WELCHER MEHRWERT MEHR WERT IST „Die beiden Pole der globalisierten Medienwelt sind ‚public value‘ und ‚shareholder value‘. Welcher Mehrwert da mehr wert ist, ist eine Frage des jeweiligen Wertekanons.“ Fritz Wendl, Redakteurssprecher Der Begriff „Public Value“ stammt bekanntlich ursprünglich aus der Ökonomie und wurde vom HarvardProfessor Mark Moore entwickelt, um die Effizienz öffentlicher Einrichtungen genauer zu bestimmen. Dass der Begriff in seiner Ursprünglichkeit also nur bedingt für öffentlich-rechtlichen Rundfunk taugt, ist so offensichtlich wie der Unterschied zwischen Beamtentum und Medienmachen im Allgemeinen und Journalismus im Besonderen. Was allerdings nichts daran ändert, dass ORF-Journalist/-innen mit nichts weniger Probleme haben (können/dürfen), als mit dem alltäglichen, geradezu zwangsläufigem Produzieren von öffentlich-rechtlichem Mehrwert. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit nämlich von existenzieller Bedeutung. Natürlich darf man auch von Journalist/-innen, die bei nicht-öffentlich-rechtlichen Medien arbeiten, erwarten, der besonderen Rolle vorbildhaft zu entsprechen, die Medien in der Gesellschaft zukommt, und viele sind darum auch aufrichtig bemüht. Aber die internationale Medienlandschaft verändert sich rasant. Samt entsprechenden Auswirkungen hierzulande. Und so gibt es immer mehr Medienbetreiber, für die Medienmachen bloß ein Geschäftszweig wie jeder andere ist. Dazu kommt: Vielen österreichischen Medienunternehmen geht es wirtschaftlich schlecht bis elendiglich – auch solchen, für die Medienerzeugung ein Handel mit Waren aller Art ist. Und so gibt es immer weniger Schranken gegen die weitere Verluderung verluderter Mediensitten, denn geht’s einem Unternehmen nicht gut, wird an die
Mitarbeiter appelliert, „in eigenem Interesse" auf Skrupel zu verzichten. So etwas führt zu Lohndumping, zur Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen und kann bei Journalist/-innen dann auch Verzicht auf journalistisches Rückgrat bedingen. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk kann sich das, weil er sonst seine ureigenste Legitimation verlöre, niemals leisten. Und geht’s ihm ökonomisch auch noch so schlecht. Was allerdings nichts am Grundsatz ändert, dass man sich journalistische Freiheit, samt der Freiheit zu Kritik, Anständigkeit usw. auch finanziell leisten können muss. Für Journalist/-innen in einem öffentlich-rechtlichen Medium steht das eindeutig fest. Das heißt aber noch lange nicht, dass deshalb die Bedingungen – vom ORF-Gesetz, über das ORFRedakteursstatut, bis zu Budgets – unter denen der tagtägliche öffentlich-rechtliche Mehrwert geschaffen wird, nicht (reichlich) verbesserungsbedürftig wären. Also forderten und fordern die ORF-Journalist/-innen – nicht immer unbedingt im Einklang mit der jeweiligen Geschäftsführung – immer wieder (auch 2007, u.a. in mehreren Gesprächen mit MedienpolitikerInnen) ordentliche, umfassende mediengesetzliche Rahmenbedingungen. Kommen die nicht, bedeutet das nicht nur eine Verzerrung der Wettbewerbsverhältnisse, sondern auch eine weitere Verwüstung der Medienlandschaft, den Verzicht auf jegliche Qualitätskriterien in der Medienpolitik. Denn fesselt man einen und düngt zugleich den Wildwuchs aller andern, darf man nicht erwarten, dass der Gefesselte es auch noch fertig bringt, das Unkraut im Wildwuchses zu bändigen. Fritz Wendl