Winter 2016
KOREANISCHE KULTUR UND KUNST
SPEZIAL
KINO
Feste der Filmkultur; Licht und Schatten des koreanischen Films im 21. Jh.; Das Zeitalter der starken Regisseure; Fünf Ingredienzien erfolgreicher Kinofilme; Die Lieblingsschauspieler der Koreaner; Vage Erinnerungen an das Kino von einst
1975-0617 KOREANISCHE KULTUR UND ISSN KUNST 85
Jahrgang 11, nr. 4
Dynamik und Träume Der Koreanische Film im 21. Jh.
IMPRESSIONEN
Licht und Schatten deS hanbok-RevivaL Kim Hwa-young Literaturkritiker und Mitglied der National Academy of Arts
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n letzter Zeit begegnet man in der Seouler Altstadt wie z.B. im Bukchon-Viertel mit seinen alten Häusern oder nahe dem Palast Gyeongbok-gung oft jungen Leuten in Hanbok-Tracht. Fand vielleicht irgendwo ein Festival statt? Oder kommen sie gerade von einer Hochzeit? Ist der Hanbok, die traditionelle Tracht der Koreaner, als Alltagskleidung wieder in? Mit der Öffnung der Häfen des Landes wurde der Hanbok durch das Hereinströmen westlicher Waren und Einflüsse langsam aus dem Alltag verdrängt. Aber bis in die 1960er Jahre waren in Hanbok gekleidete Koreaner noch ein gewöhnlicher Anblick in den Straßen Seouls. Doch mit Beginn der Massenproduktion von Textilien und dem Florieren der Modeindustrie ab den 1980er Jahren wurde formelle Kleidung und Straßenkleidung westlichen Stils bevorzugt. Der Hanbok wurde nur noch zu besonderen Feiertagen wie Neujahr oder Erntedankfest nach Mondkalender und feierlichen Anlässen wie Hochzeiten aus dem Schrank geholt. Wie konnte der lange geschmähte Hanbok ein Comeback schaffen? Es begann mit dem „Tag, an dem man Hanbok trägt“, der 1996 vom damaligen Ministerium für Kultur und Sport ausgerufen wurde. Beflügelt wurde das „Hanbok-Fieber“ dann aber durch ein Programm, das allen Hanbok-Trägern kostenlosen Eintritt für die alten Königspaläste gewährt. Das Amt für Kulturerbeverwaltung erweiterte dann den freien Eintritt ab Oktober 2013 auf den königlichen Schrein Jongmyo und die königlichen Gräber des Joseon-Reichs. Darüber hinaus wirkten die vom Amt für Kulturerbeverwaltung mehrmals im Jahr angebotenen Nachtöffnungen der Paläste Gyeongbok-gung und Changgyeong-gung als Katalysator. Um das Besucheraufkommen zu beschränken, ist der Zutritt nur nach vorheriger Reservierung gestattet. Die Konkurrenz ist groß, doch im Hanbok ist der Eintritt frei. Dieser Trick, der ohne lästige Ticket-Reservierung und Konkurrenz freie Palastbesichtigung bei Nacht ermöglicht, brachte den Hanbok zurück ins Rampenlicht. Auch unter ausländischen Touristen sind Reiseprogramme äußerst beliebt, in denen die traditionellen koreanischen Volksspiele im Hanbok ausprobiert werden können. Der großen Nachfrage entsprechend sprossen in Palastnähe Hanbok-Verleihläden wie Pilze aus dem Boden und erfreuen sich eines regen Geschäfts. Junge Menschen, die sich die wegen der aufwändigen Herstellung teure Tracht nicht leisten können, können sich einen Hanbok stundenweise oder für einen Tag preisgünstig ausleihen. Hübsch herausgeputzt flanieren sie mit Freunden oder Partner durch die Straßen und laden auf ihre SNS die ihrer Meinung nach schönsten Selfies aus dem Hanok-Dorf oder den alten Palästen hoch. Das Internet wird zu ihrer Bühne und sie selbst zu Schauspielern im Hanbok, der als stilvolle Requisite unterhaltsame Fantasien ausleben lässt. Ob sich die jungen Leute aber bewusst sind, dass die traditionelle Hanbok-Industrie am Zusammenbrechen ist und die billigen Import-Hanboks, die die Verleihshops füllen, die ursprüngliche Schönheit dieser Tracht zu buntem Kitsch verkommen lassen?
Von der Redaktion
Möge das Festival zu neuem Glanz erstrahlen Es lag offensichtlich nicht nur an dem Taifun, der die Hafenstadt einen Tag vor der Eröffnung des Festivals heimgesucht und an der Küste schwere Personen- und Sachschäden hervorgerufen hatte. Die festliche Stimmung, die in den Jahren zuvor die Straßen mit Energie erfüllt hatte, war kaum zu spüren. Auf dem Roten Teppich wurde das Fehlen knisternder Begeisterung bei der Eröffnungszeremonie nur noch deutlicher: Glamour und Glitzer waren deutlich gedämpft, da weniger Stars als sonst anwesend waren. Trotzdem konnte das Busan International Film Festival (BIFF) seinem Namen als bedeutendstes Filmfestival in Asien gerecht werden, da das Ergebnis unter dem Strich äußerst beachtenswert ist. Bedenkt man, dass das Festival fast nicht zustande gekommen wäre, dann sind 299 präsentierte Filme aus 69 Ländern ein ansehnlicher Erfolg. Aber nicht nur die Zahlen sprechen für das „Wunder“. Im BIFF manifestiert sich nicht nur die Solidarität von Filmemachern aus ganz Asien und darüber hinaus, sondern auch die unerschütterliche Unterstützung des enthusiastischen Publikums vor Ort. In der diesmaligen SPEZIAL-Reihe „Der koreanische Film im 21. Jh.: Dynamik und Träume“ beschreibt Darcy Paquet - wiewohl vorsichtig - die Atmosphäre auf dem 21. BIFF, das vom 6.-15. Okt. 2016 stattfand, und die Probleme, mit denen es geplagt war. Die Fehde geht darauf zurück, dass 2014 trotz der Einwände der Gastgeberstadt ein kontroverser Dokumentarfilm gezeigt wurde. Das hatte Budgetkürzungen, die Entlassung des Festival-Direktors und relevanter Offizieller zur Folge und führte zu Teilboykotten einflussreicher Filmorganisationen, die Meinungsfreiheit und Unabhängigkeit der Programmgestaltung gefährdet sahen. Dass das BIFF in den letzten zwei Jahrzehnten zum Mekka für Film-Enthusiasten und zu einer begehrten Plattform zur Heranziehung und Entdeckung neuer Talente wurde, hängt stark mit der sich entfaltenden Dynamik und Vitalität des koreanischen Films von heute zusammen. Zweifelsohne ist Meinungsfreiheit für den Film genau so unabdinglich wie für jede andere Kunstgattung, aber noch umso mehr, wenn man die höhere Zahl der Rezipienten bedenkt. Wir hoffen daher, dass das BIFF in den kommenden Jahren wieder zu seiner einstigen Glorie zurückfindet.
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KOREANISCHE KULTUR UND KUNST Winter 2016
Viertejährlich publiziert von The Korea Foundation 2558 Nambusunhwan-ro, Seocho-gu Seoul 06750, Korea http://www.koreana.or.kr
Fotomontage: Schauspieler, die das koreanische Kino des 21. Jhs. prägen
GEDRUCKT WINTER 2016 Samsung Moonwha Printing Co. 10 Achasan-ro 11-gil, Seongdong-gu, Seoul 04796, Korea Tel: 82-2-468-0361/5 © The Korea Foundation 2016 Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Publikation darf ohne vorherige Genehmigung der Korea Foundation in irgendeiner Form reproduziert werden. Die Meinungen der Autoren decken sich nicht notwendigerweise mit denen der Redaktionsmitglieder oder der Korea Foundation. Koreana ist als Vierteljahresmagazin beim Ministerium für Kultur, Sport und Tourismus registriert (Reg. Nr. No. Ba-1033, August 8, 1987) und erscheint neben Deutsch auch auf Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Indonesisch, Japanisch Russisch und Spanisch.
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FokuS
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Nam June Paik zu neuem Leben erwecken Ahn Kyung-hwa
kuNSTkRITIk
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Kim Soo-ja: Näherin, die die Herzen der Menschen heilt Chung Jae-suk
HÜTER DES TRADITIoNELLEN ERBES
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Wiederbelebung alter Stoffherstellungskunst Kang Shin-jae
uNTERWEGS
Auf zum Sonnenaufgang
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Gwak Jae-gu
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SPEZIAL
Der koreanische Film im 21. Jh.: Dynamik und Träume SPEZIAL 1
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Die koreanischen Anredeund Höflichkeitsformen: ein Crashkurs in sprachlicher Finesse Alexadra Lottje
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REISEN IN DIE koREANIScHE LITERATuR
Feste der Filmkultur
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Licht und Schatten des koreanischen Films im 21. Jh.
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Kang Seung-ryul
Choi Jae-bong
Der Straßenzauberer Kim Jong-ok
A Hermitage Heavy Metal mit traditionellen Instrumenten gespielt
www.koreanfilm.org
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Fünf Ingredienzien erfolgreicher Kinofilme Hahn Dong-won
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Unauslöschliche Erinnerungen an Gewalt und Wunden
Das Zeitalter der starken Regisseure
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NEuERScHEINuNG
Human Acts
Huh Moon-young
SPEZIAL 3
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Erzählung: Zauber, der Frieden und Liebe heraufbeschwört
Darcy Paquet
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BLIck AuS DER FERNE
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Die Lieblingsschauspieler der Koreaner
Von Freiwilligen betriebene Film-Infoseite Charles La Shure, Kim Hoo-ran
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Lee Hwa-jung
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Vage Erinnerungen an das Kino von einst Lee Chang-guy
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SPEZIAL 1 Der koreanische Film im 21. Jh.: Dynamik und Träume
FESTE DER FILMKULTUR
Darcy Paquet Filmkritiker Fotos Ahn Hong-beom
Die Fähigkeit der koreanischen Filmemacher, durch Geschichten und Ideen, die eine breite und manchmal etwas unangenehme Diskussionen in Gang setzen, einen Draht zum Publikum zu finden, ist vielleicht die Hauptquelle, aus der sich die Dynamik des koreanischen Kinos speist. Das Publikum reagiert mit Leidenschaft und Hingabe. Filmfestivals sind Orte intensiver Interaktion zwischen Filmemachern und Publikum, wo durch Mundpropaganda Begeisterung für gute Filme hervorgerufen wird.
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Regisseur Kim Ki-duk und die Schauspieler Ahn Ji-hye, Choe Gwi-hwa und Hwang Geon laufen bei der Erรถffnungszeremonie des 21. Busan International Film Festival (BIFF), das am 6. Okt. 2016 in Haeundae in Busan stattfand, den Roten Teppich entlang.
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anchmal sind es gerade die am wenigsten erwarteten und banalsten Umstände, die einem am längsten in Erinnerung bleiben. Einer meiner nachhaltigsten Erinnerungen an das Busan International Film Festival (BIFF) ist eine Begebenheit am Haeundae-Strand im Jahr 2007.
Busan damals und heute Es war ein Offenes Gespräch im Freien zwischen zwei koreanischen Schauspielerinnen: Jeon Do-yeon, die in dem Jahr mit dem Preis für die beste Hauptdarstellerin in Lee Chang-dongs Secret Sunshine ausgezeichnet worden war, und Kang Soo-yeon, die 1987 bei den Filmfestspielen in Venedig diese Auszeichnung für ihre Hauptrolle in Im Kwon-taeks Die Leihmutter erhalten hatte. Ich war sehr gespannt auf die Diskussion zwischen diesen beiden Schauspielerinnen, die in der Geschichte des koreanischen Films mit den bis dahin höchsten Lorbeeren gekrönt worden waren, aber ich kam etwas spät am Strand an und es herrschte bereits starkes Gedränge. Nachdem ich einige Minuten vergeblich versucht hatte, mich durch die Menschenmassen zu zwängen, um einen besseren Blick auf die Schauspielerinnen zu erhaschen, gab ich schließlich
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auf und begnügte mich damit, ihrem Gespräch über Lautsprecher zu folgen. Die Bühne konnte ich überhaupt nicht sehen, dafür hatte ich die Gesichter der Zuschauer in der ersten Reihe voll im Blick. Schon bald machte mir es nichts mehr aus, dass mir die Sicht auf die Bühne versperrt war, denn die Zuschauergesichter zu betrachten, war genau so interessant, wie die Stars in persona zu sehen. Wie bei einer Gruppe, die sich vor einem Kaminfeuer versammelt hat, glühten ihre Gesichter vor Bewunderung, vor Liebe zum Film und vor Stolz auf die Leistung der Schauspielerinnen. Sie konzentrierten sich auf jedes ihrer Worte und reagierten voller Wärme und Begeisterung. Man könnte sagen, dass ich in dem Moment Augenzeuge der Energie wurde, die das BIFF zu einem der führenden Filmfestivals in Asien gemacht hat. Weiter gefasst, ist dieses Interesse und diese Leidenschaft der Zuschauer einer der Hauptfaktoren für den Erfolg der koreanischen Filmindustrie. Die Leute sprechen manchmal über die wirtschaftlichen Faktoren, die in den letzten zwei Jahrzehnten zum explosiven Wachstum der koreanischen Filmindustrie beigetragen haben, angefangen bei der Größe der koreanischen Konglomerate bis hin zur Regierungsunterstützung. Meiner Meinung nach ist aber ein weiterer, ausschlaggebender Faktor die starke Filmkultur, die sich in Korea seit den 1990er Jahren entwickelt hat. „Filmkultur“ ist ein abstrakter Begriff, aber wer in Korea lebt oder die wichtigen Filmfestivals des Landes besucht, der kann sie dort überall spüren. Bei Filmkultur geht es um das Wissen und die Begeisterung, die Menschen wie du und ich fürs Kino aufbringen, und um die Art und Weise, wie sie darüber sprechen und sich ausdrücken.
Das BIFF 2016 unterschied sich deutlich vom BIFF 2007. So ist z.B. jetzt die Schauspielerin Kang Soo-yeon Direktorin des Busaner Filmfestivals und sie steht im Mittelpunkt der Kontroverse über die Unabhängigkeit und die Zukunft dieses Events. Aber damals wie heute ist das BIFF eine der Hauptbühnen, um Koreas Filmkultur hautnah zu erleben.
Träume vom Kino Ich konnte sehen, dass Nam Yeon-woo nervös war. Der Schauspieler, aus dem mittlerweile ein Regisseur geworden ist, stand umgeben von Freunden und den Darstellern von Lost to Shame, mit dem er als Regisseur debütierte, in der Lobby des Megabox-Kinos. Es war kurz vor der ersten Vorführung seines Films, bei der er nach zwei Jahren der Vorbereitung, der Dreharbeiten, des Editierens und der Nachbearbeitung endlich herausfinden sollte, was das Publikum von seinem Erstlingswerk hielt. Auch wenn es für ihn eine Premiere war, war die Situation für den Regisseur doch nicht ganz fremd. 2012 hatte Nam die Hauptrolle in Fatal gespielt, einem Film, der mit dem erstaunlich niedrigen Budget von 3 Mio. KW (rd. 2.400 EUR) geschossen worden war. Der Film, der ebenfalls in Busan Premiere feierte, gewann den New-Currents-Preis, der an Nachwuchsregisseure aus Asien vergeben wird. Dieser eindrucksvolle Film mit denkwürdigen Charakteren wurde danach noch auf vielen anderen Festivals der Welt präsentiert und mit weiteren Preisen geehrt. Später kam er auch in die koreanischen Kinos, konnte aber aufgrund der Konkurrenz von Blockbuster-Filmen aus Hollywood und kommerziellen, mit großem Budget produzierten koreanischen Filmen nicht zum Kas-
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©Busan International Film Festival
1 Ahmad Kiarostami, der Sohn des iranischen Regisseurs Abbas Kiarostami, bei seiner Dankesrede für die Auszeichnung Asian Filmmaker of the Year , die er beim BIFF 2016 für seinen im Juli dieses Jahres verstorbenen Vater entgegennahm. 2 Die Schauspielerin Kang Soo-youn, Direktorin von BIFF 2016, begrüßt bei der Schlussfeier den malinesischen Filmemacher Souleymane Cissé, Hauptjuror der Sektion Neue Strömungen , und dessen Gattin, die Schauspielerin Aminata Cissé. Ganz links: Kim Dong-ho, Vorsitzender des BIFF-Organisationskomitees.
senschlager werden. Lost to Shame handelt von einem Schauspieler, der eine Transgender-Filmfigur darstellen soll und sich selbst als sehr liberal einschätzt, nur um dann mit seinen inneren Vorurteilen konfrontiert zu werden. Es ist eine ungewöhnliche Geschichte mit eindrucksvollen Charakteren, für die Nam ein Team von ihm bekannten Schauspielern rekrutierte und selbst die Hauptrolle übernahm. Die Postproduktion dieses mit einem Mikrobudget produzierten Films wurde vom Asian Cinema Fund des BIFF unterstützt. Bei der Erstaufführung von Lost to Shame in Busan lag eine Art elektrische Spannung in der Luft. Man spürt, wenn ein Film das Publikum in seinen Bann zieht. Bei der in Anschluss an die Aufführung stattfindenden Frage-und-Antwort-Stunde mit Regisseur und Darstellern brachten viele Zuschauer ihre Begeisterung überschwänglich zum Ausdruck. Im Publikum saßen auch Organisatoren von anderen internationalen Filmfestivals wie dem in Cannes. Später sprachen viele Nam persönlich mit ermutigenden Worten an. In der Lobby des Kinos standen indes die Fans für Autogramme und Schnappschüsse mit Nam und den anderen Darstellern Schlange. Wenigstens an dem Tag war dieser wenig bekannte Schauspieler und Regisseur ein Star. In Korea träumen viele junge Regisseure von so einer Erfahrung. Park Jung-bum, der mittlerweile dank seiner preisgekrönten Filme The Journals of Musan (2010) und Alive (2013) als einer der wichtigsten unabhängigen Regisseure gilt, besuchte das BIFF in seinen jungen Jahren. Dort entwickelte er seine Liebe zum Film und begann davon zu träumen, eines Tages seine eigenen Filme zu drehen und in Busan vorzustellen. Hollywood wird manchmal „die Stadt der Träume“ genannt, aber in Korea verwirklichen junge Filmemacher ihre Träume oft in Busan, Jeonju oder Bucheon. Aber Busan ist nicht das einzige Festival in Korea, das Filmleidenschaft entfacht. Das Anfang Mai abgehaltene Jeonju International Film Festival (JIFF) kann sich in puncto ausverkaufte Vorführungen und begeisterte Publikummassen leicht mit Busan messen. Obwohl der Fokus hier auf Nicht-Mainstream-Filmen und Unabhängigen Filmen liegt, zieht das Festival Jahr für Jahr ein großes Publikum an. (Jeonjus berühmte Küche macht den Besuch des Festivals nur noch reizvoller.) Das Bucheon International Fantastic Film Festival (BiFan), wiederum ist Anziehungspunkt für Freunde des Genrefilms. Es gibt zwar nur wenige koreanische Regisseure, die mit niedrigem Budget Genrefilme produzieren, aber das BiFan hat als Treffpunkt für AnhänKOREANISCHE KULTUR UND KUNST 7
Für Filmemacher, die oft viele Jahre harter Arbeit im Schatten des Rampenlichts auf sich nehmen, um einen Film zu drehen, sind Träume wichtig. [...] Hollywood wird manchmal „die Stadt der Träume“ genannt, aber in Korea verwirklichen junge Filmemacher ihre Träume oft in Busan, Jeonju oder Bucheon.
ger dieser Filmsorte dazu beigetragen, die Genrefilm-Gemeinde zu erhalten. Für Filmemacher, die oft viele Jahre harter Arbeit im Schatten des Rampenlichts auf sich nehmen, um einen Film zu drehen, sind Träume wichtig. Nicht nur das: in der heutigen Zeit ist es entscheidend, wie ein Film dem Publikum präsentiert wird. Die Zuschauer, die das BIFF oder das JIFF besuchen, sind keine Durchschnittskonsumenten, sondern Kino-Enthusiasten. Wenn sie einen Film mögen, setzt die Mund-zu Mund-Porpaganda ein und Kommentare und Kurzkritiken erscheinen online. Der Ruf eines Regisseurs nimmt Gestalt an. Man stelle sich umgekehrt vor, dass ein Filmemacher seinen Film nur per direkte Kassenfreigabe präsentiert. In einem von knallhartem Wettbewerb geprägten Filmverleih-Umfeld, in dem Kleinproduktionen von vornherein benachteiligt sind, würde ein Film wie Lost to Shame keinerlei Aufmerksamkeit erregen und einfach untergehen. Daher sind Filmfestivals und die dahinter stehende Stütze der Filmkultur so wichtig für die Filmemacher.
Kino als Konversation Am Haeundae-Strand fand nur zehn Gehminuten Nam Yeon-woos Präsentation ein weiteres Event statt: N.E.W. (New Entertainment World), großer Film-Investor und Vertreiber in Korea, veranstaltete eine Party für Filmvertreiber aus aller Welt, die den Leinwandhit Train to Busan gekauft hatten. Dieser Film über einen mysteriösen Zombie-Virus, der in einem KTX-Hochgeschwindigkeitszug nach Busan außer Kontrolle gerät, war mit über 11 Mio. verkaufter Eintrittskarten in Korea DER Kassenschlager des Jahres. Noch bemerkenswerter aber dürfte der bis dahin unübertroffene Erfolg sein, den dieser koreanische Film im Ausland errang, darunter in Singapur, Australien, Hongkong, Taiwan und Frankreich. Die Stimmung auf der Party in Busan war ausgelassen, hatten doch viele der anwesenden Filmvertreiber eine Menge Geld mit diesem Film gemacht. Regisseur Yeon Sang-ho ist kein Fremder auf dem Filmfestival in Busan. Sein Erstlingswerk The King of Pigs, ein Niedrig-Budget-Trickfilm über Mobbing in der Schule, heimste beim BIFF 2011 drei Auszeichnungen ein und wurde 2012 in der Sektion Director's Fortnight in Cannes vorgestellt. Yeons zweites Werk, der dunkel-philosophisch anmutende Trickfilm The Fake, war einer der am heißesten diskutierten Filme auf dem BIFF 2012. Obwohl der Stil dieser Frühwerke Yeons stark vom Mainstream abwich, glaubte N.E.W. an die Begabung des Regisseurs und finanzierte die Big-Budget-Produktion trotz der felsenfesten Überzeugung der Industrie, dass Zombie-Filme in Korea nicht erfolgreich sein könnten. Das Vabanquespiel zahlte sich in ungeahntem Maße aus. Ironischerweise stand Train to Busan nicht auf dem BIFF-Spielplan 2016. Der Film wurde aufgrund eines Teilboykotts von Filmemachern, die sich geschworen haben, die Unabhängigkeit des BIFF von politischem Druck zu verteidigen, nicht gezeigt. Ein zwei Jahre währender Konflikt mit der Stadt Busan über die Präsentation der kontroversen Doku Diving Bell: The Truth Shall Not Sink with Sewol (2014) über den tragischen, bis heute nicht völlig geklärten Untergang 8 KOREANA Winter 2016
1 Im Vorfeld der Eröffnung des BIFF ist der BIFF Square im Busaner Nampo-dong stets voller Filmfans, die die Festivitäten genießen. Das Foto zeigt die Zuschauermenge, die sich am 1. Okt. 2014 im Rahmen der 19. BIFF Vorpremiere-Events versammelte. 2 Regisseur Lee Joon-ik und die Stars seines Films The Throne (Sado) bei der Begrüßung des Publikums auf einem Freilicht-Event für des 20. BIFF, abgehalten vom 1.–10. Okt. 2015.
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der südkoreanischen Fähre Sewol (2014) hatte zur Absetzung des früheren BIFF-Direktors Lee Yong-kwan geführt. Vor allem im letzten Jahr war der Status von BIFF als Bühne für kontroverse, offenherzige und oft unbequeme Filme Ursache für hitzige Debatten. So wie ein Festival der ideale Ort für Filmemacher ist, ein unterstützendes Publikum anzusprechen, so ist es auch der beste Ort für Menschen, über verschiedene Themen, die von Filmen mit gesellschafts- und sozialbewussten Inhalten behandelt werden, zu diskutieren. Auch das ist Bestandteil der Filmkultur: ein breiter, sich ständig entwickelnder Dialog zwischen Filmemachern, Zuschauern, Kritikern und Kulturkommentatoren über wichtige Themen der heutigen Zeit. Vor fast einem Jahrzehnt hatte ich die Gelegenheit, den erfolgreichen Hongkonger Regisseur Ho-sun Chan (Comrades: Almost a Love Story, The Warlords ) zu interviewen. Dabei gestand er, dass er richtig neidisch auf das koreanische Filmpublikum sei: „Das Publikum in Korea ist sehr patent. Die Zuschauer haben einen großartigen Geschmack und unterstützen innovative, gut gemachte Filme.“ Seitdem ist die koreanische Zuschauerschaft diverser
geworden und ältere Zuschauer gehen öfter denn je ins Kino. Und es ist offensichtlich, dass dank großer Hits wie Train to Busan, aber auch durch kleinere Indie-Filme wie Lost to Shame der Film heute ein große Rolle im kulturellen Dialog des Landes spielt. Das lässt sich nicht von jedem Land behaupten, vor allem nicht von Ländern, in denen Hollywood-Filme dominieren und lokale Produktionen nur einen kleinen Teil des Marktes ausmachen.
Eine private Geschichte Als ich 1997 nach Korea kam, wusste ich so gut wie nichts über das koreanische Kino. Nur wenige Wochen nach meiner Ankunft besuchte ich das 2. BIFF und war vom Enthusiasmus des Publikums überwältigt. Danach habe ich jedes BIFF besucht und Schreiben sowie Lehren über den koreanischen Film zu meinem Beruf gemacht. Manchmal werde ich gefragt, welcher Film mich dazu gebracht habe, mich auf die koreanische Filmlandschaft zu konzentrieren. Ehrlich gesagt: Grund dafür war weniger ein bestimmter Film, sondern vielmehr die Filmkultur, die ich in Busan antraf, die lebhaften Gespräche über Filme, die überall um mich herum geführt wurden. In ähnlicher Weise mögen sich manche darüber wundern, wie der zeitgenössische koreanische Film eine so große Dynamik entwickeln konnte, und auch da sollte man meiner Meinung nach hinter die Filme und die Filmemacher schauen. Hinter allem steht die starke Filmkultur Koreas. In den meisten Fällen wird eine starke Filmkultur letztendlich auch starke, lokale Filme hervorbringen. Aus diesem Grund ist Filmkultur so wichtig und muss verteidigt werden. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 9
SPEZIAL 2 Der koreanische Film im 21. Jh.: Dynamik und Träume
LICHT UND SCHATTEN DES KOREANISCHEN FILMS IM 21. JH.
Huh Moon-young Filmkritiker Fotos Cine21
Seit der Millenniumwende sind nicht einmal zwei Jahrzehnte vergangen, aber wenn wir vom heutigen Stand der koreanischen Filmbranche zurückblicken, dann wirken sie bereits wie uralte Geschichte – so dramatisch war die Entwicklung der koreanischen Filmindustrie in dieser Zeit. Und doch hat der koreanische Film in der internationalen Filmszene noch nicht festen Fuß fassen können. 10 KOREANA Winter 2016
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och bis in die 1980er Jahre galt es nicht wirklich als hip, ins Kino zu gehen, um sich einen koreanischen Film anzusehen. Lange hielten die Koreaner heimische Filme für „Schnulzen“ niedrigsten Niveaus. In den 1960ern war der koreanische Film auf seine Art und Weise schillernd und vielfältig, aber Zensur und Regulierungen, die seit Anfang der 1970er Jahre von den autoritären Regierungen der Zeit gezielt vorangetrieben wurden, behinderten zusammen mit der Massenverbreitung des Fernsehers nahezu 20 Jahre lang die Weiterentwicklung des koreanischen Films. Mitte der 1990er Jahre setzte im Zuge von politischen und gesellschaftlichen Veränderungen ein Wandel ein, der als „Renaissance“ des koreanischen Films bezeichnet werden kann. Intellektuelle und abenteuerfreudige junge Produzenten und Regisseure voller Ambitionen und mit einem Sinn für Ästhetik führten die neue Welle an. Seitdem haben sich koreanische Filme in Bezug auf Kunstgehalt und Kommerzialisierbarkeit enorm weiterentwickelt. Auch im Ausland wurden sie mit anderen Augen betrachtet. Koreanische Studenten, die Mitte der 1990er Jahre in Paris Filmwissenschaft studierten, wurden manchmal von Kommilitonen gefragt: „Werden auch in Korea Filme produziert?“ Abgesehen von einer Handvoll von Filmexperten hatten bis dahin selbst Filmenthusiasten kaum je einen koreanischen Film gesehen. Das änderte sich aber mit Anbruch des 21. Jhs abrupt. Es war keine Seltenheit mehr, dass koreanische Filme auf renommierten internationalen Filmfestspielen präsentiert und ausgezeichnet wurden, und die koreanischen Regisseure der neuen Generation wie Hong Sangsoo, Kim Ki-duk, Park Chan-wook und Bong Joonho, die Ende der 1990er Jahre debütierten, haben heutzutage zahlreiche Fans im Ausland.
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Das am 18. Juli 2016 im Yeongdeungpo Time Square in Seoul veranstaltete Red Carpet Event anlässlich des VIP Screenings von Train to Busan zog große Menschenmassen an. Diese Gala-Veranstaltung für den koreanischen Katastrophen-Blockbuster gibt einen Einblick in die koreanische Filmindustrie des 21. Jhs.
KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 11
Das rasche Wachstum der Filmindustrie Nur in wenigen Ländern hat sich die Filmbranche im 21. Jh. so rasant entwickelt wie in Korea: Wurden 2000 insgesamt 61,69 Mio. Eintrittskarten verkauft, waren es 2015 bereits 217,29 Mio. Im selben Zeitraum verdreifachte sich die Zahl der inländischen Filmproduktionen von 57 auf 232, während die Zahl der Leinwände von 720 auf 2.424 wuchs. 2015 verzeichnete der Gesamtumsatz der Branche 2,11 Bio. KW (ca. 1,7 Bio. EUR), während er bei Einführung der statistischen Erfassung im Jahr 2005 noch bei 1,52 Bio. KW (1,23 Bio. EUR) gelegen hatte. Mit der chinesischen Filmindustrie, deren Wachstum 2010 sagenhafte 64,3% verzeichnete und die bereits seit Mitte der Nullerjahre im Vorjahresvergleich um jeweils 30% wächst, ist das natürlich nicht vergleichbar. Und da die Chinesen durchschnittlich nicht öfter als 0,92 Mal (Stand 2015) pro Jahr ins Kino gehen, dürfte es noch hinreichend Spielraum für ein Anhalten des rasanten Wachstumstrends geben. Doch abgesehen von China gibt es kaum ein Land, dessen Filmindustrie im 21. Jh. so steil expaniert hat wie die koreanische. Das Beachtenswerte ist dabei ist die Häufigkeit des Kinobesuchs pro Kopf: Noch 2000 gingen die Koreaner durchschnittlich nur 1,3 Mal pro Jahr ins Kino. 2005 hatte sich der Wert mit 2,95 Mal bereits mehr als verdoppelt, 2013 wurde mit 4,17 die Vierer-Marke gebrochen und 2015 ein Anstieg auf 4,22 Mal verzeichnet. Wie hoch diese Werte sind, macht ein Ländervergleich bewusst: Mit Stand von 2013 ging ein Amerikaner 4,0 Mal pro Jahr ins Kino, ein Franzose 3,14 Mal, ein Brite 2,61 Mal, ein Deutscher 1,59 und ein Japaner 1,22 Mal. Selbst die Inder, die in puncto Jahresfilmproduktion an der Weltspitze liegen (1.602 Filme 2013), zog es nicht öfter als 1,55 Mal ins Kino. Was ist die treibende Kraft dieses erstaunlichen Wachstums der koreanischen Filmindustrie und der hohen Kinobesuchshäufigkeit? Eine mögliche Antwort wäre die Filmförderpolitik der koreanischen Regierung. Die Kinos in Korea müssen im Rahmen der strengen Screen-Quota-Regelung (die Mindestquotenregelung für einheimische Filme) an insgesamt mehr als 73 Tagen pro Jahr koreanische Filme zeigen, und die Filmemacher werden aus verschiede12 KOREANA Winter 2016
1 Eine Szene aus Im Kwon-taeks Chunhyang (2000), des ersten koreanischen Films, der für die Hauptwettbewerb-Sektion der Internationalen Filmfestspiele von Cannes nominiert wurde. 2 Eine Szene aus Lee Chang-dongs Oasis (2002), einer Liebesgeschichte zwischen einer Frau mit zerebraler Kinderlähmung und einem gesellschaftlichen Außenseiter. 3 Choi Min-sik in der Rolle des Künstlergenies Jang Seung-eop, der im Joseon-Reich des 19.Jhs lebte: Im Rausch der Farben und der Liebe (2002) ist Regisseur Im Kwontaeks 98. Feature Film.
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nen Quellen unterstützt, so z.B. vom Korean Film Council, regionalen Film Commissions, Gebietskörperschaften oder Internationalen Filmfestspielen. Abgesehen von China, das den heimischen Filmmarkt durch strikte Importverbote schützt, bietet Korea im internationalen Vergleich hochgradige Unterstützung für einheimische Filme. Solche Maßnahmen haben es ermöglicht, dass die Box-Office-Umsätze von koreanischen Filmen dominiert werden. 2013 stellten koreanische Filmproduktionen einen Anteil von 59,7%, 2014 waren es 50,1% und 2015 52,0%, d.h. über die Hälfte des Gesamtumsatzes wird von koreanischen Filmen eingespielt. Mit Stand von 2013 – von Ausnahmen wie den USA (94,6%) und Indien (94,0%) abgesehen – gehört Korea mit China (58,6%) und Japan (60,6%) zu den wenigen Ländern, in denen sich einheimische Filme einer ähnlichen oder höheren Beliebtheit erfreuen als amerikanische Streifen. Die Marktanteil-Vergleichszahlen für einheimische Produktionen lagen 2013 in Frankreich bei 33,8% und in Großbritannien (Koproduktionen mit anderen Ländern eingeschlossen) bei 22,1%. Als weitere Faktoren, die das Wachstum der koreanischen Filmindustrie beförderten, wären z.B. die Abschaffung der Zensur und die steigende Zahl talentierter Filmregisseure zu nennen. Zweifellos ist die koreanische Filmindustrie in eine neue Phase eingetreten. Dass die Häufigkeit des Kinobesuchs pro Kopf und Anzahl der Leinwände fast die Sättigungsgrenze erreicht haben und die Filmfördermaßnahmen an ihre Grenzen stoßen, deutet darauf hin, dass das Wachstumsmuster der koreanischen Filmindustrie anders verlaufen wird als bisher.
Stellung koreanischer Filme Vor 2000, als Chunhyang von Im Kwon-taek auf den Filmfestspielen von Cannes für den Wettbewerb um die Goldene Palme nominiert wurde, war seit der Einrichtung der Festspiele 1946 kein einziger koreanischer Film für einen Preis in der Sektion Wettbewerb nominiert worden. Natürlich muss die Nominierung für die Goldene Palme in Cannes kein absoluter Maßstab für die Qualität eines Films sein, aber man kann durchaus sagen, dass der koreanische Film auf der Weltkarte des Films des 20. Jhs,
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Bei manchen Filmen aus bestimmten Regionen ist eine Art „Regionalität“ zu einem gewissen – manchmal auch zu einem hohen – Grad eingeschmolzen. Welche Art von Regionalität haben denn die koreanischen Filme? Anders gesagt: Wie lässt sich die Regionalität in den Filmen der Promi-Regisseure Hong Sang-soo, Bong Joon-ho, Lee Chang-dong, Park Chan-wook oder Kim Ki-duk definieren?
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die von westlichen Filmexperten und Kritikern ausgemessen worden war, keinen Platz gefunden hatte. The Oxford History of World Cinema (Hrsg. v. Oxford University Press, 1966) listete keinen einzigen koreanischen Film und auch in anderen Publikationen zur internationalen Filmgeschichte war es nicht anders. Das änderte sich ab der Millenniumwende. Im Kwon-taek erhielt 2002 in Cannes für Im Rausch der Farben und der Liebe den Preis für die beste Regie, Park Chan-wook 2004 für Old Boy den Großen Preis der Jury und für Durst den Preis der Jury. Der Regisseur Lee Chang-dong bescherte der Schauspielerin Jeon Do-yeon mit seinem Film Secret Sunshine (2007) den Preis für die beste Darstellerin und gewann selbst mit Poetry (2010) den Preis für das beste Drehbuch. Auch Hong Sang-soo und Im Sang-soo erhielten jeweils mit drei und zwei Filmen Einladungen zum Wettbewerb der Filmfestspiele, auch wenn sie keinen Preis gewannen. Lee Chang-dong holte mit Oasis (2002) bei den Filmfestspielen von Venedig den Regiepreis und die Hauptdarstellerin Moon So-ri den Preis für den besten Nachwuchsdarsteller. Kim Ki-duk wurde auf der Berlinale für Die Samariterin (2004) mit dem Preis für die beste Regie gekürt, auf den Filmfestspielen von Venedig für 3-Iron (2004) mit dem Silbernen Löwen in der Kategorie Beste Regie und für Pieta (2012) mit dem Goldenen Löwen. Unter dem Strich lässt sich sagen, dass die koreanischen Filme des 21. Jh. vom internationalen Publikum so hoch bewertet wurden, wie es vor der Millenniumwende kaum vorstellbar gewesen wäre. Kann man aber auch behaupten, dass der koreanische Film in den letzten zehn Jahren durch seine Erfolge bei namhaften Filmfestspielen endlich einen festen Platz auf der Weltkarte des Films gefunden hat? Diese Frage lässt sich noch nicht klar bejahen. Die britische Zeitschrift Sight &
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©Busan International Film Festival , Bucheon International Fantastic Film Festival
1 Eine Szene aus The Face Reader (2013) unter der Regie von Han Jae-rim. Kim Hye-soo in der Rolle der Yeonhong, einer verführerischen Unterhaltungsdame und Gesichtleserin. 2 Eine Szene mit Kultcharakter aus The Thieves (2012) unter der Regie von Choi Dong-hoon, einer Action-Thriller-Komödie über 10 Diebe auf der Jagd nach einem Diamanten. 3 Eine Szene aus The Chaser (2008) unter der Regie von Na Hongjin. Der Film handelt von einem Serienmörder und dessen Opfern, einem Zuhälter und einem Ex-Polizisten, der den Mörder jagt. 4 Eine Szene aus Veteran (2015) unter der Regie von Ryoo Seungwan. Der Film beschreibt das geheime Leben eines Konglomeraten-Sprößlings der 3. Generation. 5 Eine Szene aus Das Hausmädchen (2016), des neuesten, viel diskutierten Films von Park Chan-wook. 6 Eine Szene aus Jeon Woochi: The Taoist Wizard (2009), einer in der Joseon-Zeit spielenden Heldenkomödie; Regie: Choi Dong-hoon.
Sound kürt auf Basis einer weltweiten Befragung von Filmkritikern und Regisseuren alle zehn Jahre „Die besten Filme aller Zeiten“. In der Top-100-Liste von 2012 ist kein einziger koreanischer Film zu finden, was aber keine Überraschung ist. Doch auch unter den sechs asiatischen Filmen, die es in den Nullerjahren in die Top-10-Liste des Jahres schafften, ist kein koreanischer Film. Natürlich sollte man diesen Listen keine allzu große Bedeutung beimessen. Sie werden ständig erneuert und nicht wenige Filme werden erfahrungsgemäß erst mit Verspätung gewürdigt. Doch Koreas Fehlen auf diesen Listen könnte darauf hinweisen, dass viele internationale Filmkritiker koreanische Filme nicht als führend in puncto zeitgenössischen Filmästhetik betrachten. Zusammengefasst: Koreas Platz auf der Weltkarte des Films ist noch nicht gefestigt. An dieser Stelle sollte man über den Begriff „koreanischer Film“ nachdenken. Labels wie „koreanischer Film“, „indischer Film“ oder „britischer Film“ wohnt eine subtile Dualität inne. Denn es ist schwer zu sagen, ob diese Labels über das Herkunftsland hinaus noch eine signifikante Gemeinsamkeit ausdrücken. Eine voreilige Verallgemeinerung der Eigenschaften von Filmen aus ein und derselben Region kann zu einer Voreingenommenheit führen, die die einzigartigen Stärken des Einzelwerks übersehen lässt. Filme aus bestimmten Regionen weisen dennoch oft eine gewisse regionale Färbung auf, die manchmal auch ausgeprägt sein kann. Was ist es dann aber, das einen koreanischen Film koreanisch macht? Anders gefragt: Wie lässt sich die Regionalität in den Filmen der Promi-Regisseure wie Hong Sang-soo, Bong Joon-ho, Lee Chang-dong, Park Chan-wook oder Kim Ki-duk definieren? Diese Frage lässt sich kaum auf die Schnelle beantworten, da die Werke dieser Regisseure auf den ersten Blick keinerlei Gemeinsamkeiten aufzuweisen scheinen. Die Filme von Hong Sang-soo und Kim Ki-duk werden vielmehr der Gruppe des europäischen Modernismus zugeordnet und die von Park Chan-wook und Bong Joon-ho – manchmal auch die von Kim Ki-duk – zu einer ästhetischen Variation des „asiatischen Extremfilms“. Der koreanische Film ist KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 15
1 1 Song Kang-ho und die Schauspielerin Kim Okbin in einer Szene aus Durst (2009), einem Thriller über einen zum Vampir gewordenen Priester; Regie: Park Chan-wook. 2 Hwang Jung-min spielt in The Wailing (2016) einen Schamanen in einem von Serienmorden geplagten Dorf; Regie: Na Hong-jin. 3 Eine Szene aus The High Rollers (2006), einem Film über eine Bande von Unterwelt-Spielern; Regie: Choi Dong-hoon. 4 Eine Szene aus The King and the Clown (2005), der ersten „Königshof-Burlesque“ in der koreanischen Filmgeschichte; Regie: Lee Joon-ik. 5 Jun Ji-hyun spielt eine Hauptrolle in Assassination (2015) unter der Regie von Choi Donghoon. Die Kritiker lobten das Werk als ersten Film, der eine Frau im Zentrum der Widerstandsbewegung gegen die japanischen Besatzer zeigt.
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demnach ein Sammelsurium diverser Filmtypen, die sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner der „Regionalität“ reduzieren lassen, und genau das ist wiederum einer der Gründe, warum Koreas Platz auf der Weltkarte des Films noch nicht klar markiert ist.
Regisseure mit unterschiedlichen Neigungen Der heutige koreanische Filmsektor ist dermaßen divers, dass er sich nicht mit ein paar distinktiven Merkmalen definieren lässt. Wagt man in übermäßiger Verallgemeinerung trotzdem eine Kategorisierung, lässt sich der koreanische Film grob in vier Gruppen aufteilen. Die erste könnte „volkstümlicher Realismus“ betitelt werden. Ihr Anführer ist zweifellos Im
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Kwon-taek. Im, der lange Zeit das Aushängeschild der koreanischen Filmbranche war, konzentrierte sich in seinen jungen Jahren auf das Mainstream-Genre, bevor er sich ab Mitte der 1970er streng um eine neue ästhetische Blüte des „volkstümlichen Films“ bemühte. 2014 veröffentlichte er mit Revivre seinen 102. Film. Lee Changdong wiederum könnte man als „Thronerbe“ dieses Filmgenres bezeichnen. Lee, ein Moralist und Gegner jeder leichten Filmunterhaltung, hat seit Poetry (2010) nichts mehr von sich hören lassen. Im Sang-soo, der Das Hausmädchen (2010) und The Taste of Money (2012) produzierte, ist ein noch freierer Geist, aber auch ihn könnte man dieser Gruppe zuordnen. Die genannten Regisseure behandeln mit Fokus auf der koreanischen Regionalität historische Ereignisse und Absurditäten der Realität. Darüber hinaus steht Thematik über Form oder Stil. Bislang ist noch kein Nachwuchsregisseur in Sicht, der die Tradition dieser Gruppe weiterführen würde. Die zweite Kategorie könnte man provisorisch mit „Modernismus“ betiteln. Hong Sang-soo und Kim Ki-duk würden darunter fallen. Aber zwischen ihnen gibt es mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Während Hong durch die Erneuerung der Form ein neues Realitätsgefühl zu schaffen versucht, konzentriert sich Kim auf die Frage der Erlösung durch körperliches Leiden. Nur eine Handvoll junger Regis-
seure produziert Filme dieser Art, aber keiner erfreut sich größerer Bekanntheit. Die dritte Kategorie wäre „Genre-Innovation“. Dazu gehören Regisseure wie Park Chanwook, Bong Joon-ho, Kim Jee-woon und Ryoo Seung-wan, die sowohl vom Publikum als auch von Kritikern gefeiert werden. Ihnen ist gemeinsam, dass sie früher Filmfanatiker waren und von Genrefilmen der B-Klasse fasziniert waren. Ihre Produktionen sind meist Thriller oder Action-Filme vermischt mit einer Prise Horror oder Komödie. Ihre Filme sind zwar massenfreundlich, weisen aber Züge „des dickköpfigen Stilisten“ auf. Aber auch zwischen den Regisseuren dieser Kategorie gibt es Unterschiede: Park Chan-wook interpretiert klassische Tragödien als Genrefilme neu, und Bong Joon-ho verbindet Regionalpolitologie mit der Dynamik des Genrefilms. Ryoo Seungwan und Kim Jee-woon wiederum geben ihren filmfanatischen Unterhaltungscharakter selbst dann nicht auf, wenn sie Gegenwartsprobleme thematisieren. Von ihren Werken konnten Bong Joon-hos The Host (2006) und Ryoo Seung-wans Veteran (2015) mehr als zehn Millionen Besucher ins Kino locken. Für viele hoffnungsvolle koreanische Filmregisseure sind diese Filme ein Vorbild. Unter den Nachwuchsregisseuren wäre Na Hong-jin, der durch The Chaser (2008), The Yellow Sea (2010) und The Wailing (2016) berühmt wurde, dieser Gruppe zuzuordnen. Die letzte Kategorie ist „Mainstream“, der die meisten Regisseure angehören. Ihr Repräsentant war lange Zeit Kang Woo-suk, doch seit Mitte der Nullerjahre führen Regisseure wie Choi Dong-hoon und Youn Je-kyun, die mit ihren Filmen die 10-Millionen-Marke knackten, die Gruppe an. Choi gilt als der bekannteste Mainstream-Regisseur, da alle fünf Filme unter seiner Regie – angefangen von seinem Debütfilm Der große Schwindel (2004) bis Assassination (2015) – kommerzielle Erfolge waren. Man kann nicht behaupten, dass eine der Kategorien repräsentativer für den koreanischen Film wäre als eine andere. Zutreffender wäre zu sagen, dass gerade die Diversität der Richtungen das verwirrende aber dynamische Antlitz des „koreanischen Films“ als regionaler Film prägen. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 17
SPEZIAL 3 Der koreanische Film im 21. Jh.: Dynamik und Träume
DAS ZEITALTER DER STARKEN REGISSEURE Regisseure, die das „Wunder“ vollbringen, sich gleichzeitig kommerziellen Erfolg und Auteur-Titel zu sichern, sind keine Seltenheit mehr. Manchmal dienen renommierte internationale Filmfestspiele AuteurRegisseuren als Sprungbrett für Box-Office-Erfolge in ihrem Heimatland. Auf dem koreanischen Filmsektor ist jetzt das Zeitalter der starken Regisseure angebrochen. Kang Seung-ryul Filmkritiker, Professor, Kwangwoon University Fotos Cine21
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n Korea sind es allen voran die Regisseure, die am Filmset das Sagen haben. Natürlich besteht hier die Gefahr der Verallgemeinerung, da das nicht für alle Regisseure gilt. Selbst im heutigen koreanischen Filmproduktionsumfeld, in dem die Konglomerate durch ihre Tochterunternehmen Investition, Distribution und Verleih der Filme in der Hand halten, bleibt die Macht des Regisseurs nach wie vor so gut wie ungebrochen. Regisseure, deren Filme bereits die 10-Millionen-Besuchermarke überschritten haben, gründen ihre eigene Produktionsfirma. Nicht selten wird den Ehefrauen die Firmenführung anvertraut, während die Regisseure das Drehbuch selbst schreiben und auch für Casting und Schnitt bis hin zu Nachbearbeitung eine bestimmende Rolle spielen. Sie haben also Kontrolle über alle Produktionsschritte. Von denjenigen, die eine Karriere im Filmgeschäft anvisieren, will die absolute Mehrheit Regisseur werden. In diesem Sinne kann man ohne Übertreibung sagen, dass der Begriff „Auteurism“ nahezu alle derzeit aktiven koreanischen Regisseure beschreibt. Im Folgenden wird versucht, durch paarweise Zusammenstellung einiger der großen Regisseure eine grobe Topografie der Branche zu erstellen.
Kim Ki-duk und Hong Sang-soo Kim Ki-duk und Hong Sang-soo wurden beide 1960 geboren und debütierten 1996. Kims Debütfilm Crocodile und Hongs Debütfilm Der Tag, an dem ein Schwein in den Brunnen fiel sorgten beide für Furore. Beide produzierten danach fast jedes Jahr Filme, die auf internationalen Festspielen auf positive Resonanz stießen. Ihre größte Gemeinsamkeit ist aber, dass beide als Filmemacher mit einem distinktiven, cineastischen Weltbild gelten, die auf der internationalen Bühne einen so guten Ruf genießen, dass ihr Ruhm und Ansehen nicht so leicht verblassen werden, auch wenn sie in Korea keine großen Box-Office-Hits landen. Kim Ki-duks Filme basieren auf der Idee des „kranken Kapitalismus“. Rückhaltlos offen porträtiert er das Leben marginalisierter Männer am unteren Ende der sozialen Leiter, die in einer verkommenen kapitalistischen Gesellschaft ein vertiertes Leben führen. In Pieta (2012) hat Kim thematisch all seine vorausgegangenen Werke zusammen-
Als Regisseur-Veteranen mit 20 Jahren Erfahrung haben Hong Sang-soo (gegenüberliegende Seite) and Kim Ki-duk in ihren Filmen bestimmte Themen wiederholt erforscht.
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gebracht und ist einen Schritt weitergegangen. Der Film spielt vor der Kulisse von Seun Sangga, einem Shopping Center am Cheonggyecheon-Fluss in der Seouler Innenstadt, das einst Aushängeschild der Industrialisierung Koreas war, aber jetzt kurz vor dem Abriss steht. Der Blick der Kamera richtet sich auf Kredithaie, die die Schuldner mit unmenschlichen Methoden zum Zahlen zwingen. Der Protagonist, der durch Drohen, Verprügeln und Erpressen sein Brot verdient, erscheint in seiner Grausamkeit als Inkarnation des Bösen und Ausgeburt des Kapitalismus. Im Laufe des Films lässt der Regisseur ihn auf sein Leben zurückblicken und tiefe Reue empfinden, ja, er geht sogar soweit, ihm am Schluss das Opferlammbild von Christus überzustülpen. Kim reicht damit über die Fokussierung auf den Abschaum des Kapitalismus hinaus und thematisiert anhand
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von Opferbereitschaft und Tod des skrupellosen Mannes die Frage von Gnade und Erlösung. Hong Sang-soo hält sich in seinen Filmen konsequent an ähnliche Themen und Charaktere. Das kann als vollkommener Auteurism oder ungeschminkter Manierismus gesehen werden. Seine Filme entblößen Beziehungen zwischen Mann und Frau, die bar jeder Romantik oder Fantasie sind. Seine Charaktere verlieren sich in einem Rausch, der sich von Bar zu Bar steigert und in einem Motel endet, wobei die Zurschaustellung und Befriedigung der Fleischeslust Liebesgefühlen keinen Raum lässt. Hong inszeniert die verschiedenen Gesichter dieser Lust mit stilistischen Experimenten. So z.B. in seinem Film Right Now, Wrong Then, der 2015 auf dem Internationalen Filmfestval von Locarno den Goldenen Leopard bekam: Der Protagonist,
ein Filmregisseur, fährt nach Suwon, wo er zufällig eine Frau trifft, mit der er dann den Tag verbringt und etwas trinken geht. Dieselbe Geschichte wird in zwei Versionen gezeigt, wobei der Ausgang unterschiedlich ist. Geschickte Juxtaposition und Rhythmus der Erzählstruktur regen dazu an, über Leben und Kunst nachzudenken.
Park Chan-wook und Bong Joon-ho Park Chan-wook und Bong Joon-ho adaptieren und „indigenisieren“ Elemente des Hollywood-Genrefilms mit Blick auf die Gegebenheiten in Korea und übermitteln so ihr Anliegen auf raffinierte Weise. Das macht sie populärer und bekannter als Kim Ki-duk oder Hong Sang-soo. Während Park im Genre Thriller und Krimi unermüdlich die Themen Schuldgefühl und Rache behandelt, erfasst Bong scharfsinnig durch die Handlung, in der nach etwas Konkretem wie einem Monster oder etwas Ungreifbarem wie der Wahrheit gesucht wird, die strukturellen Widersprüche der koreanischen Gesellschaft. Beide erwecken nach außen hin den Eindruck, den Konventionen des Genrefilms zu folgen, doch bei näherem Hinsehen verbergen sich dahinter originelle Geschichten. Park, der mehr als jeder andere koreanische Filmemacher als logischer und intellektueller Regisseur gilt, stützt sich interessanterweise stark auf die Empfindungswelt von B-Movies. Nach Park sind B-Movies jedoch keine minderwertigen Streifen, sondern stellen ein eigenes Genre dar, in dem eine bei A-Movies undenkbare, subversive Vorstellungskraft entfaltet wird, die alle Beschränkungen von Produktionszeit und Budget wieder wettmacht. Old Boy (2003), Parks repräsentativstes Werk, spiegelt seine ganze Filmwelt wider. Erzählt wird die Geschichte der drückenden Last von Schuld und Rache, geschickt verwoben mit Inzest-Elementen: Die Schuld des einen, die eigene Schwester nicht beschützt zu haben, und die Schuld des anderen, Frau und Tochter nicht beschützt zu haben, lösen jeweils Rachegelüste aus, wobei die Unmöglichkeit, die Rache zu vollstrecken, nur zu weiteren irrationalen Rachehandlungen führt. Bong, der seine Filme gern mit bizarrem Humor würzt, zeigt in der Hauptrolle oft etwas schwerfällige Charaktere, die sich in Situationen wiederfinden, denen sie schlichtweg nicht gewachsen sind. Das Fesselnde dabei ist, dass im Laufe der Handlung die strukturellen Widersprüchlichkeiten der
Im Kwon-taek (gegenüberliegende Seite), Meister des Nationalrealismus-Genres, und Lee Chang-dong, Nachfolger in diesem Genre.
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koreanischen Gesellschaft ungeschminkt zum Vorschein kommen. Beispielsweise veranschaulicht Bong in seinem Film mit dem sonderbaren Titel Memories of Murder (2003), der auf der wahren Geschichte einer ungelösten Serie von Mord- und Vergewaltigungsfällen in den späten 1980er Jahren beruht, mit präzisen Details die Inkompetenz und rudimentären Untersuchungsmethoden der Polizei.
Im Kwon-taek und Lee Chang-dong Im Kwon-taek und Lee Chang-dong sind Regisseure, die sich besonders ernsten Themen widmen. Im, der Anfang der 1960er Jahre debütierte und bis heute aktiv ist, hat mittlerweile über 100 Filme produziert. Sopyonje, sein 1993 uraufgeführtes Werk, das alle davor erreichten Besucherekorde brach, zog große Aufmerksamkeit auf sich, da dieser Historienfilm den traditionellen epischen 22 KOREANA Winter 2016
Sologesang Pansori in einem westlichen Filmformat beleuchtete. Lee Chang-dong hat den außergewöhnlichen Hintergrund, vom Schriftsteller zum Regisseur geworden zu sein. Wie es sich für den Verfasser realistischer Romane geziemt, behandelt er tragische Ereignisse der koreanischen Zeitgeschichte oder beschreibt das erschöpfende Leben der Menschen von heute. Während Bong in seinen Filmen gesellschaftsstrukturelle Ungerechtigkeiten direkt thematisiert, behandelt Lee sie aus einer gewissen Distanz mit ruhiger Kontemplation. Lees bekanntestes Werk ist Poetry (2010). In der Anfangsszene spielen Kinder am Flussufer, als der Leichnam einer Mittelschülerin angeschwemmt wird. Der Film spürt den Ereignissen, die zum Tode des Mädchens führten, nach und beschreibt, wie die Väter der Jungen, die für den Selbstmord des Mädchens verantwortlich sind, die Tragödie zu vertuschen versuchen. Durch den Einsatz von Poesie als literarisches Ausdrucksmit-
tel werden der Tod des Mädchens und der Tod einer älteren Dame auf eine höhere Ebene gehoben.
Na Hong-jin und Yeon Sang-ho An der Spitze der Genres Korean New Wave und Independent Film, die die künftige Richtung des koreanischen Films erahnen lassen, stehen die Regisseure Na hong-jin und Yeon Sang-ho. Na, der seine originäre Filmwelt fest etabliert hat, erfreut sich trotz seiner Vorliebe für Gewalt großer Publikumsbeliebtheit. In seinen Filmen, die voller Grausamkeit und Mord sind, wird gezeigt, wie ein Mensch, der zum Äußersten getrieben wird, in tierische Brutalität verfallen kann. In The Wailing (2016) treibt Na dies ins Extreme: Eine Serie von mysteriösen Todesfällen, die sich in einem abgelegenen Dorf ereignen; das Auftauchen eines seltsamen Fremden und die Verbreitung schauerlicher Gerüchte; Parallelen zwischen okkultistischem Elementen und Schamanismus. Mit den immer wieder hier und da eingestreuten Symbolen und Andeutungen fordert Na die Zuschauer auf unterhaltsame Weise zu einem geistigen Wettstreit heraus. Yeon Sang-ho konnte zwar mit seinem Box-Office-Hit Train to Busan (2016), der über 10 Mio. Zuschauer ins Kino lockte, punkten, aber im Bereich Animationsfilm fehlt ihm noch der Durchbruch. Nach Train to Busan wandte er sich mit Seoul Station (2016) sofort wieder seinem eigentlichen Genre, dem Animationsfilm zu. Yeon hat zahlreiche Animationsfilme unterschiedlicher Länge für Erwachsenenpublikum produziert, wobei er sich kontroverser Themen im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Einrichtungen wie Schule, Militär und Religionsgruppen annimmt und das Monster, das die koreanische Gesellschaft geboren hat, darstellt. In Train to Busan schuf er schließlich eine Zombiewelt, die die Kinokassen klingeln ließ und gleichzeitig einen Diskurs anstieß. Interessanterweise erscheinen in den neuesten Werken von Na und Yeon Zombies, Wesen, die immer und immer wieder von den Toten auferstehen. Was bedeutet es, dass diese beiden Regisseure, die für die Korean New Wave und Indie-Filme stehen, ausgerechnet Zombie-Filme – ein in Korea relativ neues Genre – drehen und damit Kassenschlager landen? Was sagt das über die Zeit, in der wir leben, aus?
Park Chan-wook (gegenüberliegende Seite) und Bong Joon-ho adaptieren die Genrefilm-Konventionen von Hollywood gekonnt für die koreanische Situation, um ihre eigenen Geschichten zu erzählen.
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SPEZIAL 4 Der koreanische Film im 21. Jh.: Dynamik und Träume
FÜNF INGREDIENZIEN ERFOLGREICHER KINOFILME
Hahn Dong-won Filmkolumnist Fotos Cine21
Ein Film ist nie ohne Grund erfolgreich. Doch wenn sich Filmemacher nur noch ihrer bewährten Erfolgsstrickmuster bedienen, sind es die Zuschauer, die den Schaden in Form von Standardisierung und Endloswiederholung zu tragen haben.
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n der koreanischen Filmbranche gibt es den Spruch: „Filme mit mehr als zehn Millionen Zuschauern sind ein vom Himmel geschenkter Jackpot.“ D.h., keiner weiß, welcher Film gesegnet sein wird. Daher gibt es statt der wesentlich schwieriger zu erstellenden Prognosen vor der Premiere eine Flut von Post-hoc-Kassenschlager-Analysen, die die Erfolgselemente listen.
Das nationale Gemüt ansprechen Der erste Schlüssel zum Erfolg ist, sich national-patriotische Emotionen zunnutze zu machen. Dieses Mittels haben sich folgende Blockbuster bedient: The Admiral: Roaring Currents (2014), Ode to My Father (2014) und Taegukgi: The Brotherhood of War (2004). Auch den US-Streifen Avengers: Age of Ultron (2015) könnte man hinzurechnen, da einige Action-Szenen in Seoul gedreht wurden und der Film trotz des fehlenden dramaturgischen Kontextes dieser Szenen in Korea satte Profite machte. Der zweite Schlüssel ist Kritik an der priviligierten Schicht. Angelehnt an diesen Erfolgscode entfachte Assassination (2015) die latente Wut der Koreaner gegenüber den Nachfahren projapanischer Kollaborateure, die 70 Jahre nach der Befreiung Koreas immer noch gesellschaftliche und wirtschaftliche Privilegien genießen. Veteran (2015) befeuerte das öffentliche Ressentiment gegenüber den Jaebeol-Konglomerat-Erben der dritten Generation und deren schreienden Verfehlungen. Masquerade (2012) brachte die Gemüter gegen die Politiker auf, die ohne Rücksicht auf das Wohlergehen des kleinen Mannes ihre Parteifehden ausfechten. The Attorney (2013) befeuerte die Antipathie gegenüber dem damaligen Präsidenten, während The Host (2006) öffentliche Empörung über die von den in Korea stationierten US-Truppen verursachte Umweltverschmutzung und die Sonderstellung der Soldaten hervorrief, aber auch Enttäuschung und Unsicherheit gegenüber der koreanischen Regierung artikulierte, die im Unglücksfall machtlos ist. Train To Busan, der 2016 anlief, gehört auch zu dieser Kategorie. Der dritte Schlüssel ist geschicktes Timing. Frozen (2014) hatte in der Weihnachtszeit Premiere und The Attorney kam ins Kino, als die Enttäuschung gegenüber der Regierung sich in nostalgischer Sehnsucht nach einem der ehemaligen Präsidenten äußerte. Die Premiere von Assassination fiel kurz vor den Tag der Unabhängigkeit Koreas und die hochgekochte Fehde in einer der Konglomeraten-Familien in der realen Welt, die als Motiv für verhasste projapanischen Kollaborateure diente, passte zeitlich wie die Faust aufs Auge. Auch Veteran kam heraus, als in den Medien die Skandale und Gesetzesverstöße der dritten Jaebeol-Generation thematisiert wurden. Streben nach Qualität Der vierte Schlüssel ist die Empfänglichkeit des koreanischen Publikums für qualitativ hochwertige Filme, für Filme, die Themen der Zeit ansprechend verpackt präsentieren. Eigentlich ist nichts so abgedroschen und falsch wie die Annahme, dass ein Erfolgs-
film grundsätzlich banal sein müsse. Das trifft nicht zu, wenigstens nicht in Korea. Und das ist weder Schmeichelei noch Selbstbeweihräucherung. Alle 18 Filme, die bislang die Zehn-Millionen-Zuschauermarke durchbrechen konnten, bestätigen das Urteilsvermögen des koreanischen Publikums. Auch wenn noch ungewiss ist, ob sie als Meisterwerke in die Weltfilmgeschichte eingehen werden, gehören Filme wie The King And The Clown (2005), Interstellar (2014), The Thieves (2012), Masquerade, The Host usw. auf jeden Fall zu den hochwertigen Produktionen, die ihre Zuschauerquote verdient haben. Werke wie Avatar (2009), Veteran, The Attorney, Silmido (2003), Frozen, Train To Busan (2016) und The Admiral: Roaring Currents sind Filme von einer Qualität, die ihren Erfolg für einen nicht allzu kritisch eingestellten Betrachter leicht nachvollziehbar macht. Auch wenn es bei der Publikumsbewertung individuelle Abweichungen geben mag, kann man doch behaupten, dass rund 70% dieser 18 Filme mit mehr als zehn Millionen Zuschauern überdurchschnittlich hochwertig sind.
Vertrauen in ein Staraufgebot In diesem Sinne mag es selbstverständlich erscheinen, dass als fünfter Schlüssel für einen Megahit Kompetenz, Bekanntheitsgrad und Vertrauenswürdigkeit von Regisseuren und Schauspielern angeführt werden. Regisseure wie Choi Dong-hoon, Bong Joon-ho, Lee Joon-ik und Christopher Nolan geben ihre eigenen Interessen und ihren Stil nicht auf – zumindest erscheint es nach außen hin so – und erfüllen dennoch die Wünsche der Masse. D.h., durch ihre Fähigkeit, filmische Qualität mit Popularität zu verbinden, erobern sie das Vertrauen der koreanischen Zuschauer. „Benchmarking großer Hollywood-Werke“ (z.B. Tidal Wave, 2009) ist das Etikett, das Regisseur Youn Je-kyun, anhängt, aber unabhänig von individuellen Geschmäcken ist er definitiv ein Filmemacher mit Gespür für erfolgreiche Filme und ein kompetenter Produzent. Als Schauspieler fällt einem sofort Oh Dal-su ein, der wegen seiner meist kleineren Rollen in Filmen, die die magische Zuschauermarke brechen, auch „Zehn-Millionen-Elf“ genannt wird. Ganz nach dem Spruch „Was für Baseball der Werfer ist, ist für den Film der Hauptdarsteller“, sind aber auch Publikumsmagneten wie Song Kang-ho, Choi Min-sik, Hwang Jung-min und Lee Byung-hun, die mit ihrem Talent und ihrer Leinwand-Präsenz bestechen, für Megahits unerlässlich. Und auch die Erderwärmung könnte als ein Erfolgsfaktor gelten, da die Hitze besonders im Sommer 2016 dazu führte, dass immer mehr Menschen im klimatisierten Kino Zuflucht suchten. Filmmusik: allzu freundlich Solche Post-hoc-Analysen garantieren aber nicht, dass die genannten Erfolgskomponenten auch in Zukunft Passepartout-Charakter haben werden. Doch aus Sicht der Kapitalgeber kommt ihnen eine nicht zu ignorierende Bedeutung zu. Die Filmproduktion ist ein Geschäftsbereich mit hohem Kostenaufwand, hohem Risiko und – im Erfolgsfall – hohen Gewinnen. Stetig steigende ProduktionsKOREANISCHE KULTUR UND KUNST 25
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und Marketingkosten erhöhen das Risiko entsprechend. Die Investoren wollen Unsicherheiten und Gefahren minimalisieren, weshalb der Einfluss der oben beschriebenen Erfolgsfaktoren, speziell die der jüngsten Megahits, nur noch mächtiger wird. In der heutigen koreanischen Filmindustrie dominiert eine Handvoll großer Filmunternehmen mittels eines vertikal integrierten Systems Investition, Distribution und Vorführung eines Films. Sie besetzen 90% des Marktes (gerechnet an Ticketverkäufen) und erweitern ihren Einfluss auf neue Medienplattformen wie VOD, IPTV, DMB usw., wobei die Monopolisierung so gut wie unkontrolliert bleibt. Angesichts der gegebenen Strukturen ist es nur natürlich, dass die bewährten Erfolgsschlüssel auch weiterhin einen realen Einfluss auf Produktion und Stil kommerzieller Filme ausüben werden. Dieser Einfluss ist an den gemeinsamen Merkmalen der vorgeblichen „koreanischen Blockbuster“, deren einziges Ziel der Aufstieg in den „Zehn-Millionen-Club“ ist, unschwer zu erkennen. Am auffälligsten ist die Art und Weise, wie die Musik eingesetzt wird. Hören Sie sich einmal die Soundtracks der im letzten Jahr 26 KOREANA Winter 2016
herausgebrachten Blockbuster-Filme an, in die hohe Investitionen geflossen sind und in denen mindestens zwei Stars als Hauptdarsteller auftreten. Die Musik in diesen Filmen erklärt den Zuschauern gewissermaßen in aller Deutlichkeit, was sie bei welcher Szene empfinden sollen. In tragischen oder traurigen Szenen wird adagio gespielt, als ob alle Streichersektionen der Orchester in aller Welt zusammenspielen würden. Zu Beginn von komischen Szenen, die eine Verschnaufpause in der dramatischen Spannung gewähren, hüpft das Spiel der Kontrabässe und Holzblasinstrumente zwischen den eingestreuten Pausenzeichen hin und her. Manchmal setzt die musikalische Einstimmung bereits vor der eigentlichen Filmszene ein und diktiert die kommenden Gefühle im Voraus. Diese überfreundliche musikalische Führung ist uralt in Hollywood und als „Mickey-Mousing“ bekannt. Dabei werden Konzentrationskraft bzw. Verständnisvermögen des Zuschauers mit denen von Kindern, die sich einen Mickey-Mouse-Trickfilm ansehen, auf eine Ebene gestellt, was zwar höchst beleidigend und unangenehm für die Zuschauer ist, aber durchaus treffend.
„Die meisten Filme mit dieser Art von Musik werden wohl nicht von der Musik ruiniert, höchstwahrscheinlich gibt es reichlich andere Klischees“ – so der große Hollywood-Regisseur Sidney Arthur Lumet. Seine Beobachtung trifft auf die heutigen koreanischen Filme zu und hier insbesondere auf solche mit auf die Tränendrüsen drückendem Ende. Egal ob nun durch Lachen, Rage oder Trauer: Der „emotionalen Wesensart“ der Koreaner, die es nach intensiver Katharsis verlangt, wird Rechnung getragen. Die Formel „neun Lachkrämpfe und ein Weinkrampf“ wurde so stark angewendet, dass sie quasi schon als Industrienorm des kommerziellen Films in Korea gelten kann. Nicht zu übersehen ist dabei, dass viele Filme aus der jüngsten Vergangenheit den einmaligen Weinkrampf durch gekünstelt wirkende Situationen oder unplausible Wendungen herbeiführen. Es ist längst gang und gäbe, dass die Hauptdarsteller bereits in Tränen ausbrechen und das Publikum zum Weinen bringen, bevor der Grund klar ist. Außerdem fließen die Tränen immer länger, Schauspiel und Inszenierung werden übermäßig theatralisch und das Streichorchester, das zur Untermalung spielt, zerreißt den Zuschauern das Trommelfell. Leinwand und Lautsprecher sind fest entschlossen, das Publikum vor Filmende ordentlich zum Heulen zu bringen.
Variation ähnlicher Gesellschaftskritiken Das koreanische Fernsehen wurde einst von den sog. „Makjang Dramen“ beherrscht, die die Zuschauer mit immer himmelschreienderen Nebenhandlungen und Charakteren zu fesseln versuchten. Das Problem dabei ist, dass immer stärkere Reize vonnöten werden, um denselben Effekt beim immer weiter abstumpfenden Publikum zu erzielen. Letztlich bleibt wie von einem von Bauern brandgerodeten Wald nur schwelende Einöde beim Zuschauer zurück. Filme, die am eindeutigsten in die Falle des „Noch stärker“ geraten sind, dürften die Werke des Genres „Action Noir als Gesellschaftskritk“ sein. In diesen Filmen erscheinen meist Charaktere in Machtpositionen wie Staatsanwälte, Politiker, Journalisten, Großindustrielle und Polizisten, deren dunkle Machenschaften und versteckte Rivalitäten möglichst realitätsgetreu dargestellt werden. Dieses für den koreanischen Film kennzeichnende Genre ist vor dem Hintergrund der Extreme der hochgradig konkurrenzorientierten koreanischen Gesellschaft mit ihren institutionellen Absurditäten, ihrer wirtschaftlichen Polarisierung und ihrem Mangel an politischer Interaktion entstanden. Wie an den Kassenerfolgen dieser Filme abzulesen ist, empfinden die koreanischen Zuschauer die vorgebrachte Kritik zutiefst nach. Sie vergessen zeitweilig die Tristesse der realen Welt durchs Zuschauen und gleichzeitig schwelgen sie in einer Art der passiven Meinungsäußerung. Was dabei jedoch übersehen wird, ist, dass diese gesellschaftskritischen Filme durch die eigene filmische und ästhetische Tautologie und Reproduktion keine Kritik ausüben können und wollen. Selbstverständlich ist Reproduktion eine der grundlegenden Eigen-
schaften des Genres Film. Betrachtet man jedoch die Film-NoirKrimis in Korea, die vorgeben, sozialkritischen Charakter zu haben, so kann man sich des Gefühls nicht erwehren, vor einem Tisch mit ausgebreiteten Karten zu sitzen, auf denen jeweils die einzelnen Charaktere wie Staatsanwalt, Polizist, Tycoon, Politiker, Journalist, Gangster usw. abgebildet sind. Dann würfelt man die ausgewählten Charaktere zusammen und wandelt ihre Rolle in Anlehnung an die Paraderollen berühmter Schauspieler ab, sodass man schließlich glaubt, Zwillinge vor sich zu haben, die sich nur durch Namen und Kleidung unterscheiden. Das einzige, was wirklich anders ist, sind maximal die Explizitheit der Geschichte und die Intensität der Beschreibung. Dass die Erfolgselemente vorheriger Filme nur leicht abgeändert wiederholt werden, liegt nicht einfach nur an Kompetenz und Haltung der Filmemacher. Auch ist es nicht nur die Schuld des sog. „Leitfadens von Robert McKee“, dem die Regisseur-Anwärter wie einer Bibel folgen. Die Wurzel dieser Standardisierung und Selbst-Reproduktion ist das Verlangen des Großkapitals, durch die Kontrolle sämtlicher Produktionsschritte von der Planung bis zum Vertrieb den nächsten „Zehn-Millionen-Zuschauer-Blockbuster“ herauszubringen. Wenn ein Markt z.B. so strukturiert ist, dass 90% aller gebackenen Pies von drei Personen gekauft werden, gibt es für den Bäcker keinen Grund mehr, die Mühe und das Risiko auf sich zu nehmen, die Geschmäcke der restlichen 10% noch durch ein entsprechendes Angebot zu befriedigen. Natürlich würde das oberste Ziel der meisten Bäcker sein, die Geschmäcke der drei Hauptkunden zu treffen. Die sog. Big Player sind in der Lage, Zutaten, Hilfsbäcker, Öfen, Lieferwagen und Vitrinen zur Verfügung zu stellen und die Vertriebskanäle für die zehn Millionen Pies zu öffnen oder zu schließen. Wie viele Bäcker würden es wagen, diese Macht zu ignorieren oder sich ihr gar zu widersetzen? Letzten Endes geht dies zu Lasten der Zuschauer. Die Leinwände werden von Filmen mit dem höchsten Profitpotential dominiert, wobei sich diese kaum von den kurz zuvor gelaufenen Streifen unterscheiden. Low-Budget-Filme schaffen es nur selten in die Kinos und wenn, dann nur für wenige Spieltage. Überdies strecken die Großunternehmen mittlerweile ihre Hände sogar auf den sog. „Art House“-Markt aus. In nur 15 Jahren erreichte der koreanische Film sein heute robustes Wachstum. Die koreanischen Filmfans sind nicht nur zahlenmäßig gewachsen, sondern haben auch an Urteilsvermögen gewonnen, was nicht zuletzt dem Engagement kreativer Filmemacher zu verdanken ist, die ihren eigenen Stil trotz kommerziellen Drucks und Beschränkungen bewahrten. Bedenkt man aber die derzeitige Lage von Filmnationen wie Hongkong und Japan, die bereits fortgeschritten waren, als der koreanische Film noch in den Kinderschuhen steckte, dann kann das derzeitige Auftreten ähnlicher Krankheitssymptome in Korea nur als eindeutige Warnung verstanden werden. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 27
SPEZIAL 5 Der koreanische Film im 21. Jh.: Dynamik und Träume
DIE LIEBLINGSSCHAUSPIELER DER KOREANER Schauspielerinnen und Schauspieler sind Spiegel ihrer Zeit: Auf wen projiziert das koreanische Publikum von heute seine Vorlieben und Sehnsüchte? Wir haben drei Stars ausgewählt, die bislang dank ihrer starken Fangemeinde die Leinwand dominierten und wohl auch noch eine Weile dominieren werden. Lee Hwa-jung Journalistin Fotos Cine21
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or kurzem war zu hören, dass Song Kang-ho durch den Erfolg von The Age of Shadows (2016) als erster Schauspieler in der koreanischen Filmgeschichte mehr als 100 Mio. Zuschauer in Filme mit ihm in der Hauptrolle locken konnte. Der Erfolg eines Schauspielers lässt sich natürlich nicht allein an den Besucherzahlen messen, doch zweifellos sagen sie etwas über den Einfluss dieses Schauspielers aus, der in seiner 20-jährigen Karriere in 22 Filmen in der Hauptrolle zu sehen war.
Song Kang-ho Auslöser eines Umbruchs vor 20 Jahren Song Kang-ho ist das Gesicht unserer Zeit, das den Wandel widerspiegelt. 1997 trat er in No.3 zwar nur als drittklassiger Halunke in einer Nebenrolle auf, konnte aber mit seiner besonderen Art von komischem Schauspiel, gewürzt mit einer starken Prise Busaner Dialekt, die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich ziehen. Nun aber 28 KOREANA Winter 2016
war das eine Zeit, in der viele Gangsterfilme mit einer Mischung aus Humor und Action produziert wurden, und Song galt als ein Schauspieler, der unter den Nebendarstellern etwas stärker herausstach. Doch wies sein Erscheinen auf der Leinwand bereits auf eine tektonische Verschiebung in der koreanischen Filmwelt hin. Nach den Maßstäben der damaligen Zeit war Song „nicht aus dem Holz, aus dem man Stars schnitzt“. Er hatte nicht die fein geschnittenen Gesichtszüge der Stars der Zeit und sein Busaner Dialekteinschlag klang alles andere als elegant. Niemand hätte sich damals vorstellen können, dass er einmal mit The Host (2006) und The Attorney (2013) jeweils mehr als 10 Mio. Besucher ins Kino locken und es mit Snowpiercer (2013) in die Hollywood-Filmwelt schaffen würde. Mit seinem auf der Theaterbühne kultivierten schauspielerischen Talent als Basis entwickelte Song seinen unverwechselbaren, von der herrschenden Norm abweichenden Stil, geprägt von natürlicher Sprechweise und Gestik. Regisseur Park Chan-wook, der mit Song in einigen Filmen zusammen-
arbeitete – darunter Joint Security Area (2000), in dem Song die Rolle des nordkoreanischen Sergeants Oh Kyeong-pil eindrucksvoll und voller Pathos spielt, Sympathy for Mr. Vengeance (2002) und Durst (2009) – charakterisiert Songs schauspielerische Leistung wie folgt: „Fragt man danach, was Song Kang-hos 20-jährige Filmkarriere definiert, dann würde ich mit ‚Modernität’ antworten. Modernität in Bezug auf seine Schauspielkunst. Er begann zwar mit Genrefilmen, hat dann aber sein Terrain auf alle Filmtypen ausgeweitet. Darin liegt wohl seine Besonderheit.“ Song ist auch stets bereit, mit neuen Regisseuren zu arbeiten. Han Jae-rim, der seinen zweiten Film The Show Must Go On (2007) mit Song in der Hauptrolle drehte, erinnert sich noch genau daran, wie Song, der bis dahin bereits mit renommierten Regisseuren gearbeitet hatte, ohne zu zögern oder einen Blick in das Drehbuch zu werfen, Ja sagte. Songs goldene Regel bei der Rollenwahl lautet: Typisierung durch ähnliche Rollen vermeiden. Ein Schlagwort, das Songs Rollen auf einen Nenner bringt, ist „Normalbürger“. Er
„Die meisten Angebote sind für solche Rollen. Andere Charaktere wären auch nicht mein Ding. Reiche, intellektuelle oder melancholische Typen liegen mir nicht...“.
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„Ich hatte nie den großen Plan oder das Ziel, mich an einem andersartigen Charakter versuchen zu wollen. Ich habe schon früh gemerkt, dass die Dinge in der Realität nicht so wollen wie ich es will. Ich versuche nur, bei den Chancen, die sich mir bieten, die jeweils beste Entscheidung zu treffen.“
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selbst sagt dazu: „Die meisten Angebote sind für solche Rollen. Andere Charaktere wären auch nicht mein Ding. (Er lacht.) Reiche, intellektuelle oder melancholische Typen liegen mir nicht...“ Er lacht wieder. Er nimmt es mit Humor, aber es sind gerade diese Charaktere, mit denen sich Song in die Herzen der Zuschauer gespielt hat. In The Show Must Go On spielt er den Unterboss einer Gangstergang, hinter dessen hartem Äußeren sich ein Familienvater verbirgt, der wie jeder durchschnittliche Mann mittleren Alters für seine Familie zu sorgen versucht. In Memories of Murder (2003) spielte er einen Kriminalkommissar auf dem Land, wobei seine spontane Frage „Hast du denn was gegessen?“ an den mutmaßlichen Serienmörder als Ausdruck der menschlichen Seite eines Kommissars berühmt wurde. In The Host (2006) spielt Song einen Vater, der zusammen mit der Familie einen kleinen Imbiss im Park am Han-Fluss betreibt und alles daransetzt, seine Tochter aus den Klauen des Flussmonsters zu befreien, wobei er das Image des einfachen Mannes eindrucksvoll zum Ausdruck bringt. Der Höhepunkt von Songs Porträtierung dieses Menschentyps wird in The Attorney erreicht, dessen Hauptfigur dem früheren Präsidenten Roh Moo-hyun nachempfunden ist, der in seinen jungen Jahren als Menschenrechtsanwalt aktiv war. Die Gerichtsszene, in der Anwalt Song Wooseok voller Leidenschaft plädiert „Die Souveränität der Republik Korea liegt beim Volk und alle gegebene Macht wird vom Volk gewährt. Das Volk ist der Staat!“ ist ein glänzendes Beispiel für Songs kraftvolle Leinwandpräsenz. Der Filmkritiker Kim Young-jin beschreibt den Gesichtsausdruck Songs in der Nahaufnahme am Ende von Memories of Murder als einen „Gesichtsausdruck, der eine Ära der koreanischen Geschichte komprimiert erfasst“, und bewertet den Schauspieler wie folgt: „Song kann jeden Charakter, den er spielen soll, internalisieren und ihn zu einem Charakter á la Song Kang-ho machen. Er verleiht dem gespielten Cha-
rakter Profil und Aura, die zu dessen Beruf, Gesellschaftsschicht und individuellen Zügen passen. In diesem Sinne bringt er aus feinen Alltagsensibilitäten große Emotionen hervor.“ Song dreht zurzeit Taxi Driver, einen Film, in dem er wieder die erstaunlichen Aktivitäten eines Durchschnittsbürgers porträtiert, diesmal einens Seouler Taxifahrers namens Man-seob, der zufällig einen deutschen Journalisten nach Gwangju chauffiert, wo dieser unter Lebensgefahr den Aufstand für Demokratie vom 18. Mai 1980 dokumentiert.
Jeon Do-yeon Ein Weltstar, an den die Stars glauben Am 27. Mai 2007, bei der Abschlussfeier der 60. Filmfestspiele von Cannes, gewann Jeon Do-yeon für ihre Rolle in Secret Sunshine (2007) als erste Schauspielerin aus Korea den Preis für Beste Darstellerin. Die Kritiker würdigten damit ihre Leistung, den Schmerz der Protagonistin Sin-ae, die mit dem herzzerreißenden Verlust ihres Kindes leben muss, mit großer Intensität zum Ausdruck gebracht zu haben. Jeon, die die Trophäe von Alain Delon überreicht bekam, lächelte strahlend. Zu der Zeit wurden Song Kang-ho und Jeon Do-yeon als „Faces for the festival future“ gekürt und seitdem haftet Jeon stets das Attribut „Weltstar“ an . Jeon, die in ihrer Oberschulzeit zunächst als Zeitschriftenmodel ihren Fuß in die Welt des Entertainments setzte, startete danach ihre Karriere mit TV-Serien und wandte sich dann der Kinoleinwand zu. Doch unter den glamourösen Diven galt sie mit ihrem eher kindlichen, durchschnittlichen Gesicht nur als „zufriedenstellendes, für Nebenrollen geeignetes Schauspieltalent“. Ihr Debütfilm The Contact (1997), produziert von Myung Films, erschloss dann ihr Star-Potential. Allein schon ihr Styling war ungewöhnlich: Sie verzichtete auf jeglichen Glamour, schminkte sich nur leicht und wagte gar eine Kurzhaar-Dauerwel-
le, zu der Zeit ein unerhörtes Unterfangen für eine Hauptdarstellerin. In The Contact , der mit moderner Regieführung ein neues Melodrama-Format schuf, trug Jeon wesentlich zur Neuartigkeit bei. Jeons Filmographie ist breit gefächert: A Promise (1998), The Harmonium in My Memory (1999), Happy End (1999), I Wish I Had a Wife (2000), No Blood No Tears (2002), Untold Scandal (2003), My Mother, the Mermaid (2004), You Are My Sunshine (2005), My Dear Enemy (2008), Das Hausmädchen (2010) und Memories of the Sword (2015). Eine Definition scheint schwierig, da ein roter Faden fehlt und auch hinter der Charakterauswahl keine Berechnung zu stecken scheint. Mit Happy End, in dem Jeon eine Ehefrau auf Abwegen spielt und mit Nacktszenen für Furore sorgte, schlug sie nach eigenen Aussagen das zweite Kapitel ihrer Filmkarriere auf. Als ihre Eltern mit Blick auf die sexuell expliziten Szenen besorgt meinten, dass sie nach einem solchen Film kaum mehr heiraten könne, überzeugte Jeon sie mit der Antwort: „Ihr habt mich doch nicht zur Schauspielerin gemacht, um mich gut verheiraten zu können.“ Abgesehen von Secret Sunshine , in dem sie wegen Regisseur Lee Chang-dong und Schauspielerkollege Song Kang-ho mitspielte, trifft sie ihre Wahl stets nur nach dem Kriterium „gutes Drehbuch“. Ist sie vom Drehbuch überzeugt, gibt sie alles für ihre Rolle. Jeon erklärt: „Es gibt kein absolutes Kriterium, nach dem ich mich für eine Rolle entscheide. Ich habe das Drehbuch immer nach meiner jeweiligen Gefühlslage gewählt. Ich hatte nie den großen Plan oder das Ziel, mich an einem anderesartigen Charakter versuchen zu wollen. Ich habe schon früh gemerkt, dass die Dinge in der Realität nicht so wollen wie ich es will. Ich versuche nur, bei den Chancen, die sich mir bieten, die jeweils beste Entscheidung zu treffen.“ Nach The Contact hat Jeon nie versucht, sich auf der Leinwand zwanghaft in Szene zu setzen oder schön auszusehen. Um KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 31
sich auf die Kampfszenen, die ihre Rolle als Nummerngirl Sunglas in No Blood No Tears verlangte, vorzubereiten, machte Jeon täglich 3.000 Pushups. Für My Mother, the Mermaid, in dem sie eine Haenyeo-Taucherin von der Insel Jeju-do spielte, schreckte sie – eine Nichtschwimmerin – nicht vor den Tauchszenen zurück. Auch Jeons Schauspielerkollegen vertrauen auf sie. Gong Yoo, der zweite Hauptdarsteller in A Man and A Woman (2015), überhäufte sie mit Lob: „Sie ist feinfühlig und verleiht den anderen Schauspielern enorme Energie.“ In diesem Sommer machte Jeon von sich reden, als sie nach elf Jahren Pause mit einem Remake der gleichnamigen US-Serie The Good Wife zum TV zurückkehrte. Jetzt sind alle gespannt, was ihr nächster Schritt sein wird.
Ha Jung-woo Ein draufgängerischer Kassenmagnet Ha Jeong-woo, der im Sommer 2105 mit Assassination 12,7 Mio. Besucher ins Kino lockte und damit seinen „Markenwert“ erneut unter Beweis stellte, demonstrierte in diesem Jahr mit dem Nr.1-Hit Das Hausmädchen von Park Chan-wook und Tunnel von Kim Seong-hoon erneut, dass sein Name als Gütesiegel für einen sehenswerten Film steht. Ha, der mit The Unforgiven (2005) unter der Regie von Yoon Jong-bin debütierte, spielte in Filmen wie Time (2006) und Breath (2007) von Kim Ki-duk oder Like You Know It All (2008) von Hong Sang-soo völlig unterschiedliche Charaktere, mit denen er seine Stellung in der Filmwelt festigte. Ha ist die quirlige Persona, die die Stories von Regisseur Yoon Jongbin übermittelt: The Unforgiven (2005), Nameless Gangster: Rules of the Time (2012), Kundo – Pakt der Gesetzlosen (2014); das Ikon, das das Grauen erregende Genre von Regisseur Na Hong-jin verwirklicht: The Chaser (2008), The Yellow Sea (2010); und die treibende Kraft hinter Großprojekten wie Die Berlin-Akte (2013) von Ryoo Seung-wan
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„Es ist besser, etwas zu tun und es später zu bereuen, als zu bereuen, es nicht getan zu haben.“
oder The Assassination (2015) von Choi Donghoon. Wie an The Terror Live (2013) zu sehen ist, bei dem Ha mit der Übernahme der Hauptrolle bereitwillig den unbekannten Regisseur Kim Byung-woo unterstützte, macht er keinen Unterschied zwischen Blockbuster-Produktionen und Low-Budget-Filmen oder dem Status der Regisseure. Has schauspielerisches Talent lässt sich an der Bandbreite seiner Rollen ablesen, die vom ruchlosen Serienmörder in The Chaser über den charismatischen Mafia-Boss in Nameless Gangster: Rules of the Time bis zum amateurhaften Liebesroman-Schriftsteller in Love Fiction (2012) reicht. Dahinter steht seine vor nichts zurückschreckende Energie und Abenteuerlust, sein Selbstbewusstsein und sein manchmal ans Dreiste grenzender Sinn für Humor. Die Zuschauer reagieren begeistert auf seine distinktive Leinwand-Persona. The Unforgiven , ein mit einem Mini-Budget von nur 20 Mio. KW (ca. 16.000 EUR) gedrehter Film, der Yoon Jong-bins Abschlussarbeit an der Chung-Ang Universität war, wurde als Meisterwerk gelobt, das die Widersprüchlichkeiten des koreanischen Militärs aufdeckt, und 2006 zur Sektion Un Certain Regard der Internationalen Filmfestspiele von Cannes eingeladen. Ha und Yoon, die auf diese Weise schicksalhaft verbunden wurden, taten sich für Beastie Boys (2008) und Nameless Gangster wieder zusammen. Ha, dessen Einfluss so enorm ist, dass er auch „Der mächtige Ha“ genannt wird, hat aber weder besonders grandiose noch ehrgeizige Zukunftspläne. Für ihn ist die Schauspielerei einfach Bestandteil des Alltags, d.h. er gibt heute sein Bestes und entscheidet, was er morgen macht. Frei nach seiner Devise „Es ist besser, etwas zu tun und es später zu bereuen, als zu bereuen, es nicht getan zu haben“, mauert er sich nicht ein, sondern reißt draufgängerisch Mauern ein und nimmt Herausforderungen an. So erweiterte er seinen Aktivitätsradius auf Produktionsplanung wie bei der Doku Project 577 (2012) und Regie wie bei Fasten Your Seatbelt (2013) und Chronicle of a Blood Merchant (2015). Außerdem ist er ein begeisterter Freizeitmaler.
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SPEZIAL 6 Der koreanische Film im 21. Jh.: Dynamik und Träume
VAGE ERINNERUNGEN AN DAS KINO VON EINST
Lee Chang-guy Dichter und Literaturkritiker Fotos Shim Byung-woo
Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels veränderten sich auch die Kinos. Die alten, meist am Eingang zum örtlichen Markt gelegenen Double Feature Kinos, die für eine Eintrittskarte zwei Filme hintereinander anboten und als kultureller Raum für die Anwohner fungierten, mussten investitionsintensiven Multiplex-Kinos weichen. Das Zeitalter des Ein-Saal-Kinos ist vorbei, heute bieten Multiplex-Kinos eine reiche Filmauswahl an einem einzigen Ort. 34 KOREANA Winter 2016
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ie alte griechische Statuen oder chinesische Orakelknochen, die nach einer Ewigkeit unter der Erde ausgegraben werden, haben Erinnerungen an die Vergangenheit die Eigenschaft, in dem Moment, in dem sie hervorgeholt werden, alles damit verbundene Traurige zu verlieren und nur noch ihre guten Seiten zu behalten. So ediert ein jeder, sei es ein Individuum oder eine Gruppe, die Fragmente des Lebens unter Ausschmücken zu einem bestmöglichen Gesamtbild. Dank dieser erstaunlichen Fähigkeit des Gedächtnisses bewahren wir unsere Kindheitserinnerungen auf und einige schaffen sich daraus gar ihren eigenen, heiligen Mythos. Walter Benjamins Versuch, außer in seinen Briefen das Wort „ich“ nicht zu verwenden, erzählt von der unerfüllten Sehnsucht eines strikten und gleichzeitig furchtsam-gewissenhaften Literaturwissenschaftlers, sich von den Tricks der Erinnerung lösen zu wollen. Doch ich werde ab jetzt ganz unbekümmert Erinnerungen Revue passieren lassen, die weder besonders noch zusammenhängend sind, denn meine Absicht ist nicht, zum Kern vorzudringen, sondern die Atmosphäre an sich zu beschreiben.
Das heute verschwundene Gukje-Kino am Gwanghwamun in der Seouler Innenstadt ist während der ChuseokErntedankfest-Feiertage überfüllt von Filmfans. (Sept.1962)
Licht und Dunkelheit Soweit ich mich erinnere, machte ich meinen ersten Kinobesuch zusammen mit meiner Mutter. Anders als gewöhnlich hatte sie sich an dem Tag besonders fein gemacht und trug eine himmelblaue Hanbok-Tracht, in der Hand hielt sie einen Sonnenschirm. Wir gingen über den kleinen Hügel, auf dem das Bezirksamt lag, und wanderten in der prallen Sonne die Schmalspur-Bahnstrecke, die sich von der Station Oido in der Stadt Siheung, Provinz Gyeonggi-do, bis zur Station Incheon erstreckte. Meiner groß gewachsenen, 38 Jahre alten Mutter hinterher laufend, warf ich ihr hin und wieder verstohlene Blicke zu, wobei ich versuchte, meine Aufregung und ein unerklärliches Gefühl der Schuld zu verbergen. Das war im Jahr 1967, ich besuchte die zweite Grundschulklasse und die Sommerferien gingen zu Ende. An dem Tag sahen wir den Zeichentrickfilm Hong Gil-dong (der koreanische Robin Hood). Laut meiner Recherche hatte der Film im Januar 1967 Premiere und allein in den ersten drei Tagen sahen ihn über 100.000 Zuschauer. Das muss wohl während der Neujahrsfeiertage gewesen sein. Im August kam er noch einmal in die Kinos. Wie sehr ich meine Mutter anbettelte, mir den Film anschauen zu dürfen, werde ich hier auslassen. Zu dieser Zeit war ich ein eifriger Leser der Children’s Chosun Ilbo, aus der ich früh erfahren haben musste, dass die in der Zeitung
veröffentlichte Comic-Serie Glücksritter Hong Gil-dong von Sin Dong-u als Zeichentrickfilm herausgebracht wurde. An den Inhalt erinnere ich mich nicht mehr, wohl aber an das Kino. Der dicke, weiche Vorhang, der beim Öffnen der Eingangstür mein Gesicht streifte, der Geruch nach Schweiß und Schimmel, der aus der Dunkelheit drang, die lauwarme Luft, gemischt mit der Körperwärme der Besucher. Ich bewegte mich in die Tiefe der Dunkelheit, mit den Händen an der Wand entlang tastend, einen Fuß nach dem anderen über den Boden schiebend. Der dunkle Raum hatte einen abgetreppten Boden. Verschwommen nahm ich die Sitzreihen auf den einzelnen Stufen wahr und die Umrisse der Köpfe. Nichts schien unsere Sicherheit zu garantieren, doch Mutter führte mich ohne Schwierigkeiten zu einem leeren Platz und setzte mich hin. Über meinen Kopf verlief ein Lichtstrahl und in dem blauen Licht tanzten feine Staubkörner. Wenn ich nach einem Film das Kino verlasse, fühle ich mich auch heute noch so, als ob ich aus dem Leib meiner Mutter gerissen und ins gleißende Licht der Straße geworfen würde. Es braucht immer eine gewisse Zeit des Umherwanderns, bis sich mein dunkles und unregelmäßig schlagendes Herz beruhigt und an die fremde Straße gewöhnt hat.
Wang Yu und Li Ching Nach diesem denkwürdigen Erlebnis begann ich, zusammen mit Freunden die Kinos in unserem Viertel aufzusuchen. Sie befanden sich gewöhnlich in der Nähe eines Marktes. Es waren Orte vollgepackt mit Menschen und doch geheim. Auf der Leinwand spielten sich die gewagtesten Verbrechen ab und ein Melodrama um Liebe, Betrug und Rache folgte dem nächsten. Für uns Jungs, deren Zeitvertreib nur im Pfeilwurz-Ausgraben, Züge-Beobachten u.ä. bestand, waren Filme ein überwältigender und gefährlicher Trost. Auch wenn man irgendwie den Blicken der schmierigen Türsteher, die minderjährige Kunden drangsalierten, entgehen konnte, so gab es doch im rückwärtigen Teil des Saals rechts und links immer noch die für polizeiliche Filmzensur reservierten Sitzplätze. Es waren Relikte der japanischen Kolonialzeit (1910-1945), die aber auch danach noch unter dem Vorwand der Aufrechterhaltung der Ordnung im Saal eine ganze Weile erhalten blieben und an sich Angst und Unsicherheit einflößende Zeichen waren. Meistens waren diese Plätze nicht besetzt, doch sie ließen mich fragen, wie dieser Ort zum einen ein Paradies aufreKOREANISCHE KULTUR UND KUNST 35
gender Unterhaltung sein konnte, zum anderen aber auch ein Hort der Unruhe, an dem jeder zu überwachen und kontrollieren war. Wie dem auch sei: Wir waren gefesselt von One-Armed Swordsman (1967) mit Jimmy Wang Yu in der Hauptrolle und vergossen Tränen bei Susanna (1967) mit Li Ching. Im ersten Film verliert der Hauptdarsteller durch einen fatalen Fehler seinen rechten Arm, steigt dann aber durch hartes Selbsttraining zum Meister des einarmigen, linkshändigen Schwertkampfs auf, um den Tod seines Vaters zu rächen und die Unterstützung seines Lehrers zu vergelten. Die Story an sich war schon interessant genug, doch die traurigen, in der Dunkelheit unruhig funkelnden Augen des Hauptdarstellers Wang Yu trafen mich ins Herz. Jeder Jugendliche, der diesen Film gesehen hat, dürfte auf dem Heimweg versucht haben, Wang Yus Schwertkunst nachzuahmen – den rechten Arm im Hemd versteckt, mit dem linken ein Schwert schwingend –, um einen imaginären Feind zu besiegen. 2013 gewann Jimmy Wang Yu bei den Asia Star Awards des Busan International Film Festivals den Preis als bester Schauspieler. Der damals 69-Jährige sagte in seiner Dankesrede: „Vielen Dank, dass Sie sich an mich erinnert haben.“ Nach ihm betrat Programmdirektor Kim Ji-seok die Bühne und soll geantwortet haben: „Wie könnten wir Sie vergessen? So gut wie alle koreanischen Männer mittleren Alters dürften sich noch an Sie erinnern und Ihnen dankbar sein.“ Und das ist wahrlich keine Übertreibung! Susanna beeindruckte mich auf andere Art. Bei Sonnenuntergang stieg ich auf den hinteren Hügel, von wo aus man einen Blick aufs Meer hatte, und spielte auf meiner Mundharmonika das Titellied des Films, das folgendermaßen beginnt: „Die Sonne versinkt hinter den Westbergen, ein kühler Wind weht.“ Dabei sehnte ich mich nach den warmen, herzergreifend lieblichen Augen Li Chings.
The Ventures und The Spotnicks Es ist nicht so, dass ich mir nur die erfolgreichen, gut gemachten ausländischen Filme angeschaut hätte. Ich kicherte mich auch oft durch billige Action-Filme oder kitschige Komödien oder ging mit Erwachsenen in Propagandafilme, wo ich dann brav klatschte, wenn alle klatschten. In Erinnerung bleibt mir Six Daughters (1967), der von einem in Seoul lebenden älteren Ehepaar erzählt, das seine im ganzen Land verstreut lebenden, verheirateten Töchter besucht. Hauptthema dieser idyllischen Familiengeschichte war jedoch Auf36 KOREANA Winter 2016
klärung über die rasante wirtschaftlichen Entwicklung Koreas, das Krieg und Armut hinter sich gelassen hatte und die Industrialisierung vorantrieb. Mit Beginn der 1970er Jahre war das Kino mit seinen das Staatssystem verherrlichenden Filmen oder banalen Jugendfilmen in den Augen eines pubertierenden Mittelschülers nicht mehr der spannendste Raum. Außerdem hielt zu der Zeit der Fernseher Einzug ins koreanische Wohnzimmer und die jedes Wochenende ausgestrahlte Sendung Myeonghwa Geukjang (Meisterwerke des Films) stillte eine Zeitlang meinen Durst nach guten Filmen. Die Nachbarschaftskinos, einst etwas schäbige Wahrzeichen am Marktviertel-Eingang, begannen dann nacheinander zu verschwinden und mit ihnen der Junge, der bei jedem Filmriss während der Vorstellung in der Dunkelheit, die sich über den Saal legte, gemeinsam mit den Erwachsenen gepfiffen und gebuht hatte. Aber wenn ich die Instrumentalstücke von The Ventures oder The Spotnicks höre, sehe ich immer noch den dürren Jungen mit ängstlichen Augen vor mir, der wie um sein Leben ins Kino rennt, auch wenn er für die Tickets sein Sparschwein schlachten muss. Wenn ein Film zu Ende ging und der Filmvorführer eilig den zweiten Film vorbereitete, spielten im Hintergrund Le Dernier Train De L'espace und Johnny Guitar von The Spotnicks. Auch Walk, Don't Run von The Ventures mit
Gukdo & Garam ist ein143-Plätze Kunstkino in Daeyeon-dong, Busan. Das in einem ruhigen Viertel gelegene Kino ist eine Bastion für Indie- und Kunstfilme, die es kaum in die Mainstream-Multiplex-Kinos schaffen.
Die Nachbarschaftskinos, einst etwas schäbige Wahrzeichen am Marktviertel-Eingang, begannen dann nacheinander zu verschwinden und mit ihnen der Junge, der bei jedem Filmriss während der Vorstellung in der Dunkelheit, die sich über den Saal legte, gemeinsam mit den Erwachsenen gepfiffen und gebuht hatte.
ihrem starken und rhythmisch-fröhlichen Spiel war gut, aber das klare, an die kalten Frosthimmel Nordeuropas erinnernde, wehmütige elektronische Gitarrenspiel von The Spotnicks versetzt mich auch heute noch in überirdische Sphären. Ach, ich möchte Karelia wieder einmal hören! Zurückblickend hatte ich wohl mehr Interesse an der Musik als am Film. Die Filme, die ich in meinen in orientierungsloser Hilflosigkeit versunkenen Teenagerjahren gesehen habe, sind in meiner Erinnerung eher in Form von Musik und nicht als Handlung oder Einzelszenen gespeichert. Wenn ich an den Film The March Of Fools (1975) von Ha Gil-jong denke, höre ich die heisere, melancholische Stimme von Kim Jeongho. Lee Jang-hos Heavenly homecoming to stars (1974) ist untrennbar vom bittersüßen Gitarrenspiel Gang Geun-siks. Und bei It rained yesterday (1975) fällt mir zuerst das Flötenspiel von Jeong Seong-jo ein und nicht das hübsche Lächeln der Hauptdarstellerin. Mitte der dunklen 1970er Jahre, die unter dem Stichwort „Entwicklungsdiktatur“ zusammengefasst werden, war der cineastische Blickwinkel etwas anders und die Filme der Zeit beschrieben mit ihren Motiven des Umherirrens und der Schmerzen die Seelennöte und den Widerstand der jungen, mit Jeans und Gitarre ausgestatteten Generation. Als diese neue Strömung des koreanischen Films in den auf literarischen Vorlagen basierenden „Hostess-Filmen“ mündeten, die Triebhaftigkeit und Sexploitation thematisierten, entfernte ich mich von der Welt des Films. Zudem gab es viele neue Unterhaltungsformen und ich wurde langsam erwachsen. Das heißt nicht, dass ich ganz aufs Kino verzichtete, aber Filme waren ab da nur noch bloße Unterhaltung bzw. eine Variante des Kulturgenusses. Um die Zeit wuchs mein Interesse an der Poesie. Dass meine erste Gedichtsammlung folgende Zeilen enthalten, geht vielleicht auf das schlummernde Erbe meiner einstigen Filmbegeisterung zurück: „Es wäre schön, wenn auch in Lebensmomenten wie in der TV-Serie Musik erklänge.“ Soweit ich mich erinnere, war Seopyonje (1993) von Im Gwon-taek der letzte Film, bei dem ich mit gekrümm-
ten Schultern und vor Erwartung pochendem Herzen vor dem Dansungsa-Kino in der Schlange stand, um eine Eintrittskarte zu kaufen.
Mein Sohn und ich im Kino Zurzeit gehe ich mit meinem Sohn ins Kino. 1998 verwandelten sich die Kinos durch Investitionen des Großkapitals in Multiplex-Kinos. Das Einsaal-Kino, dem die Eleganz eines maßgeschneiderten Anzugs anhaftete, wich dem Multiplex-Kino mit einer großen, an Anzüge von der Stange erinnernden Filmauswahl. Damit wurde auch der alte Lebenszyklus eines Films von Premiere und erster Laufzeit über zweite Laufzeit bis zum Double Feature überflüssig. Doch das bedeutet nicht, dass alle Filme auf fairer Basis und gleichberechtigt miteinander konkurrieren können. Erfolgsfilme werden auf viele Kinosäle verteilt, um die Aufführhäufigkeit zu erhöhen. Andere Filme hingegen werden zwei-, dreimal am Tag zu ungünstigen Zeiten vorgeführt, bevor sie dann ganz verschwinden. Einmal erlebte ich den Luxus, dass mein Sohn und ich den ganzen Kinosaal für uns hatten. Das einzige Problem war, dass er den Film ausgesucht hatte: einen japanischen Horrorfilm. Laut der 2015 durchgeführten Untersuchung einer Kreditkartenfirma kauften 25% der Kinobesucher nur ein Ticket, was auf eine steigende Zahl der Solo-Zuschauer hinweist. Es mag Zufall sein, doch der Wert stimmt grob mit der Zahl der Single-Haushalte überein, die das Statistikamt für 2015 mit 27,2% bezifferte. Mit dem gesellschaftlichen Wandel verändert sich zwar auch die Kinolandschaft, aber etwas hat sich nicht verändert: Diejenigen, die ins Kino gehen – sei es nun alleine oder mit anderen – sind Menschen, die zumindest nicht einfach nur zu Hause bleiben, sondern die Welt hinter den eigenen vier Wänden erleben möchten. Das bringt sie dazu, im dunklen Kinosaal gemeinsam mit ihnen fremden Menschen auf die Leinwand zu schauen. Sie haben ihre Alltagswelt satt und wollen wissen, was jenseits davon liegt. Ich hoffe nur, dass sie nach dem Eintauchen in die Welt der Illusionen und der Täuschungen nicht entmutigt in eine erstickende Welt zurückgeschleudert werden. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 37
FOKUS
NAM JUNE PAIK ZU NEUEM LEBEN ERWECKEN Der Videokünstler Nam June Paik (19322006) sorgte mit seiner Echtzeit-Performance
Good Morning, Mr. Orwell, mit der er am Neujahrstag 1984 New York und Paris per Satellit verband, für eine weltweite Sensation. Die diversen Gedenkveranstaltungen, die 2016 anlässlich seines 10. Todestags ausgerichtet wurden, bewiesen, wie nah am Puls der Zeit die Arbeiten von Paik sind, der mit seiner Vorliebe für künstlerische Grenzüberschreitungen via Hightech-Medien philosophische Spekulationen ans Publikum weiterleitete. Ahn Kyung-hwa Chefkuratorin, Nam June Paik Art Center
Turtle (1993) ist eine gigantische Skulptur (6 x 10 x 1,5 m) aus 166 TV-Bildschirmen, umgeben von einer dreidimesionalen Medienwand. Es ist ein Exponat der The Nam June Paik Show , einer Retrospektive anlässlich von Paiks 10. Todestag, die vom 20. Juli bis 30. Okt. 2016 im Dongdaemun Design Plaza in Seoul gezeigt wurde.
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ein experimentelles TV ist nicht immer interessant, jedoch nicht immer uninteressant, wie die Natur, die schön ist, nicht weil sie sich schön verändert, sondern einfach, weil sie sich verändert.“ – Nam June Paik, AFTERLUDE to the Exposition of EXPERIMENTAL TELEVISION (1963).
Gedenkveranstaltungen zum 10. Todestag 2016 wurden anlässlich des 10. Todestages von Nam June Paik diverse Gedenkveranstaltungen abgehalten. Ausstellungen wie Nam June Paik ∞ Fluxus, die im Seoul Museum of Art die im Besitz von inländischen Sammlern befindlichen Werke von Paik und anderen Fluxus-Künstler der Zeit präsentierte, beleuchteten Paiks Kunstwelt aus unterschiedlichen Perspektiven. Auch in Japan, wo Paik als junger Mann gelebt hatte, fand eine Gedenkausstellung statt: Das Watari Museum of Contemporary Art in Tokio, das nach seinem Tod 2006 die Gedenkausstellung Bye Bye, Nam June Paik organisiert hatte, zeigte anlässlich des 10. Todestages eine Retrospektive, die museumseigene Werke wie Robot K-456 (1964) und Kollaborationen mit Joseph Beuys zusammen mit in Japan herausgegebenen Publikationen und anderen Materialien über den Künstler präsentierte. Daneben fanden in Korea weitere Gedenkveranstaltungen statt, von einer Musik- und Modeschau in der Gegend der Hongik University in Seoul bis hin zu einem Workshop der NamJunePaik Kulturstiftung, der Vorträge von Technikern, 1 die mit Paik zusammengearbeitet hatten, umfasste. Diese Events haben über das Gedenken hinaus gezeigt, dass der Künstler Nam June Paik und seine Kunstwelt auch heute noch, zehn Jahre nach seinem Tod, für etwas sich stets im Flux befindendes „Interessantes“ stehen. Anbruch von Paiks Vision der TV-Utopia 2001, fünf Jahre vor seinem Tod, begann Paik mit der Provinz Gyeonggi-do die Errichtung eines nach ihm benannten Kunstzentrums zu besprechen. Er wollte, dass es „Haus, in dem Nam June Paik lange lebt“ genannt würde. 2008 wurde das Nam June Paik Art Center (NJP Art Center) mit der Vision, Paiks Ideen und Kunst zu beleuchten und zu popularisieren, eröffnet und hat seitdem als Drehscheibe für verschiedene Forschungsprojekte, Veranstaltungen und „grenzüberschreitende“ Ausstellungen fungiert. Die erste, 2016 vom NJP Art Center organisierte Gedenkveranstaltung war Utopian Laser TV Station, ein Drei-Tage-Event, das am 29. Januar, Paiks Todestag, startete. Bereits früh sorgte sich Paik darum, dass die zunehmende Freiheit, 40 KOREANA Winter 2016
die die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie mit sich bringt, zum Sieg der Stärkeren führen könnte, wie sein Essay Utopian Laser TV Station von 1965 belegt. Darin erwähnt Paik, dass man mithilfe hochfrequenter Laser-Oszillation Tausende von TV-Stationen gründen könnte, d.h. jeder könnte Sendungen produzieren und ausstrahlen. Er legte sogar einen TV-Programmplan, der Performances von Fluxus-Künstlern enthielt, für eine Laser-Station vor. In diesem Essay, das die Livestream-Plattformen von heute vorauszusagen scheint, formuliert Paik die utopische Sicht, dass das Auftreten von zahlreichen kleinen und großen Fernsehstationen das Monopol der kommerziellen TV-Riesen im Informations- und Kommunikationsbereich verhindern könnte. Während der dreitägigen Veranstaltung verwandelte sich das NJP Art Center in eine Fernsehstation zur Übertragung von Paiks Kunst. Zu sehen waren die Gedenkfeier im Tempel Bongeun-sa, die Online-Gedenkzeremonie mit Live- oder im Voraus aufgenommenen Interviews mit Paiks Bekannten, die Vorführung seiner wichtigsten Videoarbeiten wie Good Morning, Mr. Orwell (1984), das weltweit 25 Mio. Zuschaue r e r re i c h te , s ow i e d i ve rs e Gedenk-Performances von Künstlern und DJs. Jedes einzelne Programm war ganz im Sinne von Paik sozusagen ein unabhängiger„TV-Kanal“.
Das internationale Kooperationsprojekt Wrap around the Time Paiks utopische Vorstellung, dass die medientechnologische Entwicklung sich positiv auf die Kommunikation der Menschen auswirken werde, war auch die Antriebskraft, die ihn seine utopischen, und zu der Zeit noch als tollkühn-draufgängerisch erscheinenden „drei Satelliten-Projekte“ Good Morning, Mr. Orwell (1984), Bye Bye Kipling (1986) und Wrap around the World (1988) vorantreiben ließ. An der TV-Show Good Morning, Mr. Orwell , die am 1. Januar 1984 in New York und Paris gleichzeitig ausgestrahlt wurde, nahmen rund 100 renommierte Populär- und Avantgardekünstler teil, die sonst kaum an einem Platz zusammenzubringen gewesen wären. Paik dirigierte die Sendung aus dem Centre Pompidou in Paris. Die knapp 50-minütige Vorführung, die TV- und Satellitentechnologie verband, werde nicht nur „das durch Begegnung mit anderen Menschen erreichte Mysterium in unserem nichtigen Leben verstärken“, sondern auch eine Resonanz-Schleife erzeugen, bei der eine unerwartete Begegnung neue Inhalte schaffe, was dann wiederum zu neuen Kontakten führe, so Paik. Wrap around the World, der letzte Teil der Satelliten-Trilogie, der in zeitlicher Abstimmung auf die in Seoul abgehaltenen Olympischen
©NJP Art Center
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Nam June Paik war ein Optimist, der glaubte, dass Mensch und Welt sich zum Besseren entwickeln würden. Seine Werke untergruben die gängigen Vorstellungen und forderten konventionelle Werte heraus. Sie lassen den Betrachter die Welt mit anderen Augen sehen. Welche nostalgischen Gefühle kommen in Ihnen auf, wenn Sie heute, zehn Jahre nach seinem Tod, auf sein Leben und Werk zurückblicken? 1 Nam June Paik vor seiner Vier-Kanal-Videoinstallation Fin de Siecle II (1989, 1220 x 327 x 152 cm) aus 201 TV-Geräten, Juli 1989. 2 Anlässlich des 30. Jahrestags von Good Morning Mr. Orwell zeigte das Nam June Paik Art Center die Ausstellung Good Morning Mr. Orwell 2014 (17. Juli – 16. Nov. 2014). Bilder von diesem monumentalen internationalen Live-Satellitenprojekt von vor 30 Jahren sind auf großen Leinwänden zu sehen. 3 TV Garden (1974/2002)
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Sommerspiele 1988 produziert wurde, bringt Paiks Vision von einer Zukunft des Mit- und Füreinander-Lebens in einer horizontal vernetzten Welt zum Ausdruck. Dieses Projekt, an dem verschiedene Länder aus Ost und West wie China und Russland teilnahmen, stand symbolisch für das Ende des Kalten Krieges und war ein Versuch, die Grenzen zwischen unterschiedlichen Genres und Kulturen aufzubrechen. Die Gedenkausstellung Wrap around the Time , die das NJP Art Center zusammen mit der Ausstellung Utopian Laser TV Station zum 10. Todestag von Paik organisierte, ist eine Erweiterung von Wrap around the World. Kuratoren, Kritiker und Wissenschaftler aus Japan, Amerika, China und Korea wählten für die Ausstellung ein Werk aus der Sammlung des NJP Art Center aus. Sie erforschten es genau, um auf Basis ihrer Ergebnisse entweder passende Werke von zeitgenössischen Künstlern als Exponate für die Ausstellung auszuwählen oder sie mit der Schaffung eines neuen Werks zu beauftragen.
Die Anfänge von Nam June Paik als Künstler Für viele ist Nam June Paik der „Vater der Videokunst“, der mit dem Fernsehen als Kunstmedium experimentierte und Werke schuf, die Live-TV und Satelliten-Projekte verbanden, sowie Videoaufnahmen für den Fernsehbildschirm produzierte. Doch Paiks künstlerische Wurzeln liegen eigentlich in der Musik. 1932 in Seoul geboren, zog er 1950 nach Japan, wo er 1956 sein Studium an der Universität Tokio mit einer Arbeit über den modernen Musiker Arnold Schönberg abschloss. Danach ging er nach Deutschland, wo er von 1958 bis 1963 bei WDR im Bereich der Produktion elekronischer Musik arbeitete. Während dieser Zeit hatte er mit Rundfunk- und Fernsehproduktionsausrüstung zu tun und diese Erfahrungen dürften sein Interesse daran geweckt haben, wie man die mechanischen Eigenschaften des Fernsehens nutzen kann, um es in ein künstlerisches Medium umzuwandeln. Für ihn war Fernsehen „kein Medium, von dem etwas, was da ist, erfasst wird, sondern ein ‚im ständigen Werden begriffenes‘ Medium“. Eine Vielzahl von Künstlern, die damals im Banne des Fernsehens, dieser neuen Schöpfung der Technologie, standen, suchten nach Wegen, die durch die Braunsche Röhre übermittelten Bilder nach Belieben zu steuern bzw. zu fixieren. Im Gegensatz dazu interessierte sich Paik dafür, das Fernsehen in ein Zwei-Wege-Medium umzuwandeln, indem er die TV-Schaltkreise oder die Zuschauer miteinbezog. Paik einfach als Videokünstler zu bezeichnen, wird ihm nicht gerecht: Er bewegte sich zwischen unterschiedlichen Kunstgenres wie Musik, Performance, Film, Videokunst, Skulptur und Laser-Installation hin und her und kombinierte gegensätzliche Ausdrucksformen wie Bild und Klang, Standbild und Bewegtbild sowie abstrakte und konkrete Bilder. Tatsächlich erklärte er Anfang der 1970er Jahre in einem kurzen Essay, dass seit 1958 seine Hauptaufgabe in der Erforschung der Grenzgebiete zwischen verschiedenen Bereichen und der komplexen Problemen der Schaffung von 42 KOREANA Winter 2016
Interfaces zwischen unterschiedlichen Medien und Elementen wie Musik und visueller Kunst, Hardware und Software sowie elektronischen Geräten und Humanwissenschaften bestand. Der Begriff „Interface“ eröffnet die Möglichkeit, seine diversen Gedanken über die Beziehungen zwischen unterschiedlichen Kunstgenres, zwischen Kunst und Mensch, Kunst und Technologie sowie Kunst und Natur neu zu interpretieren. Außerdem bietet er die Gelegenheit, den Einfluss solcher Gedanken auf die Haupteigenschaften der zeitgenössischen digitalen Kunst und Kultur neu zu beleuchten.
Die Kraft der Nostalgie Im September 2016 fand im NJP Art Center die achte Runde des internationalen Symposiums Gift of Nam June Paik unter dem Titel Reanimating NJP: Nam June Paik’s Interfaces statt. Das Symposium versuchte die „Interfaces“, die in Paiks Arbeiten und Schriften, i.e. seinen uns hinterlassenen „Geschenken“, zu beleuchten und ihre Verbindung zu den historischen und gegenwärtigen Entwicklungslinien der Medienkunst und -kultur zu erforschen. Präsentiert wurden neue wissenschaftliche Arbeiten nicht nur über Paiks relativ bekannte Werke wie Paik/Abe Synthesizer (1969) und Global Groove (1973), sondern auch über seine noch kaum erforschten Experimente in den Bell Laboratories, womit man darauf abzielte, Paik und sein Werk mit neuen Images und Bewegungen zu versehen, d.h. ihn wiederzubeleben. In den letzten acht Jahren hat sich das NJP Art Center dafür eingesetzt, Paiks Geist und Kunst in der Gegenwart neues Leben einzuhauchen und durch seine Augen über die Zukunft nachzusinnen. Auch die nächsten Jahre werden ihm und seinem Werk gewidmet sein. Doch was bedeutet es eigentlich, Paik und seiner Kunst zu gedenken? Auch 2012, anlässlich seines 80. Geburtsjahres, wurden ihm zu Ehren Veranstaltungen im In- und Ausland ausgerichtet. Das NJP Art Center organisierte damals eine Sonderausstellung, die nach Paiks Essay Nostalgia is an Extended Feedback (1992) benannt wurde, und stellte sie wie folgt vor: „Die Ausstellung, die am 20. Juli 2012, an Paiks 80. Geburtstag, eröffnet wird, ist keine konventionelle Retrospektive, die seinem Leben oder Werken einer bestimmten Periode gewidmet ist. Vielmehr wird der thematische Fokus auf Arbeiten gelegt, die Paiks Zukunftsvision der Kybernetik verkörpern.“ Paik glaubte, dass die Nostalgie, die man beim Rückblick auf die Vergangenheit empfindet, nicht einfach nur Sehnsucht nach der Vergangenheit oder ein Akt des Erinnerns ist, sondern dass sie uns eine Erkenntnis bringen kann, die ebenso groß oder sogar noch größer als das uns von anderen gegebene Feedback sein könnte. Nam June Paik war ein Optimist, der glaubte, dass Mensch und Welt sich zum Besseren entwickeln würden. Seine Werke untergruben die gängigen Vorstellungen und forderten konventionelle Werte heraus. Sie lassen den Betrachter die Welt mit anderen Augen sehen. Welche nostalgischen Gefühle kommen in Ihnen auf, wenn Sie heute, zehn Jahre nach seinem Tod, auf sein Leben und Werk zurückblicken?
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1 Junge Besucher schauen sich auf der Retrospektive zum 10. Todestag Nam June Paik ∞ Fluxus , die vom 14. Juni – 31. Juli 2016 im Seoul Museum of Art abgehalten wurde, Easy Rider (1995, 164 x 148 x 180 cm) an. 2 Eine Besucherin macht mit beim Graffiti-Zeichnen Monotone Rectilinear (VLF energy scavenging antenna, 2016), einem Werk von Joyce Hinterding, ausgestellt auf der 10. Gedächtnisausstellung Wrap Around the Time (29. Jan. – 3. Juli 2016, Nam June Paik Art Center). 3 Piano and Letters (1960er) von Nam June Paik und Mary Bauermeister 2
©NJP Art Center
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KUNSTKRITIK
KIM SOO-JA NÄHERIN, DIE DIE HERZEN DER MENSCHEN HEILT
©National Museum of Modern and Contemporary Art
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Nachdem sie sich 1999 in New York als „Bottari-Künstlerin, die mit Stoffen das Leben zum Ausdruck bringt“, etablierte, ist Kim Soo-ja (geb. 1957, auch als Kimsooja bekannt) stets unterwegs gewesen. Titel der jüngsten Ausstellung, die die Künstlerin vier Jahre nach der letzten Ausstellung in ihrem Heimatland präsentiert, ist
Kimsooja - Archive of Mind. Die neun Werke, die in der Seouler Niederlassung des Nationalmuseums für Moderne und Zeitgenössische Kunst (National Museum of Modern and Contemporary Art, Seoul; MMCA) zu sehen sind, zeigen, dass sich Kims Nadelarbeit ein weiteres Stück dem Ursprung der Menschheit genähert hat. Chung Jae-suk Kulturredakteurin, Tageszeitung The JoongAng Ilbo
Archive of Mind (2016) von Kim Soo-ja, eine für Besucher-Teilnahme konzipierte Installation, besteht aus einem ovalen Tisch von 19 m Durchmesser. Die Besucher kneten Lehmkugeln und lauschen dabei Sich entfaltende Kugel , einer 16-Kanal Sound performance.
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gal wo sie erscheint, Kim Soo-jas Silhouette fällt auf: Mit ihren langen, schwarzen Gewändern, wie sie buddhistische Mönche oder Priester tragen, das Haar straff zurückgebunden, ähnelt sie einer tief in Meditation versunkenen Asketin. Dieser einfache Stil, dem die mittlerweile auf die 60 zugehende Künstlerin unverändert treu bleibt, spricht für die Konsistenz ihrer Kunstwelt. Auf einem Haufen „Bottari“ sitzend, den zu ihrem Markenzeichen gewordenen Bündeln, streifte sie wie ein Zen-Mönch mehrmals den Globus umkreisend durch die wichtigsten Städte der Welt. In ihrer diesmaligen Solo-Ausstellung, der ersten seit langem in Korea, hat Kim die Spuren ihrer 30-jährigen Wanderung zusammengefasst. Vor allem scheint sie sich viele Gedanken darüber gemacht zu haben, wie sie die Besucher auf natürliche Weise in ihre Werkwelt einbeziehen und mit ihnen kommunizieren kann. Einen Moment lang hat sie das Image der international renommierten Künstlerin, die nach einem mörderischen Terminplan durch die Welt reist, abgelegt und den Besuchern die Hand gereicht, um gemeinsam darüber nachzudenken, was „sie dazu bewegt haben könnte, sich dermaßen ihrem Werk hinzugeben“.
Auf Bottari-Bündeln sitzend Ihr erstes Werk, mit dem Kim Soo-ja ihren Namen in der internationalen Kunstszene verewigte, war Bottari-Lastwagen (Bottari Truck). Es war der koreanische Fotograf Joo Myung-duck (geb. 1940), der sie – mit dem Rücken zur Kamera auf einem Haufen blumengemusterter Bottari-Bündel sitzend – fotografierte und so international bekannt machte. Dieses Foto sublimierte die Experimente einer Künstlerin, Dinge in Einschlagtücher zu verpacken, auf die künstlerische Ebene des Verknüpfens von Menschen. Für Kim Soo-ja, die Menschen durch Stoffe darstellt, bedeutete die Nadel Verlängerung ihrer Hand und Erweiterung ihres Körpers, der Faden eine Verlängerung ihres Herzens. Kim erinnert sich an den Moment, in dem sie „der Nadel begegnete“, wie folgt: „Als ich mit meiner Mutter an einem Deckenbezug nähte, erkannte ich in den Bewegungen der Nadel, die durch den Stoff hin- und herzieht, das Prinzip von Leben und Tod, von Ein- und Ausatmen, von Yin und Yang.“ Schon während ihres Kunststudiums an der Hongik University machte sich Kim für ihr Alter ungewöhnlich tiefgründige Gedanken über das Leben: „Ich entschied mich für die Kunst, da ein Leben als Künstlerin mir erlauben würde, über das Sein nachzusinnen.“ Für Kim, für die die Struktur der Welt aus Vertikalen und Horizontalen bestand und die sich Gedanken darüber machte, wie sie dies auf einer zweidimensionalen Fläche darstellen könnte, war das Nähen der Schlüssel zur sofortigen Lösung des Dilemmas. Das Bottari-Bündel mit seiner Aufnahmefähigkeit, Flexibilität und Veränderbarkeit – zweidimensional, wenn aufgefaltet, dreidimensional, wenn zusammengeschnürt – wurde zum maßgeschneiderten Instrument und Konzept für Kim Soo-ja, die alle Aspekte der Menschheit umfassen wollte. 46 KOREANA Winter 2016
Ihr Name „Soo-ja“ klingt genau wie das Hindi-Wort für „Sticknadel“. Ob das nicht eine schicksalhafte Wahl war? Sie betrachtete sich selbst als Nadel, als sie in einer Stadt der Konflikte und des Unfriedens durch die Menschenmenge zog. Die Werkreihen Eine Nadelfrau und Eine Spiegelfrau, die sich an die Bottari-Serie anschlossen, machten Kim zu einem der heute meistbeschäftigsten Künstler-Stars der internationalen Kunstszene.
Vom Schicksal zum Wandern bestimmt Was ist heutzutage wohl der zuverlässigste Standard, an dem sich die internationale Bekanntheit eines Künstlers messen lässt? Einst waren es nur die Preise, zu denen seine Werke auf Auktionen oder Kunstmärkten gehandelt wurden. Heutzutage kommt ein weiteres Kriterium hinzu: Flugmeilen. Künstler, die zur Teilnahme an internationalen Biennalen oder auf Einladung von berühmten Galerien das ganze Jahr über durch die Welt jetten, lassen ihr Nomadenschicksal bis zu einem gewissen Grade in ihre Kunstwelt einfließen. Auch Kim Soo-ja hat einen straffen Zeitplan: Nachdem sie 1999 nach New York gezogen war, hielt sie sich fünf Monate im Jahr in New York und jeweils einen Monat in Seoul und Paris auf, den Rest des Jahres zog sie für Solo-Ausstellungen oder auf Einladung von Stadt zu Stadt. Fast jede Woche erhalten Kunstredakteure E-mails von Kims Studio, die über eine neue Ausstellung informieren.
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1 Kim Soo-ja vor ihrer Video-Arbeit Erde, Wasser, Feuer, Luft . Sechs Teile dieser Serie waren 2010 an der Ölrückhaltewand des Yeonggwang-Kernkraftwerks (später umbenannt in Hanbit Kernkraftwerk) installiert. 2 Deduktives Objekt (2016). Stahl, Farbe, Spiegel. Skulptur 1,5m (D) x 2,45m (H). Spiegel 10 x10 m.
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Frauen, die etwas weben, es auseinanderriffeln und erneut weben, treten in ihrer den dicklichen Nähten gleichen „Stofflichkeit“ hervor. Vielleicht ist das ja einfach der Weg, den der Mensch gekommen ist: eingenäht in die Natur, ein- und ausatmend in die Leere sickern. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 47
©National Museum of Modern and Contemporary Art
1 1 Körperstudie (1981). Serie von Seidensiebdrucken mit Kims eigener Performance. Fotogröße jeweils: 54.5 x 55.5 cm. 2 Kim Soo-ja ist als „Bottari-Künstlerin“ bekannt, da sie mit einer Performance berühmt wurde, bei der sie auf einer Lastwagenladung Bottari-Bündel sitzend durch die Welt reiste. 3 Pfade des Fadens V (2016) 16-mm-Dokumentarfilm-Serie mit Ton, 21Min. 48 Sek.
Das Herzstück einer Kunstwelt, die auf Reisen aus neuen Ideen und zur Umsetzung dieser Ideen aus zwischendurch eingepackten Instrumenten entwickelt wird, bilden gewöhnlich die Menschen, die der Künstler vor Ort trifft. Kim hat sich ebenfalls anhand des Mediums „Mensch“ weiterentwickelt. Auch wenn sie die Merkmale ihrer Kunstwelt mit „Örtlichkeit, Geistigkeit und Identität“ zusammenfasst, sind die Menschen und die von ihnen auf den Weg gebrachte Zukunft ihre zentrale Antriebskraft. Die Videoinstallation Erde-Wasser-Feuer-Luft, die im September 2010 am Kernkraftwerk Yeonggwang in der Provinz Jeollanam-do präsentiert wurde, thematisierte die Realität der koreanischen Halbinsel, die sich nicht von der Bedrohung durch Atomwaffen frei machen kann. Anhand dieses Kernkraftwerks, das für die doppelte Bedeutung der Kernkraft als Mittel der Zerstörung und als mögliche künftige Alternative zur Lösung des Problems der Energieknappheit steht, demonstrierte die Künstlerin die Sichtweise des Nomaden: Überlasse dich der Natur und dem Kreislauf von Erde, Wasser, Feuer und Luft.
Die Kanten des Herzens abrunden Sobald die Besucher die Halle mit der Ausstellung Kimsooja Archive of Mind (27. Jul. 2016 - 5. Feb. 2017) betreten, stoßen sie auf einen riesigen ovalen Tisch mit einem Durchmesser von 19 m. Der Tisch, der jeden normalen Innenraum sprengen würde, kann als 48 KOREANA Winter 2016
mentales Bild oder auch als Galaxie verstanden werden. Der Besucher kann sich an den Tisch setzen, aus Lehm eine Kugel kneten und dabei – wohl nach langem zum ersten Mal – die stoffliche Beschaffenheit des Lehms erfühlen. Während er den Lehm durch Herumrollen in der Hand in Kugelform bringt, mag er sich fragen: „Warum soll ich nur einen Ball daraus machen?“ In den Teilnahme-Instruktionen kommt die Absicht der Künstlerin zum Ausdruck. Kim formulierte es bei der Vorstellung ihres Werkes so: „Es ist ein Ort, an dem man sein Herz leert und die Kanten seines Herzens abrundet.“ Wie viele spitze Kanten gibt es wohl in den menschlichen Angelegenheiten? Die Kanten von Konflikt und Spaltung führen zu Terror und Krieg. Die kreisenden Bewegungen, mit denen der Besucher den Lehm, den seine Hände umfassen, rollt, gewährt ihm einen Blick in sein Inneres und lässt ihn durch die Reibungskraft zwischen den beiden Handflächen etwas spüren. Den primitiven Urtastsinn wahrnehmend wiederholt er die die Leere umhüllende Bewegung der Hände und begegnet so unvermittelt der runden Illusion des Nichts. „In Indien sagt man, dass man durch Schleifen und Polieren eines schwarzen Steins einen Spiegel macht“, fügt die Künstlerin hinzu. Kims neue Klangperformance Sich entfaltende Kugel (Unfolding Sphere), die zusammen mit dem Hauptexponat der Ausstellung präsentiert wird, steht mit dem Bild der Oberfläche des ovalen, mit Lehmkugeln besprenkelten Tisches im Einklang und umhüllt die Besucher mit einer kosmischen Plastizität.
Spuren des Körpers Das Werk Geometrie des Körpers besteht aus einer an der Wand hängenden Yogamatte, auf der die Künstlerin die letzten zehn Jahre über ihre Yoga-Übungen gemacht hat. Es ist eine Art „Körpermalerei“ mit den Spuren, die Hände und Füße sowie Schweiß und Tränen im Laufe der Zeit im Material hinterlassen haben. Die Matte ist in diesem Fall kein Ready-made, wie sie in der konventionellen Kunst lange Zeit eingesetzt wurde. Es ist vielmehr ein „benutzter Gegenstand (used object)“, der die im Herzen reflektierten Spuren des Körpers zum Vorschein bringt. Die Spuren des Körpers haben ein neues Konzept der Malerei geschaffen. Vom Moment ihrer Entscheidung, Künstlerin zu werden, bis heute hat sich Kim dem Problem des Vertikalen und Horizontalen gewidmet. Körperstudie aus dem Jahr 1981 ist ein visuelles Werk, das Kims frühe Einstellung dazu zeigt. Aus Fotoaufnahmen von ihren eigenen Performances produzierte sie 45 Seidensiebdrucke. Der Körper scheint der Startpunkt, an dem sie sich selbst und die Welt wahrgenommen hat, und gleichzeitig die Wurzel ihrer Kunstwelt zu sein. Ein Atemzug ist eine digitale Stickarbeit, für die die Wellen des Einund Ausatmens aufgezeichnet wurden. Die Künstlerin hat Struktur und Form des für den Menschen überlebenswichtigen Atmens durch das Ziehen der Nadel durchs Gewebe dargestellt. Betrachtet man den auf Satin gestickten Kreislauf des Atems, fragt man sich
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unwillkürlich, wo die Grenze zwischen Leben und Tod liegen mag. Grundlage für dieses Werk war die Wellenformgrafik der Klanginstallation Die Webfabrik aus dem Jahr 2004, für die Kim ihre Atemzüge aufnahm. Deduktives Objekt, zwei Armabgüsse auf einem Holztisch, wirkt irgendwie einsam. Vielleicht, weil das Werk die Leere verkörpert? Daumen und Zeigefinger der Gipsabgüsse der Gliedmaße der Künstlerin berühren einander.
Von Bottari zur Anthropologie Highlight der Ausstellung ist die erste öffentliche Vorführung des neuen Kapitels (Kapitel V) der Videoinstallationsserie Pfade des Fadens. Seit 2010 arbeitet Kim an dieser 16-mm-Dokumentarfilm-Serie mit der ganzen Welt als Bühne. Das fünfte von sechs Kapiteln ist jetzt fertig. Kims Erforschung der Webkultur und des Gewebes, der sich die Künstlerin ihr ganzes Leben lang gewidmet hat, ist in diesem 21:48 Minuten langen Video enthalten. Gefilmt wurde in den Reservaten von New Mexico, wo Navajo- und Hopi-Indianer leben. Kritiker bezeichneten dieses Werk als „Visuelles Gedicht ohne Worte“ und „Visuelle Anthropologie“. Weite Ebenen, die Vorstellungen über die Ursprünge der Menschheit heraufbeschwören, Ruinen, die an die Steinzeit erinnern, steil aufragende Felsformationen und der endlose Horizont kommen
einer Leinwandgrundierung gleich zum Vorschein. Frauen, die etwas weben, es auseinanderriffeln und erneut weben, treten in ihrer den dicklichen Nähten gleichen „Stofflichkeit“ hervor. Vielleicht ist das ja einfach der Weg, den der Mensch gekommen ist: eingenäht in die Natur, ein- und ausatmend in die Leere sickern. Die kleine Näherin, die Bottari nähte, ist eine große, an der Erde nähende Näherin geworden, die auch heute wieder durch die Galaxie reist.
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HÜTER DES TRADITIONELLEN ERBES
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WIEDERBELEBUNG ALTER STOFFHERSTELLUNGSKUNST
Kang Shin-jae Freiberuflicher Autor Fotos Ahn Hong-beom
Mitte des 18. Jhs untersagte ein König des Joseon-Reichs (1392-1910) die Herstellung von Goldbrokat-Seidenstoffen, um das Luxusstreben der Oberschicht einzudämmen. Die Mitglieder der Adels- und Königsfamilie, die es für ihre Hofund Zeremonialgewänder weiterhin nach solch kostbaren Stoffen verlangte, importierten diese fortan aus Qing-China, sodass die über tausend Jahre alten Seidenbrokat-Webtechniken fast völlig in Vergessenheit gerieten. Doch Sim Yeon-ok, Professorin an der Korea National University of Cultural Heritage in Buyeo, ist es im Zuge jahrzehntelanger akribischer Recherchen und Experimente gelungen, die im Dunkel der Geschichte verschwundenen Webtechniken wiederzubeleben.
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is wohin reichen unsere Kenntnisse über die Vergangenheit? Als ich in einem Artikel las, dass „das Geheimnis der alten Methode zur Herstellung von Goldfäden endlich gelüftet“ sei, musste ich wieder über die „Stoffe der Vergangenheit“ nachdenken. Haben wir bislang von den goldenen Mustern traditioneller Kleidungsstücke gesprochen, ohne etwas über die Goldfadenherstellung zu wissen? Bis wohin erstreckt sich denn überhaupt die Vergangenheit der sog. Kulturgüter?
richtungen in China. Auf dieser Grundlage ließ sie zunächst einen 6 m langen und 4 m hohen hölzernen Webstuhl anfertigen. Erst dann wandte sie sich den Goldbrokatmustern zu, die einst den Roben der Königs- und Adelsfamilien Pracht verliehen hatten. Sie begann mit der Erforschung der Goldfäden, des Materials, das den Mustern Pracht und Glanz verlieh. Zunächst galt es, das Geheimnis der Herstellung der Goldfäden zu entschlüsseln. Mit Hilfe ihrer Assistenten nahm Sim 111 Schriften aus dem In- und Ausland sowie 68 Relikte aus Korea, China und Japan unter die Lupe. Dabei machte sie eine überraschende Entdeckung: Bei den Goldfäden handelte es Das Geheimnis der Goldfäden entwirren sich nicht um gesponnenes Gold, sondern um feine Blattgoldfäden. „In jüngster Zeit werden historische Kleidungsstücke der JoseonDafür wurden dünne, polierte Goldblätter auf traditionelles Papier Zeit in großen Mengen repliziert. Wir Koreaner sind recht gut darin, aufgeklebt und anschließend in feinste Streifen geschnitten. historische Kleidung zu replizieren, und zwar bis hin zu den jewei„Die wissenschaftliche Analyse von Goldfäden der Goryeo-Zeit ligen Nähtechniken einer Zeit. Das Problem ist das Material. Kleiergab, dass sie Komponenten des traditionellen koreanischen dungsstücke aus den Reichen Baekje (18 v. Chr.-660 n. Chr.), Goryeo Papiers aus Maulbeerbaumrinde (Broussonetia kazinoki) enthiel(918-1392) und Joseon werden nämlich mit Stoffen vom Dongdaemun-Stoffmarkt gefertigt. Das ist nur eine ten. Es war das gleiche Papier wie das der halbe Replikation.“ Pofessorin Sim Yeonbuddhistischen Sutra, mit der zusammen ok, die davor sanft und locker über ihren die Stoffrelikte ausgegraben wurden. DarAlltag geplaudert hatte, spricht jetzt in entaus war zu schließen, dass die Goldfäden in Korea hergestellt und in Stoffe eingeschlossenem und angespannten Ton. In anderen Ländern bildet gewöhnlich webt wurden. In zentral- und westasiatidie Wiederherstellung des Materials die schen Regionen wurde statt Papier Leder Grundlage von Restaurierung und Repliverwendet, das noch dünner als Papier geklopft werden kann. Und in Regionen, in kation historischer Kleidungsstücke. Die denen Leder schwer erhältlich war, nutzte Wiedergabe der Form folgt erst danach, man Tierdarm. Papier verwendeten Japan doch das war in Korea in den meisten Fälund China, allerdings wurde es aus jeweils len nicht machbar. „Was Seidenbrokatstofunterschiedlichen Pflanzenarten hergefe mit eingewebten Mustern betrifft, so ist die Tradition der Herstellung mittels einer stellt: in Japan aus Gampi, einer einheimihandbetriebenen Musterungsvorrichtung schen Pflanze der Familie Wikstroemia, schon seit langem unterbrochen. Als der und in China aus weißen Maulbeerbäumen Joseon-König Yeongjo 1733 per Dekret (Morus alba) oder Bambus. Damit wurden die Herstellung von Seidenbrokatstoffen die bis dahin bestehenden Unklarheiten untersagte, ging auch die Handwerkskunst beseitigt.“ verloren. Die Zeit verging und im 20. Jh. Sim gab sich mit der theoretischen Aufklä2 wurde alles automatisiert. Geblieben sind rung nicht zufrieden: Sie wollte die Gold1 Professorin Sim Yeon-ok von der Abteilung für Tradinur automatisierte Webmaschinen, deren fäden mit eigenen Augen sehen und mit tionelle Kunst und Handwerk an der Korea National Leistungsstärke in Produktionsmenge pro ihrem nachgebauten Webstuhl verweben. University of Cultural Heritage demonstriert das Minute ausgedrückt wird. Damit kann man Der Prozess des Reproduzierens glich dem Weben eines reich gemusterten Goldbrokatstoffs an einem von ihr rekonstruierten Webstuhl des 16. Jhs. aber nur Stoffe herstellen, die zweidimenVersuch, den richtigen Weg durch wildIhre Mitarbeiter im Forschungsinstitut für Restausional-platt sind und ohne jede dreidimenfremdes Terrain zu finden: Es galt herausrierung traditioneller Textilien wechseln sich beim sionale Wirkung.“ zufinden, wie die optimale Papierqualität Weben mit ihr ab. 2 Goldfäden werden nach alter Weise in akribischer Sim analysierte alte und neue Schriften für die Fadenherstellung beschaffen sein Feinstarbeit hergestellt, indem polierte Goldblätter und Materialien wie die Illustration einer sollte, wie die ideale Leimkonzentration auf Maulbeerbaum-Papier geklebt und in dünne Musterungsvorrichtung in der Enzyklopäauszusehen hatte, und wie lange und unter Streifen geschnitten werden. welchen Bedingungen Blattgold und Papier die Imwon Gyeongjeji (Sechzehn Abhandam optimalsten zusammenzukleben waren . lungen über die Landwirtschaft) des Gelehrten Seo Yu-gu (1764Am schwierigsten zu kontrollieren war jedoch das Schneiden. Sim 1845), in der praktische Techniken der Joseon-Zeit zusammengemusste sich mit Leib und Seele in die akribische Arbeit versenken, tragen sind, und untersuchte bis heute erhaltene MusterungsvorKOREANISCHE KULTUR UND KUNST 51
das Blattgold-beschichtete Papier in Streifen von ca. 0,3 mm Breite zu schneiden. Um diese Feinstarbeit fehlerfrei durchzuführen und durchzustehen, musste das Messer ständig geschärft werden und gleichzeitig auch die eigenen Sinne und die Konzentration. Das Verweben der auf diese Weise hart gewonnenen Goldfäden war ein weiterer ständiger Kampf, da die Fäden schon bei der kleinsten Unachtsamkeit gnadenlos rissen. Schließlich gelang es ihr, drei Arten von Goldbrokatstoffen mit eingewebten Mustern herzustellen – einen nach Vorbildern aus der Goryeo-Zeit und zwei nach JoseonArt – und so Licht in den bis dahin dunklen Teil der alten Handwerkskunst zu bringen.
Momente der Entdeckung Doch diese Leistung tut sie damit ab, dass es nichts weiter als ein „kleiner Erfolg in der Replizierung traditioneller Stoffe“ gewesen sei. Als Autorin von 5.000 Jahre koreanische Textilien (2002), eines umfassenden, reich illustrierten Buchs, das die Geschichte der koreanischen Textilien aus herstellungstechnischer Perspektive systematisch geordnet darstellt, spricht Sim anschließend über Restaurierung im breiteren Sinne. Die Textilrestaurierung gleicht einer Arbeit, bei der man anhand von nur wenigen Puzzleteilen das große Gesamtbild vervollständigen muss. Da Stoffe, die lange Zeit in der Erde vergraben lagen, notwendigerweise mehr oder weniger stark zerfallen sind, muss sie immer bei kleinen Stofffetzen ansetzen. Die Restaurierung alter Herstellungstechniken bedeutet, die einzelnen Charakteristika und Bestandteile der Stoffüberreste eingehend zu analysieren, um ein vollständiges Stoffmuster zu replizieren, und dann das nur bruchstückhaft erhaltene Brokatmuster anhand von historischen Beschreibungen in seiner ursprünglichen Form zu restaurieren, so Sim. Im Falle der Stoffreste, die bei der Zerlegung der im 8. Jh. errichteten Steinpagode Seokgatap im Tempel Bulguk-sa gefunden wurden, ging sie genauso vor: „Das Gewebe war zu einem hohen Grad beschädigt. Das Muster war überhaupt nicht mehr zu erkennen, die Fäden waren wirr zerrissen. So haben wir jeden einzelnen verwebten Faden gezählt. Drei Monate lang haben wir Zehntausende von Fäden gezählt. Schließlich haben wir auf diese Weise das ursprüngliche Muster herausgefunden und konnten die eigentliche Form des Materials wiederherstellen: Es war ein mit fortgeschrittener Technik gewebtes fünffarbiges (violett, grün, gelb, gelbbraun, Lapislazuli blau) Beutelchen. Im Hinblick darauf, dass keine Stoffproben aus der Zeit des Vereinigten Silla-Reichs (676-935) 52 KOREANA Winter 2016
erhalten sind, war es eine Restaurierung von Bedeutung.“ Sim erzählt auch von anderen Momenten der Entdeckung: Z. B., als bei einem wie Blattgold aussehenden Fragment geringe Papierbestandteile festgestellt wurden und man mutmaßte, dass es Teil eines Goldfadens sein könnte. Oder als sich ein Fetzen Stoff mit originär versponnenen Fasern als Baumwollstoff aus der Baekje-Zeit erwies und dadurch bewiesen wurde, dass Baumwolle nicht erst, wie bis dahin angenommen, im 14. Jh. nach Korea gekommen war, sondern bereits über 700 Jahre früher kultiviert wurde. Sim erinnert sich an eine weitere Entdeckung: „Ich stieß auf ein Stoffstück, von dem ich glaubte, dass es mal ein Norigae-Schmuckknotenanhänger gewesen sein müsse. Und siehe da: Es bestand aus 15 oder mehr unterschiedlichen Stoffen mit eingewebten Goldfadenmustern, die Stück für Stück aneinandergesetzt worden waren, wobei man verschiedene Techniken wie Blattvergoldung und Stickerei angewandt hatte. Es war so schön, dass ich es immer und immer wieder anschauen musste.“ Ihre Geschichten über Textilien sind detailliert und reich. „Die Seide ist ein Stoff, der direkt unverschämt gut mit anderen Materialien harmonisiert, aber zugleich genau weiß, wie er seine Pracht effektiv unterstreichen kann. Seide ist exzellent im Sich-Verwandeln. Mosi (Ramie) wiederum ist ein so reiner, delikater Stoff, dass man ihn nicht berühren sollte. Man sagt ja, dass die Blätter des grünen Tees bei der letzten Röstung so behutsam umgerührt werden sollten, wie man Mosi wäscht. Mosi ist überaus delikat, weshalb man seiner natürlichen Beschaffenheit als solcher Ausdruck verleihen muss. Baumwollstoff sieht zwar schlicht, pur und naiv aus, kann jedoch das meiste Kopfzerbrechen bereiten. Da die Fasern aus wolligen Samenhaaren gewonnen werden, reißen sie nämlich vor dem Spinnen leicht.“
Stoffe im modernen Alltagsleben Laut Sim sollen heute in Korea über 500 traditionelle Stoffarten produziert werden. Trotzdem haben wir in unserem Alltag kaum die Gelegenheit, all diese Stoffe zu sehen oder zu berühren, und das, obwohl wir unseren Tag mit Stoff bedeckt beginnen und beenden. Im Hinblick darauf äußert Sim sich zunächst zu den sog. Kkaekki-Hanbok (traditionelle Hanbok-Tracht, hergestellt mit der traditionellen Nähmethode „kkaekki“, bei der eine Naht mit einem Doppelstich zwei bis drei Mal sorgfältig bearbeitet wird), die heute in Form von Ganzjahreskleidung angeboten werden: „Die heutigen Ganzjahres-Kaekki-Han1 bok bedeuten den Ruin für die
traditionellen koreanischen Textilien. Früher wurden je nach Jahreszeit unterschiedliche Hanbok-Stoffe verwendet. Es gab einen speziellen Stoff für heute und einen anderen für morgen, wenn es etwas kühler wurde. Im Hochsommer trug man Hanbok aus Mosi (Ramie) oder Eunjosa (dünner, steifer, fast glanzloser Seidenstoff für Sommer-Hanbok). Wurde es leicht kühler, kleidete man sich in Saenggosa (leichte, durchsichtige Rohseide). Nach dem Erntedankfest Chuseok war Sukgosa angesagt (Stoff aus entbasteter Seide, weicher als Saenggosa und ideal für Frühling oder Herbst). Anschließend wurden Hanbok aus Hangna (Gaze aus Rohseide, geeignet für Frühlings- oder Herbstbeginn) getragen, die bei niedrigeren Temperaturen mit Baumwolle wattiert wurden. Es folgten Hanbok aus Baumwollstoff, die man das ganze Jahr über trug, und etwas später Hanbok aus Neung (Twill-Damast). Mit Anbruch der Moderne wurden Hanbok auch aus Brokatstoffen gefertigt. Es gab unzählige Arten von Stoffen, in die man sich der jahreszeitlichen Witterung entsprechend kleidete.“ Bevor die Heizung im Alltagsleben Einzug hielt, konnten die körperlich wahrgenommenen Veränderungen der Jahreszeiten nur mit Kleidung überwunden werden. Entsprechend wurden die Kleiderstoffe fein säuberlich kategorisiert. Die Kleidung von heute, deren Ausdruckskraft stärker im Design als im Stoff liegt, kommt vielleicht ohne diesen Variantenreichtum aus. Sim sagt, dass sie von dem Tag träume, an dem sie über Stoffe mit Blick auf deren Wert an sich sprechen könne. Sie hofft, dass die Subtilität, mit der die alten Koreaner feinste Stoffe webten, auch in der Moderne noch von Nutzen ist, und dass die originäre Ästhetik und der Charme der einzelnen Stoffe wiederentdeckt werden und unseren Alltag bereichern. Traditionelle Stoffe seien eine Schatzkammer der Ideen für die modernen Kunst. Am Ende ihrer Geschichte über Stoffe steht in diesem Sinne das Leben.
Meister und Lehrling „Stoffe sind für mich etwas, was einen Menschen zum Menschen macht. Ich frage mich immer, warum von den drei Lebensnotwendigkeiten – Kleidung, Nahrung und Dach über dem Kopf – [im Koreanischen] immer als erstes Kleidung genannt wird, obwohl Essen und ein Platz zum Schlafen nicht weniger überlebenswichtig sind. Es ist wohl, weil Kleidung bzw. Stoffe es sind, die unserer Identität Ausdruck verleihen“, so antwortet Geum Da-un, eine von Sims Assistentinnen, auf meine Frage, was Stoffe für sie bedeuteten. Professorin Sim, die wiederholt betont, dass es „ihren Assistenten zu verdanken ist, dass sämtliche Arbeiten im Institut für Restaurierung Traditioneller Textilien in Angriff genommen, vorangetrieben und beendet werden können“, hält bei Geums Antwort beim Teemachen inne. Um das eingetretene Schweigen zu überbrücken, frage ich Geum, in welchem Punkt sie ihrer Professorin am stärksten nacheifern möchte. Die Antwort geht über meine Frage hinaus: „Es ist nicht so, dass ich Professorin Sim deshalb respektiere, weil sie in dieser Hinsicht vorbildhaft oder in jener Hinsicht großartig ist.
2 1 Park Gi-chan vom Forschungsinstitut für Restaurierung traditioneller Textilien webt Goldmuster in Seidenstoff ein. 2 Prächtige Goldbrokatstoffe ergeben elegante und glanzvolle Kleidungsstücke für zeremonielle Anlässe.
Ich möchte meine Beziehung zu ihr eher mit der natürlichen Bindung, die zwischen Eltern und Neugeborenem zustande kommt, vergleichen. Dasselbe gilt für meine jetzigen Studien: Ich fühle mich so bequem und natürlich darin wie in den Kleidern, die ich gerade trage.“ Still blickt Sim auf ihre Assistentin, das Gesicht ruhig, als ob sie nur dem natürlichen Fluss der Dinge folge. Die Miene der Professorin, die bei der Thematisierung ihrer eigenen Erfolge nie ihre Mentorin Min Gil-ja (1933-1999), die die Erforschung der traditionellen koreanischen Textilien auf den Weg gebracht hat, unerwähnt lässt, verrät Nachdenklichkeit. Was ihr wohl gerade durch den Sinn gehen mag? Vielleicht dieser Rat ihrer Mentorin: „Es ist wichtig, ein menschliches Leben zu leben. Werfe dein Leben nicht um der Wissenschaft willen weg, denn nur weil du bist, kannst du dich der Wissenschaft widmen.“ Oder ob sie sich an die letzten Momente ihrer Mentorin zurückerinnert, als diese ihr viele ihrer zerlesenen Bücher mit den Worten überließ: „Ich war dir dankbar, dass es dich nicht nach diesen Büchern verlangt hat, sondern dass du mit deinen eigenen Augen selbst alles in Erfahrung gebracht hast.“ Ohne weiter nachzufragen, verließ ich diesen mit Geschichten von Lehrern und Schülern überquellenden Ort, einen Ort, an dem durch „Stoffe und Mensch“ sicherlich noch vieles zum Blühen und Gedeihen gebracht werden wird. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 53
UNTERWEGS
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Gwak Jae-gu Dichter Fotos Ahn Hong-beom
Auf zum SonnenAufgAng In Korea geht die Sonne zuerst in Homigot auf, einem Fischerdörfchen am nordöstlichsten Punkt der zur Stadt Pohang gehörenden Homi-Halbinsel an der Ostküste. Am Neujahrstag versammeln sich hier Menschen aus dem ganzen Land, um den ersten Sonnenaufgang des neuen Jahres zu erleben, aufs Meer hinauszuschauen und die Halbinsel entlang zu spazieren.
Sich nach der aufgehenden Sonne streckend, reicht eine der riesigen Hände der Bronzeskulptur Hände des Miteinanders aus der Gezeitengischt des Ostmeeres an der Küste von Homigot.
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Auf dem Weg zum Ostmeer steigt die Sonne auf Wenn das winterliche Sonnenlicht auf mein Gesicht fällt, wird mir plötzlich intensiv bewusst, dass ich lebe. Es fühlt sich kalt an, und sanft, aber auch irgendwie leer. Manchmal werde ich gefragt, was der glücklichste Moment in meinem Leben war. Dann blättere ich durch die Seiten in meiner Erinnerung, Blatt für Blatt schlage ich um. Es gab kleine und große Glücksmomente. Davon einen bestimmten auszuwählen, ist mir unmöglich. Denn es gibt Momente, die so flüchtig sind, dass man sich nur schwer daran erinnert, die aber dennoch die Kraft besitzen, die Seele zu erschüttern. In solchen Fällen stelle ich dann meist die Gegenfrage: „Was ist das Traurigste im Leben?“ Die Momente, die andere Menschen als traurig beschreiben, erscheinen mir als schön. Ich könnte auch nicht sagen, was unter allem Traurigen im Leben das Traurigste wäre. Daher gebe ich meist folgende Antwort: „Dass die Sonne am Morgen nicht aufgeht.“ Zwar habe ich das selbst noch nicht erlebt, aber es dürfte für niemanden etwas Traurigeres geben. Leben und Tod, Mysterium und Schönheit, Seele und Schicksal: In der Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang graviert der Mensch all seine Erinnerungen ein. Verbeugung vor den Petroglyphen Es gibt einen Ort, den ich bei meinen Fahrten zum Ostmeer fast schon ritualmäßig aufsuche. Es sind die Petroglyphen-Felsen nahe der Ortschaft Chilpo-ri, die zur Stadt Pohang in der Provinz Gyeongsangbuk-do gehört. Sie wurden in der Bronzezeit vor ca. 3.000 Jahren in Stein graviert und befinden sich an einem ruhigen Feldweg, der von der zum Ostmeer führenden Nationalstraße Nr. 7 abzweigt. Als ich die Petroglyphen zum ersten Mal sah, wurde es hell in meinem Herzen. Es war, als ob ganz besondere Sterne an der Milchstraße leuchten würden. Sie waren Abdruck der Träume, die die Menschen in prähistorischer Zeit beim Blick in den Sternenhimmel träumten. Ich ging mehrmals um die Felsen herum. Als ich sie mir dann noch einmal genauer ansah, sprang mir eine große Vase ins Auge. Sie war voller Blumen. Vor 3.000 Jahren hatte jemand eine Vase und Blumen in diesen Felsen eingraviert. Ich dachte, die Gravuren wären Abbild des Universums, so wie es dieser Mensch sah, und sein Lied 1 des Lobpreises, das er dem Universum 56 KOREANA Winter 2016
darbrachte. In dem Moment kam die Sonne hinter den Wolken hervor. Ihre sanften Strahlen streichelten die Oberfläche des Felsbildes. Ich nickte. Ich legte meine Hände zusammen und verbeugte mich vor dem Felsen. Im indischen Konark gibt es den Sonnentempel, der zum UNESCO-Welterbe gehört. Das Bauwerk ist als Nachbildung des Wagens des Sonnengottes gedacht. Die 24 Räder – jedes mit einem Durchmesser von über drei Metern – symbolisieren die 24 Jahreseinteilungen. Ich besuchte den Tempel am 1. Januar 2010. Die Reliefs mit zahlreichen Darstellungen von Gottheiten und Königen, die auf dem ca. 50 m hohen Wagen eingraviert sind, erschienen mir schön und geheimnisvoll zugleich. Der Tempel war voller Pilger aus allen Regionen Indiens. Ihre orangefarbenen Saris strahlten hell in der Sonne. Der Tempel, in dem es von Tausenden, vielleicht gar Zehntausenden Besuchern in orangefarbenen Gewändern nur so wimmelte, sah aus wie eine riesige, rollende Sonne. Während ich mich gemeinsam mit dieser Menschenmenge fortbewegte, fühlte ich die Energie der Sonne in mir aufsteigen. In der Regenzeit desselben Jahres besuchte ich den Sonnentempel noch einmal. Als ich die Stadt Puri erreichte, waren die Wege nach Konark wegen Überschwemmungen nicht mehr passierbar. Alle Fahrer schüttelten den Kopf. Da kam ein Mann in orangefarbenem Sari zu mir und fragte: „Warum möchten Sie nach Konark?“ „Ich möchte zum Sonnentempel.“ Er erwiderte: „Die Straßen sind überschwemmt und auch wenn Sie es bis dahin schaffen sollten, wird der Tempel geschlossen sein.“ Ich antwortete: „Ich kann ihn mir ja auch von außen anschauen.“ Warum ich derart hartnäckig auf meinem Willen bestand, kann ich nicht sagen. Der Mann war ein Autorikscha-Fahrer. Wir fuhren in der klapprigen, dreirädrigen Rikscha die überfluteten Straßen entlang. Unterwegs hörte es auf zu regnen. Das Wasser floss von der Straße ab und als wir drei Stunden später den Tempel erreichten, schien wieder die Sonne. An diesem Tag war mir das Glück beschieden, den Tempel mit nur wenigen Pilgern besichtigen zu dürfen. Wenn mich dunkle Gedanken überkommen, denke ich an diese Zeit zurück. Wenn jemand mich fragen sollte, was zu den besten Dingen gehört, die ich in meinem Leben gemacht habe, werde ich wohl von diesem Tag erzählen. Nach der Besichtigung der Petroglyphen, machte ich mich nach Homigot auf.
2 ©Pohang City
1 Luftaufnahme von Guryongpo, eines nach einer alten Legende von neun himmelwärts steigenden Drachen benanntes Ästuars. 2 Riesige Menschenmengen sammeln sich auf dem Sunrise Plaza in Homigot, um den ersten Sonnenaufgang des neuen Jahres zu begrüßen. Links ist das Nationale Leuchtturmmuseum zu sehen, wo man die Geschichte von Koreas Navigationshilfe-Technologie erforschen kann. 3 Die Petroglyphen in Chilpo-ri, Stadt Pohang, datieren rund 3.000 Jahre bis in die Bronzezeit zurück.
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Sonnenaufgang in Homigot Der Name „Homigot“ bedeutet „eine kleine Halbinsel in Form eines Tigerschwanzes“. Der bedeutende Schriftsteller und Intellektuelle Choe Nam-seon beschrieb Anfang des 20. Jhs die Form der koreanischen Halbinsel als Tiger, der mit seinen Pfoten die Mandschurei umarmt, wobei Homigot den Schwanz des Tigers darstellt. In Homingot geht die Sonne als erstes auf der koreanischen Halbinsel auf. Während der japanischen Kolonialzeit suchten die Koreaner diesen Ort auf, um bei Sonnenaufgang für die Befreiung des Landes zu beten. Der Sonnenaufgang in Homigot ist daher nicht irgendein Sonnenaufgang. Außerdem zählt der Anblick zu den zehn schönsten Szenerien der Joseon-Zeit. Wenn Sie als Reisender aus dem Ausland Korea in der Winterzeit besuchen, wird der Sonnenaufgang in Homigot eine unvergessliche Erinnerung werden. Sollte es zudem Seollal, der Neujahrstag nach Mondkalender, sein, dann haben Sie das Glück, in den Genuss der Reiskuchensuppe Tteokguk zu kommen, die traditionell am Morgen des koreanischen Neujahrsfests gegessen wird. In Homigot wird sie allen Besuchern kostenlos serviert. Die Menschen, die sich an dem Tag hier am Meer versammeln, begrüßen beim
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gemeinsamen Frühstück die Sonne des neuen Jahres. Wenn die rote Sonne aus dem Meer emporsteigt, sind alle von demselben Wunsch beseelt: Möge die Welt ein besserer Ort werden! Möge es weniger Leid geben und und mehr tiefe gegenseitige Zuwendung! Beim Anblick der Menschen, die ihre Hände aneinander legen, um im Glühen der aufgehenden Sonne zu beten, spreche ich auch mein Gebet: Möge die warme und schöne Stunde der Wiedervereinigung noch in unserer Generation kommen! In Homigot gibt es die riesige Bronzeskulptur Hände des Miteinanders, die aus zwei großen, gewölbten Händen besteht. Die Hände stehen einander gegenüber, wobei die eine aus dem Meer ragt und die andere am Ufer steht. Die im Meer scheint beliebter zu sein, da von dieser aus den Wellen emporschießenden Hand eine stärkere Vitalität auszugehen scheint. Es gibt einen Moment, in dem die Sonne direkt über dieser Hand stehen bleibt. Viele Besucher fangen ihn mit ihrer Kamera ein. Es verlangt sie wohl danach, die Energie der Sonne in ihrem eigenen Leben aufzubewahren. Läuft man den einsamen Hafendamm entlang, entdeckt man ein Monument mit dem Gedicht Blaue Trauben von Yi Yuk-sa.
Wellen, die hoch gegen den Uferdamm krachen. Die Sonnenstrahlen, die durch die Wellen brechen und die aufwirbelnde Gischt zum Funkeln bringt. Ähneln die Formationen nicht den neun Drachen? Den verschneiten Pier entlang zu schlendern, das Bild eines Drachens aus längst vergessenen Tagen ins Herz eingraviert: Allein das ist Grund genug, Guryongpo aufzusuchen. Der Monat Juli in meinem Dorf Ist die Zeit, in der die blauen Trauben reifen. Die Dorflegenden hängen in dichten Bündeln, Der ferne Himmel nistet sich träumend in jede Beere ein. Wenn das blaue Meer unterm Himmel seine Brust öffnet Und das weiße Segelboot fein herangeschwemmt kommt, Dann wollte mein herbeigesehnter Gast kommen, Seinen müden Körper in die blaue Amtstracht gehüllt. Wenn ich ihn empfange und die Trauben pflücke, Können meine Hände freudig nass werden. Komm, Junge, leg auf unseren Tisch ein silbernes Tablett Mit einem weißen Leinentuch darauf.
Der Pohang-Kanal, ein künstlicher Wasserweg zwischen Songdo-dong und Jukdo-dong, ist eine beliebte Touristenattraktion für romantische Bootsfahrten auf der 1,3km langen Strecke.
Yi Yuk-sa, der während der Kolonialzeit wegen seiner Unabhängigkeitsaktivitäten mehrfach inhaftiert wurde, starb im Januar 1944 im Gefängnis. Seit seiner Gefangennahme war nicht einmal ein Jahr vergangen, sodass man sich leicht vorstellen kann, welche Qualen er durchlitten haben muss. Ein Jahr nach seinem Tod starb ein weiterer junger Mann in einem japanischen Gefängnis: Der 28-jährige Dichter Yun Dong-ju. Der Tod dieser beiden Dichter, deren Leben und Werk Spiegel der Zeit sind, bedeutete einen enormen Verlust für die koreanische Literatur. Wenn Sie auf Ihre Reise ans Ostmeer Lektüre mitnehmen wollen, dann empfehle ich Ihnen die Gedichtsammlungen von Yi Yuk-sa oder Yun Dong-ju. Denn die Herzensgedanken der Koreaner, die am Neujahrstag den Sonnenaufgang beobachten, finden sich im Werk dieser beiden Dichter.
Seoul 365km
Hyangno-Gipfel Pohang
Pohang
chilpo-ri Petroglyphen Yi Yuk-sa Poesie-Denkmal Homigot Yeongildae Strand Jukdo Markt PoSco
Pohang Bahnhof
©Pohang City
Sehenswürdigkeiten in Pohang
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Durch die Hafendörfer Die um Homigot laufende Landstraße Nr. 925 wird „Homi-bando Dulle-gil (Homi-Halbinsel-Trail)“ genannt. Sie führt vorbei an Hafendörfchen, denen der Duft der Lebensweise der Koreaner entströmt. Der Hafen Guryongpo hat, wie sein Name besagt, die Form von neun in den Himmel steigenden Drachen. Wellen, die hoch gegen den Uferdamm krachen. Die Sonnenstrahlen, die durch die Wellen brechen und die aufwirbelnde Gischt zum Funkeln bringen. Ähneln die Formationen nicht den neun Drachen? Den verschneiten Pier entlang zu schlendern, das Bild eines Drachens aus längst vergessenen Tagen ins Herz eingraviert: Allein das ist Grund genug, Guryongpo aufzusuchen. Oft kommen Reisende extra für die lokale Spezialität hierher: eine getrocknete Makrelenart namens Gwamegi. Die im Ostmeer gefangenen Gwamegi werden im Seewind getrocknet und bei Minustemperaturen mehrfach gefrieren und auftauen gelassen, bis alles Fett verschwunden und das Fleisch weich geworden ist. Sie bergen einen intensiven Geschmack nach Meer. Der Anblick der Fischer, die am Pier Gwamegi grillen und dazu Soju-Reisschnaps trinken, ist anheimelnd und leicht geheimnisvoll zugleich. Dieser Gedanke verstärkt sich, wenn man bedenkt, dass sie schon ein Menschenalter überstanden haben und im Herzen die Energie der Drachen tragen. „Woher kommen Sie?“ „Trinken Sie doch ein Glas!“ – herzlich lachend reichen mir die Drachen ein Glas Soju. Bei Nacht sieht man vom Homibando-Trail aus die umwerfende Lichterlandschaft der Pohang Iron and Steel Company (POSCO). Das POSCO-Stahlwerk, das mitten in der Yeongil-Bucht liegt, ist das zweitgrößte der Welt. Hier werden Stahlbleche für Autos, Haushaltsgeräte usw. gefertigt. POSCO-Stahl hat eine fundamentale Rolle bei der Entwicklung Koreas zur heute elftgrößten Wirtschaftsnation der Welt gespielt, weshalb die Pohanger sehr stolz auf ihr Stahlwerk sind. Da, wo die POSCO-Lichter enden, befindet sich eine romantische touristische Sehenswürdigkeit, auf die die Pohanger stolz sind: Es ist der im Januar 2014 fertiggestellte Pohang-Kanal. Der 1,3 km lange Kanal fließt zwischen Songdo-dong und Jukdo-dong durch Pohang. Der künstliche, genauer gesagt, der wiederhergestellte Wasserweg führt durch ein Gebiet, das einst vom Kloakengestank der Schmutz- und Abwässer, die aus den heruntergekommenen Häusern und den Fabriken flossen, erfüllt war. Heute macht es Spaß, an den Ausstellungszentren, Kinderspielplätzen, Parks und Cafés in der Nähe des Kanals entlang zu schlendern. Das Pohang Canal Festival, das im Herbst stattfindet, ruft in den Besuchern alte Kindheitserinnerungen hervor. Highlight des Festivals ist der „Bangti-Ruderwettbewerb“. „Bangti“ meint im Pohanger Dialekt eine Gummiwanne von knapp einem Meter Durchmesser. Die Teilnehmer müssen in die Wanne steigen und mit beiden Händen auf dem Kanal zur Ziellinie rudern. Das Wannenrudern auf dem Wasserweg ruft Nostalgie und Romantik längst vergangener Tage wach.
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1 Im Ostmeer gefangene Makrelen, aufgehängt zum Trocknen im vom Meer wehenden Winterwind. Nach mehrmaligem Frieren und Auftauen werden die halbtrockenen Fische zu Gwamegi verarbeitet, einer Trockenfischspezialität von Guryongpo. 2 An der Meeresmündung des Pohang-Kanals befindet sich der Jukdo-Markt mit seinen rund 2.500 Ständen, die frische und getrocknete Fische und Meeresfrüchte anbieten, sowie 200-Rohfisch-Restaurants. Es ist der größte Fischmarkt an der Ostküste.
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Erinnerung an den Fischmarkt Der Jukdo-Markt am Ende des Kanals ist eine der schönsten Freuden für den Besucher. Auf diesem größten Fischmarkt am Ostmeer gibt es ca. 200 Rohfischrestaurants und etwa 2.500 Läden, die lebende und getrocknete Fische sowie landwirtschaftliche Produkte verkaufen. Während ich durch die Läden spaziere, in denen allerlei Fische, Muscheln, Pazifische Riesenkraken, Schrimps und Seepolypen verkauft werden, durchdringen Lärm und Fischgeruch des Marktes meinen Körper. Gegen die Müdigkeit, die eine Reise begleitet, gibt es nichts Besseres als Lärm und Fischgeruch. Plötzlich erinnere ich mich an Fischmarktszenen längst vergangener Tage. Ich flog einmal nach Puna auf Hawai, um für einen Auftraggeber die Gegend als Reiseziel vorzustellen. Mit dem Mini-U-Boot, das die dortige Tourismusbehörde vermittelte, erforschte ich die Unterwasserwelt. Ich sah Fische und Korallenbänke in allen möglichen Farben. Als ich die Fische flink durch die Unterwasserflora schwimmen sah, kam mir der Gedanke, dass es gar nicht schlecht wäre, im nächsten Leben hier als Fisch zu leben. Am folgenden Tag suchte ich gemäß meines Reiseplans bereits frühmorgens den
Fischmarkt auf. Die frischen Fische lagen auf den Ständen aus und die Stimmen der Verkäufer waren laut und durchdringend. Zum ersten Mal empfand ich das tobende Leben auf dem Markt unangenehm. Das lag daran, dass ich die Fische am Vortag in ihrem Lebensraum erlebt hatte. Als ich direkt nach dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion auf Reisen in Moskau war, ging ich auch dort für den Besuch der Familie eines koreanischen Studenten zunächst zum Fischmarkt. Es war mitten im Winter und Schneekrabben und Kabeljaue waren zu Bergen aufgehäuft. Ich war auf der Suche nach Geschenken und entschied mich für Krabben und Kabeljau. Ich kaufte eine ordentliche Menge für die vierköpfige Familie, wofür ich nur zehn Dollar zahlte. Es war minus 20°. Die Wohnung war zwar nicht geheizt, aber als wir beim Fisch-Abendessen saßen, war es mir nicht kalt. Während ich am Strand von Pohang entlang schlendere, fühle ich mich Schritt für Schritt erfrischter. Das mag daran liegen, dass die Sonne auch heute wieder emporsteigt und die ärmlichen Geschichten meines Lebens liebevoll umhüllt.
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NEuERScHEINuNG
Charles La Shure Professor, Abteilung für koreanische Sprache und Literatur, Seoul National University Kim Hoo-ran Kulturredakteur, The Korea Herald
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Unauslöschliche Erinnerungen an Gewalt und Wunden Human Acts Han Kang, Übers.: Deborah Smith, 2016. 224 S. £12.991
Im Mai 1980 stießen die Bürger, die Widerstand gegen den Militärputsch von General Chun Doohwan leisteten und für Demokratisierung demonstrierten, mit Regierungstruppen zusammen. Die Soldaten töteten unbewaffnete Zivilisten und aus weitgehend friedlichen Demonstrationen wurde ein bewaffneter Aufstand, der die ganze Stadt verschlang. Doch der Aufstand führte nicht zu der vom Volk ersehnten Demokratie, sondern hinterließ tiefe Wunden in der Nation, die bis heute nicht verheilt sind. Eine Figur in Han Kangs Human Acts formuliert es so: „Manche Erinnerungen heilen nie. Statt im Laufe der Zeit zu verblassen, bleiben allein sie übrig, während alles andere sich langsam abnutzt.“ In Human Acts werden mehrere Erzählstränge verfolgt, doch der Gedanke von Wunden, die den Zeitläuften zum Trotz offen bleiben, wird besonders stark herausgearbeitet. Mit dem Fortschreiten der einzelnen Geschichten blickt der Leser auf Momentaufnahmen, die 5, 10, 22 und 30 Jahre nach dem Aufstand spielen. Auch wenn diejenigen, die die Tragödie in jenem Frühling miterlebten, ihr Leben weiterleben, vermag keiner von ihnen sich wirklich von den Erinnerungen zu befreien. Es ist, als ob seit damals keine Sekunde vergangen wäre, als ob die Uhren in diesem Schicksalsmoment stehen geblieben und danach alles nur noch lange Schatten des erstarrten Minutenzeigers wären. Die Schriftstellerin Han Kang ist bekannt für ihre starken, manchmal gar verstörenden bildlichen Darstellungen und auch in Human Acts behandelt sie die Ereignisse vom Mai 1980 aus einem originären, diese Bildlichkeit wirkungsvoll einsetzenden Blickwinkel. Anstatt auf die Dramatik der Handlungsmomente zu fokussieren, konzentriert sie sich auf die Folgen dieser Handlungen und beginnt die Erzählung mit der Szene, in der immer mehr Todesopfer der Demonstrationen im Provinzregierungsgebäude eintreffen. Durch die Augen des Mittelschülers Dong-ho, der in das blutige Chaos hineingezogen wird, wird der Leser Zeuge des beginnenden Blutvergießens und dessen schrecklichen Folgen in Form von sich häufenden namenlosen Leichnamen, die zu verwesen beginnen. Mit der Frage „Wie lange bleibt die Seele bei den sterblichen Überresten?“ beginnt der Junge darüber nachzudenken, was es bedeutet, zu leben und eine Seele zu haben. Um diese Frage zu beantworten, verschiebt Han Kang die Perspektive auf Dong-hos Freund. Auch hier wird nicht die Gewalt selbst, sondern deren Folgen geschildert. Als der Freund mit dem Erzählen beginnt, ist er bereits tot und seine Seele versucht mühsam zu verstehen, was mit ihm geschah und warum. In den folgenden Kapiteln erscheinen dann entweder Charaktere, die Dong-ho während seines kurzen Aufenthalts im Provinzregierungsgebäude kennenlernte, oder Personen, die mit diesen Charakteren in Beziehung stehen. Sie alle führen ihr Alltagsleben weiter, weil es nicht anders geht, aber die Erlebnisse der zehn Tage haben ihr Leben unwiderruflich verändert. Im Laufe der Erzählung erhält der Leser einen tieferen Einblick in die Vergangenheit und die Erinnerungen an den Aufstand, bis er schließlich in der Lage ist, die einzelnen Erzählteile in einen Zusammenhang zu bringen und zu verstehen, was eigentlich passiert ist. Es wird jedoch kein vollständiges Gesamtbild präsentiert, da der Roman nicht das historische Ereignis als solches behandelt, sondern eine psychologische Reflexion über schwere Traumata ist. Er stützt sich auf Allgemeinwissen und Bewusstsein, das den meisten koreanischen Lesern vertraut sein dürfte, weshalb die Resonanz bei nicht-koreanischen Lesern etwas anders sein könnte. Andererseits geht Human Acts über das spezifische Einzelereignis hinaus und spricht Themen von universeller menschlicher Erfahrung an: Er präsentiert Charaktere, die Sinn im Sinnlosen zu finden versuchen und sich bemühen, etwas, das eigentlich nie wirklich überwunden werden kann, irgendwie zu bewältigen. In diesem Sinne ist Human Acts ein Roman, der über nationale und kulturelle Grenzen hinausreicht und alle Menschen ansprechen kann.
Heavy Metal mit traditionellen Instrumenten gespielt A Hermitage Jambinai, London: Bella Union 2016.
Die dreiköpfige Band Jambinai ist nicht einem bestimmten Genre zuzuordnen. Ihr zweites Album A Hermitage (Einsiedelei), das sie im Juni herausbrachte, beginnt mit dem schnellen Stück Wardrobe, bei dem im Heavy-Metal-Stil ein langes Intro wie ein Herzschlag fortgespielt wird. Wer Jambinai zum ersten Mal hört – die Gruppe debütierte 2010 mit der EP Jambinai und brachte 2012 ihr erstes reguläres Musikalbum heraus – läge mit der Klassifizierung als Heavy-Metal-Band nicht völlig daneben. Erst nachdem das zweite Lied, Echo of Creation, eine Weile gelaufen ist, geben die zweisaitige Fidel Haegeum und eine mitreißende Stimme einen Hinweis darauf, dass es sich nicht um eine konventionelle Heavy-Metal-Band handelt. Bei den folgenden Album-Titeln enthüllt sich allmählich die Identität der Band. Das Trio spielt nicht nur traditionelle koreanische Instrumente, sondern auch E-Bass und Schlagzeug in einem Stil, der völlig unkonventionell ist. For Everything That You Lost mit seinen beruhigenden, meditativen östlichen Klängen ist ein Musterbeispiel für das, was man allgemein von einer Crossover-Gukak-Band (Gukak: traditionelle koreanische Musik) erwartet. Das Zupfen der 6-saitigen Zither Geomungo erzeugt einen tiefen, maskulinen Basston in Abyss. Hört man dann den von Rapper Ignito gespielten schnellfeuertartigen Rap, der sich über Geomungo-Basis und Haegeum-Melodie legt, rätselt man erneut über
Von Freiwilligen betriebene Film-Infoseite www.koreanfilm.org
Die englischsprachige Info-Webseite über koreanische Filme www. koreafilm.org – nicht zu verwechseln mit www.koreanfilm.or.kr, der Seite des Korea Film Council – ist eine private Webseite, die von einem in Korea lebenden Amerikaner mit Unterstützung freiwilliger Helfer aufgebaut wurde. Darcy Paquet, ein Filmkritiker, der seit 1997 in Korea lebt, hat www. koreanfilm.org 1999 ins Leben gerufen, um Filmfans im englischsprachigen Raum Informationen über koreanische Filme zu bieten. Viele Einträge sind zwar inaktiv, aber über bevorstehende Veranstaltungen wird unter „upcoming events“ zeitnah informiert. Besonders nützlich ist die Auskunft über koreanische Filme mit englischen Untertiteln, die in Seoul oder anderen Städten Koreas ins Kino kommen. Die Filmrezensionen sind ebenfalls auf aktuellem Stand und Musikvideos werden separat behandelt, auch wenn es nicht allzu viele Rezensionen gibt. Die letzte stammt aus dem Jahr 2015 und
die wahre Identität der Band. Deus Benedicat Tibi sticht als das Lied hervor, das der traditionellen koreanischen Musik am nächsten kommt. Für jemanden mit etwas Hintergrundwissen über die traditionelle koreanische Musik dürfte sofort der Bezug zur Bestattungsmusik erkennbar sein: Die Trance-ähnliche Stimmung, die vom scheppernden Gegeneinanderschlagen der Becken in Kombination mit den schrillen Klängen der Blasinstrumente erzeugt wird, steigert sich zu einem fieberhaft wilden Höhepunkt. Jambinais erstes Studioalbum, Difference, wurde 2013 bei den Korean Music Awards als bestes Crossover-Album ausgezeichnet. Danach zog die Band auch im Ausland Aufmerksamkeit auf sich und wurde zu renommierten Musikfestivals in verschiedenen Ländern eingeladen, darunter das SXSW und das Glastonbury Festival. Mit den rund 100 Konzerten, die die Band in den letzten vier Jahren rund um die Welt gab, bewies sie die Universalität ihrer Musik. Manche Stücke des Albums kann man auch als reine Rock/MetalKompositionen genießen. Naburak dürfte z.B. für die breite Masse ein einfacher Headbanger-Song sein, der Jambinais Identität als Crossover-Band nicht enthüllt.
befasst sich mit Shake That Brass, dem Solodebüt von Amber, Mitglied der Girlgroup f(x). Doch die Top10-Liste für die Filme des Jahres wurde seit 2013 nicht mehr erneuert und das letzte Interview stammt aus dem Jahr 2008. Die Schauspieler-Infos müssten aktualisiert werden, ganz zu schweigen von der Vorstellung von Nachwuchsschauspielern, die mittlerweile debütierten. Auch wenn nicht alle Einträge auf dem neuesten Stand sind, ist die Webseite insofern nützlich, als dass sie Links zu anderen einschlägigen Infoseiten bietet. Zudem könnten die Informationen über die Großen Fünf des koreanischen Films wie Bong Joon-ho und Kim Ki-duk – Regisseure, die im Ausland zum Teil beliebter sind als in Korea – für jeden am koreanischen Film Interessierten einen guten Einstieg bieten. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 63
BLICK AUS DER FERNE
DIE KOREANISCHEN ANREDEUND HÖFLICHKEITSFORMEN: EIN CRASHKURS IN SPRACHLICHER FINESSE Alexandra Lottje Koordinatorin Öffentlichkeitsarbeit und Internetredakteurin, Goethe-Institut Korea
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ie koreanische Sprache ist für ihre vielfältigen Anrede- und Höflichkeitsformen bekannt. Um sie ranken sich viele Urteile: Sie gelten gerne als „typisch koreanisch“, Symbol für die Komplexität der koreanischen Sprache und Kultur und schwer zu durchschauen für Nichtmuttersprachler, aber auch als unmodern und Relikt einer überholten und hierarchischen Gesellschaftsordnung. Wer sich aber auf sie einlässt und sie als das nimmt, was sie sind - den sprachlichen Spiegel zwischenmenschlicher Beziehungen in Korea, der sich in Wechselwirkung mit der Gesellschaft in ständigem Wandel befindet - der kann viel von ihnen lernen. Als ich vor einiger Zeit zum ersten Mal die kanadischen Eltern meines Partners besuchte, stellte ich nach der Abreise fest, dass ich immer noch nicht wusste, wie ich sie ansprechen sollte. Unbewusst hatte ich es geschafft, eine Woche lang nur Formulierungen zu benutzen, in denen ich keine Namen verwenden musste. Ich sprach von „your husband“ oder „Mikes mom“, benutzte Passivsätze, in denen die handelnde Person nicht auftauchte, oder machte lediglich durch ein „ehem...“ deutlich, dass ich etwas zu sagen hatte. All dies geschah ohne Mühe und ganz elegant - bis auf die Tatsache, dass ich hinterher eine eher unelegante E-Mail schreiben musste, in der ich fragte, wie ich sie denn nun ansprechen sollte. Diese Fähigkeit, bei unklaren Verhältnissen und Unsicherheit über die richtige Definition der Beziehung die direkte Anrede einfach zu vermeiden, habe ich mir mit der Zeit im Koreanischen antrainiert. Zuerst dachte ich, es handele sich dabei nur um eine Krücke für meine mangelnden Koreanischkenntnisse. Zu meiner Freude entdeckte ich aber später in einem wissenschaftlichen Artikel Erläuterungen zu der „Null-Anrede“, die Koreaner verwenden, wenn sie sich nicht sicher in der richtigen Anredeform sind. Seitdem sehe ich die Fähigkeit, mich um die Verwendung einer Anredeform zu drücken, als Beweis meiner fortgeschrittenen Koreanischkenntnisse an. Ähnliches gilt auch für die Strategie, die Aussprache am Ende des Satzes immer undeutlicher werden zu lassen - weil man sich nicht entscheiden kann, welche der diversen Satzendungen des Koreanischen denn nun das richtige Maß an Förmlichkeit, oder Respekt, oder Vertrautheit wiedergibt. Das Schöne ist, dass ein Großteil der sprachlichen Höflichkeit im Koreanischen in den Satzendungen steckt. Man kann also durch Nuscheln gegen Ende eines Satzes leicht überspielen, dass man sich gerade nicht so ganz sicher ist, ob man „duzen“ oder „siezen“ soll - um einmal in deutschen Kategorien zu sprechen. Oder man kann noch ganz gewitzt ein „-yo (요)“ dahinter setzen - die Endung, die aus der „Duzform“ Banmal eine höfliche, wenn auch informelle Redeweise macht. Man fängt also mit Duzen an und sagt zum Beispiel „Neomu deowo...“ - „Es ist zu heiß“ - und rettet dann nach einer kleinen Pause die Situation mit einem verschmitzten „-yo“. Das funktioniert auch ganz gut, um
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Die koreanischen Anrede- und Höflichkeitsformen heben die komplexe Dynamik zwischenmenschlicher Beziehungen also auf die sprachliche Ebene. Und zwar nicht nur, wie so häufig angenommen, in Bezug auf eine überkommene konfuzianisch geprägte Gesellschaftsordnung, sondern durchaus auch in Bezug auf universale Dynamiken, wie sie in vielen Kulturen existieren - auch wenn sie dort vielleicht nicht im gleichen Maße sprachlich kodifiziert werden.
das Terrain zu testen: Was hält das Gegenüber wohl davon, in die Duzform zu wechseln? Mit diesem Trick gibt man dem Gesprächspartner eine gute Vorlage, zu sagen: „Ach, komm, du kannst mich duzen.“ Doch nicht nur aus Unsicherheit wird mit der Sprache gespielt. Man kann die Anrede- und Höflichkeitsformen auch ganz strategisch einsetzen, um Menschen zu foppen oder zu schmeicheln. Wenn sich ein Freund, mit dem man normalerweise Banmal spricht, einmal zu wichtig nimmt, kann man ihm den Spiegel vorhalten - indem man ihn plötzlich gespielt unterwürfig mit den höflichen und formalen Formen anspricht. Oder umgekehrt: wenn man den Vorteil hat, älter zu sein, kann man zu jeder passenden Gelegenheit genau diesen Vorteil rausholen, selbst wenn man üblicherweise trotz Altersunterschied eine Beziehung auf Augenhöhe hat (wie es heutzutage durchaus üblich ist). Wenn es gelegen kommt, kann man immer noch zum Beispiel die „Eonni“ (ältere Schwester) markieren und den gebührenden Respekt einfordern - eine gute Strategie, das zu kriegen, was man gerne hätte. Die koreanischen Anrede- und Höflichkeitsformen heben die komplexe Dynamik zwischenmenschlicher Beziehungen also auf die sprachliche Ebene. Und zwar nicht nur, wie so häufig angenommen, in Bezug auf eine überkommene konfuzianisch geprägte Gesellschaftsordnung, sondern durchaus auch in Bezug auf universale Dynamiken, wie sie in vielen Kulturen existieren – auch wenn sie dort vielleicht nicht im gleichen Maße sprachlich kodifiziert werden. Lässt man sich auf sie ein, kann man von den koreanischen Anrede- und Höflichkeitsformen also viel lernen, über die koreanische Gesellschaft und zwischenmenschliche Beziehungen im Allgemeinen. Das Darauf-Einlassen ist zugegebenermaßen nicht immer einfach. Man muss sich viele Informationen selbst zusammensuchen - durch Lesen, durch Beobachten, durch Ausprobieren, durch Fehlermachen. Man muss sich freimachen von eigenen Widerständen gegen manchmal auch auf den zweiten Blick noch fremdartige Normen. Man muss sich darüber hinwegsetzen, dass viele Koreaner die Verwendung nicht unbedingt erklären können oder wollen - weil vieles, wie das bei Muttersprachlern so ist, unterbewusst abläuft, und auch, weil insbesondere für westliche Ausländer in vielen Fällen immer noch andere Regeln gelten. So muss man auch damit leben, dass mit einem selbst viele der Formen anders verwendet werden, als es unter Koreanern üblich ist. So wird für Westler zum Beispiel häufig undifferenziert der Vorname verwendet - und all die alternativen Anredeformen, die bei Koreanern verwendet würden, einfach ignoriert. Doch man kann sich über diese gesetzten Grenzen hinwegsetzen und wer es tut, wird es nicht bereuen. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 65
REISEN IN DIE KOREANISCHE LITERATUR
REZENSION
ERZÄHLUNG:ZAUBER, ZAUBER, ERZÄHLUNG: ZAUBER, ERZÄHLUNG: DERFRIEDEN FRIEDENUND UNDLIEBE LIEBE DER FRIEDEN UND LIEBE DER HERAUFBESCHWÖRT HERAUFBESCHWÖRT Choi Jae-bong Reporter, Tageszeitung The Hankyoreh
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ie Erzählung Der Straßenzauberer , die 2012 beim „Frühjahrs-Literaturwettbewerb der Munhwa Ilbo-Zeitung“ preisgekrönt wurde, ist das Debütwerk von Kim Jong-ok, für das er 2013 zusätzlich mit dem „Preis für junge Autoren“ ausgezeichnet wurde. Mit diesem von der Munhakdongne Publishing Group verliehenen Preis werden die besten, im Jahr zuvor erschienenen Novellen und Erzählungen von jungen Autoren gekürt, die innerhalb der jeweils vorausgegangenen zehn Jahre debütierten. Das bedeutet, dass das Debütwerk eines Nachwuchsautors sich gegen Werke von Kollegen, die bis zu zehn Jahren mehr Erfahrung hatten, durchsetzen konnte. Welche Besonderheiten der Erzählung haben wohl ein solches Zauberkunststück bewirkt? Die Erzählung thematisiert Mobbing in der Schule. Der Tod des Schülers Nam-u, der das Mobbing nicht länger ertragen kann und sich aus dem Fenster des Klassenzimmers stürzt, wird aus der Sicht der Mitschülerin Hi-su beschrieben. Im Gespräch mit einer Rechtsanwältin – einer Freundin der Mutter von Tae-yeong, dem Mitschüler, der Nam-u durch seine Quälereien in den Selbstmord getrieben haben soll – ruft Hi-su sich die Geschehnisse bis zur Tragödie noch einmal in Erinnerung und grübelt über Nam-us Schulleben nach. Bei Gruppen-Mobbing, das mit dem Tod des Opfers endet, sollte eigentlich eindeutig zwischen Täter und Opfer, zwischen Bösem und Gutem unterschieden werden können und auch die Zusammenhänge zwischen Davor und Danach klar sein, aber in der Erzählung Der Straßenzauberer wird keine solch offenkundige Annährungsweise gewählt. Durch die Wahl der Perspektive einer dritten Person, der Mitschülerin Hi-su, statt der des Täters oder des Opfers, schafft der Autor Distanz und Raum, über eine einfache moralische Verurtei66 KOREANA Winter 2016
lung hinausgehend das Geschehen mehrschichtig und komplex zu betrachten. Das sollte jedoch nicht als verantwortungslose Gleichgültigkeit des Betrachtenden gegenüber einer unglücklichen Entwicklung der Dinge, die schließlich zum Tod eines jungen und unschuldigen Schülers führt, missverstanden werden. Die Erinnerungen von Hi-su, dass die Welt „schlagartig für einen Moment friedlich“ erschien, oder dass „die ganze Welt ihr überaus schön erschienen war“ sollten nicht als moralische Laxheit oder Lähmung des ethischen Bewusstseins missbilligt werden. Hi-sus anschließender Bemerkung „weil Nam-u an ihrer aller Statt auf den Boden hinabgestürzt war” ist zu entnehmen, dass sie Nam-u als eine Art Sündenbock bzw. Sühneopfer betrachtet. Sieht denn auch der Autor selbst Nam-u als Sündenbock bzw. Sühneopfer? In Bezug auf die Frage, ob die Sichtweise von Hi-su, der sog. „Focalizer-Figur“, aus deren Perspektive erzählt wird, mit der des Autors identisch ist oder nicht, dürften wohl verschiedene Interpretationen möglich sein. Man könnte meinen, dass Hi-su mit Aussagen wie „Nam-u wurde nicht gemobbt. Er hatte nur einfach keine Freunde” oder „Man kann es auch so sehen, dass nicht wir Nam-u ausgeschlossen haben, sondern dass er uns ausgeschlossen hat“ das Geschehene zu verharmlosen und so zu verschleiern versucht, um jegliche indirekte Mittäterschaft von sich zu weisen. Aber andererseits ist Hi-su unter allen Charakteren der Erzählung diejenige, die Nam-u am freundlichsten gesonnen ist. Man könnte ihr zwar vorhalten, dass sie ihr Verständnis und ihre Freundschaft für Nam-u nicht aktiver durch entsprechendes Verhalten zum Ausdruck gebracht hat, es scheint aber nicht angemessen zu sein, sie wegen eventualvorsätzlichem Mord oder Beihilfe zum Mord „anzuklagen“.
„Was ist Zauberkunst und was ist keine Zauberkunst? Inwieweit bleibt das Herz unbetrogen, das glaubt, dass das, was jetzt gerade geschieht, schlussendlich unvermeidbare, unveränderbar solide Wirklichkeit ist?“
Der im Titel genannte „Straßenzauberer“ ist der Zauberer, den Nam-u auf der Straße gesehen hat. Für Nam-u hat der Zauberer „Dinge, die nicht geschehen können, geschehen lassen“. Als er Hi-su davon erzählt, was er den Zauberer alles hat machen sehen, sagt er zum Schluss: „Ich zeige dir einen Zauber.“ Erst gegen Ende der Erzählung wird dem Leser klar, dass die Reihe von Handlungen, die Nam-u ausführte, wohl die Zauberkunststücke waren, von denen er zuvor gesprochen hatte. Die Erzählung schließt mit der Szene, in der Hi-su dem Straßenzauberer persönlich begegnet und durch ihn auf magische Weise Nam-us Namen und Hi-sus schmerzliche Erinnerungen an Nam-u heraufbeschworen werden. Aber auch bei dieser letzten Szene kann sich der Leser letztendlich nicht sicher sein, ob sie in der Wirklichkeit oder in Hi-sus Vorstellungswelt spielt. Wie oben schon gesagt, ist Hi-su weder Täterin noch Beihelferin, trotzdem ist es eindeutig, dass sie als seine Art moralischer Maßstab fungiert. Im Gespräch mit der Rechtsanwältin sagt sie: „Irgendwo muss es so eine wundersam von Frieden erfüllte Welt
geben. [...] Irgendjemand, irgendeine Macht, eine gute Macht, kann einen solchen Ort schaffen und schützen, glaube ich.“ Bis dahin könnten ihre Worte noch als Ausdruck der in naive Vorstellungen gekleideten Wünsche einer jungen Schülerin gelten, aber ihre anschließenden Worte enthalten tiefgründige philosophische Gedanken: „Augen, die das Böse nie gesehen haben, können das Gute nicht erkennen. Wenn nicht durch das Böse, ist das Gute nicht zu sehen.“ Anstatt sich auf einen konkreten Täter namens Tae-yeong zu fokussieren, nimmt Hi-su das Phänomen „Mobbing“ und dessen Wesen, d.h. das Böse, in den Blick und schlussfolgert, dass der Weg, das Gute zu erkennen und es zu sichern, darin bestehe, dem Bösen – in welcher Form auch immer – entgegenzutreten. Dieses nüchterne Urteil, das eigentlich nicht aus dem Munde einer so jungen Schülerin zu erwarten ist, und die heißen Tränen, die sie in der Schlussszene vergießt, machen Hi-su zu einer vertrauenswürdigen Erzählerin. In einem kurzen Prosastück, das Kim anlässlich der Verleihung des Preises für junge Autoren schrieb, formuliert er es folgendermaßen: „Vielleicht brauchen wir wirklich Zauberkunst: Magie, die einen Augenblick lang Frieden in der Welt schafft; Magie, die alle einander lieben macht, die die Menschen mit zärtlichster Stimme einander beim Namen rufen lässt.“ Ist das Zauberkunststück, das Nam-u vorgeführt und Hi-su gesehen hat, in Wirklichkeit nicht die Zauberkunst, die der Autor mit dieser Erzählung präsentiert? Seine Überzeugung vom Zauberhaften und der Zauberkraft der Erzählung ist auch in Gwacheon: das, was wir nicht getan haben (2015) – Kims ersten Erzählband mit zwölf Erzählungen, darunter der vorliegenden – zu spüren. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 67
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KOREAN CULTURE & ARTS
SPECIAL FEATURE
DMZ
The forbidden Land glimpsed through Barbed Wire fences
DMZ, Where Dreams of Unification Bloom; Peace of Mind Relished on the DMZ Forest Trail; The Uncertain Serenity of the DMZ Ecosystem; Gyodong: A Lonely Island Across from North Korea; Real DMZ Project: Art Casts New Light on Cold War Legacy
Dmz
koreana@kf.or.kr
vol. 30 no. 3
ISSN 1016-0744
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