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Fertig gibt′s nicht

Fertig gibt

244 Bei meiner Suche für einen Grund, überhaupt etwas auf die Bühne zu stellen, lande ich immer wieder bei der Architektur und ihrer Entwicklung. Dort geht es um Grundsätzliches. Es wird gebaut, damit der Mensch ein Dach über dem Kopf hat. Symmetrie beherrschte die Architektur. Immer alles schön rechtwinklig, wie beim Bauhaus. Anders der Dekonstruktivismus. Da platzen die Räume bei Frank Gehry und verbiegen sich. Oder die Wände stehen schräg und haben spitze Winkel bei Daniel Libeskind. Diese Vielfalt jenseits des Dekorativen suche ich immer noch.

Bei früheren Schauspielinszenierungen habe ich behauptet: „Ich brauche kein Bühnenbild“. Das ist noch kein Konzept, sondern nur eine Einstellung. Es entbindet einen nicht von der Aufgabe, auf jeder Probe den Raum zu hinterfragen.

Als Regisseur und Bühnenbildner in Personalunion muss ich mich fragen: Was kann ich eigentlich alleine bewältigen? Wie viele Partner*innen brauche ich auf der konzeptuellen Ebene? Was habe ich aus den Augen verloren? Wenn du allein arbeitest und Erfolg hast, kommst du leicht in einen Zustand von Hybris, wo du denkst, du kannst die Welt beeinflussen. Ich habe mich durch meine Neugier, immer etwas anderes auszuprobieren, auch verzettelt, und bestimmte Ideen und Erfindungen nicht konsequent weiter entwickelt. Es hätte öfters kritischer Auseinandersetzung bedurft. Eine Lösung wäre kollaboratives Arbeiten in einer Gruppe. Modelle wie Rimini Protokoll oder Monster Truck sind aus meiner Sicht da wegweisend.

Nachhaltigkeit kann auch den gesammelten Erfahrungsschatz im Umgang mit künstlerischen Mitteln meinen. Nachhaltigkeit als künstlerisches Denk- und Handlungsprinzip hat für mich mit einer prozessorientierten Ästhetik und Formensprache zu tun.

gibt's nicht

Dinge auf die Bühne zu stellen, um sie abzuräumen, Dinge wieder zu verwenden, nicht nur aus Geldmangel, sondern auch aus Neugier. Das Besondere an der Arbeit mit vorhandenem Material aus dem Fundus ist der Such- und Entscheidungsprozess auf den Proben. Dadurch, dass nichts angefertigt werden muss, ist alles von Probenbeginn an verfügbar. Passt ein Objekt nicht in die Szene, fällt die Entscheidung leicht, es wieder in den Fundus zurückzuschicken. Diese Leichtigkeit ist faszinierend, das Gegenteil eines klassischen Bühnenbildentwurfs mit Bauprobe, Werkstattabgabe und technischer Einrichtung. Dieser kreative Prozess, Entscheidungen offenzuhalten, ist eine Haltung. In diesem Prozess entstehen keine gebauten Innenräume, sondern Objektlandschaften.

Ich mag Autos. Sie sind leicht zu bekommen, auf der Bühne durchaus nachhaltig, weil sie nicht fahren und wieder zurückgegeben werden.

Theater wird nie völlig nachhaltig sein können. Allein, wenn ich mir den Energieverbrauch der Gebäude anschaue, lässt sich absehen, dass künstlerische Arbeit immer wieder ein Surplus ist, ein Luxus, der nicht allein nach vernünftigen Kriterien zu betreiben ist.

Systemfrage: Ist im Hinblick von schwindenden materiellen und finanziellen Ressourcen das Repertoiresystem mit wechselnden Vorstellungen, täglichen Proben und Vorstellungsauf- und -abbau überhaupt zu vereinbaren mit dem Begriff der Nachhaltigkeit?

Die Sehnsucht nach Einfachheit entsteht aus einem Überangebot an Dingen, Materialien und ihrer Verschwendung. Diese Einfachheit, die in den kleinen Dingen steckt, wenn du nur deinen Blickwinkel änderst, eröffnet neue Dimensionen der künstlerischen Produktivität. Offen bleiben für den Prozess.

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