jedesmalanders - 18. Ausgabe 05.2022

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jedesmalanders 18. Ausgabe, 5.2022

SUOR ANGELICA Oper von Giacomo Puccini

A ROOM OF ONE’S OWN Oper von Outi Tarkiainen theaterhagen


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U R A U F F Ü H R U N G

SAMSTAG, 14. MAI 2022, 19.30 Uhr | Grosses Haus Weitere Vorstellungen: 26.5.

„Das Ganze ist wie ein Kaleidoskop“ Ein Gespräch mit Magdalena Fuchsberger (Regie) und Monika Biegler (Ausstattung) über Suor Angelica und A Room of One’s Own

(18.00 Uhr),

Uhr), 8.6.2022

Francis Hüsers: Worum geht es ­Eurer Sicht nach in Suor Angelica?

Magdalena Fuchsberger: Es geht um ein tragisches Frauenschicksal des 19. Jahrhunderts. Letztlich hat das Kloster in Puccinis Oper etwas von einem Gefängnis – die Frauen müssen dort Buße tun. Schon am Anfang der Oper zeigt sich, dass es hier oft um Bestrafen geht und dass eine ganz beklemmende Atmosphäre herrscht. Und Schwester Angelica ist von ihrer Familie in dieses Kloster weggesperrt worden, weil sie ein uneheliches Kind bekommen hat. Dabei frage ich mich immer, wie dieses uneheliche Kind eigentlich entstanden ist. Möglicherweise entstammt es ja nicht einer Romanze, sondern vielleicht einer Vergewaltigung. Diese Geschichte bei Puccini ist furchtbar tragisch. Es ist eine Stunde lang ein Ritt von einem Extrem ins nächste – und trotzdem ist es schön! Wir sind unglaublich emotional ergriffen. Es ist sozusagen traurig schön. Und wir haben uns nun gerade im Zusammenhang des geplanten Doppelabends dafür entschieden, dem Libretto des Puccini-Stücks sehr treu zu bleiben. Aus rein psychologischer Sicht scheint mir klar, dass bei Angelica auch etwas Destruktives vor sich geht – eine Art Selbstbestrafung etwa und auch so etwas wie Selbsthass. Am Ende der Oper hat sie gerade erfahren, dass ihr Sohn verstorben ist, und man merkt, was sie alles in diesen Sohn hineinprojiziert hat. Denn ausgehend von der Tragik, dass dieser Sohn ihr nach der Geburt weggenommen worden ist, hat sie sich sieben Jahre lang ein Bild von ihm aufgebaut, das nur in ihrem Kopf existiert. Und als sie dann erfährt, dass er tot ist, bricht sie zusammen, sie schreit. Das ist in der Musik komponiert: Sie ist hinüber. Monika Biegler: In einer Trance! MF: Ja, wie in Trance. Und wenn sie sich dann von ihrem Kloster verabschiedet, z. B. von der Klosterkirche, dann klingt das fast lustig, als würde sie sich verabschieden, um in Urlaub zu fahren, als würde sie sagen: „Mein Kind ruft mich, ich muss zu meinem Kind, ich muss ins Paradies ...“ Da merkt man: Sie ist schon total drüber. Also vom Schmerz geht es rüber in die totale Verdrängung und in den Wahnsinn. Wahrscheinlich würde man Suor Angelica ganz anders inszenieren, wenn man nur dieses Stück allein machen würde. Aber ich habe jetzt bei den Proben gemerkt, dass es so ungeheuer stark wirkt, geradezu brutal ist, wenn man es genau auf die Musik macht – zum Beispiel, wenn sie sich exakt auf einen bestimmten Akkord hinsetzt. Und wenn man es woanders spielen lassen würde, also zum Beispiel in der Psychiatrie oder so, dann würde diese Tragik gar nicht so stark hervorkommen wie bei unserem jetzt gewählten Ansatz, nämlich es librettogetreu zu machen. FH: Das ist für mich ein grundsätzlicheres Thema, weil man sagen könnte, dass genau das bei Puccini eigentlich immer der Fall ist, also dass seine Opern gewissermaßen hermetisch sind, weil so sehr genau auf die musiktheatralischen Effekte gearbeitet. Aber wie ist denn nun für Euch der Zusammenhang mit dem Text von Virginia Woolf, also mit der zweiten Oper des Abends, zu sehen? Bietet Woolfs Text die Antwort auf das von Puccini voyeuristisch ausgestellte Leid der Frau? MB: Für mich ist die zweite Oper nicht die Antwort darauf, sondern sie gewährt einen anderen Blickwinkel auf dieses Frauenthema. Und mit dem wird in der zweiten Oper auch ganz anders umgegangen, denn Virginia Woolfs Text ist ein Essay, der die Perspektiven wechselt. Es ist keine stringent erzählte Oper wie Puccinis Suor Angelica. MF: Die Frage nach dem ‚Ausgesperrt-Sein‘ gegenüber dem ‚Eingesperrt-Sein‘ von Frauen ist ein gemeinsamer Inhalt beider Opern, und insofern nehmen wir unseren Auftrag auch ganz ernst, beide Werke zu einem Abend zusammenzubinden. Und selbstverständlich kann man die

SUOR ANGELICA (SCHWESTER ANGELICA) Oper von Giacomo Puccini | Text von Giovacchino Forzano | In italienischer Sprache mit deutschen Übertexten | Musikalische Leitung J­ oseph Trafton | Inszenierung Magdalena Fuchsberger | Bühne und Kostüme Monika Biegler | Licht Martin Gehrke | Chor Wolfgang Müller-­Salow | Dramaturgie Francis Hüsers | ­ Mit Angela Davis, Anja Frank-Engelhaupt, Verena Grammel, A ­ lina Grzeschik, Vera Käuper-de ­ Bruin, ­ Kisun Kim, So H ­ee Kim, Andrea Kleinmann, Evelyn Krahe, Sophia Leimbach, Maria ­ Markina, Nicole Nothbaar, Galina Rosert, Marie-Pierre Roy, Chor, Extrachor und Statisterie des­ ­ Theaters Hagen, Philharmonisches ­ Orchester Hagen

5.6.

(18.00

(19.30

Uhr)

„­Essay-Oper“ wenigstens teilweise auch als Kommentar lesen auf Puccinis Suor Angelica. Als ­herausragende Szene haben wir darin zum Beispiel die Begegnung der Principessa mit Suor ­Angelica. Virginia Woolf beschäftigt sich in ihrem Essay A Room of One’s Own ausführlich damit, dass Frauen in der Literatur, etwa bei Shakespeare oder eben auch in der Oper, immer Gegnerinnen oder Rivalinnen sind, wenn sie aufeinandertreffen. Diese Beobachtung trifft also genau auf die Begegnung der Principessa mit Angelica zu, denn hier ist ein ungeheuerlicher Hass zu spüren. Dazu kommt dann diese ganze Mutter-Kind-Verklärung, die auch eine Art Entsexualisierung darstellt. Genau solche Punkte, die bei Suor Angelica eine Rolle spielen, werden von Virginia Woolf in ihrem Essay verhandelt. Doch selbstverständlich ist die Oper von Outi Tarkiainen natürlich viel mehr als nur ein Kommentar auf Puccinis Oper. FH: Aber was sagt der Kommentar inhaltlich? MB: Es geht meines Erachtens darum, etwas aufzubrechen – die Gedankenwelt dieses alten Systems. Und genau das machen wir auch im Bühnenbild deutlich. Denn die erste Oper hat quasi ein klassisches Bühnenbild, das ein Kloster zeigt. Wobei ich auch dabei mit der Transparenz der Räumlichkeiten spiele. Das Ganze stellt so etwas wie manifestierte Gedanken dar, denn jeder Architektur liegt ja ein Gedanke zugrunde. Und so zeigt sich in den Räumlichkeiten für Suor ­Angelica diese alte Gedankenwelt. Und in unserer Inszenierung von A Room of One’s Own bricht das dann auf, indem sich diese Räume anfangen zu bewegen und so neue Räume ergeben. Wobei auch hier, wie schon in Angelica, die Transparenz eine große Rolle spielt, die auch ein Spiel mit der Frage nach dem Innen und dem Außen beinhaltet – was ja die Frage nach dem Eingesperrt- und dem Ausgesperrt-Sein ist. In der Mitte der Bühne wird dann von den Frauen in A Room of One’s Own ein neuer Raum aufgebaut, während der Rest der Architektur schwebt – es ist offen. MF: Ja, die Oper transportiert keine Wertung, sie stellt eine Bewusstmachung dar, die sich in unglaublich vielen Szenen und Miniszenen aufgliedert. Und ich habe immer mehr Gefallen gefunden an diesem Unheimlichen, dem Vagen, das diese Musik evoziert. Es gibt in Tarkiainens Werk sehr viele Zwischenräume. Und ich fände es falsch, wenn man da jetzt formalästhetisch rangehen würde. Nein, denn es lebt davon, dass man Emotionen herstellt, emotionale Situationen. Und dann funktioniert das tatsächlich. In der Inszenierung wird es daher auch eine Vergewaltigung geben, und zwar in dem Moment, wenn die Männer zu Mary Carmichael sagen: „Wofür soll dein Schreiben gut sein?“ Und dabei machen die anderen Frauen auch mit. Denn ich fände es feige, wenn wir es nur bei den intellektuellen und künstlerischen Fragen beließen. In der Realität sehen wir ja aktuell auch wieder im Krieg Vergewaltigungen, die als Waffe eingesetzt werden. Die körperliche Ernie­ drigung geht immer einher mit der geistigen Erniedrigung. FH: Natürlich ist die Offenheit, die Vagheit der Komposition von Outi Tarkiainen positiv, denn sie gewährt Deutungsoffenheit – auch für die Inszenierung. MF: Ja, und das funktioniert tatsächlich. Ich muss mir als Regisseurin nur Situationen dazu überlegen, Szenen gestalten – dann ist das wirklich irrsinnig spannend! Etwa am Ende des 1. Aktes, wenn es heißt, dass Frauen bald nicht mehr das beschützte Geschlecht sein werden, da lasse ich den Pulk Menschen eine Prostituierte anspucken, die dann zu tanzen anfängt. Und die Sängerdarstellerinnen, die wir hier haben, sind ausgezeichnet. Die können das wirklich! Allen voran die drei Marys, die können das irrsinnig gut! Das Ganze ist wie ein Kaleidoskop: Von allen Seiten wird etwas hineingeworfen und Prozesse werden in Gang gesetzt, aber nichts wird unverrückbar ausformuliert. MB: Genau dafür ist ja auch das Bild vom Gedankenfluss sehr schön! MF: Ja, es sind so Gedankenblitze – und im besten Fall nimmt das Publikum auch etwas davon mit.


A ROOM OF ONE’S OWN (EIN EIGENES ZIMMER) Oper von Outi Tarkiainen | Libretto von Francis Hüsers nach dem gleichnamigen Essay von Virginia Woolf | In englischer Sprache mit deutschen Übertexten | Auftragskomposition des Theaters Hagen | Musikalische Leitung Joseph Trafton | Inszenierung Magdalena ­Fuchsberger | Bühne und Kostüme Monika ­Biegler | Licht Martin Gehrke | Video Aron Kitzig | Chor Wolfgang ­Müller-Salow | Dramaturgie Francis Hüsers | Mit Dorothea Brandt, Evelyn Krahe, Anton Kuzenok, Maria Markina, Kenneth Mattice, Marie-­Pierre Roy, Chor und Statisterie des Theaters Hagen, Philharmonisches Orchester Hagen | A Room of One’s Own wird gefördert im Rahmen von Fonds Neues ­Musiktheater 2020-2022 des

DIE STUNDE DER KRITIK Donnerstag,

26.5.2022,

im

Anschluss an die Vorstellung, Theatercafé,

Eintritt

frei

Zu Gast: Iris Steiner (Chefredakteurin Orpheus Magazin)

Bedeutende Künstler*innen sterben n i c h t Ein Gespräch mit Outi Tarkiainen über ihre Oper A Room of One’s Own

Outi Tarkiainen: Als ich 2014 das Buch von Virginia Woolf las, glaubte ich, den Stoff für die Oper gefunden zu haben, die ich schon lange schreiben wollte. Ich versuchte zuerst selbst, ein Libretto zu skizzieren, und habe auch eine finnische Autorin darum gebeten, aber das hat nicht funktioniert. Als ihr mich dann gefragt habt, ob ich eine Oper für Hagen komponieren wolle, habe ich sofort an diesen Stoff gedacht. Und als ich merkte, dass Dich, Francis, die Idee gepackt hatte, daraus einen Operntext zu machen, hoffte ich, dass es diesmal klappen würde. Ich war dann von Deinem Libretto wirklich sehr beeindruckt, weil Du sozusagen ein Drama aus dem Nichts erschaffen hast. Es gibt ja Dramatisches im Text von Virginia Woolf, aber man muss das erst einmal arrangieren und organisieren und die Entscheidung treffen, was da hineingehört und was nicht. Zum Beispiel hatte ich vorgeschlagen, die Figuren zunächst ausführlicher über Shakespeare sprechen zu lassen, aber Du hast dagegengehalten, dass dieser Raum Judith vorbehalten bleiben sollte, der imaginierten Schwester Shakespeares. Francis Hüsers: Kannst Du den musikalischen Gesamtplan Deiner Oper beschreiben, also z. B. erklären, warum die Musik am Schluss wieder an den Anfang erinnert? OT: Die Musik am Ende des 3. Aktes wird tonal und in gewisser Weise zwar nicht ‚einfach‘, aber konzentriert, klar. Ich wollte diese Ausweitung der Tonalität hier auch, damit möglichst viele Menschen sich angesprochen fühlen können. Deshalb habe ich für die Oper auch mehrere musikalische Motive geschaffen, die vielleicht keine ‚Leitmotive‘ sind, die aber mehrfach auftauchen und die ich auch konkret benannt habe. Zum Beispiel ist der Professor musikalisch mit einem „Macht“-Motiv verknüpft. Demgegenüber gehört zu Judith ein Motiv, das ich „Genialitätsmotiv“ genannt habe, und auch das Motiv „Hoffnung“. Diese Motive findet man in der Partitur. Beispielsweise hier, zwei Takte bevor der Männerchor einsetzt mit „You can’t do this!“, das ist das „Macht“-Motiv. Joseph Trafton: Das erinnert an Beethovens 5. Sinfonie.

OT: Es steht in Verbindung mit dem Auftritt des Professors im 2. Akt. Und das Motiv, das ich „Schicksal“ genannt habe, findet sich schon ziemlich am Anfang der Oper. Hier: die Sextolen in den zwei Takten nach Mary Carmichaels Satz: „Who am I?“ – das ist das Schicksal. Für mich markiert das eine Situation, in der Frauen mit Problemen konfrontiert sind: Sie versuchen etwas, und dann kommt etwas wie vom Schicksal bestimmt dazwischen. Bei Judith taucht dieses Motiv auch auf. Und das Motiv für „Hoffnung“ kommt bereits in Takt 16 vor, es liegt in der Solo-Violine, bevor der Chor einsetzt. Ich habe versucht, die Figuren musikalisch unterscheidbar zu machen, und zwar nicht nur nach dem Stimmfach. Mary Beton zum Beispiel macht eine Entwicklung durch von der ersten Szene bis zu der Situation, in der sie den jungen Mann und die junge Frau beobachtet, die in ein Taxi steigen – sie lernt. Und ihre Musik ist voller Hoffnung, sie singt hoch und manchmal sehr leise, und mit dieser Musik treibt sie die Geschichte voran. Mary Carmichael dem-

gegenüber hat sehr besondere Farben in ihrer Musik. Immer wenn sie singt, hat sie eine Melodie, die in verschiedene Register geht, sie geht sehr tief, wechselt dann aber auch wieder in ein anderes Register. Sie ist die am stärksten ‚androgyne‘ Figur des Stücks, und außerdem ist sie die Künstlerin, sie ist ja Romanautorin. Und über Mary Seton würde ich sagen, dass sie so etwas wie die ‚typische‘ Frau ist, weil sie immer so ausgleichend ist, sie geht musikalisch in alle diese Richtungen und hält das Ganze zusammen. Sie ist quasi ‚langweilig‘, sie versucht immer, die Situation allen angenehm zu machen, typisch für Frauen! Ihr Register liegt tatsächlich zwischen den andern beiden Marys, also so gesehen ist sie wirklich in der Mitte. Was den Professor und den jungen Mann betrifft, habe ich mich an den Vorstellungen der Romantik orientiert, also daran, wie Frauen der Oberschichten in der romantischen Fiktion auf Männer sehen. So hat der junge Mann etwas Geheimnisvolles, und wenn er dann in der letzten Szene zusammen mit der jungen Frau in das Taxi steigt, bekommt er sogar ein Tamtam als Begleitung, was das Geheimnisvolle anzeigen soll. Denn aus der romantischen Perspektive der Frauen hatte Männlichkeit etwas Geheimnisvolles. Wenn ich mir die berühmten Frauenfiguren der ‚klassischen‘ Weltliteratur ansah, habe ich mich immer gewundert, dass ich solch merkwürdigen Menschen noch nie im Leben begegnet bin. In der Realität sind Frauen viel langweiliger und ‚normaler‘. Durch das Buch von Virginia Woolf A Room of One’s Own ist mir dann klar geworden, dass diese großen Frauenfiguren in der Literatur von Männern erdacht, sozusagen mit der romantischen Brille auf der Nase erfunden worden sind. Und von diesen etwas unrealistischen Zügen dieser großen romantischen Figuren der Weltliteratur wollte ich den Männern in meiner Oper etwas geben. Judith ist als Einzelfigur zentral für mich, weil ich mich persönlich mit ihr identifiziere. Denn auch ich bin sozusagen von zu Hause weggelaufen, um zu studieren – also ich hatte alles schon organisiert und vorbereitet, bevor ich meine Eltern um Erlaubnis gefragt habe. Deshalb berührt es mich sehr, dass Judith mit allen Konventionen bricht und nach London geht, weil eine innere Kraft sie dazu drängt. Und Judith ist eine sehr komplexe Figur, sie hat starke Gefühle und wirklich große Ideen. Tatsächlich habe ich die Komposition der Oper mit Judiths Szene begonnen, also diese etwa 10 Minuten bilden das Herz der Oper. Und die Solo-Oboe spielt dabei eine wichtige Rolle, weil sie für ­Judiths Geist stehen soll, für ihre Seele. JT: Judiths Gesang ist ja auch etwas dramatischer gestaltet als der der anderen Frauen, vor allem Mary Beton und Mary Seton. Judith hat auch ein paar Melismen, ihre Gesangslinie wird ein klein wenig mehr akrobatisch. OT: Ja, die drei Marys sprechen oft in übereinanderliegenden Gesangslinien, eben weil sie auch eine Person sein könnten. JT: Sie haben auch stärker eine durchgehende melodische Linie, während ­Judiths Linie etwas mehr fragmentiert ist, kürzere Einheiten hat. Und bei den Marys kommen dann am Schluss diese starken poetischen Bilder dazu, also etwa das Bild mit dem Taxi, das wie von einem Fluss die Straße hinunterge-

spült wird – das ist in dem englischen Originaltext ja auch eine sehr poetische Sprache, die hier nun vertont ist. Das ist etwas ganz anderes als die Sprache, die Judith benutzt, wenn sie zum Beispiel sagt: „I want to act“ – das ist recht simpel und alltäglich. Und das Bild vom Fluss wird übrigens in der begleitenden Musik im Orchester reflektiert, an der Stelle, wo von dem Fluss gesprochen wird, der die Straße hinunterfließt, hört man im Orchester Figuren, die das sprudelnde Wasser andeuten könnten. OT: Bei der Stelle des Männerchors „What’s the good of your writing“ habe ich bewusst einen Bezug zu Bachs Johannespassion hergestellt, denn in meiner Komposition findet sich die gleiche Energie wie bei Bach. Damit wollte ich eine sehr deutliche Steigerung kreieren, die hier die Männlichkeit darstellen soll. Vielleicht amüsiere ich mich hier auch etwas darüber, wie männliche Komponisten so eine Steigerung komponieren würden. Demgegenüber versuche ich mit meiner Musik normalerweise Atmosphären zu erzeugen, Stimmungen, die Menschen tiefer berühren können. FH: Wie findest Du, dass wir Deine Oper zusammen mit einer Oper von Puccini spielen? OT: Bei Puccinis Suor Angelica ist interessant, dass nur Frauen auf der Bühne sind, aber sich letztlich alles um den Sohn von Angelica dreht. Virginia Woolfs Essay und unsere Oper kommentiert nun direkt die Oper von Giacomo ­Puccini. JT: Für mich passen beide Opern auch deshalb zusammen, weil es beides q­ uasi ‚Studien der Langsamkeit‘ sind, denn in beiden Fällen fordern die Metronom-Angaben sehr langsame Tempi, zum Beispiel 44, dann mal 52, und nur ganz gelegentlich wird es einmal schnell. Du, Outi, gehst sogar runter auf 32, was ich wirklich noch nie gesehen habe. Bei 32 muss ich mich wirklich anstrengen, um für alle die Energie zu halten. OT: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Langsamkeit dazu dienen kann, die Betonung auf die Atmosphäre zu legen. Und es gibt dadurch mehr Zeit, um all die Details zu verwirklichen, die vorgesehen sind. JT: Für die Singenden ist das eine besondere Herausforderung, weil jedes Detail, die Dynamik, die Phrasierung, die Artikulation usw., sehr exakt sein muss. Und es stimmt: Das sind Details, die verlorengehen können, wenn man so vorbeigeht. OT: Es soll auch den Eindruck erzeugen, als würde die Zeit stillstehen. FH: Virginia Woolf hat auch dieses Bild, dass mitten im hektischen London plötzlich jemand das Gefühl hat, die Zeit sei stehen geblieben – dieser Moment ist bei ihr zum Schluss die Metapher für die Utopie der Überwindung der Geschlechtergegensätze. OT: Für mich geht es am Ende meiner Oper um einen der wichtigsten Sätze des ganzen Textes, nämlich: „Great poets do not die! They are continuing presences! They need only the opportunity to walk among us in the flesh.“ – „Bedeutende Künstler*innen sterben nicht! Sie sind von bleibender Gegenwart! Es braucht nur eine Gelegenheit, und sie sind leibhaftig unter uns.“


MAI 2022 SA

14

19.30-22.00 Uhr Großes Haus 19.00 Uhr Einführung Theatercafé

PREMIERE / URAUFFÜHRUNG (SCHWESTER ANGELICA) &

SUOR ANGELICA

KULTURCAFÉ

VORSCHAU

A ROOM OF ONE’S OWN

In der nächsten Kulturcafé-Veranstaltung können Sie den neuen Konzertdramaturgen Otto Hagedorn kennenlernen. Im Hinblick auf das 9­. Sinfoniekonzert wird er den Pfaden des Komponisten Igor Strawinsky folgen. Zudem hat er den neuen Soloflötisten des Philharmonischen Orchesters Hagen zu Gast: Francesco Camuglia. In einem abwechslungsreichen G ­ espräch werden die beiden sich über die verschiedenen ­Instrumente der Flötenfamilie austauschen.

MAX UND MORITZ Aus Wilhelm Buschs klassischer ­Geschichte in sieben Streichen wird eine fröhliche Kinderoper rund um die Frage, welchen Freiraum junge Menschen in unserer heutigen ­Gesellschaft haben. Zwei freche Kinder beobachten die Welt und führen anhand ihrer Streiche vor, wie merkwürdig sich Erwachsene oft verhalten. Unterstützt von Lehrer Lämpels Schulklasse, Witwe Boltes Hühnern und Schneider Böcks Models schlagen Max und Moritz zwar manchmal über die Stränge, aber zu Mehl gemahlen werden sie trotzdem nicht.­ Es bleibt vielmehr die Erkenntnis, dass es zum Kindsein dazugehört, sich gegen die Erwachsenen abzugrenzen und die eigene L ­ ebenswelt zu erobern. Max und Moritz ist ein besonderes Projekt des Theaters Hagen für die ganze Familie. Komponist Andres Reukauf und Librettist Holger Potocki haben eine Oper für junges Publikum entwickelt, die von über 30 Kindern und Jugendlichen gesungen und gespielt wird. Diese neue Produktion wird ausführlich in der nächsten Ausgabe von ­jedesmalanders vorgestellt, die am 21. Mai 2022 der Tageszeitung beiliegt und im Theater Hagen zu erhalten ist.

(EIN EIGENES ZIMMER)

Oper von Giacomo Puccini (in italienischer Sprache mit deutschen Übertexten) & Oper von Outi Tarkiainen (in englischer Sprache mit deutschen Übertexten) Abo P und Freiverkauf 19,50-48 €

SO

15

15.00 Uhr Theatercafé

KULTURCAFÉ Mit Otto Hagedorn und Gästen

Sonntag, 15. Mai 2022, 15.00 Uhr, Theatercafé

Eintritt frei (Anmeldung erforderlich) 18.00-20.30 Uhr Großes Haus 17.30 Uhr Einführung Theatercafé

DER LIEBESTRANK

MO

11.00 Uhr auf den Bühnen des Theaters Hagen

MUSIKALISCHE SCHNITZELJAGD Das Orchester stellt sich vor! Für Schulklassen 1-5 · Eintritt 6 €

MI

19.00 Uhr Theaterbotschaft (Kampstraße 13)

LESUNG aus dem Essay A Room of One’s Own von Virginia Woolf und aus dem darauf basierenden Libretto von Francis Hüsers für die gleichnamige Oper von Outi Tarkiainen (in englischer und deutscher Sprache). Es lesen: Kristina Günther und Sara Walmsley.

16 18

(L’ELISIR D’AMORE)

Komische Oper von Gaetano Donizetti (in italienischer Sprache mit deutschen Übertexten) · Abo ThR und Freiverkauf 16,50-40 €

Eintritt frei (Anmeldung erforderlich) SA

21

Otto Hagedorn

URAUFFÜHRUNG

15.00 Uhr Lutz

MAX UND MORITZ Eine Oper in 7 Streichen von Kindern für Kinder frei nach Wilhelm Busch · Musik von Andres Reukauf · Libretto von Holger Potocki Ab 6 Jahren ∙ Eintritt 12 / 6 €, Familienkarte 25 €

19.30-22.00 Uhr Großes Haus

DIE BLUME VON HAWAII LETZTEN MAL Operette von Paul Abraham (in deutscher Sprache mit Übertexten)

ZUM

MUSIKALISCHE SCHNITZELJAGD Wie funktioniert eigentlich so ein Orchester? Das kann man bei der ­Musikalischen Schnitzeljagd herausfinden. Es gilt, die verschiedenen Instrumentengruppen, vorgestellt vom Philharmonischen Orchester ­ ­Hagen, zu erkunden und spannende Fragen und Aufgaben rund um die einzelnen Instrumente zu lösen. Dabei geht es kreuz und quer durch das gesamte Hagener Theater (Start im Großen Haus). Die „Schnitzeljagd“ ­endet für alle gemeinsam mit einem großen Finale im Großen Haus. Als Komposition steht die Ouvertüre zur Oper Carmen von Georges Bizet auf dem Programm. Montag, 16. Mai 2022, 11.00 Uhr, Theater Hagen (auf allen Bühnen)

LESUNGEN IN DER THEATERBOTSCHAFT Im Zusammenhang mit der Opernproduktion Suor Angelica & A Room of One’s Own bietet das Theater Hagen als Begleitveranstaltung erstmals ­Lesungen in der Theaterbotschaft an – Lesungen aus dem Essay A Room of One’s Own (Ein eigenes Zimmer) von Virginia Woolf und aus dem darauf basierenden Libretto von Francis Hüsers für die gleichnamige Oper von Outi Tarkiainen (in englischer und deutscher Sprache). Es lesen: Kristina Günther und Sara Walmsley. Es gibt nur wenige Plätze – jetzt sichern!

Mittwoch, 18. Mai, Montag, 23. Mai, Dienstag, 7. Juni 2022, jeweils 19.00 Uhr, Theaterbotschaft (Kampstraße 13, Hagen)

Uraufführung: Samstag, 21. Mai 2022, 15.00 Uhr, Lutz

9. SINFONIEKONZERT Ein kleines Cello, das nicht senkrecht vor dem Körper, sondern wie eine Geige oder Bratsche gespielt wird, ist für unsere heutigen Sehgewohnheiten durchaus befremdlich. Zu Zeiten von Johann Sebastian Bach und seinen Söhnen wurde das „Violoncello da spalla“ allerdings für seinen weichen und schlanken Klang sehr geschätzt. Einer der führenden Virtuosen auf diesem (fast) vergessenen Cello ist der aus St. Petersburg stammende ­Multiinstrumentalist Sergey Malov. Er spielt zudem Barock- sowie moderne Geige und leitet das Orchester teils vom Dirigentenpult aus. Das Programm dieses Konzertes spannt einen Bogen von Barockmusik der Familie Bach über romantische Werke von Peter Tschaikowsky bis hin zu neoklassizistischer Musik aus Igor Strawinskys Ballett Le Baiser de la Fée, in dem sich die kompositorischen Einflüsse des Programms bündeln und im neuen Gewand des 20. Jahrhunderts zeigen. Dienstag, 24. Mai 2022, 19.30 Uhr, Stadthalle Hagen

Abo W + WE2 und Freiverkauf 16,50-40 € SO

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10.00-10.45 Uhr & 11.15-12.00 Uhr Theatercafé

KRABBELKONZERTE Ganzheitliches Musikerlebnis für Kinder von 0-2 Jahren und deren Eltern Eintritt Erwachsene 6 € / Kinder 1 €

15.00-16.05 Uhr Großes Haus 14.30 Uhr Einführung Theatercafé

ÜBER_UNS Tanzstück von Urs Dietrich

Im Anschluss an die Vorstellung Theatercafé

DIE STUNDE DER KRITIK zum Tanzstück Über_Uns · Zu Gast: Claudia Henne (Tanzjournalistin) ∙ Eintritt frei

15.00 Uhr Lutz

MAX UND MORITZ Weitere Angaben s. 21.5.

Abo N und Freiverkauf 16,50-40 €

KRABBELKONZERTE Was verbirgt sich hinter diesem Angebot? Ein ganzheitliches Musikerlebnis für Kinder im Alter von 0-2 Jahren und deren Eltern. Musik regt die Fantasie an, kann beruhigen und entspannen. Bei den interaktiven Konzerten des international renommierten Musik- und Konzertpädagogen Andrea Apostoli können die kleinen Besucher*innen gemeinsam mit ihren Eltern in eine aktive Beziehung zu ihm und Musiker*innen des Philharmonischen Orchesters Hagen treten. Die abwechslungsreichen Arrangements versprechen ein spannendes und gut erfassbares musikalisches Erlebnis. Die Kinder können und dürfen sich dabei frei bewegen und die Musik auf sich wirken lassen. Sonntag, 22. Mai 2022, 10.00 & 11.15 Uhr, Theatercafé

Eintritt 12 / 6 €, Familienkarte 25 € MO

23 DI

24

19.00 Uhr Theaterbotschaft (Kampstraße 13)

LESUNG Weitere Angaben s. 18.5.

19.30 Uhr Stadthalle 18.45 Uhr Einführung 18.45 Sinfonikus

9. SINFONIEKONZERT J. S. Bach ∙ C. Ph. E. Bach ∙ Tschaikowsky ∙ Strawinsky · Leitung, Violine, Violoncello da spalla: Sergey Malov

LETZTE VORSTELLUNGFEN

Die nächste Ausgabe von „theaterhagen – jedesmalanders“ finden Sie als Beilage der Tageszeitung vom 21. Mai 2022.

DER LIEBESTRANK (L’ELISIR D’AMORE) „Intendant Francis Hüsers hat wieder ein Hausensemble aufgebaut, das mit Donizetti die glänzendste Visitenkarte ablegt. Diese jungen Sängerinnen und Sänger gehen mit so viel Spaß an die Arbeit, dass der Funke in der ersten Minute überspringt.“ (Westfalenpost/Westfälische Rundschau)

Informationen zum Theater- und Konzertbesuch

Sonntag, 15. Mai, 18.00 Uhr, Mittwoch, 25. Mai 2022, 19.30 Uhr, Großes Haus

Konzertabo und Freiverkauf 15,50-31 € MI

25 DO

26

19.30-22.00 Uhr Großes Haus 19.00 Uhr Einführung Theatercafé

DER LIEBESTRANK

18.00-20.30 Uhr Großes Haus 17.30 Uhr Einführung Theatercafé

SUOR ANGELICA

(L’ELISIR D’AMORE)

Informationen zu den aktuellen Besuchsregeln, Schutz- und Hygienemaßnahmen in ­unseren Spielstätten können Sie der Webseite www.theaterhagen.de entnehmen. Kartenverkauf und Reservierungen Die Theaterkasse (Elberfelder Straße 65, 58095 Hagen) ist dienstags bis ­freitags von 10.00 bis 19.00 Uhr, samstags von 10.00 bis 15.00 Uhr und eine Stunde vor Vorstellungs- bzw. Konzertbeginn geöffnet sowie ­telefonisch unter 02331 / 207-3218, per E-mail (theaterkasse@stadt-hagen.de) oder ­online über die Webseite (www.theaterhagen.de) ­erreichbar.

ZUM LETZTEN MAL

Weitere Angaben s. 15.5.

Abo L + V und Freiverkauf 15-36 €

(SCHWESTER ANGELICA) &

A ROOM OF ONE’S OWN (EIN EIGENES ZIMMER)

Weitere Angaben s. 14.5.

Abo D und Freiverkauf 15-36 € Im Anschluss an die Vorstellung Theatercafé

DIE STUNDE DER KRITIK zu den Opern Suor Angelica & A Room of One,s Own · Zu Gast: Iris Steiner (Chefredakteurin Orpheus Magazin) ∙ Eintritt frei

FR

19.30 Uhr Kolpinghaus

TREFFEN DES THEATERFÖRDERVEREINS Gast: Insu Hwang (Gesangssolist am Theater Hagen) ∙ Eintritt frei

SA

15.00 Uhr Lutz

MAX UND MORITZ Weitere Angaben s. 21.5.

27 28 SO

29

19.30-20.35 Uhr Großes Haus 19.00 Uhr Einführung Theatercafé

ÜBER_UNS Weitere Angaben s. 22.5.

11.00 Uhr Großes Haus

4. FAMILIENKONZERT Juris 1001 Nachtgeschichten Moderation: Juri Tetzlaff Leitung: Steffen Müller-Gabriel

15.00 Uhr Lutz

ZUM LETZTEN MAL

Abo G und Freiverkauf 16,50-40 €

MAX UND MORITZ Weitere Angaben s. 21.5.

Eintritt 12 / 6 €, Familienkarte 25 €

31

Samstag, 21. Mai 2022, 19.30 Uhr, Großes Haus

Eintritt 12 / 6 €, Familienkarte 25 €

Eintritt 12 / 6 €, Familienkarte 25 €

DI

DIE BLUME VON HAWAII „Das Theater Hagen zeigt Die Blume von Hawaii als unterhaltsame Jazz-Operette mit einem hervorragenden jungen Ensemble und vielen überraschenden Einfällen.“ (Westfalenpost/Westfälische Rundschau)

10.00 Uhr Lutz

MAX UND MORITZ Weitere Angaben s. 21.5. · Schulvorstellung

18.00 Uhr Großes Haus

WERKSTATT-PROBE Einführungsveranstaltung zur Rock-Pop-­ Grunge-Theater-Party Heroes Eintritt frei (Anmeldung erforderlich)

ÜBER_UNS „Im Großen Haus ist ein konzentrierter, karger Abend gelungen. [...] Das Hagener Ballettensemble zeigt in diesem Tanzstück vor allem individuelle Stärken, mit individuellen Sequenzen und starkem Ausdruck.“ (Westfälischer Anzeiger) Sonntag, 22. Mai, 15.00 Uhr, Samstag, 28. Mai 2022, 19.30 Uhr, Großes Haus

Spielplan unter www.theaterhagen.de Impressum: 18. Ausgabe, 5.2022 Herausgeber: Theater Hagen gGmbH · Elberfelder Straße 65 · 58095 Hagen Tel. 02331 / 207-3210 Intendant: Francis Hüsers Redaktion: Ina Wragge | Gestaltung: Yuliana Falkenberg Texte: Francis Hüsers, Christoph Lang, Anja Schöne, Anne Schröder, Ina Wragge Titelbild: Monika Biegler Fotos: Jörg Landsberg (Suor Angelica & A Room of One’s Own; Über_Uns), Klaus Lefebvre (Die Blume von Hawaii; Der Liebestrank), Sven Philipsen (Otto Hagedorn), Julia Wesely (Sergey Malov) Verlag und Druck: WAZ-Druckzentrum Bathey; Auflage: 127.300


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