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Fast Forward Schau junger Theaterideen kein Trendsetter
Das Lied als dröhnende Waffe: Die ungarische Produktion „Singing Youth“ von Judit Böröcz, Bence György Pálinkás, Máté Szigeti beim Dresdner Fast Forward Festival
Schau junger Theaterideen, kein Trendsetter
Frei von Corona-Auflagen fand das Dresdner Fast Forward Festival zu inspirierender Atmosphäre und wachem Live-Publikum zurück
Von Michael Bartsch
Die Vergaberichtung des Publikumspreises beim diesjährigen Fast Forward Festival junger europäischer Regie hätte man auch umkehren können. Das Publikum selbst hätte einen Preis verdient. Das oft als bräsig geltende Dresden hat also auch ein Potenzial junger und kompetenter Theatergänger aufzuweisen! Gefühlt lag ihr Altersdurchschnitt unter 30 Jahren. Sie füllten nicht nur in erfreulicher Zahl die Säle des Kleinen Staatsschauspiel-Hauses oder des Festspielhauses Hellerau. Auch ihre Gespräche zeugten von erstaunlicher Kenntnis und Leidenschaft, folglich von Risikobereitschaft und Urteilsvermögen. Denn in Hellerau gab es auch eine Abstimmung mit den Füßen. Der Schwund betraf den schwedischen Beitrag „Mute Compulsion“ von Karl Sjölund. An sich eine hübsche Idee, mangels Ressourcen mit der Abschlussarbeit seiner Regieausbildung auf Low-Budget-Improtheater auszuweichen. Aber dieser Impetus verlor sich zunehmend in kaum noch dechiffrierbaren kryptischen Sphären.
Man kann darüber spekulieren, ob diese Präsenz hoffnungweckenden Publikumsnachwuchses den äußerlich günstigen Umständen zuzuschreiben ist. Nicht denen der bedrohlichen Weltlage, die zumindest indirekt auch in dieses Festival hineinwirkte. Kuratorin Charlotte Orti von Havranek sprach bei der Eröffnung denn auch von den „alten Illusionen, die als dünnes Brett über den Katastrophen dieser Welt liegen“. Aber ihre Sichtung von mehr als 200 Inszenierungen in ganz Europa hat sich nach zwei Jahren der Pandemie-Provisorien insofern besonders gelohnt, als alle acht Wertungsbeiträge endlich wieder live und in Festivalatmosphäre zu sehen waren. Für den konfliktfreien Ablauf dieser vier Tage gab es zum Abschluss am 13. November langen Applaus.
Den Publikumspreis erhielt an diesem Abend aber nicht das Publikum, sondern der Deutschspanier Marc Villanueva Mir für sein Mitmachspiel „El Candidato“. Der Theater- und Literaturwissenschaftler hat ein politisches Strategiespiel weiterentwickelt, das 1968 in Frankreich als „Djambi“ oder „Machiavellis Schachbrett“ bekannt wurde. In das Zimmertheater des Dresdner „Hole of Fame“ passen zwar nur drei Spieltische zu je acht Personen. Aber die geistreich-ironische Spielleitung ließ das Votum schon erwarten.
Vier Parteien streben im Spiel nicht einmal zuerst nach der Macht, sondern nach der Vernichtung ihrer Gegner. Auf schachbrettartig gemusterten Pflastersteinen ziehen Spitzenkandidat oder -kandidatin, Provokateur, Journalist, Totengräber und „Parteisoldaten“ gegeneinander. Für ihre erfolgreiche Liquidierung gibt es einen Belohnungsschnaps von der Theke. Politische Bildung der makabren Art.
Fast Forward hat sich nie an enge Genregrenzen gehalten. Auch die diesjährigen Hauptpreisträgerinnen, fünf vehemente junge Damen aus Litauen mit der kaum 29-jährigen Regisseurin Laura Kutkaité, verbinden Klassik, Kabarett, Show und biografische Berichte. Den antiken Sirenen entgehen bekanntlich nur Orpheus und Odysseus. Mit der homerischen Urrolle der Verführerinnen steigt eine Vierergruppe zunächst auch ein und transportiert sie ins Milieu von Theater und Film. Männer morden sie allerdings nicht, sondern verfallen unmerklich und schließlich drastisch geschildet in die Kehrseite der Wirkung auf das vermeintlich „starke Geschlecht“, in die Opferrolle, ins titelgebende „Silence of the Sirens“.
Anfangs lacht man noch über satirische Klagen über Selbstausbeutung und karge Honorare, ja über künstlerische Prostitution am Theater oder am Set, über Sätze wie „Im Theater gibt´s kein Geld“. Erst allmählich begreift man, dass sich darunter immer alarmierender die „Me-Too-Problematik” mischt. Später so bestürzend, dass einige junge Frauen die Vorstellung verlassen. Besoffene Dozenten schon an der Hochschule, dann demütigende Castings, schließlich sexuelle Übergriffe. Die Umkehrung der