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ÖFFENTLICHKEIT STATT ZIELGRUPPEN „Es müssen nicht Reflexe angesprochen und ausgenützt werden, sondern es muss zur Möglichkeit der Reflexion angeregt werden. Und deshalb sind öffentlich rechtliche elektronische Medien so wichtig.“ Rainer Rosenberg Jedes Semester versuche ich neuen Studierenden das Wesen des Mediums Radio näher zu bringen. Die Geschichte, den Zwiespalt zwischen Unterhaltung und Information, den Sündenfall der Propaganda. Und immer wieder geht es um das Ziel „Öffentlichkeit herzustellen“. Das mag gut und schön sein, die Frage bleibt aber: Wofür? Öffentlichkeit herstellen für Werbekunden, die wohlabgepackte Hörer/-innengruppen als Pakete von unterschiedlichen kommerziell orientierten Sendern geliefert bekommen, oder aber soll für gesellschaftliche Vorgänge Öffentlichkeit geschaffen werden, die erst Demokratie ermöglicht, weil nur eine wohlinformierte Öffentlichkeit wirklich politische Entscheidungen treffen kann, uninformierte Menschen hingegen eher nur reflexartig, stereotypenabhängig Entscheidungen treffen können. Deshalb sind Medien, die in öffentlichem Interesse arbeiten, und Demokratie untrennbar miteinander verbunden. Dies hat zunächst nichts damit zu tun, wie diese Medien organisiert sind: Jedenfalls sollten sie in ihrer Berichterstattung staatsfern sein, dem Publikum sollten sie mehr verpflichtet sein als den Kapitalgebern, frei sollten sie sein, unter anderem in dem Sinne, dass die Mitarbeiter/-innen frei berichten können, Kommentar und Bericht sollten unterscheidbar sein, Werbung als solche erkennbar... Wie gesagt, das hat nichts mit der Organisationsform zu tun, sondern mit der Qualität des jeweiligen Mediums.


Wir nähern uns der Frage des „Wertes für die Öffentlichkeit“, und das macht Kriterien klar, nach denen Medien zu beurteilen sind. Als Journalist, der vor allem für Sendungen im Programm Ö1 zuständig ist, habe ich es in diesem Punkt leicht. Hier muss nicht viel argumentiert werden, warum Ö1 Wert für die Öffentlichkeit hat, die jahrelange Aufwärtsentwicklung bestätigt dieses Kultur- und Informationsprogramm zusätzlich, immer wieder dient es zur „Gebührenlegitimation“ des ORF. So aber wird die Legitimation absolut unvollständig gesehen, nämlich von der Produktseite und nicht von der Seite der Hörerschaft: Natürlich braucht eine gebildete, politik- und kulturinteressierte Gesellschaft ein Programm wie Ö1, aber für die Demokratie, für das Wechselspiel von Öffentlichkeit und Politik sind Programme für die gesamte Gesellschaft notwendig, die möglichst alle Wähler/-innen und selbst die Noch-nicht-Wählenden ansprechen, da müssen die gesellschaftlichen Diskurse verlaufen, muss informiert werden. Denn schon in ihrer Tradition haben Printmedien und elektronische Medien gravierende Unterschiede: Stehen Zeitungen mehrheitlich in der Tradition der Aufklärung und des Kampfes um die Pressefreiheit, haben die elektronischen Medien – wie schon angedeutet – eine völlig andere Tradition. Gibt es im Printbereich fraglos zahlreiche marktorientierte Qualitätszeitungen, so sind es im elektronischen Bereich zumindest in Europa die öffentlich-rechtlichen Programmproduzenten/-innen, die die Qualitätsmaßstäbe gesetzt haben und noch immer setzen, schließlich ist hier das Bonmot unwiderlegt: Kommerzielle Anbieter brauchen Programme, um Geld zu machen, öffentlich-rechtliche brauchen Geld, um Programm zu machen – damit sie für die gesamte Öffentlichkeit da sein können, für alle die an der Demokratie teilhaben sollen. Rainer Rosenberg, Leiter Spezialprogramme, ORF Radio, Lehrbeauftragter am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien


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