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PUBLIC VALUE

TEXTE 24

BETRIFFT: CORONA

ÖFFENTLICH-RECHTLICHE QUALITÄT IM DISKURS

MEDIENQUALITÄT IN ZEITEN VON CORONA


PUBLIC VALUE 2020

DIE 5 QUALITÄTSDIMENSIONEN INDIVIDUELLER WERT

GESELLSCHAFTSWERT

ÖSTERREICHWERT

VERTRAUEN SERVICE UNTERHALTUNG WISSEN VERANTWORTUNG

VIELFALT ORIENTIERUNG INTEGRATION BÜRGERNÄHE KULTUR

IDENTITÄT WERTSCHÖPFUNG FÖDERALISMUS

INTERNATIONALER WERT

UNTERNEHMENSWERT

EUROPA-INTEGRATION GLOBALE PERSPEKTIVE

INNOVATION TRANSPARENZ KOMPETENZ

Public Value, die gemeinwohlorientierte Qualität der öffentlich-rechtlichen Medienleistung des ORF, wird in insgesamt 18 Kategorien dokumentiert, die zu fünf Qualitätsdimensionen zusammengefasst sind. Mehr dazu auf zukunft.ORF.at.

HERAUSGEBER UND HERSTELLER: Österreichischer Rundfunk, ORF Würzburggasse 30, 1136 Wien

DESIGN: ORF Marketing & Creation GmbH & Co KG FÜR DEN INHALT VERANTWORTLICH: ORF-Generaldirektion Public Value

1. Auflage, © ORF 2020 Reaktionen, Hinweise und Kritik bitte an: zukunft@ORF.at

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– gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse” des Österreichischen Umweltzeichens, ORF Druckerei, UW 1237


CORONA ALS BEWÄHRUNGSPROBE DER MEDIEN Welche Folgen hat die weltweite Pandemie für die Medien, insbesondere für die Qualitätsmedien? Haben sie angesichts der ebenso ­unerwarteten wie außerordentlichen Herausforderungen standgehalten? Sind sie ­ihrem Selbstverständnis als „4. Gewalt“, die Regierung und Macht kontrolliert, gerecht geworden? Haben öffentlich-rechtliche Medien ihren Auftrag erfüllt? Waren sie glaubwürdig, zuverlässig und nützlich? Und nicht zuletzt: Was lässt sich aus der monatelangen und nach wie vor andauernden Krise etwas lernen? Wie können und sollen Qualitätsmedien in Zukunft auf derartige Szenarien reagieren? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die aktuelle Sonderausgabe der PUBLIC VALUE TEXTE. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber auch maßgebliche Chefredakteure aus ORF und NDR erörtern von unterschiedlichen Standpunkten aus die Kompetenz der Medien in Zeiten der Krise. Einige der in diesem Heft vorliegenden Beiträge wurden bereits im Frühjahr verfasst, andere in den letzten Sommertagen 2020. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Annäherungen, die Meinungen, die ­Perspektiven. Für die Medien könnte die verheerende Krise der letzten Monate jedenfalls auch eine Gelegenheit zur Selbstreflexion und Lern­ fähigkeit darstellen. In diesem Sinn wünschen wir allen Leser/innen eine nicht nur aktuell fundierte, sondern zukunftsorientierte Lektüre. Wie immer finden Sie die Beiträge dieser Ausgabe, PDFs aller vorangegangenen Editionen der PUBLIC VALUE TEXTE sowie zahlreiche weitere Zahlen, Daten und Fakten zu Public Value, zu öffentlich-rechtlicher Medienproduktion auf zukunft.ORF.at.

KONRAD MITSCHKA

KLAUS UNTERBERGER

ORF GENERALDIREKTION PUBLIC VALUE


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INHALT 5

„ALLES SEHR UNKLAR UND NEU ...“ DR.IN BEATE GROSSEGGER, INSTITUT FÜR JUGENDKULTURFORSCHUNG

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KRISE, ABER DIESMAL WIRKLICH DR. STEFAN GADRINGER, UNIVERSITÄT SALZBURG

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ZEIGEN, NICHT ERKLÄREN! DR.IN ANGELIKA SIMMA-WALLINGER, MSC, FH VORARLBERG

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WO DER PROFESSOR RUND UM DIE UHR „HALLO!“ SAGT ANDREAS CICHOWICZ, CHEFREDAKTEUR NDR FERNSEHEN

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DATEN, MODELLE UND MEDIEN DR. NIKI POPPER, TECHNISCHE UNIVERSITÄT WIEN & DWH GMBH

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MÄRZENBECHER UND ­TRANSISTORRADIO MATTHIAS SCHROM, CHEFREDAKTEUR DER ORF 2-INFORMATION

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BERICHTERSTATTUNG IM ­AUSNAHMEZUSTAND HANNES AIGELSREITER, ORF-RADIOINFORMATION

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ZAHLEN ZUM ORF IM ZUSAMMENHANG MIT CORONA (AUSWAHL)

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ORF-LANDESSTUDIOS ESSENZIELL IN DER KRISE LISA STADTHERR, BA BA MA UND PAUL SCHMIDINGER, MA, FH CAMPUS WIEN

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ENGAGIERTES BEKENNTNIS ZUM PUBLIC SERVICE PROF.IN DR.IN MARLIS PRINZING, MACROMEDIA HOCHSCHULE KÖLN

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ÖFFENTLICH-RECHTLICHE SIND NICHT BLOSS LAUTSPRECHER PROF.EM ROGER BLUM, UNIVERSITÄT BERN

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VON DER BERICHTERSTATTUNG IN KRISENZEITEN ZUR KRISE DER BERICHTERSTATTUNG? UNIV.-PROF.IN DR.IN LARISSA KRAINER, UNIVERSITÄT KLAGENFURT

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DER RITT AUF DER RASIERKLINGE UNIV.-PROF. DR. WOLFGANG DUCHKOWITSCH, UNIVERSITÄT WIEN

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„ALLES SEHR UNKLAR UND NEU ...“ CORONA-NEWS AUS SICHT DES JUNGEN WEIBLICHEN PUBLIKUMS DR. IN BEATE GROSSEGGER INSTITUT FÜR JUGENDKULTURFORSCHUNG

Die Corona-Krise ist zweifellos eine epocheprägende Erfahrung, vor allem für junge Menschen. Durch den Corona-Shutdown im Frühjahr 2020 wurden sie nahezu über Nacht aus ihrem gewohnten Leben herausgerissen. Social Distancing, Home Learning und Teleworking veränderten ihren Alltag radikal. Die Angst vor Verzögerungen in ihren Bildungsbiographien, wachsender Arbeitslosigkeit und einer möglicherweise drohenden Weltwirtschaftskrise grub sich in die Köpfe der österreichischen Jugend ein. Auch in Sachen Mediennutzung Jugendlicher und junger Erwachsener hinterließ Covid-19 deutliche Spuren. WhatsApp, TikTok und Co. schienen vielen zunächst ein Rettungsanker in der sozialen Isolation. Doch schon bald verdichtete sich das Gefühl, dass Social Media den direkten persönlichen Kontakt mit FreundInnen nicht ersetzen können. Selbst eingefleischte Social-Media-Kids fühlten sich in den eigenen vier Wänden eingesperrt und von der Gesellschaft der Altersgleichen entkoppelt. In gaming-affinen Milieus stieg der Videospiel-Konsum im CoronaShutdown markant an. Zeitgleich tat sich bei jungen MediennutzerInnen im Bereich der klassischen Medien, also TV, Radio und Tageszeitung, etwas Unverhofftes. Das breite junge Publikum entdeckte in der Akutphase des Shutdown den Qualitätsjournalismus für sich. Das Interesse an aktuellen News über das Coronavirus wie auch über politische Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie war vor allem zu Beginn der Krise, im März und April 2020, enorm – auch und gerade bei jungen Frauen, die, wie die Jugendmedienforschung zeigt, normalerweise nicht Kernzielgruppe tagesaktueller Nachrichten sind. EIN KURZER RÜCKBLICK: NEWS VOR DER KRISE Herbst 2019: Die österreichische Nationalratswahl war geschlagen. Die Jugendforschung hatte Daten zum Interesse an politischer Information in den Medien erhoben und diese bestätigten einmal mehr, was JugendforscherInnen und MedienmacherInnen bereits wussten: Das Vertrauen junger Menschen in die Politik ist gering. Nur eine kleine Minderheit bezeichnet Politik als persönlich sehr wichtigen Lebensbereich. Viele

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J­ugendliche und junge Erwachsene gehen zu Politik klar auf Distanz.1 Und auch Nachrichten in Tageszeitung, Fernsehen und Radio stehen zunehmend mehr junge Menschen distanziert gegenüber.2 Bei jungen Frauen zeigt die Forschung insgesamt ein noch geringeres Politikinteresse als bei jungen Männern. Ausgenommen vor Wahlen artikulieren junge Frauen auch vergleichsweise geringeres Interesse an politischer Information, sprich: eine, gemessen an ihrem aktiven Interesse an Nachrichten über aktuelle politische Ereignisse in Österreich und der Welt, geringere Politik-News-Affinität.3 Im Herbst 2019 gab – trotz Aktualitätsbezug der österreichischen Nationalratswahl – lediglich ein Fünftel der jungen Frauen im Alter von 16 bis 29 Jahren (20%) an, über die politischen Ereignisse in Österreich und der Welt immer topaktuell informiert sein zu wollen. 31% zeigten zwar vor Wahlen und am Wahltag Interesse an aktuellen politischen News, nach der Wahl ließ ihr Interesse aber schnell nach. Rd. jede zweite 16bis 29-jährige ging zu aktueller politischer Information in redaktionellen Medien hingegen völlig auf Distanz.4 Als Hauptgrund nannten die jungen Frauen übrigens nicht, wie man vielleicht vermuten würde, einen Mangel an politischer Bildung bzw. fehlendes Vorwissen, um die berichteten Ereignisse einordnen zu können. Auch Argumente, die auf eine Entfremdung von redaktionellen Medien schließen lassen, standen nicht im Zentrum. Vielmehr argumentierten sie vor dem Hintergrund eines tiefgreifenden Vertrauensverlustes in die Institutionenpolitik: Junge Frauen aus der Gruppe der News-Distanzierten sehen die politische Kultur überaus kritisch und machen daher von ihrem demokratischen Recht, politisch desinteressiert zu sein, Gebrauch. Politik-Entfremdung und News-Distanz gehen bei ihnen Hand in Hand.

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Institut für Jugendkulturforschung/tfactory: Jugendwertestudie 2019, Wien, 2019; Deutsche Shell (Hg.): Jugend 2019. Eine Generation meldet sich zu Wort, Weinheim: Beltz, 2019

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vgl. fög – Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft/Universität Zürich (Hg.): Qualität der Medien. Bedeutungsverlust traditioneller Newsmedien und die Entstehung neuer Nutzungsmuster – wie Digitalisierung Newsrepertoires verändert. Reihe Studien 1/2019, Zürich, 2019

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Deutsche Shell (Hg.): Jugend 2019. Eine Generation meldet sich zu Wort, Weinheim: Beltz, 2019, S. 14; Institut für Jugendkulturforschung: Generation Rückzug? Jugend vor Corona. Tabellenband, Wien, 2020, S. 11ff

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Diese jungen Frauen reihen sich in die Gruppe der Hard-News-Avoider und Entkoppelt-News-Deprivierten ein, vgl. Institut für Jugendkulturforschung: Generation Rückzug? Jugend vor Corona, Wien, 2020

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20% interessierte Info-Nutzerinnen, der Rest Gelegenheits-Info-Scannerinnen und News-Distanzierte – vor allem für öffentlich-rechtliche Medien, deren Auftrag die informative Grundversorgung ist, bedeutet dies eine Herausforderung. Man muss nichts beschönigen: Vor der Krise war Informationsqualität im öffentlich-rechtlichen Kontext für einen Gutteil des jungen weiblichen Publikums wenig greifbar oder zumindest wenig lebensweltrelevant. Doch dann kam Covid-19 und plötzlich war alles anders. Die Corona-Krise erhöhte schlagartig den Bedarf an Qualitätsinformation und, wie die Forschungsdaten zeigen, konnten dabei vor allem öffentlich-rechtliche Angebote punkten. „SITUATION MATTERS“: DIE CORONA-KRISE VERÄNDERT ­ZUMINDEST KURZFRISTIG DAS INFORMATIONSVERHALTEN ­JUNGER FRAUEN Die Covid-19-Pandemie traf uns so unerwartet, für viele war dies ein echter Schock: auch und gerade für junge Menschen. Der Shutdown gab uns allen Zeit zum Nachdenken. Junge Frauen taten dies ausgiebig, und zwar ausgehend von ihrer persönlichen Betroffenheit. Direkt darauf angesprochen, wie es ihnen in der aktuellen Situation denn gehe, kamen Statements wie „Ich weiß nicht, was ich glauben soll ...“ (weiblich/25 bis 29 Jahre/Region West/niedrige und mittlere Bildung), „Ungewissheit ist das größte Übel“ (weiblich/25 bis 29 Jahre/Region Süd/höhere Bildung) oder „Alles sehr unklar und neu“ (weiblich/25 bis 29 Jahre/Region West/ niedrige und mittlere Bildung).5 Es waren viele und zum Teil sehr unterschiedliche Fragen, die die jungen Frauen beschäftigten, etwa: • Was hat zur Corona-Krise geführt? (im Wording eher verschwörungstheoretisch Gesinnter: Wer ist an der Corona-Krise schuld? oder in differenzierterer Betrachtung: Welche politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben die Krise begünstigt?) • Was tun EntscheidungsträgerInnen, um uns aus dieser Krise möglichst rasch wieder herauszuführen? • Welche Corona-Maßnahmen wurden beschlossen, welche kommen noch auf uns zu, für wen und wo sind sie gültig und was bedeuten sie für mich und meinesgleichen?

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Institut für Jugendkulturforschung: Jugend Frauen und Corona (Eigenstudie – laufendes Projekt), Wien, 2020

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• Was erwartet mich: Wie sehr bringt die Krise meinen Lebensplan durcheinander? Wie wird sich mein Leben durch die Corona-Krise verändern? Und wie wird sich unsere Gesellschaft verändern? • Was ist mein ganz persönlicher Beitrag zur Bewältigung der Krise? Kann ich überhaupt einen Beitrag leisten? Und: Will ich einen Beitrag leisten? • Aber auch: Was ist mit den Medien? Berichten sie objektiv, verheimlichen sie etwas, schüren sie Angst, liefern sie wirklich die Informationen, die ich brauche, um mir ein Bild von der Situation machen zu können? Das Interesse an aktueller Information über das Coronavirus wie auch über politische Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wuchs. Zugleich waren sich zunächst viele nicht sicher, wie ehrlich und umfassend die Politik informiert. „Ich glaube, dass uns die Politik über das wahre Ausmaß der Corona-Pandemie im Unklaren lässt“, meinte zu Beginn der Corona-Krise jede zweite 16- bis 29-jährige (53%). Und so wandte sich das junge weibliche Publikum dem Qualitätsjournalismus zu. Die Suche nach Antworten auf ihre Fragen zu Covid-19 und den Folgen führte die jungen Frauen zu Medien, die vor der Krise keine herausragende Rolle im Medienrepertoire junger Zielgruppen gespielt hatten: allen voran dem ORF. In Zusammenhang mit klassischen Informationsformaten in Fernsehen, Radio und Tageszeitung nannten zu Beginn der Corona-Krise, im März und April 2020, zwei von drei jungen Frauen (65%), die sich auf eine besonders glaubwürdige Hauptinformationsquelle festlegten, Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als ihre Hauptinformationsquelle zu Corona, wobei ihre Präferenz erwartungsgemäß in Richtung TV-Information ging (ORF-Fernsehen als Hauptinformationsquelle in der Corona-Krise: 53% Nennungen).6 Freilich legten sich nicht alle auf eine bevorzugte Medienmarke in der Corona-Krise fest. Angesichts der hochdifferenzierten Medienlandschaft mit enormer Informationsdichte und hohen Dynamiken krisenbezogener Breaking News ist das nur zu verständlich. Für so manche war auch im Corona-Shutdown ein informationsorientiertes Switchen zwischen den Angeboten und Anbietern Alltagsroutine: 15% der jungen Frauen gaben an, spontan nicht sagen zu können, welches Medium für sie im Shutdown die persönlich wichtigste Info-Quelle zum Corona-Virus und zu den Corona-Maßnahmen sei.7 6

Institut für Jugendkulturforschung: Generation Corona. Tabellenband, Wien, 2020, S. 7

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Institut für Jugendkulturforschung: Generation Corona. Tabellenband, Wien, 2020, S. 5

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Jedoch unabhängig davon, ob sie eine persönliche Hauptinformationsquelle in der Corona-Krise nannten oder sich aus dem breiten Informationsangebot ihren persönlichen Info-Cocktail mixten, haben 70% der jungen Frauen ORF-Fernsehen, 31% ORF-Radio und 32% orf.at in ihren persönlichen Corona-Info-Cocktail integriert. Social Media spielten zu Beginn der Corona-Krise in den Info-Menüs junger Frauen ebenfalls eine wichtige Rolle: 54% der 16- bis 29-jährigen Österreicherinnen nannten Social Media als eine der für sie persönlich relevanten Info-Quellen über das Corona-Virus und seine Folgen. Wenn auch mit deutlichem Abstand liegen Social Media im Ranking der genutzten Info-Angebote damit an zweiter Stelle nach ORF-TV-Information.8 Alles in allem setzten junge Frauen erstaunlich stark auf redaktionelle Angebote in Fernsehen, Radio und TV. Dennoch blieb jede fünfte junge Frau im Alter von 16 bis 29 Jahren (21%) auch in der Akutsituation des Corona-Shutdown zu redaktionellen News-Medien auf Distanz.9 Vor allem für diejenigen, die den Corona-Shutdown als persönliche Krise erlebten, war Informationsvermeidung eine Strategie, um Ängste abzuwehren oder sich nicht noch stärker verunsichern zu lassen. Sie entschieden sich gegen Breaking News – häufig mit dem Argument: „Mittlerweile bin ich durch die andauernd schlechten Nachrichten nur mehr genervt.“ (weiblich/20 bis 24 Jahre/Region West/höhere Bildung) In einem Punkt war sich die breite Mehrheit des jungen weiblichen Publikums jedenfalls einig: In der Krise sind Boulevard-Medien nicht der richtige Info-Partner. 83% der 16- bis 29-jährigen jungen Frauen waren der Ansicht, dass reißerische Boulevard-Berichterstattung in der Bevölkerung Panik schüre.10 Und Panik wollten sie nicht. Sie hielten vielmehr Ausschau nach Informationen, die ihnen ein ungefähres Einschätzen der Situation ermöglichte, was zumindest ein klein wenig die Illusion stützte, dass man alles sicher im Griff habe.

8 Institut für Jugendkulturforschung/tfactory: Jugendwertestudie 2020: Der CoronaReport. Tabellenband, Wien, 2020, S. 23 9

Bei jungen Männern liegt der Anteil mit 28% Nennungen sogar noch höher; Institut für Jugendkulturforschung: Generation Corona. Tabellenband, Wien, 2020, S. 5

10 Dementsprechend spielen Boulevardmedien wie die Kronen Zeitung (print und online), Österreich (print und online) und Heute (print und online) als Info-Partner im Corona-Shutdown eine unbedeutende Rolle; vgl. Institut für Jugendkulturforschung/ tfactory: Jugendwertestudie 2020: Der Corona-Report. Tabellenband, Wien, 2020, S. 18 und S. 23

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IN DER KRISE VERSCHIEBEN SICH MEDIENFUNKTIONEN: WIE JUNGE FRAUEN DIE CORONA-BERICHTERSTATTUNG ERLEBEN Corona-News funktionieren anders als klassische tagesaktuelle Nachrichten, das zeigt sich sehr deutlich, wenn man sich näher damit beschäftigt, wie junge Frauen die Corona-Berichterstattung erleben bzw. was sie sich von ihr erwarten. Interessant zu beobachten ist, wie sich aus Sicht des jungen weiblichen Publikums Medienfunktionen im NewsBereich in der Krise verschieben. Der Shutdown wird von jungen Frauen als Ausnahmesituation gesehen. Alles ist anders, gewohnte Routinen sind außer Kraft gesetzt. Erfahrungen, die bislang als Richtschnur zur Alltagsbewältigung dienten, scheinen entwertet. Im Shutdown geht es jungen Frauen daher allem voran um persönliche Orientierung. Die Kritik- und Kontrollfunktion, eine Leistung redaktioneller Medien in demokratisch organisierten Gesellschaften, die die Kommunikationswissenschaft klassischerweise in der tagesaktuellen Berichterstattung verortet, oder die Artikulationsfunktion, durch die Medien den Interessen wenig gehörter und/oder kritischer Gruppen öffentlich Gehör verschaffen, treten in den Hintergrund. Qualitätsjournalismus wird für junge Frauen vielmehr zum persönlichen Wegweiser durch den Shutdown: Was bedeutet die Krise für mein Leben? Wie wirkt sich die Krise auf Arbeitsmarkt und Wirtschaft aus und was bedeutet dies für meine Zukunftschancen? Welches Risiko habe ich, zu erkranken? Wie schütze ich mich und mir nahestehende Menschen vor Covid-19? Von Corona-News erwarten sich junge Frauen Informationen, die es ihnen ermöglichen, sich in der Krise zu orientieren, und die dem Gefühl des Kontrollverlustes damit zumindest ein klein wenig entgegenarbeiten. Worum es also zunächst ging, war, sich im Ausnahmezustand des Shutdown zurechtzufinden. Dabei standen u.a. auch praktische Fragen im Vordergrund, beispielswiese die Frage, was man darf und was man nicht darf. Hier gab es gegenüber den Medien, vor allem aber gegenüber den politischen EntscheidungsträgerInnen auch Kritik: „Ich fühle mich uninformiert. Die Medien erzählen von den Gesetzesentscheidungen der Regierung, jedoch ohne Details, einfach weil die Regierung keine Details äußert. Irgendwie fürchte ich mich auch, rauszugehen, weil ich mit einer Anzeige der Polizei rechnen kann.“ (weiblich/16 bis 19 Jahre/Region Mitte/höhere Bildung) Wenig später rückte die Frage, was man tun soll und worauf man besser verzichtet, in den Fokus, Stichwort: solidarisch-eigenverantwortliches Verhalten. Nun kommt die vielzitierte (wenngleich angesichts wach-

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sender gesellschaftlicher Differenzierung heute oftmals als nicht mehr zeitgemäß aufgefasste) Integrationsfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum Tragen. Der ORF informierte nicht nur über CoronaMaßnahmen, sondern appellierte auch an die österreichische Bevölkerung und sprach sie als Corona-Schicksalsgemeinschaft und „Team Österreich“ an: mit der klar adressierten Bitte, Loyalität gegenüber den mit den Corona-Maßnahmen verbundenen Verhaltensnormen zu zeigen.11 Und die jungen Frauen zogen mit: 96% der 16- bis 29-jährigen ÖsterreicherInnen vertraten die Ansicht, dass jede und jeder Einzelne einen Beitrag leisten müsse, um die Corona-Epidemie einzugrenzen.12 Dann aber kam die Beendigung der Ausgangsbeschränkung und der Aufbruch in die so genannte „neue Normalität“. Und die Voraussetzungen für die Corona-Berichterstattung änderten sich. HERAUSFORDERUNGEN FÜR NACHRICHTENMACHERINNEN AM WEG IN DIE „NEUE NORMALITÄT“ Nach dem Shutdown folgten erste Lockerungen der Corona-Maßnahmen, die uns Schritt für Schritt zurück in die neue Normalität führen sollten. Je länger dieses Zurück dauerte, desto stärker veränderte sich das Stimmungsbild in der Bevölkerung. Wie die Ergebnisse des Corona-Panel der Universität Wien zeigen, ging in den Folgemonaten des Shutdown sowohl das Vertrauen in die Politik bzw. die politischen AkteurInnen, die von der Bevölkerung als zuständige KrisenmanagerInnen angesehen werden, als auch das Vertrauen in den ORF zurück.13 Die Menschen, vor allem die jungen Menschen, waren der Krise müde geworden. Sie suchten Ablenkungen und fanden diese, wie man weiß, zum Teil in wenig corona-risikobewusstem Freizeitverhalten. Kritik kam am Krisenmanagement, das manchen zu sehr nach dem Motto „Machen wir mal, dann sehen wir schon“ zu laufen schien. In der medialen Berichterstattung wurde das Corona-Thema nun auch mehr und mehr von anderen tagesaktuellen Themen überlagert. In der Berichterstattung über 11 Zur Integrationsfunktion siehe Burkart, Roland: Kommunikationswissenschaftliche Grundlagen und Problemfelder. Umrisse einer interdisziplinären Sozialwissenschaft (4., überarbeitete und aktualisierte Auflage), Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2002, S. 388 12 Institut für Jugendkulturforschung: Generation Corona. Tabellenband, Wien, 2020, S. 9 13 Kowarz, Nikolaus; Pollak, Markus: Wer vertraut dem Staat? Institutionenvertrauen in Zeiten von Corona, Blog-Beitrag im Corona-Blog der Universität vom 29.7.2020 (https:// viecer.univie.ac.at/corona-blog/corona-blog-beitraege/blog70/; Zugriff am 4.8.2020)

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Corona-Maßnahmenpolitik ließ sich schon bald wieder jenes gewohnte Politik-Hickhack beobachten, welches junge Frauen, wie die Forschung zeigt, zu Politik und Politikberichterstattung so oft auf Distanz hält. Nach einem guten halben Jahr Krise ist eine gewisse Erschöpfung und auch Abstumpfung gegenüber dem andauernden Krisenmodus spürbar – in der Gesamtbevölkerung und auch bei jungen Frauen. In den Medien wird nach wie vor ständig über Covid-19 berichtet. Aber plötzlich stehen so viele Info-Puzzle-Teile nebeneinander, dass es zunehmend schwieriger wird, daraus ein in sich geschlossenes, schlüssiges Bild zu kreieren. Während sich der Wissenschafts¬journalismus darum bemüht, aktuelle Erkenntnisse der Coronavirus-Forschung in die Sprache des breiten Publikums zu übersetzen, nehmen kontinuierliche politische Neubewertungen der Corona-Situation und, damit verbunden, Anpassungen der Maßnahmen wie auch diesbezügliche politische Differenzen in der Berichterstattung gefühlt immer mehr Raum ein. Dazu kommen ständig irgendwo aufpoppende Cluster, die die Hoffnung auf ein rasches Ende der Krise schwinden lassen. Die Orientierungsfunktion, die junge Frauen dem Qualitätsjournalismus in der Akutphase des Shutdown zuschrieben, bleibt zweifelsohne auch auf dem Weg in die „neue Normalität“ wichtig. Und dennoch definiert das junge weibliche Publikum den Informationsauftrag nun neu. Viele fühlen sich coronamäßig „overnewsed, but underinformed“. Hier gilt es anzusetzen. Seit Monaten strömt Information zum Corona-Thema unaufhörlich – allzu oft bieten die Corona-News nicht wirklich Neues, sondern „more of the same“. Oder sie setzen das zu Berichtende wie in einem Corona-News-Rap einfach nebeneinander, ohne die Informationen zu kontextualisieren und/oder in ihrer Bedeutung für den Alltag zu bewerten. Damit werden Corona-News für viele irrelevant. Was sich junge Frauen von den Medien wünschen, ist kompetente und kompakte Selektion des für sie persönlich Wichtigen. Für den Qualitätsjournalismus heißt das, die Fragen, die die jungen Frauen in ihrer aktuellen Lebenssituation und zum aktuellen Zeitpunkt der Corona-Pandemie beschäftigen, in den Mittelpunkt zu rücken und aus der Summe der potentiell zu berichtenden News das für das Publikum Relevante herauszufiltern und zu verdichten (wobei sich die Relevanzsetzungen des Publikums situationsbedingt schnell ändern können).

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Die thematischen Bausteine der Corona-Berichterstattung sind dabei ­eigentlich klar: • Politische Maßnahmen interessieren vor allem dann, wenn sie in ihren Konsequenzen für den persönlichen Alltag gezeigt werden. • Aktuelle Daten zur Entwicklung des Infektionsgeschehens vermitteln einen Überblick über die Situation und regen zum Nachdenken über das Leben mit Corona morgen und übermorgen an (wobei hier vor allem auch lokale Szenarien und ihre Folgen für den persönlichen Alltag interessieren, aber auch der Vergleich von Region zu Region – frei nach dem Motto: Wie sieht es bei uns aus und wie geht es den Menschen in anderen Teilen Österreichs?). • Seriöser Wissenschaftsjournalismus und ExpertInneneinschätzungen stehen für fachlich solide Information über Ansteckungsrisiken wie auch mögliche Therapie- und Präventionsansätze (diese Information ist nicht nur interessant, sie dient auch als wichtige Entscheidungsgrundlage im Kontext der viel beschworenen Eigen- und Fremdverantwortung jedes und jeder Einzelnen zur Bewältigung der Corona-Krise). • Service-Information für all jene, die durch Corona in eine schwere persönliche Krise geschlittert sind, bleibt auf dem Weg in die „neue Normalität“ selbstverständlich auch weiterhin wichtig. Darüber hinaus braucht es natürlich Informationsformate, die den Rezeptionsgewohnheiten und Medienästhetiken des jungen weiblichen Publikums entsprechen. Dass sich diese zum Teil völlig anders darstellen als die der guten alten TV-Generation, muss man kaum eigens betonen. •

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KRISE, ABER DIESMAL WIRKLICH DR. STEFAN GADRINGER UNIVERSITÄT SALZBURG

Das neue Jahrzehnt begann mit schwungvollen Ereignissen. Erstmals sollte eine Regierungskoalition zwischen der ÖVP und den Grünen die Weichen für die großen, zukünftigen Herausforderungen stellen. Beispiele wären die Digitalisierung sämtlicher Gesellschaftsbereiche, Reaktionen auf die Klimakrise oder die Aufrechterhaltung der starken Konjunkturlage. Wenige bezweifeln im Jahr 2020, dass sich die Gesellschaft in einem strukturellen Wandel befindet. Gleichzeitig zeigt sich hier auch gleich die Bedeutung einer terminologischen Einordnung bei der Verwendung von Schlüsselwörtern. Betrachtet man den Medien- und Nachrichtensektor, so bezieht sich der strukturelle Wandel vor allem auf konvergierende Produktions- und Distributionskanäle, veränderte Nutzungsmuster und die stärkere Konkurrenz von zuvor weitgehend getrennten Akteuren. Diese Entwicklungen und Trends wurden kontinuierlich durch wissenschaftliche Studien begleitet und beschrieben. Im Jahr 2011 startete das schweizerische Kompetenzzentrum SwissGIS (Swiss Centre for Studies on the Global Information Society der Universität Zürich) ein Forschungsprojekt mit dem Titel „Die Krise der Massenmedien“ (Meier, Bonfadelli, & Trappel, 2012). Damit zeigt sich das negativ konnotierte Wort des Wandels – die Krise. Das schweizerische Forschungsprojekt ging vor allem der Frage nach, ob der strukturelle Wandel und die Folgen der globalen Finanzkrise ab 2008 auch eine Krise der (Nachrichten-)Medien zur Folge hätten. Die Forschungsergebnisse zeigten, dass sowohl Vertreter der Nachrichtenmedien, Regulierungsbehörden und andere medienpolitische Akteure sehr darauf bedacht waren, hier explizit nicht von einer Krise zu sprechen (Wenzel, Gadringer, & Trappel, 2016). Latente Problemfelder wie die nachhaltige Finanzierung von Online-Ausgaben, die Ressourcenkürzungen in den Redaktionen oder journalistische Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten waren keine drängenden Probleme und wurden auf die lange Bank geschoben. Das sollte auch so bleiben und bis dato wenig medienpolitische Reaktionen hervorrufen. Bis zum März 2020, nachdem die COVID-19-Pandemie auch in Österreich drastische Maßnahmen forderte. Der Lockdown war für Österreichs Nachrichtenmedien ambivalent. Selten zuvor war das Nachrichteninteresse und der Bedarf an Information derart hoch. Das Wegbrechen von Werbeschaltungen und damit die finanzielle Grundlage der meisten österreichischen Nachrichtenorganisationen ist jedoch die Kehrseite der Medaille. Und damit ist sie da, eine Krise der Nachrichtenmedien.

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In den jährlichen Berichten des Digital News Report (www.digitalnewsreport.at bzw. www.digitalnewsreport.org) zeigten sich bereits latente Problemfelder in der österreichischen Nachrichtenlandschaft. Die Corona-Pandemie wirkte hier wie ein Brandbeschleuniger und bestrafte auf drastische Weise jene, deren Organisationsstrukturen an einen zunehmend digitaler werdenden Rezipientinnen- und Rezipientenmarkt noch nicht angepasst sind. WEGBRECHENDE WERBEEINNAHMEN UND GERINGE ­ZAHLUNGSBEREITSCHAFT FÜR ONLINE-NACHRICHTEN März 2020, steigende Covid-19-Fallzahlen in Tiroler Wintersportorten und auch in anderen Teilen des Landes, dazu dichter werdende Gerüchte, dass ein kompletter Lockdown erfolgen wird. In dieser Krisensituation ist gut aufbereitete Information essenziell. Die österreichischen Nachrichtenmedien kamen dem auch nach und verzeichneten RekordNutzungszahlen. Am stärksten wurden Rundfunkbeiträge und die jeweiligen Online-Ausgaben genutzt. Die Nutzung letzterer bringt zwar erhöhten App-/Website-Traffic, eine Refinanzierung der eingesetzten Ressourcen ist aber problematisch, weil die meisten Inhalte kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Einnahmen kommen aus dem Verkauf von Online-Werbung bzw. über Querfinanzierung durch andere Distributionskanäle der jeweiligen Nachrichtenmarken (zumeist Print). Die Einnahmen auf dem Werbemarkt sind aufgrund des strukturellen Wandels ohnehin schon rückläufig, zusätzlich wurden Werbeschaltungen in der Lockdown-Zeit massiv reduziert. Am konkreten Beispiel der Werbeeinnahmen für den ORF zeigt sich dieser Rückgang: von 2017 auf 2019 gab es einen Rückgang der Werbeeinnahmen von 216 auf 203 Mio. – Einnahmen aus der Online-Werbung blieben mit 16 Mio. konstant. Wenngleich der ORF auch noch auf Einnahmen aus der Rundfunkgebühr zurückgreifen kann, offenbarte sich bereits vor der Corona-Krise ein Finanzierungsproblem, das für rein werbefinanzierte Medien umso schwieriger zu bewältigen ist. Generell gilt: direkte Bezahlung für Nachrichteninhalte bzw. Modelle dafür stecken noch in der Anfangsphase. Ein kleiner Hoffnungsschimmer zeigt sich am Horizont. Die Bereitschaft für Online-Nachrichten zu bezahlen steigt. Die Daten des Digital News Report zeigen einen konstanten Anstieg von 2016 bis 2020 um 4 Prozentpunkte (2016: 6,6 %; 2017: 7,4 %; 2018: 8,5 %; 2019: 9,1 %; 2020: 10,6 %). Etwas stärker ist dieser Trend sogar in der Altersgruppe von 18-34 Jahren.

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PUBLIC SERVICE ELEMENTE Die Schwierigkeit, nachhaltige Direkt-Bezahlmodelle zu etablieren, ist in der österreichischen Medienmarkt besonders hoch. Die öffentlich-rechtlichen Angebote des ORF, die eben auch mit Gebühren finanziert sind, werden kostenlos zur Nutzung zur Verfügung gestellt. Dabei ist der ORF in den Bereichen Rundfunk sehr dominant (80 % der Befragten nutzen ORF-Marken offline, 36 % nutzen das Online-Angebot; vgl. Digital News Report 2020). Die starke Dominanz der öffentlich-rechtlichen Angebote lässt sich mit der Lenkungswirkung für den gesamten Medienmarkt und dem Setzen von journalistischen Standards rechtfertigen (Trappel, 2012). Öffentliche Medien unterliegen erhöhten Anforderungen was Integrität, Sorgfalt und Seriosität in der Berichterstattung, im Umgang mit Quellen und in der Interaktion. Fehlverhalten fällt daher in der öffentlichen Debatte oftmals auf das gesamte öffentlich-rechtliche System und deren Legitimation zurück. Im Hinblick auf eine Neuausrichtung der öffentlichrechtlichen SRG SSR in der Schweiz führt Kurt Imhof folgende Punkte an (Imhof, 2012): • Vermeidung der Anpassung an den Softnews-Mainstream • Verstärkte Integrationsleistungen • Versachlichung der politischen Auseinandersetzung • Verstärkung der außenpolitischen Berichterstattung, sowie der Kulturund Wirtschaftsberichterstattung • Ausbau der Online-Berichterstattung Im Hinblick auf die Corona-Pandemie und die Rahmenbedingungen für den ORF müssten noch weitere Aspekte hinzugefügt werden. Es hat sich gezeigt, dass die Einbeziehung von Expertinnen und Experten (WissenschaftlerInnen, ÄrztInnen etc.) wesentlich dazu beitragen, glaubwürdigere Berichterstattung bereitzustellen und damit das Vertrauen in Nachrichten zu stärken. Allerdings erfordert die Interaktion mit Expertinnen und Experten hohes Fachwissen und Vermittlungskompetenz. Speziell die Wissenschaftsressorts wurden oft aufgrund von Sparmaßnahmen ausgedünnt. Zur speziellen Informationsvermittlung, die den Gesundheitsbereich und die Auswirkungen der Pandemie betreffen, sind diese Ressorts jedoch ein wichtiger Baustein. Beim Ausbau der Online-Berichterstattung entstehen weitere Problemfelder für die österreichische Medienlandschaft. Einerseits ist Rundfunk und die Verbreitung von Inhalten über das Rundfunknetzwerk relativ

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stark und eindeutig reguliert. Im Onlinebereich zeigen sich die Eigenschaften eines konvergierenden Medienmarkts mit unterschiedlichen Konkurrenzsituationen. Öffentlich-rechtliche Angebote konkurrieren mit privat-kommerziellen Angeboten. Hier ist ein adaptierter und zeitgemäßer medienpolitischer Rahmen erforderlich, der über die Jahre hinweg kaum angepasst wurde. MEDIENFÖRDERUNG UND SUBVENTIONEN Eine Anpassung – zurecht von mehreren Seiten gefordert – betrifft auch die Neuregelung der Medienförderung. Gerade die Corona-Pandemie machte deutlich, dass speziell für Qualitäts-Tagespresse die Medienförderung ein wesentlicher Baustein in der Finanzierung ist. Da wirkte es umso verwunderlicher, die erste Tranche einer Sonderausschüttung frei nach dem Gießkannenprinzip an alle Medien zu vergeben. Diese Vorgehensweise ist mehr als veraltet, wird der Zweckmäßigkeit, die sich durch den strukturellen Wandel ergeben hat, nicht gerecht und wurde auch in früheren Studien widerlegt (etwa durch die vom Bundeskanzleramt in Auftrag gegebene Haas-Studie aus dem Jahr 2013). Im digitalen Nachrichtenbereich wären mögliche Förderkriterien die Ausrichtung an bestimmten Qualitätsstandards, die Etablierung von inhaltlicher Vielfalt und die Sicherstellung von Aus- und Weiterbildung von Journalistinnen und Journalisten. Zudem würde sich die Möglichkeit ergeben, Kooperationen zu fördern. Diese Kooperationen könnten sowohl zwischen etablierten Playern entstehen, oder auch für kleine journalistische Projekte ein Anreiz sein. An dieser Stelle ist anzumerken, dass gerade am österreichischen Medienmarkt sehr wenig Digital-Born/ Digital-Only-Nachrichtenmarken existieren bzw. sich erfolgreich etablieren konnten. NACHRICHTENNUTZUNG ÜBER ETABLIERTE MARKEN VS. ­INFORMATION IN SOCIAL MEDIA VERTRAUEN IN NACHRICHTEN UND NACHRICHTENMEDIEN Das anfangs erwähnte, schweizerische Forschungsprojekt stellte in einer Folgepublikation zurecht die Frage „Gehen in den Leuchttürmen [den Leitmedien] die Lichter aus?“. Erste Studienergebnisse zeigen, dass die Leitmedien gerade zu Beginn der Pandemie bzw. des Lockdowns die wesentliche Anlaufstelle für die Informationsbeschaffung waren (Nielsen, Fletcher, Newman, Brennen, & Howard, 2020). Dabei kam es aber zu un-

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terschiedlichen Nutzungsmustern zwischen Angeboten von Leitmedien und Informationen, die über Plattformen und Social Media veröffentlicht und abgerufen wurden. Das dahinterstehende Problem ist die Verbreitung von Desinformation, Fake News und bewusster Irreführung. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass Desinformation über sämtliche Kanäle verbreitet wird. Allerdings sind redaktionelle Strukturen und journalistische Routine effiziente Mittel zur Vermeidung. Im Gegenteil dazu gab in der Untersuchung des Reuters Institute etwa ein Drittel der Befragten an, mit „bottom-upmisinformation“ konfrontiert gewesen zu sein (Nielsen et al., 2020). Signifikante Nutzungsunterschiede, entweder eine stärkere Nutzung von etablierten Nachrichtenmarken oder eine stärkere Informationsnutzung über Social Media und Plattformen zeigten sich anhand von drei soziodemografischen Aspekten: Alter, Einkommen und formaler Bildungsgrad. Tendenziell nutzen verstärkt ältere Personen mit höherem Einkommen und höherem formalen Bildungsgrad die Angebote von etablierten Nachrichtenmarken. Umgekehrt zeigte sich, dass bei jüngeren und niedriger gebildeten Personen die Nutzung von Informations- und Kommunikationsangeboten in sozialen Netzwerken stärker ausgeprägt war. Die Coronavirus-Pandemie bietet demnach auch eine Chance für etablierte (Leit-)Medien, die Markenreputation zu stärken bzw. aufzubauen. Umgekehrt besteht auch das Risiko, dass sich Desinformation und bewusste Falschmeldungen in sozialen Netzwerken verbreitet und es dadurch zu polarisierten Öffentlichkeiten kommen kann. CONCLUSIO – EIN ADAPTIERTER RAHMEN FÜR NACHRICHTEN Die Coronavirus-Pandemie stellt eine Krise für sämtliche Nachrichtenmedien dar. Die wohl größte Gefahr ist das Wegbrechen der Geschäftsgrundlage aufgrund fehlender oder reduzierter Werbeeinnahmen. Die österreichische Nachrichtenlandschaft ist immer noch geprägt durch eine starke Nutzung von Printprodukten, wenngleich dieser Trend konstant rückläufig, aber im internationalen Vergleich immer noch hoch ist. Diese „bequeme“ Situation erfordert nun umso größeren Handlungsbedarf und größere Anstrengungen, digitale Angebote abseits von Werbefinanzierung zu schaffen.

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Für die etablierten Leitmedien besteht im digitalen Bereich wohl die Notwendigkeit der Kooperation, um gegen internationale Player bestehen zu können. Die aktuelle Lage bietet eine Chance, mit gesteigertem Interesse an Nachrichten und höherem Vertrauen in die Berichterstattung eine starke Reputation bei Nutzerinnen und Nutzern zu erlangen. Nichts desto trotz ist eine Anpassung der medienpolitischen Rahmenbedingungen notwendig. Angekündigte und wieder verschobene Reformen müssen angegangen werden, um einen Nachrichtenmarkt zu etablieren, der im digitalen Bereich attraktiv ist und den vorherrschenden Nutzungsmustern entspricht. •

LITERATUR Imhof, K. (2012). Krise des Informationsjournalismus. In W. A. Meier, H. Bonfadelli, & J. Trappel (Eds.), Gehen in den Leuchttürmen die Lichter aus? Was aus den Schweizer Leitmedien wird (pp. 69-80). Wien/Zürich/Berlin: LIT Verlag. Meier, W. A., Bonfadelli, H., & Trappel, J. (Eds.). (2012). Gehen in den Leuchttürmen die Lichter aus? Was aus den Schweizer Leitmedien wird. Wien/Zürich/Berlin: LIT Verlag.

Nielsen, R. K., Fletcher, R., Newman, N., Brennen, J. S., & Howard, P. N. (2020). Navigating the ‘Infodemic’: How People in Six Countries Access and Rate News and Information about Coronavirus. Retrieved from Oxford: https://reutersinstitute.politics. ox.ac.uk/sites/default/files/2020-04/ Navigating%20the%20Coronavirus%20 Infodemic%20FINAL.pdf Trappel, J. (2012). Baustellen der Medienpolitik. Die Krisenfolgen im Medienpolitikdiskurs. In W. A. Meier, H.

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Bonfadelli, & J. Trappel (Eds.), Gehen in den Leuchttürmen die Lichter aus? Was aus den Schweizer Leitmedien wird (pp. 277-295). Wien/Zürich/Berlin: LIT Verlag. Wenzel, C., Gadringer, S., & Trappel, J. (2016). Media Policy and Regulation in Times of Crisis. In S. Simpson, M. Puppis, & H. Van den Bulck (Eds.), European Media Policy for the Twenty-First Century. Assessing the Past, Setting Agendas for the Future (pp. 95-117). New York: Routledge.


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ZEIGEN, NICHT ERKLÄREN! DR. IN ANGELIKA SIMMA-WALLINGER, MSC FH VORARLBERG

Die Welt ist in einer höchst außergewöhnlichen Lage. Das Corona-Virus hat unser soziales Leben in Österreich binnen weniger Märztage stärker verändert, als alles, woran sich die Nachkriegsgeneration sonst erinnern kann. Die Medien sind besonders gefordert: Wieso sollen wir niemandem mehr die Hand schütteln – eine Geste des Friedens, die wir seit römischen Zeiten pflegen? Wieso sollen wir im Alltag Masken tragen, die unsere Emotion und damit die wechselseitige Einschätzbarkeit verbergen? Das waren und sind drastische Maßnahmen, die schneller, umfassender und vor allem zuverlässiger Erklärung sowie kritischer Beleuchtung bedürfen. Die hohen Einschaltquoten beweisen den enormen Informationsbedarf in dieser Zeit.1 Ein Format, das diese schnelle und umfassende Erklärung besonders unterstützt, ist die Informationsgrafik. Wir leben in einem visuellen Zeitalter (Paul 2016) und die affektive Erfassbarkeit einer Grafik sowie deren scheinbare Eindeutigkeit passen perfekt zum zunehmenden Bedürfnis der schnellen Informationsverarbeitung (Waralak 2013). Infografiken haben zudem eine hohe Wahrnehmungswirksamkeit, das heißt, Informationen werden nicht nur schneller, sondern auch besser verstanden und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Sachverhalt der Grafik entsprechend von Rezipient*innen weitergegeben werden kann, ist hoch (Tunez + Nogueirra 2017). Absichtlich wird hier der Begriff „wahrheitsgemäß“ vermieden, denn gerade diese hohe Wahrnehmungswirksamkeit erfordert große journalistische Expertise, um nicht zur Propaganda und damit „bloß zu Lautsprechern“2 zu werden. Genau, dicht und anschaulich sollen Informationsgrafiken sein (Jansen 1999).

1 https://zukunft.orf.at/show_content2.php?blog_mode=single&blog_ id=293&sid=176&s2id=338&blog_group=3 sowie https://zukunft.orf.at/show_ content2.php?s2id=333 und https://medien.srf.ch/documents/20142/2175971/ Halbjahresbilanz_2020.pdf/a994ff8f-11c6-5763-58cd-98392937ce69 2 https://zukunft .orf.at/show_content .php?sid=147&pvi_id=2 204&pvi_ medientyp=t&oti_tag=TEXTE%20Corona

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Eine These: Nach der Präsentation dieser Grafik in der ZiB 2 am 10.3.2020 haben in Österreich mehr Menschen die Bedeutung der Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der Kapazität des Gesundheitssystems verstanden, als zuvor über Presseerklärungen, Moderationen oder durch mit Genrebildern unterstützte Beiträge. Zwei Kurven und eine Linie, über die keine der beiden Kurven darf. Das leuchtet auf einen Blick ein.

Abbildung 1 Screenshot Infografik ZiB 2 vom 10.3.2020; Zahlenbasis Nikolaus Popper TU Wien

Gespeist wird die Infografik, wie auch in diesem Fall, aus unterschiedlichen Expertisen: Es gibt das Rohmaterial, die Daten, die aus öffentlich zugänglichen Quellen und Fachstudien stammen. Expert*innen, die den Sachverhalt erläutern, Datenjournalist*innen, die sich mit der Datenauswertung befassen, und schließlich geht es um die visuelle Umsetzung. Das können Karten, Infografiken, Animationen oder Illustrationen sein. Hier plädiere ich für den verstärkten Einsatz der Berufsbezeichnung „visueller Journalist/visuelle Journalistin“ mit fach- und kanalübergreifender Expertise in der Informationsdarstellung. Ob es Informationsgrafiker*innen sind, die sich auch journalistisch fortbilden oder ob es Journalist*innen sind, die sich mit visueller Aufbereitung von Information auseinandersetzen, ist letztlich eine Frage der jeweiligen Biografie und zweitrangig. Durch den Bedarf in der andauernden CovidKrise, komplexe Vorgänge einem breiten Publikum zu erklären, und durch das mögliche Bevorstehen weiterer Wellen kann diese Form des Journalismus an Bedeutung gewinnen.

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Digitale Informationswege werden wichtiger, und die Infografik erlaubt neben der schnellen Erfassbarkeit von Zahlenreihen, deren Sinn sich uns sonst weitgehend entzieht, auch die Vertiefung dieser Information. Sie ist geradezu der Klassiker eines transmedialen Contents, der in plakativer Form in Bewegtbild- und Textmedien Platz findet, in auditiven Medien erklärt wird und mit Erweiterungs- und Ergänzungsmöglichkeiten, also dem Medium entsprechend interaktiv, online verfügbar bleiben kann und soll (dem/der geneigten Leser*in sind die entsprechenden Restriktionen des Herausgebers dieser TEXTE-Reihe bewusst). Online ist Interaktion möglich, die nochmals zu einem tieferen Verständnis sowie zu mehr Eindeutigkeit führt. Diese Vertiefung kann zeitliche Ergänzungen bringen, oder, wie z.B. bei Wahlen üblich, regional heruntergebrochen sein. In beiden Fällen steigt das Involvement mit dem Sender sowie mit der zu vermittelnden Information.

Abbildung 2 Interaktive Infografik zur Corona-Situation in Österreich auf orf.at; zuletzt abgefragt am 5.8.2020

In einem nächsten Schritt könnte die Zugänglichkeit zur Datenbasis für die Erstellung solcher Infografiken diskutiert werden. In der Covid-Krise hat sich gezeigt, dass die selben globale Konzerne, die zunehmend Informationsfunktionen für die Gesellschaft übernehmen wollen, wie Google3 oder facebook, aufgrund ihrer Algorithmen und wirtschaftlichen Basis 3

Vgl. z.B. Google Mobilitätstrends für Österreich https://www.gstatic.com/covid19/ mobility/2020-07-31_AT_Mobility_Report_de.pdf

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über bessere Daten zur Virus-Verbreitung verfügen als staatliche Strukturen (Cinnamon 2020). Sie beziehen über geobasierte Services Daten in Echtzeit, die möglicherweise in einigen Fällen schneller oder präziser sind, als die Daten öffentlicher Institutionen und Forschungseinrichtungen, die für Medien frei zugänglich sind. Aktuell wertet Google „Covid Mobilitätstrends“ auf Länderebene aus, die zurzeit nur durch spezifische Suche aufgefunden werden können. Aber wer könnte das Unternehmen daran hindern, sich selbst CovidAmpelsysteme auszudenken, die über die vielen Ausspielwege des Konzerns (YouTube, Maps,…) ganze Regionen samt Wirtschaft beeinflussen könnten? Die visuelle Erklärung ist kein Monopol der Medien. Brands, NGOs und Regierungen erkennen längst die Kraft dieser Darstellungsform4. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann aber anders als die zuvor genannten Entitäten durch Bündelung seiner Kompetenzen die volle Power der Infografik auf allen Kanälen entfalten und sie im Sinn seiner Aufgaben gerade auch zur Erklärung komplexer Sachverhalte, wie der Ausbreitung von Viren und zur möglichen Wirksamkeit von Gegenmaßnahmen einsetzen. •

4 https://sproutsocial.com/adapt/visual-journalism-data-storytelling/

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WO DER PROFESSOR RUND UM DIE UHR „HALLO!“ SAGT ANDREAS CICHOWICZ CHEFREDAKTEUR NDR FERNSEHEN

Im Corona-Sommer 2020 kam ein kurzer Clip im Netz gut an. Darin zu hören: Der Virologe Professor Christian Drosten, von manchen verehrt, von anderen zum Sündenbock gemacht. Eine Quintessenz aus 50 Drosten-Interviews, allerdings reduziert auf die Begrüßungsworte. Wahlweise „Hallo!“, „Guten Tag!“ oder „Hallo, guten Tag“. Das ganze 48 Mal in Folge. Ein ironischer Seitenhieb auf den Rummel um den aktuell wohl bekanntesten Mediziner Deutschlands und ein Lacher in einer ansonsten ernsten Zeit. „Professor Drosten sagt Hallo!“, so der Titel. Mehr als 30.000 Mal wurde das Nonsens-Hallo bisher bei Youtube angeklickt. Das ist allerdings nichts gegen das Original. Fast 60 Millionen Abrufe erzielte „Das Coronavirus Update“, ein werktäglicher Podcast des Norddeutschen Rundfunks mit einem einzigen Gesprächsgast: Prof. Christian Drosten. Seit Ende Februar 2020 versorgt der Norddeutsche Rundfunk das Publikum regelmäßig mit den aktuellen Einschätzungen des Experten. Nie zuvor erzielte ein deutscher Podcast eine solche Reichweite und Beachtung. Dem verantwortlichen Team des NDR wurde inzwischen der Grimme-Online-Award verliehen. Der richtige Interviewpartner zur richtigen Zeit, dazu der richtige Verbreitungsweg in dieser Zeit: So übertraf der Zuspruch alle Erwartungen. Prof. Drosten berät die Bunderegierung, beim NDR aber auch die Hörer*innen. Sein Podcast stieg in der Pandemie auf zu einer der populärsten Informationsquellen und macht Wissenschaft quasi live erlebbar. Gerade in Krisenzeiten haben wir für die Öffentlichkeit da zu sein. Ob als Audio oder in der guten alten „Tagesschau“. Sie mag betagt sein, aber sie ist vitaler denn je. In der Corona-Krise erreichte die Hauptausgabe um 20 Uhr bis zu 18 Millionen Zuschauer*innen – nur auf dem linearen Verbreitungsweg! Wegen Corona schuf die ARD auch eine neue Marke: „ARD Extra: Die Corona-Lage“. Eine tägliche Sondersendung des NDR und anderer ARD-Häuser im Ersten. Daraus wurde für viele ein Abendritual: Erst die „Tagesschau“, dann die vertiefende Information im „ARD Extra“. "Wir haben gemeinsam ein Programm gestemmt, wofür das Publikum uns extrem viel Zuspruch entgegenbringt", so fasst es der ARDVorsitzende Tom Buhrow zusammen. Der Senderverbund wurde für die „Extra“-Sendungen zur Corona-Lage mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.

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„Wenn’s drauf ankommt, hat’s die ARD noch drauf“ schrieb der Medienjournalist Danilo Höpfner. Gerade die Verunsicherung der Gesellschaft in der Corona-Krise habe gezeigt, wie aktuell die Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland immer noch ist. „Das Publikum versammelt sich in der Not nicht im Netz, sondern bei seinem Leitmedium, dem es vertraut.“ Das folgert der ehemalige Leiter der Landesmedienanstalt NRW, Norbert Schneider. Und er schränkt zugleich ein: „Wenn und solange es sich ernsthaft um dieses Publikum kümmert.“ Ausruhen dürfen wir uns also nicht auf diesem Zuspruch. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann nur dann erfolgreich bleiben, wenn er dort ist, wo er die Nutzer*innen erreicht. Im Fernsehen, im Hörfunk, auf Online-Seiten und in den sozialen Netzwerken. Auch der Drosten-Podcast wird daher auf all diesen Ausspielwegen verbreitet. Ein Hörfunk-Interview im Fernsehen? Selbst das funktioniert, wenn es den Nerv der Zeit trifft. So erreichte der Podcast auch in bebilderter Form ein Publikum. Mit zunehmender Dauer der Krise melden sich aber auch Stimmen, die die Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien problematisieren. So auch eine Studie zweier Medien- und Literaturwissenschaftler an der Universität Passau. In den aktuellen Formaten „ARD extra“ und „ZDF spezial“ erkannten sie eine „Verengung der Welt“. ARD und ZDF hätten in der Corona-Krise eine „permanente Problematisierung“ betrieben, die geeignet sei, „Panik in der Bevölkerung“ auszulösen. Im Spätsommer 2020 stelle ich fest: „Panik in der Bevölkerung“ ist bisher nicht ausgebrochen. Im Gegenteil: Ansätze von Hysterie, messbar etwa in Hamsterkäufen, haben abgenommen. Dies hat nach meiner Einschätzung viel mit der Verbreitung verlässlicher Information zu tun, die eben nicht immer nur alarmieren, sondern auch Ängste relativieren kann. ARD und ZDF haben dem hohen Informationsbedürfnis der Bürger*innen in einer historischen Krise nach Kräften entsprochen. Andernfalls hätten sie ihren Auftrag nicht erfüllt. Ich halte es für verkürzt, ein Qualitätsurteil über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk allein auf der Basis zweier aktueller Formate abzugeben. Einige Beobachter jedoch scheinen auf die kritische Bestandsaufnahme geradezu gewartet zu haben. Sie erheben den Vorwurf des „Staatsfunks“. Dabei lehnt es auch die Passauer Studie explizit ab, ARD und ZDF in pauschaler Form eine „Staatshörigkeit“ zu unterstellen. Sie hebt vielmehr auf die Folgen einer anhaltenden Krisenberichterstattung ab, die den „starken Staat“ als Akteur zwangsläufig ins Zentrum rücke. Ein Hinweis, über den es sich nachzudenken lohnt. Sachliche Kritik gilt es immer ernst zu nehmen. Gerade deshalb muss die Berichterstattung auf das Urteil anerkannter, unabhängiger Expert*innen aufbauen. Auch deren Einschätzung kann und darf selbstverständlich hinterfragt werden. Eine offene Diskussion über den richtigen Weg ist unerlässlich.

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Auch Zweifel und Bedenken finden daher ihren Platz im Programm. Wer hingegen Verschwörungstheorien und pseudo-wissenschaftliche Thesen verbreitet und mutwillig die Gesundheit anderer riskiert, kann keinen Anspruch auf Berichterstattung erheben. Neben all diesen inhaltlich-journalistischen Fragen darf uns diese Krise nicht davon abhalten, mit der Zeit zu gehen. Auf die Anforderungen der modernen Medienwelt gilt es zügig zu reagieren. Gleichzeitig müssen wir unter den Rahmenbedingungen stagnierender oder sinkender Einnahmen flexibel handeln. Und dennoch kann und darf das Publikum mindestens die gewohnte Leistungsfähigkeit erwarten, wenn nicht sogar mehr. Das macht die Herausforderung an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus. Daher hat der NDR schon weit vor Corona entschieden, die zentralen Nachrichtenredaktionen von Hörfunk, Fernsehen und Online zusammenzulegen, um durch Synergieeffekte den Spielraum für nötige zukünftige Anstrengungen zu gewinnen. Für Mitte 2021 steht der Einzug der Nachrichtenredaktionen in ein gemeinsames multimediales Info-Haus an. Corona hat diesen Plan bisher nicht umstürzen können, der für die Zukunft des NDR von zentraler Bedeutung ist. Die Grenzen zwischen den klassischen Ausspielwegen werden aufgebrochen, die Inhalte in den Vordergrund gerückt. Themenzentrierte Planung soll das alte Denken in Ausspielwegen ersetzen. Wir können die Lage in einem Jahr nicht vorhersehen. Wenn ich mir aber einen öffentlich-rechtlichen Sender nach Corona vorstelle, dann in Gestalt eines modernisierten Medienhauses, das gestärkt aus der Krise hervorgeht. Ein Sender, der dem Informationsanspruch der Nutzer*innen überall und zu jeder Zeit gerecht wird. •

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DATEN, MODELLE UND MEDIEN DR. NIKI POPPER TECHNISCHE UNIVERSITÄT WIEN & DWH GMBH

Ich bin kein Biologe. Aber ich stelle mir Evolution so vor, dass etwas bleibt, wenn es sich in Bezug auf seine Umwelt behaupten kann und/ oder in Einklang steht. Man kann stark sein oder man kann sich für Stärkere unersetzlich machen und dadurch freiwillig Ressourcen von diesen erhalten. Es gibt offensichtlich unterschiedliche Strategien, aber eines ist klar: man muss sich anpassen und weiterentwickeln, schon deshalb, weil sich das gesamte System weiterentwickelt – Stillstand gibt es nicht. Oft passiert das fließend, manchmal aber auch sprunghaft. Dass wir in Gesellschaft, Wissenschaft und Medien wohl an so einem Punkt stehen, verdeutlicht uns die COVID19 Krise. Die Komplexität unserer öko-techno-sozialen Systeme steigt und Mechanismen ändern sich. Medien sollten analysieren, einordnen und hinterfragen. Aber auf welchen Grundlagen? Niemand hätte wohl gedacht, dass ausgerechnet ein Virus Auslöser für die heftigsten Diskussionen sein würde: Wie sind Maßnahmen evidenzbasiert zu bewerten? Welche gesellschaftlichen Bereiche sind „wichtiger“, weil man sie temporär zusperrt oder eben nicht? Wie kann jede/r von uns durch Verzicht für die Gemeinschaft beitragen? Wie betrifft Evidenz unser aller Leben bis hin zur gesetzlichen Einschränkung der persönlichen Freiheit? Dabei zeigt COVID19 nur eine Notwendigkeit auf, die ohnehin schon lange bestand. Die aktuelle Situation ist wie eine Lupe und zeigt im Schnellvorlauf die vielfältigen Probleme unserer Gesellschaft auf. Sei es der Klimawandel, das Gesundheitssystem auch ganz unabhängig von COVID19 und vieles mehr. Hubert von Goisern sagte zuletzt zur Krise als Chance im Profil (https://www.profil.at/kultur/hubert-von-goisern-ich-glaube-diesesgejammere-nicht/401013167): „Wieso kosten Zugreisen immer noch das Vierfache mancher Flüge zum selben Ziel? Es kann nicht sein, dass der dreckige Schiffsdiesel weiterhin steuerfrei gehandelt wird! Alle jammern, alles liege darnieder: Aber auf der Autobahn rauscht ein LKW hinter dem anderen her, ein Stau folgt dem nächsten, ohne Ende. Ich glaube dieses Gejammere nicht.“ Er beschreibt hier die Widersprüchlichkeit der Regelung und Wahrnehmung von Prozessen, die einerseits nicht störungsfrei laufen, andererseits so hingenommen werden. Jeder dieser Punkte könnte für sich medial seziert werden.

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Gefragt nach „Maximen“ für öffentlich-rechtliche Medienqualität, frage ich mich, was ich mir als Bürger und als Forschender wünsche? Medien müssen die unterschiedlichen, komplizierten und dynamischen Systeme, in denen wir leben, verstehen und erklären. Sie müssen neue wissenschaftliche Erkenntnisse wahrnehmen und verständlich machen. Sie müssen Geschäftemacherei oder andere negative Intentionen hinterfragen und aufdecken. Werden die Erkenntnisse zum Wohle aller eingesetzt und wenn nein, warum nicht? Was ändert sich in unserer Welt? Und die Medien müssen damit umgehen, wenn sich Evidenz ändert, und auch das glaubwürdig und einfach kommunizieren, ohne die Menschen an Scharlatanerie oder Esoterik zu verlieren. Man sieht schon ein bisschen, es ist wie die Quadratur des Kreises. Um hier voranzukommen, können neue Methoden und Kooperationen helfen. Drei Aspekte möchte ich herausgreifen. Erstens die Nutzung von Daten, zweitens der Einsatz von Modellen und drittens die Frage, wie Entscheidungen getroffen werden und wie dies kommuniziert werden kann. Die gemeinschaftliche Diskussion von Daten begleitet uns seit Beginn der COVID19 Krise. Die Anzahl der positiv Getesteten wird seit März genauso oft gemeldet und diskutiert wie der Wetterbericht. Das Problem ist allerdings, dass die Daten oft ungenau sind: es werden Erkrankte nachgemeldet, d.h. plötzlich kommt es zu einem Anstieg, der scheinbar unerklärlich ist. Die Daten widersprechen sich auch häufig scheinbar, wenn etwa zwei Ministerien unterschiedliche Werte liefern. Das alles hat Gründe, die man erklären kann – zum Beispiel unterschiedliche Zählweisen oder verschiedene Zeitpunkte der Messung. Unreflektiert führt es aber zu Verunsicherung der Menschen. Das Problem besteht nicht erst seit COVID, daher weisen Forscher*innen seit vielen Jahren darauf hin, dass qualitativ hochwertige und aktuelle Daten wichtig sind, um Systeme und Prozesse zu verstehen und zu verbessern. Einerseits sind dazu professionelle Datenprozesse in der Wissenschaft selbst notwendig, andererseits brauchen Medien Unterstützung, um die Daten zu erhalten und damit qualitativ hochwertig umzugehen. Hier sind andere Länder sehr viel weiter (z.B. https://blog.ons. gov.uk/2017/01/27/the-five-safes-data-privacy-at-ons/). In Österreich hat die Forschungsplattform DEXHELPP (http://dexhelpp.at/ ) für das Gesundheitssystem Prozesse ausgearbeitet. In anderen Bereichen kommt durch COVID19 jetzt Bewegung in die Sache. Die Plattform Registerforschung (https://www.registerforschung.at) bemüht sich seit Langem, technische, formale und praktische Rahmenbedingungen zu schaffen,

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um aus Daten Wissen zu generieren. Die COVID19-Krise bietet hier eine Chance, aber warten wir es ab – oft kommt der Normalzustand schneller zurück, als wir es uns wünschen. Dabei stehen berechtigte Einwände zu Datenschutz der Notwendigkeit zur Nutzung der Daten zum „Verstehen“ unserer Systeme gegenüber. Um zum Beispiel zu verhindern, dass einzelne Patient*innen aus einer Datenbank identifiziert werden können, gibt es validierte Methoden, z.B. die so genannte K-Anonymisierung. Dabei werden die Datenpunkte zu Gruppen zusammengefasst, die in jeder möglichen Auswertung nie weniger als z.B. 3 oder 5 Personen beinhaltet. So können keine einzelnen Individuen identifiziert werden. Medien sollten unter Einhaltung strenger datenschutzrechtlicher Regeln einen – noch weiter aggregierten – Zugang bekommen, um den bereits etablierten „Data Driven Journalism“ weiterzuentwickeln. Um die bereits vorhandenen Methoden zu nutzen, ist eine intensive Zusammenarbeit zwischen Forschung und Medien notwendig. Denn die Frage, wie man solche Daten nutzen kann, ist eine zusätzliche Herausforderung für Journalist*innen. Zur Umsetzung solcher Strategien beteiligt sich meine Forschungsgruppe und unser TU Wien Spin Off an internationalen und nationalen Forschungskooperationen, wie z.B. die FFG geförderten Projekte VALID (http://www.validproject.at/) oder SEVA (https://seva. fhstp.ac.at/, https://www.diepresse.com/5784571/daten-leichter-visualisieren) Das Ziel dieser Projekte ist, die Medien dabei zu unterstützen. mit der Datenflut professionell umzugehen. Neben den Daten zu COVID 19 ist ein weiterer Aspekt ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Die Frage, inwieweit Modelle und Prognosen, dabei helfen können und dürfen, Entscheidungen zu unterstützen und diese verständlich zu machen. In der öffentlichen Diskussion werden dabei unterschiedliche Aspekte vermischt. Keineswegs kann ein Modell in die Zukunft sehen oder valide Prognosen, die über eine kurze Zeit hinausgehen, bieten. Sehr wohl aber können Modelle dabei helfen, einzuschätzen, welche Maßnahmen welche Effekte haben. Speziell interessant ist, dass man mit solchen Modellen zur Entscheidungsunterstützung ganz bewusst verschiedene Perspektiven einnehmen und durchspielen kann. Das größte Missverständnis passiert, wenn solche Modelle falsch interpretiert werden. In den letzten Monaten ist das auch mit unseren Modellen passiert. Zu Beginn haben wir etwa auf Basis der Aussage des Berliner Virologe Prof. Christian Drosten eine sehr hohe Verbreitung als Ausgangspunkt angenommen. Obwohl wir diese dann umgehend realistisch reduziert haben und hierbei verdeutlicht haben, dass wir diese Parameter nur zur Einschätzung der Ressourcenplanung nutzen und das Modell eben keine Prognose ist, war die „Miss-Kommunikation“ schon passiert.

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Modelle können und sollen dabei helfen, Kausalitäten und Relationen zu analysieren und zu erklären. Es geht um die Zusammenhänge, und wir verstehen mittlerweile sehr viel besser, warum sich COVID19 zum Beispiel anders ausbreitet als andere Erkrankungen, oder wie die sogenannte TTI Strategie (Testing, Tracing, Isolation) dabei helfen kann, mit der Krise umzugehen. Wie hoch die Zahl der positiv Getesteten am 24.12. sein wird, kann aber natürlich kein Modell sagen. „Model Driven Journalism“ könnte dabei helfen, neben der Datenlage auch die Wirkmechanismen besser zu verstehen und der Öffentlichkeit verständlich zu machen. Kleine Testprojekte hat die TU Wien dazu bereits etwa mit dem ORF umgesetzt. Mit der Redaktion der ORF 1 Information wurde ein Modell gebaut und online gestellt, um zu zeigen, welche Auswirkungen die Öffnung oder Schließung von Migrationsrouten hat. (https://cocos. tuwien.ac.at/areas_applications/presenting_complexity/modellierung_ komplexer_populationsbewegungen/). Es geht dabei immer um die hypothetische Frage „was wäre wenn“, und die Aussagen lassen sich leider auch sehr gut politisch instrumentalisieren. Insofern geht es hier nicht nur um die Frage, wie Wissenschaftler*innen qualitativ hochwertige Modelle entwickeln und nutzen können, sondern auch darum, wie man verhindert, dass diese durch unterschiedliche Stakeholder manipulativ eingesetzt werden könnten. Was uns neben Daten und Modellen zum dritten Punkt führt, einen aufgeklärten Umgang mit diesen Methoden. Um Modelle für Bürger*innen zu kommunizieren, brauchen wir bessere Kommunikation zwischen Modellmacher*innen und Journalist*innen. Die Erklärung aufwändiger Modelle muss für Pressetexte auf wenige Absätze heruntergebrochen werden. Das braucht gegenseitiges Verständnis und kostet Zeit. Ein gutes Beispiel aus dem Bereich Klimaforschung ist etwa das Video von Harald Lesch https://www.youtube.com/ watch?v=pxLx_Y6xkPQ&feature=youtu.be, in dem Lesch mit Prof. Stefan Rahmstorf, einem international anerkannten Klimaforscher, einige Punkte, die die AfD zum Thema aufgebracht hat, hinterfragt. Hier werden Modelle, deren Annahmen und deren Intentionen hervorragend analysiert, diskutiert und in einen korrekten Zusammenhang gestellt. Die aktuelle Polemik zur Corona-Ampelkommission macht deutlich, wie wichtig ein informierter Umgang mit Daten und Modellen ist. In der Kommission werden unterschiedliche Daten mit unterschiedlichen Hypothesen und Modellen bewertet, um Entscheidungen zu treffen. Wie gut das funktioniert, werden wir sehen – und das zu bewerten, wird auch eine wissenschaftliche und journalistische Herausforderung sein. Wir befin-

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den uns in einer Zeit großer Herausforderungen. In jedem Fall werden uns solche Fragen noch lange nach einer Impfung gegen COVID 19 beschäftigen. Uns stehen so viele Daten, Informationen und Werkzeuge zur Verfügung wie nie zuvor in unserer Geschichte. Um hiermit erfolgreich zu sein, brauchen wir Ressourcen, Interesse und viel guten Willen zur Zusammenarbeit, um neue Methoden zu entwickeln und einzusetzen. Und wir brauchen hochwertige Medien, die kritisch berichten und möglichst viele in Österreich lebende Menschen erreichen. •

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ERSCHEINT DEMNÄCHST

Public Value Studien beziehen sich auf einen besonderen Aspekt des Leistungsumfanges und Funktionsauftrages des ORF. Sie ermöglichen vertiefende Evaluierung, die neben der Qualitätskontrolle auch eine zukunftsorientierte und praxisnahe Grundlage für die Programmarbeit ergibt.



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MÄRZENBECHER UND ­TRANSISTORRADIO MATTHIAS SCHROM CHEFREDAKTEUR DER ORF 2-INFORMATION

Corona hat uns auseinandergebracht und für Distanz gesorgt – Freundinnen, Freunde konnten einander nicht treffen, diskursfreudige Journalist/innen nicht in Meetings Themen diskutieren. Corona hat uns aber auch zusammengebracht – etwa vor die Fernseher wie zuletzt zu Zeiten der Mondlandung oder Shows in den 70er-Jahren. Corona hat unsere Welt enger gemacht – das Homeoffice als Stätte für Freizeit, Arbeit, Schlafen, Essen. Das Reisen um die Welt und Kennenlernen anderer Kulturen ist der Sommerfrische am kühlen See um die Ecke gewichen. Corona hat uns neue Begriffe gelehrt: Homeschooling, Homeoffice, Replikationszahlen, Cluster, PCR-Tests. Corona hat es sogar geschafft, die beharrlich Krisen aller Art wie Kriege, Skandale, Diktaturen ignorierenden allmächtigen Sportverbände IOC und UEFA zu Absagen ihrer Großveranstaltungen zu bringen. Corona hat aber auch einer ÖVP-Grün-Regierung die eigentlich erwartbaren ideologischen Grabenkämpfe erspart und sie zur gemeinsamen Kommunikation und Bewältigung der größten Krise der Zweiten Republik gezwungen. Tja, und Corona hat einen auf Austerität getrimmten österreichischen Kanzler dazu gebracht, die Wirtschaftskrise im Kreisky´schen Sinne meistern zu wollen, „koste es, was es wolle“. Corona hat aber auch eines bewiesen, was wir schon seit der Ibiza-Affäre ahnen. Wenn es ernst oder wirklich wichtig wird, vertrauen die meisten Menschen öffentlich-rechtlichen Medien. Eine Reuters Studie belegt dies und zeigt auch, dass die lineare Fernsehnutzung weltweit stark zugenommen hat – interessanter Weise speziell unter den Jungen. Auch im ORF verzeichnet die Information nie erreichte Reichweiten- und Marktanteilrekorde. Und nicht nur zu Zeiten des Lockdowns konnte die ZiB1 weit über 2,5 Millionen Menschen erreichen. Normalerweise sind die ZiB-Macher/innen mit einer Million Zuschauer/innen hochzufrieden, aber immer noch liegen die Zuschauerzahlen um mehr als 30 % über dem üblichen Niveau im Sommer. Vieles deutet darauf hin, dass jüngere Menschen auch über

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die Social-Media-Aktivitäten der ZiB ebendiese erstmalig entdeckt haben und zumindest vorerst geblieben sind. Bei allen Zukunftsüberlegungen zeigt sich: Lineares Fernsehen funktioniert immer noch als Hauptinfoquelle in Krisenzeiten in allen Altersstufen. Wir als ORF-Fernsehinformation müssen in diesem Wissen den Menschen und dem Publikum noch besser entgegenkommen, das Publikum noch bessere einbinden, auf Communitybuilding (wie Ö3) setzen und uns noch mehr um das Publikum bemühen. Das Liveevent, die Krise, die Hintergrundinfo, die Einschätzung, die Unmittelbarkeit – das ist es, was Fernsehen stark macht. Es wird aber weitere und schnellere Distributionswege brauchen, es wird natürlich eine sinnvolle Bündelung von Ressourcen brauchen, es wird mehr Kreativität und Flexibilität in der Produktion geben müssen – aber Corona lehrt uns auch, dass es hier ein Fundament gibt, auf dem die Zukunft gebaut werden kann. Je länger die Krise andauert, umso hörbarer werden auch kritische Stimmen. Wir hätten die Angstmacherei der Politik verstärkt, überhaupt geistert das böse Wort vom Staatsfunk durch die Social-Media-Welt. Tatsache ist, dass es tatsächlich eine schwierige Gesamtgemengelage war: Die unzweifelhaft zu erfüllende Informationspflicht rechtfertigt natürlich die Übertragung von Pressekonferenzen der Regierung, die Maßnahmen verkündet, die alle betreffen. Man stelle sich vor, der ORF hätte diese Pressekonferenzen nicht übertragen, die Kommerzsender wie Ö24 oder Puls24 jedoch sehr wohl. Eine offensiv kommunizierende Regierungsspitze kann kein Ausschließungsgrund sein. Jede Pressekonferenz, jeder Auftritt wurden eingeordnet und hinterfragt. Grundsätzlich geht es nicht darum, die Erwartungen von Austrotwitter, sondern den Informationsauftrag im Sinne des Publikums zu erfüllen. Dass es für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gilt, besonders auf Ausgewogenheit zu achten, ist unbestritten. Nicht zuletzt konnte aber auch die Expertise der Wissenschaftsredaktion und die zahlreichen Expert/innen-Interviews zu ebendieser Ausgewogenheit beitragen. Ein nationaler Schulterschluss, wie er sich zu Beginn der Krise in der Politik dargestellt hat, stellt öffentlich-rechtliche Medien naturgemäß vor eine besonders große Herausforderung, kritische Stimmen von Verschwörungstheoretikern zu unterscheiden. Faktenbasierte Recherchen und verantwortungsvolle Berichterstattung sind immer noch am besten in öffentlich-rechtlichen Medien gewährleistet. So lässt sich letztlich auch der große Publikumszuspruch erklären. Gemeinhin gelten öffentlich-rechtliche Institutionen wie der ORF als relativ starr. Corona hat dazu geführt, dass wir mehr oder weniger gezwungen waren, intern Schritte zu setzen, denen üblicherweise monatelange Diskussionen vorausgehen.

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Da wäre einmal die Liveschaltung ins Homeoffice. Gut, das alte Transistorradio in der Wohnung von Italien-Korrespondentin Katharina Wagner wurde ebenso berühmt wie der Jahreszeit entsprechende Blumengestecke oder Bücherwände in den Wohnungen verschiedener Redakteur/ innen – und auch hier gilt die ehrliche Erzählung: wie Millionen von Zuseher/innen haben eben auch die Reporter/innen und Kommentator/ innen von zuhause aus gearbeitet, so sie nicht in Isolation im ORF-Zentrum waren. Aber wir haben gelernt, schneller, aktueller und von überall zu schalten – mit einem Smartphone im Wesentlichen. Das Publikum verzeiht vieles an ungewohntem Setting, wenn der Infogehalt stimmt. Aktualität und Kompetenz gehen vor – ein wichtiges „Learning“ für die Zukunft. Wir haben aber auch gelernt, wie vielfältig und flexibel wir arbeiten können. Redakteur/innen, die im Homeoffice Beiträge schneiden – bis vor kurzem undenkbar, mittlerweile von vielen Kolleg/innen als Möglichkeit der Arbeitserleichterung empfunden. Wir vermissen den informellen und diskursiven Austausch in unseren Sitzungen, wir schätzen aber auch die ungemeine Pünktlichkeit und Effizienz bei Skype-Sitzungen. Auch wenn wir einander wieder gegenübersitzen und in die Augen blicken können, so werden wir Meetings auch in Zukunft via Skype für alle verfügbar halten. Wir haben auch gelernt, über interne Tellerränder zu blicken und besseres Verständnis für journalistische Kolleg/innen in anderen Abteilungen zu bekommen. Die Verstärkungen aus Sport, Kultur und Unterhaltung wurden in der Information allesamt und durchgehend als Bereicherung empfunden. Auch zwischen den Ressorts wurden Hürden überwunden – Corona wird auch den multimedialen Newsroom nicht zu Fall bringen, im Kleinen haben wir gesehen, wie übergreifende Zusammenarbeit auch im Großen und disloziert funktionieren kann. Was also bleibt von der ersten Corona-Welle? Bei manchen Angst. Bei den meisten Respekt. Und bei allen Zusammengehörigkeit und Zuversicht: Für die zweite Welle sind wir gerüstet. •

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BERICHTERSTATTUNG IM ­AUSNAHMEZUSTAND HANNES AIGELSREITER ORF-RADIOINFORMATION

Berichterstattung in Coronazeiten war und ist ein schmaler Grat zwischen seriöser Aufklärung und Panikmache. Der ORF-Radioinformation ist es in dieser schwierigen Zeit offenbar gelungen, ihrer Informationspflicht nachzukommen und gleichzeitig den kritischen Blick nicht zu verlieren. Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig professionelle, glaubwürdige, korrekte und verständliche Nachrichten für die österreichische Bevölkerung sind. Die großartigen Radiotestergebnisse für die ORF-Radios und viel positives Feedback aus dem Publikum belegen das eindrucksvoll. Glaubwürdiger Journalismus rund um die Uhr ist also gefragt wie nie. Das heißt aber nicht nur zu beschreiben und aufzuklären, was ist, sondern auch einzuordnen, zu sortieren, zu analysieren. In den Nachrichten, den Journalen, im TELETEXT, Online und in Sozialen Medien. Dem Publikum gesichertes Wissen zu vermitteln trägt dazu bei, aus Unsicherheit Sicherheit zu machen, Fake News zu enttarnen und Panik zu vermeiden. Doch ganz so einfach und eindeutig ist das auch wieder nicht. Die permanente Berichterstattung in reichweitenstarken Medien wie den ORF-Radios über Fallzahlen, Todesfälle, politische Zwangsmaßnahmen, strenge Abstandsregeln, Clusterbildungen, Maskenpflicht, Hamsterkäufe, Rekordansteckungen usw. trägt natürlich zu einer gewissen Verunsicherung in der Bevölkerung bei. In der Psychologie heißt es, dass Menschen in Extremsituationen und Krisenzeiten eher zu emotionalen Reaktionen neigen. Gerade deshalb ist es besonders wichtig, verantwortungsvollen, professionellen Journalismus zu machen und so objektiv und ausgewogen wie möglich zu berichten. Aber wir Radiojournalistinnen und -journalisten sind auch nur Menschen, die genau dasselbe durchleben wie alle anderen auch. Dennoch haben wir eine besondere Verantwortung für die Gesellschaft. Wir müssen rational bleiben, auch wenn wir innerlich emotional Hochschaubahn fahren. Kühlen Kopf bewahren, weiter seriös aufklären, kritisch bleiben und unabhängig berichten. Als Chefredakteur der Radioinformation habe ich das Privileg, ein Team zu führen, dass tagtäglich nicht nur großartige, journalistische Leistungen erbringt, sondern von dem ich überzeugt bin und glaube, dass es

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diese beispiellose Herausforderung auch weiterhin anzunehmen und zu meistern weiß. Denn eines muss uns klar sein: wir laufen keinen Sprint, sondern einen Marathon. DER ANFANG: EIN TÄGLICHER STRESSTEST. Zu Beginn der Corona-Krise mit dem Lockdown musste alles sehr schnell gehen. Die vordringlichste Aufgabe bestand darin – von jetzt auf sofort – die wichtigsten arbeitstechnischen Rahmenbedingungen für mobiles Arbeiten sicherzustellen. Das Homeoffice musste auf den aktuellen technischen Stand gebracht werden. Mobile Computing jederzeit, von jedem Ort. Dank unserer Kolleginnen und Kollegen von Technik und Administration ist das gelungen und hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig gute Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bereichen ist.Gleichzeitig musste sichergestellt werden, dass die Moderatorinnen und Moderatoren in den Studios weiterhin sicher ihren Job machen können, ohne permanente Ansteckungsgefahr und Erkrankungsrisiko. Am Regieplatz nur noch eine Abwicklungstechnik und eine Chefin, ein Chef vom Dienst, im Studio keine Interviewgäste mehr. Interviews nur noch via Telefon, Skype oder Leitung. Auch Pressekonferenzen wurden aufgrund der Ansteckungsgefahr nicht mehr physisch wahrgenommen. Alle Informationen wurden telefonisch eingeholt, Audiomaterial von Livestreams übernommen. Alles in allem ein täglicher Stresstest für die gesamte Redaktion. Für mich war auch klar, dass die Kolleginnen und Kollegen keine Versuchskaninchen für unausgereifte, unverhältnismäßige und kostenintensive Sicherheitskonzepte sind, sondern als verantwortungsbewusste Menschen sich und ihre Kolleginnen und Kollegen zu schützen wissen. Um die Berichterstattung bei möglichen personellen Ausfällen weiterhin in vollem Umfang sicherstellen zu können entschied ich mich daher für eine doppelte Sicherheitsstrategie, die sich glücklicherweise bewährt, als nachhaltig und verhältnismäßig herausgestellt hat. Zum einen Teamteilung im Funkhaus-Newscenter, zum anderen eine Isolation der Nachrichtenkolleginnen und Kollegen bei Ö3 in Heiligenstadt. Im Funkhaus wurden die Ressorts, Nachrichten und Journale personell geteilt und wechselten alle vierzehn Tage vom Studio ins Homeoffice und umgekehrt: Wenn weniger Menschen im Studio arbeiten, kommen auch weniger Leute miteinander in Kontakt. In einem Erkrankungsfall wäre nicht gleich die gesamte Mannschaft lahmgelegt worden; Team 2 wäre in diesem Fall sofort aus dem Homeoffice ins Studio gewechselt.

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Für die Ö3-Nachrichten arbeitete ein kleines Newsteam und lebte für jeweils vierzehn Tage in einem isolierten Bereich im Ö3-Haus in Heiligenstadt. Diese Sicherheitsstrategie hätte personell über einen langen Zeitraum aufrecht erhalten werden können, war kostenmäßig überschaubar und sozial vertretbar. Warum sozial vertretbar? Weil der Sender Ö3, wie so oft bei schwierigsten Aufgaben, über sich hinauswächst. Senderchef Georg Spatt und sein Team organisierten binnen kürzester Zeit ein perfektes Umfeld zum Arbeiten, Leben und Senden in der Isolation. Wir haben aus unseren Erfahrungen gelernt und sind nach dem Lockdown zu einem entspannteren Teamteilungssystem übergegangen. Dennoch tragen wir im Studio bei den Redaktionssitzungen weiterhin Maske, halten Abstand und versuchen, die Zukunft zu planen. WIE WEITER? Solange die Covid-19-Pandemie existiert, werden wir nicht mehr zur Tagesordnung übergehen können. Wir haben gelernt, unsere Radiobeiträge überall aufnehmen zu können, wir kommunizieren per Skype und achten darauf, dass auch weiterhin die Verhaltensregeln eingehalten werden. Und wir halten an unseren gewohnten Qualitätskriterien fest. Wenn es aber gar nicht anders gehen sollte, werden wir die Menge unserer Informationsangebote reduzieren, nicht aber die Qualität unserer Beiträge, Nachrichten, TELETEXT-Storys und Onlineseiten. Die Journalistinnen und Journalisten der ORF-Radioinformation haben in dieser komplizierten Zeit mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen wie alle anderen Menschen auch. Mit geschlossenen Kindergärten und Schulen, mit Ausgangsbeschränkungen, mit kranken oder pflegebedürftigen Angehörigen, mit Quarantäne. Wir müssen trotzdem funktionieren, denn die Österreicherinnen und Österreicher wollen und müssen informiert werden. Jederzeit. Die Radionachrichten und der TELETEXT des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sollen nie zusperren müssen. •

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ZAHLEN ZUM ORF IM ZUSAMMENHANG MIT CORONA (AUSWAHL)

rd. 760

Sondersendungen

in TV (340) und Radio (420) von 25.2. bis 31.5.

7,0 Millionen

Zuseher/innen, das sind 94% der TV-Bevölkerung

92% 69%

der Bevölkerung bezeichnen ORF-TV- und

Radio-Sender als wichtigste Info-Quelle

(Triple M/ikp, Corona Kommunikation, April 2020, n=1.007)

der jungen Österreicher/innen

(16–29 Jahre) haben sich im ORF über „Corona“ informiert (IFES, Österreichrepräsentative Umfrage zur Corona­virus-Krise, März 2020, n=607)

70%

der Bevölkerung haben großes/gewisses Vertrauen in den ORF (IFES, Österreichrepräsentative Umfrage zur Coronavirus-Krise, März 2020, n=607)

TV-Nutzung zu Corona Gesamt

ORF

85%

PULS24

4%

OE24TV PULS4

4% 3%

SERVUS TV 3% ATV Rest

40

1%


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15. MÄRZ 2020 Zeit im Bild

2,86 Mio.

Zuseher/innen, 67% Marktanteil

Höchste Reichweite seit Einführung des Teletests 1991

Bundesland heute

2,4 Mio. Zuseher/innen, 63% Marktanteil Meistgesehene Ausgabe seit 1995

ZIB 2 Spezial

1,2 Mio. Zuseher/innen, 30% Marktanteil Meistgesehene Ausgabe seit „Ibiza“

ORF InfoReichweite im TV

5,2 Mio.

Zuseher/innen,

69% der Bevölkerung

Stärkster TV-Tag seit Einführung des Teletests 1991 ORF.at-Network

8,1 Mio. Visits

Höchster Sonntagswert aller Zeiten TVthek

1,4 Mio. Visits

Höchster Tageswert aller Zeiten ORF-Webradio

rd. 850.000 Sessions Höchster Sonntagswert aller Zeiten

ZIB-Facebook

5,14 Mio. User/innen erreicht Höchster Wert aller Zeiten

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ORF-LANDESSTUDIOS ESSENZIELL IN DER KRISE LISA STADTHERR, BA BA MA UND PAUL SCHMIDINGER, MA FH CAMPUS WIEN

Ein sehr wichtiges Gut in Zeiten von Krisen war stets der Zugang zu Informationen. In Krisen besteht in der Bevölkerung ein sehr hohes Informationsbedürfnis. Im Jahr 2020 ist nicht mehr der Zugang zu Informationen der befriedigende Faktor, sondern ihre Qualität und Glaubwürdigkeit. Dies zeigt sich besonders in der Corona-Krise, in der Beiträge auf den diversen sozialen Netzwerken in Massen produziert werden – Fake News, Halbwissen und Halbwahrheiten verbreiten sich wie ein Lauffeuer durch die Welt der Bits und Bytes. Pro Sekunde befeuern 11 Millionen Bit unser Gehirn mit Informationen. Der Mensch ist im Stande, 40-100 Bits pro Sekunde bewusst zu verarbeiten.1 Diese Fülle an Informationen erzeugt eine massive Reizüberflutung gepaart mit Verunsicherung und Angst und der Schwierigkeit, die Qualität der Informationen, die ständig auf die Menschen einprasseln, einzuschätzen. Und genau das ist die Basis für das Comeback der klassischen Medien. WARUM SIND KLASSISCHE MEDIEN IN DER AKTUELLEN KRISE WICHTIG? Generell werden unter klassischen Medien Funkmedien wie Radio und Fernsehen, Druck- und Pressemedien, also Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, sowie Bild- und Tonträgermedien verstanden.2 Es fallen in diese Kategorisierung sowohl die öffentlich-rechtlichen Medien wie die privaten. Eine für die österreichische Bevölkerung repräsentative Panelstudie von Forscher*innen des Vienna Center for Electoral Research der Universität Wien im Zeitraum von 27. März bis 30. März 2020 hat gezeigt, dass die Mehrheit der Befragten (80%) sich mindestens einmal täglich über eine oder mehrere klassische Nachrichtenmedien informiert.3 Die Zahlen beinhalten sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch die privaten Medien. Dieses Faktum ist als Verantwortung gleichermaßen wie als Chance zu verstehen. Das Vertrauen der Menschen in die klassischen 1

Vgl. Braun 2019, o.S.

2

Vgl. Trepte/Reineke 2018, S. 14

3

Vgl. Lebernegg et. al. 2020, o.S.

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Medien und somit ihre Deutungshoheit von Informationen ist in dieser Krise fulminant gestiegen.4 Die Rolle der Redaktionen ist es, Informationen für die Bevölkerung aufzubereiten, zu recherchieren, Neues aufzuspüren und den Wahrheitsgehalt zu überprüfen, Fakten zu checken und Expert*innen unterschiedlicher Disziplinen zur Informationsgewinnung und Kategorisierung zu interviewen. Sie fungieren als Filter, als Gatekeeper in der Fülle verfügbarer Informationen. Aber, wie unterscheiden sich die öffentlich-rechtlichen von den privaten Medien? WAS MACHT DEN ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN RUNDFUNK IN DER KRISE BESONDERS? Im Österreich gibt es, neben etlichen kleineren Sendern, insbesondere zwei Sendergruppen: den ORF und die ProSiebenSat.1PULS4 Sendergruppe. Im TV-Marktvergleich ist klar ersichtlich, dass die ORFSendergruppe den Ton angibt. Während die vier Österreich-Sender der ProSiebenSat.1PULS4-ATV Sendergruppe im März auf 8,2 Prozent Marktanteil5 kommen, kommt die ORF-Sendergruppe auf einen Wert von 36,1 Prozent. Das zeigt sich auch in den Reichweiten einzelner Sendungen, beispielsweise erreichte die Zeit im Bild am 15. März eine Reichweite von 2,86 Millionen bei 67 Prozent Marktanteil. Damit erreichte laut ORF diese auf allen vier ORF-TV-Sendern durchgeschaltete Sendung den Höchstwert aller ORF-Sendungen seit Einführung des Teletests im Jahr 1991.6 Ein weiterer eklatanter Unterschied zu den Privatsendern liegt in den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Der ORF beschäftigt etwa 3.000 Mitarbeiter*innen, 9 Landesstudios und verwaltet dabei ein Budget von knapp einer Milliarde Euro.7 Das Budget der ProSiebenSat.1PULS4 Sendergruppe wird vom langjährigen Medienjournalisten Harald Fidler auf 185 Millionen Euro geschätzt.8 Durch diese Situation kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch eine besondere Verantwortung zu. Zudem verfolgen die Privaten verständlicherweise finanzielle Interessen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunkt ist das einzige nicht-gewinnorientierte trimediale Angebot, das via Bundesverfassungsgesetz als öffentliche Aufgabe definiert wurde. Das Informationsangebot des ORF (Nachrichtensender und Onlineange4

Vgl. Gallup 2020, o.S.

5

ProSiebenSat.1 PULS 4 2020, o.S.

6

ORF 2020, o.S.

7

ORF 2020, o.S.

8

Fiedler 2020, o.S.

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bote) ist auch in der Corona-Krise die meistgenutzte Informationsquelle und für die Befragen von besonderer Bedeutung.9 Interessant ist hierbei, dass sich sowohl Hoch- als auch Niedrigrisikogruppen eher über klassische Nachrichtenmedien als über soziale Medien informieren – Hochrisikogruppen10 nutzen allerdings klassische Medien mit höherer Frequenz, während soziale Medien (Facebook, Instagram, Youtube, Whatsapp) eher von der Niedrigrisikogruppe genutzt werden.11 Das bestätigt die Annahme, dass der ORF als vertrauensvoller Kanal in der Hochrisikogruppe sehr intensiv verankert ist, dass aber auch Personen mit niedrigem Risiko den ORF und seine Onlineangebote als zuverlässigste Informationsquelle nutzen. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird also die Deutungshoheit in Zeiten der Krise zugestanden. DIE KRISE ZEIGT: ORF-LANDESSTUDIOS ERHALTEN Zudem ist der ORF durch das Betreiben der Landesstudios das einzige bundesweite Angebot, das auch ein regionales und dezentrales Angebot bietet. Gerade aufgrund der unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern im Rahmen der Corona-Krise, wie dies exemplarisch an Tirol sehr gut sichtbar wird, ist eine bundesländerspezifische Diversifikation des Informationsangebots notwendig und sinnvoll. Das kann in Österreich nur der ORF leisten.* • QUELLENVERZEICHNIS Braun, Rüdiger (2019): Unsere 7 Sinne. Die Schlüssel zur Psyche, Random House ebook: München. Das Österreichische Gallup Institut (2020): Gallup Stimmungsbarometer Corona. Wie gut fühlen sich die ÖsterreicherInnen von den Medien über Corona informiert, https:// www.gallup.at/fileadmin/documents/ PDF/marktstudien/23250_Coronavirus_ Medien_FINAL.pdf (zuletzt aufgerufen am 08.04.2020). Donges, Patrick (o.J.): Medien als Institution und ihre Auswirkungen auf Organisationen. Perspektiven des soziologischen Neo-Institutionalismus für die Kommunikationswissenschaft, https://www. zparl.nomos.de/fileadmin/muk/doc/

9

Aufsatz_06_04.pdf (zuletzt aufgerufen am 07.04.2020). Fiedler, Harald (2020): Größte Medienhäuser Österreichs, https://diemedien.at/ das-wichtigste-fuer-eilige-player-themenwas-war-wann/groesste-medienhaeuseroesterreichs/?v=fa868488740a (zuletzt aufgerufen am 08.04.2020). Lebernegg, Noelle S./ Eberl, Jakob-Moritz/ Boomgaarden, Hajo G./ Partheymüller, Julia (2020): Alte und neue Medien: Informationsverhalten in Zeiten der Corona-Krise, https://viecer.univie.ac.at/ blog/detail/news/alte-und-neue-medieninformationsverhalten-in-zeiten-der-coronakrise/?tx_news_pi1[controller]=News&tx_ news_pi1[action]=detail&cHash=93fb82 06834c14369dc86675761ba8b7 (zuletzt aufgerufen am 07.04.2020).

ORF Medienforschung (2020): ORF Fernsehen im März 2020, https://der.orf.at/ medienforschung/ (zuletzt aufgerufen am 07.04.2020). ORF (2020): Programm für Österreich, https://der.orf.at/unternehmen/der-orf100. html (zuletzt aufgerufen am 07.04.2020). ProSiebenSat.1 PULS4(2020): Quartal- und Monatsrekord für PULS 4 und Newssender PULS 24, http://www.prosiebensat1puls4. com/content/beitrag/20200401_quoten_ maerz.html (zuletzt aufgerufen am 07.04.2020). Trepte, Sabine / Reinecke, Leonard (2018): Medienpsychologie. 2. Auflage, Kohlhammer Verlag: Stuttgart.

Vgl. Lebernegg et. al. 2020, o.S.

10 alle Personen, die 65-Jahre oder älter sind, sowie all jene, die angeben an einer relevanten Vorerkrankung zu leiden, wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Hepatitis B, chronische obstruktive Lungenerkrankung, chronisches Nierenversagen, Krebs (vgl. Lebernegg et. al. 2020, o.S.) 11 Vgl. Lebernegg et. al. 2020, o.S.

*

Dieser Text wurde bereits im Frühjahr 2020 verfasst.

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ENGAGIERTES BEKENNTNIS ZUM PUBLIC SERVICE PROF. IN DR. IN MARLIS PRINZING MACROMEDIA HOCHSCHULE KÖLN

Die Corona-Pandemie macht unübersehbar, wie wichtig ein informationsjournalistischer Public Service bei der Krisenbeobachtung ist. Er ist systemrelevant für die demokratische Gesellschaft und nicht beschränkt auf den klassischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Auch weil die Pandemie keineswegs zu Ende ist, liegt nahe, daraus rasch konkrete Schlüsse zu ziehen. Öffentlich-rechtliche Medienqualität äußert sich in zuverlässigem Informationsjournalismus. Die Pandemie-Krise hat den Bürger*innen seine Bedeutung und seinen Stellenwert in schwierigen Zeiten deutlich gemacht; sie stieß manche Weiterentwicklung im Journalismus an. Drei Beispiele, die auch zeigen, dass noch manches zu tun ist (Prinzing 2020b): – Journalismus musste sich unausweichlich mit Wissenschaftslogik auseinandersetzen und den Umgang mit komplexen Themen lernen, bei denen es viele Unsicherheiten und Neubewertungen gibt. Daraus muss eine journalistische Arbeitsroutine erwachsen. Nicht nur bei Covid19 ist das, was man weiß, noch in der Entwicklung. – Datenjournalismus profilierte sich mit anschaulichen Grafiken und Kurven, die diverse Zusammenhänge rund um Corona zeigten. Aber manche Visualisierung muss künfttig sensibler durchdacht und auf ihre Relevanz überprüft werden. – Journalismus profilierte sich mit einer deutlicheren Hinwendung zum Publikum. Dazu zählen lösungs- und handlungsorientierte Krisenkonzepte, die den Menschen zu mehr Empowerment verhelfen können, aber auch die Transparenz, wie Journalismus funktioniert, welche Quellen er auswählt und nach welchen Kriterien er dies tut. Dieser Weg muss konsequent fortgeführt werden; nur er dämmt Wahrnehmung ein, traditionelle Medien schenkten den Menschen zu wenig Gehör (was indirekt den Zulauf zu sogenannten Alternativen Medien fördert). Die Corona-Krise offenbart innerhalb der Medienbranche sowie im Public Service- Journalismus Defizite, aus denen sich vier Forderungen ableiten lassen.

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1. Öffentlich-rechtliches Handeln muss umfassender gedacht (und reflektiert) werden. Wir müssen den Begriff des Public Service erweitern auf systemrelevanten Informationsjournalismus. ALLE Medien, die sich kontinuierlich um den demokratischen Diskurs kümmern und einen relevanten Informationsjournalismus betreiben, nehmen für die demokratische Gesellschaft wichtige Aufgaben wahr und leisten einen „öffentlichen Dienst“, erfüllen also einen Public Service. Die österreichische Bevölkerung informierte sich generationenübergreifend primär via klassische Medien, also Fernsehen, Radio und Zeitungen, über Corona, das ORF Fernsehen lag mit 81 Prozent an der Spitze; insgesamt wurde journalistische Leistung als hochrelevant für die Gesellschaft verstanden (77 Prozent) (Gallup 2020a,b,c). Medien in privater Hand haben ebenfalls und nicht nur bei Corona einen demokratischen Auftrag erfüllt, ebenso nichtkommerzielle Community-Sender, die den Bedarf nach lokaler Information decken und damit Vielfalt sichern sowie Medienkompetenz vermitteln, soziales Miteinander und Demokratie trainieren (Seethaler/Peissl 2020). Die öffentlich-rechtlich strukturierten Medien wie der ORF sind zum öffentlichen Dienst verpflichtet, die anderen leisten ihn freiwillig. Und wer prüft, wer wirklich einen Public Service leistet? Hier kommt die Medienforschung ins Spiel: journalistische Qualität lässt sich wissenschaftlich messen. Und sie lässt sich beobachten – durch Medienjournalismus sowie durch Selbstreflexion der Journalist*innen. 2. E ine am Public Service orientierte Medienqualität muss ­krisensicher finanziert sein. Wir schicken das Parlament nicht in die Kurzarbeit oder sparen als Folgen der Corona-Krise ein paar Ministerien ein. Genauso sollte Journalismus krisensicher finanziert sein. Die Krise offenbarte, dass das bisherige Geschäftsmodell versagt: Journalistische Leistung wurde extrem stark nachgefragt, aber etliche privat finanzierte Medien mussten Redaktionen in die Kurzarbeit schicken, z.B. weil die Werbeerlöse sanken. Nötig ist eine krisenbeständige Mischfinanzierung. Eine Komponente kann eine auf eine Mediengebühr erweiterte Finanzierung sein. Sie ist im Kern eine Demokratieabgabe, die Bürger*innen leisten, und die den Betreibern von qualitativem Informationsjournalismus zugutekommt. Stiftungsfinanzierung und Communitybeiträge sind weitere Varianten. Auch die individuelle Zahlungsbereitschaft wächst generell etwas, aber langsam (Newman et al. 2020); in der Krise jedoch nahm sie immerhin

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deutlich zu (Gallup 2020 b,c). Fallweise kann hierzu eine Sondermedienförderung kommen; so hat die Politik in der Corona-Krise einige Abhilfe geleistet. Diese Förderung sollte sich aber prinzipiell an der Berichterstattungsqualität orientieren und alle Ausspielkanäle einbeziehen (TV, Radio, Online, Print), um Menschen über ihre üblichen Kanäle zu erreichen (Gallup 2020c). 3. Politiker, die sich demokratischen Werten verpflichten, müssen sich auch aktiv zum Public Service von Medien bekennen. Aus der Vertrauensforschung wissen wir, dass Medienvertrauen und Politikvertrauen aneinandergekoppelt sind: Wer Politik misstraut, misstraut oft auch Medien (Jackob et al. 2019) Daraus folgt, adressiert an Parlamentarier*innen, dass sie die Wertigkeit ihrer eigenen Arbeit steigern, wenn sie sich zur Systemrelevanz von Informationsjournalismus bekennen. Das heißt nicht, nichts zu kritisieren: Es gibt viel berechtigte Kritik an Medien, auch an öffentlich-rechtlich strukturierten Medienunternehmen und ihren Programmen; aber man sollte künftig vermeiden, dies – wie in jüngerer Vergangenheit geschehen – in einen Topf zu werfen mit Überlegungen, die den Public Service als generelle Leistung in Zweifel ziehen. 4. Public Service verlangt, frühzeitig vor Gefahren zu warnen. In einer Gesundheitskrise gefährden Fehlinformationen, wie sie teils vorsätzlich sowie oft über soziale Medien verbreitet werden, rasch und mit direkten Folgen das öffentliche Handeln, die öffentliche Gesundheit und damit jeden von uns. Das bleibt ein Problem, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland und Österreich hinter den Corona-Maßnahmen ihrer Regierungen steht und Infos über Corona nicht vor allem aus sozialen Medien bezieht. Der Desinformation wirken viele Medienhäuser entgegen, indem sie noch mehr in ihre Faktenchecks investiert haben, um falsche Behauptungen rund um die Corona zu entkräften. Sie müssen aber auch ausdrücklich die Unterschiede zwischen ihrer Arbeit und den sogenannten Alternativmedien klar machen, die getrieben sind von einem Misstrauen dem demokratischen System, den etablierten Institutionen und einem großen Teil der Gesellschaft gegenüber.

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Professioneller Informationsjournalismus hingegen stützt die Demokratie in ihrem Bestand, er stützt sich auf Fakten und Faktenprüfung und empfiehlt sich so als eine zuverlässige Orientierungs- und Vertrauensinstanz. Wenn die Infektionszahlen weiter steigen, dann heißt das für einen sich dem „Public Service“ verpflichtenden Journalismus, zu erklären und zuzumuten, was ist. Das erfordert ein differenziertes Verhältnis zum Publikum. Aufzugreifen, was die Menschen betrifft und was sie wollen, darf nicht missverstanden werden als ein Auftrag, ihnen nach dem Mund zu reden oder sie in falschen Sicherheiten zu wiegen (z.B. die Krise sei überwunden, fast alles sei wie zuvor, Masken oder andere Vorsichtsmaßnahmen seien nicht mehr wichtig); auch Verharmlosung ist ein Qualitätsdefizit, auch Nicht-Berichten kann verantwortungslos sein (Prinzing 2020a, Gallup 2020d). Menschen mündig behandeln, bedeutet auch, sie möglichst früh zu warnen, wenn ihnen Gefahr droht. Solches Medienhandeln ist Teil einer aufgeklärten Gesellschaft. •

LITERATUR Gallup (2020a): Gallup Stimmungsbarometer. Österreich reagiert. https://www.gallup.at/fileadmin/ documents/PDF/marktstudien/Coronavirus_ Oesterreich_reagiert.pdf , 19.3.2020. Gallup (2020b): Gallup Stimmungsbarometer. Wie gut fühlen sich die ÖsterreicherInnen von den Medien über Corona informiert? https://www. gallup.at/fileadmin/documents/PDF/ marktstudien/23250_Coronavirus_Medien_ FINAL.pdf , 25.3.2020. Gallup (2020c): Gallup Stimmungsbarometer. Wie gut fühlen sich die ÖsterreicherInnen von den Medien über Corona informiert? https://www. gallup.at/fileadmin/documents/PDF/ marktstudien/23255_Coronavirus_und_ Medien_Welle_2_Kurzversion.pdf , 17.4. 2020.

Gallup (2020d): Gallup Stimmungsbarometer: „Sehnsucht nach Normalität bricht durch.“ https://www. gallup.at/fileadmin/documents/PDF/ marktstudien/PA-Sehnsucht_nach_ Normalitaet.pdf 30.4.2020 Jackob, J. Schultz, T., Jakobs, I., Ziegele, M., Quiring, O. & Schemer, C. (2019). Medienvertrauen im Zeitalter der Polarisierung. In: Media Perspektiven 5/2019, 210-220. Prinzing, M. (2020a): Unwissenheit frisst Journalismus – Journalismus frisst Unwissenheit. Zur Einschätzung der aktuellen Entwicklung von Medien und ihrer Bedeutung für die Demokratie aus Sicht der journalistischen Ethik. In: P. Grimm & O. Zöllner (Hrsg.): Digitalisierung und Demokratie – Ethische Perspektiven. Schriftenreihe Medienethik, Band 18. Stuttgart: Steiner. (im Erscheinen).

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Prinzing, M. (2020b): Die Krisenbeobachter. In: EJO, 14.4.2020 https://de.ejo-online. eu/qualitaet-ethik/die-krisenbeobachterjournalismus-waehrend-der-coronapandemie (eingesehen am 30.7.20) Newman, N. mit R. Fletcher, A. Schulz, S. Andi & R. Kleis Nielsen (2020): Digital News Report 2020, hg. vom Reuters Institute for the Study of Journalism. Oxford. https:// reutersinstitute.politics.ox.ac.uk/sites/ default/files/2020-06/DNR_2020_FINAL.pdf Seethaler, J. / Peissl, H. (2020): Public Value des Nichtkommerziellen Rundfunks. https:// www.rtr.at/de/inf/StudiePublicValue-2020


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ÖFFENTLICH-RECHTLICHE SIND NICHT BLOSS LAUTSPRECHER PROF.EM ROGER BLUM UNIVERSITÄT BERN

Verschiedene Beobachter aus der Kommunikations- und Medienwissenschaft haben das Verhalten der Medien in der Corona-Krise kritisiert: Sie seien zu sehr regierungshörig und würden zu „Systemmedien“, bemängelte der Zürcher Publizistikprofessor Otfried Jarren.1 Sie dürften sich nicht mit alternativloser Berichterstattung begnügen, forderte der Berliner Medienprofessor Joachim Trebbe.2 Sie seien zu stark an Virologen als Medienstars orientiert, zu sehr auf Einzelfälle fixiert, zu zahlengläubig, zu wenig transparent und zu wenig auf Diskurs aus, bemerkten der Eichstätter Journalistikprofessor Klaus Meier und der Winterthurer Journalistikprofessor Vinzenz Wyss.3 Sie würden zu wenig fragen, nachfragen und hinterfragen, hielt die Kölner Journalistikprofessorin Marlis Prinzing fest.4 Dies zeigt, dass die Medien in der Krise eine Rolle übernehmen, die ihnen sonst fremd ist: Sie werden zu Lautsprechern der Regierungen und Experten. In normalen Zeiten ist die Rolle der Lautsprecher den Medien in geschlossenen und autoritär oder totalitär regierten Gesellschaften wie in China oder Kuba vorbehalten, während Medien in offenen und demokratisch regierten Gesellschaften wie in den USA oder in West- und Mitteleuropa eher die Rolle von Widersprechern ausüben. Am stärksten gefährdet, stramm zu stehen und die Lautsprecher-Rolle einzunehmen, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk, aus zwei Gründen: Er steht psychologisch in einer gewissen Nähe zum Staat, weil ihm dieser den Rahmen setzt und weil er ihm mit den Gebühren die finanzielle Grundlage sichert. Und er ist verpflichtet, in Notstandszeiten amtliche Mitteilungen zu verbreiten. Das macht ARD und ZDF in Deutschland, den ORF in Österreich und die SRG in der Schweiz ein Stück weit zum verlängerten Arm der Behörden. Und 1 https://www.epd.de/ueberregional/schwerpunkt/medien/experte-kritisiert-gleichfoermige-corona-berichterstattung 2 https://www.t-online.de/unterhaltung/tv/id_87682026/medienforscher-ueber-ardund-zdf-ragen-als-leuchttuerme-aus-der-krise-.html 3 https://meedia.de/2020/04/09/journalismus-in-der-krise-die-fuenf-defizite-dercorona-berichterstattung/ 4 https://de.ejo-online.eu/qualitaet-ethik/die-krisenbeobachter-journalismus-waehrend-der-corona-pandemie

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ARD und ZDF vor allem hatte Otfried Jarren im Blick, als er von „Systemmedien“ sprach (wobei ich den Begriff als zu belastet ablehne, denn mit „Systemmedien“ und „Lügenpresse“ beschimpfen Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretiker die traditionellen Medien). Diese Public-Service-Sender haben zurzeit enormen Zulauf: Die Einschaltquoten sind in schwindelerregende Höhen gestiegen, weil erstens die Leute mehr Zeit zum Fernsehen und zum Radiohören haben, da viele Freizeitaktivitäten wie Kino-, Theater-, Konzert-, Restaurant-, Spielhölle-, Fitnesscenter- oder Stadionbesuche in der Phase des Lockdowns ausfallen, und weil zweitens die Qualitätsmedien – und zu denen gehören die Public-Service-Sender – in Krisensituation wegen ihrer höheren Glaubwürdigkeit mehr nachgefragt werden als beispielsweise Boulevardmedien. Die hohe Glaubwürdigkeit der Public-Service-Sender wird in Umfragen regelmäßig nachgewiesen. Sie hat auch damit zu tun, dass das Publikum sie nicht für einseitig parteiisch hält und von ihnen geprüfte faktenbasierte Information erwartet. Dieses Vertrauen des Publikums hat Anspruch auf Gegenleistung. Diese Gegenleistung bedeutet, dass sich die gebührenfinanzierten Public Service-Sender auch in der Krise auf ihren Auftrag besinnen sollten: Dieser umfasst nicht nur die Informationsfunktion und die Artikulationsfunktion, sondern auch die Bildungs-, Gratifikations-, Sozialisations- sowie Kritikund Kontrollfunktion. Es ist richtig, dass die Sender sich an der Aktualität orientieren und breit informieren (Informationsfunktion). Es ist verdienstvoll, dass politische, medizinische und administrative Akteure in Diskussionssendungen auftreten und Interviews geben (Artikulationsfunktion). Es ist den Sendern zudem hoch anzurechnen, dass sie sofort ihre Bildungs-, Kultur- und Unterhaltungsprogramme verstärkt haben und beispielsweise Kulturschaffende im Studio statt in Konzert- und Theatersälen auftreten lassen (Bildungs- und Gratifikationsfunktion). Aber ein mündiges Publikum verdient auch kritische Recherche und kritische Kommentierung. Es soll die Fakten differenziert einordnen können: Wieso wurden die Behörden derart von dieser Pandemie überrascht? Warum waren sie auf eine solche Krise nicht vorbereitet, obwohl ähnliche Viren schon früher zirkulierten? Warum gab es keine Vorräte an Masken? Welche unterschiedlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es über das Virus, seine Verbreitungsart und seine Gefährlichkeit? Solche Fragen und die durch Recherche gewonnenen Erkenntnisse würden die Zusammenhänge noch besser erhellen (Sozialisationsfunktion). Und wenn sich die Public-Service-Sender darauf besinnen, dass auch sie ein Widerpart von Regierung und Verwaltung sind und dass es ihre Aufgabe ist, zu stören, dann erst erfüllen sie ihre Rolle in der Demokratie voll und ganz (Kritik- und Kontrollfunktion).* • * Dieser Text wurde bereits im Frühjahr 2020 verfasst.

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VON DER BERICHTERSTATTUNG IN KRISENZEITEN ZUR KRISE DER BERICHTERSTATTUNG? UNIV.-PROF. IN DR. IN LARISSA KRAINER UNIVERSITÄT KLAGENFURT

Krisen bringen Bad News mit sich und Bad News ziehen Berichterstattung nach sich. Berichterstattung erzeugt öffentliche Aufmerksamkeit und öffentliche Aufmerksamkeit löst eine gesteigerte Nachfrage nach Berichterstattung aus. Der Drang nach Informationsbeschaffung nutzt alle ihm zur Verfügung stehenden Kanäle und auf diesen wächst die Bereitschaft zu umfassender Verbreitung von Informationen aller Art. Eine Sorgenspirale setzt sich in Gang und schraubt sich unaufhörlich in die Höhe. Die Fülle der Information schwellt an und vermengt in ihrer Dichte gesicherte Nachrichten mit mehr oder minder bewusster, mehr oder weniger gezielter Desinformation. Fake News sind Bad News der besonderen Art – sie sind zugleich falsch und schlecht, selbst wenn sie als Good News daherkommen. Der realen Gefahr, die von der Bedrohung durch den Virus ausgeht, folgt die digital vermittelte virale Verbreitung von Unklarheit. Sie ist nicht minder ansteckend und nicht minder Krisenphänomen. Der Grad der Ansteckung lässt sich allerdings nicht statistisch erfassen, gegen sie auch keine Impfung entwickeln. Desinformation kann man nur durch gesicherte Information begegnen, ohne allerdings je gewährleisten zu können, dass sie auch von allen gefunden und rezipiert, verstanden und akzeptiert wird. Gesellschaftliche Krisen bedürfen vielfacher Reaktionen und betreffen bzw. fordern nahezu alle gesellschaftlichen Subsysteme, politische wie wirtschaftliche, öffentliche wie private. Allerdings: gefordert sind nicht alle in gleicher, sondern jeweils in bestimmter Form. Gemeinsam ist ihnen allen lediglich, dass sie das Geschehen beobachten, aber selbst darin zeigen sich gravierende Unterschiede, wie etwa zwischen der Krisenkommunikation durch politisch Verantwortliche und deren Beobachtung durch alle im Alltag Betroffenen, zwischen journalistischer Professionalität und professioneller Desinformation. Die Funktion von Medien ist in Krisenzeiten keine prinzipiell andere als sonst, ihre grundlegende Ambivalenz aber möglicherweise partiell deutlicher: Wie vom Ernst der Lage zu informieren, ohne unbotmäßig zu alarmieren? Wie viel mehr Platz und Zeit muss oder soll den Regieren-

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den eingeräumt werden, wie viel weniger kritische Prüfung deren Information ist kurzfristig statthaft? Wie viel Beitrag ist zu leisten, um politische Maßnahmen begleitend zu bewerben, wie wenig kann dennoch auf begleitende Kritik verzichtet werden, wenn etwa Erlässe dem simplen Alltagsverstand widersprechen? Und insgesamt: Wie viel skeptisches Infragestellen ist vertretbar, wenn das Gemeinwohl davon abhängig wird, dass kollektives Vertrauen auf die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen in geteiltes Handeln führt? Und nicht zuletzt: Wie das Recht der Öffentlichkeit, umfassend informiert zu werden, im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks umsetzen, der in Krisenzeiten zum zentralen Informationskanal wird – für Regierende wie Regierte? Eine Antwort auf diese Frage hat Bert Brecht schon 1932, kurz nachdem der Rundfunk auszustrahlen begann, in einer Rede über den Rundfunk mit dem Titel: „Der Rundfunk als Kommunikationsapparat“ gegeben, als er meinte, zu den „Verpflichtungen des obersten Beamten gehört es, regelmäßig durch den Rundfunk die Nation von seiner Tätigkeit und der Berechtigung seiner Tätigkeit zu unterrichten. Die Aufgabe des Rundfunks allerdings erschöpft sich nicht damit, diese Berichte weiterzugeben. Er hat über dies hinaus die Einforderung von Berichten zu organisieren, das heißt, die Berichte der Regierenden in Antworten auf die Fragen der Regierten zu verwandeln.“ Dem ist fast 80 Jahre später nicht viel hinzuzufügen, auch wenn die Kanäle, nicht zuletzt durch Digitalisierung, vielfältiger geworden sind. Es bedeutet, den Informationen der Regierenden hinreichend Platz einzuräumen und in Krisenzeiten dem gesteigerten Informationsbedarf Rechnung zu tragen. Analog zu steigern ist aber auch die Aufmerksamkeit darauf, welche vielfältigen Fragen sich daraus ergeben. Sie alle werden bereits auf den diversen Kanälen formuliert und harren teilweise noch ihrer Antwort. Genug Platz für Recherche also, hinreichend Aufgabe für Medien, konkreter Auftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Berichterstattung in Krisenzeiten ist stets von Krisen der Berichterstattung bedroht. Ersteres ist unabdingbar, Letzteres hingegen vermeidbar.* •

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Dieser Text wurde bereits im Frühjahr 2020 verfasst.

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DER RITT AUF DER RASIERKLINGE UNIV.-PROF. DR. WOLFGANG DUCHKOWITSCH UNIVERSITÄT WIEN

Professionelle Medienbeobachter/innen – Medienjournalist/innen und -wissenschaftler/innen haben Ende März 2020 konstatiert, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland am Gängelband der Regierung hing. Der Medienwissenschaftler Otfried Jarren warf den Sendern vor, Bedrohung und exekutive Macht zu präsentieren. Das sei Systemjournalismus. Und die Medienjournalistin Vera Linß forderte, Überwachung und Datenschutz im Kontext mit den Maßnahmen der Regierung stärker in den Fokus zu rücken. Krisenstrategien der Regierung seien weitgehend kritiklos transportiert worden. Darin sieht sie eine unangemessene Art „Service-Journalismus“. Gelten solche Vorwürfe an die deutschen Sender auch für den ORF? Drei Wochen nach Beginn der Ausgangsbeschränkungen in Österreich sei eine Zwischenbilanz gezogen. Ja, es mag sein, dass der ORF in erster Linie bloß die Maßnahmen der Regierung ausgestrahlt hat und keine echte Debatte zwischen Expertinnen und Experten über deren Maßnahmen. War der ORF nach Erlass der Ausgangsbeschränkungen es aber nicht primär der Bevölkerung schuldig gewesen, eben diese Maßnahmen pur zu vermitteln und somit Wissen zu schaffen, um Aufklärung für Handeln und Verhalten im Alltag wie im Beruf zu bieten? Wer sonst als der ORF mit seinen professionellen Qualitätsmerkmalen und -instrumenten hätte in Bild und Ton angesichts der rasanten Beschleunigung von Fake News in angeblich „entschleunigter“ Zeit für kognitive Sicherheit und emotionale Geborgenheit in breiten Bevölkerungskreisen sorgen können? Ist es nicht so, dass die immer noch größte „Medienorgel“ in unserem Land wesentlich dazu beigetragen hat, den Gedanken eines Kollektivs in unsäglich schwerer Zeit hoch zu halten und zu transportieren, notwendiges „Wir-Gefühl“ bei alt und jung zu stärken, Kohäsion zu bewirken, an die Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger in der Zivilgesellschaft (offensichtlich inzwischen erfolgreich) appellierend? Wurde der ursprüngliche Sinn einer Nachricht, sich nämlich danach zu richten, um sich danach persönlich ausrichten zu können, in diversen Nachrichtensendungen und Magazinen des ORF nicht weitgehend erfüllt, von Anleitungen für das Herstellen einer Maske bis hin zu einem Report über die derzeitige Lage von obdachlosen Menschen?

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ORF1 hat im März 2020 seine höchste Reichweite seit Sendebeginn erzielt. Die Reichweiten im März waren bestimmt von der Berichterstattung, mit welcher der ORF in allen vier TV-Sendern die Menschen in Österreich informiert hat: Die aktuellen „ZIB“- Nachrichten plus 125 Sondersendungen bzw. solche mit Corona Schwerpunkt sahen beinahe sieben Millionen. Das sind 92 Prozent der heimischen TV-Bevölkerung ab zwölf Jahren. Warum bloß? Weil der ORF „Systemjournalismus“ betrieben hat? Ungeachtet dessen sollte sich der ORF im Sinn des Public Value sehr bald seiner starken Sozialmarken nachhaltig besinnen. Sie würden darin bestehen, Menschen im derzeitigen Katastrophenfall der schnellen Corona-Virus-Ausbreitung noch konsequenter als bisher zu unterstützen, also „Humanitarian Broadcasting“ zu betreiben. Sie würden ferner dann sichtbar werden, wenn Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wie auch sonstige Experten und Expertinnen zu Wort kommen, die demokratiepolitische Bedenken im Licht von Maßnahmen der Regierung bis dato fast nur in privaten Kanälen äußern. Dies unter dem Motto: rechte Programminhalte zur rechten Zeit im ausreichenden Maß. Dann würde der Ritt auf der Rasierklinge gelingen, auf der einen Seite nichts zu verharmlosen und nicht den Eindruck zu erwecken, die Maßnahmen der Regierung seien übertrieben und auf der anderen Seite Handeln und Verhalten der Regierung gemäß der Funktion von Medien als vierte Gewalt, die den öffentlich-rechtlich Rundfunk besonders auszeichnet, distanziert zu betrachten und, falls erforderlich, auch zu kritisieren.* •

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Dieser Text wurde bereits im Frühjahr 2020 verfasst.

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TEXTE, DOKUMENTE UND STUDIEN ZUM ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN QUALITÄTSDISKURS (U.A.):

PUBLIC VALUE STUDIE Die Rolle öffentlich-rechtlicher Medien im Internet

Public Social Value u. a. Univ.-Prof.in Dr.in Sonja Kretzschmar (Universität München) Prof. Graham Murdock (Loughborough University) Univ.Prof. Dr. Jens Lucht, Univ.Prof. Dr. Mark Eisenegger (Universität Zürich)

Victor Mayer-Schönberger (Oxford University)

Die volkswirtschaftlichen Effekte des ORFFernsehens

Der Auftrag: Bildung im digitalen Zeitalter

Matthias Firgo, Oliver Fritz (WIFO), Gerhard Streicher (Joanneum Research)

Unterhaltung als öffentlich-rechtlicher Auftrag Gabriele Siegert, M. Bjorn von Rimscha, Christoph Sommer (Universität Zürich)

Der Auftrag: Demokratie

Public Network Value Thomas Steinmaurer, Corinna Wenzel (Universität Salzburg)

Generation What

u. a. Prof. Dr. Hartmut Rosa, Universität Jena Dr.in Maren Beaufort, ÖAW Univ.-Prof.in Dr.in Katharine Sarikakis, Universität Wien Prof. Dr. Bernhard Pörksen, Universität Tübingen

u. a. von Prof. Dr. Bernd Holznagel (Universität Münster) Univ.-Prof. Dr. Christian Fuchs (University of Westminster) Univ.-Prof. Dr. Stephen Cushion (Cardiff University)

Mag. Daniel Schönherr, SORA

PUBLIC VALUE DOKUMENTE Gesetze und Regulative | Expert/innengespräch Kultur, Religion I Qualitätsprofile Fernsehen/Info | Fernsehen/Wissenschaft-Bildung-Service-Lebenshilfe | Radioprogramme | Fernsehen/Sport | Fernsehen/Unterhaltung

PUBLIC VALUE TEXTE Quelle vertrauenswürdiger Informationen

Public Value

Univ.-Prof. Dr. Dieter Segert, Texte 1

DDr.in Julia Wippersberg, Texte 2

Medien-Unterhaltung als Service Public

Public Value als Wertschöpfungsbegriff?

Univ.-Prof. em. Dr. Louis Bosshart, Texte 12

Univ.-Prof. Mag. DDr. Matthias Karmasin, Texte 6

Das Naserümpfen der Eliten

Channelling diversity

Mag.a Dr.in Karin Pühringer, Texte 11

Die komplexe Welt erklären Dir. Uwe Kammann, Texte 4

Kultur im Fernsehen Univ.-Prof. Dr. Hannes Haas, Texte 10

Nur was wirkt, hat Wert Dir. Prof. Dr. Helmut Scherer, Texte 5

Österreichwert oder mehr Wert Dr. Georg Spitaler, Texte 11

Welche Diversität für welchen Public Value? Mag.a Dr.in Petra Herczeg, Texte 7

Zum Systemrisiko der Demokratie Univ.-Prof. Dr. Kurt Imhof, Texte 3

Univ.-Prof.in Dr.in Gunilla Hultén, Texte 13

Crisis or dismantlement? Univ.-Prof.in Dr.in Isabel Fernández-Alonso und Dr. Marc Espin, Texte 13

Den öffentlichen Rundfunk entfesseln Dr. Vinzenz Wyss, Texte 13

Eurovision and the „new” Europe Univ.-Prof.in Dr.in Karen Fricker, Texte 14

Pluralism and public service media Petros Iosifidis, Texte 13

The four horsemen of the post-broadcast era Univ.-Prof. Dr.Marko Ala-Fossi, Texte 13

We are all Greeks Univ.-Prof.in Dr.in Katharine Sarikakis, Texte 9

Zwischen Auftrag und Kommerzialisierung

Auf dem Weg zum Publikum

Univ.-Prof. Dr. Minas Dimitriou, Texte 11

Dr. Florian Oberhuber, Texte 8

Identität und Medien

Die Zukunft des Fernsehens

Univ.-Prof. Dr. Karl Vocelka, Texte 3

Dr. Alexander Wrabetz, Texte 8

zukunft.ORF.at


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