Anweisungen reagiert, sondern ihre Gesten an sich teilen sich dem Publikum als Musik mit. Ihre auf diese Weise vollendete Interpretation von Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch (1906 - 1975) war männlich und hatte feste, dicke Linien, und die von Modest Petrowitsch Mussorgski (1839 - 1881) entführte die Zuhörer Dank ihrer reichen Vorstellungskraft in eine Welt der Fantasie.

Nachwuchsdirigentin von Weltniveau Im Bereich der klassischen Musik haben sich Koreaner heute einen weltweit anerkannten Namen gemacht. Das „koreanische Wunderkind-Syndrom“, das mit der Geigerin Chung Kyung-wha auf den Weg gebracht und von der Geigerin Sarah Chang und der Cellistin Chang Han-na weitergeführt wurde, erreichte seinen Höhepunkt, als der Pianist Kim Sun-wook beim Leeds International Pianoforte Competition den ersten Preis gewann. Bei manchen Musikwettbewerben soll man sich sogar überlegen, eine Regelung einzuführen, mit der man die koreanischen Musikstudenten, die allgemein hohe Punkte bekommen, beschränken kann. Trotz der großen Erfolge der Koreaner im Musikbereich gibt es kaum bekannte koreanische Dirigenten. Meiner Meinung nach

geht das auf das Instrument und den Charakter dieses Berufs zurück. Ein Dirigent scheint zwar lediglich einen Taktstab in seiner Hand zu halten, aber sein eigentliches Instrument sind die Musiker. Deswegen muss ein Dirigent die Kunst des gesellschaftlichen Umgangs beherrschen. Ein Dirigent kann nicht einfach nur musikalische Tiefe durch individuelles Studium und Reflexion anstreben. Während andere Instrumente die Musiker zu einem ganz persönlichen Kampf mit sich selbst um Vervollkommnung zwingen, verlangt der Taktstock als gewaltiges organisches Instrument ein hohes politisches Potential vom Dirigenten. Ein Dirigent muss Politik und Kunst beherrschen, zwei Bereiche, die man nur schwer gleichzeitig vertiefen zu können scheint. Aber die koreanische Musikerziehung legt den Schwerpunkt nur auf den Kampf mit sich selbst und den persönlichen Ruhm. Die Tatsache, dass im Vergleich zu den zahlreichen Solisten nur sehr wenige koreanische Musiker in weltbekannten Orchestern spielen und die koreanischen Symphonieorchester im Niveau den Solisten unterlegen sind, ist ein Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung. Sung Shi-yeon ist wie ein wertvoller Edelstein, der unter ungünstigen Bedingungen erstrahlte. Als Frau ragt sie zudem in diesem Bereich besonders heraus. Bei Musikern nach Geschlecht zu unterscheiden, mag heutzutage zwar überholt und altmodisch klingen, aber die Dirigentenwelt wird immer noch von Männern dominiert. Nicht nur in Korea, sondern weltweit gibt es nur selten Dirigentinnen. Dazu ist Sung Shi-yeon Asiatin, hat einen bescheidenen Charakter und ist klein von Gestalt. Keins dieser Merkmale lässt sich problemlos mit dem Begriff „Podium“ in Einklang bringen, doch Sung ist nichtsdestotrotz Dirigentin geworden. Winter 2008 | Koreana 65


Sung Shi-yeon nennt als größte Tugend für einen Dirigenten „die Bescheidenheit“. Ein Dirigent könne gar nicht anders als bescheiden sein, wenn er den Komponisten und die Partitur respektiert und die auf dieser Grundlage zustande kommende Musik für wertvoll erachtet. Mit ihrer Bescheidenheit leitet und überzeugt sie die Orchestermitglieder und schafft auf diese Weise eine optimale Harmonie.

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Von Pianistin zur Dirigentin Sung träumte eigentlich nicht von einer Karriere als Dirigentin, sie wollte Pianistin werden. In ihrer frühen Jugend gewann sie sogar einen großen Klavierwettbewerb in Korea. Als sie während ihres Studiums an der Universität der Künste Berlin in einem seelischen Tief steckte, empfahl ihr Lehrer ihr, neben dem Klavier andere musikalische Erfahrungen zu sammeln. Sie sah sich Filmmaterial über den deutschen Dirigenten Wilhelm Furtwängler (1886-1954) an und war völlig hingerissen. Ein Jahr vor ihrem Studiumabschluss schrieb sie sich an der Hochschule für Musik Hans Eisler in Berlin ein und studierte dort Klavier und Dirigieren parallel. Dort lernte sie mit Rolf Reuter den Lehrer ihres Lebens kennen. Sung war die einzige Frau unter seinen Studenten. „Auch in Europa gibt es nur selten Frauen, die Dirigieren studieren. Für Professor Reuter waren zwar alle Studenten gleich wertvoll, aber er schien mich besonders zu schätzen.“ Rolf Reuter unterwies die Studenten nicht nach einem einheitlichen Schema, sondern förderte als wahrer Pädagoge von großer Leidenschaft jeden einzelnen Studenten individuell. Er half ihnen, ihre Anlagen und Stärken zu entdecken und zu entwickeln. Auf diese Weise zu unterrichten ist nur möglich, wenn man jeden einzelnen Studenten kennt und als Individuum erfasst. Dank Reuter entdeckte Sung, wo ihr Talent lag und fand den für sie richtigen Weg im Dirigieren. Nach nur einem Jahr Studium gab sie in Berlin mit Mozarts Zauberflöte ihr Debüt. Im Jahr 2004 gewann sie den Solinger Dirigentenwettbewerb für Frauen und im September 2006 belegte sie als erste Frau den 1. Platz im Internationalen Dirigentenwettbewerb Sir Georg Solti in Frankfurt – eine Überraschung nicht nur für Korea, sondern für die ganze Welt. 2007 gewann sie den 2. Preis (bei Nichtvergabe des ersten Preises) im Internationalen Gustav Mahler Wettbewerb . Beide Wettbewerbe sind Debütbühnen der heutzutage anerkannten Nachwuchsdirigenten und gelten allgemein als Sprungbrett für die internationale Karriere. Sung Shiyeon betrat dieses Sprungbrett als erste Musikerin aus Korea und dazu als erster weiblicher Dirigent. Ihr großes Potential wurde schließlich zuerst in den USA anerkannt. Für Oktober 2007 wurde sie von James Levine, dem Chefdirigenten des Boston Symphony Orchestra, zum AssistenzDirigenten berufen und zog damit von Berlin nach Boston. „Am Anfang war es nicht leicht für mich. Sprache und Kultur waren mir noch zu fremd. Aber die Orchestermitglieder haben mich respektiert. Sie sind zu Recht als professionell zu bezeichnen. Bei den Proben sind die immer ganz pünktlich und lauschen der Meinung des Dirigenten mit großer Aufmerksamkeit. Es wird kaum geschwatzt, alle konzentrieren sich nur auf die Probe. Auch wenn ein schlechter Dirigent vor ihnen steht, verhalten sie sich

genauso diszipliniert, außer, dass alle gleich aufstehen, sobald die Probe zu Ende ist, und den Raum verlassen.“

Die Musik ist das Höchste Aber auch für Sung Shi-yeon war nicht alles eitel Sonnenschein. Die plötzliche Krankheit und der Tod von Rolf Reuter im September 2007 war ein großer Schlag für sie. Reuter ließ Sung kurz vor seinem Tod noch ins Krankenzimmer rufen, um mit ihr die Partitur durchzugehen, als sie in Frankfurt als Gastdirigentin auf die Bühne treten sollte. So war er bis zur letzten Minute für seine Schüler da. Deswegen war es für Sung besonders schlimm, als sie in einem Hotel in Frankfurt von seinem Tod erfuhr. „Ich konnte das Konzert wegen seinem Tod aber nicht absagen. Ich habe mir die Tränen aus dem Gesicht gewischt und bin zur Generalprobe gegangen. Da das Orchester eine sehr lange Tradition hat, waren die meisten Musiker so alt wie mein Vater. Ich war fest entschlossen, mich zusammenzureißen und mein Bestes zu geben, aber dann gab es Probleme. Die tragische Nachricht hatte mich zutiefst erschüttert und die Musiker bemerkten meine Instabilität. Zwischen Orchester und Dirigent herrscht ein gewisser Macht-Mechanismus. Ich konnte spüren, dass mich die Musiker ignorierten und nicht viel von mir hielten. Sie kritisierten auch meine musikalischen Interpretationen. Das kann einem jungen Dirigenten jederzeit passieren. Unter normalen Umständen hätte ich mit einem Lächeln eingelenkt und mir Mühe gegeben, sie zu überzeugen, aber an dem Tag waren die Umstände anders. Ich stand vor der ersten Krise meines Dirigentenlebens. Ich durfte nicht nachgeben, nicht nur für das Ansehen meines verstorbenen Lehrers, sondern auch, weil ich meine eigene Identität finden musste.“ Es war das erste Mal, dass sie mit den Orchestermitgliedern auf Konfrontationskurs ging. Zum Glück gewann sie. Als das Orchester nach der Probe von Reuters Tod erfuhr, wurde es still im Saal. Das Konzert, das an diesem Tag gegeben wurde, wurde als die beste Aufführung gelobt. Sung Shin-yeon setzt heute ihre Karriere weiter fort und nennt immer noch als größte Tugend eines Dirigenten „die Bescheidenheit“. Ein Dirigent könne gar nicht anders als bescheiden sein, wenn er den Komponisten und die Partitur respektiert und die auf dieser Grundlage zustande kommende Musik für wertvoll erachtet. Mit ihrer Bescheidenheit leitet und überzeugt sie die Orchestermitglieder und schafft auf diese Weise eine optimale Harmonie. Es gebe nichts Höheres als die Musik. Für die Eintracht zwischen Dirigent und Orchester braucht man eigentlich nur diese Erkenntnis. Wie in Beethovens berühmter Sinfonie Nr. 9 träumt Sung Shi-yeon davon, dass alle Menschen Brüder werden, wo der sanfte Flügel der Musik weilt und steht auch heute einsam aber selbstbewusst auf dem Podium vor dem Orchester. Winter 2008 | Koreana 67


UNTERWEGS

Jeongseon Die zeitlose Schönheit von Bergen und Flüssen Jeongseon in der Provinz Gangwon-do ist ein Ort, in der die über 1.000 Meter hohen Berge und die darin verstreut liegenden Dörfer entgegen der Strömung der Zeit ihre ursprüngliche Gestalt beibehalten haben. Jeongseon ist auch für das Jeongseon-Arirang bekannt, eine Version des traditionellen koreanischen Volksliedes Arirang, die in dieser Gegend ihren Ursprung hat. Die Menschen haben es gesungen, um ihren Groll mit dem Fluss wegfließen zu lassen. Begeben wir uns auf eine Reise nach Jeongseon, eine Gegend, die „Han“, ein schwer zu beschreibendes Gefühl des tiefen Ressentiments, birgt. Lee Yong-han Dichter | Fotos: Ahn Hong-beom

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ast wie bei einer Reise in die Zeit lasse ich die Stadt mit ihrem komplizierten Leben hinter mir und begebe mich auf Wege, die sich durch die Berge schlängeln. Auf dem steinigen Feld am Bergfuß stehen hier und da Garben von Buchweizen, Bohnen und Mais. Auf den niedrigen Hausdächern liegt der Schatten der Berge und aus den Schornsteinen steigt Rauch, der aufs Abendessen hinweist. Da die Bergtäler hier besonders tief sind, geht in den Dörfern die Sonne auch früh unter. Durch diese freundlich anmutende Landschaft fahre ich nach Jeongseon, das mich wie eine Mutter mit offenen Armen empfängt. Jeongseon, heißt es, ist „ein Ort, zu dem man mit Tränen kommt und den man mit Tränen verlässt“. Wenn früher ein königlicher Beamter zum Magistrat von Jeongseon ernannt wurde, kam er mit Gram im Herzen, weil er seinen Dienst in einer abgelegenen und unzugänglichen Berggegend verrichten sollte, und mit Tränen, weil der Weg über die hohen Gebirgspässe anstrengend und gefährlich war. Aber wenn man in Jeongseon erst einmal Fuß gefasst hatte und vertraut worden war mit der herrlichen Gebirgswelt, den Flüssen und vor allem den freundlichen Menschen, dann fühlte man sich in diesem Amtsgebiet mehr zu Hause als in irgend einem anderen. Wenn die Amtszeit dann zu Ende ging und man die Gegend verlassen musste, brach man erneut in Tränen aus, diesmal aber, weil man nicht mehr von hier wegwollte. Jeongseon war schon früher eine der entlegensten und einsamsten Berggegenden in Korea. Das ist auch heute noch so. Tatsächlich gibt es hier so viele Berge, dass man sagt: „Wenn man hier lebt, spannt man die Wäscheleine zwischen dem Berg vor und dem hinter dem Haus.“

Einzigartige Landschaft Das Verwaltungsgebiet Jeongseon ist dafür berühmt, dass es in allen vier Himmelsrichtungen dicht von Bergen umgeben ist. Hier finden sich viele Berge, deren Gipfel 1.000 Meter über dem Meeresspiegel liegen wie der 1.561 Meter hohe Berg Gariwangsan. Die Bäche, die aus den Quellen in den verschiedenen Bergen entspringen, fließen in einen Fluss zusammen. Dieser Fluss, der nach Yeongwol führt, heißt offiziell Joyang-gang, ist aber allgemein als Dong-gang bekannt. Die Landschaft am Fluss Donggang gilt als die schönste in ganz Jeongseon. So, wie sich die Melodie des Volkslieds Jeongseon-Arirang biegt und windet, so schlängelt sich der Dong-gang ins Tal. Die schö-

Der Fluss Dong-gang, der sich durch die Bergtäler mit ihren steilen, über 1.000 m hohen Gipfeln windet, ist für die Schönheit der Landschaft entlang seines Flusslaufes bekannt.

Jeongseon

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ne Flusslandschaft am Dong-gang bestimmt das Gesamtbild des Landkreises Jeongseon. Bis vor einigen Jahren konnte man in Jeongseon noch Brücken aus Zweigen und aus Baumstämmen sehen. Bei einer Brücke aus Zweigen stellte man zuerst die Stützpfeiler auf, verband sie seitlich mit Kiefernzweigen und bedeckte diese Grundkonstruktion mit Lehm. Eine Holzbrücke aus Baumstämmen war viel einfacher zu bauen. Über die in die Erde gerammten Stützpfeiler brauchte man nur mehrere Stämme zu legen und diese aneinander zu befestigen. Im November, wenn die kalten Winde wehten, bauten die Dorfleute zusammen Brücken und feierten den Bau mit einem Dorffest. Am reizvollsten ist die Landschaft des Flusses Dong-gang im Dorf Yeonpo, das zum Bezirk Deokcheon-ri gehört. Der Flussweg des Dong-gang, der bis hierhin schlangenförmig mäandert, formt in Yeonpo eine Art Halbschleife, an deren Ausgangs- bzw. Endpunkt sich die Höhle Baengnyong (Die Höhle der hundert Drachen) befindet. Einen weiteren fantastischen Anblick bieten in Yeonpo die Klippen am Flussufer. Die Felsformationen recken sich direkt am Fluss so steil in die Höhe, dass das ganze Dorf in ihrem Schatten liegt. Daher sagt man in Yeonpo: „Die Sonne geht täglich drei Mal auf.“ Da die majestätischen Berge und Felsformationen direkt vor dem Dorf in die Höhe schießen, kann man nämlich zwischen den Felsenspitzen die Sonne quasi drei Mal aufgehen sehen. In dem Dorf befindet sich auch ein Wirtshaus, das noch bis vor zwanzig Jahren die Flößer, die nach Seoul fuhren, bewirtete. In guten Zeiten hätten pro Tag 30 bis 40 Flößer die Gaststätte besucht. Die alte Gastwirtin erinnert sich noch an den überwältigenden Anblick, den die aus der Quellrichtung kommenden Floße

1 Auraji, wo zwei Flüsse ineinander fließen, war in alten Zeiten eine Hauptanlegestelle für Flößer. Heutzutage kann man den Fluss mit einem Boot überqueren, indem man sich an Seilen ans andere Ufer zieht.

2 Die Höhle Hwaam-gul ist eine Kalksteinhöhle, die sich über etwa 500 m erstreckt. Zu ihren Sehenswürdigkeiten gehören ein imposanter Steinwasserfall und die Große Stalagmite mit einem Umfang von 5 m und einer Höhe von 8 m.

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1 Die Einwohner von Andojeon, eines entlegenen Bergdorfes,

boten, wenn sie die gefährlichen Wasserschnellen von Yeonpo durchfuhren. Doch die Floße von Jeongseon, die sich im Laufe langer Zeiten ihren Weg durch die reißende Strömung bahnten, wurden von der starken Welle der so genannten modernen Zivilisation ans Ufer gespült und leben seitdem nur noch in der Erinnerung weiter. Interessanterweise ist der Wasserweg, den früher die Flößer benutzten, heutzutage ein beliebter Ort für Rafting geworden. Vielleicht ist Rafting die moderne Version des Floßfahrens.

betreiben auch heute noch eine altertümliche Tretmühle zum Mahlen von Getreide.

2 Railbiking ist bei den Besuchern von Jeongseon eine beliebte Freizeitaktivität für die ganze Familie. Die Railbike-Gleise, die einst für den jetzt stillgelegten Kohlenbergwerkbetrieb gebaut wurden, führen durch ein abwechslungsreiches landschaftliches Panorama.

3 Morundae, was “Sammelpunkt der Wolken” meint, ist eine zerklüftete Felsenklippe, deren Anblick seit jeher Quelle der künstlerischen Inspiration für Dichter und Maler war.

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Bergdörfer voller Ursprünglichkeit Je höher die Berge, desto tiefer die Täler, sagt man. In Jeongseon befinden sich tief in den Bergen und Tälern immer noch viele abgeschiedene Bergdörfer. Die beste Methode, das authentische Leben der Bewohner von Jeongseon kennen und verstehen zu lernen, ist daher eine Reise durch diese entlegenen Weiler. Am bekanntesten ist der Weiler Hambawigol im Bezirk Bukdong-ri. Dieser Weiler liegt selbst für Jeongseoner Verhältnisse am Ende der Welt. Um ihn zu erreichen, muss man die stark befahrene Landstraße Nr. 424 verlassen und zwölf Kilometer unbefestigte Bergwege zurücklegen, auf denen es nur so staubt. In dem Weiler ist es so still, dass man sogar die Seele der Bäume, wenn sie eine hätten, hören könnte. In Hambawigol gibt es heute nur noch einen Haushalt, der die Geschichte des Weilers weiterführt. Ein alter Mann namens Choi lebt als einer der ursprünglichen Einwohner seit über 50 Jahren in Hambawigol und wacht über die Ortschaft. In seinem Haus gibt es zwei besondere Dinge: einen Speer, den man bei der Wildschweinjagd benutzte, und Padae, eine Peitsche, mit deren Knall man Vögel oder Tiere vertrieb. Noch in Chois Jugend kam der Speer für die Wildschweinjagd häufig zum Einsatz, aber heute hat er ausgedient. Doch die Peitsche ist auch heute noch für ihn nützlich. Padae ist eine Peitsche aus geflochtenen Strohhalmen, die über drei Meter lang ist. „Wenn Raben sich an den Mais heranmachen und Wildschweine auf der Suche nach Feldfrüchten wie Kartoffeln die Äcker aufwühlen, peitsche ich einmal ganz kräftig. Das treibt die diebischen Tiere in die Flucht. Der Knall ist so gewaltig wie ein Pistolenknall“, sagt Choi. Aber er treibt keinen so großen Ackerbau mehr, dass er mit der Padae Vögel zu verscheuchen bräuchte. Er baut nur noch etwas Mais und Rettich an. Auf meine naive Frage, ob er denn den Weiler nicht verlassen möchte, erwidert er entschlossen: „Ich lebe gern hier. Hier ist es ruhig, die Luft ist gut und auch das Wasser. Mir gefällt es hier. Glauben Sie etwa, ich würde hier leben, wenn es mir hier nicht gefallen würde?“ Die Leute, die nicht hier wohnen, stellen sich das Leben hier unbequem vor, aber Choi hat da eine andere Meinung. Auch das Dorf Andojeon im Bezirk Imgye-myeon ist ein Ort, in dem noch der Hauch und Reiz der abgeschiedenen Bergdorfwelt erhalten geblieben ist. Wie Wandschirme umringen die über 1.200 Meter hohen Berge das Dorf. Nach den Erzählungen der Dorfbewohner hatten die meisten Häuser früher Dächer aus Hanfstroh, doch in den 1970er Jahren wurden sie alle durch Blechdächer


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ersetzt. Aber die Wände sind auch heute noch meistens aus Lehm und es gibt noch viele Häuser, bei denen die ursprünglichen Steinmauern erhalten sind. Die einzelnen Häuser liegen weit voneinander entfernt in der Gegend verstreut – ein typisches Merkmal von Gebirgsdörfern. In den meisten Häusern der Bergdörfer in der Provinz Gangwondo befinden sich Stall und Küche unter einem Dach. Die Rinder und Kühe im Wohnbereich unterzubringen hat nicht nur mit der Tradition zu tun, dass die Tiere als quasi zur Familie gehörig empfunden wurden, sondern auch mit der Notwendigkeit, sie vor den häufigen Angriffen von Wildtieren zu schützen. Auch machten es die eisigen Winter erforderlich, dass Mensch und Tier zusammenrückten. In Andojeon gibt es auch noch eine Tretmühle – heutzutage ein seltener Anblick. Die Tretmühle ist auch heute noch als gemeinsam genutzte Dorfmühle im Einsatz. Die Dorfleute mahlen damit Sojabohnen für Meju (gemahlene, fermentierte Sojabohnen, die in Blöcken getrocknet und zur Herstellung von Sojasoße verwendet werden), rote Chili, Hirse und Mais. An hohen Feiertagen wird

Reis gemahlen, um aus dem Reismehl Tteok (Reiskuchen) herzustellen. Reiskuchen mit Reismehl aus der Tretmühle übertrifft in Geschmack und Konsistenz maschinell hergestellte Reiskuchen bei Weitem. Im Bezirk Baekjeon-ri gibt es noch eine alte Wassermühle. Sie wurde vor etwa einhundert Jahren gebaut, um Getreide zu mahlen und noch bis vor zehn Jahren von der Dorfgemeinschaft benutzt.

Auraji: Sammelpunkt der Flüsse, Morundae: Sammelpunkt der Wolken In Jeongseon, das für seine erhabenen Berge und sein gutes Wasser bekannt ist, gibt es viel Sehenswertes. Am bekanntesten ist wohl Auraji, ein Ort, an dem zwei Flüsse ineinander münden. Dieses Mündungsgebiet, das Auraji (Bedeutung: zusammenkommen bzw. harmonisieren) genannt wird, weil hier die Flüsse Song-cheon und Golji-cheon ineinander fließen, ist nicht nur als Floßhafen bekannt, von wo aus Holz den Fluss Namhan-gang entlang geflößt wurde, sondern auch als Wiege des bekannten Volkslieds Jeongseon-Arirang , das mündlich überliefert wurde. In Winter 2008 | Koreana 73


In Jeongseon gibt es Landschaften und Werte, die dem unerbitterlichen Lauf der Zeit standgehalten haben und selbstbewusst in ihrer ursprünglichen Form weiter bestehen. Trotz aller Widernisse und Stürme in der Welt draußen ist hier „das Leben auf dem Land“, wie man es von früher kannte und nach dem sich die Menschen zurücksehnen, erhalten geblieben. Es ist eine „Heimat der Seele“, die das Empfinden des Dichters beflügelt. Dort gibt es den Fluss Dong-gang, der einst wie jetzt fließt, Auraji, wo zwei Flüsse ineinander fließen, und entlegene Weiler, für die die Veränderungen des Zeitalters nicht von Interesse sind.

Ein Mönch im Tempel Jeongam-sa geht an der aus Wasserachat-Steinen erbauten Sumano-Pagode im Gebirge Taebaek-san vorbei.

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Auraji ist die Auraji-Jungfrauenstatue, die im Lied vorkommt, zu sehen und auch Seilfähren sowie Brücken aus Zweigen. Ein Abschnitt aus dem Jeongseon-Arirang Du Flößer von Auraji, setz mich über den Fluss. Im Dorf Ssarigol werden schon alle Kameliensamen gefallen sein. Die Kameliensamen mögen auf dem gefallenen Herbstlaub ruhen. Alle Jahreszeiten vergehe ich vor Sehnsucht nach dem Geliebten.

Diese Stelle, wo auch Auraji erwähnt wird, enthält die berühmtesten Zeilen des Volkslieds, das auch heute noch gern von den Bewohnern der Gegend gesungen wird. Vor kurzem wurde zwischen Auraji und der alten Bahnstation Gujeol-ri eine Railbike-Bahn gebaut, die bei Touristen sehr beliebt ist. Gujeol-ri, das einst vom Kohlebergbau lebte, hat nach der Stilllegung der Bergwerke eine harte Zeit durchgemacht. Doch mit der Idee, die Schienen, auf denen früher Kohlen transportiert wurden, für Railbike-Fahrten zu verwenden, hat sich der Ort zu einem neuen Anziehungspunkt für Touristen gewandelt. Die Landschaft, die sich auf der 7,2 Kilometer langen Railbike-


Strecke von Gujeol-ri bis Auraji erstreckt, ist auch in Jeongseon für ihre Schönheit bekannt. Die Höhle Hwaam-gul, das Hwaam-Heilwasser und die Klippe Morundae sind im Allgemeinen nicht so bekannt wie Dong-gang oder Auraji, doch unter den Bewohnern von Jeongseon erfreuen sie sich noch größerer Beliebtheit. In der Höhle Hwaam-gul kann man den mit 28 Metern größten Wasserfall aus fließendem Gestein besichtigen, dazu gewaltige Stalagmiten aller Art sowie mehrere Reihen von Steinsäulen. Außerdem sind auch zahlreiche Materialien ausgestellt, die den Besuchern Einblick in Entstehung und Arten von Goldadern geben, und Veredelung, Gebrauch und Geschichte des Goldes im Überblick darstellen. Das Hwaam-Heilwasser, das man in dem Tourismuszentrum Hwaam Tourist Attraction probieren kann, ist als magisches Heilwasser bekannt. Es soll bei Haut-, Magen-, Darm- und Augenkrankheiten wirken. Man sagt: Wenn ein unreiner Mensch das Heilwasser trinken will, sieht er unter der Wasseroberfläche Riesenschlangen, so dass er es nicht mehr wagt, von dem Wasser zu kosten. Als letzte landschaftliche Attraktion von Jeongseon sei die Klippe Morundae vorgestellt, die seit alter Zeit von zahlreichen Poeten, die ihre Gedichte in Kalligraphien festhielten, aufgesucht wird. Unterhalb der felsigen Klippe, die mit ihrer Herrlichkeit selbst die Wolken erstaunte und zum Verweilen brachte – deshalb wird die Klippe „Morundae“ genannt –, erstreckt sich ein breiter Felsen, auf dem Hunderte von Menschen Rast machen können. Auf der felsigen Klippe, die so aussieht, als ob jemand Hunderte von Felsen geschnitzt und aufgereiht hätte, steht eine abgestorbene Kiefer tief nach unten gebeugt. Es war wahrscheinlich das steile Gefälle, das den Schritt des Dichters stocken ließ. Der Weg nach Morundae ist ein von Menschenhand unberührter Raum, der sich in scharfen Windungen in tiefer Stille zwischen den Felsen hindurchschlängelt. Als präsentiere Morundae ein Gedicht, befindet sich am Ende der Stille eine ferne Klippe. Morundae, ein Ort, zu dem die Wolken eilen und dort verweilen. Auf dieser Klippe, auf den geschnitzten und aufgestellten Hunderten von Felsen, blickt eine gekrümmte, vom Blitz getroffene Kiefer auf die einsame Landschaft hinunter. Morundae genießt zwar bei den Besuchern Jeongseons allgemein nicht so große Beliebheit, aber für Dichter ist es als „steiler Text“ ein Muss. Viele berühmte Lyriker des Landes haben Morundae als poetischen Stoff verarbeitet. Genau wie die Wolken mussten sie einfach an diesem Ort verweilen.

Der Tempel Jeongam-sa –– ein Rastplatz der Seele Für den koreanischen Dichter Hwang Dong-gyu (1938~) ist Jeongseon „ein verborgener Traum“ sowie „ein heißes Gedicht“. In seinen Gedichten betrachtet er die Entwicklungen und den Modernisierungsprozess in Jeongseon mit großem Bedauern. Er befürchtet wohl den Verlust „der dörflichen Werte“ durch „die Bequemlichkeiten der Zivilisation“.

In einer Welt, wo sich alles von einem Moment auf den anderen verändert, ist eigentlich auch der Wandel auf dem Lande nicht zu vermeiden. Man kann ja nicht in einer stillgelegten Mine weiter Kohlen fördern. Beispielsweise ist das berühmteste Kohlenbergbaugebiet des Landes mit dem Bau eines Kasino-Resorts vor kurzem zu einer neuen Touristenattraktion geworden. In dem Kasino-Komplex, der als einziger in Korea auch für Inländer zugänglich ist, gibt es neben dem Kasino auch Golf- und Skianlagen sowie Hotels, d.h. er fungiert als kombinierter Vergnügungs-, Freizeit- und Erholungsort für die ganze Familie. Außerdem wurden einige der Dörfer in Jeongseon zu Ausflugszielen entwickelt, wo die Stadtmenschen das Leben auf dem Dorf kennen lernen können. In Jeongseon gibt es aber auch Landschaften und Werte, die dem unerbitterlichen Lauf der Zeit standgehalten haben und selbstbewusst in ihrer ursprünglichen Form weiter bestehen. Trotz aller Widernisse und Stürme in der Welt ist dort „das Leben auf dem Land“, nach dem sich die Menschen zurücksehnen, und „die Heimat der Seele“, die das Empfinden des Dichters beflügelt. Dort gibt es den Fluss Dong-gang, der einst wie jetzt fließt, Auraji, wo zwei Flüsse ineinander fließen, und entlegene Weiler, für die die Veränderungen des Zeitalters nicht von Interesse sind. Und dort gibt es auch den buddhistischen Tempel Jeongam-sa, der immer noch an seinem alten Platz Menschen mit verfeinertem Geschmack anlockt. Dieser Tempel, der auch in einem Gedicht von Hwang erscheint, ist wohl der „Rastplatz der Seele“ von Jeongseon. Im Tempel Jeongam-sa herrscht stets Stille und Andacht. Im Frühling ist das Aufbrechen der Knospen zu hören und im Sommer entstehen leise grüne Schatten. Im Herbst rötet sich der Himmel im Rot des Herbstlaubs und im Winter häuft sich leise der Schnee, der wie der Atem, der vor dem Mund der Mönche zu kleinen Wolken gefriert, herunterieselt. Ein Mönch kommt aus dem Jeongmyeolbo-gung, stellt sich auf dem Weg zur Wasserachat-Pagode in Richtung Talwasser, wo die Lenok (sibirische Forelle) leben und schlägt den hölzernen Gong. Das Jeongmyeolbo-gung, das in der Regierungszeit der Silla-Königin Seondeok (? - 647) von Jajang (590 - 658), einem angesehenen Mönchen des Silla-Reiches, errichtet wurde, gehört zu den fünf größten koreanischen Reliquienschreinen. Dort befindet sich die Wasserachat-Pagode (Nationalschatz Nr. 410), in der buddhistische Sarira wie Knochen und Zähne aufbewahrt sind. Davor steht immer noch der Eibenbaum, den der Mönch Jajang vor etwa 1.300 Jahren gepflanzt haben soll. Wasserachat ist ein Edelstein, der unter Wasser zu finden ist. Nach alten Schriften soll es im Taebaek-Gebirge drei Pagoden gegeben haben, und zwar aus jeweils Gold, Silber und Wasserachat. Die Gold- und Silberpagode sollen sich vor den Augen des Menschen verborgen haben, so dass nur noch die Wasserachat-Pagode auf der Welt zu sehen ist. Die siebenstöckige Pagode aus viereckigen Steinen im Ziegelsteinformat ist auch für die Besonderheit ihres Baustils bekannt. Winter 2008 | Koreana 75


KÜCHE

Yaksik Süßer Reis wird Medizin Die Koreaner vertreten traditionell die Philosophie, dass Nahrungsmittel und Medizin aus der gleichen Quelle stammen. Das Wort „Yaksik“ setzt sich entsprechend aus den beiden Wörtern „Yak“ (Medizin) und „Sik“ (Essen) zusammen. Yaksik ist daher ein Gericht, das genau dem traditionellen Verständnis, dass nahrhaftes Essen den Körper heilt und stärkt, entspricht. Paik Jae-eun Professorin für Lebensmittel und Ernährung, Bucheon University

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ie Hauptzutat von Yaksik ist Klebreis. Im Gegensatz zu Reiskuchenarten auf Reismehlbasis bleibt die Form der Reiskörner erhalten, auch wenn der Klebreis in die typische Reiskuchenform gebracht wird. Yaksik ist das repräsentativste Gericht, das am Vollmondfest am 15. Januar nach Lunarkalendar, gegessen wird und auch bei Feierlichkeiten wie Hochzeiten, Geburtstagen oder Feiertagen nicht fehlen darf. Es gibt einen besonderen Grund, warum man am Tag des Vollmondfestes Yaksik isst: Der Silla-König Soji (reg. ?-500) machte sich am Vollmondfest im zehnten Jahr seiner Regentschaft auf den Weg zum Berg Nam-san in der damaligen Silla-Hauptstadt Gyeongju, um den Vollmond zu betrachten. Aber plötzlich flog ein Schwarm Krähen vor ihm auf. Dadurch entdeckte König Soji die Verschwörung, die die Königin und eine Gruppe von Mönchen geplant hatten, und konnte so sein Leben retten. Deshalb bestimmte der König das Vollmondfest als Ogiil (Tag des Krähenverehrungsrituals) und ließ schwarzen Yaksik zubereiten, der an diesem Tag als Ausdruck seiner Dankbarkeit bei der Gedenkzeremonie als Opfergabe dargebracht wurde. Auch die Krähen wurden damit gefüttert. Diese Tradition wurde bis zum heutigen Tag weitergegeben. Das heißt, Yaksik ist ein Gericht, das an einem bestimmten Tag, nämlich Jeongwoldaeboreum, gegessen wird, den Vollmond symbolisiert und zugleich für Dankbarkeit steht.

Hauptzutaten werden Medizin Für Yaksik werden traditionell besonders geschätzte und teure Zutaten wie Honig, Kastanien, Jujuben usw. verwendet, weshalb Yaksik nur an besonderen Tagen gegessen wurde. Im Gegensatz zu früher ist Yaksik heute aber ein Gericht, das nicht mehr nur an den hohen Feiertagen serviert wird. Es ist bei gesundheitsbewussten modernen Koreanern beliebt, weil der Preis relativ günstig ist und die Zutaten leicht zu besorgen sind. Vor allen 76 Koreana | Winter 2008

Dingen hat sich auch ein neues Bewusstsein für Tteok, den traditionellen Reiskuchen, entwickelt, so dass viele Tteok-Geschäfte eröffnet wurden. Yaksik, das in jedem Reiskuchengeschäft in bequemen Portionspackungen angeboten wird, ist ideal als leichte Mahlzeit oder als Snack für zwischendurch, weshalb die Zahl der Yaksik-Liebhaber beständig am Steigen ist. Betrachtet man die traditionellen koreanischen Gerichte, stellt man fest, dass viele Bezeichnungen mit „Yak“ beginnen wie Yakgwa (Medizin-Gebäck), Yaksik (Medizin-Essen), Yakju (MedizinAlkohol) usw. Die Koreaner glauben, dass es wichtiger ist, sich im Alltag richtig und vollwertig zu ernähren und so seine Gesundheit zu pflegen, als später, wenn man krank geworden ist, Medikamente einzunehmen. Das Wort „Yangnyeom“, das „Gewürz“ bedeutet, stammt aus dem chinesischen Zeichen 藥 念 (Yak Nyeom), das beinhaltet, dass man bei der Verwendung von verschiedenen Gewürzen immer daran denken soll, dass sie als Medizin für den Körper wirken. Bei Erklärungen der Philosophie der koreanischen Küche wird oft die Wendung „Yaksikdongwon“ ( 藥食同原 ) benutzt. „Yaksikdongwon“ bedeutet, dass Medizin und Nahrungsmittel aus der gleichen Quelle stammen. Eins der repräsentativsten Yaksikdongwon-Gerichte ist gerade Yaksik. Denn für Yaksik werden Zutaten wie Kastanien, Jujuben, Pinienkerne, Zimt usw. verwendet, die zugleich Nahrungsmittel und Heilmittel der traditionellen koreanischen Medizin sind und die Gesundheit fördern. Kastanien sind reich an Kohlenhydraten, Eiweiß, Fett, Kalzium sowie Vitamin A, B und C. Vitamin C hilft bei der Zerlegung von Alkohol, weshalb sich Yaksik gut als Beilage zum Trinken eignet. Außerdem fördert Vitamin C bei Kindern Wachstum und Körperentwicklung, wirkt reaktivierend bei Erschöpfung, sorgt für eine schöne Haut und beugt Erkältungen vor. Im Zucker gibt es Enzyme, die Magen und Darm stärken, Erwachsenenkrankheiten


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Im Gegensatz zu früher ist Yaksik heute ein Gericht, das nicht mehr nur an besonderen Feiertagen gegessen wird. Es ist bei gesundheitsbewussten modernen Koreanern beliebt, weil der Preis relativ günstig ist und die Zutaten leicht zu besorgen sind. Yaksik, das in jedem Reiskuchengeschäft in bequemen Portionspackungen angeboten wird, ist ideal als leichte Mahlzeit oder als Snack für zwischendurch.


Yaksik Zutaten 5 Becher Klebreis (1Becher: 236,6ml), 10 Kastanien, 5 getrocknete Jujuben, 3EL Pinienkerne, 1 Becher Zucker, 3EL Jinganjang (dunkle, geschmacksstarke Sojasoße), 6EL Sesamöl (aus gerösteten Sesamkörnern), 1TL Zimt, Karamellsoße (aus: 6EL Zucker, 3EL kaltes Wasser, 3El warmes Wasser)

Zubereitung 1 Den Reis waschen, wenigstens 6 Stunden in Wasser weichen lassen, restliches Wasser abgießen. Einen Topf mit Dämpfeinsatz mit einem Leintuch auslegen, den Reis darauf geben und ca. 40 Minuten dämpfen. Während des Dämpfens etwas kaltes Waser hinzugeben und den Reis gut mit einem Holzlöffel von unten nach oben vermischen. 2 Die Kastanien schälen und in 2~4 Stücke zerteilen. Die Jujuben entkernen und in 2~3 Stücke schneiden. Die Schalen der Piniennüsse entfernen. 3 Die Karamellsoße kochen. Dazu kaltes Wasser und Zucker auf kleinem Feuer langsam erhitzen. Dabei entwickelt sich Schaum und die Soße beginnt von einer Seite zu kochen. Sobald die Soße zu Schäumen beginnt, das Feuer abdrehen und den Topf leicht hin und herbewegen, damit die Soße gleichmäßig kocht. Danach Feuer wieder andrehen und kochen bis die Flüssigkeit braun wird. Dann sofort das warme Wasser hinzugeben, damit die Soße flüssig bleibt. 4 Zu dem heißen Klebreis die vorbereiteten Zutaten Zucker, Jinganjang, Karamellsoße, Sesamöl und Zimt hinzugeben und die Masse gut mit einem Holzlöffel vermischen, damit sie nicht klebt. Danach Kastanien und Jujuben zufügen, nochmals alles mischen und ca. 2 Stunden stehen lassen, damit die Gewürze gut einziehen. 5 Einen Topf mit Dämpfeinsatz erneut mit einem Leintuch auslegen, die Reismasse in den Topf geben und noch einmal etwa eine Stunde lang dämpfen. Danach mischt man die Pinienkerne darunter und füllt das Ganze in eine Schüssel oder Form. 6 Den hinreichend abgekühlten Yaksik auf ein Schneidebrett legen und in mundgerechte Portionen schneiden. Etwaige Reste in angemessene Portionen verpacken und einfrieren.

vorbeugen und die Nieren schützen. Jujuben werden oft als Zutat und als Heilmittel verwendet. Sie werden als harntreibendes Diruetikum, anregendes Analeptikon und Linderungsmittel angewendet. Das pflanzliche Fett der sehr fetthaltigen Pinienkerne unterscheidet sich von tierischen Fetten dadurch, dass die ungesättigten Fettsäuren nicht vom Körper hergestellt werden können. Pinienkerne haben den Effekt, den Cholesterinspiegel im Blut zu senken und dadurch ebenfalls den Blutdruck. Sie verleihen zudem der Haut einen natürlichen Glanz. Zimt treibt den Blutkreislauf an und beseitigt Kältegefühl im Brust- und Bauchbereich. Auch regt es den Appetit an, wirkt gegen Krämpfe in Magen und Darm und verhindert abnormale Gärung im Darm. Die Hauptzutat von Yaksik ist Klebreis. Klebreis enthält im Vergleich zu normalem Reis viel mehr Amylopektin, Hauptbestandteil der pflanzlichen Stärke, was ihn klebriger und leichter verdaulich macht. Auch deshalb ist Yaksik ein gutes Gericht, das von Jung und Alt genossen werden kann.

Snack mit Stil und Geschmack Yaksik ist nicht nur etwas für Koreaner, sondern eignet sich auch gut als Nachtisch für fremde Gaumen. Yaksik, bei dem der Geschmack von Kastanien und Zimt mit der Süße des Reises

harmoniert, vertreibt den Nachgeschmack, den vor allem fettige Fleischgerichte hinterlassen. Auch bietet der vom Zimt braun gefärbte Klebreis zusammen mit dem dunklen Rot der Jujuben und dem satten Gelb der Pinienkerne ein Fest fürs Auge. Yaksik, der nach dem Essen in dekorativer Folie als Dessert oder Snack serviert wird, steht für Stil und Geschmack zugleich. Yaksik lassen sich auch leicht aufbewahren. Nach der Zubereitung können sie in beliebig große Portionen einzeln abgepackt und für längere Zeit tiefgefroren werden, so dass nicht die Gefahr besteht, dass sie schlecht werden. Die Zubereitung von Yaksik ist im Vergleich zu den anderen Gerichten, die an bestimmten Feiertagen gegessen werden, sehr einfach. Zuerst wäscht man den Klebreis gründlich in Wasser und dämpft ihn. Anschließend wird er mit Kastanien, Jujuben, Sojasoße, Honig, Zucker, Sesamöl und Zimt gemischt und noch einmal gedämpft. Erst danach werden die Pinienkerne hinzugegeben. Der fertige Yaksik wird – damit er nicht festklebt – in ein mit Sesamöl ausgestrichenes Gefäß oder eine Form gegeben, leicht festgedrückt, damit er die jeweilige Form annimmt, und kalt gestellt. Ist er hinreichend abgekühlt, schneidet man ihn auf einem Schneidbrett in die gewünschte Portionsgröße. Etwaige Reste können in Portionen verpackt eingefroren werden. Winter 2008 | Koreana 79


BLICK AUS DER FERNE

Ich verspreche, demnächst einen Essay zu schreiben Im Tal beim Bach, lehnt ich mich erst an den Felsen und baute dann dort ein Haus. Ich habe die Felder des Mondlichts gepflügt und mich auf Wolken gebettet. Himmel und Erde sprachen zu mir: Lass uns gemeinsam altern. Werner Sasse Chair Professor für Kulturanthropologie, Hanyang University

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ja, und was mache ich nun? Ich habe versprochen, ein paar Zeilen über irgendeine der Seiten, die ich an Korea so mag, zu schreiben. Und dann habe ich mich verbummelt, morgen ist aber Abgabetag, und jetzt ist schon Abend. Ich sitze leer im Kopf verzweifelt herum, während sich mein Aschenbecher füllt. Was hilft‘s..., vielleicht ein Glas oder zwei? Jeong Cheol hatte ja recht:

„Ein Glas lasst uns trinken, und noch ein Glas! Ein Blütenblatt für jedes Glas daneben legen und ohne Ende trinken! Wenn dieser Körper erst einmal stirbt, Ob in Strohmatte gewickelt in den Berg getragen, Ob im prächtig geschmückten Wagen vor 1000den Trauernden Er kommt unter Gras und Sträucher, Eichen oder Trauerweiden. Und bei schmutzig gelber Sonne, bleichem Mond, Nieselregen, Fisselschnee und ungemütlichem Wind aus Norden Wer wird dann„Ein Glas lasst uns trinken“ rufen? Und wenn dann noch auf dem Grab ein Affe lästert, was hilft dann ein Bedauern?“ Das sang Jeong Cheol nur zehn Kilometer von hier im Kreis Damyang ganz im Südwesten der Halbinsel, wo er und viele gleichgesinnte Gelehrte vor 4oo Jahren Pavillons auf den malerischsten Hügeln zum Studieren, SichTreffen und Feiern bauten, die heute noch Touristen verzaubern oder Verliebten die notwendige Romantik schenken. Sie waren aus dem politischen Getriebe der Hauptstadt als Oppositionelle in die Provinz verbannt oder gleich freiwillig den Intrigen ferngeblieben und bauten sich nun in der koreanischen Natur auf der Grundlage ihrer chinesischen Gelehrsamkeit eine ästhetisch verfeinerte Welt auf.

„...der blaue Bach mit weißen Wellenspitzen windet sich neben dem Pavillon, als hätte jemand himmlischen Brokat zerschnitten, zerstückelt und immer neu zusammengesetzt. In diesen Bergen gibt es keine Kalender 80 Koreana | Winter 2008


um die Jahreszeiten anzuzeigen, Berg und Felder vor meinen Augen verändern sich einfach so. Ich seh mich um, und siehe da: Die Gefilde der Unsterblichen... Oder, ein anderes Lied, man kennt den Sänger nicht mehr, nur noch sein Lied:

Im Tal beim Bach, lehnt ich mich erst an den Felsen und baute dann dort ein Haus. Ich habe die Felder des Mondlichts gepflügt und mich auf Wolken gebettet. Himmel und Erde sprachen zu mir: Lass uns gemeinsam altern. Ihre Weltflucht war aber gar nicht gänzlich unpolitisch, im Gegenteil, nur poetisch verbrämt, wie das folgende Gedicht über das Rattenrennen in der Hauptstadt zeigt:

Ihr Zimmerleut, was macht ihr denn da? Im zerfallenden Haus schwätzt ihr und diskutiert und alle rennen mit ihrem Werkzeug herum: wann hört ihr endlich damit auf ?! Das zerfallene Haus ist natürlich das Land in falschen Händen in Zeiten, in denen der Aufrichtige viel Unbill zu erleiden hat:

Weiße Möwen über Flüssen und Teichen hier unten – Jemand spuckte und traf eine Möwe am Schwanz. Weiße Möwe, sei nicht wütend: die Welt ist einfach schmutzig. Ich könnte diesen Faden endlos weiter spinnen, vom sich Ergeben in Natur und Dichtung berichten, oder von der Sehnsucht, endlich wieder bei Hofe in Amt und mit Einfluss das Land in eine gerechtere Richtung zu lenken. Ich könnte ja auch davon berichten, wie die Tradition dieser Gegend heutzutage dazu geführt hat, dass die nahe Provinzhauptstadt Gwangju in zweierlei Hinsicht berühmt wurde: als die „Heimat der Künste“ und als das Symbol für den erfolgreichen Kampf um die Demokratisierung. Ich könnte von der Schönheit der Berge, der sauberen Würze der Luft, dem herzhaft scharfen und salzigen Essen hier unten schwärmen und von der warmherzigen Derbheit der Leute. Aber es ist jetzt schon spät. Morgen rufe ich den Herausgeber an, bekenne, dass ich noch nicht in der Lage bin, meine überschäumende Begeisterung für das Leben und die Kultur in Damyang gestern und heute zu zügeln, und dass ich gerne demnächst einen Essay schreiben werde, der alle, die im Seouler Trubel gefangen sind, über kurz oder lang einmal hierher locken wird. Sie sollen innehalten lernen und auf den offenen Holzveranden der leicht zu erwandernden Pavillons sitzend bei einem Glas oder zwei – o.k., wahrscheinlich Plastikbecher - das andere Korea ahnen lernen. Dann werde ich auch Hinweise geben, wie einfach es ist, in drei oder vier Stunden von Seoul hier her zu fahren, wo man in modernisierten traditionellen Häusern romantisch nächtigen kann. Jetzt leere ich den Aschenbecher und morgen rufe ich den Herausgeber an. Für heute aber:

„Nur der Mond, rund und hell Verfängt sich in den nackten Zweigen.“ (anon.) Winter 2008 | Koreana 81


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Prompter und schneller Lieferservice: Eine Kultur für sich Wie lange warten Sie auf das Essen, das Sie telefonisch bestellt haben? Wer einmal erfahren hat, wie blitzschnell in Korea alles ins Haus geliefert wird, der glaubt schon nach knapp über fünf Minuten, dass der Lieferant sich wohl verspätet. Erfahren Sie etwas über die Hintergründe und Gegebenheiten, die dazu geführt haben, dass Korea auf Basis eines prompten Lieferservicesystems und gut ausgebauten Transportnetzwerkes zu einem „Land mit höchster Reaktionsschnelligkeit“ wurde. Song Doyoung Professor für Kulturanthropologie, Hanyang University

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esucher aus dem Ausland, die zum ersten Mal nach Korea kommen, staunen über das rasche Tempo der koreanischen Gesellschaft. Auf den breiten Straßen in der Stadtmitte warten Dutzende von Motorradfahrern einer hinter dem anderen darauf, dass die Ampel endlich grün wird und durch die Gassen flitzen Motorräder, die Essen ausliefern. Lieferwagen mit dem Logo der Lieferfirmen sind den ganzen Tag von morgens früh bis spät in die Nacht damit beschäftigt, die verpackten Waren hierhin und dorthin zu liefern. Woher in aller Welt kommt diese unablässige Geschäftigkeit?

Lieferservice als fester Bestandteil des Alltags A (31) arbeitet in der Projekt-Abteilung einer Werbeagentur. Im Konkurrenzkampf mit anderen Agenturen gibt es nichts Wichtigeres, als die Deadline für die Einreichung der Projektvorschläge einzuhalten. Ist die Frist einmal abgelaufen, nehmen die Werbekunden kein Projekt mehr an. Wenn irgend möglich, gibt man bis zur letzten Sekunde sein Bestes, um dem Projektplan den letzten Schliff für den Erfolg zu verleihen. Dafür zählt jede Sekunde. In diesem Fall ist es auch äußerst wichtig, Informationen zu sammeln und zu verwalten. Manchmal erhält man noch neue Informationen, wenn das Projekt kurz vor dem Abschluss steht. Sollte man in diesem Fall die bereits geleistete Arbeit in den Papierkorb werfen und auf Basis der neuen Informationen noch einmal von vorn anfangen? Die Antwort ist „Ja“, wenn auch nur die geringste Möglichkeit besteht, dass es zeitlich noch machbar ist. Es gilt, einige Stunden, Minuten und Sekunden zu gewinnen. Darf man bei einem solchen Kampf mit der Zeit den neuen Projektplan einfach mit der Post schicken? Auf keinen Fall! Die Gefahr, die gesetzte Frist zu überschreiten, ist zu groß. Per Post oder über die großen Haus-zu-Haus-Lieferfirmen dauert es wenigstens ein bis zwei Tage. Aber A und seine Kollegen können die Unterlagen auch nicht persönlich zum Kunden bringen. Denn nach Abschluss des einen Projektplans türmen sich bereits wieder andere Arbeiten vor ihnen auf. Was ist in dieser Situation zu tun? Die Koreaner greifen zum Telefon. Dann kommen nämlich die Motorroller und Motorräder der Schnelllieferdienste, die als „Quick-Service“ bekannt sind, angedüst. Sie liefern innerhalb von etwa 40 Minuten alles Mögliche überallhin in die Stadt. Ist die dringende Lieferung zugestellt, erhält der Kunde eine Kurzmitteilung auf sein Handy. Kein Wunder, dass die Leute von den superschnellen Kurierdiensten begeistert sind. B (27) arbeitet seit zwei Jahren für eine Firma. Er atmet auch

jetzt noch erleichtert auf, wenn er sich an den letzten Elterntag (Elterntag: 8. Mai) erinnert. Als einziger Sohn wurde er stets von seinen Eltern mit Liebe überschüttet. Aber am Elterntag fällt ihm auf der Arbeit erst nach einem halben Tag ein, was für ein Tag es ist. Schon zu spät! Eigentlich hätte er am letzten Wochenende seine Eltern besuchen und gratulieren müssen. Aber von Seoul bis zu seinem Heimatort in der Provinz dauert es mehr als drei Stunden mit dem Zug. B schaut auf die Uhr. Zum Glück ist der Tag noch nicht ganz vorbei. Die Zeit reicht gerade noch für einen Blumengruß an die Eltern. Aber wie? Er fährt den Computer hoch und geht ins Internet. Auf der Webseite für Blumenversand wählt er aus dem elektronischen Katalog einen schön dekorierten Korb roter Nelken, der traditionellen Blume für den Elterntag. Er bestätigt den Preis, wählt einen Satz für die Gratulationskarte, gibt die Adresse seiner Eltern und die gewünschte Lieferzeit ein und klickt auf „Bestätigen“. Innerhalb von einer Stunde kommt bei seinen Eltern ein Blumenkorb an, der detailgetreu der Abbildung auf der Webseite entspricht. Gegen Feierabend rufen seine Eltern an und bedanken sich voller Freude für den Blumengruß. Das Lieferservicesystem gehört schon seit langem als fester Bestandteil zum Alltag der Koreaner. Es ermöglicht, jederzeit und überall per Telefon oder übers Internet alles Mögliche zu bestellen und ins Haus liefern zu lassen und wird von allen nutzbringend in Anspruch genommen. Berufstätige, die am Morgen nicht genügend Zeit haben, um ein ordentliches Frühstück vorzubereiten, nutzen den Frühstückslieferservice. Man braucht lediglich diesen Service zu ordern und schon wird jeden Morgen zur gewünschten Zeit ein fertiges Frühstück mit warmem Reis ins Haus geliefert. Dieser günstige und praktische Service erfreut sich vor allem bei alleine lebenden Berufstätigen großer Beliebtheit. Viele lassen sich für ihre Gesundheit und Schönheit Milch, Jogurt oder Gemüsesaft ins Büro liefern. An hektischen Tagen, an denen die Zeit nicht für eine reguläre Mittagspause reicht, lässt man das Mittagessen ins Büro kommen. Das ist aber noch nicht alles. Nach Feierabend ruft man zu Hause die Reinigung an, dann kommt gleich jemand, um die Sachen abzuholen. Die gereinigten Kleidungsstücke werden am nächsten Tag geliefert, bevor man zur Arbeit muss. Auch die Mühe des Lebensmitteleinkaufes kann man sich sparen, denn per Internet kann man alle Lebensmittel bestellen und gleich liefern lassen. Es ist keine Übertreibung, zu sagen, dass man vom Sofa im Wohnzimmer aus alles über den Lieferservice erledigen kann.

Spitzensystem für blitzschnelle Lieferung Der Motorrad-Kurierdienst sorgt für prompte Auslieferung überallhin in Seoul. Dieser Express-Service ist zwar teurer als der reguläre Postweg oder andere Haus-zu-Haus-Lieferdienste, dafür gewährleistet er aber auch eine schnellere Zustellung, was dem vom Tempo geprägten Lebensstil der Koreaner entgegenkommt.

Wenn jemand zum ersten Mal den koreanischen Expresskurierdienst, den so genannten „Quick-Service“, in Anspruch nimmt und fünf Minuten nach dem Telefonanruf der „QuickService-Man“ vor der Tür steht, ist er über das Tempo erstaunt. Wie ist ein so schneller und genauer Service mögWinter 2008 | Koreana 83


lich? Die Antwort ist beim Transport-System zu suchen. Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind der oben vorgestellte Mitarbeiter A einer Werbeagentur und müssen ganz dringend dem Kunden den Projektplan schicken. Den Quick-Service kann man per Telefon oder Internet bestellen, Sie entscheiden sich fürs Telefon. Sie wählen die Nummer der Quick-ServiceFirma und werden mit einem freundlichen Telefonisten verbunden. Sie nennen ihm die Kundennummer, unter der Firmenadresse, Telefonnummer usw. bereits gespeichert sind. Nachdem Sie Lieferobjekt und Zustelladresse spezifiziert haben, wählen Sie unter den drei Transport-Optionen „dringend“, „normal“ und „ermäßigt“ die Dringend-Lieferung. Sie ist zwar etwas teurer, aber auch entsprechend schneller. Nach der Auftragsannahme stellt die Quick-Service-Zentrale durch GPS-System fest, wo sich die einzelnen Quick-ServiceMitarbeiter befinden und schicken denjenigen los, der sich in der Nähe der Abholadresse befindet. Der Quick-ServiceKurier, der durch sein PDA über Ihren Auftrag informiert ist, kommt so schnell wie möglich mit dem Motorrad und macht sich nach Entgegennahme des Lieferobjekts sofort auf den Weg zur Zieladresse. Über die Navigationsfunktion seines PDA empfängt er Verkehrsinformationen in Echtzeit und kann so verstopfte Straßen meiden. Hat er seinen Auftrag erfolgreich erledigt, gibt er per PDA eine entsprechende Meldung an die Zentrale, die wiederum den Kunden per Kurzmitteilung aufs Handy darüber informiert. In der SMS werden sogar Empfangszeit und Name des Empfängers angegeben. Das alles hat nicht mal eine Stunde in Anspruch genommen.

Reaktionsschnelle: Triebkraft der Informationsgesellschaft Wie konnte die Kultur des Lieferservice im Alltag der Koreaner Fuß fassen? Lieferdienste sind zurzeit nicht nur in Korea, sondern auch in vielen anderen Ländern gut entwickelt. Die Zunahme von Online-Einkaufszentren trägt weltweit zur Belebung des Transportservices bei, über den die online gekauften

Waren an die Kunden geliefert werden. Besonders ist jedoch, dass in Korea bei den Lieferdienstleistungen „von Schnelligkeit das Leben abhängt“. So erklärte der Besitzer eines chinesischen Restaurants in einem Universitätsviertel der Stadt sogar, dass das bestellte Essen umsonst sei, wenn es nicht innerhalb von fünf Minuten geliefert würde. Sein Spitzname ist „Blitz“ und sein blitzschneller Lieferservice wurde landesweit bekannt. Die Koreaner sind an solch schnellen Service gewöhnt. Wann und wie ist es zu diesem Phänomen gekommen? Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieb ein Europäer seinen ersten Eindruck von Korea mit „Land der Morgenstille“. Die Koreaner von damals, die meist weiße Baumwollkleidung trugen, bewegten sich mit einer gewissen Behäbigkeit, ließen sich immer genügend Zeit und hatten mit dem eiligen und hektischen Leben der modernen Zeit nichts tun. Ihr Bewusstsein von Zeit und Distanz war relativ und entspannt. Sie verabredeten sich, sich zu treffen, „nachdem das Essen verdaut ist“ oder beschrieben den Weg zum Nachbarbezirk als „eine Distanz von etwa einer Zigarettenlänge“. Solche Redewendungen wurden sehr häufig verwendet. Aber im Jahr 1950 brach der Koreakrieg, die schmerzhafte Tragödie des Landes, aus. Folgende Szenen waren allzu dramatisch: Menschen, die sich direkt nach der Explosion einer Brücke über dem Han-Fluss auf die Brückenpfeiler retten. Menschen, die darum kämpfen, noch auf das Schiff zu gelangen, das als letztes mit dem Knall der Kanonen im Hintergrund aus dem Hafen ausläuft. Menschen, die des schieren Überlebens willen auf der Flucht um einen Platz auf dem Zugdach kämpfen. All die Millionen Menschen, die auf der Flucht auch nur einen Schritt zu langsam waren, verloren ihre Familien für ewig. Hier teilte sich das Schicksal für diejenigen, die es schafften, auf Schiff oder Zug zu fliehen, und diejenigen, die zurückblieben. Südkorea erzielte in den 50 Jahren nach dem Koreakrieg ein Wirtschaftswachstum, das weltweit erstaunlich ist. Für das ressourcenarme Land war die Entwicklung von Humanres-

1 Ein Quick-Service-Kurier übergibt ein heil überbrachtes Dokument an den Empfänger. Mit dem jüngsten Anstieg der Quick-Service-Unternehmen wird auch eine breitere Palette von Dienstleistungen angeboten.

2 Koreas lange Tradition, an den hohen Feiertagen wie dem Erntedankfest Chuseok oder Seollal, Neujahr nach Lunarkalender, Geschenke auszutauschen, führt in der Zeit vor den Feiertagen zu einem explosionsartigen Anstieg der zu liefernden Pakete. Quick-Service-Kuriere nehmen im Logistik-Center eines Kaufhauses auszuliefernde Pakete in Empfang.

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Blitzschnelle Lieferung und Transportnetzwerke. Die koreanische Kultur der Tür-zu-Tür-Lieferung entstand auf Grund des psychischen Drucks der Menschen, in der Nachkriegszeit auf den Trümmern ihrer Existenz irgendwie zu überleben und erfolgreich zu sein. Die so entwickelte Sensibilität der Koreaner für das Tempo fungiert im 21. Jahrhundert, in dem die ganze Welt vernetzt ist und die frühzeitige Sicherstellung von Informationen überlebenswichtig ist, als besonderer Vorteil.


1 Ein Quick-Service-Kurier mit einer vollen Ladung zuzustellender Waren. Um Staus zu umgehen und eine prompte Zustellung zu gewährleisten, checkt er sein GPS-Gerät, das ihm in Echtzeit einen Überblick über die Verkehrslage bietet.

2 Die Quick-Service-Kuriere lassen

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sich auch nicht von den Unbilden des Wetters abhalten. Die Zuverlässigkeit des Motorrad-basierten koreanischen Express-Liefersystems grenzt schon ans Erstaunliche.

sourcen der einzige Weg zu überleben. Gleichzeitig war es in Korea, das eine hohe Bevölkerungsdichte aufwies, überaus wichtig, die zwischenmenschlichen Beziehungen sicherzustellen und zu pflegen. Nichts wurde von selbst erreicht. Es gab viel zu tun und auch viele Beziehungen zu pflegen. Es war eine Zeit, in der in Korea allgemein das Bewusstsein herrschte, zu spät mit der Entwicklung begonnen und entsprechend nie genügend Zeit zu haben. Vor diesem historischen Hintergrund ist es zu verstehen, dass die Koreaner eine besondere Sensibilität für die Geschwindigkeit entwickelt haben und innerhalb eines halben Jahrhunderts aus dem„Land der Morgenstille“„Dynamic Korea“ wurde. Die Reaktionsschnelle der Koreaner entwickelte sich durch die Erfahrung des Kriegs und den psychischen Druck, unter dem die Menschen in der Nachkriegszeit standen, aus dem Nichts etwas zu schaffen und erfolgreich zu sein. Unnötige Prozeduren wurden minimiert, für Formalitäten wendete man weniger Energie auf und legte stattdessen den Schwerpunkt auf die Agilität, was den Koreanern den Ruf „übereilig“ zu sein einbrachte, ein Negativbild, das ihnen eine ganze Weile als typisch anhaftete. Aber die so entwickelte Sensibilität der Koreaner für das Tempo fungiert im 21. Jahrhundert, in dem die ganze Welt vernetzt ist und die frühzeitige Sicherstellung von Informationen überlebenswichtig ist, als besonderer Vorteil. Im Informationszeitalter ist die Schnelligkeit die größte Wettbewerbsfähigkeit und nur diejenigen, die mit diesem raschen Tempo Schritt halten können, können überleben. Die Koreaner akzeptieren ohne Vorbehalt die sich schnell wandelnden neuen Technologien und verändern sich selbst auch aktiv. Es scheint, dass die koreanische Agilität gut zum digitalen Umfeld des 21. Jahrhunderts passt. Alvin Toffler, ein renommierter Futurologe, nannte als Hauptmerkmal der Koreaner „die Geschwindigkeit“. Der rasche Lieferservice sei das beste Beispiel für die koreanische „Geschwindigkeit“, die als unabdingbarer Wachstumsmotor für Korea gilt. Die Quick-Serivce-Kuriere sind auch in diesem Moment in den koreanischen Großstädten unterwegs, um dem rasanten Tempo der koreanischen Gesellschaft zu folgen und den geschäftigen Alltagsrhythmus der Koreaner zu unterstützen.


Reisen in die koreanische Literatur

Koo Hyo-seo

Koo Hyo-seo (geb. 1958) hat immer Erzählungen geschrieben: Er veröffentlichte in 20 Jahren 15 Romane und 7 Erzählsammlungen. Seine Werke umspannen unterschiedliche Themen wie die volkstümliche Mentalität auf dem Land, die Mentalität in den koreanischen Städten der modernen Zeit oder auch die nicht dechiffrierbare Welt der Begriffe. Treffen wir den Schriftsteller Koo Hyo-seo, der sich die Hälfte seines Lebens mit Leib und Seele der Bewahrung der erzählerischen Denkungsart gewidmet hat.


REZENSION

Überleben auf der durchlässigen Grenzlinie des Lebens Kim Young-chan Literaturkritiker, Professor für Koreanistik, Keimyung University

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in Schriftsteller, der mit den Erzählungen gelebt hat. Für Koo Hyo-seo ist dies kein klischeehaftes Attribut. Das wird sofort verständlich, wenn man die Liste der Erzählungen durchgeht, die er in den 20 Jahren seit seinem Debüt im Jahre 1987 geschrieben hat. Wie treffend das Attribut „Leben mit den Erzählungen“ ist, geht schon aus der Tatsache hervor, dass er bis jetzt sage und schreibe 15 Romane und 7 Erzählbände verfasst hat. Angesichts der schieren Menge und der Seitenzahl der Erzählungen verspüren wir die Schwere seines Lebens und seiner Realität, die er als Schriftsteller zu tragen hatte. Sie besteht, sofern es Koo Hyo-seo betrifft, in der „Ökonomie der Erzählung“, in der Schreiben und Ökonomie des Lebens einander entsprechen müssen. Anders gesagt, das Schreiben ist für ihn „Arbeit“ im ganz alltäglichem Sinne des Wortes. Natürlich braucht man demjenigen nicht den Vorwurf der gewöhnlichen Assoziation zu machen, der erklärt, dass das Wort „Arbeit“ ein Bild der produktiven Schöpfung hervorrufe, die den Dingen Lebendigkeit einflöße und sie zu neuem Leben erwecke. Das ist richtig, aber es gibt auch noch eine tiefere Bedeutung. Da allerlei Lebenswelten, Menschentypen, Landschaften, Freuden und Leiden durch Koos Erzählungen neu belebt worden sind, hat er einerseits die Welt die ganze Zeit mit den Augen des Erzählers betrachtet, andererseits war sie für ihn die Verkörperung der Erzählung. Für Koo war die Erzählung ein Instrument der Produktion fürs Leben, mit dem er die Welt liest, verdaut, vermenschlicht und sie somit erneuert und bereichert, um dann wieder in diese Welt hineinzugehen und dort zu leben. So wurde das Leben zur Erzählung und die Erzählung zum Leben. Koos Erzählungen sind genau an dem Punkt angesiedelt, an dem diese beiden Sphären nicht mehr klar voneinander zu trennen sind. Die Figuren in Koos Werken stehen meistens auf einer Grenzlinie. Das sind Grenzen zwischen Leben und Tod, Gegenwart und Vergangenheit, Sein und Nichtsein, Alltag und Abweichung vom Alltag, Weltzugewandtheit und Weltabgewandtheit. Diese Grenze ist der Punkt, an dem sich die gegensätzlichen Welten gegenüberstehen, an dem irgendwann ein „Ereignis“ stattfindet, bei dem die beiden Welten ineinander übergehen. Die Figuren erfahren dieses Ereignis mit dem Bewusstsein und erleben es mit dem Körper. Dieses Erleben ist auch ein inneres Ereignis, bei dem ihr alltägliches Leben und ihre Lebensordung in Unruhe geraten. 88 Koreana | Winter 2008


In Koo Hyo-seos Erzählungen bringt ein kleiner, aber nicht unwichtiger äußerer Anlass eine leise Unruhe in den Alltag und in die innere Ordnung der Figuren und erweckt ihr Bewusstsein. Der Anlass kann der Tod eines Kindes, ein Foto, eine öde Landschaft, eine Geschichte, die jemand erzählt oder die Vorhersage des eigenen Todes sein, mit der der fiktive Erzähler konfrontiert wird. In der Erzählung Die Salzsäcke ist der Anlass die japanische Übersetzung von Kierkegaards Furcht und Zittern , die der fiktive Erzähler „Ich“ mit der Erklärung erhält, dass seine verstorbene Mutter sie vor langer Zeit gelesen hat. Koos Figuren entdecken auf diese Art und Weise plötzlich an Orten oder in Dingen sich selbst oder ihre eigene Geschichte. Daher ist das „Ich“ überall und nicht nur im „Ich“. Die Figuren sehen das „Ich“ in dem Haus, wo „Ich“ vor langer Zeit geboren wurde und aufwuchs, in einem unbewegten Etwas auf einem Foto, das in den endlos tiefen, dunklen Himmel starrt, in der Einsamkeit des schneebedeckten Winterwaldes, in der von einem Fremden erzählten Geschichte über das Leben am See oder im Blick ihres Stammfriseurs. Das „Ich“ entdeckt irgendwann plötzlich, dass Vergangenheit und Zukunft, die Anderen und die Geschichte ins „Ich“ absorbiert worden sind und dass das „Ich“ selbst im Wechselleben mit all diesen Dingen existiert. Dass das „Ich“ in Die Salzsäcke die japanische Übersetzung von Furcht und Zittern , die seine Mutter gelesen hatte, mit der koreanischen Übersetzung, die er gelesen hatte, auf die unterstrichenen Stellen hin vergleicht und Folgendes sagt, kann auch in diesem Zusammenhang verstanden werden: „Und erst jetzt, beim Vergleich der unterstrichenen Stellen in den beiden Büchern, kam mir endlich die Erkenntnis: Obwohl ich die Stellen nicht richtig verstanden hatte, hatte ich sie unterstreichen können, weil Mutters Hand mich geführt hatte.“ Koos Ich-Erkenntnis ist auch an der folgenden Aussage aus Die Stelle, wo die Uhr hing deutlich zu sehen: „Ich kann nirgendwo sein. Ich kann nirgendwo sein, wenn ich nicht der Wind, der Regen, der Himmel, der Sonnenschein, die Wolke, der Stein bin.“ Das „Ich“ ist überall und kann deshalb auch nirgendwo sein. Koo Hyo-seo präsentiert das Sein oder Nichtsein des in der ewigen Zeit und im Universum allein seienden „Ich“, das „Ich“ als der Ort, durch den das „Ich“ und alles in der Welt, einschließlich der Anderen, ein- und ausfließen und an dem alles mit dem „Ich“ verkehrt, und „Ichs“ Körper und die inneren Ereignisse, die das „Ich“ zur Erkenntnis bringen. Dahinter steht die nihilistische Einstellung, die die eitle Leere unseres Lebens und unserer Realität in voller Tiefe erkannt hat, aber diese Einstellung wird gestützt durch die bescheidene Akzeptanz des Schattens des Lebens und der Selbstreflexion. Koos erzählerischer Verdienst liegt darin, dass sich an diesen Nihilismus sanfter Trost und Versöhnung reiht, dies ein anderes „Ich“ wieder entdecken lässt und zu einer positiven Einstellung führt, die sich auf dem Ausbrechen aus dem Selbst durch die Öffnung der Grenzen des „Ichs“ und auf der Reflexion über das endliche Leben gründet. Das heißt, der Nihilismus in Koos Erzählungen akzeptiert die Leere des Lebens so wie sie ist und spendet gleichzeitig positiven Trost. Was wir in Die Salzsäcke finden, ist also nicht ein ohnmächtiges Resignieren vor der Dunkelheit, sondern die tiefe Bejahung der Schatten des Lebens. Diese Bejahung wird mit der Erinnerung an die starke Mutter, die im Strudel des Krieges ein hartes Leben führte, verbunden und rührt die Leser zu leiser Traurigkeit. Die Salzsäcke helfen Nahrungsmittel (Tofu) herzustellen, indem sie an einem feuchten und dunklen Ort Mutterlauge absondern, als wären es Tränen. Die Salzsäcke an sich sind also das Symbol der traurigen Größe des Schattens. Das Leben der Mutter, die im dunklen Schatten des Lebens unendliche Tränen vergossen haben muss, während sie dem Schatten nicht nachgab und für ihre Kinder sorgte, ist mit den Salzsäcken zu vergleichen. Es ist in dieser Erzählung Koo Hyoseo gelungen, mit der Mutter, die trotz der Gewalt auf öffentlicher (Krieg auf Grund ideologischer Konfrontation) und privater Ebene (Schläge ihre Mannes) die Würde des menschlichen Lebens bis zu ihrem Tod bewahrt, eine originäre Figur zu schaffen, die in die Geschichte der koreanischen Erzählung eingehen wird. Winter 2008 | Koreana 89


Publikationen der Korea Foundation Abonnement /Kaufinformation

Koreana

The Korea Foundation Seocho P.O. Box 227 Diplomatic Center Building, 2558 Nambusunhwanno, Seocho-gu, Séoul 137-863, Korea www.kf.or.kr

Die Vierteljahresschrift Koreana der Korea Foundation stellt seit ihrer ersten Ausgabe im Jahr 1987 die traditionelle Kultur Koreas und die verschiedenen Seiten der modernen Kultur und Kunst des Landes vor und trägt dazu bei, die Kenntnisse über Korea im Ausland zu erweitern und Interesse dafür zu wecken. Zu diesem Zweck wird für jede Ausgabe je-weils ein bestimmtes Thema gewählt und intensiv behandelt. Weitere Artikel behandeln aktuelle Kulturereignisse, Persönlichkeiten aus dem Kunst- und Kulturleben, Lebensstile Koreas, Natur und Ökologie sowie Literatur. Abonnementpreis inklusive Luftpostgebühren Korea Japan, Hongkong, Taiwan und China sonstige Länder

1 Jahr 18.000 Won US$33 US$37

2 Jahre 36.000 Won US$60 US$68

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(Alte Ausgaben sind für US$7 pro Heft zuzüglich Luftpostgebühren lieferbar.)

Korea Focus

Korea Focus wird in Form eines monatlichen Web-Magazins (www.koreafocus.or.kr) und einer Vierteljahresschrift veröffentlicht und enthält Artikel aus den wichtigsten Tageszeitungen, Wochenmagazinen und wissenschaftlichen Zeitschriften, die das Verständnis der verschiedenen Aspekte der koreanischen Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur und der wichtigsten internationalen Themen erhöhen sollen. Seit der ersten Publikation 1993 trägt Korea Focus dazu bei, in bedeutenden Forschungsinstituten und Universitäten vieler Länder das Fach Koreanistik mit Informationen zu unterstützen und in der internationalen Gemeinschaft das Interesse sowie die Kenntnisse in Bezug auf die koreanische Gesellschaft zu fördern. Abonnementpreis inklusive Luftpostgebühren Korea Japan, Hongkong, Taiwan und China sonstige Länder

1 Jahr 18.000 Won US$28 US$32

2 Jahre 36.000 Won US$52 US$60

3 Jahre 54.000 Won US$71 US$81

(Alte Ausgaben sind für US$5 pro Heft zuzüglich Luftpostgebühren lieferbar.)

Korean Cultural Heritage

Korean Cultural Heritage ist eine vierbändige Serie in englischer Sprache, in der Artikel der bisherigen Koreana-Ausgaben nach Kategorien zusammengestellt sind, um die verschiedenen Bereiche systematisch und vertieft vorzustellen. Die Serie bietet fachliche Artikel mit anschaulichem Bildmaterial. (Band 1: Traditionelle Kunst, Band 2: Geisteswelt und Religion, Band 3: Darstellende Kunst, Band 4: Traditionelle Lebensformen)

Fragrance of Korea

Fragrance of Korea: The Ancient Gilt-Bronze Incense Burner of Baekje ist eine englische Ausgabe über das goldbronzene Weihrauchgefäß von Baekje (Nationales Kulturgut Nr. 287), das in seiner Form und Schönheit als Höhepunkt der alten ostasiatischen Metallkunst bewertet wird. Diese Ausgabe besteht aus Abbildungen und Illustrationen auf 110 Seiten und drei kurzen Aufsätzen auf insgesamt 30 Seiten: „Kunstgeschichtliche Bedeutung des goldbronzenen Weihrauchgefäßes von Baekje“, „Kulturelle Dynamik und Vielfältigkeit: Vom Duftrauchbrenner Boshanlu bis zum goldbronzenen Weihrauchgefäß von Baekje“ und „Der Standort eines buddhistischen Tempels in Neungsan-ri, Buyeo“.

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